Sørlandet – Die Falle der Elchjäger - Wolfram Hänel - E-Book

Sørlandet – Die Falle der Elchjäger E-Book

Wolfram Hänel

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Beschreibung

Zwei Jungs. Ein Boot. Und das Abenteuer ihres Lebens! Jan hat einen großen Wunsch zu seinem 13. Geburtstag: Er möchte mit seinem besten Freund Ole für eine Woche die Seenlandschaft rund um die Hütte von Jans Familie erkunden. Nur die beiden Jungs und ihr Kanu. Ein echtes Abenteuer. Doch dann zieht ein Unwetter auf, und plötzlich erscheint auch noch ein seltsames Mädchen, das die beiden beschuldigt, Fallen aufgestellt zu haben. Während sie versuchen herauszufinden, was in der Gegend vor sich geht, geraten sie in die Fänge einer gefährlichen Bande … Ein Abenteuerroman für echte Kerle – vor der atemberaubenden Kulisse Südnorwegens.

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Seitenzahl: 170

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Sørlandet ist der südliche Teil von Norwegen, gegenüber liegt die Nordspitze von Dänemark. Die Norweger sagen, in Sørlandet findet man die Landschaften von ganz Norwegen versammelt, felsige Küsten und Sandstrände ebenso wie Berge mit Seen, Flüssen und Wasserfällen.

Die größte Stadt von Sørlandet ist Kristiansand, dort wohnen die beiden Hauptpersonen der Geschichte, Jan und Ole.

Der Roman spielt in den Bergen nördlich von Kristiansand, wo man mit dem Kanu von See zu See paddeln kann und nur ganz selten mal einem Menschen begegnet, aber dafür umso mehr Biber und Elche sieht – und manchmal sogar einen Adler.

Vorspiel

Sie hocken am Küchentisch. Das Fenster steht offen. Aus der Pizzeria unten im Haus dringt der Duft nach Pizza Margherita, Quattro Stagioni und Prosciutto e Funghi bis zu ihnen herauf. Jans Lieblingspizza ist Pizza Diavolo, »die teuflische Pizza«, wie Mario immer sagt. Mit Chili, Paprika und Peperoni-Salami. Und so scharf, dass man mindestens einen Liter Wasser dazu trinken muss.

Mario ist so was wie Jans Freund. Mario Rosso, in dessen Restaurant man die beste Pizza von ganz Norwegen bekommt. Vielleicht sogar die beste Pizza auf der ganzen Welt!

Die Dinger sind so groß wie Wagenräder, und der Rand ist so knusprig, dass Jan allein dafür schon glatt sein ganzes Taschengeld hergeben würde. Nur um ein paar Bissen von diesem dicken hellbraunen Teig zu bekommen, der nach Sommer und Sonne und Ferien schmeckt.

Natürlich läuft Jan auch jetzt bei diesem Duft, der durchs Fenster hereinweht, das Wasser im Mund zusammen. Und er sieht genau, dass es Ole nicht anders geht. Aber Jans Vater ist unerbittlich.

»Erst die Arbeit, dann das Vergnügen«, hat er gleich zu Anfang gesagt, als Ole bei ihnen aufgetaucht ist. Und mit »Arbeit« meint er nicht etwa, dass Jan und Ole den Teppich saugen sollen. Oder das schmutzige Geschirr abwaschen und das Klo putzen. Nein, »Arbeit« heißt in diesem Fall so viel wie »Prüfung«. Jans Vater ist der Lehrer, und sie sind die Schüler, die seine Fragen richtig beantworten müssen. Damit sie die Prüfung bestehen. Und nicht nur eine Pizza zur Belohnung kriegen, sondern zu Jans dreizehntem Geburtstag eine Kanu-Tour machen dürfen. Alleine!

Das ist nämlich der Plan. Jan und sein bester Freund Ole wollen alleine mit dem Kanu in die Wildnis. Eine Woche lang! In die Seenlandschaft oben auf der Hochebene, wo man endlos von einer Insel zur nächsten paddeln kann. Und draußen übernachten und sich was zu essen angeln und am Lagerfeuer braten. Und morgens einfach von irgendeinem flachen Felsen in den See springen, statt mit der Zahnbürste am Waschbecken zu stehen und nichts Aufregenderes machen zu können, als sich selber im Spiegel die Zunge rauszustrecken.

