The Chaos Chasers MC: Nate - C.M. Marin - E-Book

The Chaos Chasers MC: Nate E-Book

C.M. Marin

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Beschreibung

Nate Völlig unerwartet platzt sie aus heiterem Himmel in mein Leben. Süß und wunderschön. Ein warmer Blick aus Camryns grauen Augen und ihr hinreißendes Lächeln zwingen mich in die Knie. Leider ändert das nichts an der Tatsache, dass ich sie nicht haben kann. Aber das ist in Ordnung - bis sie die Stadt verlassen muss, werde ich mich in ihr verlieren. Doch plötzlich erhält sie unheimliche Drohungen und mein instinktives Bedürfnis, sie zu beschützen, setzt ein. Ob sie es will oder nicht, ich werde nicht von ihrer Seite weichen, bis ich weiß, dass sie in Sicherheit ist. Und als sie der zwischen uns brennenden Anziehung nachgibt, wird mir etwas klar: Ich möchte nie wieder von ihrer Seite weichen. Camryn Trauer und Einsamkeit sind seit einem Jahr meine ständigen Begleiter. Ein Aufenthalt in meiner Heimatstadt klingt ideal, um den Kummer loszulassen und zu versuchen, wieder das sorglose, glückliche Mädchen von früher zu werden. Aber zurück in Texas ist es nicht dieses Mädchen, das ich zuerst treffe, sondern Nate Bowers, Präsident des Chaos Chasers MC. Nate ist kein Heiliger. Das sagt er selbst. Als pragmatische Lehrerin sollte ich so schnell wie möglich vor diesem gefährlichen Mann davonlaufen. Aber hinter seinem harten Äußeren und seiner wilden Natur erkenne ich in seinen dunklen Augen einen fürsorglichen Mann, den er nur mir gegenüber zeigt. Als eine dunkle Vergangenheit, von der ich nicht einmal ahnte, dass sie überhaupt existiert, mir Schaden zufügen will, indem sie mir zeigt, dass das Böse sich das freundlichste Gesicht ausleihen kann, tut Nate alles, um mich zu beschützen. Teil 1 der Reihe rund um den Chaos Chasers Motorcycle Club.

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C.M. Marin

The Chaos Chasers MC Teil 1: Nate

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Svenja Ohlsen

© 2018 by C.M. Marin unter dem Originaltitel „Nate (The Chaos Chasers MC Book 1)“

© 2023 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-580-8

ISBN eBook: 978-3-86495-581-5

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch oder Ausschnitte davon dürfen ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers nicht vervielfältigt oder in irgendeiner Weise verwendet werden, außer für kurze Zitate in einer Buchbesprechung.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Epilog

Autorin

Kapitel 1

Camryn

Ich hätte schon früher zurückkommen sollen. Die Angst, von einer erdrückenden Welle der Trauer überrollt zu werden, sobald ich in die Stadt fahre, hat mich zu lange von zu Hause ferngehalten.

Es ist zweieinhalb Jahre her, dass ich das letzte Mal durch diese sonnigen, ruhigen, blumengesäumten Straßen gefahren bin. Aber als ich mein Auto in die vertraute Wohngegend lenke, in der ich aufgewachsen bin, versetzt mir die Nostalgie einen heftigen Stich ins Herz. Erstaunlicherweise ist es jedoch nicht unerträglich, mich dem Haus zu nähern, dessen Schwelle ich von meinem siebten Lebensjahr bis zu meiner Abreise zum College täglich überschritten hatte. Damals kam ich nur in den Ferien zu meinen Eltern zurück, aber genau wie heute fühlte ich mich hier immer zu Hause.

Als ich an den Häusern der Nachbarn vorbeikomme, merke ich, dass sie noch genauso aussehen wie an dem Tag, an dem ich das letzte Mal von hier weggefahren bin, ohne zu wissen, dass ich fast drei Jahre lang fortbleiben würde. Ich frage mich, ob die Nachbarn auch noch dieselben sind. Einige waren mit meinen Eltern befreundet, andere waren einfach nur nette Leute, denen wir gelegentlich über den Weg liefen, und wieder andere waren die klischeehaften, neugierigen Nachbarn, die diskret – so dachten sie jedenfalls – aus ihren Fenstern spähten, um jeden, der kam und ging zu beobachten, in der Hoffnung, pikante Klatschgeschichten zu erfahren.

Alles in allem eine typische Wohngegend.

Ich atme erleichtert auf, als ich mein kleines rotes Auto endlich vor der geschlossenen Garage parke. Genau dort, wo das Auto meiner Eltern gestanden hatte, bis zu dem Tag, an dem sie beide darin ums Leben kamen und nie mehr nach Hause zurückkehrten. Nie mehr zu mir zurückkehrten.

