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Beschreibung

Die Vermittlungsprobleme der "Hartz IV"-Reformen stehen ebenso wie der wenig konsistente Außenauftritt der Großen Koalition exemplarisch für die Schwierigkeiten der Politik, ihre Gestaltungsanliegen nachvollziehbar und überzeugend zu kommunizieren. Eine Reformpolitik, die darauf verzichtet, Strategien der Binnen- und Außenkommunikation von Anfang an mitzudenken, gefährdet notwendige gesellschaftliche Veränderungsprozesse - denn sie untergräbt weiter das Vertrauen der Bürger in parlamentarische Institutionen, das laut Umfragen ohnehin stetig abnimmt. Deshalb gilt für Regierung wie Parteien heute mehr denn je: Wollen sie strategiefähig bleiben und Mehrheiten für ihre Programme sichern, müssen sie Kommunikationsfähigkeit zu einer ihrer Kernkompetenzen ausbauen. Vor diesem Hintergrund liefern die Expertenbeiträge des vorliegenden Bandes einen umfassenden Überblick über aktuelle Defizite der politischen Regierungskommunikation in Deutschland. Angereichert um Anregungen aus dem internationalen Vergleich, zeigen renommierte Fachleute aus Theorie und Praxis Optimierungspotenziale für die strategische Vermittlung politischer Reformvorhaben durch die Bundesregierung auf.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2010 E-Book-Ausgabe (EPUB)
© 2007 Verlag Bertelsmann Stiftung, GüterslohVerantwortlich: Leonard Novy, Dr. Gregor Peter SchmitzRedaktion: Bettina R. KoppischLektorat: Dr. Arno Kappler, SoestHerstellung: Christiane RaffelUmschlagabbildung: Marc Darchinger, Berlin
ISBN : 978-3-86793-188-5
www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Einführung: Politische Kommunikation in strategischer Perspektive