Ein echtes Abenteuer! Besser noch als bei Huck Finn und Tom Sawyer. Vor allem seit Ole die alte Landkarte von seinem Großvater gefunden hat. Und seit sie auf dieser Karte entdeckt haben, dass es da ganz oben hinter dem letzten See früher mal ein Bergwerk gab. Mit richtigen Stollen, die in die Felsen geschlagen sind und weit in den Berg hineinführen. Und vielleicht sogar mit einem unterirdischen See oder so was. Oder einer alten Bärenhöhle!

Auf jeden Fall total spannend, so viel ist sicher. Und das Beste ist, dass es ganz so aussieht, als hätte Jans Vater keine Ahnung von diesem Bergwerk. Er hat jedenfalls noch nie was davon erzählt, obwohl Jan ja schon öfter mit ihm an den Seen da oben war.

Aber Jan und Ole werden ihm auch nichts von der alten Karte sagen. Und dass sie natürlich vorhaben, sich dieses Bergwerk mal genauer anzusehen. Das ist dann ihr großes Geheimnis, von dem niemand außer ihnen etwas weiß. Wobei sie schon überlegt haben, dass sie es vielleicht doch sagen. Aber erst hinterher, wenn sie in den Stollen waren und ein paar ordentliche Brocken Silber rausgeholt haben. Vielleicht sogar Gold!

Ole hat noch ein bisschen gegoogelt und gelesen, dass es tatsächlich mal Goldfunde in Südnorwegen gab. Und das Gold ist immer noch da. Nicht so viel, dass es sich für irgendwelche Firmen oder Schürfgesellschaften lohnt, da in den Bergen rumzubuddeln, aber mit ein bisschen Glück kann man tatsächlich was finden. Ein paar echte Goldkörner! Nuggets, wie in Kanada zur Zeit des großen Goldrauschs.

Nur müssen sie es jetzt erst mal schaffen, dass sie überhaupt alleine in die Bergwildnis dürfen. Und das hängt auch davon ab, ob sie die Fragen von Jans Vater beantworten können.

Im Moment sieht es gerade nicht so gut aus. Es geht darum, was man in der Wildnis alles essen kann. Und Ole soll antworten.

Man könnte sagen, wenn es um Essen geht, kennt sich Ole echt gut aus, was man ihm ja auch ein bisschen ansieht. Klar, auch Jan findet Essen super. Vor allem die Pizza von Mario unten im Haus. Aber bei Ole ist es irgendwie noch anders. Und inzwischen braucht er immer Hosen und Sweatshirts, die gut zwei Nummern größer sind als Jans! Obwohl er fast einen Kopf kleiner ist.

»Ich bin eben wohlgenährt«, wie er es selber nennt.

Das Problem ist jetzt nur, dass Ole zwar alles über Spaghetti und Pommes und Pizza und Döner und Hamburger weiß, aber eher wenig über irgendwelche Sachen, die in der Wildnis wachsen.

»Du kennst doch Blaubeeren, oder?«, fragt Jans Vater. »Und? Was kannst du aus Blaubeeren machen?«

»Blaubeerpfannkuchen!«, ruft Ole sofort. »Wenn ich genug Hunger habe, schaffe ich fünf Stück! Große!« Er zeigt mit den Händen, wie groß.

Jan sieht, wie sein Vater die Augen verdreht. Manchmal ist es echt ein bisschen peinlich mit Ole, denkt er. Und noch bevor sein Vater irgendwas erwidern kann, sagt er schnell: »Um Pfannkuchen zu machen, würden wir auch Mehl und Milch, Butter, Eier und ein bisschen Salz brauchen. Wird aber schwierig, zum Beispiel Eier mitzunehmen, wenn wir nicht gleich am ersten Tag Rührei im Boot haben wollen.«

»Okay, okay«, meint Ole. »Hab’s kapiert. Aber wir könnten Zucker mitnehmen! Und dann gibt’s jeden Tag Blaubeeren mit ganz viel Zucker zum Nachtisch. – Nicht?«, fragt er enttäuscht, als er die Gesichter von Jan und seinem Vater sieht. »Bisschen Zucker vielleicht nur? Nur für einmal Nachtisch oder so?«

»Bisschen Zucker, klar«, sagt Jans Vater und hat eindeutig Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. »Aber Mehl ist gut! Mehl und Salz. Dann könnt ihr Fladen machen, mit Wasser aus dem See oder einer Quelle. Und mit Bärlauch und Brunnenkresse. Aber denkt daran, das Wasser vorher unbedingt abzukochen!«

»Und Blaubeeren kann man ja auch einfach so essen«, schlägt Jan vor. »Wenn sie richtig reif sind, sind sie auch ohne Zucker total süß.«

»Aber …?«, fragt sein Vater und zieht die Augenbrauen hoch. Wie er es immer macht, wenn er nicht ganz zufrieden mit einer Antwort ist.