Ich schnappe mir meine Handtasche, steige aus dem Auto und hole den einzigen Koffer aus dem Kofferraum, den ich mitgebracht habe und in dem sich nur das Nötigste befindet, von alledem, was ich in den sechs Jahren in Los Angeles angehäuft habe. Ich habe die Wohnung und die Stadt so überstürzt verlassen, dass ich nicht mehr als ein paar Kleidungsstücke und meine Toilettenartikel in den Koffer gestopft habe, bevor ich nach Hause zurückfuhr.

Als ich die dunkelblaue Haustür aufstoße, ist die greifbare Stille im Haus meiner Kindheit unheimlich bedrückend. Ich bin ein Einzelkind, also gab es immer nur meine Eltern und mich, und trotzdem herrschte in diesem Haus nie eine solche trostlose Stille wie jetzt. Manchmal war es ruhig gewesen, wenn meine Mutter nicht gerade beim Kochen vor sich hin gesummt oder mein Vater die Aufträge seiner Kunden bearbeitet und lautstark Kisten auf seinen Schreibtisch geknallt hatte, der nun leer im Wohnzimmer steht. Aber dieser Ort war nie traurig. Er war erfüllt von Heiterkeit und Glück. Von Liebe.

Ich muss lächeln, als mein Handy in der Vordertasche meiner Jeans vibriert. Ich weiß, wer es ist, noch bevor ich es in der Hand halte. Colleen hat immer das beste Timing. Außerdem ist sie die Einzige, die mir geblieben ist. So erbärmlich es klingt, aber es gibt niemanden sonst in meinem Leben, der mich noch anrufen könnte.

Ich hebe ab und sage: „Ich wusste, dass du mich anrufen würdest, wenn ich hier ankomme, um sicherzugehen, dass ich nicht mitten auf der Straße in Tränen ausbreche und den neugierigen Nachbarn die beste Show ihres langweiligen Lebens biete. Aber das ist dein bisher perfektestes Timing“, lobe ich sie.

„Du hast noch nicht einmal deinen Koffer abgestellt, oder?“, fragt sie und spart sich ebenfalls eine ordentliche Begrüßung.

„Doch, allerdings gerade erst. Höchstens vor fünf Sekunden“, antworte ich ihr und lehne mich mit einem zufriedenen Seufzer gegen den Holzschrank.

Irgendwann, nach vielleicht acht Stunden ununterbrochener Fahrt, bekam ich das Gefühl, die Reise würde nie enden. Allein der Gedanke daran, diese endlosen Kilometer noch einmal in Angriff zu nehmen, und sei es erst in einigen Wochen, ermüdet mich jetzt schon.

„Was hast du heute geplant? Schlafen? Du hättest wirklich fliegen sollen. Es ist ein Wunder, dass du nicht am Steuer eingeschlafen bist.“

Ich verdrehe die Augen über den mahnenden Ton meiner besten Freundin.

Sie ist vor etwa anderthalb Jahren nach New York gezogen, und vor ungefähr einem Jahr wurde sie zu dieser überbehütenden Mutter, die jedes Mal nervös wird, wenn ich nicht innerhalb weniger Minuten ans Telefon gehe oder auf ihre SMS antworte. Sie verhält sich immer noch so und hat wohl auch gute Gründe dafür – sehr gute, wenn ich ehrlich bin –, deshalb beschwere ich mich auch nie. Jedenfalls nicht mit zu viel Nachdruck.

„Und Hunderte von Dollar für ein Mietauto ausgeben, damit ich nicht zwei Monate lang zu Hause festsitze? Nein, danke. Außerdem weißt du, dass ich nicht gerne ein fremdes Auto fahre. Was macht die Arbeit?“

Das beherzte Würgegeräusch, das sie von sich gibt, sagt alles.

„Wenn es mit einer Karriere in der Verlagswelt nicht klappt, wird sich jeder Coffeeshop im ganzen Land um mich reißen. Tägliche Nutzung einer erstklassigen Kaffeemaschine für eine sehr lange Zeit; das werde ich in fetten Buchstaben ganz oben in meinen Lebenslauf schreiben.“

Ich ziehe die Schultern hoch. „Tut mir leid wegen deines Scheißjobs.“

Während ich mit meinem Posten als Lehrerin gesegnet bin, hat Colleen das ganze Land durchquert, um eine Stelle zu ergattern, die eher einem Barista-Job gleicht als dem Beginn einer Karriere in der Verlagswelt. Bei mir war es hingegen mein Liebesleben, das mir das Herz brach. Colleen hatte in dieser Hinsicht zwar auch kein Glück, aber immerhin weniger Pech als ich.

