Royal Christmas - Daniela Felbermayr - E-Book

Royal Christmas E-Book

Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Weihnachten mitten im Nirgendwo? Na toll! Sehr zu ihrem Leidwesen wird Societyreporterin Eden Jones über die Feiertage nach Colorado geschickt, um einem Hinweis nachzugehen, nach dem ein europäischer Prinz sich dort mit seiner geheimen Freundin verloben will. Anstatt also das vorweihnachtliche New York zu genießen, durch verschneite Straßen zu flanieren, Eggnog zu trinken und auf Weihnachtspartys zu gehen, soll Eden nun also verstaubten, britischen Royals hinterherschleichen und danach zur Chefredakteurin befördert werden. Als sie mit ihrem Mietwagen in einer Schneewehe stecken bleibt und zu erfrieren droht, eilt ihr der attraktive Jay zu Hilfe, der sich als waschechter europäischer Prinz entpuppt und Eden mit auf den Landsitz seiner Eltern nimmt. So ist Eden also mittendrin, statt nur dabei, als Jay erfährt, wen sein Bruder in Kürze ehelichen wird. Aus einer Kurzschlussreaktion heraus macht er Eden ein unglaubliches Angebot und bald schon verschwimmen für sie die Grenzen zwischen Märchen und Realität ... Doch ... eine Reporterin und ein Prinz? Das passt doch gar nicht, oder? Erst recht nicht, weil Eden ihrem Traumprinzen etwas ganz wichtiges verschweigt ...

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Royal Christmas

Impressum

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages!

Im Buch vorkommende Personen und Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Copyright © 2021 dieser Ausgabe Obo e-Books Verlag,

alle Rechte vorbehalten.

M. Kluger

Fort Chambray 

Apartment 20c

Gozo, Mgarr

GSM 2290

Covergestaltung: Casandra Krammer – www.casandrakrammer.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Epilog

REZEPT: Schoko-Oreo-Bananen-Cheesecake

Noch ein Bad Boy zu Weihnachten?

Eingeschneit - Ein Weihnachtshörbuch!

Über OBO e-Books

1

„Und, was habt ihr so über die Feiertage vor?“ Maddie Spelling nippte an ihrem Eggnog und sah in die Runde.

„Troy und ich fliegen übermorgen auf die Bahamas“, meldete Carlie Jennings sich zu Wort.

„Die Bahamas? Schmückt ihr dann eine Palme?“ Maddie, die ein absoluter Weihnachtsjunkie war und bereits im Juni damit begann, die Tage bis Heiligabend zu zählen, konnte sich die Feiertage in einem tropischen Klima überhaupt nicht vorstellen.

„Ich weiß auch noch nicht, wie es wird“, gab Carlie überfragt zu, „aber wir haben uns ewig vorgenommen, auf die Bahamas zu fliegen, und jetzt über die Feiertage bietet es sich eben an.“

„Adam und ich verbringen ein ganz traditionelles Weihnachtsfest in Vermont mit unseren Familien“, sagte Ginger Holden. Sie hatte den industriellen Adam Holden erst vor Kurzem geheiratet und war immer noch verliebt wie am ersten Tag. „Aber vermutlich könnte man mich und Adam auch in eine Höhle irgendwo in den Appalachen stecken, solange wir zusammen sind …“ Ein sanftmütiges Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.

„Mark und ich besuchen Emma und Josh in Stonehill Creek über die Feiertage. Ich bin schon gespannt auf ein echtes Cowboy-Weihnachtsfest“, sagte Maddie.

„Was machst du an Weihnachten, Eden?“, fragte Ginger. Eden, die darüber nachgedacht hatte, dass es in diesem Jahr wohl ein ziemlich seltsames Weihnachtsfest werden würde, nahm einen Schluck ihres Eggnog und blickte in drei neugierige Augenpaare ihrer Freundinnen.

