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Kontakt halten – dennoch loslassen: „Das geht dich nichts an! Lass mich in Ruhe!“ Der Alltag mit einem pubertierenden Kind ist häufig nervenaufreibend. Dieser Ratgeber bietet Eltern einen roten Faden, der sie durch alle Phasen der Pubertät führt. Zehn goldene Regeln und das Pubertäts-ABC helfen bei den täglichen Auseinandersetzungen und unterstützen bei dem, was Eltern sowieso richtig machen.
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Seitenzahl: 176
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Wir dankenRudy, Lia, Paul, Felix, Rosa, Helena, Santanaund allen anderen,die uns immer wieder Anstöße geben, uns zu verändern und zu entwickeln.
Vorwort
Wozu und für wen haben wir dieses Buch geschrieben?
Angela
Eckhard
Was wir mit diesem Ratgeber erreichen möchten
Einleitung
„Fieber der Zukunft“ – Was genau ist Pubertät?
Biologisch
Anthropologisch
Neurologisch
Krisenhaft und chancenreich
„Sex and Drugs and Rock ‘n’ Roll“ – die Umwandlungsphasen
Die sieben Phasen
Wie wir auf Veränderung reagieren
Phase 1: Die Vorahnung
Phase 2: Der Schock
Phase 3: Abwehr und Widerstand
Nicht wahrhaben wollen
Machtkampf, Wut und Zorn
Rückzug
Erpressen, bestechen, mit dem Schicksal feilschen
Phase 4: Die Kapitulation
Phase 5: Abschied und Trauer
Phase 6: Die Öffnung
Phase 7: Die Integration
Unter dem Strich
Riskantes Verhalten – Die verschlüsselte Botschaft
Thema Nummer eins: Sex
Mädchen
Welche Folgen hat das riskante Verhalten?
Über Verhütung reden
So stärken Sie die Selbstbestimmung Ihrer Tochter
Jungen
Schwul – Homosexualität und Coming-out
So unterstützen Sie Ihren Jungen
Grenzerfahrungen
So bereiten Sie Ihr Kind auf Gefahren vor
In Krisenzeiten
Depression – wenn alles zu viel wird
So helfen Sie Ihrem Kind
Gestörtes Essverhalten
So helfen Sie Ihrer Tochter
Alkohol – die erlaubte Droge
So gehen Sie richtig mit dem Thema Alkohol um
„Rauschtrinken“
Rauchen – abhängig vom Glimmstängel
So steuern Sie gegen
Der Griff zur Droge
Was Sie über Drogen wissen sollten
Stehlen – sich nehmen, was man will
Schlagen und körperliche Gewalt
Gewalt in der Familie
Mobbing – unsichtbare Verletzungen
Was Sie bei Mobbing tun sollten
Was tun bei Mobbing per Handy oder Internet?
Computerspiele – Leben in Scheinwelten
Wie Sie gegensteuern können
Chatten und surfen
Hilfreiche Websites
Was für ein Familienleben wollen Sie führen?
Wenn das Kind politisch aktiv wird
Glaubensfragen
Jugendreligionen und Sekten
Was tun, wenn Ihr Kind Opfer einer Sekte geworden ist?
Vorbeugen ist besser als heilen
Erfolgreich Kontakt halten
Schließen Sie einen Vertrag ab
Die Kunst, ein gutes Gespräch zu führen
Hören Sie zu
Machen Sie Komplimente
Auch Small Talk ist wichtig
Einladung zum Gespräch
Sprechen Sie in Ich-Botschaften
Wie Sie mit guten Fragen die Beziehung gestalten
Stolpersteine
Klären Sie Ihre eigene Rolle
Meine Welt ist nicht deine Welt
Wenn die Wut Sie übermannt
Wenn der Kontakt doch abgerissen ist
Damit das Zusammenleben gelingt
Die Familie in der Öffentlichkeit
Die lieben Verwandten
Wenn sich die Eltern trennen
Die 10 goldenen Regeln
Regel 1
Regel 2
Regel 3
Regel 4
Regel 5
Regel 6
Regel 7
Regel 8
Regel 9
Regel 10
Und später?
