Rheinisches Sagenbuch - Wilhelm Ruland - E-Book

Rheinisches Sagenbuch E-Book

Wilhelm Ruland

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Beschreibung

"Gebt mir Märchen und Sagen zum Lesen; denn in ihnen ist der Keim zu allem Schönen, Großen und Guten enthalten!" (Schiller auf seinem letzten Sterbelager) Dieser Band mit alten Sagen rund um den Rhein vermag das Ursprüngliche wie das Zauberhafte, das den geliebten Strom umgibt, wunderbar in Worte zu fassen. Lassen Sie sich entführen in eine Welt, in der Geschichten um das Unerklärliche gewoben wurden! Neben vielen weiteren finden Sie in diesem Buch die folgenden Sagen: Bonn: Die Cassiushunde Köln: Der Dombaumeister Der Laacher See: Das versunkene Schloss Das Ahrtal: Der letzte Ritter von Altenahr Illustriert sind die Geschichten mit zahlreichen wunderschönen Stichen.

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Seitenzahl: 309

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Die Loreley

Nach dem Gemälde von E. Steinle

Rheinisches Sagenbuch

Von

Wilhelm Ruland

© 2007 Edition Lempertz GmbH Umschlagentwurf: Grafikbüro Schumacher, Königswinter Titelbild: The Yorck Project / Zenodot Verlagsgesellschaft mbH, Berlin Printed and bound in Germany ISBN: 978-3-939908-08-1

Reprint von 1923

Vorspruch

„Schau hin und schreib’!” Und an den Rebenhügeln

Ließ Bild auf Bild erstehen mir die Sage;

Ich sah aufs neu der Vorzeit schöne Tage,

Abtei und Burg, die sich im Strome spiegeln.

Und von mir warf mein Dichten ich und Klügeln

Und bat die Holde, daß sie sing’ und sage;

Sie winkte und stand Antwort jeder Frage,

Bis grüßend sie entschwand auf lichten Flügeln.

Der Schreiber schrieb und setzt den Wunsch ans Ende:

Mög’ Gott, mein Rheinland, allzeit dich behüten!

Doch zagend legt er auf die Schrift die Hände.

Ob er den rechten Ton wohl stets gefunden?

Derweil er’s fragt, nehmt lächelnd ihr die Blüten,

Gebt mir Märchen und Sagen zum Lesen ; denn in ihnen ist der Keim zu allem Schönen, Großen und Guten enthalten!

Schiller (auf seinem letzten Krankenlager)

Die Sage ist ein Lagerfaß voll edlen, alten Weines: wann er angesetzt worden, weiß niemand mehr; jeder sonnige Herbst bringt ihm frischen Aufguß, und vom ersten Stofs ist wohl nichts mehr vorhanden, als der immer duftende Geist. Draußen aber auf den grünen Bergen tränen und blühen die Reben, und wenn sie blühen, gärt es auch innen im Fasse ; blutrote Trauben reifen und goldhelle. Die Zeiten steigen am Weinberge geschäftig auf und nieder und tragen den neuen Gewinn herzu. Indes fließt unten rein und klar der goldene Quell, und die Sänger sind die Schenken, die das duftige Getränk umherbieten.

Ludwig Uhland

Inhalts - Übersicht

*

I. Der junge Rhein

St. Gotthard / Die versteinerte Alpe . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Thusis am Hinterrhein / Der letzte Hohenrätier . . . . . . .  . 13

Bodensee / Insel Mainau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 15

II. Der Oberrhein

Basel / Eine Stunde vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Straßburg / Die Münsteruhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Das Männlein bei der Engelssäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Das Armsünderhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Des Ammeisters Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Burg Nideck / Das Riesenspielzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Baden / Kellers Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 K

Karlsruhe / Karls Ruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Speyer / Die Glocken von Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Heidelberg / Der Wolfsbrunnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

III. Der romantische Rhein

Worms / Die Nibelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Mainz/ Heinrich Frauenlob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Bischof Willigis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Kloster Eberbach / Die Weinzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Johannisberg / Der Johannisberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I