„Ich bleibe hier in New York. Die Feiertage über werde ich wohl mit meiner Familie in Boston verbringen, aber eigentlich hatte ich geplant, ein richtiges ‚New York Christmas‘ zu feiern. Mit allem Drum und Dran. Mit einem Weihnachtsfilm-Marathon, genügend Eggnog und ungesundem Essen. Ich werde so ziemlich jeden Weihnachtsmann in Manhattan abklappern und ihm ein paar Dollar in den Topf werfen. Ist ja immerhin mein erstes Jahr hier.“ Dass es auch ihr erstes Weihnachten war, das sie als Single feierte, ließ sie unerwähnt.

Eden Jones war vor acht Monaten, im April, nach New York gekommen, um hier mit ihrem Verlobten Trey zu leben. Sie und Trey waren schon auf der Highschool in Boston ein Paar gewesen, und Eden war von Anfang an klar gewesen, dass Trey der Mann für sie war. Selbst als er einen Job in Manhattan angenommen hatte, hatte sie keine Zweifel gehabt. Und auch als er begonnen hatte, die Wochenenden mehr und mehr in New York zu verbringen, anstatt zu ihr nach Boston zu fahren oder sie zu sich einzuladen. Die ganze Zeit über, als Eden ihren Umzug von Boston nach New York geplant, ihre Wohnung verkauft und ihren Job aufgegeben hatte, hatte Trey gute Miene zum bösen Spiel gemacht und keinen Mucks gesagt. Weil er gehofft hatte, dass sie irgendwie von selbst dahinterkommen würde, dass ein Zusammenziehen doch keine so gute Idee war, hatte er im Nachhinein gemeint. Und so war Eden fast mittellos und ohne Job im April in Treys Appartement in Brooklyn eingezogen. Sie wollte noch einmal von vorn anfangen mit ihrem Verlobten an ihrer Seite leben und sich auf das nächste große Ereignis, das ihnen bevorstand, konzentrieren: die Hochzeit. Als Eden kaum einen Monat in New York gelebt hatte und über ein Wochenende zurück nach Boston gefahren war, um ihre letzten Habseligkeiten aus der Garage ihrer Eltern abzuholen, kippte die Stimmung jedoch. Eigentlich hatte sie geplant, erst Montagmittag zurück nach Manhattan zu fahren, zum einen, um einen weiteren Tag mit ihrer Familie verbringen zu können, und zum anderen, um dem sonntäglichen Stoßverkehr Richtung New York zu entgehen, der vor Montagmittag nicht aufhörte. Dummerweise hatte Conrad Jones sich eine Erkältung eingefangen, mit der er auch seine Frau – Edens Mutter – angesteckt hatte. So waren Edens Eltern von einer Erkältung niedergestreckt worden, sodass sie selbst beschloss, einen Tag früher zurück nach Manhattan zu fahren, um sich nicht auch noch anzustecken. Sie hatte für die kommende Woche zahlreiche Bewerbungsgespräche vereinbart, weswegen sie vermeiden wollte, bei ihren potenziellen neuen Arbeitgebern mit Triefnase und Halskratzen aufzukreuzen. Also war sie kurz nach dem Mittagessen und nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ihre Eltern mit Hustensaft und Hühnersuppe versorgt waren, auf den Rückweg nach Manhattan aufgebrochen. Sie hatte einen Zwischenstopp in Daisys Bäckerei eingelegt und für Trey einen Vanillekuchen gekauft, den er heiß und innig liebte. Dann war sie zurück in ihr Appartement gekehrt und hatte Trey dabei erwischt, wie er mit einer Rothaarigen zugange war, die zwei Stockwerke über ihnen wohnte – in genau dem Bett, das Eden vor einer Woche mit ihren letzten Ersparnissen gekauft hatte, um zumindest etwas zu ihrem gemeinsamen Appartement beizutragen.

