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Rechnungswesen und Kapitalschutz im Strafrecht E-Book

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Beschreibung

Mängel in der Buchhaltung lassen sich in einem grossen Teil der Wirtschaftsstrafverfahren beobachten. Doch häufig bleibt das Rechnungswesen bei der Aufarbeitung von potenziell wirtschaftskriminellen Problemstellungen aussen vor. Das ist bedauerlich, denn oft bieten die Belege, Konten und Jahresrechnungen Abkürzungen und Orientierungshilfen im Dickicht und in der Stofffülle mutmasslicher Wirtschaftsdelikte. Selbst eine mangelhafte Buchhaltung eignet sich in vielen Fällen als Leitlinie für die Ermittlung der relevanten Wahrheit und Eingrenzung des Prozessstoffs. Der vorliegende Tagungsband vermittelt Grundlagen, Erfahrungen und Strategien, die dabei helfen, das Potenzial des Rechnungswesens sowohl zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität als auch zur Verteidigung zu nutzen. Entsprechend der an der 12. Tagung 2021 eingeführten Rubrik enthält der Tagungsband ferner fünf Beiträge über neuste Entwicklungen in verschiedenen Teilgebieten des Wirtschaftsstrafrechts.

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Rechnungswesen und Kapitalschutz im Strafrecht von Marc Jean-Richard-dit-Bressel und David Zollinger wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.

© 2022 – CC BY-NC-ND (Werk), CC BY-SA (Text)

Herausgeber: Prof. Dr. Marc Jean-Richard-dit-Bressel, David Zollinger – Europa Institut an der Universität ZürichVerlag: EIZ Publishing (eizpublishing.ch)Produktion, Satz & Vertrieb:buchundnetz.comISBN:978-3-03805-541-9 (Print – Softcover)978-3-03805-542-6 (PDF)978-3-03805-543-3 (ePub)DOI: https://doi.org/10.36862/eiz-541Version: 1.02 – 20221118

Das Werk ist als gedrucktes Buch und als Open-Access-Publikation in verschiedenen digitalen Formaten verfügbar:https://eizpublishing.ch/publikationen/rechnungswesen-und-kapitalschutz-im-strafrecht/.

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Vorwort

Am 21. Oktober 2021 führte das Europa Institut in Zürich die 12. Schweizerische Tagung zum Wirtschaftsstrafrecht unter der neuen Leitung der Herausgeber dieses Tagungsbandes durch. Dabei bestand der Anspruch, den hohen Qualitätsmasstäben gerecht zu werden, die Prof. Dr. Jürg-Beat Ackermann, Prof. Dr. Marianne Johanna Lehmkuhl und in den ersten Jahren Prof. Dr. Wolfgang Wohlers als langjährige und erfolgreiche Tagungsleitung gesetzt haben. Weiterhin soll jährlich zu einem praktisch relevanten Schwerpunktthema ein Austausch stattfinden, bei dem die verschiedenen Gruppen von Fachleuten durch hochqualifizierte Vertreterinnen und Vertreter möglichst ausgewogen zu Wort kommen.

Neu gilt ein Viertel jeder Tagung der Rubrik „Neuste Entwicklungen im Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht“. Diese ist in sechs Referate zu verschiedenen Teilgebieten aufgeteilt, wovon fünf zu Beiträgen im vorliegenden Band geführt haben: Verwaltungsstrafrecht von Lorenz Garland, Steuerstrafrecht von Daniel Holenstein, Unternehmens-, Korruptions- und Insiderstrafrecht von Nora Markwalder, Vermögensabschöpfung, Geldwäscherei und internationale Rechtshilfe von David Zollinger sowie Vermögens- und Urkundenstrafrecht von Marc Jean-Richard-dit-Bressel. An der Tagung hat sich ferner Konrad Jeker zum Strafprozessrecht geäussert. Es sind jeweils nicht zwingend alle zu einem Ressort zusammengefassten Gebiete abzuhandeln. Es geht vielmehr darum, dort Schwerpunkte zu setzen, wo sich Entwicklungen abzeichnen. Für solche ist die Rechtsprechung des Bundesgerichts von herausragender Bedeutung, aber nicht der einzige Faktor.