Ingelheim / Eginhard und Emma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Rüdesheim/ Die Brömserburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Bingen / Der Mäuseturm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Die Klemenskapelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Burg Rheinstein / Die Brautwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Sooneck / Der blinde Schütz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Lorch / Die Wispermüllerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Bacharach / Burg Stahleck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Kaub/ Burg Gutenfels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Die Pfalz-Aventiure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Oberwesel / Die sieben Jungfrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Rheinfels/ Die Georgslinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Die Loreley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Sternberg und Liebenstein / Die feindlichen Brüder . . . . . . 103

Boppard / Kloster Marienberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Rhense/ Kaiser Wenzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Burg Lahneck / Die Templer von Lahneck . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Stolzenfels / Des Kämmerlings Töchterlein . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Koblenz / Riza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Andernach/ Genoveva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Hammerstein/ Der töchterreiche Ritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Schloß Rheineck/ Die Weinprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Rolandseck / Ritter Roland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

Siebengebirge / Die Entstehung des Siebengebirges . . . . . . . . . . 155

Das Nachtigallenwäldchen bei Honnef . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Der Drachenfels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Die Drachenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Der Mönch von Heisterbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Bonn / Die Cassiushunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

Köln/ Richmodis von Aducht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Der Dombaumeister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

Die Heinzelmännchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

Jan und Griet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Albertus Magnus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

IV. Seitentäler und -höhen

Frankfurt a. M. / Der Schelm von Bergen . . . . . . . . . . . . . . . .195

Die Neun in der Wetterfahne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Der Taunus — Wiesbaden / Des Teufels Kur am Kochbrunnen . . . 199

Das Nahetal — Kreuznach / Der Stiefeltrunk . . . . . . . . . . . . . . . 202

Sponheim/ Der Burg Sponheim Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . 204

Die Ebernburg / Der heilsame Wildfrevel . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Das Moseltal / Der Bernkastler Doktorwein . . . . . . . . . . . . . . . 210

Das Miseräbelchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Die Eifel / Das Weinfelder Maar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Der Pfeil zu Prüm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

Der Laacher See / Das versunkene Schloß . . . . . . . . . . . . . . . 218

Das Ahrtal / Der letzte Ritter von Altenahr . . . . . . . . . . . . . . . 221

St. Peter von Walporzheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Die Fadenbrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Der Spielmann von Neuenahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Das Siegtal / Der schlafende König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .234

Aachen/ Der Münsterbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Der Ring der Fastrada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Das Bergische Land / Gründung der Abtei Altenberg . . . . . . 246

V. Der Niederrhein

Xanten/ Siegfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Cleve / Der Schwanenritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

Zuidersee / Stavoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

I.

Der junge Rhein

Vom St. Gotthard bis zum Bodensee

*

St. Gotthard

Die versteinerte Alpe

*

Im Quellengebiet des Rheins ragte in uralter Zeit eine grüne Alpe gegen Himmel. Sie gehörte einem biedern Bauersmann und bildete mit einem schmucken Häuschen drunten im Tal seinen einzigen Besitz. Da starb der Mann eines jähen Todes, tief betrauert von Weib und Kind.

Etliche Tage darauf meldete sich bei der Witwe unerwartet ein Besucher an. Der hatte droben viel Weideland; aber sein Trachten galt schon lange der benachbarten Alpe des Verstorbenen, durch die sein Besitz in erwünschter Weise abgerundet worden wäre. Kurz entschlossen erklärte er der bestürzten Frau, die Alpe sei sein Eigentum: ihr Mann habe sie ihm nach der vorjährigen Mißernte gegen ein Darlehen insgeheim verpfändet.

Als die Witwe ihn einen Lügner schalt, zog jener einen Schuldschein hervor, breitete ihn aus und zeigte ihr mit hartem Lächeln, daß seine Behauptung hier schwarz auf weiß bestätigt sei. Da brach die bedrängte Frau in Tränen aus und erklärte, ihr seliger Mann könne ein derartiges geheimes Abkommen unmöglich getroffen haben. Die Alpe sei ihres Sohnes einziges Erbe und sie werde das unentbehrliche Grundstück nie und nimmer gutwillig hergeben.

„Ich werde euch, wenngleich nichts mich dazu verpflichtet, für den Verzicht eine Entschädigung zahlen,” erklärte der Nachbar in scheinbarem Mitleid und zog seine Geldbörse hervor. Die Frau aber wies weinend das Geld zurück und hieß ihn gehen. Und der Andere ging davon.