Dass dieses Weihnachtsfest anders werden würde als all jene zuvor, war Eden klar. Es würde seltsam sein, das Fest ohne Trey zu verbringen, der seine Rothaarige mittlerweile geschwängert hatte. Eden seufzte. Eigentlich war sie mit der Trennung ziemlich gut zurechtgekommen, doch gerade jetzt, in der Weihnachtszeit, schien es fast so, als würden die alten Wunden wieder aufbrechen.

„Los, kommt, lasst uns zum Weihnachtsbaum gehen und unsere Wichtelgeschenke auspacken“, schlug Ginger vor. In der Redaktion war es üblich, dass die Redakteure sich untereinander kleinere Geschenke machten, die dann direkt unter dem Baum ausgetauscht wurden. „Ich bin schon gespannt, wer mein heimlicher Weihnachtsmann ist.“ Eden reihte sich hinter Carlie, Ginger und Maddie ein, als jemand ihr auf die Schulter tippte.

„Jones? Hast du mal eine Minute?“

Eden drehte sich um. Dean Maddox, der Chefredakteur, stand mit seiner massigen Gestalt vor ihr.

„Dean? Kann ich etwas für dich tun?“

„Kannst du in der Tat, lass uns in mein Büro gehen.“

Eden sah ihren Freundinnen nach, die fast beim Weihnachtsbaum angelangt waren und die ersten Päckchen austauschten. Dann schlüpfte sie in das Büro ihres Chefredakteurs.

„Was gibt’s?“

„Hör mal, Jones, mir ist das wirklich sehr unangenehm, aber … ich habe einen Auftrag für dich.“ Dean sah Eden aus seinen kleinen Augen an und drehte seinen Schlips zu einem Strick.

„Einen … Auftrag?“, wiederholte Eden. Sie wusste nicht, was Dean nur eine Woche vor Weihnachten noch für einen „Auftrag“ haben konnte. Die Januarausgabe der Glamerica war fertig gedruckt und für die Februarausgabe hatte sie alle Artikel bereits abgegeben. Im Augenblick arbeitete sie gemeinsam mit Ginger an einem Ranking über die besten Frühlingsausflüge und an einem Muttertagsspecial, das in der Mai-Ausgabe erscheinen sollte.

„Ja. Wir haben gerade eben den heißen Tipp bekommen, dass demnächst wieder eine royale Hochzeit ins Haus steht.“

„Eine … royale Hochzeit?“ Eden sah Dean verständnislos an. „Ich denke, der kleine Prinz George kann sich noch ein Weilchen Zeit lassen, bevor er vor den Altar tritt. Und Prinz Harry hat diese Meghan doch erst im Frühling geheiratet.“ Sie war selbst darüber erstaunt, wie gut sie über das britische Königshaus informiert war. Für gewöhnlich konnte sie mit den Royals – egal mit welchen – überhaupt nichts anfangen.

„Ich meine auch nicht diese Royals. Ich meine den Herzog und die Herzogin von Preston. Die sind fast so bekannt wie die Windsors, nur noch volksnäher. Dummerweise halten sie mit Informationen über sich selbst eher hinter dem Berg. Aber jetzt ist durchgesickert, dass einer ihrer beiden Söhne demnächst seine Verlobung bekannt geben soll.“

„Der Herzog und die Herzogin von Preston? Noch nie gehört.“

„Du interessierst dich wohl nicht für das englische Königshaus“, sagte Dean pikiert, fast so, als würde er Eden einen Vorwurf daraus machen wollen, dass sie mit der Queen und ihrem Gefolge nicht sehr viel anfangen konnte.

„Nicht wirklich, stimmt“, sagte sie.

„Auf jeden Fall hat eine unserer Leserinnen in London uns die Info zugespielt, dass der Juwelier, für den sie arbeitet, eine Auswahl an erlesenen Verlobungsringen nach Preston hatte schicken müssen. Da liegt es fast auf der Hand, dass einer der Prinzen, John, James oder Alexander, in Kürze vor den Altar treten wird.“

„Und jetzt soll ich nach London fliegen und diesen verlobungswilligen Royals hinterherspionieren?“, fragte Eden unsicher. Sie hatte keine große Lust, die Feiertage ganz allein in einem Hotel in Europa zu verbringen, nur weil irgendein unbekannter Prinz sich möglicherweise – oder auch nicht – verloben könnte.