»Vorher abwaschen und nicht einfach so vom Strauch essen«, sagt Jan.

»Gut. Und warum nicht?«, will Jans Vater wissen. »Ole?«

»Keine Ahnung. Vielleicht weil da Käfer und Spinnen dran sind oder so?«

»Weil es sein kann, dass ein Fuchs draufgepinkelt hat«, hilft ihm Jan. »Mann, das weißt du doch, darüber haben wir schon mal geredet!«

»Klar, weiß ja jeder. Fuchsbandwurm, richtig? Und der nistet sich bei dir ein und wächst und wächst, und irgendwann bist du tot.«

»So ungefähr, ja«, stimmt Jans Vater zu. »Auf jeden Fall sind Fuchsbandwürmer tatsächlich für Menschen gefährlich, also Vorsicht. – Woran erkennt ihr eigentlich, dass ein Fuchs in der Nähe ist?«, fragt er als Nächstes.

Und diesmal weiß Ole die Antwort sofort.

»An der Kacke! So kleine Würstchen. Ungefähr so lang wie mein Finger und immer mit einem Zipfel an dem einen Ende.«

»Und wenn der Fuchs gerade Blaubeeren gefressen hat, ist das Zipfelwürstchen blauschwarz«, macht Jan weiter.

Ole schnuppert ein bisschen und dreht das Gesicht zum Fenster. »Ich will ja nicht nerven, Leute, aber findet ihr nicht auch, dass es gerade wieder verdammt gut nach heißer Pizza riecht? Und ich meine, bevor wir noch weiter über so eklige Sachen wie Fuchsbandwürmer reden, könnten wir doch vielleicht nur so zur Abwechslung … Ihr wisst schon, was ich meine, oder? Und dazu einen Blaubeer-Milchshake, haben sie nämlich unten bei Mario, habe ich vorhin gesehen, als ich gekommen bin.«

Jans Vater nickt.

»Passt auf, noch zwei Fragen. Und wenn ihr die richtig beantwortet, lade ich euch zu einer Pizza ein, Deal?«

»Mit Blaubeer-Milchshake?«

»Mit Blaubeer-Milchshake«, bestätigt Jans Vater.

Jan und Ole klatschen sich ab. »Deal!«

1. KAPITEL

Eine Woche später

»Mann, dein Vater kann ja echt ganz schön nerven!«, ruft Ole gerade über die Schulter zurück. »Ich dachte schon, der lässt uns nie alleine losfahren.«

»Dachte ich auch«, gibt Jan zu, »aber haben wir ja trotzdem noch ganz gut hingekriegt.«

Wäre allerdings einfacher gewesen, wenn du zur Abwechslung mal nicht nur ans Essen gedacht hättest, setzt er in Gedanken noch hinzu, während er sich bemüht, mit zwei schnellen Schlägen des Paddels den Zickzackkurs von Ole wieder auszugleichen.

Sie sind bereits seit über einer Stunde auf dem See unterwegs, mit dem silbern glänzenden Kanadier, den Jans Vater ihnen anvertraut hat. Ole sitzt vorne, und Jan steuert, ab und zu bekommt er eine Ladung Wasser ab, wenn Ole das Paddel mal wieder nicht richtig eintaucht, sondern viel zu hastig durchs Wasser zieht.

Aber es ist egal, wichtig ist einzig und allein, dass sie tatsächlich über den See paddeln, dessen Oberfläche sich im Wind leicht kräuselt und durch das Sonnenlicht aussieht wie gesplittertes Glas.

