Stimmen des Yukon - Birte-Nadine Neubauer - E-Book

Stimmen des Yukon E-Book

Birte-Nadine Neubauer

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Beschreibung

Seit ihrer Kindheit verbindet die tierliebende Julie etwas Unbeschreibliches mit den wilden Weiten Nordamerikas. Eines Tages fasst sie einen Entschluss, den ihr niemand ausreden kann. Sie reist für einige Monate in das Yukon Territorium und will jenseits der Zivilisation, umgeben von ungebändigter Natur und Schnee und Eis, so manches ungeahnte Abenteuer bestehen müssen.

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Birte-Nadine Neubauer

STIMMEN DES YUKON

Abenteuer in den Weiten Nordamerikas

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2018

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Dritte überarbeitete Auflage

Copyright (2018) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Einklang

Wehmütiger Abschied

Aufbruch

An den Ufern des Yukon

»Sky High« – Die Ranch

Eine Stute Namens »Spook«

Auf den Pfaden der Trapper

Hoch oben gelegene Tundra

Auf sich alleine gestellt

Viehtrieb?!

Kodiak Island

Bären am Frazer Lake

Begegnungen der besonderen Art

Zum Winterquartier der Pferde

Winterbeginn

Eine ersehnte Nachricht

Übung macht den Meister

Hundeschlitten in rauem Land

Erhoffte Antworten

Dieses Buch ist meiner Familie,

meinen Tieren und

Ian McDougall gewidmet

sowie all denen,

die den Stimmen der Natur lauschen.

EINKLANG

Der Regen prasselte sanft auf das kleine schräge Dachfenster des Holzhauses. Windböen setzten über den Giebel hinweg und ließen ein melodisches Lied erklingen. Beim Zusammenspiel der Elemente konnte man meinen, dass der Wind gemeinsam mit dem Regen einen Kanon probte. In mancher Nische fand eine sanfte Brise Einlass in das Innere, worauf ein feines Flüstern zu hören war. Frischte der Wind für einen Moment stärker auf, begann das sichtbare Gebälk zu knarzen und ließ die Nut- und Federbretter an den Wänden unmerklich erzittern. Obwohl kein Möbelstück dem anderen glich, vermittelte die Einrichtung ein Gefühl tiefer Harmonie und Liebe. Die Wände waren fast lückenlos mit Tierfotografien, Traumfängern und Medizinrädern bedeckt, und gesammelte Federn, handgemachte Naturkunstwerke und hölzerne Gegenstände schmückten jede noch so kleine Ecke.

Völlig aufgedreht trug Julie aus allen Ecken der Wohnung Kleidung und Ausrüstungsgegenstände zusammen, die sie für ihre große Reise benötigen würde. Fest entschlossen, nur ihren großen Reiserucksack und eine Bauchtasche mitzunehmen, musste sie sich nun auf das Nötigste beschränken. Sie würde lieber vor Ort noch fehlende, der Umgebung und den Wetterverhältnissen angepasste Kleidungsstücke kaufen. Aus Sorge, sie könne ein Detail vergessen, ging sie immer wieder alles noch einmal durch. Laut sprach sie vor sich hin: »Kurze und lange Unterwäsche, T-Shirts, Pullover, Hosen, Jacken aus Fleece. Eine warme Jacke ziehe ich auf der Reise an, die nimmt mir sonst zu viel Platz weg. Socken, Schuhe, Handschuhe, Schal und Mütze.« Sie legte eine kurze Pause ein, um alles erneut mit einem Blick zu überfliegen, bevor sie weiter aufzählte: »Hygieneartikel, Survival Kit, Taschenmesser, Taschenlampe, Kopflampe, Hut, Kamera und die Schreibutensilien. Pass und Ticket.« Zufrieden hielt sie inne und spürte, wie sie sich allmählich entspannte. »Sollte doch genügen für ein paar Monate im Nirgendwo des Yukon«, dachte sie und lächelte in Gedanken versunken.

Ihr Blick wandte sich nun ab von all den zusammengepackten Dingen und schweifte über ihre Habseligkeiten in der Wohnung. Wie sehr würde sie doch alles hier vermissen! Beim Anblick der vielen Bilder der Familie und ihrer Tiere bemerkte sie, wie sich langsam etwas Schweres in ihre Gefühle schlich und sich wie ein Stein auf ihrem Herzen niederließ.

Julie wusste zwar, dass ihre Familie sie bei ihrem Vorhaben unterstützte und zu ihr hielt, in manchen Augenblicken hatte sie jedoch gespürt, wie sie sich sorgten, nachdem sie ihren Entschluss preisgegeben hatte. Ob wohl alles gut gehen und ihr auch nichts passieren würde, stand ohne Zweifel in ihren Augen. Sie kannten Julie gut. Sie wussten, dass nichts und niemand sie von ihrer einmal getroffenen Entscheidung abbringen konnte. Alles was sie begann, würde sie auch zu Ende bringen, und alles was sie tat, würde sie mit ganzem Herzen tun. Sie wussten auch, dass dies nun einmal Julies Weg war und sie ihn gehen musste.

»Der Verstand kann uns zwar sagen, was wir tun sollten, aber nur das Herz kann uns sagen, was wir tun müssen«, murmelte Julie vor sich hin. Ihre Stirn legte sich in Falten, ihre Augen weiteten sich und ein leichtes aber tiefes Seufzen war zu hören, als sie ausatmete.

Ihre geliebten Tiere! Sie hatte deren Versorgung in der Zeit, in der sie nicht da sein würde, sorgfältig geplant. Die ganze Familie wollte mithelfen, so dass sie sich wirklich nicht zu sorgen brauchte. Ein Kribbeln in der Magengegend verriet dennoch ihre Wehmut, wenn sie daran dachte, dass sie alle und alles, was sie liebte, so lange nicht mehr sehen würde.

Allmählich begannen sich ihre Gedanken jedoch wieder zu lockern und ein leichtes Lächeln umspielte ihre geschwungenen Lippen. Es dauerte nicht lange und euphorisierende Gedanken der Vorfreude überkamen sie. Ihr Herz schien sich beinahe überschlagen zu wollen. Ein Schauer durchlief ihren Körper und ihre Hände begannen zu zittern. Unwillkürlich formten sie eine Faust. Ihre Empfindungen überwältigten sie. Sie juchzte und ihre Beine begannen beinahe wie von selbst zu tanzen. Der Wind hatte sich währenddessen in einen Sturm verwandelt und der Regen wurde zunehmend heftiger. Es war, als ob die Naturgewalten in Einklang mit Julies Gefühlen standen und diese noch verstärkten.

Langsam ebbte der Ausstoß der Endorphine wieder ab. Erschöpft setzte Julie sich an Ort und Stelle zu Boden. Sie zog ihren Rucksack, den es zu packen galt, näher zu sich heran. »Nun, was hetzt mich?«, dachte sie und entschloss sich für einen Moment, ihren Gedanken weiter nachzuhängen. Sie realisierte überrascht, dass sich das Wetter beruhigt hatte, und schmunzelte.