„Aber natürlich nicht. Die Prestons sind andere Adelige, als du vielleicht denkst. Sie sind viel … bürgerlicher als die Windsors. Jedes Jahr zu Weihnachten kommen sie in die Staaten und verbringen die Feiertage auf einem ihrer Landsitze in Colorado. Ich gehe davon aus, dass der Prinz, der im Augenblick auf Freiersfüßen wandelt, seine Verlobung genau dort im Kreise seiner Familie bekannt gibt, weil sein Vater das vor vierzig Jahren nämlich genauso gemacht hat. John James Preston II. hat seine Frau am Weihnachtsabend vor vierzig Jahren um ihre Hand gebeten. Da liegt es doch auf der Hand, dass der Sohnemann es ihm nachmachen wird. Und genau da kommst du ins Spiel.“

Eden schwante Unheil. So wie es aussah, hatte Dean vor, sie über Weihnachten nach Colorado zu schicken.

„Aber … sind Prominente nicht eigentlich Maddies Metier?“

„Mit Royals hat Maddie nichts am Hut“, wehrte Dean ab. „Und in der Celebrityszene ist sie bekannt wie ein bunter Hund. Wenn auffliegt, dass wir quasi verdeckt ermitteln … nein, nein. Außerdem verbringt sie die Feiertage mit ihrem Mann und ihrer Familie in Stonehill Creek bei Emma. Ich dachte, nachdem du im Augenblick ja Single bist …“

„… habe ich an Weihnachten bestimmt nichts Besseres vor, als einem unbekannten Prinzen nachzustellen, um herauszufinden, ob er seiner Angebeteten einen Antrag macht oder nicht?“, vollendete Eden Deans Satz. Etwas Unmut war in ihrer Stimme zu erkennen.

„So war das nicht gemeint. Aber für Glamerica ist es wichtig. Die Leser stehen auf die Royals, erst recht, seit sie durch Harry und William so greifbar geworden sind. Ich will vermeiden, dass die Sparkle sich diese Neuigkeit krallt und wir dann leer ausgehen. Diese Juweliersangestellte hat die Info bestimmt nicht nur uns zugespielt.“ Dean sah Eden an wie ein geschlagener Hund. „Wenn nichts an der Sache dran ist, kannst du meinetwegen am 25. zurückreisen und die Feiertage mit deiner Familie verbringen. Aber vielleicht findest du etwas raus, was uns weiterbringt. Hör dich um, sprich mit den Anwohnern. Vielleicht kannst du Kontakt zum Personal knüpfen.“

„Gott, Dean, wenn das wirklich Adelige sind, wird es vermutlich nicht so einfach sein, die Dienstboten mal eben auf ein Bier einzuladen und sie auszuquetschen.“

„Das weiß ich doch“, entgegnete Dean, „aber es wäre ein Drama, würde die Sparkle darüber berichten und wir nicht.“ Er sah Eden an. „Und hör mal, Eden, wenn du eine gute Story herausholst, steht einer Beförderung nichts mehr im Wege. Wir planen einige neue Ressorts in Zukunft, und natürlich ist klar, dass die Mitarbeiter, die sich engagieren, auch diejenigen sein werden, die zuerst befördert werden.“

Jetzt hatte Dean Eden am Haken. Schon seit der Trennung von Trey hatte sie sich vorgenommen, in Manhattan Karriere zu machen. Bislang war sie auf einem guten Weg. Sie hatte zunächst bei einem Theateragenten angeheuert, für den sie die Social-Media-Kanäle betrieb, bevor Ginger sie im Mai gebeten hatte, ihr bei einer Reportage übers Onlinedating behilflich zu sein. Sie selbst hatte einen Kerl online kennengelernt, und etwas in ihr hatte sich gesträubt, weitere Kerle zu daten. Ein Volltreffer, wie sich schließlich herausstellte. Mittlerweile waren Ginger und Adam – ein steinreicher Industrieller – verheiratet und hätten glücklicher nicht sein können. Eden arbeitete jetzt seit über eineinhalb Jahren für das Magazin und fand, dass es langsam Zeit für den nächsten Karriereschritt war.