Drei Tage später wurde die Witwe vor den Richter geladen. Hier wiederholte der Nachbar unter Vorweis des Schriftstücks seine Forderung auf den Besitz der strittigen Alpe. Der Richter, von jenem schmählich bestochen, erklärte den Schuldschein für echt und sprach dem Kläger die Alpe zu. Gebrochen wankte die Witwe nach Hause.

Der neue Besitzer der Alpe dagegen eilte spornstreichs hinauf ins Gebirge. Hier hatte seit drei Tagen ununterbrochen ein Unwetter gerast. Seine Ungeduld, das listig erschlichene Weideland erstmals als sein gerichtlich zuerkanntes Eigentum zu besichtigen, konnte er nicht länger meistern. So rasch als die aufgeweichten Wege es ermöglichten, erkletterte er die Höhe.

Oben angekommen, starrte er mit entsetzten Augen ringsum und fiel dann ohnmächtig vor Bestürzung zur Erde. Auf die saftiggrüne Alm war von unsichtbarer Hand fußhoher Schotter gerollt worden. Von dem Besitz, den der ungerechte Richter ihm zugesprochen hatte, war nichts mehr zu sehen. Aber auch seine eigenen Almen nebenan hatten Schlamm und Steingeröll verwüstet, während darunter die Matten der anderen Älpler gleich samtnen Teppichen im Morgenlicht ausgebreitet lagen.

Gegen Mittag ist ein gebrochener Mann talwärts heimgeschritten, sich und den Bösen verwünschend, der ihm solch unseliges Tun eingegeben hatte. Die Leute drunten aber raunten einander zu: „Das Fronfasten-Mütterli, Frau Sälga, ist diese Nacht mit den säligen Jungfrauen über unser Tal gezogen, und über dem Haus jenes habsüchtigen Reichen hat das gespenstische Gefolge verweilt, womit derjenige bestimmt wird, der binnen Jahresfrist sterben muß.” Also geschah es. Die versteinerte Alpe aber steht noch heute, ein stummer Warner aus uralter Zeit, inmitten grüner Almen, dort, wo der junge Rhein zwischen Schluchten und Schlünden ungestüm herunterbraust.

Thusis am Hinterrhein

Der letzte Hohenrätier

*

Im Domleschger Tal, das vor einem halben Jahrtausend bei den Freiheitskämpfen der schweizerischen Bauern vom grauen Bund wiederholt der Schauplatz erbitterter Gefechte gewesen ist, erhob sich einst auf hohem Fels die Burg der Hohenrätier. Der letzte Sproß des entarteten Geschlechtes auf der hohen Realt war in der ganzen Gegend mit Recht gefürchtet. Er war der Schrecken der friedsamen Landbewohner und brandschatzte nicht nur sie, sondern auch die Kaufleute und Pilger, die drunten des Weges zogen.

Mächtig wuchs ringsum der Haß gegen den ritterlichen Unhold. Eines Tages entlud er sich zu einer beherzten Gewalttat. Der Freiherr hatte auf einem Streifzug im Tal eine liebreizende Maid entdeckt, die im einsamen Wald Beeren suchte. In frevelnder Gier riß er das Mägdlein auf sein Roß und jagte, an ihrem Wehklagen sich weidend, mit seiner Beute den steilen Schloßberg hinauf. Ein Wilderer hatte den Vorfall bemerkt und rief die Dorfbewohner herbei. Diese trugen die Kunde ungesäumt in das Domleschg.

Da erhoben sich rings die unterdrückten Insassen, rotteten sich zusammen und zogen zur selbigen Nacht den Fels hinan. Sie schlugen über den Wallgraben eine Brücke aus gefällten Baumriesen, warfen Feuerbrände ins Innere der Feste und stürmten durch Tor- und Mauerlücke in den Schloßhof.

Da erschien dort hoch zu Roß der Burgherr, den die züngelnden Flammen aus seinen Gemächern vertrieben hatten. Vor sich hielt er das geraubte Mädchen, und im nächtlichen Feuerschein blitzte das blanke Schwert in seiner Rechten. Wuchtige Hiebe nach beiden Seiten austeilend, trieb er das Pferd, dem die Augen verbunden waren, zur Flucht bergabwärts. Aber die lebende Wand der Bauern war undurchdringlich. Da jagte der Ritter kurz entschlossen zur Seite, wo die Felswand über zweihundert Meter gegen den jungen Rhein jäh abfällt.