Ja, so ist das mit den Gedanken, stellte sie fest. Sie keimen auf, geben ihren Inhalt preis und ändern sich manchmal in so hoher Geschwindigkeit, dass es gelegentlich schwerfällt mitzukommen. Wie der Wind, der sich von einer Sekunde zur nächsten ändern konnte, verglich sie. Sogar wie das Leben selbst. Was in einem Augenblick ist, kann im nächsten Moment schon nicht mehr sein und ihre Erfahrungen untermauerten diesen Gedanken nachhaltig. Sie seufzte und überlegte, warum man sich manchmal durch die Gedanken so sehr aus der Ruhe bringen ließ, obwohl sie doch von solcher Flüchtigkeit waren. Oftmals kam es nicht darauf an, sie beibehalten, sie verdrängen oder gar bekämpfen zu wollen, sondern sie einfach nur gewähren zu lassen.

Julie erinnerte sich, wie sie bereits als Kind bei Filmen wie ›Der Mann in den Bergen‹ eine heimliche Sehnsucht entwickelt hatte und wie sie gebannt die Tier- und Naturaufnahmen in sich aufsog. Diese Einheit von Mensch, Tier und Natur gab ihr jedes Mal eine tiefe innere Zufriedenheit. Ihr Vater erzählte ihr einmal, da sie sich selbst nicht mehr daran erinnern konnte, wie sie ihn im Alter von ungefähr fünf Jahren beim Betrachten eines Globus fragte, wo denn Kanada liege. Verdutzt zeigte er es ihr und fragte sie zugleich, warum sie dieses Land interessiere. Sie gab ihm zur Antwort, dass sie dort einmal leben wolle und er beschrieb, wie ihre grünen Augen dabei gefunkelt hatten. Seine Worte klangen in ihrem Gedächtnis, als habe sie diese erst am Tag zuvor aus seinem Mund gehört.

Sie liebte dieses Land! Den Nordwesten Amerikas. Wenn es an etwas keinen Zweifel gab, dann daran. Julie gestand sich selbst vor langer Zeit schon ein, dass sie sich mit diesem Land auf unerklärliche Weise verbunden fühlte und Sehnsucht empfand, wenn sie daran dachte. Fragte man sie, warum sie immer den Westen Nordamerikas als Reiseziel wählte, gab sie stets zur Antwort, dass ihr Herz dort leben würde und sie es eben von Zeit zu Zeit besuchen müsse. Manchmal bildete sie sich sogar ein, das Land würde regelrecht nach ihr rufen.

Eine unerfüllte Sehnsucht, die sie bis zum heutigen Tag beherrschte, war eine Reise weiter hoch in den Norden. Ja, der Yukon sollte es sein! Sie wollte die Mannigfaltigkeit des Landes, mitsamt der Schönheit, der Härte und den Gefahren, die von ihm selbst und den dort lebenden Tieren ausging, so hautnah wie möglich erleben. Julie war mit der Natur und den Tieren groß geworden. So vieles in ihrem Leben deutete auf ihre Naturverbundenheit und Tierliebe hin und sie vermutete, dass tief in ihrem Inneren etwas schlummerte, das sie auf ungewöhnliche, stille Weise mit ihnen in Verbindung treten ließ.

Julie schluckte kurz, während sie überlegte, ob ihre bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen auch wirklich für dieses raue Land genügen würden. »Was soll’s!«, brummte sie. »Das werde ich ja dann schon sehen«, setzte sie beinahe trotzig nach.

Nun wollte sie aber endlich beginnen zu packen und schwang sich mit einem geschmeidigen Sprung auf die Beine. Der Wind war zum Erliegen gekommen und der Regen hatte einen monotonen Rhythmus gefunden. Es dauerte keine zehn Minuten und Julie hatte alles in ihrem Rucksack verstaut. Zufrieden stand sie nun da, mit den Händen in der Hüfte, als sie ein sanftes Tippeln hinter sich vernahm.

Ihre Hündin Tipsy lief ihr mit gesengtem Kopf und hängender Rute aus dem Nebenzimmer entgegen. Das Unwetter und die Unruhe Julies hatten sie schlafen lassen, aber der gepackte Rucksack beunruhigte sie dafür umso mehr. Sie wusste nur zu gut, was dieses Ding zu bedeuten hatte. Traurigkeit und Sorge lagen in ihrem treuen Hundeblick.

Julie kniete sich zu ihr nieder. »Na meine Kleine?«, begann sie, während sie ihre Hände nach dem Kopf der Hündin ausstreckte. »Du weißt, was schon bald kommen wird, nicht wahr? Es wird nur länger sein als gewöhnlich.« Den Kopf ihrer Hündin in ihren Händen haltend, verharrten beide von Angesicht zu Angesicht. Julie kraulte sanft die samtigen Ohren der Hündin und sah ihr dabei in die Augen. »Ich kann dich wirklich nicht mitnehmen und die Jüngste bist du auch nicht mehr. Du brauchst dich nicht zu sorgen. Ich werde gut auf mich aufpassen und jeden Tag an dich denken, und das weißt du.« Sie machte eine kurze Pause, in der sie hörte, dass der Regen aufgehört hatte. Dabei lag ein feines Lächeln auf ihren Lippen. »Wo hast du eigentlich Joky gelassen? Hast du sie auf so weite Exkursion geschickt, dass sie es vor dem ungemütlichen Wetter nicht mehr zurückgeschafft hat und sie woanders Unterschlupf suchen musste?«

Die Brauen der Hündin zogen sich nach oben und kaum dass Julie sich versah, hatte sie eine kalte und feuchte Hundenase in ihrem Gesicht. Die Hündin stand nun unruhig und schwanzwedelnd vor ihr, abwechselnd knurrend oder bellend.

»Du hast wohl etwas gehört. Bist eben meine Feine!«, sagte sie lachend, als die Hündin sich wieder niederlegte.

Nun vernahm auch Julie ein Klacken an der Eingangstüre. »Aha!« Sie stand auf und hörte es erneut. »Geht es dir mal wieder nicht schnell genug?« Zügig ging sie zur Türe und erneut klackte es. Sie sah wie die klaren Kulleraugen so gut es ging durch die Glasscheibe der Haustüre ins Innere zu spähen versuchten. Die kleine schildpattfarbige Katze musste sich dafür auf ihre Hinterbeine stellen, um über den unteren Rand der Türe hinwegsehen zu können. Ihr Kopf bewegte sich unruhig von rechts nach links und auf und ab.

»Ich komme ja schon!«, rief Julie laut.

Ein vorwurfsvolles Miauen ertönte, als die Katze bemerkte, dass sie erhört wurde.

Mit einem herzlichen Lachen öffnete Julie schließlich die Türe und ließ eine durchnässte, schlecht gelaunte und meckernde Katze in die Wohnung. »Hallo, da bist du ja, Joky. Wie schaust du denn aus?«

Immer noch etwas vorwurfsvoll, aber zunehmend freundlicher schmiegte sich die Katze nun um Julies Beine.

»Zu was der Türvorleger doch alles gut war!«, dachte sich Julie. Die Katze brauchte nur mit ihrer Pfote eine Ecke des Vorlegers anzuheben und nachdem sie es losließ, fiel es mit einem Klacken wieder zu Boden.