„Okay, ich mach’s“, sagte sie und sah Dean dabei fest an.

„Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann, Jones.“

Eden war etwas durch den Wind, als sie Deans Büro verließ. Draußen war die Weihnachtsparty der Redaktion noch in vollem Gange. Mittlerweile war ein Weihnachtsmann angekommen, der vor dem Baum Geschenke verteilte. Connor Jenkins, der Leiter der Glamerica-Grafikabteilung, bandelte wie üblich mit einer der blutjungen Praktikantinnen an, und ihre Freundinnen standen bei der Eggnogbar und füllten ihre Gläser erneut auf. Eden seufzte. Hatte sie sich da drin eben tatsächlich dazu breitschlagen lassen, über Weihnachten verdeckt nach einem britischen Adeligen zu forschen, nur weil möglicherweise eine Verlobung ins Haus stand? Sie hatte keine Ahnung, wie sie es anstellen sollte, überhaupt in die Nähe dieser Familie zu gelangen, ohne nicht gleich in einen Kerker geworfen zu werden. Das war doch in etwa so, als würde man munter auf den Buckingham-Palast zuspazieren, winkend an den Wachen vorbeilaufen und sich mit der Queen gemütlich zu einem Tee und Keksen treffen. Ginger winkte ihr zu und Eden setzte sich in Bewegung. Vielleicht würde sie nach einem oder zwei Eggnogs etwas klarer sehen.

2

20. DEZEMBER

Eden war ziemlich geschlaucht, als sie am nächsten Abend auf dem Denver International Airport ankam. Nachdem sie erst relativ spät von der Weihnachtsparty nach Hause gekommen war, hatte es an diesem Morgen gegolten, ihre Mutter darauf vorzubereiten, dass sie möglicherweise an Weihnachten nicht nach Boston kommen würde, währenddessen sie ihre Siebensachen für den Flug zusammenpackte. Ein Drama mittleren Ausmaßes. Schließlich hatte sie einen Koffer gepackt und war zum Flughafen gefahren. Gemeinsam mit den anderen Passagieren hatte sie darauf gewartet, dass das Gepäck auf dem Rollband ankam, doch so wie es aussah, stand ihr Colorado-Trip von Anfang an unter keinem besonders guten Stern. Ihr Koffer war nicht da. Nachdem die anderen Passagiere, einer nach dem anderen, ihre Gepäckstücke von dem Band genommen hatten, stand sie nach einer Weile einsam und allein im Gepäckbereich und drehte erst dann ab, als das Band nach einer Weile mit einem leisen Ruckeln stehen blieb. Sie seufzte. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, so schnell wie möglich in ihr Hotel zu kommen, eine heiße Dusche zu nehmen, etwas vom Zimmerservice zu bestellen und mit ihrem Fire-TV-Stick fernzusehen. Jetzt hatte sie noch nicht einmal einen Pyjama, den sie diese Nacht tragen konnte, von ihrem Fire-TV-Stick ganz zu schweigen.

Der Schalter, der für Gepäckverlust zuständig war, war glücklicherweise besetzt und nicht besucht. So wie es aussah, war Eden die Einzige, die an diesem Abend ihr Gepäck verloren hatte.

„Guten Abend, Ma’am, was kann ich für Sie tun?“, fragte eine pikiert wirkende Dame mittleren Alters in der roten Uniform der Airline.

