Rules of Love #6: Spiel keine Spielchen mit dem Außenseiter - Anne-Marie Meyer - E-Book

Rules of Love #6: Spiel keine Spielchen mit dem Außenseiter E-Book

Anne-Marie Meyer

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Haley hat in ihrem Senior Year endlich erreicht, was sie immer wollte: Sie ist Teil der sozialen Spitze ihrer Highschool und noch dazu in einer Beziehung mit dem gutaussehenden Bradley. Nichts kann sie aufhalten. Nichts - bis auf Colton. Denn Bradleys großer Bruder und Haleys einstiger bester Freund ist auf einmal wieder da. Nur ist er seit dem Unfall im vergangenen Jahr nicht mehr derselbe und zieht nun alle Aufmerksamkeit auf sich - besonders die der Highschool-Königin Katie. Die wittert ihre Chance und fordert Haley zu einer Wette heraus: Haley soll "das Biest zähmen" und den störrischen Einzelgänger Colton mit zum Schulball bringen. Da Haley es sich nicht mit ihr verscherzen kann, lässt sie sich darauf ein. Wie schwer kann es schon werden? Doch hinter Coltons abweisender Art steckt viel mehr, als Haley vermutet. Und plötzlich ist sich Haley gar nicht mehr so sicher, ob sie sich für den richtigen Bruder entschieden hat ...

Dies ist der sechste Band der romantischen RULES OF LOVE-Reihe: In jedem Roman versteckt sich eine neue Liebesgeschichte mit unterschiedlichen Tropes! Von Sports-Romance und Enemies-to-Lovers über Friends-to-Lovers zu heißen Urlaubsflirts ist alles dabei. Hier fliegen die Funken!

ONE. Wir lieben Young Adult. Auch im eBook!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 298

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Titel

Kapitel eins

Kapitel zwei

Kapitel drei

Kapitel vier

Kapitel fünf

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel acht

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Kapitel dreizehn

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechzehn

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Kapitel einundzwanzig

Kapitel zweiundzwanzig

Kapitel dreiundzwanzig

Kapitel vierundzwanzig

Epilog

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

Über dieses Buch

Haley hat in ihrem Senior Year endlich erreicht, was sie immer wollte: Sie ist Teil der sozialen Spitze ihrer Highschool und noch dazu in einer Beziehung mit dem gutaussehenden Bradley. Nichts kann sie aufhalten. Nichts – bis auf Colton. Denn Bradleys großer Bruder und Haleys einstiger bester Freund ist auf einmal wieder da. Nur ist er seit dem Unfall im vergangenen Jahr nicht mehr derselbe und zieht nun alle Aufmerksamkeit auf sich – besonders die der Highschool-Königin Katie. Die wittert ihre Chance und fordert Haley zu einer Wette heraus: Haley soll ”das Biest zähmen” und den störrischen Einzelgänger Colton mit zum Schulball bringen. Da Haley es sich nicht mit ihr verscherzen kann, lässt sie sich darauf ein. Wie schwer kann es schon werden? Doch hinter Coltons abweisender Art steckt viel mehr, als Haley vermutet. Und plötzlich ist sich Haley gar nicht mehr so sicher, ob sie sich für den richtigen Bruder entschieden hat ...

Dies ist der sechste Band der romantischen RULES OF LOVE-Reihe: In jedem Roman versteckt sich eine neue Liebesgeschichte mit unterschiedlichen Tropes! Von Sports-Romance und Enemies-to-Lovers über Friends-to-Lovers zu heißen Urlaubsflirts ist alles dabei. Hier fliegen die Funken!

Anne-Marie Meyer

Rules of Love #6: Spiel keine Spielchen mit dem Außenseiter

Eine Beauty-and-the-Beast-Romance zum Niederknien

Aus dem amerikanischen Englisch von Martina M Oepping

Kapitel eins

Haley

Der salzige Wind schlug mir entgegen und wehte mir die Haare ins Gesicht. Ich seufzte und blickte nach vorn, um zu sehen, ob meine Eltern es bemerkt hatten – hatten sie nicht. Stattdessen führten sie ihre erhitzte Unterhaltung über die Aussprache irgendeines französischen Wortes weiter, das sie gerade im Autoradio gehört hatten.

Mir peitschte der Wind um die Ohren, und sie bemerkten es nicht einmal.

»Ma.« Vorwurfsvoll meldete ich mich schließlich zu Wort und beugte mich vor, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Ich tippte ihr auf die Schulter, was mir ein flüchtiges Nicken in meine Richtung einbrachte. »Ihr bringt mich hier hinten mit dem geöffneten Fenster um.« Ich hielt mein Haar im Nacken zusammen, bemüht, es daran zu hindern, wild umherzuflattern.

Ich würde Bradley heute sehen, und auf keinen Fall wollte ich aussehen wie eine Figur von den Muppets, die gewaschen und zum Trocknen draußen liegen gelassen worden war. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit und dem Wind ... war das wohl mein unausweichliches Schicksal.

»Oh, reg dich nicht künstlich auf«, sagte Priscilla, meine ältere Schwester, und blätterte eine Seite in ihrem Buch um.

Obwohl wir dieselben Eltern hatten, hätten wir nicht unterschiedlicher sein können. Während ich blauäugig und blond war, kam sie mit ihren dunklen Augen, ihrem dunklen Teint und der düsteren Persönlichkeit nach Dad. Rechne noch ihre aktuelle Frisur hinzu – einen Halbpony mit einem rasierten Kopf –, und ich war überzeugt, eine von uns war adoptiert.

Oder zumindest vom Postboten gezeugt.

»Entschuldige, Süße«, meinte Mom und drehte sich endlich zu mir um.