»Super Sache dieser Vorleger, was Joky? So kann ich dich nie überhören.«

Noch geduldig verharrend, machte sich jedoch allmählich ein Anflug von Eifersucht in dem kleinen schwarzen Körper der Hündin breit, während sie das Tun der beiden betrachtete. Als sie es schließlich nicht mehr aushielt, sprang sie auf und rannte den beiden schwanzwedelnd entgegen.

»Ja, diesen Anblick kannst du nicht lange ertragen«, sagte Julie und streichelte nun beide, nachdem sie in die Hocke gegangen war. Tipsy drängte sich so sehr zwischen die beiden, dass es Julie schwerfiel auch die Katze noch streicheln zu können. Liebevoll sah sie beide an. »Langsam Tipsy, ich habe zwei Hände und für jede von euch beiden ist eine da. Ich hab euch doch beide gleich lieb. Nur weil ich sie teilen muss, die Liebe, bedeutet das dennoch nicht, dass sie für eine von euch beiden weniger wird.«

Julie sprach immer zu ihren Tieren. Es war ihr durchaus bewusst, dass sie ihre Worte nicht verstehen würden, doch hoffte sie, dass etwas in ihnen sie erreichte. Mochten doch die Leute denken, was sie wollten. Sie war eben wie sie war. Jemand, die ihren Empfindungen immer freien Lauf gewährte und in ihren Handlungen einen starken Gerechtigkeitssinn verkörperte.

»Nun wollen wir uns aber auf die Nacht vorbereiten. Morgen wird ein anstrengender Tag werden«, sagte sie, während sie sich eine Jacke überwarf, um kurz mit ihrer Hündin noch einmal vor die Türe zu gehen. Die Katze schlich sich währenddessen zu ihrem Schlafplatz und rollte sich behaglich schnurrend zusammen.

WEHMÜTIGER ABSCHIED

Es war früh am Morgen, als Julie ihren Wecker ausschaltete und sich ausgeschlafen im Bett streckte. Die Vögel zwitscherten zaghaft der noch schlafenden Sonne entgegen und die Luft war durch den Regen am Vorabend klar und erfrischend. Sie schob die Bettdecke zur Seite und sprang aus dem Bett. Rasch zog sie sich an und war im nächsten Moment, mit der Katze als Vor- und der Hündin als Nachhut, aus der Türe getreten.

»Was für ein herrlicher Morgen!«, dachte Julie, als sie von der Terrasse des Hauses Ausschau nach den weidenden Pferden hielt. Sie klatschte ein paarmal in die Hände. »Windus, Yotimo, auf geht’s, es gibt Frühstück!«

Sie ließen nicht lange auf sich warten. Mit erhobenem Schweif und aufgeblähten Nüstern brachen die beiden schwarzbraunen Wallache aus den Nebelschwaden der Senke mit einem freudigen Wiehern im gestreckten Galopp den Hügel hinauf. War es doch genau diese graziöse Anmut, die ein Pferd aus Liebe und Freude zu seiner Freiheit präsentieren konnte, die Julie immer wieder aufs Neue in einen faszinierenden Bann zog.

Im Stall warteten die beiden Pferde bereits ungeduldig auf ihr Futter, als Julie hereinspazierte. »Guten Morgen Jungs, alles klar bei euch?«, rief sie freudig. Sie gab ihnen Kraftfutter in den Trog und begann den Stall auszumisten. Als sie sich währenddessen an den Augenblick ihrer ersten Begegnung mit den beiden Pferden erinnerte, umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Sie hatte sich auf Anhieb in die beiden verliebt. Für einen Moment unterbrach sie ihre Tätigkeit, stützte sich auf dem Knauf der Mistgabel ab und betrachtete die zwei, wie sie genüsslich ihr Futter fraßen.

Julie wusste bereits damals, dass jeder der beiden sie eine lange Strecke ihres Lebens begleiten würde, und sie versprach sich und den Pferden, sie für nichts auf der Welt wieder herzugeben. Windus, der Ältere der beiden, begleitete sie nun schon mehr als ihr halbes Leben.

»Wie die Zeit doch gelegentlich zu fliegen scheint«, überlegte Julie. Dabei bemerkte sie, dass sie sich nun selbst etwas beeilen sollte. Sie leerte die volle Schubkarre, sah nach dem Wasser und streichelte den beiden Pferden zum Abschied liebevoll den Hals. »Ich werde später wieder zu euch kommen, dann reiten wir aus. Erst mal gehe ich aber mit Tipsy spazieren.« Daraufhin wandte sie sich von ihnen ab und ging Richtung Stalltüre. Dort stand die kleine Hündin schon erwartungsvoll parat. Sie hechelte freudig und wedelte aufgeregt mit ihrer Rute. »Ja, jetzt geht es los!« Julie drehte sich noch einmal nach den Pferden um und verließ anschließend mit ihrer Hündin den Stall.

Beim Spaziergang stellte sich Julie vor, wie sie nach einem Ausritt am Vormittag später am Mittag zum Essen bei ihren Eltern sein wollte. Sie empfand ein starkes Bedürfnis noch eine Weile mit ihnen zu verbringen und sich intensiv zu verabschieden. Ein Fuchs schlich währenddessen zu ihrer Linken geduckt durch das Gras. Plötzlich hielt Julie an und blickte auf. Der laue Sommerwind strich ihr dabei einige Haarsträhnen über die Stirn und ihr zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenes kastanienbraunschimmerndes Haar wiegte sich rhythmisch in der Brise. Sie sah, wie das satte Rotorange der aufsteigenden Sonne allmählich die zuvor einheitlich graublaue Tönung des Himmels verdrängte. Gefesselt vom Anblick des Sonnenaufgangs stand sie mit ihrer Hündin an ihrer Seite für eine Weile einfach nur da und betrachtete das Farbenspiel. Nachdem die Sonne zu einem Drittel aufgestiegen war, ging sie weiter. Sie dachte darüber nach, dass morgen der große Aufbruch bevorstand. Hoffentlich musste sie nicht allzu sehr mit den Tränen kämpfen. »Wird schon alles gehen …«, beruhigte sie selbst ihre Gedanken.

Als Julie die Türe zur Wohnung ihrer Eltern öffnete und den Flur entlangging, drang der Duft der Köstlichkeiten bereits an ihre Nase. Sie atmete tief ein, um den Geruch von Röstzwiebeln und gebratenen Pilzen noch intensiver wahrnehmen zu können. Jetzt erst fiel ihr auf, wie hungrig sie war, hatte sie doch im Eifer des Gefechtes ganz vergessen, etwas zu frühstücken. Ihr wurde nun auch klar, woher das flaue Gefühl in ihrer Magengegend kam. Ihr Vater stand mit zubereitetem Knödelteig an den Fingern in der Küche und ihre Mutter deckte im Esszimmer den Tisch. »Hallo Julie!«, ertönte es von beiden Seiten.

»Hallo zusammen! Ich habe einen ganz schönen Hunger mitgebracht!« Während Julie ihrem Vater über die Schulter linste, drückte sie ihm einen dicken Kuss auf die Wange.