Zitternd steht das schäumende Tier vor dem gähnenden Abgrund. Ein vielstimmiger Schrei verhallt in der Nacht. Tausend Arme zugleich strecken sich nach dem Reiter aus. Einem von ihnen gelingt es in letzter Sekunde, dem Räuber den Raub zu entreißen, gerade in dem Augenblick, da das gepeinigte Pferd, von Schwert und Sporen blutig geritzt, mit einem gewaltigen Satz in die Tiefe stürzte.

Also endigte der letzte der Hohenrätier. Als die qualmende Finsternis dem grauenden Tage wich, standen von der stolzen Burg nur noch rauchende Ruinen. Dafür verkündigten die Morgenglocken ringsum den umwohnenden Bauern die langersehnte Freiheit. Der letzte Hohenrätier aber soll gleich manchen andern ehemaligen Zwingherren des Rätigaus alljährlich in der Johannisnacht, wo jenes Geschehnis sich ereignete, in schwarzer Eisenrüstung funkensprühend um die zerfallenen Mauern seiner Burg reiten, die oberhalb Thusis am Hinterrhein noch heute zu sehen sind.

Bodensee

Insel Mainau

*

Mit dem lieblichen Eiland im schwäbischen Meer ist der Name der Herren von Bodmann seit vielen Jahrhunderten fest verknüpft. Anfangs im Besitz dieses edlen Geschlechtes, ging die Insel im dreizehnten Jahrhundert in die Hand des deutschen Ritterordens über. Wie jene Besitzveränderung vor sich ging, darüber gibt die Sage Auskunft. Dazumal ruhte der gesamte herrliche Besitzstand in zwei zarten Frauenhänden. Das Fräulein hatte die mit allen Reizen der Natur geschmückte Insel zum Erbteil erhalten. Groß war die Zahl der Freier, welche nach der Hand und Herrschaft der schönen Erbin strebten. Ihr Herz aber hatte bereits gewählt. Der wackere Junker von Langenstein war der Glückliche. Allabendlich, wenn die Sonne in den Fluten des Sees versank, schritt die Jungfrau hinab an den Strand und lauschte hinaus über die dämmernde Flut. Und nicht lange währte es, dann klang Ruderschlag nah und näher, und dem landenden Boot entstieg ein jugendlicher Ferge, den begrüßte die Maid mit verschämtem Kuß. Mit seligen Zukunftsträumen maß das bräutliche Paar die kurze Spanne Zeit, die  sie noch von dem Tage trennte, wo sie offen einander gehören wollten vor aller Welt.

Da ist eines Abends der Junker in tiefer Niedergeschlagenheit gelandet und hat der Verlobten mit Trauer im Antlitz und Herzen berichtet, daß sein von der Gicht heimgesuchter Vater ihn verpflichtet habe, das Kreuzfahrergelübde, das er selber Gott und dem Kaiser abgelegt hatte, statt seiner zu lösen.

Heiße Tränen entstürzten den Augen der Jungfrau. Er aber tröstete sie sanft.

„Vertraue mir und dem, für dessen Namen ich dies Opfer bringe. Ich kehre heim. Diese Zuversicht beseelt mich.”

Und strahlenden Auges blickt der jugendliche Kreuzfahrer auf das trauernde Edelfräulein.

*

Und allabendlich, wenn die Sonne in den Fluten des Sees versank, schritt das Fräulein hinab an den Strand und schaute mit heißem Hoffen hinaus in die nebelfahle Ferne. Der Frühling schwand, ihm folgte der Sommer, und über dem See hinweg zogen die Wandervögel nach dem Süden. Wünsche und Grüße gab ihnen die Jungfrau mit. Als aber dann die Winterstürme über den See und das Eiland brausten, da ward ihr liebliches Antlitz weiß wie die Flocken, die vor ihrem Fenster stoben. Denn aus den Morgenland waren die Kreuzfahrer zurückgekehrt und hatten berichtet, daß der Langensteiner  in Türkenhaft  schmachte auf dem entlegenen Schloß eines Paschas. In tränenlosem Weh verbrachte das edle, starke Fräulein ihre Tage. Sie redete wenig und betete viel.