Ich warf Priscilla einen Blick zu, bevor ich mich wieder dem Verursacher meiner sich verknotenden Haare zuwandte. »Das Fenster«, erinnerte ich meine Mutter und zeigte auf die Beifahrertür.

Mom seufzte, kurbelte das Fenster aber hoch.

»Wir stellen schon die Klimaanlage nicht an, nur damit du eine perfekte Frisur hast«, meldete sich Dad vom Fahrersitz.

Schon klar. Obwohl er Herzchirurg war, war er ein Geizhals. Er weigerte sich, für irgendetwas Geld auszugeben. Er füllte sogar unterwegs Wasserflaschen und kippte sie zu Hause in den Toilettentank, damit wir weniger Wasser verbrauchten.

Ich hatte seine Schrulligkeiten nie verstanden, aber Mom nannte sie »liebenswert« und beließ es dabei. Egal, wie sehr ich mich beklagte, er weigerte sich, meine Cheerleader-Uniform zu bezahlen oder das neueste Smartphone – ich konnte ihn nicht dazu bringen nachzugeben.

Deshalb jobbte ich im örtlichen Diner. Dieser Job war zwar nicht berauschend, doch er erlaubte mir, meine Wünsche zu bezahlen. Zu unserem Glück arbeitete Bradley auch da. Es war ganz nett, wenn man sich abends immer mal wieder über die Theke zulächeln konnte.

Und vielleicht für eine Weile nach hinten verschwinden konnte, wo wir ganz allein waren.

»Igitt. Sie guckt schon wieder so albern«, sagte Priscilla und drehte sich so, dass sie mir den Rücken zuwandte.

Ich tätschelte ihr den Arm; sie belohnte mich mit einem mörderischen Blick, bevor sie wieder die Nase in ihr Buch steckte.

»Tut mir ja so leid, dass ich ein Liebesleben habe und du nicht«, erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn du dir vielleicht etwas Mühe geben würdest, müsste nicht die Hälfte der Bevölkerung schreiend vor dir weglaufen.«

»Haley Rose, das war nicht nötig.« Mom warf mir über die Schulter einen Blick zu, der mich aufforderte, mich zu entschuldigen, und zwar sofort. »Jeder von uns hat seine eigene Art. Priscilla lebt einfach ihr bestmögliches Leben.«

»Bäh, Mom, analysiere mich nicht.« Meine Schwester schob eine Hand in ihre Tasche und zog ihre Ohrstöpsel hervor. Als sie sie fest in ihre Ohren gestopft hatte, hob sie ihr Buch so vor das Gesicht, dass wir es nicht mehr sehen konnten. Was bedeutete, dass Mom sich jetzt auf mich konzentrierte.

Da war ich irgendwie reingeraten. Mom wollte ganz eindeutig über das sprechen, was ich gerade gesagt hatte und wie ich mich entschuldigen sollte, aber ich war absolut nicht in der Stimmung. Also beschloss ich, meine Aufmerksamkeit auf die Shaws zu richten.

Die Shaws waren die besten Freunde meiner Eltern. Was bedeutete, wenn sie Zeit miteinander verbrachten, trafen Bradley und ich uns auch. Und gerade im Moment waren wir auf dem Weg zu ihnen nach Hause.

Eine schreckliche Tragödie hatte die Shaws im letzten Jahr getroffen, als Bradleys Mutter nach einem Unfall gestorben war. Bradleys älterer Bruder, Colten, hatte ebenfalls im Auto gesessen, aber er hatte überlebt. In dem Bemühen, Mr Shaw zu helfen, packten meine Eltern uns seither jedes Wochenende ein und fuhren mit uns zu ihnen, um bei häuslichen Pflichten zu helfen, Dirk Shaw Gesellschaft zu leisten und ihm beizustehen.

Ich hatte mich nie beklagt, denn das hieß, dass Bradley und ich alle Samstage für uns hatten. Und für heute Abend hatten wir mit unseren Freunden von der Schule ein Lagerfeuer am Strand geplant. Es war das letzte Wochenende der Sommerferien, und die Party würde toll werden.

Genau das, was ich brauchte.

»Wie geht es Mr Shaw?«, fragte ich und wartete auf den Funken Ablenkung, der in Moms Augen aufleuchten würde.

Wie ich im Seitenspiegel beobachten konnte, blinzelte sie ein paarmal, dann verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. »Dad hat am Mittwoch mit ihm gesprochen. Anscheinend hat ihn Ms Jensen tatsächlich angerufen, um zu fragen, ob er Lust hätte, am Freitag zu ihrem Kunstunterricht zu kommen.« Sie seufzte. »Obwohl er abgesagt hat, meinte sie, er sei sehr aufgeschlossen gewesen. Was bedeutet, er ist vielleicht so weit, nach vorn zu schauen.«

»Hör auf, den Mann zu drängen, Frau«, sagte Dad; seine tiefe Stimme erschreckte uns beide. Zumindest flog auch Moms Kopf zu ihm hinüber.

»Ich dränge ihn nicht ... Ich öffne nur Türen.«

»Du drängst ihn«, brummte Dad, als er den Blinker setzte und links in die kleine Strandgemeinde Dreamy Escape abbog.

Ich nahm Bradley deswegen immer auf den Arm und sagte, seine Gemeinde klinge wie eine Eiscremesorte. Er lachte einfach darüber. Der Familie seiner Mom hatte das Land gehört, und als es an einen Bauinvestor verkauft worden war, hatte sie den Namen dafür aussuchen dürfen.

Für die Familie war es tröstlich, nun, da Betty nicht mehr da war. Es war etwas, was an sie erinnerte.