»Du kommst genau richtig!«, sagte ihre Mutter, die nun aus dem Nebenzimmer in die Küche gelaufen kam. Auch sie bekam einen Kuss auf die Wange. »Es ist fast alles fertig, nur dein Vater braucht mal wieder etwas länger. Du kennst ihn ja, wie er sich an seinen Knödeln immer verkünsteln kann.« Lächelnd schüttelte sie den Kopf.

Ihr Vater holte tief Luft. »Ah, ich arbeite doch schon an der zweiten Portion. Ich bin schon längst fertig. Wegen mir können wir loslegen, bevor die ersten Knödel wieder kalt werden«, konterte er. Dabei schnitt er die fertigen Knödel in Scheiben, legte sie auf einen Teller und trug sie ins Esszimmer. »Sofern deine Mutter den Salat und die Pilze fertig hat«, ließ er sich nicht nehmen nachzusetzten.

Ein selbstzufriedenes Schmunzeln lag auf seinen Lippen und Julie amüsierte sich sichtlich über deren Neckereien.

Nachdem sich alle gesetzt hatten, bediente sich jeder nach Herzenslust und genoss zunächst schweigend ein paar Bissen des leckeren Essens.

»Hast du alles fertig gepackt?«, unterbrach Julies Mutter schließlich die Stille.

»Ja, hab alles fertig und alles in meinen beiden Taschen unterbekommen.«

»Meinst du nicht, dass das zu wenig ist, was du mitnimmst? Ich meine, du wirst ja eine ganze Weile dort leben.«

»Ich denke schon, dass mir das genügt. Ich werde mir in Whitehorse etwas kaufen, falls mir etwas fehlen sollte«, erklärte Julie.

Ihr Vater legte seine Gabel an den Rand des Tellers, lehnte sich zurück und schluckte den letzten Bissen hinunter. Ohne den Kopf in Julies Richtung zu wenden, bewegten sich seine Augen nun hinter entspannten Augenliedern zu ihr. »Du bist verrückt!«

Als habe sie damit gerechnet, lehnte auch sie sich nun gelassen nach hinten. »Ach was, ich kann meine Wäsche doch waschen, da braucht man doch nicht zig Klamotten mitzunehmen.«

Julie wusste genau, dass die Aussage ihres Vaters sich nicht auf die geringe Anzahl ihrer Kleidungsstücke bezog, als vielmehr auf die Tatsache ihres Vorhabens an sich. Diesen Scherz konnte sie sich jedoch nicht verkneifen.

Breit lächelnd sah sie ihren Vater an. Es war ihm nicht gelungen, ernst zu bleiben, denn auf seinen Lippen fand sie dieses verschmitzte, ihm eigene Lächeln, das sich bis hin zu seinen Augen zog. Es verriet, dass er ihre Entscheidung zwar nicht so recht nachvollziehen konnte und er Angst um sie hatte, aber auch, wie sehr er sich für sie freute. Womöglich beneidete er sie sogar für ihren Mut.

»Also, ich finde das klasse!«, warf Julies Mutter zeitgleich ein. »Manche Dinge sollte man einfach tun, solange man jung ist. Sie hat doch recht, sich diesen Traum zu erfüllen, finde ich!« Dabei sah sie Julie ermutigend an.

Zunächst aßen alle weiter, aber man konnte eine leichte Spannung im Raum spüren.

Dieses Gefühl der Spannung ließ nach, als Julies Vater das Schweigen unterbrach. »Was will denn eine junge Frau mit gerade mal zweiunddreißig Jahren in der Wildnis? Du kennst dich doch überhaupt nicht aus mit den ganzen Herausforderungen, die dort auf dich zukommen können. Und die Menschen kennst du ja auch noch nicht. Du hättest das Buch doch auch hier schreiben können. Weißt du denn mittlerweile, worüber du scheiben möchtest und hast du dir schon einen Titel ausgesucht?«

Endlich machte ihr Vater eine Pause, so dass Julie sich zu all dem äußern konnte. »Na so jung bin ich auch nicht mehr, aber danke für das Kompliment!«, begann sie, während sie ihrem Vater zuzwinkerte. »Das ist richtig, ich kenne mich überhaupt nicht aus, aber genau deshalb möchte ich dort hin, um das Wesentliche zu lernen. Und ja, auch werde ich die Menschen erst kennenlernen, wenn ich dort bin. Du weißt doch, dass ich keine Hemmungen habe, mit anderen in Kontakt zu treten. Ich stelle mir das alles nicht so schwierig vor.«

In der Tat war Julie eine sehr offene und herzliche Person ihren Mitmenschen gegenüber, denen sie unvoreingenommen begegnete. Allerdings ließ sie die Vorsicht zu fremden Menschen manchmal etwas zaghaft und scheu wirken.

»Nun, ich weiß noch nicht so genau, was ich schreiben werde. Ich denke, ich werde auch hier mein Herz entscheiden lassen. Geschweige denn, dass ich weiß, wie ich das Buch nennen werde! Das werde ich zu gegebener Zeit entscheiden und es dir dann gleich sagen.«

Ihr Vater hatte natürlich gar nicht so Unrecht mit dem, was er sagte. Sie hatte wirklich keine Ahnung, was sie erwarten würde. Schließlich hatte sie sich nur aus dem Bauch heraus für eine Gegend auf einer Ranch entschieden, die sie nach kurzen Recherchen im Internet gefunden hatte. Die bisherige Kommunikation mit einer Teilhaberin der Ranch stellte sich aber so unkompliziert dar, dass Julie ein gutes Gefühl bei der Sache hatte. Wenn sie sich auf etwas verlassen konnte, dann waren es ihr Bauchgefühl und ihr Instinkt, und eine innere Stimme sagte ihr, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.

»Macht euch keine Sorgen, ich bekomme das alles schon hin und ich bin mir sicher, dass es mir dort gut ergehen wird. Ich habe schließlich schon ganz andere Dinge in meinem Leben gemeistert. Stellt euch lieber die vielen tollen Abenteuer vor, die ich dort bestimmt erleben werde.«

Julie hoffte, dass ihr der besänftigende Versuch, ihre Eltern endlich von den sorgenvollen Gedanken abzubringen, einigermaßen gelungen war. Vorsichtshalber wechselte sie das Gesprächsthema. Ihre Eltern wollten sich um die Tiere kümmern, solange sie weg sein würde, und daher erklärte sie ihnen zum gefühlt vierzigsten Mal, was sie bei deren Versorgung beachten sollten. Auch ihre Mutter fand noch andere Themen, über die man sprechen konnte, und so befanden sich alle am Ende des Essens in entspannter, heiterer Stimmung. Gemeinsam räumten sie das Geschirr vom Tisch und erledigten den Abwasch, während ihre Gespräche anhielten. Anschließend machte sich Julies Vater wieder an die noch nicht ganz fertigen Knödel, die es noch zu kochen galt und Julie und ihre Mutter setzten sich mit einer Tasse Kaffee erneut an den Tisch, um die morgige Fahrt zum Flughafen zu besprechen. Ihre Mutter würde Julie zum Flughafen bringen.