Das Pubertäts-ABC – oft gestellte Fragen
A–Z
Schlusswort
Anhang
Die Autoren
Weitere Hilfen
Zum Weiterlesen
Filme
Internetadressen
In den Träumen meiner Jugendzeit, von der ich damals nicht einmal wusste, dass man sie Pubertät nennt, stellten sich die wichtigsten Weichen in meinem Leben. Vieles nahm damals seinen Anfang. Meine Jugend war die Zeit der größten Verzweiflung und der intensivsten Freuden! Und alle um mich herum waren in meine Höhen und Tiefen einbezogen, ob sie wollten oder nicht. Ich habe meine Pubertät und die meiner Geschwister erlebt, die meines Sohnes und der Tochter meines Mannes sowie die von deren Freunden und Freundinnen. Im Rahmen meiner Arbeit habe ich über die Jahre beobachtet, wie unzählige Kinder – verspielte, verträumte, witzige, manchmal auch wütende und verletzte junge Menschen – sich wie im Zeitraffer in liebesfähige und verantwortungsbewusste Erwachsene verwandelten und jetzt selbst Kinder großziehen.
Ich bin froh, dass ich damals so viel ausprobieren konnte und es geschafft habe, eine erfolgreiche und zufriedene Frau zu werden. Die abenteuerlustige, aber auch unsichere und verzweifelte junge Frau, die ich einmal war, kann ich jetzt in einem neuen Licht sehen: Sie hat sich selbst gesucht. Jetzt erkenne ich, welchen Halt mir meine Familie, meine Lehrer und meine Freundinnen gegeben haben. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie mich damals ausgehalten und einfach mit mir weitergelebt haben. Einige besondere Menschen haben mir mit ihrer Aufmerksamkeit und Liebe dabei geholfen, mich meinen Lebensaufgaben zu stellen. Ihnen allen gilt mein Dank! Und ja, dieses Wissen möchte ich weitergeben.
Ich bin der Zweitgeborene: Plötzlich hatte mein Bruder lange Haare, ließ nicht mehr mit sich reden, die Eltern sagten: „Das ist das Flegelalter.“ Ich stand ratlos und irritiert davor – bis es auch mich einholte: Alles Mögliche musste ausprobiert werden, ohne dass die Eltern davon wussten, wir setzten uns mit den großen Lebensfragen, mit Tod und Sterben auseinander. Wir machten Unsinn, dummes Zeug und provozierten die Erwachsenen. Die ersten Erfahrungen mit der Liebe quälten uns …
Und dann, viel später, hatte ich das Glück, als Vater von zwei Söhnen die Perspektive wechseln und die beiden mit viel Angst, aber auch Hoffnung und Zuversicht durch diese so wichtige Zeit begleiten zu können. Heute ist es gelungen und ich lerne immer noch. Und immer ist es ähnlich, und immer wieder ganz anders und nicht vorhersagbar, was passiert – die Pubertät ist eine der spannendsten Zeiten im Leben!
•Müttern, Vätern, besonders auch Patchworkfamilien und Alleinerziehenden Mut machen.
•Sie bei dem unterstützen, was Sie sowieso schon alles intuitiv richtig machen!
•Sie neugierig machen auf die Pubertät Ihrer Kinder – was passiert denn da eigentlich?
•Sie anregen, in Ihrem eigenen Leben zu forschen: Wie war das damals bei mir? Wer bin ich eigentlich geworden? Was verändert sich jetzt in mir, wenn mein Kind erwachsen wird?
•Ihnen interessante Informationen und Sätze liefern, die Ihnen weiterhelfen im Alltag mit Ihrem Teenie.
•Dass Sie immer mehr Talente bei Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter entdecken.
•Dass Sie junge Menschen, neue Orte und Produkte und neue Musik kennenlernen.
•Dass Sie sich immer wieder entspannen und die Komik vieler Situationen und Dialoge genießen können.
•Dass Sie die Intensität Ihrer Gefühle bewusst erleben können und weniger Angst haben.
•Dass Sie trotz allen Ärgers immer wieder Ihre tiefe Zuneigung fühlen können.
•Dass Sie immer öfter zuhören als selber reden.
•Dass Sie lernen, sich bei bestimmten Themen zurückzuhalten – aber sich einmischen, wenn es existenziell wird.