„Ich komme gerade von Manhattan, ich war auf Flug AA8346. Mein Gepäck ist leider nicht angekommen“, schilderte Eden ihren Fall.

„Oh, das tut mir leid. Ich bräuchte bitte Ihren Gepäckabschnitt, den man Ihnen in New York beim Check-in gegeben hat.“ Eden überreichte der Angestellten das kleine Papierstück, das sie in ihrem Portemonnaie aufbewahrt hatte, die daraufhin begann, etwas in ihren Computer zu tippen. Sie hoffte inständig, dass ihr Koffer nur auf einem anderen Band gelandet war und bereits in irgendeinem Lagerraum darauf wartete, abgeholt zu werden. Nach einigen Augenblicken zog die Angestellte die Stirn kraus und sah Eden an.

„Tut mir wirklich leid, Miss Jones, aber Ihr Gepäck ist in Florida.“

„In Florida?“

„Offensichtlich wurde es vom System fehlgeleitet. Merkwürdig zwar, dass es nur Ihren Koffer betrifft, aber… das kommt hin und wieder vor. Ist jedoch kein Beinbruch. Wir schicken ihn mit dem nächsten Flug gleich morgen früh zurück, dann ist er im Laufe des Tages hier. Selbstverständlich wird die Fluglinie den Transport zu Ihrem Hotel übernehmen. Darf ich fragen, wo Sie nächtigen?“

„Im Woody Creek Inn“, sagte Eden und die Angestellte tippte wieder auf ihrer Tastatur herum. Sie druckte ein Formblatt aus, auf dem alle Daten der Reise, des Gepäcks und von Eden standen, und legte es ihr zur Unterschrift vor.

„Gibt es hier irgendwo die Möglichkeit, einzukaufen?“, fragte sie die Angestellte. Sie wusste, dass Läden wie Target oder Saks für gewöhnlich keine Shops auf Flughäfen betrieben und sich hier meist große Labels ansiedelten, aber es widerstrebte ihr, sich vorzustellen, noch eine ganze Nacht und einen ganzen Tag in den Klamotten zu verbringen, die sie bereits trug. Erst recht, wo sie auf so königlicher Mission war. Außerdem, so wurde ihr klar, hatte sie weder eine Zahnbürste noch sonstige Körperpflegeprodukte bei sich.

„Eigentlich schon“, sagte die Angestellte, „allerdings haben diese Läden bereits geschlossen. Die machen um neun Uhr dicht und öffnen erst morgen früh um sieben wieder. Aber ich darf Ihnen im Namen von United dieses kleine Notfallset hier zur Überbrückung überreichen.“ Sie drückte Eden einen kleinen, durchsichtigen Plastikbeutel in die Hand, der eine ebenso kleine Plastikzahnbürste, eine winzige Tube Zahnpasta und ein Fläschchen enthielt, dessen Inhalt man offenbar zum Duschen und zum Haarewaschen benutzen konnte. Der gesamte Inhalt war mit dem Logo der Airline bedruckt.

Eden seufzte. „Vielen Dank“, sagte sie, nahm ihr Formblatt vom Schalter und verstaute es in ihrer Handtasche. Vielleicht hatte sie Glück und ihr Hotel hatte einen Souvenirshop und einen Reinigungsservice. Ein Umstand, auf den sie jedoch nicht zu hoffen wagte, immerhin würde es sie in eine Kleinstadt in Colorado verschlagen. Leicht resigniert begab Eden sich zu dem Schalter von Budget, bei dem ein Mietwagen für sie angemietet worden war. Ein gelangweilt aussehender, pickliger Junge von vielleicht achtzehn Jahren saß hinter dem Schalter und sah sie kaugummikauend an.

„Hallo, mein Name ist Eden Jones. Es müsste ein Wagen für mich reserviert sein“, sagte sie. Der Junge tippte – wie zuvor die Angestellte beim Gepäckverlust – etwas in seinen Computer.