»Wann startet dein Flugzeug nochmal?«

»Um fünf vor zehn. Ich habe mir überlegt, dass wir gegen fünf Uhr losfahren. Ich hoffe, das ist in Ordnung.«

Julie würde von Stuttgart aus fliegen und sie wollte genug Zeit haben, falls es auf der Autobahn zu einem Stau kommen sollte. Sie wollte lieber zu früh dort sein, als dass sie nachher hetzen müsste.

»Das habe ich mir schon gedacht, dass du so früh los willst.« Der Blick, der dabei von Julies Mutter ausging, verdeutlichte, wie gut sie ihre Tochter doch kannte. »Natürlich ist das in Ordnung! Ich werde startklar sein, wenn du kommst«, äußerte sie sich nach einer kurzen Pause, wohl wissend, dass sie Julie dadurch eine große Last abnehmen würde. Als sie Julie ansah, las sie in deren Augen eine tiefe Dankbarkeit.

»Danke! Vielen Dank für alles, Mami!« Mehr brauchte sie nicht hinzuzufügen.

»Ich melde mich, wenn ich in Whitehorse angekommen bin. Ihr wisst, dass ich noch einen ganzen Tag nach meiner Ankunft dort sein werde, bevor mich am darauffolgenden Tag eine Person der Ranch vom Hotel abholen wird. Ansonsten werde ich mich vermutlich von der Ranch und der Hütte nicht allzu oft melden können. Wenn überhaupt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man dort keine Möglichkeit zum Telefonieren hat«, erklärte sie.

»Das ist schon recht so, Julie. Du meldest dich einfach, wie es dir passt«, meinte ihre Mutter verständnisvoll.

Julie warf einen kurzen Blick auf die Wanduhr und bemerkte, dass sie sich allmählich verabschieden sollte. Es war bereits vorangeschrittener Nachmittag und sie wollte vor dem Abend noch eine große Runde mit ihrer Hündin spazieren gehen. »Ich werde nun aufbrechen«, meinte sie, während sie aufstand. Gemeinsam mit ihrer Mutter ging sie in die Küche, wo ihr Vater schon auf sie wartete. »Vielen Dank für das leckere Essen bei euch! Deine Knödel waren mal wieder Weltklasse, Papi!«, sagte Julie, indem sie zunächst ihren Vater und dann ihre Mutter liebevoll ansah.

Julie war jemand, der der Abschied immer sehr schwerfiel und deshalb wollte sie diesen Moment so kurz wie möglich halten.

Herzlich schloss Julie zunächst ihre Mutter in ihre Arme. »Wir sehen uns ja dann morgen noch mal!«

»Ja, bis morgen, Julie!«

Anschließend wandte sie sich ihrem Vater zu. Die beiden sahen sich tief in die Augen, bevor auch sie sich fest in die Arme nahmen.

»Pass bloß auf dich auf, hörst du!«, flüsterte er ihr ins Ohr.

»Das werde ich!«, sagte Julie mit zittriger Stimme, die verriet, wie nahe ihr dieser Moment ging.

Während sie die Umarmung lösten, hielt Julie die Augen geschlossen, damit sie die aufkommenden Tränen besser zurückhalten konnte. Sie benötigte einen kurzen Moment, um sich zu sammeln. »Und ihr passt mir auf euch auf, ja?« Daraufhin sah sie beide noch einmal kurz an. Zügig ging sie schließlich in Richtung Eingangstüre, drehte sich mit dem Griff in der Hand noch einmal um und hob ihre andere Hand zum Abschied. Dann war sie auch schon aus der Türe getreten.

Die Sonne ging bereits unter, als Julie gemeinsam mit ihrer Hündin und ihrer Katze das Haus betrat. Zuvor hatte sie in Begleitung der beiden die Pferde gefüttert und sich von ihnen verabschiedet, als würde sie am nächsten Morgen wiederkommen, um sie wie gewohnt zu versorgen. Sie zog ihre Schuhe aus und gab Tipsy und Joky deren Futter, ehe sie an sich dachte. Die beiden zufrieden bei ihrem genüsslichen Mahl betrachtend, überlegte Julie, was sie selbst noch zum Abendessen hatte. Schließlich hatte sie fast alles in ihrem Kühlschrank zu Neige gehen lassen. Sie belegte sich ein Brot mit den restlichen Käsescheiben, biss hinein und ging mit dem Brot in der Hand ins Bad. Dort drehte sie den Wasserhahn auf, um sich ein Bad einzulassen, und setzte sich dann kauend auf den Rand der Badewanne. Julie ließ in Gedanken den verlebten Tag Revue passieren und stellte fest, dass er an sich perfekt gewesen war. Sie hatte sich von allen so verabschieden können, wie sie es sich vorgestellt hatte und es verlief weniger dramatisch, als es hätte sein können. Nachdem sie den letzten Bissen gegessen hatte, entkleidete sie sich und ließ sich entspannt in das wohlige Nass gleiten. »Wie gut das tut!«, dachte sie. Dabei überlegte sie, dass sie Morgen um diese Zeit noch im Flugzeug sitzen würde und wie froh sie war, dass sie bei ihrem Flug von Stuttgart nach Whitehorse nur einen Zwischenstopp in Vancouver in Kauf nehmen musste.

Nach einer Weile des Entspannens bemerkte Julie, wie ihr die Augenlieder allmählich schwer wurden und sie erhob sich aus der Wanne. Sie trocknete sich ab und zog sich ein langes T-Shirt über. In der Küche lief ihr Joky entgegen, die ihr zu verstehen gab, dass sie hinaus wollte. Julie streichelte die Katze vom Kopf bis über den Rücken, öffnete die Türe und sah ihr nach, wie sie aus dem Licht, das durch die Eingangstüre drang, in die mondlichthelle Nacht verschwand. »Bis morgen meine kleine große Jägerin!«, gab sie ihr noch mit auf den Weg. Sie schloss die Türe und wandte sich Tipsy zu, die mitten in der Wohnung auf einem Teppich lag und mit angehobenem Kopf verfolgte, was Julie wohl als Nächstes tun würde. »So, Tipsy, da haben wir heute aber einen tollen Tag gehabt!« Währenddessen ging sie auf die Hündin zu. Sie setzte sich neben sie und kraulte ihr den Nacken. Die Hündin legte sich zufrieden und entspannt auf die Seite und genoss sichtlich die Streicheleinheiten. Julie wusste, dass ihr am Morgen einfach keine Zeit mehr bleiben würde, um sich in Ruhe von ihr zu verabschieden. War die kleine Hündin doch scheinbar die Sensibelste und forderte am ehesten die ihr gebührende Aufmerksamkeit. So verharrte Julie eine Zeitlang, bis sie völlig von Müdigkeit übermannt wurde. Sie flüsterte der Hündin noch ins Ohr, dass sie sie sehr lieb habe, stand dann unter gähnen auf und begab sich anschließend schlaftrunken in ihr Schlafzimmer, wo sie sich wie ein Stein aufs Bett fallen ließ. Es dauerte nicht lange und sie befand sich auf dem Weg zu ihren Träumen.