Das Schwerpunktthema der 12. Tagung war „Rechnungswesen und Kapitalschutz im Strafrecht“. Mängel in der Buchhaltung lassen sich in einem grossen Teil der Wirtschaftsstrafverfahren beobachten. Doch häufig bleibt das Rechnungswesen bei der Aufarbeitung von potenziell wirtschaftskriminellen Problemstellungen aussen vor. Das ist bedauerlich, denn oft bieten die Belege, Konten und Jahresrechnungen Abkürzungen und Orientierungshilfen im Dickicht und in der Stofffülle mutmasslicher Wirtschaftsdelikte. Selbst eine mangelhafte Buchhaltung eignet sich in vielen Fällen als Leitlinie für die Ermittlung der relevanten Wahrheit und Eingrenzung des Prozessstoffs. Der vorliegende Tagungsband vermittelt Grundlagen, Erfahrungen und Strategien, die dabei helfen, das Potential des Rechnungswesens sowohl zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität als auch zur Verteidigung zu nutzen.

Bedauerlicherweise fehlt eine schriftliche Fassung des Referats von Diego Bonato über das „Rechnungswesen in der Praxis“. Die dabei vermittelte Klärung der Begriffe wurde als sehr hilfreich bewertet und lässt sich folgendermassen zusammenfassen:

Der landläufige Begriff „Buchhaltung“ fehlt in den einschlägigen Gesetzen. Er ist als Überbegriff bedeutungsgleich mit „Rechnungswesen“ (RW). Dieses weist sechs Teile auf, nämlich zwei Hauptkomponenten zu je drei Elementen:

Die „Buchführung“ (Art. 957a Abs. 1 OR) erfasst als Buchhaltung im engeren Sinne die finanzielle Lage und besteht aus den Buchungsbelegen, dem Journal und den Konten. Alle für die Finanzen relevanten Geschäftsvorfälle sind durch Buchungsbelege zu erklären sowie im Journal chronologisch und in den Konten sachlogisch aufzuzeichnen.Die „Rechnungslegung“ (Art. 958 Abs. 2 OR), auch Jahresrechnung genannt, stellt die durch Buchführung erfasste finanzielle Lage dar und setzt sich aus der Bilanz, der Erfolgsrechnung und dem Anhang zusammen. Die Bilanz zeigt die Vermögenslage mit Aktiven (Vermögenswerten) und Passiven (Fremdkapital, bei Kapitalgesellschaften zuzüglich des statutarischen Grundkapitals und der Reserven). Die Erfolgsrechnung stellt Aufwand und Ertrag einander gegenüber. Der Anhang ergänzt die Bilanz und die Erfolgsrechnung mit zusätzlichen Angaben zur Vermögens- und Ertragslage.

Die Jahresrechnung (JR) baut auf der Finanzbuchhaltung (FIBU: doppelte Buchhaltung) auf. Diese besteht aus der Saldobilanz (SB: Saldoliste Bilanz- und Erfolgskonten) und dem Hauptbuch (HABU: Konten und Journal gemäss Art. 1 der Verordnung über die Führung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher, SR 221.431, GeBüV) und zieht die je nach Art und Umfang des Geschäfts erforderlichen Hilfsbücher zusammen, namentlich die Debitorenbuchhaltung (DEBU: Forderungen), die Kreditorenbuchhaltung (KREBU: Schulden), die Lohnbuchhaltung (LOBU: Saläre/Gehälter), die Lagerbuchhaltung (LAGBU: Warenbestände), die Anlagenbuchhaltung (ANLBU: Anlagevermögen) und Nebenbuchhaltung (NBU: branchenabhängige Werte). In der Branche „Vermögensverwaltung“ verlangt die Praxis nach Kunden getrennte Hilfskonten und Bestände.

Zur Buchführung verpflichtet sind juristische Personen, wobei für Vereine und Stiftungen ohne Handelsregisterpflicht bzw. ohne Revisionspflicht Ausnahmen bestehen, sowie Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit einem Umsatzerlös ab 50’000 Franken (Art. 957 OR). Unternehmen unter diesen Schwellen können sich auf die Abrechnung von Einnahmen und Ausgaben beschränken (sog. „Milchbüechlirechnung“).