Institutionen
Regierungskommunikation in Deutschland: komplexe Schranken
1 Verfassungsrechtliche und politische Grundlagen
2 Institutionelle Verankerung der Regierungskommunikation
3 Finanzielle Grenzen: die Entwicklung der Budgets für Regierungskommunikation
4 Verfassungsrechtliche Schranken der Regierungskommunikation
5 Defizite der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung
Literatur
Regierungskommunikation in Großbritannien und den USA: zentrale Einbettung
1 Einleitung
2 Die institutionelle Verankerung der Regierungskommunikation in Großbritannien
3 Die institutionelle Verankerung der Regierungskommunikation in den USA
4 Zusammenfassung und Empfehlungen
Literatur
Regierungskommunikation in Frankreich: vertrauliches Nebeneinander
1 Institutionen und Instrumente politischer Kommunikation in Frankreich
2 Erfolg und Grenzen der Reformkommunikation
3 Resümee
Literatur
Regierungskommunikation in Dänemark: straffe Personalisierung
1 Einführung
2 Demokratie, Parteien und Wohlfahrtsstaat im Wandel
3 Neue Herausforderungen und die Auffächerung der Medienlandschaft
4 Die Professionalisierung der politischen Kommunikation
5 Politik und Kommunikation der Regierung Fogh Rasmussen: die Verallgemeinerung ...
6 Nach dem erneuten Wahlsieg: der (zumindest zeitweilige) Zusammenbruch der Regierungskommunikation
7 Fazit
Literatur
Akteure
Parteienkommunikation in Deutschland: zwischen Reformagentur und Reformblockade
1 Einleitung
2 Problemstellung
3 Zum Politikvermittlungsprivileg der Parteien im demokratischen System
4 Parteienkommunikation im institutionellen Kontext
5 Verhandlungsdemokratie, Parteiendemokratie, Mediendemokratie: wechselnde ...
6 Auf der Suche nach einem neuen Parteitypus für die Mediengesellschaft
7 Modernitätskluft: Optionen für eine Reform der Parteienkommunikation
8 Strukturwandel der Parteienkommunikation in Deutschland: Modernisierungstrends
9 Die Parteien als Kommunikationsagenturen in der Mediengesellschaft
Literatur
Das neue Selbstverständnis von Abgeordneten: Ergebnisse einer empirischen Studie
1. Der Abgeordnete sollte sich stärker zum kontrollierenden ...
2. Der Abgeordnete sollte das Internet zum Aufbau eines politischen ...
3. Der Abgeordnete muss sich stärker als »Franchisenehmer« einer Parteimarke verhalten
4. Der Abgeordnete muss als PR- und Medien-Profi einer Kommunikationsstrategie folgen
5. Abgeordnete sollten ihre öffentliche Führungsfunktion mit einem ...
Literatur
Methoden
Hartz IV, Agenda 2010 und der »Job-Floater«: die Bedeutung von Sprache in Veränderungsprozessen
1 Einleitung
2 Der Begriff »Reform« und Schröders Umgang damit
3 Durchsetzungskommunikation
4 Sprache als Manifestation des Grundkonfliktes zwischen SPD-Tradition und Reformkanzler
5 Agenda-Rhetorik
6 Hartz-Sprache
7 Acht Empfehlungen für Reformkommunikation
Literatur
Quellen
Der Faktor Glaubwürdigkeit: Voraussetzung wirkungsvoller Reformkommunikation
1 Reformkommunikation als Persuasionsprozess
2 Persuasion durch Glaubwürdigkeit
3 Zur Glaubwürdigkeit von Reformprojekten
4 Glaubwürdig durch konsistente und kongruente Kommunikation
Literatur
Politische Kommunikation ist keine Einbahnstraße: Instrumente für einen neuen ...
1 Einleitung
2 Harte Überzeugungsarbeit und neue Wege der politischen Kommunikation
3 Politischer Dialog - direkt und persönlich: der erfolgreiche Einsatz ...
4 Politische Dialogkommunikation in Deutschland noch in den Kinderschuhen
Literatur
Lessons learned: politische Kommunikation im Wandel
1 Herausforderungen strategischer Reformkommunikation
2 Handlungsbedingungen erfolgreicher Reformkommunikation
3 Schlussbemerkung
Die Autorinnen und Autoren
Einführung: Politische Kommunikation in strategischer Perspektive
Werner Weidenfeld
Politische Kommunikation in Deutschland findet heute unter neuen Vorzeichen statt. Verstärkt durch die Verlagerung des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin, haben sich sowohl Politik als auch Medien in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Ablesen lässt sich dies nicht zuletzt an der Wahlkampfführung. Neun Jahre ist es her, dass die SPD Gerhard Schröder in Leipzig erstmals zum Kanzlerkandidaten nominierte. Man erinnere sich, es war kein üblicher Parteitag, sondern eine Krönungsmesse: pompös, perfekt inszeniert und einzig und allein auf die Person Schröders zugeschnitten. Es ist gut möglich, dass Historiker in dem Schauspiel einmal die Geburtsstunde professioneller Wahlkampfinszenierung in Deutschland sehen werden.
Und was kam dann? Schwierigkeiten bei politischer Planung und Koordination fanden ihren Widerhall auch in der Kommunikation der rot-grünen Bundesregierung. Die Agenda 2010, das große Reformprojekt, geriet ausgerechnet dem »Medienkanzler« zum Vermittlungsdesaster. Es dominierte der Eindruck einer tagesfixierten Ad-hoc-Politik - ohne dass es gelungen wäre, Problembewusstsein zu schaffen und ein klares, übergeordnetes gesellschaftliches Ziel zu formulieren, aus dem heraus die einzelnen gesetzgeberischen Maßnahmen begründet werden konnten. Auch die im Herbst 2005 angetretene Große Koalition kämpft mit der Schwierigkeit, ihre Gestaltungsanliegen zu vermitteln. Exemplarisch steht dafür das allgemeine Unbehagen über die nach monatelangem Koalitionsstreit ausgehandelte Gesundheitsreform. Offensichtlich ist es der Politik hier nicht gelungen, durch eine stringente Kommunikation breitere öffentliche Unterstützung für ihre Reformziele zu mobilisieren.