»Dreamy Escape«, flüsterte Mom – ohne Zweifel dachte sie das Gleiche wie ich.

Ich war mit Betty groß geworden. Sie war wie eine zweite Mutter für mich gewesen. Unsere Familien feierten Geburtstage und alle wichtigen Feiertage gemeinsam. Als Bradley und ich uns anfreundeten, war es anfangs seltsam, jetzt jedoch fühlte es sich normal an. Es hatte ihn schon so lange in meinem Leben gegeben. In meiner Vorstellung konnte ich mich nur schlecht mit jemand anders sehen.

Meine Eltern waren nicht so begeistert, dass wir dateten – sie gehörten dem Lager »Jungs lenken dich nur ab« an und predigten ständig: »Du musst ans College denken.« Aber abseits ihrer Vorhaltungen konnte ich sehen, dass sie es akzeptierten.

Es gab ohne Zweifel schlechtere Jungs, die ich hätte daten können.

»Hast du gehört, dass Colten zurück ist?«, fragte Mom meinen Vater.

Ich horchte bei der Erwähnung von Bradleys um ein Jahr älterem Bruder auf. Genauso wie Priscilla und ich komplette Gegensätze waren, war es bei Bradley und Colten ebenfalls der Fall. Diese Tatsache war nach Bettys Tod noch augenscheinlicher geworden. Colten war in sich zusammengefallen, bis zu einem Punkt, dass ich ihn nicht wiedererkannte. Ich glaubte, er fühlte sich schuldig, dass er überlebt hatte, sie jedoch gestorben war. Aus dem wenigen zu schließen, was ich von den Gesprächen zwischen meinen Eltern mitbekam, vermutete Mom das Gleiche.

Colten war düster und grüblerisch und verbrachte die meiste Zeit zurückgezogen in seinem Zimmer. Als ich ihn dann tatsächlich letzten Sommer nach dem Unfall gesehen hatte, war es, wie einem Vampir zu begegnen. Sein Haar war lang gewesen, seine Kleidung dunkel. Er blieb still und murmelte hier und da nur ein paar Worte.

Da er und Bradley mir im Alter so nahe waren, war ich mit beiden befreundet gewesen. Aber schließlich waren Bradley und ich uns nähergekommen, und Colten war weggedriftet. Das machte mich traurig, doch um ehrlich zu sein, ich war mit meinem Leben zufrieden. Ich hatte kein Interesse daran, mich dem in den Weg zu stellen, was Colten mit seinem neuen Aussehen und seiner neuen Einstellung zu beweisen versuchte.

Selbst wenn er sich schuldig fühlte, wusste ich, dass es Mrs Shaw wehtun würde zu sehen, wie er sich verhielt. Es ärgerte mich fast, dass er es tat. Eigentlich sollte er das Erbe seiner Mutter ehren und bewahren, es nicht mit einem solchen Benehmen durch den Dreck ziehen.

Dad nickte, aber an seinem verkniffenen Mund konnte ich erkennen, dass er nicht über Colten sprechen wollte. Jedenfalls nicht vor uns. Mom drängte ihn nicht weiter, und obwohl ich mit jeder Menge Fragen zurückgelassen wurde, wusste ich, dass niemand sie beantworten wollte, also konnte ich genauso gut den Mund halten.

Zum Glück waren es nur noch wenige Minuten, bis wir in die lange Einfahrt der Shaws fuhren. Ihr Haus hatte innerhalb der Gemeinde die 1-a-Lage – es stand direkt am Strand.

Sobald das Auto angehalten hatte, öffnete ich die Hintertür und sprang hinaus.

Mr Shaw umkreiste bereits den Grill, den er draußen vor dem Haus aufgestellt hatte. Er hatte eine Grillzange in der einen und die Gebrauchsanweisung für den Grill in der anderen Hand. Der Rauch, der aus dem Ding hervorquoll, ließ mich kichern. Dirk Shaw konnte jeden Computer reparieren, wenn er abstürzte, aber er hatte das Geschick, sonst alles zu ruinieren. Seine Brillengläser waren dick und gerade mit Asche bedeckt.

»Hey, Hal«, sagte er, und ein Lächeln flog über sein Gesicht.

Was mich Bradley umgehend noch mehr vermissen ließ. Während Colten nach Mrs Shaw kam, sah Bradley seinem Vater ähnlich.

»Wo ist Bradley?«, fragte ich, ging zur Sturmtür und öffnete sie.

»Er ist draußen und bereitet das Lagerfeuer vor«, antwortete Mr Shaw. Seine Stimme wurde leiser, als ich im Haus verschwand.

Ich konnte Bradley durch die großen Schiebefenster unten am Meer sehen. Er stapelte Holzscheite zu einer Wigwam-Form auf. Lächelnd ging ich zum Kühlschrank in der Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. Als ich am Dielenspiegel vorbeikam, stöhnte ich beim Anblick meiner Haare auf.

So viel zu der Zeit und Mühe, die ich aufgewandt hatte, sie in Form zu bringen. Sie sahen aus, als wäre ein Vogelnest auf meinem Kopf gelandet.

»Eltern«, grummelte ich und fing an, mir mit den Fingern das Haar zu kämmen.

»Weißt du, in anderen Ländern verhungern Leute.«

Ich quietschte beim Klang der Stimme auf und drehte mich um, Auge in Auge mit Colten. Seine Haare waren noch länger geworden. Sie waren sauber, hingen aber herunter und bedeckten sein Gesicht zur Hälfte.

Seine Augen waren dunkel, als er mich anstarrte.