Mal passieren sie links eine Insel, mal rechts, aber es ist noch zu früh, um nach einem Platz zum Übernachten Ausschau zu halten. Und sie müssen unbedingt eine Insel mit einem Sandstrand finden! Jans Vater hat sie extra noch mal daran erinnert: »Wenn ihr Lagerfeuer macht, dann entweder auf einem flachen Felsen oder besser noch am Strand. Denkt dran, es ist Sommer. Der Boden im Wald ist überall ausgetrocknet, da reicht schon ein kleiner Funke, um die Nadeln oder das Moos in Brand zu setzen.«

Außerdem ist es am Strand auch viel einfacher, das Zelt aufzubauen! Jan sieht sich schon mit Ole am Strand hocken, vor ihnen prasselt das Feuer, der Mond wirft seine silberne Bahn aufs Wasser – und es duftet nach dem frisch gefangenen Fisch, den sie an einem Stock über den Flammen hin und her drehen. Und wenn sie sich dann die Mägen vollgeschlagen haben und ordentlich müde sind, pinkeln sie noch kurz in den See und kriechen dann ins Zelt.

Das Zelt und ihre Schlafsäcke liegen gut verpackt auf dem Boden des Kanus, gleich neben dem wasserdichten Sack mit ihren Klamotten und dem Kochgeschirr und den Vorräten, die sie dabeihaben. Drei Dosen Ravioli in Tomatensoße und zweimal Elchklopse! Und für alle Fälle noch ein paar Tütensuppen und ein Säckchen mit Reis, und außerdem Zwiebeln und Möhren und ein großer Beutel Äpfel. Äpfel sind super, weil man sich dann nicht unbedingt die Zähne putzen muss, sondern einfach einen Apfel essen kann. Zum Beispiel nach der Keksschokolade, von der sie für jeden Tag eine eingepackt haben!

»He! Guck mal da drüben!«, ruft Ole und hört auf zu paddeln. »Ist das etwa … Mann, das ist ein Elch! Aber wie kommt der dahin?«

Ole zeigt auf die Insel vor ihnen. Und es stimmt, auf einem steilen Felsen direkt über dem Wasser steht ein Elchbulle! Während das Boot langsam vorübertreibt und Jan nur aufpasst, dass sie nicht zu dicht ans Ufer kommen, beobachten sie den Bullen mit seinem mächtigen Geweih. Und je näher sie kommen, desto riesiger wirkt das Tier, vor allem als sie dann fast unter ihm um den Felsen herumsteuern.

Jetzt schüttelt der Elch den Kopf, als fände er es äußerst ärgerlich, dass da außer ihm noch jemand unterwegs ist.

»Oh Mann«, stöhnt Ole, und seine Stimme klingt plötzlich viel zu hoch. »Was machen wir, wenn er jetzt reinspringt und hinter uns herschwimmt?«

»Macht er nicht«, flüstert Jan zurück. »Ganz ruhig, Alter, du weißt, dass sie lieber abhauen, als Streit zu suchen. Und außerdem sind eigentlich nur die Elchkühe gefährlich, wenn sie ein Kalb dabeihaben.«

»Klar, weiß ich. Aber weiß der Kerl da oben das auch? Dass er lieber abhaut und verschwindet, wenn zufällig zwei echt nette Typen mit ihrem Boot vorbeikommen? – Und was macht er jetzt? Oh Mann, ich glaub’s ja wohl nicht mehr …«

Der Bulle lässt ein paar große Flatschen auf den Felsen klatschen.

»Sommerkot, wenn sie viel Sumpfgras fressen«, erklärt Jan. »Sonst kacken sie eher so Pferdeäpfel.«

Jetzt beugt der Elch seinen Kopf über eine junge Tanne und kaut genüsslich die Spitze ab. Sie können ganz deutlich seine großen gelben Zähne sehen, mit denen er die Nadeln zermalmt.

»Guten Appetit«, kichert Jan. »Lass es dir schmecken, Alter.«

»Bloß weg hier«, meint Ole und taucht wieder das Paddel ins Wasser. »Bevor er uns auch noch für einen Baum hält, den er eben mal probieren möchte.«

Jan hilft seinem Freund, das Boot von der Insel wegzulenken. Als sie sich nach einer Weile noch mal umdrehen, ist der Felsen leer. Von der Tanne steht nur noch der dünne Stamm da, alle Äste sind abgefressen. Und der Elch schwimmt gerade zum Ufer zurück, Jan und Ole können den Kopf mit dem mächtigen Geweih auf dem Wasser sehen.