Bei der Suche nach den Ursachen für diese Vermittlungsprobleme rücken vor allem drei Entwicklungen in den Blick, die das Zusammenspiel zwischen Politik und politischer Kommunikation neu definieren:
1. Die Krise der Parteien: Mitgliederschwund und die Auflösung klassischer Stammwählermilieus (von Beyme 2000; Gluchowski, Graf und von Wilamowitz-Moellendorff 2002; Wiesendahl 2005) haben dazu geführt, dass die Wähler unberechenbarer werden oder den Weg zur Wahlurne erst gar nicht mehr antreten. Insofern ist die Kommunikationsfrage eng verbunden mit der Zukunft der Volksparteien (Jun 2004): Wer genau ist heute Adressat ihrer politischen Botschaften?
2. Der Medienwandel: Die Medienlandschaft hat sich über die letzten 20 Jahre rasant verändert. Einem »medienpolitischen Urknall« (Meyn 1999: 207) gleich kam das vierte Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts 1984. Es beendete die publizistische Monopolstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Bereich der audiovisuellen Medien. Die Medienlandschaft ist seitdem weitaus vielfältiger und kompetitiver geworden. Politik muss zunehmend als ein Angebot unter vielen um Aufmerksamkeit kämpfen. Die Vermittlungs- und damit Medienabhängigkeit der Politik ist gestiegen (Meyer 2001).
3. Schließlich zwingt auch der technologische Wandel die Politik zur Anpassung. Das Internet - in den USA längst zum selbstverständlichen Bestandteil der Kampagnenführung avanciert - hat neue Öffentlichkeiten und Handlungskontexte geschaffen (Merz, Rhein und Vetter 2006): Der Bürger erhält auf ihn zugeschnittene Informationen und Aktionshinweise per E-Mail nach Hause gesandt (Plehwe 2005). Blogs, Foren und Chats binden ihn in die Kommunikation mit ein. Mit einem Mausklick konnte George W. Bushs Wahlkampfzentrale 2004 sechs Millionen Amerikaner erreichen. Das sind rund zehn Prozent der rund 55 Millionen Wähler, die der amtierende Präsident zum Wahlsieg benötigte. Aus dieser Entwicklung ergeben sich Chancen, aber auch Herausforderungen für die Dialogfähigkeit der Politik.
Vor diesem Hintergrund gilt für Regierung wie Parteien gleichermaßen: Wollen sie heute strategiefähig bleiben und Mehrheiten für ihre Programme sichern, müssen sie Kommunikationsfähigkeit zu einer ihrer Kernkompetenzen ausbauen. Um wirksam zu steuern und mit ihren oft komplexen Gesetzes- und Reformvorhaben in einer medialisierten Gesellschaft Gehör zu finden, muss die Politik die steigende Bedeutung der Massenmedien einkalkulieren. Politische Entscheider sollten deshalb strategische Reformkommunikation von Anfang an »mitdenken«, statt sie als ein Instrument des nachträglichen Krisenmanagements zu verstehen. Andernfalls drohen ihre politischen Ziele und Planungen Schaden zu nehmen. Denn entgegen der weit verbreiteten Annahme, »gute« Kommunikation sei lediglich ein Appendix »guter Politik«, kann fehlerhafte Kommunikation aus einem erstrebenswerten politischen Ziel schnell ein gescheitertes Vorhaben machen.
Die Potenziale für strategische Reformkommunikation sind hierzulande noch längst nicht ausgeschöpft. Deshalb hat die Bertelsmann Stiftung im Rahmen ihres Projektes »Optimierung politischer Reformprozesse« gemeinsam mit ausgewiesenen Experten aus Wissenschaft und Praxis eine umfassende Analyse des reformpolitischen Kommunikationsmanagements in Deutschland vorgenommen. Dabei haben wir unseren Blick über den nationalen Tellerrand hinausgerichtet und Anregungen aus dem internationalen Vergleich aufgegriffen. Entsprechend hohen Stellenwert hat für den vorliegenden Band die Untersuchung der Strukturen und Praktiken politischer Kommunikation in anderen Demokratien wie Großbritannien, Dänemark oder den USA. Wie diese erweiterte Perspektive bestätigt, hängt reform- und strategiefähiges Regieren wesentlich ab von
1. der Art der institutionellen Verankerung von Regierungskommunikation, einschließlich ihrer organisatorischen Ausrichtung und der verfügbaren Ressourcen;
2. einer glaubwürdigen, problemadäquaten und inspirierenden Sprache politischer Akteure im Kommunikationsprozess sowie
3. der effizienten und strategischen Anwendung moderner Methoden politischer Kommunikation.