*

Im fernen Morgenland aber saß hinter hohen Mauern ein jugendlicher Held und härmte sich in düsterem Brüten. Auch er betete viel und stöhnte manchmal laut auf, der Braut gedenkend, von der ein hartes Los ihn vielleicht auf immer schied. Der Pascha hatte dem blondhaarigen Franken seine Lieblingstochter angeboten, eine verführerische Schöne des Orients; der Gefangene aber wandte sich wortlos von der Orientalin ab, die ihn mit werbenden dunklen Augen verheißend ansah.

In derselben Nacht hatte der Langensteiner einen ungewöhnlichen Traum. Ein Engel schwebte zu seinem Lager nieder, und eine Stimme schien zu rufen:

„Gelobe dich mir und du wirst deine Heimat wiedersehen!”

Aus dem Quellgebiet des Rheines

Near the Source of the Rhine Au pays du Rhin

Der letzte Hohenrätier Nach dem Gemälde  von E. Stückelberg The Last Hohenrätier Le dernier Hohenrätier

Der Ritter springt auf und spricht leise: „Das war Gottes Stimme!” Wild wogen die widerstrebenden Gedanken in seiner Seele. Die Liebe sollte er opfern; doch er soll sie wiedersehen! Und er wirft sich nieder auf die Knie und gelobt inbrünstig mit heiligem Schwur, sich dem Herrn zu weihen, wenn es ihm vergönnt würde, die geliebte Braut noch ein einziges Mal zu schauen.

Ein Erdbeben hat die Feste geschüttelt in derselben Stunde und die Tür des Verließes gesprengt. Auf wunderbare Weise erhielt der Gefangene die Freiheit wieder. Zur Küste gelangte er, ohne daß des Paschas Häscher ihn fingen, und ein Schiff, das nach Venedig fuhr, nahm ihn auf. Aber je näher er der Heimat kam, um so schwerer ward in des Ritters Seele der Kampf zwischen Liebe und Pflicht. Er war nahe daran, zu erliegen. Da mahnte ihn Gott aufs neue: das Boot, das dem Eiland zusteuerte, ward von plötzlichem Sturm erfaßt, und dem Heimkehrenden drohte elendiger Tod in den Wellen. Da schrie er erschüttert zum bewölkten Himmel empor und leistete laut den Schwur ein zweites Mal. Der Sturm legte sich, und das Fahrzeug landete, sein ursprüngliches Ziel verfehlend, an einer andern Uferstelle des Sees, dort, wo der Komtur des deutschen Ordens seinen Sitz hatte.

Zu ihm trat ein leiderprobter Waller und bat um Aufnahme, die ihm auch gewährt wurde. Dann hat derselbe stille Mann seinen Nachen noch einmal nach dem lieblichen Eiland gelenkt und hat dort mit einem schmerzlichen Kuß auf der Geliebten reinen Stirn Abschied genommen von der Liebe und der Welt.

Stumm und stark in Gottes unerforschlichen Willen sich ergebend, nahm die Jungfrau die Botschaft auf. Bald darauf war ihr Entschluß gefaßt: sie schenkte die Insel Mainau, die für sie nunmehr verödet war, dem deutschen Orden unter der Bedingung, daß der Langensteiner des hochbetagten Komturs Nachfolger werde. Das sicherte dankbar der Großmeister zu, und nun entließ das Edelfräulein ihr Gesinde und ging hinweg von dem väterlichen Eiland im Bodensee. In ein Kloster soll sie eingetreten sein. Wo, das hat niemand erfahren. Von dem edlen Herrn Hug von Langenstein aber berichtet der Chronist, daß er ein vortrefflicher Komtur des deutschen Ordens auf der Mainau wurde, dabei auch ein gottbegnadeter Sänger, dessen großes Gedicht über die Märtyrerin Martina noch heute in alten Handschriften zu finden ist.

II.