•Dass Sie in Auseinandersetzungen andere Wege finden, als Vorwürfe zu machen.
•Dass Sie Ihre Meinung klar und deutlich ausdrücken.
•Dass Sie dem Jugendlichen helfen, Erfolge zu haben.
•Dass Sie Ihren Jugendlichen seinen Weg gehen lassen.
•Dass Sie Hilfe finden, wenn Sie zu unruhig und besorgt sind.
•Dass Sie die Schönheit, Willenskraft und Intelligenz Ihrer Heranwachsenden immer wieder wahrnehmen und sich darüber freuen können!
„Niemals wird seitens der Gesellschaft zum Ausdruck gebracht,wie sehr sie den großmütigen Einsatzund die Kreativität der Jugendlichen braucht.“
Françoise Dolto
Bliebe Ihr Kind für immer im Schoße der Familie, dann bekäme es niemals die Chance, seinen ureigensten Lebensweg zu gestalten und seinen Platz in der menschlichen Gemeinschaft zu finden. Gesellschaften, die auf der ausschließlichen Einhaltung ihrer Traditionen beharren (auch mit Gewalt) und ihre Jugend davon abhalten zu experimentieren, gehen früher oder später zugrunde. Gesellschaftliche Erneuerung kann nur durch die Kreativität und den Mut unserer Jugendlichen gegen viele Widerstände in Gang gesetzt werden.
Es ist schlicht unmöglich, immer wie ein Kind versorgt zu werden und Papa und Mama zu gehorchen, ohne Schaden zu nehmen. Alle, und besonders natürlich das heranwachsende Kind, müssen das akzeptieren. Wie reagieren die noch sehr jungen Menschen auf diese unaufhaltsame Kraft, die von innen nach außen drängt und ihre Gefühle so heftig durcheinanderwirbelt? Vielleicht zieht sich das heranwachsende Kind in sich selbst zurück und verschließt sich in seiner eigenen Welt, um sich so in seiner Verletzlichkeit dem starken familiären Einfluss zu entziehen, oder es geht weg zu seinen gleichaltrigen Freunden – in dem intuitiven Wissen, dass es viel besser ist wegzugehen, als sich abzukapseln. Es gibt bei Jugendlichen alle möglichen Versuche, diesen verwirrenden Gefühlen zu entfliehen – manchmal sind es auch Sackgassen. Darüber schreiben wir in diesem Buch auch.
Schamgefühle, Größenwahn, Aggressions- und Ohnmachtsattacken begleiten die erwachende Sexualität und führen nicht selten zu einem scheinbar chaotischen Verhalten der Jugendlichen. Da ist es hilfreich, wenn Sie in dieser Zeit einerseits Einfühlsamkeit und Mitgefühl entwickeln können sowohl für diesen geliebten jungen Menschen, dessen Körper und Geist sich zusehends verändern, als auch für sich selbst, die Sie diese Veränderungen manchmal zähneknirschend, nervlich am Ende und dann wieder voller Freude und Hoffnung begleiten. Sie sind aber andererseits auch nach wie vor die wichtigste Erziehungsperson des Jugendlichen und können mit Ihrer Lebenserfahrung und Ihrem Wissen um die Anforderungen des Alltags in einer modernen Gesellschaft den notwendigen Halt geben. Sie setzen Grenzen und handeln Regeln aus, immer wieder aufs Neue … Sie sind jetzt gefragt als Vertreter einer gesellschaftlichen Ordnung, gegen die der Teenager anrennt, in der er aber seinen Platz finden möchte und wird.
Sie sind gefragt als Vertreter einer gesellschaftlichen Ordnung, gegen die der Teenager anrennt.
Möchten Sie die Rolle eines Sparringspartners übernehmen? Dann machen Sie sich Ihre eigenen Werte bewusst und leben Sie sie vor. Seien Sie der Erwachsene, der Sie sind, denn auch Ihre Ehrlichkeit wird jetzt genauer unter die Lupe genommen. Auch Sie als Eltern wachsen jetzt mit: Sie argumentieren, Sie erklären sich, Sie vertreten Ihre Werte und Sie sorgen dafür, dass Ihr Zuhause für die Familie ein guter Ort zum Leben ist. Sie vollbringen den Spagat, sich in den Jugendlichen einzufühlen, ihm zuzuhören, mit ihm herumzualbern und verrückten Plänen zu lauschen, nur um dann wieder konsequent auf Vereinbarungen zu bestehen.