Der ordentlichen Revision (Art. 727 OR) unterliegen Publikumsgesellschaften, zur Konzernrechnung verpflichtete Gesellschaften und grössere Unternehmen bei Überschreitung von zwei der folgenden Grenzwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren: Bilanzsumme von 20 Millionen Franken, Umsatzerlös von 40 Millionen Franken, 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt. Die übrigen Unternehmen können sich mit einer eingeschränkten Revision (Art. 727a Abs. 1 OR) begnügen, soweit sie nicht als Kleinunternehmen mit weniger als zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt durch einen einstimmigen Gesellschaftsbeschluss vollständig auf die Revision verzichtet haben (sog. Opting-Out, Art. 727a Abs. 2 OR). Auch in diesem Fällen ist bei Kapitalverlust (Art. 725a rev. OR) und bei begründeter Besorgnis der Überschuldung (Art. 725b rev. OR) eine eingeschränkte Revision durchzuführen. Die Bestimmungen des Aktienrechts über die Revision, den Kapitalverlust und die Überschuldung gelten für die GmbH sinngemäss (Art. 818 und 820 OR).

Auf diesen Grundlagen vertieft Christian Krämer das Schweizer Rechnungslegungsrecht und vermittelt dabei auch Einblick in die Konzernrechnung und drei der vom Bundesrat gemäss Art. 962a Abs. 5 OR als anerkannte Standards bezeichnete Rechnungslegungsnormen: IFRS, Swiss GAAP FER und US GAAP (Art. 1 Abs. 1 Bst. a, c und d der Verordnung über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung, SR 221.432, VASR). Auch wenn sich die Schweiz mit der Statuierung der Pflicht bestimmter Unternehmen zur Anwendung solcher Standards in einem weltweiten Trend befindet, muss der Beitrag eine ernüchternde Bilanz ziehen: Das Ziel, die wirtschaftliche Lage von Unternehmen weltweit mittels Anwendung gleicher Normen für Investoren und andere Anspruchsgruppen möglichst vergleichbar zu machen, liegt nach wie vor in weiter Ferne.

Die Relevanz der Rechnungslegung im Steuerstrafrecht, die durch eine fehlerhafte Jahresrechnung erfüllten Steuerstraftatbestände und deren Konkurrenzverhältnis sind Gegenstände des Beitrags von Daniel Holenstein. Die dort durch ausführliche Kasuistik illustrierte Steuerhinterziehung (Übertretung und Erfolgsdelikt) wird durch die Steuerbehörden verfolgt, während der durch die Verwendung falscher Urkunden, namentlich einer falschen Jahresrechnung, zum Zwecke der Steuerhinterziehung begangene Steuerbetrug (Vergehen und abstraktes Gefährdungsdelikt) durch die Staatsanwaltschaft zu untersuchen und zu beurteilen oder anzuklagen ist. Die echte Konkurrenz dieser Straftaten ist ausdrücklich im Gesetz verankert. Besteht die Steuerverkürzung darin, dass eine Gewinnausschüttung zu Unrecht als Aufwand verbucht wird, liegt auf der Seite des Empfängers eine weitere Steuerhinterziehung vor, die mangels Tatidentität in echte Konkurrenz zu den weiteren Straftaten tritt.

Lukas Glanzmann erörtert die Pflichten des Verwaltungsrats bei drohender Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung gemäss dem neuen Aktienrecht, das Anfang 2023 in Kraft treten wird. Die drohende Überschuldung (Art. 725 rev. OR), der Kapitalverlust (Art. 725a rev. OR) und die Überschuldung (Art. 725b rev. OR) belasten den Verwaltungsrat mit Pflichten, deren Verletzung strafrechtlich relevant sein können, namentlich unter den Gesichtspunkten der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 StGB) und der Misswirtschaft (Art. 165 StGB). Die Analyse der Neuerungen führt zur Erkenntnis, dass sich das neue aktienrechtliche Sanierungsrecht weitgehend an die bisherigen Regelungen anlehnt. Der neue Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit auferlegt den Organen kaum Pflichten, die nicht schon bisher galten. Neu ist hingegen die zwingende Revisionspflicht bei Kapitalverlust. Insgesamt sei zu befürchten, dass die Revision keine Anreize zur Ergreifung von Sanierungsmassnahmen in einem frühen Stadium setze, sich jedoch durch neue Pflichten und Rechtsunsicherheiten das Haftungsrisiko der Organe erhöhe.