Der Oberrhein

Von Basel bis Heidelberg

*

Basel

Eine Stunde vor

*

Die Baseler wurden einst von Feinden ringsum eingeschlossen. Die Bedrängnis der Stadt war groß, zumal unter den Bürgern eine Schar Unzufriedener mit den Belagerern gemeinsame Sache machte. Jene Treulosen gingen sogar mit dem verworfenen Plan um, gleichzeitig mit den Feinden draußen der Stadt sich zu bemächtigen. Eine finstere Nacht war zu dem Plane ersehen. Mit dem Glockenschlag Zwölf sollte die Überrumpelung drinnen und draußen beginnen. Ahnungslos versahen Besatzung und Wachen ihren Dienst, in falsche Sicherheit gewiegt durch mehrtägige Untätigkeit der Belagerer. Unterdessen bereiteten jene mit ihren Verbündeten hinter den Mauern sich geräuschlos zum Angriff vor.

Mitternacht rückte heran. Die Stadt schien dem Verhängnis verfallen. Da erhielt in letzter Minute der Türmer Kunde von dem beabsichtigten Überfall. Den Befehlshaber der Wachen zu warnen, war zu spät; nur Geistesgegenwart konnte die Stadt retten. Kurz ent-schlossen rückte er in dem Augenblick, wo die Turmuhr die Mitternachtsstunde ankünden sollte, den Zeiger um eine ganze Stunde vor, und Eins kündete der Glockenhammer mit dröhnendem Schlage.

Drinnen horchten die Verräter auf und draußen die Feinde, und Unsicherheit und Irrung entstand hüben und drüben. Man mußte die verabredete Stunde versäumt haben. Indes die Überlisteten noch berieten, was zu tun sei, hatte der gewitzigte Türmer den Stadtrat und den Befehlshaber der Wachen benachrichtigt. Alarm ward geblasen, die Bürgerschaft gewarnt. Der verräterische Plan scheiterte elendiglich, und die Feinde zogen endlich, der fruchtlosen Belagerung müde, mißmutig von dannen.

Der weise Stadtrat aber beschloß, daß zum ewigen Gedächtnis an jene kluge Tat die Stadtuhr so vorgerückt bleiben sollte, wie sie der beherzte Türmer in der denkwürdigen Nacht gestellt hatte. Also geschah es, und viele Jahre hindurch, bis zum Jahre 1789, waren die biederen Baseler, obschon sonst, wie lose Zungen behaupten, um ein Jahrhundert zurück, in der Zeitrechnung ihren Mitmenschen um eine Stunde vor.

Straßburg

Die Münsteruhr

*

Der Straßburger Dom war vollendet, und der Stadtrat beschloß, auf dem Turm eine kunstvolle Uhr anzubringen. Nach langem Suchen ward ein Meister gefunden, der sich erbot, ein Kunstwerk zu schaffen, wie solches in keinem Lande zu sehen sei. Große Befriedigung herrschte darob im hochweisen Rat der Stadt, und der Meister begann die Arbeit.

Monde vergingen darüber. Als der Künstler es vollendet hatte, war alles gerechter Verwunderung voll; denn ein Kunstwerk bildete die Uhr, dergleichen man noch nie eins gesehen hatte. Nicht nur die Tage und Monate zeigte sie außer den Stunden an; eine Erdkugel war an ihr angebracht, daran sah man Aufgang und Niedergang der Sonne, und auf ihr zeigten sich die Bahnen von Sonne und Mond gleichzeitig mit denen der Gestirne. Auf alle Wandlungen am Himmel wies Merkur mit einem Stabe, und jedes Sternbild trat, sobald seine Herrschaft begann, hervor. Kurz vor dem Glockenschlag erschien der Tod und schlug die vollen Stunden an, während bei den viertel und halben Stunden die Gestalt des Erlösers hervortrat und ihn zurückwies. Zum Überfluß war mit dem Kunstwerk ein Glockenspiel verbunden, das erbauliche Choräle stundenweise erklingen ließ.

Also war die wunderbare Straßburger Münsteruhr beschaffen. Nun aber klagt die Sage den Straßburger Magistrat eines höchst fluchwürdigen Frevels an: mit dem Stolz, die einzige Stadt zu sein, die sich eines solchen Wunderwerkes rühmen dürfe, teilte jener die Befürchtung, der Meister möge ein gleiches noch in einer andern Stadt vollführen. Die herzlosen Ratsherren benutzten mit Freuden das Gerede der Leute, die da raunten, ein solches Werk hätte nur mit Teufelskünsten errichtet werden können, klagten den Uhrmacher des Umgangs mit dem Bösen an, ließen ihn einkerkern und verurteilten ihn in unmenschlicher Grausamkeit, daß er geblendet werde. Klaglos duldete der unglückliche Künstler das unerhörte Geschick.