Ja, auch Ihr Leben verändert sich jetzt: Sie haben auf einmal mehr Zeit, sind wieder öfter alleine oder zu zweit, müssen nicht mehr für alles sorgen. Fühlen Sie diese Veränderung. Seien Sie ruhig auch traurig darüber, wenn Sie spüren, dass die Kindheit Ihres Kindes zu Ende geht und damit auch viele wunderbare Momente und Erlebnisse. Sie ist bald endgültig vorbei, und als rundum sorgende Eltern werden Sie nicht mehr gebraucht. Wo vorher eine Fülle von kindbezogenen Gedanken und Aktivitäten den Tagesablauf beherrschte, entstehen plötzlich von heute auf morgen freie Zeiträume. Vielleicht sogar ein merkwürdiges Vakuum. Eine Weile werden Sie noch überlegen: Mische ich mich ein oder lasse ich es laufen? Doch immer mehr werden Sie die Lebensbereiche Ihres Jugendlichen ihm selbst überlassen. Sie erinnern sich wieder an eigene Wünsche, die Sie zurückgestellt hatten, an Träume und Pläne, die Sie vor der Geburt Ihres Kindes beschäftigten oder die im Laufe der Erziehungszeit aufgekommen sind. Irgendwann, geplant oder manchmal ganz unvorhergesehen, ist Ihr Jugendlicher dann ausgezogen oder begibt sich auf große Fahrt und kommt als junger Erwachsener zurück. Darauf können Sie sich mit Ihrem Jugendlichen zusammen vorbereiten: Feiern Sie ein Fest zum Abschied der Kindheit und zur Begrüßung des Neubeginns!
Die Kindheit Ihres Kindes ist bald vorbei. Als rundum sorgende Eltern werden Sie nicht mehr gebraucht.
Erobern Sie sich in der Pubertätszeit Ihrer Kinder trotz aller Anforderungen bewusst neue Spielräume für sich und Ihre Partnerschaft, Ihre Arbeit und Ihren Freundeskreis. Stellen Sie sich neue Aufgaben. Nutzen Sie die Veränderungsenergie, die jetzt Ihr Zusammenleben mit einem Jugendlichen beherrscht, für sich: Begeben Sie sich in das Neuland Ihrer Möglichkeiten. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt: Sie werden älter werdende Eltern von erwachsenen Kindern sein. Es ist beängstigend, spannend, manchmal befremdlich, aber auf jeden Fall auch entlastend für Ihren Jugendlichen, wenn er miterlebt, wie Sie sich als Mutter oder Vater wieder nach außen öffnen und sie oder er nicht mehr im Mittelpunkt Ihrer elterlichen Fürsorge steht.
Sprechen Sie, wenn Sie über die Veränderungen Ihres Kindes beunruhigt sind, auf jeden Fall mit jemandem, dem Sie vertrauen und der es nicht weitererzählt. Sprechen Sie auch über die Schwierigkeiten Ihrer eigenen Jugendzeit. Die großen Sorgen, die Sie sich jetzt um Ihr Kind machen, haben ihren Ursprung oft in gefährlichen Situationen, die Sie in Ihrer eigenen Pubertät erlebt und zwar gut bewältigt, dann aber komplett vergessen haben. „Wenn ich mir vorstelle, meine Tochter würde sich in die Situationen begeben, die ich erlebt habe, dann möchte ich sie mit allen Mitteln davor bewahren …“ Ihre Unruhe verstärkt die heimliche und bedrängende Sorge des Jugendlichen, er könnte es nicht schaffen – und dummerweise führen Sie damit manchmal genau das herbei, was Sie vermeiden wollten.
Vertrauen Sie in die Lebenskraft, die Ihr Kind mitbringt, um diese Zeit gut zu durchleben – Sie haben es ja schließlich auch geschafft, erwachsen zu werden!