AUFBRUCH

Trotz der frühen Morgenstunde verlief die einstündige Fahrt zum Flughafen sehr gesprächig und unterhaltsam zwischen Julie und ihrer Mutter. Die orangegelb strahlende Sonne ging gerade auf, als die beiden auf die Straße zum Abflugterminal einbogen. Sie hatten Glück und konnten direkt vor dem Eingang parken. Nachdem sie ausgestiegen waren, öffnete Julie den Kofferraum, um ihre Taschen herauszunehmen. Sie legte die Jacke um ihre Hüfte, schnallte ihre Bauchtasche um und setzte den Rucksack auf den Rücken. Dann wandte sie sich ihrer Mutter zu, die bereits auf dem Gehsteig wartete. Für einen Moment standen sich die beiden schweigend gegenüber, bevor sie sich fest in die Arme nahmen.

»Viel Spaß und alles Gute wünsche ich dir, Julie! Melde dich kurz, wenn du angekommen bist!«, bat die Mutter, während sie ihre Umarmung lösten.

»Danke! Danke auch nochmal, dass du mich hierher gefahren hast! Ja, ich werde anrufen, wenn ich da bin. Versprochen!« Ein liebevolles Lächeln lag dabei auf ihrem Gesicht und ein Augenblick des Schweigens folgte. »Dann mach ich mich jetzt auf den Weg. Komm gut wieder nach Hause, Mami!«

Julies Mutter hob noch einmal ihre Hand zum Abschied, bevor sie sich in den Wagen setzte und losfuhr.

Die immense automatische Drehtür quietschte, als Julie die riesige Abflughalle betrat. Nach ein paar Metern hielt sie an, um sich zwischen der umherlaufenden Menschenmenge zu orientieren. Schon von weitem sah sie nun die große, leuchtende Tafel hoch oben in der Mitte der Halle, an der die Abflugzeiten, die Check-in-Schalter und die Abflugterminals bekannt gegeben wurden. Sie ging los in deren Richtung und blieb davor stehen, um nachzusehen, an welchem Schalter sie sich für ihren Flug einchecken musste. Andere taten es ihr gleich und es herrschte reges Gemurmel um sie herum. Nachdem sie daraufhin eingecheckt und ihr Gepäck aufgegeben hatte, passierte sie die Zollkontrolle. Sie stellte fest, dass sie noch genügend Zeit hatte, bevor das Flugzeug starten würde und so entschloss sie sich zu einer Tasse Kaffee und einem kleinen Frühstück. Sie musste nicht weit gehen und entdeckte ein Café.

Aromatischer Kaffeeduft drang an ihre Nase und im Hintergrund lief entspannende Klaviermusik aus kleinen dunklen Lautsprechern. Wie sie so dasaß, die Beine übereinandergeschlagen, die Ellbogen auf den Tisch stützend und ihre Tasse zum Mund führend, bemerkte Julie, wie sie anfing, die vorbeiströmende Menschenmenge zu betrachten. Ihr fiel ein Pärchen auf, das sich beim Vorübergehen zankte, ein Vater, der mit seiner Tochter lauthals diskutierte, ein Geschäftsmann, der sich vor Eile beinahe überschlug, und eine Familie, die scheinbar völlig entnervt schweigend nebeneinander herging. Ihr fielen durchaus auch fröhliche Menschen auf. Dennoch waren es die Gehetzten und Gestressten, die Julies Blicke auf sich zogen. Sie dachte darüber nach, warum es ihr manchmal so vorkam, dass hierzulande die Menschen so unzufrieden schienen. War es das Bestreben nach immer mehr, oder der auferlegte Zwang, in der Gesellschaft mithalten zu müssen? »Vermutlich beides«, gab sie sich in Gedanken selbst zur Antwort. Julie stellte ihre Tasse ab und lehnte sich mit einem innerlichen Seufzen zurück. »Im Gesamten betrachtet, ist es doch wohl eher eine Misere des Systems!«, überlegte sie und in ihrem Gesichtsausdruck spiegelten sich Verständnis und Mitgefühl.

Dies war einer der Gründe, warum sich Julie schon früh für ein zurückgezogenes Leben entschieden hatte. Die Abgelegenheit und Einfachheit ihres kleinen Hauses, die Nähe zur Natur und das harmonische Miteinander ihrer Familie, mitsamt den Tieren, gaben ihr die innere Ruhe und Zufriedenheit, der es bedurfte, um dem Einfluss der hektischen und auf psychische Manipulation angelegten Gesellschaft zu entkommen. Nicht immer stieß sie jedoch auf Verständnis, was ihre Lebensweise betraf, und es machte auch bei Weitem nicht alles einfacher. Allerdings war dies der Weg, den Julie für sich ausgesucht hatte und sie war glücklich dabei. War es nicht genau das, worauf es im Leben ankommen sollte?

Julie richtete nun ihre Aufmerksamkeit auf das Brötchen, das vor ihr lag, und biss mit Genuss hinein. Nachdem sie aufgegessen und ihren Kaffee getrunken hatte, schlenderte sie noch ein wenig durch die Flughafengeschäfte, ehe sie sich zum Abflugterminal begab. Die verbleibende Zeit, bevor das Flugzeug starten würde, wollte sie mit Lesen verbringen. Sie setzte sich in die Wartehalle und packte ihr Buch aus. Erst eine Frauenstimme, die nach einer Weile über große Lautsprecher an ihr Ohr drang, ließ sie aufhorchen.

»Meine sehr verehrten Damen und Herren. Das Flugzeug mit der Flugnummer 8484 nach Vancouver steht nun an Terminal 147 zum Einsteigen bereit. Bitte halten Sie Flugticket und Ausweis bereit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.«

Julie lächelte voller Vorfreude, während sie das Buch verstaute und ihren Pass und ihr Ticket aus der Tasche zog. Als sie aufsah, hatten sich bereits einige Leute in eine Warteschlange eingereiht. Sie packte ihre Sachen zusammen, stand auf und stellte sich in die Reihe. Schließlich übergab sie der wartenden Stewardess ihr Ticket, das diese entwertete, und folgte daraufhin einem langen Gang, der am Bug des Flugzeuges endete. Beim Betreten der Maschine wurde sie freundlich von der Crew begrüßt. Nach einem kurzen Blick auf ihr Ticket zeigte ihr die Stewardess den richtigen Gang zu ihrem Sitzplatz. Julie verstaute zunächst die Jacke und die Tasche in der Ablage über ihrem Sitz, ehe sie sich setzte. Sie atmete tief ein und langsam wieder aus und bemerkte, wie sich jeder Muskel in ihr zu lockern begann.

Flugangst war für Julie nie ein Thema gewesen. Ganz im Gegenteil. Sie fühlte sich immer sehr wohl, hoch oben über den Wolken. Beim Start der großen Maschinen war sie schon immer von der gewaltigen Kraft fasziniert, die dahinterstecken musste, um solch einen Kollos in die Lüfte zu heben.