Ehe sie jedoch ihr Urteil vollstreckten, bat er, ihn noch einmal an die Uhr zu lassen, damit er das noch richte, was einer späteren Hand unmöglich sei. Der hochweise Stadtrat, eifrig besorgt um die Vollkommenheit der Uhr, ließ den Meister hinaufführen. Er feilte, sägte, stellte und richtete noch hier und dort, ward dann in den Turm geführt und noch in derselben Stunde seines Augenlichtes beraubt.

Kaum aber war das Urteil vollzogen, da gewahrte alles mit Schrecken, daß das Getriebe der Münsteruhr still stand. Der Künstler hatte das Werk mit eigener Hand zerstört, und was er grollend ausgerufen, daß sein Glockenspiel auf ewig verstummen solle, hat sich bewahrheitet bis auf den heutigen Tag. Bis zur Stunde vermochte niemand, das tote Getriebe zu beleben, und wenn auch heute ein neues, nicht minder kunstvolles Uhrwerk das Münster schmückt, das Räderwerk der ersten Münsteruhr, das noch aufbewahrt wird, nochmals in Gang zu bringen, ist bisher keinem Künstler gelungen.

Das Männlein bei der Engelsäule

*

Im Münster zu Straßburg könnt ihr nahe bei der Uhr ein steinernes Männlein sehen, wie es von dem Geländer der Sankt Niklauskapelle zu der Engelsäule emporschaut, die das Gewölbe des südlichen Kreuzarmes trägt. In Stein ist es ausgehauen; voreinst stand es in Fleisch und Blut da und blinzelte mit seinem spitzfindigen Bauerngesicht die Engelsäule an von unten bis oben und dann wieder von oben bis unten. Jedesmal schüttelte besagtes Bäuerlein bedenklicher das Haupt und sah immer wieder vom Fuß der schlanken Säule bis zum Knauf empor.

Da kam ein Werkmeister durch das Münster geschritten und sah das Männlein, wie es forschend die Höhe gegen die Dicke abmaß.

„Ihr habt wohl etwas auszusetzen an der Säule, Gevatter?” hub der Steinmetz an, und mit selbstgefälligem Blick nickte der Gefragte.

„Sagt mir unverhohlen Eure Bedenken.” Und der Meister klopfte dem Männlein vertraulich auf die Achsel.

„Schön ist die Säule allerdings,” meinte der Biedermann. „Schön sind die Evangelisten, schön die Engel und gar schön oben der richtende Heiland. Aber nicht lange wird der schlanke Säulenstamm das schwere Gewölbe tragen. Eines Tages wird er wanken und rettungslos einstürzen.”

Da blinzelte der Werkmeister den fremden Kunstrichter und dann wieder die Säule mit überlegenem Lächeln an.

„Seid Ihr auch ganz überzeugt von der Wahrheit Eurer Aussage, guter Mann?” fragte er, und wiederum bestätigte es mit gewichtiger Miene der ländliche Kritiker.

„Wohlan!” rief der Meister mit gemachtem Ernst, „so sollt Ihr denn unablässig emporschauen an der Säule, bis sie, vom Gewölbe erdrückt, zusammenstürzt.”

Ging in die Steinhütte, ergriff Hammer und Meißel und formte das Männlein genau so, wie es just hinaufgeschaut hatte, mit pfiffigem Gesicht und bedeutsamen Kennerblicken. Bis zur Stunde steht es noch an der Säule, mit beiden Händen auf das Geländer der St. Niklauskapelle gestützt und blickt unverdrossen empor, der Stunde harrend, wo die Säule einstürzen werde. Wird wohl auch noch da stehen bleiben manch Jahrhundert lang.

Das Armsünderhaus

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Zu Straßburg herrschte mehrere Jahrhunderte lang eine merkwürdige Sitte. War irgendein Übeltäter zum Tode verurteilt worden, dann wurde er etliche Tage vor der Hinrichtung vom Gefängnis in das Armsünderhaus abgeführt und dort bis zu seiner letzten Stunde reichlich bewirtet. Das Armsünderhaus war ein großes, altertümliches Gebäude an der Ecke der großen Renngasse und des St. Johannisstadens. Hinter den heute vergitterten Fenstern haben früher glückliche Menschen herausgeschaut; denn einer alten, angesehenen Patrizierfamilie gehörte jenes Gebäude.