„Jugend ist eine beständige Trunkenheit: Sie ist das Fieber der Vernunft.“
La Rochefoucauld
„Wenn du echt was darüber hören willst, wirst du wahrscheinlich als erstes wissen wollen, wo ich geboren bin und wie meine ganze beschissene Kindheit abgelaufen ist.“ Mit diesen berühmten Worten lässt J. D. Salinger seine 16-jährige Hauptfigur Holden Caulfield den Roman „Der Fänger im Roggen“ beginnen. Ja, das ist sie, die Pubertät: Einsamkeit, Verzweiflung, Verirrungen, Verwirrungen und Revolte zeichnen sie aus. Oft wird diese Zeit zu einer Achterbahn der Gefühle für alle Beteiligten.
Wissenschaftler bezeichnen Pubertät als die zur Geschlechtsreife führende Entwicklungsphase. Die Zeitspanne bis zur ersten Menstruation bzw. dem ersten Samenerguss wird oft als Vorpubertät bezeichnet. Mit dem ähnlichen Begriff Adoleszenz wird häufig allgemein die Zeit zwischen Kind und Erwachsenem definiert; manche sprechen auch von Spätpubertät. Es gibt also verschiedene Begrifflichkeiten – in jedem Fall aber geht es um eine Zeit der Veränderung und der Entwicklung: um die Bewältigung des körperlichen, sexuellen und geistigen Reifungsprozesses, der den Heranwachsenden ebenso wie die ihn begleitenden Erwachsenen betrifft.
Im rein biologischen Sinne geht es in der Pubertät um die zur Zeugung bestimmten Geschlechtsorgane, die sich in der Pubertät auszubilden beginnen und am Ende voll funktionsfähig sind. Dieser Reifungsprozess wird in erster Linie genetisch-hormonell gesteuert. Bei Mädchen verläuft dieser Prozess anders als bei Jungen (siehe Tabelle).
Bei allen folgenden Altersangaben handelt es sich um statistische Mittelwerte – Abweichungen nach unten oder oben sind dennoch relativ häufig!
Der Reifungsprozess
Mädchen
Jungen 1
Beginn der Entwicklung im Durchschnitt zwischen 8 und 10 Jahren
Beginn der Entwicklung im Durchschnitt zwischen 9,5 und 12 Jahren
Hypophyse und Hypothalamus starten durch Hormonausschüttungen den Reifungsprozess.
Höhepunkt des Wachstumsschubs mit 12 Jahren
Höhepunkt des Wachstumsschubs mit 14 Jahren
Wachstum der inneren und äußeren Geschlechtsorgane: Vagina und Gebärmutter vergrößern sich, äußere Schamlippen werden dunkler, Schamhaare wachsen.
Hoden und Hodensack vergrößern sich und werden dunkler, Penis wird länger und dicker, Schamhaare bilden sich.
Brüste vergrößern sich, zum Teil unterschiedlich schnell, Brustwarzen bilden sich.
Prostata und Bläschendrüse reifen, Samen und Spermaflüssigkeit bilden sich, Stimmbruch entsteht durch Wachstum des Kehlkopfs und verlängerte Stimmbänder.
Erste Menstruation zwischen 11 und 15 Jahren
Erster Samenerguss (oft im Schlaf) zwischen 11 und 16 Jahren
Bildung von Fettgewebe durch hormonellen Einfluss (als Reserve für eine mögliche Schwangerschaft) – Entstehung der typisch weiblichen Gestalt
Muskelmasse, Knochen- und Körpergewicht nehmen zu – Entstehung der typisch männlichen Gestalt
Behaarung der Achselhöhlen
Bartwuchs, Körperbehaarung, stärkerer Körpergeruch
Abschluss der körperlichen Entwicklung mit etwa 17 Jahren
Abschluss der körperlichen Entwicklung mit etwa 19 Jahren
In den 1920er-Jahren untersuchte die amerikanische Anthropologin Margaret Mead, ob Konflikte in der Pubertät nur durch biologische Veränderungen zu erklären sind oder auch von kulturellen Normen abhängen. Kurz gesagt ergaben die Ergebnisse ihrer Forschungen, zum Beispiel über heranwachsende Frauen in Samoa (1925) und in Neuguinea (1931), dass die Konflikte in unterschiedlichen Kulturen durchaus verschiedene Qualitäten und Inhalte haben, aber dass die Pubertät überall eine Zeit intensiver Veränderungsprozesse darstellt. Mead entwickelte aus ihren Untersuchungen den Standpunkt, dass die Geschlechterrollen kulturell bestimmt und nicht genetisch angeboren sind.