Diese drei Dimensionen bilden den inhaltlichen Rahmen unserer Publikation. Der Fokus liegt dabei auf Fragen der »Regierungskommunikation«. Dieser Begriff, der 1986 erstmals in Bergsdorfs Beitrag über »Probleme der Regierungskommunikation« Verwendung fand, umschreibt sowohl die Außenkommunikation einer Regierung gegenüber Medien und Öffentlichkeit als auch die Binnenkommunikation innerhalb des Regierungsapparates mit seinen verschiedenen Institutionen und Referaten (vgl. Köhler und Schuster 2006; Kamps und Nieland 2006).
Regierungskommunikation muss demnach stets zweierlei leisten: Sie soll die Bürger informieren und über politische Sachverhalte »aufklären« - wie etwa das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen gefordert hat. Sie dient aber zugleich als internes Instrument der Entscheidungsrechtfertigung dem Machterhalt. Damit ist Regierungskommunikation wesentlicher Teil der Politik und steht als solche in einem ständigen Spannungsverhältnis zu den Kommunikationsaktivitäten anderer Akteure wie einzelner Politiker, der Opposition, Unternehmen, Verbände oder Repräsentanten der Zivilgesellschaft.
Um angesichts dieser hochkomplexen Umfeldbedingungen konsistente und kohärente Botschaften vermitteln zu können, muss strategisch angelegte Regierungskommunikation aktiv prozesssteuernd wirken. Dafür steht ihr ein reichhaltiges Arsenal an Instrumenten unmittelbarer und vermittelter Kommunikation zur Verfügung, das zunehmend durch Methoden aus der Werbung und der Unternehmenskommunikation ergänzt wird.
Der effektive Einsatz dieser »Tools« setzt allerdings auch eine wirksame institutionelle Verankerung der Kommunikationsaktivitäten voraus. Vor diesem Hintergrund analysieren Michael Mertes, Frank Brettschneider, Michaela Wiegel und Wolfgang Zank im vorliegenden Band die institutionellen Kommunikationskapazitäten inund ausländischer Regierungen. Dabei widmen sie sich in ihren Beiträgen besonders der Frage, wie sich die jeweiligen institutionellen Rahmenbedingungen der Regierungskommunikation auf die Vermittlung und Vermittelbarkeit konkreter Reformvorhaben ausgewirkt haben.
Einen eher akteurszentrierten Ansatz verfolgen Ulrich Sarcinelli und Lothar Rolke in ihren Beiträgen zur oft vernachlässigten Rolle von Partei- bzw. Abgeordnetenkommunikation. Sarcinelli verdeutlicht, dass Parteien im Rahmen von Reformprozessen zentrale politische Akteure und »Kommunikationsagenturen« in einem sind. So treten sie gleichzeitig als Initiator wie auch als Vermittler politischen Handelns in Erscheinung. Nicht selten stehen die dafür erforderlichen Kommunikationsfähigkeiten allerdings in einem Spannungsverhältnis zur traditionellen Kommunikationskultur einer Partei und ihrer Anhängerschaft. Aus Sarcinellis Sicht stellt sich deshalb die Reformierbarkeit von eingeschliffenen Mustern der Parteienkommunikation als Schlüsselgröße für die Reformfähigkeit des demokratischen Systems insgesamt dar.
Rolke fordert in seinem Beitrag drastische Veränderungen im Selbstverständnis von Abgeordneten. Wie eine von ihm und Volker Metz durchgeführte Umfrage unter Mitgliedern des Bundestages zeigt, verfügen diese zwar über eine ausgeprägte PR- und Medienkompetenz und hohe Einsatzbereitschaft, spüren jedoch, dass sie Wähler nur selten mit ihren Anliegen erreichen. Um wieder mehr Gehör zu finden, analysiert Rolke, müssten Abgeordnete einer stringenten Kommunikationsstrategie folgen, anstatt der Versuchung aktionistischer und kurzatmiger Öffentlichkeitsarbeit zu erliegen. Denn durch diese trage der Abgeordnete selbst zur Politikverdrossenheit bei den Wählern bei.