Während das Flugzeug nun zur Startbahn rollte, schloss Julie die Augen. Sie ließ sich voll und ganz auf den Moment ein, in dem sie durch die zunehmende Geschwindigkeit der Maschine zunächst sanft und dann aber mit stetig steigender Vehemenz in die Tiefe ihres Sitzes gezogen wurde.

AN DEN UFERN DES YUKON

Julie öffnete die Augen. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen, der der anbrechenden Helligkeit Einlass gewährte, sah sie, dass draußen allmählich der neue Tag erwachte. Sie streckte und räkelte sich gähnend, wobei ihre Muskeln teilweise leicht erzitterten.

Nach ihrer Ankunft am späten Vorabend am Flughafen von Whitehorse war sie, nachdem sie mit einem Shuttle-Bus zum ›Best Western‹ gefahren war und ihrer Familie über ihre sichere Ankunft berichtet hatte, so übermüdet, dass sie nur noch ins Bett gefallen war. Nun hatten der Schlaf, Tatendrang und freudige Erwartung sie mit neuer Energie aufgeladen.

Ohne Eile und dennoch zügig stand sie auf, zog sich an und verließ das Hotelzimmer. Bereits bei ihrer Ankunft hatte Julie bemerkt, wie sorgfältig das Hotel gestaltet war. Aber nun, als sie aus dem Aufzug trat und in Richtung Restaurant ging, fühlte sie sich in eine andere Zeit versetzt. Das gedrechselte nussbraune Geländer, das die Treppe und die Abgrenzung der ersten Etage zierte, der Fußboden, der beim Betreten knarzte, und selbst die Rezeption, die an eine alte Poststelle erinnerte, alles war aus einfachem Holz gezimmert und voller Harmonie. Ein riesiger ausgestopfter Elchkopf mit weit ausladenden elfenbeinfarbenen Schaufeln schmückte den Holzbalken direkt neben dem Wartebereich und ließ den Betrachter die unmittelbare Nähe zur Wildnis spüren. Die Uhr war stehen geblieben und die Zeiten des Goldrausches am Yukon wurden lebendig.

Julie hatte sich entschlossen einen Tag in Whitehorse zu verbringen, um die Hauptstadt des Yukon Territoriums zu erkunden, bevor es weiter zur Ranch gehen sollte. Daher verließ sie nach dem Frühstück das Hotel. Es war noch früher Morgen und düsteres, ja beinahe bedrohliches, graues Tageslicht umgab sie. Vor dem Eingang blieb sie stehen. Ihr Blick richtete sich gen Himmel. Dicke schwere Wolken, die ein Durchdringen der Sonnenstrahlen unmöglich machten, bedeckten ihn. Julie schloss die Augen. Die frische klare Morgenluft durchströmte ihre Lungen nach einem tiefen Atemzug. Ein herb holziger Geruch drang an ihre Nase. Ganz in der Nähe musste sich ein Wald befinden. Langsam öffnete sie ihre Augen wieder und nach kurzer Orientierung ging sie los. Auf Höhe des Hougen Centers, vierer aneinandergereihter verschiedenfarbiger Kaufhäuser, die in einem liebevoll gestalteten, beinahe nostalgischem Baustil gehalten waren, überquerte Julie die Straße. Sie hielt erneut an und sah sich um. Es irritierte sie ein wenig, dass sie nach wie vor die einzige Person war, die weit und breit zu sehen war. Kein einziges Auto bewegte sich auf den Straßen und es herrschte absolute Stille. Nur der feine Wind, der ihr ein paar Haarsträhnen ins Gesicht blies, säuselte in ihren Ohren. Die Stadt schien wie ausgestorben. »Das muss wohl an der frühen Morgenstunde liegen«, überlegte sie. Wohl gerade deshalb genoss Julie diesen Moment, scheinbar alleine inmitten der Hauptstadt des Yukon zu stehen.

Als sie weiterging, sah sie, wie hoch oben der Wind immer stärker wurde. Heftige Windböen türmten verschieden graugefärbte Wolkenschichten übereinander. An anderer Stelle rissen sie die Wolkendecke auseinander. Ein türkisfarbenes Himmelszelt kam zum Vorschein. Grelle Sonnenstrahlen blitzten durch die sich öffnenden Wolken. Weiß- und pastellgelb leuchtende Lichtstrahlen fielen auf die Fassaden der Gebäude. Häuser wechselten im Sekundentakt ihre Farbe. Schatten tanzten ein Ballett über den Dächern. Letzte Lichtstrahlen kämpften an den Wolkenrändern, bevor schwarze Wolken die Helligkeit wieder löschten. »Meine Güte, was für ein Anblick!«, waren ihre Gedanken, als sie dieses Vorgehen voller Ehrfurcht betrachtete.

Überwältigt von der Naturkraft ging Julie dennoch weiter, denn sie sah ihn nun von weitem vor sich liegen. Den Yukon River! Sie freute sich schon gleich an seinem Ufer zu stehen. Ehe sie den Fluss jedoch erreichte, zog ein langes Holzhaus, auf dessen Dach ein riesiges dunkelgrünes Schild mit der gelben Aufschrift ›White Pass & Yukon Route‹ angebracht war, ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie trat näher heran und sah ein weiteres, kleineres Schild, das an der Fassade des braunen Rundstammhauses befestigt war. Unter einem naturalistischen Schlittenhundekopf und einem daneben abgelichteten Musher, der von zwölf laufbegierigen Hunden durch eine sagenhafte Winterlandschaft gezogen wurde, standen die englischen Worte ›Yukon Quest Official Start/ Finish Line‹.

»Dies ist also die berühmte Start- und Ziellinie des legendären Yukon Quest!«, hörte sich Julie beeindruckt leise in Gedanken murmeln. Sie wusste, dass das Yukon Quest eines der härtesten Hundeschlittenrennen der Welt ist und Mensch und Tier an seine Grenzen zu bringen vermochte. Daher stand sie für einen Augenblick einfach nur da und ließ diesen Ort auf sich wirken.