Soziales Lernen findet in Auseinandersetzungen statt – dabei geht es einerseits immer um die Frage der Anpassung und Übernahme der vorhandenen sozialen Normen und andererseits um die kritische Infragestellung und Modernisierung dieser Normen. Damit wären wir bei einem wichtigen Nutzen der Pubertät für die Gesellschaft: Notwendige gesellschaftliche Veränderungen sind immer wieder durch jugendliche Revolten ausgelöst worden, deren Hintergrund nichts anderes als die Zeit der Pubertät ist. In dieser Phase werden sehr grundsätzliche Fragen gestellt und die kreativen jungen Menschen gestalten neue Lebens- und Gesellschaftsentwürfe.
Gesellschaftliche Veränderungen sind immer wieder durch jugendliche Revolten ausgelöst worden.
Was aber, wenn ihnen dieser Gestaltungsraum sozial, politisch, wirtschaftlich nicht zugestanden wird? Wenn die Geschlechtsreife der jungen Menschen nicht mehr mit einem Generationswechsel zusammenfällt? In unserer Gesellschaft steigt die Lebenserwartung kontinuierlich, die älteren Erwachsenen wollen noch lange arbeiten, aktiv sein, politisch Einfluss nehmen. Sie sind nicht bereit, ihren Platz für Jüngere zu räumen und ihnen Verantwortung, Experimente und Erfahrungen zu ermöglichen. Ihnen wird die Kompetenz abgesprochen, einflussreiche Positionen zu bekleiden, und dementsprechend können sie ihre Potenziale nicht entfalten. Als „Generation Praktikum“ befinden sie sich häufig über viele Jahre hinweg in der Warteschleife. Dieser Generationskonflikt, der einer großen Anzahl von gut ausgebildeten, motivierten Menschen keine Einsatzfelder und somit auch keine Familienbildung ermöglicht, wird noch durch die demografische Entwicklung verstärkt: Die jüngere, zahlenmäßig abnehmende Generation muss für diejenigen große Versorgungsleistungen erbringen, die ihnen den Zugang zu wichtigen gesellschaftlichen Positionen verwehrt. Wir brauchen unsere jungen Leute nicht nur als Fachkräfte und Manager, sondern wir benötigen ihre ganze jugendliche kreative Spannbreite in allen Bereichen unserer Gesellschaft.
Noch bis Mitte der 1990er-Jahre gingen Fachleute davon aus, dass die wesentlichen Entwicklungsprozesse des Gehirns bis zum dritten Lebensjahr abgeschlossen sind und alle übrigen im Wesentlichen bis zum zwölften Lebensjahr. Seitdem jedoch mit dem Kernspintomografen regelmäßig und gefahrlos ins Gehirn geblickt werden kann, haben sich völlig neue Erkenntnisse ergeben. Die graue Substanz der Großhirnrinde, die für die höheren kognitiven Denkaufgaben zuständig ist, erlebt vor der Pubertät einen Wachstumsschub, ähnlich wie es bereits im Kleinkindalter geschehen ist. Es gibt eine riesige Zahl neuer Verschaltungen, von denen diejenigen erhalten bleiben, die häufig benutzt werden, die übrigen verkümmern wieder. Mit anderen Worten: In der Pubertät erhält das Gehirn ein umfassendes „Update“ für die Verarbeitung von Informationen und Emotionen. Der Umbau der Bereiche für Wahrnehmung und Bewegungssteuerung ist relativ bald wieder abgeschlossen, die Neuorganisation der Areale für die Orientierung im Raum, in der Zeit und für die Sprache dauern deutlich länger. Damit wird klar, dass die Pubertät eine Riesenchance ist: Der Jugendliche kann sich selbst völlig neu erfinden! Das schüchterne Kind kann zum beliebten Entertainer werden, das Raubein wandelt sich zum sensiblen Zuhörer …
Ein Trost vorweg: Jeder Erwachsene hat diese Zeit durchlebt. Bei knapp 20 Prozent verläuft die Entwicklung undramatisch und ohne größere Probleme. Die große Mehrheit der Heranwachsenden übersteht die Pubertät nicht nur ohne größere Schäden, sondern entwickelt sich zu modernen und verantwortungsbewussten jungen Erwachsenen. Die neuere Forschung blickt in die konstruktiv-lösungsorientierte Richtung: Was tragen die Beteiligten dazu bei, dass es nicht nur zu Schwierigkeiten kommt, sondern dass diese Zeit auch eine entspannte und konstruktive Entwicklung mit sich bringt?