Im Vordergrund der Beiträge von Josef Klein und Jens Althoff stehen Methoden und die sprachlich-diskursive Dimension politischer Kommunikation. Wie die beiden Autoren hervorheben, ist es im Kräftespiel zahlreicher politischer Interessen für die öffentliche Vermittelbarkeit von Reformen elementar, die Definitionsmacht über Begriffe gezielt zu nutzen. Was beim inflationären Verwenden des Begriffes »Reform« beginnt, endet bei der konkreten Namensgebung politischer Reformprozesse. Auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnisse der Politolinguistik nimmt Klein die Reformkommunikation der Regierung Schröder unter die Lupe, arbeitet detailliert heraus, an welchen Stellen die kommunikative Begleitung gescheitert ist, und leitet hieraus acht Empfehlungen für Reformkommunikation ab.
Althoff unterstreicht in seinem Beitrag den Faktor Glaubwürdigkeit als zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Reformkommunikation. Je größer diese ist, desto mehr Handlungsspielraum gewinnt der politische Akteur bei der Durchsetzung seiner Reformvorhaben. Ausgehend von Erkenntnissen der sozialwissenschaftlichen Persuasionsforschung zeigt Althoff den Weg von der Glaubwürdigkeit des politischen Akteurs zur Glaubwürdigkeit der Reformprojekte auf und arbeitet die zentrale Bedeutung konsistenter und kongruenter Kommunikation hierfür heraus.
Welche Instrumente besonders geeignet sind, mit (reform)politischen Botschaften bis zum Bürger durchzudringen, beleuchtet Kerstin Plehwe in ihrem Aufsatz. Gerade bei wichtigen Veränderungsprozessen darf politische Kommunikation, so Plehwe, nicht zu Produktwerbung verkommen. Besonders Reformen, die Einschnitte für den Bürger mit sich brächten, verlangten nach einer Form der Kommunikation mit dem Bürger, die Raum für seine Ängste und Sorgen lasse. Plehwe plädiert für eine Verbreiterung der etablierten politischen Kommunikationswege und - nach amerikanischem Vorbild - für ein Mehr an Dialogkommunikation in der Politik.
Zusammenfassend präsentieren Leonard Novy und Gregor Peter Schmitz schließlich in den »Lessons learned« neue Wege für die Vermittlung politischer Gestaltungsvorhaben. Sie machen deutlich, dass es dabei keineswegs darum geht, der Unterordnung der Politik unter das Primat von Spin Doctors, rhetorischer Effekthascherei und medialer Inszenierung das Wort zu reden. Im Gegenteil: Ziel muss es sein, politische Gestaltungsfähigkeit auch unter den Bedingungen der Mediendemokratie zu verbessern und so den Vorrang des Politischen zu bewahren.
Unstrittig ist dabei, dass für politische Kommunikation in demokratischen Gemeinwesen andere Maßstäbe gelten müssen als etwa für das Konsumgüter-Marketing der Wirtschaft. Zwar orientiert sie sich, gerade zu Wahlkampfzeiten, zusehends an den Regeln der Markenkommunikation. Doch sind Politiker oft mit höchst komplexen Problemstellungen konfrontiert, deren mediale Vermittlung durch komplizierte politische Entscheidungs- und Verfahrensprozesse weiter erschwert wird. Zudem agiert Reformpolitik regelmäßig in einem dichten Geflecht widerstreitender Interessen, das durch Koalitionszwänge und Ressortkämpfe noch unübersichtlicher wird. Daher fehlt häufig eine einheitliche und stringente Linie in der Außenkommunikation der deutschen Bundesregierung. Schließlich ist demokratische Politik in bedeutend höherem Maße rechenschaftspflichtig gegenüber der breiten Öffentlichkeit als dies bei Unternehmensführungen der Fall ist. Politik funktioniert nicht über Vorstandsweisungen, sondern ist darauf angewiesen, beim Bürger mühsame Überzeugungsarbeit für ihre Reformanliegen und die ihnen zugrunde liegenden Gemeinwohlvorstellungen zu leisten. Strategien und Konzepte der Regierungskommunikation, die in der Lage sind, diese Hürden für eine kohärente Reformpolitik zu senken und klare Kursbestimmungen in einer sich permanent wandelnden Umwelt vorzunehmen, setzen ein hohes Maß an strategischer Planung und handwerklicher Professionalität voraus.