„Tut mir leid, Ma’am, hier is’ nichts drin“, sagte er unmotiviert.

„Dann vielleicht auf Glamerica New York? Das ist das Magazin, für das ich arbeite.“

Der junge Mann sah Eden verständnislos an, ehe er noch einmal in die Tasten haute. „Nein, tut mir leid, auch nichts. Haben Sie die Reservierungsbestätigung bei der Hand?“

Eden fiel ein, dass sich die Mappe mit ihren Reiseunterlagen und den Infos, die sie über die Familie Preston gesammelt hatte, in ihrem Koffer befand.

„Nein, tut mir leid. Die ist gemeinsam mit all meinen anderen Reiseunterlagen in meinem Koffer. Und der befindet sich in Florida.“

Der Junge sah sie an. „Tja, tut mir leid, Ma’am, aber ich habe hier keine Reservierung für Sie. Außerdem habe ich ohnehin keinen verfügbaren Wagen mehr.“

„Was? Aber ich muss weiter nach Woody Creek“, sagte Eden genervt. Sie hatte die Nase voll von diesem Job, und mittlerweile pfiff sie auch auf die Beförderung, die Dean ihr in Aussicht gestellt hatte. Wenn sie daran dachte, dass sie an diesem Tag eigentlich nach Hause hatte fahren wollen und jetzt mit ihren Eltern auf der gemütlichen Couch vor dem Fernseher sitzen und die selbst gebackenen Weihnachtskekse ihrer Mutter essen könnte, wurde ihr ganz wehmütig.

„Das können Sie sich heute wohl abschminken“, sagte der Junge. „Morgen Mittag bekomme ich den ersten Wagen wieder rein; wenn alles in Ordnung ist, können Sie ihn um eins haben.“

„Ich brauche den Wagen aber nicht morgen um eins, sondern heute und jetzt“, sagte Eden aufgebracht. Ihr Geduldsfaden war kurz davor, zu reißen. „Hören Sie“, sagte sie etwas besänftigter, „ich muss dringend weiter, es steht viel auf dem Spiel. Ich könnte … meinen Job verlieren, wenn ich heute Abend nicht nach Woody Creek komme.“ Ein bisschen schwindeln hatte noch nie geschadet, und wie es den Anschein hatte, trug Edens kleine Notlüge tatsächlich Früchte. Der Bursche sah sie mit einem Ausdruck der Skepsis und des Mitleids an. „Es ist wirklich sehr, sehr wichtig, verstehen Sie?“, legte sie noch nach. Der Bursche sah sie einige weitere Augenblicke an. Dann wirkte er fast so, als habe er einen Geistesblitz gehabt. Er erinnerte Eden an Wickie, den Wikingerjungen aus der Zeichentrickserie, der immer Sternchen sah und „Ich hab’s“ rief, wenn ihm etwas einfiel.

„Ja, wissen Sie, Ma’am, ich habe da vielleicht doch noch einen Wagen für Sie“, sagte der junge Mann jetzt. Eden hätte ihm am liebsten eine geklatscht. Wieso sagte er zuerst, es gäbe keinen freien Wagen mehr, und dann schüttelte er plötzlich noch einen aus dem Ärmel? Doch anstatt ihm an die Gurgel zu springen, schenkte sie ihm ein Lächeln.

„Ich nehme ihn“, sagte sie, aber der Junge winkte ab.