Auf der individuellen Entwicklungsebene gibt es mindestens drei sehr ähnliche Phasen: die Zeit der ersten zwei Lebensjahre, die Zeit der Pubertät und die Zeit der Wechseljahre. Ausgelöst durch hormonelle Veränderungen entstehen umfassende körperliche, geistige und soziale Entwicklungsprozesse – die immer auch krisenhafte Züge tragen. Weit verbreitet ist die Einstellung, Krisen seien lästig, überflüssig und möglichst zu vermeiden. In der Krise ist es aber hilfreicher, sie auch als Chance zu begreifen, um sich weiterzuentwickeln, neue Verhaltensund Erlebensweisen kennenzulernen und den Horizont zu erweitern.
Sie kennen das von Ihrem Kind: Die Entwicklung verläuft nicht linear oder gleichmäßig, sondern in Schüben. Wenn das Kind plötzlich zwei oder drei Tage matt ist, etwas Fieber hat, ganz anhänglich wird oder auch unausstehlich ist, also eine Entwicklungskrise durchmacht, so ist es dann auf einmal über Nacht wieder fit und scheint ein anderes Kind geworden zu sein – es ist wieder ein Stück „erwachsener“ geworden. Krisen zeigen uns in der Regel an, dass ein Entwicklungssprung bevorsteht.
Wahrscheinlich kennen Sie dieses Prinzip auch von sich selbst: Sie haben das Gefühl, in Beruf oder Partnerschaft stimmt etwas nicht – vielleicht langweilen Sie sich, sind unzufrieden und die Konflikte nehmen zu … Sie befinden sich in einer Krise. An irgendeinem Punkt reicht es Ihnen – oft dann, wenn der gefühlte Leidensdruck hoch genug ist: Die Krise eskaliert durch einen Riesenkrach, eine Kündigung oder Trennung, was im Nachhinein oft als befreiend erlebt wird und den Weg zur Weiterentwicklung frei macht. Auch in diesem Fall hängen Krise und Entwicklung direkt miteinander zusammen, sie sind sozusagen zwei Seiten einer Medaille. Und es gibt immer typische Phasen – wir kommen später darauf zurück.
Krise und Entwicklung sind die zwei Seiten ein und derselben Medaille.
WENN’S GUT GELAUFEN IST
•haben die Pubertierenden ihre Individualität weiterentwickelt.
•haben sie einen geeigneten Platz in der Erwachsenengesellschaft gefunden.
•haben sie gesellschaftliche Werte und Normen integriert und weiterentwickelt.
•haben Vater und Mutter oder eine andere Erziehungsperson die neue Rolle als vertrauenswürdiger Partner des erwachsenen Kindes aufgebaut und angenommen.
•haben die Eltern ihre eigene Lebenssituation entsprechend den neuen Erfordernissen und Möglichkeiten neu organisiert.
„Sein Kind während der Pubertät zu lieben,bedeutet regelmäßig einen Kaktus zu umarmen.“
(Sinnspruch des Monats in einer Hamburger Schule)
Die Prozesse der Pubertät werden zu einem bestimmten Zeitpunkt durch genetisch festgelegte Auslöser im Gehirn in Gang gesetzt, in jedem Kind mit unterschiedlicher Ausprägung und Intensität. Und so wie der Körper nacheinander oder manchmal auch gleichzeitig sichtbare neue Formen hervorbringt, so folgen die daran gekoppelten Reaktionen im emotionalen und geistigen Bereich. Die körperliche Möglichkeit, ein Kind zu zeugen oder zu gebären, reicht in unserer hoch spezialisierten Industriegesellschaft noch lange nicht aus, um ein Kind erfolgreich großzuziehen. Die geistige, emotionale und soziale Reifung schließt sich an und dauert viel länger als die körperliche Entwicklung.