»Elche können echt gut schwimmen«, meint Jan. »Ich hab mal was von einem Elch gehört, der ist von Schweden quer übers Meer nach Dänemark geschwommen, echt!«

»Irre«, erwidert Ole. Mehr sagt er nicht. Aber es ist schon klar, Ole ist gerade ziemlich froh, dass der Elch von der Insel in die andere Richtung verschwindet. Und wenn Jan ehrlich ist, findet er es selber auch besser so. Aber das wird er Ole garantiert nicht auf die Nase binden!

Für einen kurzen Moment muss er daran denken, dass er bislang ja immer nur mit seinem Vater unterwegs war. Da brauchte er vor gar nichts Angst haben, egal was passiert ist. Sein Vater hat immer gewusst, was sie tun müssen. Sogar als sie mal mitten auf dem See von einem Gewitter überrascht wurden. Sie sind schnell zu einer Insel gepaddelt und haben sich in einer Felsrinne unter das umgedrehte Kanu gelegt. Bis das Gewitter vorübergezogen ist und sie zurück zu ihrer Hütte fahren konnten.

Die letzte Nacht haben er und Ole in genau dieser Hütte verbracht. Jans Vater hat sie mit dem Auto hingefahren. Die Hütte ist noch von Jans Großvater, der sie selbst gebaut hat. Eine Blockhütte aus glatt gehobelten Kieferstämmen mit Moos in den Ritzen, damit es auch im Winter schön warm bleibt.

Eigentlich besteht die Hütte nur aus einem einzigen Raum mit einem Eisenofen in der Mitte und einer Holzbank um den gemauerten Schornstein herum. Am Fenster steht ein großer Holztisch, von dem aus man direkt auf den See blicken kann. Und zum Schlafen führt eine Leiter steil nach oben auf einen Zwischenboden, wo drei Matratzen liegen. Sehr gemütlich! Zumindest wenn nicht gerade Jans Vater neben einem liegt und so laut schnarcht, dass vor Panik sogar die Spinnen von der Wand fallen.

Unter diesem Schlafboden ist die winzige Küche. Das Wasser muss man mit der Hand vom See heraufpumpen, und gekocht wird auf einem Gaskocher. Der Kühlschrank ist ein Erdloch unter dem Küchenboden, mit einer Klappe in den Holzdielen. Und zum Händewaschen und Zähneputzen gibt es einfach eine Waschschüssel, auch mit Wasser aus dem See.

Natürlich gibt es auch ein Klohäuschen, ein paar Meter von der Hütte entfernt. Mit einem hölzernen Sitz mit einem Loch drin. Hinterher muss man immer ein bisschen Torf nach unten streuen. Aber der Haufen unter dem Loch wird nie größer, weil die Käfer und Würmer und Ameisen alles irgendwie zu Kompost verarbeiten und wegschleppen.

Ole hatte heute Morgen ein bisschen Angst, dass ihn vielleicht einer der Käfer in den nackten Hintern beißt. Was natürlich keine besonders gute Voraussetzung ist, wenn man einen Abenteuerurlaub mit dem Kanu machen will. Und deshalb auch mal irgendwo aufs Klo gehen muss, wo es gar kein Klo gibt. Noch nicht mal eins mit einem hölzernen Sitz und einem Loch. Aber dafür umso mehr Spinnen und Käfer.

»Oder eine Kreuzotter, die sich so zischend von hinten an dich anschleicht«, hat Jan gesagt, um Ole ein bisschen zu ärgern.

Und Ole hat auch sofort gerufen: »Hör auf, sonst komme ich nicht mit!«

Was natürlich Quatsch ist. Ole würde Jan nie alleine lassen, egal wie viele Kreuzottern ihn vielleicht in den Hintern beißen. Weil Ole sich nämlich genauso auf den Ausflug freut wie Jan selber. Und die Idee, sich das verlassene Bergwerk mal genauer anzusehen, stammt ja auch von Ole!