„So einfach ist das nicht.“ Er lächelte und entblößte dabei eine Reihe gelblicher Zähne, die Kontakt mit Colgate wieder einmal dringend nötig gehabt hätten. „Ich muss erst meinen Dad fragen, ob ich Ihnen diesen Wagen geben darf. Er macht hin und wieder ein paar Mätzchen.“

„Mätzchen?“, wiederholte Eden, doch der junge Mann ging nicht mehr auf sie ein. Was für ein Wagen machte bitte „Mätzchen“? Und welche Mätzchen konnte ein Wagen schon machen? Weigerte er sich, auf gewissen Parkplätzen abgestellt zu werden, oder schmeckte es ihm nicht, wenn man in den vierten Gang hochschaltete? Der Junge nahm keine Notiz mehr von Eden. Stattdessen wählte er auf seinem Tischtelefon eine Nummer und wartete einige Augenblicke. Eden seufzte und drehte sich um. Das alles begann ja schon großartig. Wenn das hier so weiterging, wollte sie sich besser nicht vorstellen, was dieser Trip sonst noch so für sie bereithielt. Sie war nicht einmal eine Stunde in Denver, da hatte sie bereits ihr Gepäck verloren, bekam keinen Mietwagen und … Wenn es so weiterging, war ihr Hotelzimmer bestimmt längst an jemand anderen vergeben worden und sie würde die Nacht wohl unter einer Brücke verbringen müssen.

„Miss?“ Sie drehte sich um und der Junge von Budget grinste sie an.

„Ja?“

„Wenn Sie eine Verzichtserklärung unterzeichnen, kann ich Ihnen den Wagen geben“, sagte er.

„Eine … Verzichtserklärung? Wozu denn eine Verzichtserklärung?“, wollte Eden wissen.

„Na ja, der Wagen macht wie erwähnt hin und wieder ein paar Mätzchen. Nichts Schlimmes. Aber manchmal geht die Zündung einfach so aus, und dann dauert es eine Weile, bis sie wieder angeht. Wir wollen uns nur absichern, dass Sie uns nicht dafür verantwortlich machen, wenn Sie wegen des Wagens Ihren Termin verpassen oder so.“

„Wie, die Zündung geht aus?“, fragte Eden. Ihr war nicht sonderlich wohl dabei, mit einem Wagen, der „Mätzchen“ machte, quer durchs Land zu fahren.

„Na ja, offenbar gibt es ein Problem mit der Elektronik. Nächste Woche kommt er in die Werkstatt, dann sollte er wieder laufen.“

„Und wenn die Zündung ausgeht, was dann?“

„Dann warten Sie ein paar Sekunden, starten ihn neu, und er schnurrt wieder wie ein Kätzchen.“ Der picklige Junge grinste sie dämlich an.

Eden überlegte. Ganz wohl war ihr bei der Sache nicht. Ein Wagen, bei dem die Möglichkeit bestand, dass einfach so die Zündung ausging, war nicht gerade ungefährlich, noch dazu, wo sie eine ganz schöne Strecke zurückzulegen hatte. Was, wenn sie dadurch einen Auffahrunfall provozierte? Oder mitten in der Nacht irgendwo liegen blieb? Die andere Alternative, die sie hatte, war, hier am Flughafen zu übernachten. Dazu hatte sie wirklich keine große Lust. Außerdem würde Dean ihr die Hölle heißmachen, wenn sie keine Infos über die Prestons zusammentrug und – Gott bewahre – ein anderes Magazin ihr am Ende tatsächlich zuvorkam. Und dieser Typ würde ihr doch den Wagen nicht wirklich vermieten, wenn tatsächlich Gefahr im Verzug wäre, oder?

„Und Sie sind sicher, dass der Wagen mich problemlos nach Woody Creek bringt?“

„Klar. Wenn Sie in Kauf nehmen, dass er hin und wieder abstirbt.“

Sieh mal einer an. Aus „ab und zu“ war mittlerweile „hin und wieder“ geworden.

„Sie bekommen 25 % Rabatt auf den Mietpreis. Der Wagen hat Vollausstattung, Sitzheizung, Navi, beheiztes Multifunktions-Lederlenkrad …“

„Ich nehme ihn“, sagte Eden, ehe sie es sich anders überlegen konnte. Es machte bestimmt Sinn, jetzt noch nach Woody Creek zu fahren. Diesen fürchterlichen Tag wollte sie schnellstmöglich hinter sich lassen.