Da ich nicht wusste, was ich tun oder erwidern sollte, zwang ich mich zu einem Lachen und versuchte, mir die Haare hinters Ohr zu stecken. »Was du nicht sagst«, flüsterte ich.

Ich konnte nicht fassen, dass wir mal Freunde gewesen waren. Colten war der Shaw-Bruder gewesen, dem ich meine Geheimnisse anvertraut hatte. Er war derjenige gewesen, der spät mit mir aufgeblieben war, wenn ein Film zu Ende gewesen war und Bradley tief schlafend auf der Couch gelegen hatte, und der dann noch lange mit mir geredet hatte.

Gut, es waren Junior-Highschool-Probleme gewesen, aber Colten war damals auf der Highschool gewesen. Für mich war er der klügste Mensch gewesen, den ich kannte.

Wenn ich ihn jetzt ansah, fühlte ich Mitleid mit ihm. Nachdem Mrs Shaw gestorben war, war er zunehmend außer Kontrolle geraten. Er war weggezogen, um einige Zeit bei seiner Tante in New York zu verbringen. Jetzt, da er zurück war, musste er sein Senior-Jahr wiederholen, sodass er mit uns seinen Abschluss machen würde.

Wenn er noch der Colten wäre, den ich aus der Zeit kannte, als wir Kinder gewesen waren, hätte ich mich nun gefreut. Aber jetzt? Ich machte mir Sorgen, dass er mir mein letztes und – ich war entschlossen, es zu schaffen – bestes Schuljahr meines Lebens verderben würde.

Coltens Blick war so intensiv, dass es mich innerlich schüttelte. Ich hatte keine Angst vor ihm. Ich kannte ihn. Wahrscheinlich besser als irgendjemand sonst auf der Welt. Aber ich konnte die Veränderung erkennen. Er kämpfte mit etwas in seinem Inneren, und es tat mir weh, mir ihn so voller Kummer vorzustellen ... bis ich seine dunklen, kalten Augen sah. Und dann konnte ich kein Mitleid mehr empfinden.

»Ich sollte nach draußen gehen und Bradley helfen«, murmelte ich, verzweifelt auf der Suche nach einem Grund zu gehen und von hier wegzukommen.

Colten warf einen Blick durch die Glas-Schiebetür und schaute dann zurück zu mir. Er zuckte mit den Schultern, drehte sich um und ging. »Hol dir deine Ken-Puppe.«

Ich wollte etwas antworten. Ich wollte ihn für diese dämliche Bemerkung zur Rede stellen. Ich wollte meinen Freund verteidigen. Aber diese Gefühle verflogen angesichts meines Wunsches, dringend von hier zu verschwinden.

Ich wollte mich in Bradleys offene Arme stürzen und mich in ihnen vergraben. Ich wollte die Düsternis vergessen, die Colten umgab, und mich auf das Glück und den Sonnenschein draußen freuen.

Ich wusste ja, dass Colten eine schwere Zeit durchmachte, und ich hatte durchaus Mitleid mit ihm.

Aber ich durfte mich von ihm auch nicht herunterziehen lassen. Ich wollte mein Glück schützen, und ich würde nicht zulassen, dass er es mir kaputtmachte.

Ich nahm mir eine Dose Mineralwasser aus dem Kühlschrank und machte mich dann auf den Weg in Richtung Innenhof und Strand. Als meine Füße auf den Sand trafen, warf ich meine Flip-Flops ab und lief zu Bradley. Als wir uns sahen, verschwanden all die dunklen Gefühle, die ich beim Anblick seines Bruders gehabt hatte. Sein Lächeln war wie meine eigene ganz persönliche Sonne.

»Hallo, Baby«, sagte er, beugte sich herunter, um seine Lippen auf meine zu legen.

Ich lachte und küsste ihn ebenfalls. Ich ließ die Dose mit dem Mineralwasser in den Sand fallen und vergrub den Kopf an seinem Hals.

Er legte einen Arm um mich und zog mich näher an sich. Ich ließ all den Stress der Autofahrt und der Begegnung mit Colten von mir abfallen.

Ich war, wo ich sein wollte.

Mein Leben war perfekt. Und nichts würde das ändern.

Kapitel zwei

Colten

Ich wusste, ich sollte meinen Bruder nicht anstarren, wenn er seine Freundin küsste, doch ich konnte es nicht lassen. Es war, wie ein Zugunglück zu beobachten. Schrecklich und verheerend ... aber doch faszinierend.

Ich habe es auf Haley Roses plötzliches Auftauchen geschoben.

Sie war das Mädchen, das ich für meine beste Freundin gehalten hatte. Aber genau wie jeden anderen in meinem Leben habe ich sie in dem Augenblick verloren, als das Schicksal zuschlug und die Tragödie über uns einbrach. Ich konnte mich nicht an das letzte Mal erinnern, als sie mit mir gesprochen hatte. Nachdem Mom gestorben war, hatten alle aufgehört, mit mir zu reden. Mir in die Augen zu sehen.

Dann fing sie an, Bradley zu daten. Was nichts als ein Scherz war. Sie war nicht wie mein egozentrischer Bruder. Sie war ... anders.

Ich rümpfte die Nase, als mir plötzlich klar wurde, dass ich Bradley immer noch dabei zusah, wie er Haley küsste, und ich senkte den Blick. Nun, zumindest war sie mal anders gewesen. Jetzt war sie die Barbie zu Bradleys Ken.

»Typisch«, murmelte ich.

Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und ließ die Finger über der Narbe verweilen, die ich verbarg. Die ich behalten hatte, nachdem mein Gesicht gegen die Windschutzscheibe des Autos geprallt war. Bevor ich hatte zusehen müssen, wie meine Mutter verblutete. Das war meine allgegenwärtige Erinnerung: dass ich meine Mom umgebracht hatte. Sie war meinetwegen tot.