Der Plan ist jetzt, dass sie eine Woche mit dem Kanu über die Seen auf der Hochebene paddeln. Und sie haben auch ein Handy dabei, das sie aber nur im äußersten Notfall benutzen wollen. Also nicht, um mal eben zu sagen: »Guck mal, Selfie mit dickem Elch« oder »Heute haben wir leider Durchfall, aber es geht schon wieder besser«, sondern nur, falls sich einer von ihnen aus Versehen das Bein absägt. Was aber garantiert nicht passieren wird, weil sie gar keine Säge dabeihaben. Und gegen Durchfall hat ihnen Jans Vater heute Morgen am Steg vor der Hütte noch schnell gesagt: »Falls ihr von irgendwas Durchfall kriegt, macht ihr euch am besten einen Tee aus Blaubeeren. Aber ihr dürft die Beeren nicht einfach so nehmen, ihr müsst sie auskochen. Drei bis vier Esslöffel Blaubeeren in einem halben Liter Wasser ungefähr zehn Minuten lang kochen. Schmeckt nicht schlecht und hilft garantiert.«

Jans Vater will die ganze Woche über in der Hütte bleiben und angeln.

Am letzten Tag ihrer Tour ist es dann so weit. Dann hat Jan Geburtstag. Und den wollen Jan und Ole ganz alleine an irgendeinem Strand auf einer der vielen Inseln feiern. Und noch einmal mitten in der Nacht bei Mondlicht im See baden gehen! Bevor sie am nächsten Morgen zurück zur Hütte paddeln. Weil sie ein paar Tage später wieder nach Kristiansand müssen. Weil die Schule wieder losgeht.

Aber bis dahin können sie machen, was sie wollen. Und wenn sie in dem alten Bergwerk ein paar Gold- und Silberklumpen finden, brauchen sie vielleicht gar nicht mehr zur Schule …

»Wir könnten uns hier oben irgendwo selber eine Hütte bauen«, redet Ole gerade so vor sich hin, während er vor lauter Begeisterung eine Wasserladung nach der anderen nach hinten spritzt. »Verstehst du, noch weiter weg als die von deinem Großvater. Um hinzukommen, brauchen wir natürlich ein Wasserflugzeug, weil Millionäre paddeln nicht, ist ja wohl klar. Aber kein Problem, wir haben ja Geld, also kaufen wir uns eins! Pilotenschein müssten wir natürlich auch noch machen. Was sagst du? Gute Idee?«

»Wenn du so fliegst, wie du paddelst, will ich lieber nicht dabei sein«, erwidert Jan. »Mann, hör endlich auf zu spritzen, ich bin schon ganz nass hier hinten!«

Ole mault irgendwas vor sich hin, was so klingt wie »Werde ich eben alleine Millionär«. Er ist beleidigt, so viel ist klar. Aber wenigstens passt er jetzt ein bisschen besser mit dem Paddel auf.

Und lange still sein kann er sowieso nie! So nach ungefähr drei Minuten sagt er: »Okay, Kumpel, du hast ja recht. Millionär sein bringt es irgendwie nicht. Und Wasserflugzeug ist auch viel zu gefährlich. Wenn der Propeller ausfällt, musst du notlanden. Und wenn gerade kein See in der Nähe ist, krachst du voll in die Bäume oder gegen einen Felsen, und das war’s dann. Dann ist es schon besser, wir bleiben weiter in Kristiansand wohnen, machen irgendeinen coolen Job und fahren nur am Wochenende mal zum Angeln hierher.«

Eine Weile reden sie noch darüber, wie viel Glück sie eigentlich haben, dass sie von Kristiansand aus nicht mal eine Stunde brauchen, um mitten in der Wildnis zu sein. Und wenn sie die Nase voll haben von zu viel Wildnis, gibt es in der Stadt genug Sachen, die sie machen können. Ins Kino gehen. Oder in den Tierpark oder ins Kanonenmuseum. Oder am Hafen rumhängen und Schiffe angucken. Oder einfach nur zu Mario und Pizza essen.

Kaum ist das Wort »Pizza« gefallen, als Ole prompt sagt: »Mann, ich habe Hunger wie verrückt. Los lass uns irgendwo anlegen und was essen!«

Weil es inzwischen schon fast Nachmittag ist, beschließen sie, sich eine Insel zu suchen, auf der sie auch gleich ihr Lager für die Nacht aufschlagen können. Die zweite oder dritte Insel, an der sie vorbeikommen, sieht genau richtig aus. Sie ist so klein, dass sie keine zehn Minuten brauchen, um einmal drum rumzupaddeln. Aber sie ist perfekt! Mit einem Felsen, von dem man direkt in den See springen kann. Und einem Sandstreifen, der bis zu den Kiefern hinaufreicht, wie gemacht für ihr Zelt.

2. KAPITEL