Stefan Maeder hat an der Tagung wunschgemäss das Rechnungslegungsstrafrecht erörtert, wie er es bereits in dem von Jürg-Beat Ackermann herausgegebenen Hand- und Studienbuch „Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz“ (2. Auflage, Bern 2021) publiziert hat. Um unserem Tagungsband einen Mehrwert zu verschaffen, hat er sich in die objektiven Strafbarkeitsbedingungen – allgemein und bei Art. 166 StGB – vertieft und dabei die angesichts des Schuldprinzips problematische Tendenz des Gesetzgebers aufgedeckt, wegen Beweisschwierigkeiten im subjektiven Bereich wesentliche Unrechtselemente auszulagern, um das kriminalpolitisch gewünschte Ergebnis – die Strafbarkeit – zu sichern. Die kritische Betrachtung zeigt indessen auch, dass objektive Strafbarkeitsbedingungen teilweise legitim sind. Das besondere Augenmerk gilt der Einordnung des Erfordernisses der Konkurseröffnung bei der Unterlassung der Buchführung (Art. 166 StGB) in diesem Spannungsfeld. Der scharfsinnige Diskurs führt zur überzeugenden Erkenntnis, dass es sich dabei um eine unrechtsneutrale und damit echte objektive Strafbarkeitsbedingung handelt.

Praxistipps zu Schnittstellen von Rechnungswesen und Strafrecht schliessen den thematischen Teil ab. Es handelt sich um die erweiterten Inputreferate zum „Podium für Praxistipps“ mit Diskussionsbeiträgen von Lukas Glanzmann, Konrad Jeker und Marc Jean-Richard-dit-Bressel unter der Gesprächsleitung von David Zollinger. Die Praxistipps bezwecken, zur Effizienzsteigerung und Erleichterung des Erfahrungsaustausches Standardverfahrensschritte zu entwickeln. Der Beitrag macht zum strafrechtlichen Schutz des Rechnungswesens und des Kapitals drei solche Vorschläge: die Kapitalausschüttungs-Sperre gemäss BGE 117 IV 259, die auf einer Alternativanklage zu Art. 251 StGB beruhende Revisoren-Zwickmühle sowie die Bücherschwund-Busse im Sinne von Art. 325 StGB.

Abschliessend möchten wir Tiziana Rigamonti-Ammann für die professionelle Organisation und Durchführung der Veranstaltung sowie Sue Osterwalder für die Unterstützung bei der Fertigstellung dieses Tagungsbandes herzlich danken.

Wetzikon und Zürich, im November 2022 David Zollinger Marc Jean-Richard-dit-Bressel

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Inhaltsübersicht

Schweizer Rechnungslegungsrecht

Christian Krämer, dipl. Wirtschaftsprüfer, Partner bei Deloitte AG Switzerland, Zürich

Objektive Strafbarkeitsbedingungen – allgemein und bei Art. 166 StGB

Prof. Dr. Stefan Maeder, Assistenzprofessor für Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Luzern

Rechnungslegung im Steuerstrafrecht

Daniel Holenstein, Rechtsanwalt, dipl. Steuerexperte, NSF Rechtsanwälte AG, Zürich

Pflichten des Verwaltungsrats bei drohender Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung gemäss neuem Aktienrecht

Prof. Dr. Lukas Glanzmann, Rechtsanwalt, LL.M., Partner bei Baker McKenzie, Zürich, Titularprofessor für Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen, Mitglied der Eidg. Expertenkommission für das Handelsregister

Praxistipps zu Schnittstellen von Rechnungswesen und Strafrecht

Prof. Dr. Marc Jean-Richard-dit-Bressel, Rechtsanwalt, LL.M., Staatsanwalt und Abteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft III, Qualifizierte Wirtschaftskriminalität, Zürich, Titularprofessor an der Universität Zürich

Aktuelle Entwicklungen im Verwaltungs- und Finanzmarktstrafrecht

Dr. Lorenz Garland, Rechtsanwalt, ehemals Gastwissenschaftler im Bereich Verwaltungsstrafrecht an der Universität Glasgow

Aktuelle Entwicklungen im Steuerstrafrecht

Daniel Holenstein, Rechtsanwalt, dipl. Steuerexperte, NSF Rechtsanwälte AG, Zürich

Neuste Entwicklungen im Unternehmens‑, Korruptions‑, und Insiderstrafrecht

Prof. Dr. Nora Markwalder, Assistenzprofessorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie unter besonderer Berücksichtigung des Wirtschaftsstrafrechts an der Universität St. Gallen