Der Herr des Hauses bekleidete ein hohes Amt in der freien Reichsstadt. Mit seiner Gattin lebte er lange Jahre in glücklicher, doch kinderloser Ehe. Endlich schenkte ihm der Himmel zu seiner unsäglichen Freude einen Sohn. Der aber wuchs heran zu einem liederlichen Burschen.

Im Kreise mißratener Gesellen entartete er mehr und mehr. Eines Tages füllte Jammern und Wehklagen das steinerne Patrizierhaus an der Renngassen-Ecke; die Schergen kamen und führten den unseligen Jüngling gefesselt ab.

Einen Mord hatte er im Rausch begangen. Das Gesetz verurteilte ihn zum Tode. Vergebens flehten die unglücklichen Eltern bei Richter und Magistrat für ihn um Gnade. Nur eins erlangten sie: dem Unglückseligen ward gestattet, seine letzten Tage vor der Hinrichtung im elterlichen Hause zuzubringen.

Das beklagenswerte Elternpaar starb bald darauf vor Gram. Das alte Gebäude fiel an die Stadt. Zur Erinnerung an jenes Geschehnis wurde künftig jeder arme Sünder während der Tage, die vom Urteil bis zu dessen Vollziehung verflossen, in ein Zimmer jenes Hauses geführt und dort reichlich bewirtet. Von dem Haus, das seitdem das Armsünderhaus hieß, bewegte sich dann der Zug nach dem Richtplatz.

Des Ammeisters Sohn

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Vor langer Zeit lebte zu Straßburg ein Ammeister, der war wegen seiner Weisheit und Gerechtigkeit allgemein verehrt. Einen Sohn aber hatte er, der war voll Unbesonnenheit und jugendlichen Übermutes. Ihm gehörte ein junges Pferd, und der tollkühne Jüngling vergnügte sich oft damit, trotz des Vaters strengem Verbot mit dem feuerigen Tier durch die engen Straßen zu sprengen. Wenn dann jung und alt erschreckt auseinanderstob und hinter den kleinen Fenstern die Mägdlein bewundernd auf den verwegenen Reiter schauten, dann blitzten dessen Augen in maßlosem Stolz.

Da ist er eines Tages wiederum durch ein Gäßlein galoppiert, wo ein Kindlein harmlos auf dem Pflaster spielte. Und des Hengstes erzbeschlagener Huf traf das Würmlein; leblos ward es zu seinen jammernden Eltern hineingetragen.

Vorüber war der Übermut des Jünglings. Bleich und kleinlaut ist er ins Vaterhaus zurückgeritten. Bald führten des Kindes unglückliche Eltern Klage wider den Frevler. Zahllos stand die Menge auf dem Richtplatz. Dort saß als Vorstand des Rats der Ammeister, Gram im Auge und Herzen, und leitete das Gericht über den eigenen Sohn. Unerbittlich war der geschriebene Spruch des Gesetzes. Er lautete auf Tod. Mit harter Stimme verkündete ihn der Ammeister. Da drang wie ein einziger Schrei das Wort Gnade aus dem Volksgewimmel zum Richter. Um Gnade flehten selbst die Eltern des getöteten Kindes, Gnade murmelte gebrochen der Jüngling.

Aber unbeugsam blieb der gerechte Vater wie einst Brutus, der römische Konsul, und über den eigenen Sohn sprach er das Todesurteil.

Noch heute erblickt man am Bischofsburgtor zu Straßburg das Bild des Ammeisters auf dem Richterstuhl ausgehauen und neben dem Tor das des getöteten Kindes. Am Zolltor sieht man im Stein den unseligen Jüngling, wie er auf seinem Roß einhersprengt.

Burg Nideck

Das Riesenspielzeug

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In uralten Zeiten soll ein Riesengeschlecht im Elsaß gehaust haben. Burg Nideck im Breuschtal, deren Trümmer längst verweht sind, war der Wohnsitz jener Hünen, von denen noch heute im Elsaß die Sage geht, daß sie friedfertig und den Menschen wohlgesinnt waren.