Dad würde mich sein Leben lang vor der Tatsache schützen. Er erzählte den Leuten nicht, wer an diesem Abend gefahren war. Er behauptete immer nur, Mom und ich seien beide in den Unfall verwickelt gewesen, und Mom sei gestorben.

Ende der Geschichte.

Ich wusste, dass er es wusste. Ich wusste es ganz sicher.

Ich wusste es genauer als alles andere auf der Welt. Ich konnte sie immer noch schreien hören. Ich konnte ihre Hand immer noch an meine Brust gepresst fühlen in dem Bemühen, mich festzuhalten. Ich konnte immer noch die Panik in ihren Augen sehen, als der Sattelschlepper in unseren Wagen hineinraste.

Ich war der Grund, aus dem meine Mutter tot war.

Schuld und Scham stiegen in meiner Brust auf, als ich den Verschluss der Mineralwasserdose, die ich eindrückte, abplatzen ließ. An Mom zu denken hatte den Effekt, meine eigenen Gedanken zu verschlingen. Ich kannte meine eigene Stärke nicht, wenn meine Gedanken anfingen durcheinanderzuwirbeln. Oftmals tauchte ich mit blutigen Abdrücken meiner Fingernägel in der Handfläche aus meiner Trance auf. Meine Hände waren inzwischen übersät mit Narben.

Ich brauchte eine Minute, um runterzukommen, also kippte ich das Mineralwasser herunter, als wäre es meine Rettungsleine und ich drohte zu ertrinken. Das kühle, perlende Getränk half mir, meine Nerven zu beruhigen. Es half, das Feuer, das in mir brannte, zu dämpfen.

»Ich bin gleich zurück, Shari«, erklang Dads Stimme von der Vordertür her.

Ich wich zurück, meinem Vater wollte ich nicht in die Augen sehen – und Shari und dem Rest der Roses eigentlich auch nicht.

Ich drehte mich um, sodass ich Dad den Rücken zudrehte, um angelegentlich mit der Butterdose auf dem Küchentresen zu spielen.

»Du bist ja aus deinem Zimmer gekommen«, sagte Dad, als er in die Küche kam.

Ich zuckte mit den Schultern. Meine normale Form der Konversation dieser Tage.

»Die Roses sind hier.«

»Ich weiß.«

Schweigen.

»Kommst du mit uns nach draußen?«, wollte er wissen.

Ich seufzte. Wenn Dad doch die Antwort auf die Frage wusste, warum stellte er sie dann? »Nee.«

»Colt.«

Ich hob eine Hand und drehte mich um. »Ich bin ziemlich sicher, dass sie mich auch nicht sehen wollen.«

Dad runzelte die Stirn und behielt mich im Auge. Ich konnte seinen Schmerz sehen. Es war derselbe Blick, den er immer bekam, wenn er mich anschaute. Er erinnerte mich nur an den Grund, warum er so litt.

Er erinnerte mich an Mom.

Alles an dieser blöden Stadt erinnerte mich an sie. Ich wollte weg. Ich wollte weg von hier. Es war, als befände ich mich in der Hölle.

Dreamy Escape war meine Hölle. Mit meiner Familie eingesperrt zu sein war meine Hölle. Ich brannte in einem ewigen Inferno, und egal, wie sehr ich versuchte, normal zu sein, ich würde nie da rauskommen.

Ich steckte fest.

»Das stimmt nicht. Shari hat gerade gefragt, wie du zurechtkommst, jetzt, wo du wieder da bist.«

Ich schnaubte. Ich bezweifelte, dass sie sich wirklich dafür interessierte. Ich hörte doch, wie die Leute in der Stadt über mich redeten – da konnte mein Vater ihnen erzählen, was er wollte. Sie glaubten ihm nicht. Ich sah die Posts in den sozialen Medien. Ich war hier nicht erwünscht. Mein Zusammenstoß mit Haley war Beweis genug dafür.

»Sag ihr, mir geht es prächtig.« Ich nahm meine halb volle Wasserdose und trat zur Seite, um an Dad vorbeizukommen.

»Colten.« Seine Stimme war autoritär, und vor einem Jahr hätte sein Ton Wirkung gezeigt. Seine Tonlage hätte funktioniert, als Mom noch am Leben war.

Aber jetzt? Jetzt war er nur eine Kampfansage an mich. Und ich würde gewinnen. »Vergiss es«, sagte ich und ging in Richtung Diele.

»Ich will, dass du wenigstens eine Weile beim Lagerfeuer dabei bist.« Seine Worte hielten meinen Rückzug auf. Ich drehte mich um und schnaubte, mein Blick wanderte zurück zu Bradley und Haley. Sie hatten sich endlich voneinander gelöst und lachten, während sie Holzstücke auf den Haufen warfen.

»Ich werde ohnmächtig.« Ich trank einen Schluck Mineralwasser und betrachtete Dad. Was wollte er tun? Mich hinaustragen? Er musste endlich begreifen, dass ich noch genau ein Jahr hier sein würde, und dann würde ich weg sein. Ich würde nie mehr zurückblicken.

Wenn ich nicht gezwungen wäre, mein letztes Schuljahr an der hiesigen Highschool zu absolvieren, wäre ich nicht einmal mehr hier. Ein Super-Senior zu sein war nicht unbedingt meine Vorstellung von Vergnügen, aber der Richter hatte verfügt, dass ich meinen Highschool-Abschluss erwerben sollte.