Neuste Entwicklungen in Vermögensabschöpfung, Geldwäscherei und Internationaler Rechtshilfe

David Zollinger, Rechtsanwalt, Capt Zollinger Rechtsanwälte, Wetzikon

Neuste Entwicklungen im Vermögens- und Urkundenstrafrecht

Prof. Dr. Marc Jean-Richard-dit-Bressel, Rechtsanwalt, LL.M., Staatsanwalt und Abteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft III, Qualifizierte Wirtschaftskriminalität, Zürich, Titularprofessor an der Universität Zürich

Objektive Strafbarkeitsbedingungen – allgemein und bei Art. 166 StGB

Stefan Maeder

Inhalt

EinleitungObjektive Strafbarkeitsbedingungen im AllgemeinenDogmatische Konzeption……und Umsetzung im StrafgesetzbuchRaufhandelLandfriedensbruchVerübung einer Tat in selbstverschuldeter UnzurechnungsfähigkeitCheck- und KreditkartenmissbrauchStrafbarkeit des Unternehmens nach Art. 102 StGBErkenntnisse und FolgerungenObjektive Strafbarkeitsbedingung des Art. 166 StGB im BesonderenGrundsätzliches zu Art. 166 StGBTatsächliche oder nur scheinbare objektive Strafbarkeitsbedingung?AusgangslageKeine ProzessvoraussetzungStarker Bezug zur GeneralexekutionErhöhtes Unrecht im Vergleich zu Art. 325 StGBStrafbarkeitsbeschränkung auf gefährliche Bankrotthandlungen?Umgehung von Beweisschwierigkeiten?ErgebnisDrei alternative StrafbarkeitsbedingungenEröffnung des KonkursesRegelfälle nach SchKGSonderfälleArt. 731b Abs. 1bis Ziff. 3 ORArt. 33 BankGFazitKonkurswiderrufVerlustschein aus Pfändung nach Art. 43 SchKGAnnahme und Bestätigung eines NachlassvertragsZeitpunkt der Tathandlung im Verhältnis zum Eintritt der objektiven StrafbarkeitsbedingungSchlussLiteraturverzeichnis

Die Praxis straft das Glaubensbekenntnis bisweilen Lügen, gleichgültig, wie aufrichtig man sich zu ihm bekennt.

Berlin, 17.

Einleitung

An der Tagung zu „Rechnungslegung und Kapitalschutz im Strafrecht“ vom 12.10.2021, die Anlass für vorliegenden Tagungsband bildet, durfte ich ein Referat zum Thema Rechnungslegungsstrafrecht halten. Dabei stellte ich die Grundlagen der Unterlassung der Buchführung (Art. 166 StGB), der Ordnungswidrigen Führung der Geschäftsbücher (Art. 325 StGB) und der Unwahren Angaben über kaufmännische Gewerbe (Art. 152 StGB) dar. Insbesondere anhand von BGE 138 IV 130 zeigte ich überdies den Bezug des Rechnungslegungsrechts zum Urkundenstrafrecht auf.

Üblicherweise würde man nun eine schriftliche Fassung dieses Referats erwarten. Allerdings habe ich die genannten Themen vor nicht sehr langer Zeit bereits an anderer Stelle ausführlich behandelt.[1] Diesen Beitrag hier nun nochmals – vielleicht gekürzt und umformuliert – wiederzugeben, wäre wissenschaftlich weder besonders reiz- noch verdienstvoll. Deshalb greife ich nachfolgend einen Punkt auf, der sich anlässlich der Diskussion nach meinem Referat ergeben hat und der offenbar von Interesse ist: Die objektive Strafbarkeitsbedingung des Art. 166 StGB. Das ist an sich wenig überraschend, bildet doch gerade diese Bedingung die Schnittstelle zwischen dem systematisch bei den Konkurs- und Betreibungsdelikten eingeordneten Rechnungslegungsdelikt und dem Rechtsgebiet des Zwangsvollstreckungsrechts.

Bevor ich diese Schnittstelle näher beleuchte, drängen sich einige grundlegende Gedanken zur Rechtsfigur der objektiven Strafbarkeitsbedingung auf.

Objektive Strafbarkeitsbedingungen im Allgemeinen

Dogmatische Konzeption…