»Was er wohl alles erzählen würde, könnte er nur sprechen«, ging es Julie durch den Sinn, als sie schließlich das Ufer des Yukon erreicht hatte. Mächtig und breit lag er in einem langgestreckten Kies- und Steinufer eingebettet zu ihren Füßen. An mancher Stelle stand sattgrünes Gras und die in der Nähe gewachsenen Baumgruppen spiegelten sich leicht, durch die immer mehr an Oberhand gewinnenden Sonnenstrahlen, auf seiner Oberfläche. Unermessliche, klare Wassermassen rauschten friedlich an Julie vorüber. Die Luft war frisch und sie duftete nach dem bittersüßen, terpentinartigen Harzgeruch, der von den die Ufer säumenden Weißtannen, Kiefern und Birken ausging. An manchen Stellen ragten größere Gesteinsbrocken aus dem Wasser und das Rauschen des daran vorüberziehenden Wassers drang wie ein liebliches Lied an ihr Ohr. Julie war so vereinnahmt von dem Augenblick, dass sie nun direkt an diesem riesigen Fluss stand, der Weltgeschichte geschrieben hatte, dass sie alles um sich herum vergaß. Erst der die Stille zerreißende Aufschrei eines Weißkopfseeadlers ließ sie zusammenzuckend ihren Blick abrupt vom sanft dahinfließenden blaugrünen Wasser abwenden und in die Höhe schweifen. Sein Ruf hallte über die gesamte Weite des Flusstales. Julies Nackenhaare stellten sich unwillkürlich auf und ein Schauer lief über ihren Rücken und verursachte eine Gänsehaut. Sie entdeckte ihn gerade am Himmel auf der anderen Seite des Ufers, als sein Ruf von einem weiteren Weißkopfseeadler, der den Fluss hinaufgeflogen kam, erwidert wurde. Zu zweit zogen sie mit breit geweiteten Schwingen ihre Bahnen entlang des gegenüberliegenden Ufers. Julie schaute sich mit einem Strahlen im Gesicht um, ob denn jemand anderes die beiden ebenso sehen würde. Aber es war nach wie vor niemand in sichtbarer Nähe. So richtete sich ihr Blick wieder auf die beiden Weißkopfseeadler und es dauerte nur unwesentlich länger, bis noch drei weitere Adler durch deren Rufe angelockt wurden. Sie flogen entweder umher und verkündeten in der Luft, was sie zu berichten hatten, oder saßen hoch oben in den Wipfeln der tannengrünen Fichten, von wo aus sie sich gegenseitig zuriefen. Es war eine ohrenbetäubende Konversation, denn die Stille, die über dem Flusstal lag, hob die Schreie der Adler noch stärker hervor. Sie begannen immer tiefer zu fliegen, um in der Nähe des Flussufers Beute ausfindig zu machen. Einer der größeren Exemplare stieß schließlich einen Schrei aus, der einem in Mark und Bein fuhr. Er setzte zum Sturzflug an und schoss mit rasanter Geschwindigkeit hinab. Kurz vor der Wasseroberfläche weitete er seine Schwingen und für den Bruchteil einer Sekunde schien er über ihr zu schweben, bevor er blitzschnell an seichterer Stelle mit seinen Klauen die Wogen des Flusses durchbrach. Er hatte Erfolg und konnte einen Fisch erbeuten. Mühsam erhob er sich mit kräftigen Flügelschlägen in die Lüfte und hatte damit zu kämpfen, dass ihm seine nach allen Seiten ausschlagende Beute nicht wieder verloren ging. Am kiesreichen Ufer, an dem er sich niederließ, vermochte er den Fisch schließlich zu bändigen. Noch tiefer bohrten sich nun die riesigen Klauen des Adlers in das Fleisch des Fisches, während er sich nach allen Seiten umsah. Der Fisch versuchte noch ein paarmal verzweifelt zappelnd sich zu befreien, bevor er sich schließlich, in seinen Bewegungen immer langsamer werdend, seinem Schicksal hingeben musste. Der Weißkopf schüttelte sich. Erhaben und anmutig saß er aufgeplustert da und beäugte für einen Moment mit geneigtem Kopf, scheinbar voller Stolz, seine Beute. Anschließend beugte sich sein reinweiß gefiederter Kopf zu seinen Klauen hinab und sein riesiger gelber Schnabel hackte tief in den Fisch, um diesem ein Stück seines saftigen Fleisches zu entreißen. Er war nicht lange alleine, denn ein anderer Adler gesellte sich alsbald zu ihm und versuchte dem erfolgreichen Jäger ein Stück seiner Beute abspenstig zu machen. Die Situation verlief glimpflich, denn nach nur kurzer Zankerei flog der Dieb, nachdem er ein Stück der fremden Beute ergattern konnte, hinauf gen Himmel und ließ sich auf dem Ast einer hohen Kiefer nieder, um sich sein Mal schmecken zu lassen. Währenddessen flog ein Steinadler das Ufer an Julies Seite an. Er landete auf einer Felsplatte, die von ihr nicht weit entfernt lag.

Julie konnte ihn genau betrachten. Das weiche dunkelbraune Federkleid und die klaren, aufmerksamen, stechenden, ja beinahe orangefarbenen Augen, denen vermutlich nichts entgehen konnte, schimmerten glänzend in den momentan vereinzelten, aber intensiven Strahlen der Morgensonne. Sein steingrauer Schnabel war mächtig und spitz nach unten gebogen. Julie getraute nicht, sich zu bewegen, denn sie wollte diesen wunderschönen Vogel so lange wie möglich aus nächster Nähe bewundern. Als der Adler sich mit seiner Brust in ihre Richtung drehte, neigte er seinen Kopf etwas zur Seite. Sein zum Fluss gerichtetes Auge blitzte auf und Julie bildete sich ein, das Spiegelbild der Landschaft darin erkennen zu können. Es machte den Anschein, als betrachte nun der Adler Julie genauer und nicht umgekehrt. Für einen kurzen Moment schauten sie sich direkt in die Augen und es schien, als fließe eine außergewöhnliche Art Energie zwischen ihnen beiden.

Nachdem sich das unsichtbare Band wieder vorsichtig gelöst hatte, senkte und hob der Steinadler sein Haupt, bevor er sich unter einem zischenden Aufschrei wieder abwendete und sich von seinen mächtigen Schwingen in die Luft tragen ließ. Julie stand wie angewurzelt, nicht nur gefesselt von diesem beeindruckenden Moment, sondern auch spürend, dass sie etwas tief in ihrem Inneren soeben berührt hatte. Obwohl es ein ihr vertrautes Gefühl war, wusste sie immer noch nicht, was es ihr mitteilen wollte. Allerdings hatte sie gelernt, es zu akzeptieren und auch zu genießen und sich nicht allzu sehr damit zu beschäftigen, denn die Antwort, die sie erhielt, lag lediglich in ihrer Vermutung.

Die Adler verschwanden genauso schnell, wie sie gekommen waren, und Julie bemerkte plötzlich, dass sie nicht mehr die einzige Person war, die das Ufer des Yukon besuchte. Sie wunderte sich nur, dass sie nicht schon eher bemerkt hatte, dass bereits zuvor andere Menschen an ihr vorbeigegangen sein mussten. Wie lange hatte sie wohl wirklich dem morgendlichen Treiben der Adler geistesabwesend beigewohnt? Julie hatte sämtliches Zeitempfinden während deren Vorstellung verloren und überlegte, dass es an der Zeit war, weiterzugehen.

Die zuvor am Himmel düster hängende Wolkenschicht hatte nun im Gesamten aufgehellt und an einigen Stellen konnte man immer besser einen Blick auf den wunderbar hellblau strahlenden Himmel dahinter erhaschen. Julie wollte zunächst die Gegenwart des Flusses noch weiterhin genießen und dann den restlichen Tag mit der Erkundung der Stadt verbringen. Während sie weiterging und die herrliche Umgebung in sich aufsog, hallte der Aufschrei des Adlers immer wieder, zum Verblüffen ihrer selbst, in ihren Gedanken nach. Etwas irritiert, aber dennoch entspannt, folgte Julie dem Weg, der unmittelbar am Ufer des Flusses entlang führte und auf dessen rechter Seite für eine kurze