Ich mochte nicht unter Leuten sein, wusste jedoch auch, dass ich noch weniger im Gefängnis sein wollte. Ich hatte mich mit der falschen Gesellschaft eingelassen und war am falschen Ort zur falschen Zeit gewesen. Ich glaube, der Richter hatte Mitleid mit mir gehabt und mir die Rückkehr zur Highschool als Strafe auferlegt.

Ja, so war es wohl.

»Wenn du hier leben willst, dann musst du anfangen, dich wie ein Teil der Familie zu verhalten.« Dad stieß die Luft aus, seine Schultern sackten nach unten. Zum zigsten Mal heute sah ich den Druck, unter dem er stand. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, was man an den dunklen Ringen unter seinen Augen und seiner Niedergeschlagenheit erkennen konnte.

Das machte mich einfach nur wütend. Wenn ich solch eine Last war, warum versuchte er dann so verzweifelt, das hier am Laufen zu halten? Ich war ein hoffnungsloser Fall. Ein verlorener Fall. Dad sollte sich lieber darauf konzentrieren, ein neues Leben mit Bradley zu beginnen, und, eines Tages, mit einer neuen Frau und Kindern.

Er sollte aufhören, mich zu zwingen, jemand zu sein, der ich nicht war. Ich würde mich nicht ändern. Und wenn man sein dickköpfiges Verhalten betrachtete, er sich auch nicht.

»Ich bin kein Teil dieser Familie«, murmelte ich. Ich schützte die Menschen, indem ich meinen Freiraum bewahrte und mich von ihnen fernhielt.

Ein Anflug von Schmerz flog über sein Gesicht, und für einen Augenblick fühlte ich mich schuldig. Ich wollte ihn nicht verletzen. Das war der Grund, warum ich ihn von mir stieß.

So schnell, wie es aufgetaucht war, verschwand es wieder. Dad straffte die Schultern und starrte mich an. »Es war keine Bitte. Entweder bist du heute Abend Teil der Party, oder du kannst dich von deinem Motorrad verabschieden.«

Ich schnaubte. Das meinte er doch wohl nicht ernst, oder? Das Motorrad war mein einziges Transportmittel. Natürlich war ein Motorrad weitaus gefährlicher als ein Auto, aber nach dem Unfall hasste ich es, in geschlossenen Autos zu sitzen. Ich brauchte die Freiheit der Welt um mich herum. Die Luft, die auf meine Haut traf.

Sie half mir, mich lebendig zu fühlen.

Und das wollte er mir wegnehmen?

»Das ist meine Entscheidung, Colt. Mach, was du willst.«

Ich knurrte und blickte mich um, mein Gehirn wand sich, um eine Entschuldigung hervorzubringen. Als nichts zutage trat, entschied ich, den Unbeteiligten zu spielen. Ich entspannte meinen Körper und zuckte mit den Schultern. »Wie auch immer.« Ich trank den letzten Schluck Wasser und schmetterte die Dose in den Mülleimer. »Dein Pech, dass ich dabei bin.«

Dad riss die Augen auf. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ich wollte es wirklich nicht hören.

Ich ging durch den Flur in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Nachdem die Stereo-Anlage angestellt war, die Musik laut dröhnte, warf ich mich auf mein Bett und ließ die Vibrationen der Bässe durch mich hindurchströmen.

Angst umklammerte meine Brust, als ich mich auf den Rücken drehte und an die Decke starrte. Die Erkenntnis, worauf ich mich gerade eingelassen hatte, überfiel mich. Ich würde mich heute Abend nach da draußen begeben müssen. Ich würde die Leute dazu bringen müssen, mit mir zu reden.

Ich würde unter den Kids sein, mit denen ich demnächst zur Schule gehen musste. Ich wusste, sie würden mich anstarren.

Auf keinen Fall hatte ich irgendeine Art von Feinfühligkeit zu erwarten. Ich würde das Objekt ihres albernen Flüsterns sein. Ich war Quasimodo, der aus dem Glockenturm auftaucht. Ich war das Ding, das die Leute nicht verstehen konnten.

Selbst wenn ich versuchte, nett zu sein, würde es keine Rolle spielen. Die Leute wussten schon, wer ich war. Und was ich getan hatte.

Ich war ein Mörder.

Egal, wie sehr Dad wollte, dass ich mich änderte, ich konnte es nicht. Ich konnte das, was geschehen war, nicht ändern. Ich konnte Mom nicht zurückbringen. Ich konnte nicht der Sohn sein, den er gewollt hatte.

Meine Zukunft war vorbestimmt.

Es hatte keinen Zweck, dagegen anzukämpfen.

Kapitel drei

Haley

Zum Glück trat mein Treffen mit Colten in den Hintergrund, als die Leute von der Schule nach und nach zum Lagerfeuer kamen. Mom, Dad, Mr Shaw und Priscilla machten sich rar. Ich konnte an dem gedämmten Licht im Haus sehen, dass sie drinnen waren, aber ich achtete nicht wirklich darauf, wo genau.

Sie würden uns aus dem Weg gehen, und dafür war ich dankbar.

Ich brauchte etwas Zeit mit Bradley und unseren Freunden. Die Begegnung mit Colten hatte mich mehr erschüttert, als ich zugeben mochte, und ich fing an zu begreifen, dass ich Probleme damit haben würde, ihn die ganze Zeit um mich zu wissen.

Ich rückte auf der Decke herum, die ich neben dem Lagerfeuer ausgebreitet hatte, bis ich die Beine ausstrecken konnte. Bradley lachte gerade mit einigen der Jungs aus dem Football-Team, während sie einen Ball hin- und herwarfen, den Teddy, der Quarterback, mitgebracht hatte.