Wer glaubt, er habe nur nicht die richtigen Worte, dem fehlt es in Wirklichkeit an Ideen, argumentiert der US-Linguist und Politikberater George Lakoff (Lakoff 2004). Denn Kommunikationsfähigkeit und politische Gestaltungskraft bedingen sich wechselseitig. Eine effektive und problemadäquate Kommunikation ist nicht nur Kernressource strategischen Regierens, sondern Voraussetzung dafür, die »Verständniskluft« (Novy und Schmitz in diesem Band) zwischen Politik und Bürgern zu verringern. Regieren ist Kommunikation, heute mehr denn je.

Literatur

Bergsdorf, Wolfgang. »Probleme der Regierungskommunikation«. Communication 3/1986. 27 - 39.
Beyme, Klaus von. Parteien im Wandel. Von den Volksparteien zu den professionalisierten Wählerparteien. Wiesbaden 2000.
Gluchowski, Peter, Jutta Graf und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. »Sozialstruktur und Wahlverhalten in der Bundesrepublik Deutschland«. Parteiendemokratie in Deutschland. Hrsg. Oscar W. Gabriel, Oskar Niedermayer und Richard Stöss. 2. Auflage. Wiesbaden 2002. 181 - 203.
Jun, Uwe. Der Wandel der Parteien in der Mediendemokratie. SPD und Labour Party im Vergleich. Frankfurt/Main 2004.
Kamps, Klaus, und Jörg-Uwe Nieland (Hrsg.). Regieren und Kommunikation. Meinungsbildung, Entscheidungsfindung und gouvernementales Kommunikationsmanagement. Köln 2006.
Köhler, Miriam Melanie, und Christian H. Schuster (Hrsg.). Handbuch Regierungs-PR. Öffentlichkeitsarbeit von Bundesregierungen und deren Beratern. Wiesbaden 2006.
Lakoff, George. Don’t Think of an Elephant! Know Your Values and Frame the Debate. White River Junction 2004.
Merz, Manuel, Stefan Rhein und Julia Vetter. Wahlkampf im Internet. Handbuch für die politische Online-Kampagne. Berlin und Münster 2006.
Meyer, Thomas. Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch die Medien. Frankfurt/Main 2001.
Meyn, Hermann. Massenmedien in Deutschland. Konstanz 1999.
Plehwe, Kerstin (Hrsg.). Mit Dialogmarketing zum Wahlerfolg. Berlin 2005.
Wiesendahl, Elmar. »Das Ende der Mitgliederpartei. Die Parteiendemokratie auf dem Prüfstand«. Parteien in der Bürgergesellschaft. Hrsg. Daniel Dettling. Wiesbaden 2005. 23 - 42.
Institutionen
Regierungskommunikation in Deutschland: komplexe Schranken
Michael Mertes

1 Verfassungsrechtliche und politische Grundlagen

Regierungspolitik zu kommunizieren ist heutzutage schwieriger denn je. In den letzten 50 Jahren ging es primär darum, im Zuge des ökonomischen Erfolges sowie des Ausbaus sozialer Standards Wohlstandsverteilung und Existenzabsicherung zu verkünden. Heute dagegen muss Politik häufig für Einschnitte und Beschränkungen Verständnis erwecken. Sie muss, mit anderen Worten, die Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen, dass Wohlstand und soziale Sicherheit nur durch solche Entscheidungen erhalten bleiben können. Der »Verkauf« von Zumutungen verweist bereits auf die Sonderstellung der politischen Kommunikation, die sich von wirtschaftlicher Markenwerbung eben nicht nur deutlich abhebt, sondern sich von dieser diametral unterscheidet.
Regierungskommunikation1 unterscheidet sich von wirtschaftlicher Markenwerbung aber nicht nur radikal in ihren Botschaften und Methoden, sie ist auch völlig anders, und zwar ausgesprochen komplex organisiert. Mehrere Besonderheiten kennzeichnen die regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland:

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