Es gab Mädchen, die ich nicht wirklich kannte. Sie standen um den Getränketisch herum. Ich seufzte, als ich mich umsah. Sicher, ich kannte sie nicht wirklich gut, aber ich war dankbar, dass sie gekommen waren. Bradley und ich wollten unbedingt, dass es eine großartige Party wurde, mit der wir unser letztes Jahr an der Highschool einläuten wollten.

»Hey«, sagte Sam, als sie sich neben mich fallen ließ. »Entschuldigung, dass wir zu spät sind.«

Ich quietschte auf und umarmte sie. Sie war eine meiner besten Freundinnen. »Ihr habt es geschafft!«

»Als würden wir die heißeste Party in Südkalifornien verpassen«, erwiderte Trinity mit ihrer nasalen Stimme. Ich legte den anderen Arm um sie und drückte meine Freundinnen. »Ich habe euch beide vermisst.«

Trinity ächzte und löste sich von mir, während Sam mich ihrerseits drückte.

»Hilfe, Hal, du erstickst mich«, sagte sie und klopfte ihren Arm ab.

Ich ließ Sam los, zog die Knie an die Brust und legte die Arme um sie. Nachdem die Begrüßung erledigt war, sah ich meine beiden Freundinnen an. »Bist du diesen Sommer braun geworden!«, sagte ich und zeigte auf Trinitys bronzefarbene Haut.

Ihre Familie war mit ihr nach Italien gefahren, um Großmutter und Großvater zu besuchen. Ich versuchte, auf ihre Fähigkeit, schnell braun zu werden, nicht neidisch zu werden ... aber wenn sie wie eine griechische Göttin aussah, war die Eifersucht schwer in Zaum zu halten.

Trinity streckte die Arme aus und betrachtete sie. Dann nickte sie. »Nun, wenn man den ganzen Tag am Strand ist, ist es schwer, nicht braun zu werden.«

»Hör auf. Den ganzen Tag?« Sams Augen waren weit aufgerissen. Sie war die Süßeste, Freundlichste von uns dreien. Ihr Vater war Astronaut, und sie hatte den Sommer in Washington DC verbracht. Klugheit lag bei ihr in der Familie, aber das machte sie auch vorsichtig. »Von zu viel Sonnenbaden bekommt man Hautkrebs«, erklärte sie und schnipste mit dem Finger zu Trinity.

Die schnaubte. »Ich glaube, mir geht es ganz gut.«

Ich schaute zwischen meinen Freundinnen hin und her, dankbar für das Gefühl von Normalität, das einfach daher rührte, bei ihnen zu sitzen. Sie brachten so viel in mein Leben, und als sie die letzten paar Monate nicht da gewesen waren, war es ganz schön schwierig für mich gewesen. Mit ihnen in meiner Nähe fühlte es sich an, als könnte ich endlich wieder frei atmen.

Die Bässe der Musik, die aus dem Lautsprecher dröhnten, durchdrangen mich, und ich stützte mich auf meinen ausgestreckten Arm. Ich holte tief Luft und begann, mich zu beruhigen. Es war toll, wieder zur Normalität zurückzukehren.

Dann stockten plötzlich alle Gespräche. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die anderen in Richtung Haus schauten. Verwirrt blickte ich auch hin.

Eine dunkle Gestalt löste sich von der Schiebetür und hielt inne, als sie in der Nähe der Treppenstufen war. Ich blinzelte ein paarmal, bis mein Hirn endlich verstand, was ich da sah.

»Ist das ... Colten?«, flüsterte Sam, als könnte sie meine Gedanken lesen.

Mein Herz hämmerte, während ich beobachtete, wie er, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe herunterlief, dann das Gras erreichte und den Garten durchquerte. Die Hände hatte er tief in die Taschen gesteckt, und seine Kappe war so weit ins Gesicht gezogen, dass ich kaum seinen Mund erkennen konnte. Seine Schultern hingen herab, aber ich kannte Colten gut genug, um zu wissen, dass er unter Druck stand – obwohl er ganz offensichtlich versuchte, einen anderen Eindruck zu vermitteln.

Was wollte er hier? In Gedanken schrie ich ihm zu, zurück ins Haus zu gehen. Wir waren keine Freunde mehr – und so, wie er sich mir gegenüber verhielt, könnte man eher sagen, dass wir Feinde waren –, doch ich wollte auch nicht erleben, dass er verletzt würde.

Bei diesen vielen Leuten hier gab es nur einen möglichen Ausgang: Er würde verletzt werden. Besonders da Katie Odd beim Wasser stand. Sie hatte ihn bis jetzt noch nicht bemerkt, aber wenn sie es täte, würde sie ihn zerlegen.

Sie war die Bienenkönigin der Washington High. Jedermann ging ihr aus dem Weg, weil sie sonst ihren Kiefer aufreißen und ihn ganz und gar verschlingen würde. Ich fixierte sie, damit sie sich auf ihren Freund der Woche, Todd, und das Meer konzentrierte.

Ich meine, eigentlich war ich ja froh, dass sie zu dem Lagerfeuer gekommen war. Immerhin bedeutete das, ich bewegte mich auf der sozialen Leiter aufwärts. Aber wenn daraus eine Colten-Niedermachen-Party werden würde, hätte ich eine schwere Zeit.

»Ich habe gehört, dass er zurück ist«, flüsterte Trinity und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder ins Hier und Jetzt.

Wir folgten Colten mit den Blicken, als er sich auf den Getränketisch zubewegte.

Wie Kakerlaken bei plötzlich angeschaltetem Licht hatten alle Mädchen sich zerstreut, die am Tisch herumgehangen hatten. Wenn es Colten etwas ausmachte, so zeigte er es nicht. Er nahm sich ein Mineralwasser.

»Lasst uns über etwas anderes reden«, murmelte ich und starrte auf den Sand am Rand der Decke, auf der ich saß. Meine Angst war auf einem Rekordhoch, und ich musste zu einem anderen Thema übergehen.

»Was glaubst du, warum er zurückgekommen ist?«, fragte Sam und bemühte sich, die Stimme zu senken. Aber an der Art, wie Colten den Kopf in unsere Richtung beugte, konnte ich erkennen, dass er zuhörte.

»Es ist unhöflich, in Gegenwart eines anderen über ihn zu sprechen.« Ich zischte und ließ dann den Worten ein schwaches Lachen folgen.

»Ich habe gehört, dass er eine gerichtliche Auflage befolgen muss und deshalb zurückgekommen ist«, erwiderte Trinity und ignorierte eindeutig meinen flehenden Blick.

Toll.

»Es spielt doch nicht wirklich eine Rolle, oder?«, fragte ich. Ich übertrieb meinen Gesichtsausdruck in der Hoffnung, es würde endlich ihre Aufmerksamkeit erregen.

»Das klingt irgendwie vernünftig. Ich meine, für einen Jungen, der seine Mutter umgebracht hat. Jeder weiß, dass er am Steuer ...«

»Trinity!« Ich starrte sie wütend an. Sie musste damit aufhören.

Es war jetzt ganz offensichtlich, dass Colten sie gehört hatte. Seine Schultern spannten sich an, und er ging einige Schritte vom Tisch weg.

»Was denn?«, fragte Trinity. Die Verärgerung in ihrer Stimme traf mich bis ins Mark.

»Halt endlich den Mund.« Es stimmte, sie hatte einen Sinn für Sarkasmus, doch es war gerade nichts lustig an dem, was sie sagte oder wie sie es sagte.

»Seit wann machst du dir etwas aus Colten Shaw? Ich dachte, du bist für ihn Luft. Außerdem hast du ja Bradley.«

Meine Wangen fühlten sich an, als würden sie Feuer fangen. Ich wollte nicht, dass Trinity so redete, und ich wollte schon gar nicht, dass Colten es hörte. Mein Leben war perfekt, so wie es war, und das Letzte, wonach mir der Sinn stand, war, ihm wieder Zutritt dazu zu verschaffen.

»Das ist es nicht. Bradley kann dich hören. Sie war ebenso auch seine Mutter«, murmelte ich und griff über die Decke, um eine Handvoll Sand aufzunehmen. Ich musste mich zusammenreißen, wenn ich hierbleiben und an dem Gespräch teilnehmen wollte.

Ich sah zu, wie der Sand aus meiner einen Hand in die andere rieselte. Meine Gedanken kehrten immer wieder zu Colten zurück, und ich neigte den Kopf, sodass ich ihn aus dem Augenwinkel sehen konnte. Er schien am Rand der Party einen Platz gefunden zu haben, wo er rumhängen konnte.

Gut. Er war außer Sicht und sah aus, als wäre er damit zufrieden, dort zu bleiben. Ich spürte, wie meine Angst nachließ.

»Nun, er hat jedenfalls Nerven, hier abzuhängen«, sagte Trinity, als sie einen Streifen Kaugummi aus ihrer Tasche holte und ihn auswickelte. »Ich habe gehört, dass er dieses Jahr zu uns in die Klasse kommt.« Sie seufzte. »Das wird unserer Erfahrung als Seniors einen Dämpfer verpassen.«

»Können wir bitte über etwas anderes sprechen?«, fragte ich, ließ den Sand fallen und staubte mir die Hände ab. »Dieses Gespräch ist langweilig.«

Sam nickte. »Ich habe Mr Brunston in Tabellenkalkulation. Ihr auch?«

Zum Glück wandte sich unser Gespräch jetzt der ersten Unterrichtswoche zu. Ich hätte wissen sollen, dass etwas passieren würde, als ich fühlte, wie mein Körper sich entspannte. Ich hätte nie in meiner Aufmerksamkeit nachlassen dürfen.

»Was macht der denn da?«

Alle Gespräche verstummten, als wir uns Katie Odd zuwandten, die zum Feuer zurückgekommen war.

Mein ganzer Körper wurde plötzlich eiskalt, als ich ihr höhnisches Grinsen wahrnahm.

Ein Paar Arme schlangen sich um mich, und ich schreckte auf. Ich drehte mich rasch um, und Erleichterung erfüllte meinen Körper, als ich Bradleys Strahlen sah. »Hier riecht es verdammt brenzlig«, flüsterte er mir ins Ohr. Sein warmer Atem kitzelte meine Haut, aber ich zeigte nicht dieselbe Reaktion auf seine Nähe wie sonst.

Wenn überhaupt etwas, dann wurde der Druck auf meinen Magen größer.

»Das hier ist mein Zuhause, Odd. Ich kann sein, wo ich will.«

Es überraschte mich, dass Colten Katie die Stirn bot. Ich meine, er war ein Jahr älter als sie, aber sie hatte so ihren Ruf. Selbst Mr Stills, der Direktor, hatte Angst vor ihr. Ich hatte das Gefühl, dass alle Schulangestellten für sie am Ende des Schuljahres am liebsten eine Riesenabschiedsparty geben würden.

»Oh, er kann also tatsächlich sprechen.« Katie änderte ihre Haltung, als machte sie sich für einen Kampf bereit.

»Ach, reg dich ab«, brummte Colden. »Du tust gerade so, als wäre ich freiwillig hier.« Er lugte unter dem Schirm seiner Kappe hervor, und sein kalter Blick verwandelte mein Blut zu Eis.