„Es ist schon okay, wirklich“, versichert sie, aber ein Seufzer der Verzweiflung lässt es trotzdem in der Leitung knacken. „Ein Freund aus meinem Englischkurs hat sogar nur einen Praktikumsplatz bekommen, also kann ich mich glücklich schätzen. Wie auch immer, die fünf Minuten Kaffeepause sind vorbei. Ich kann nicht einmal mehr den Geruch von Kaffee ertragen, also ist die Kaffeepause irgendwie nutzlos. Ich wollte nur mal nach dir hören.“

Ich lache über das Geschimpfe, das einmal mehr auf ihre tiefe Verdrießlichkeit schließen lässt.

„Ich vermisse dich“, sage ich ihr.

„Du fehlst mir auch. Ich hätte Lehrerin werden sollen, genau wie du. Kannst du dir das vorstellen? Wir hätten den ganzen verdammten Sommer damit verbringen können, nichts zu tun. Oder besser noch, die Welt zu bereisen. Paris, London, Madrid, Prag, Rom …“

„Nichtstun, ja. Jede europäische Hauptstadt bereisen?“ Ich halte kurz inne, nachdem ich sie aus ihrem übertriebenen Tagtraum gerissen habe. „Du weißt schon, dass eine Lehrerin keine Milliarden verdient, oder?“

„Sei so lieb und zerstöre nicht meine Träume, bitte. Ich brauche sie“, schimpft sie.

„Okay, dann packe ich jetzt aus, und du solltest wieder an die Arbeit gehen, bevor deine Chefin sich eine andere tolle Barista sucht“, necke ich sie, und sie lacht.

„Ich hab dich lieb. Ruf mich heute Abend an.“

„Okay. Ich hab dich auch lieb.“

Ich lege auf, schaue auf den Koffer neben mir und bin kurz davor, mir selbst auf die Schulter zu klopfen, weil ich keinen zweiten gepackt habe. Mehr Sachen brauche ich sowieso nicht. Wenn man davon ausgeht, dass die Waschmaschine meiner Eltern nach Jahren der Untätigkeit noch funktioniert, reicht ein großer Koffer mit Kleidung für zwei Monate.

Nachdem ich meine Handtasche auf der Anrichte abgelegt habe, hieve ich den Koffer bis zum unteren Ende der Treppe, hebe ihn hoch und schleppe ihn in mein Zimmer, wobei ich jedes Mal kräftig schnaufe, wenn ich eine Pause einlegen muss, bevor ich endlich den oberen Treppenabsatz erreiche. Doch als ich das Zimmer betrete, in dem ich sowohl mit Puppen gespielt als auch unzählige schnulzige SMS an meinen ersten Teenagerschwarm geschickt habe, ist der Koffer bereits vergessen. Die Wände sind immer noch in einem hellen Silbergrau gestrichen, mit Ausnahme der Wand hinter meinem Bett, die in einem schönen Lavendelton erstrahlt. Auf der linken Seite des großen weißen Holzschreibtischs, der zum Bett, zum Schrank und zur Kommode passt, steht immer noch ein inzwischen ziemlich veralteter Computer.

Ich setze mich auf mein Bett, streiche mit der Hand über die weiße Spitzen-Bettdecke, die wahrscheinlich in die Reinigung müsste, und sehe mich um. Gewissensbisse, weil ich nicht früher zurückgekommen bin, überkommen mich. Es ist unglaublich, wie nahe ich mich meinen Eltern in diesen vier Wänden fühle. Es ist einfach unglaublich. Ich trage die Erinnerung an sie in meinem Herzen, egal wo ich bin, aber die Energie der Liebe und des Glücks, die hier herrscht, ist unvergleichlich. Sogar die Stimme meiner Mutter scheint deutlich durch den Raum zu hallen.

Sie und ich waren immer mehr als nur Mutter und Tochter. Wir waren beste Freundinnen. Sie war meine erste Vertrauensperson, von der Zeit, als ich im Kindergarten weinte, weil Jungs meinen Rock hochgezogen hatten, bis zu der Zeit, als ich mich darüber beschwerte, dass die Jungs in der Highschool mich nicht beachteten, wo ich doch alles gegeben hätte für einen einzigen ihrer Blicke.

Mein Blick bleibt an einem Bild von uns dreien auf meinem Schreibtisch hängen. Es wurde an dem See aufgenommen, zu dem wir meistens sonntags gingen. Mein Vater angelte, während meine Mutter und ich uns entspannten, ein Buch in der Hand. Es war nichts Besonderes, aber wir waren zusammen und glücklich.

Ich habe mich immer gefragt, ob meine enge Beziehung zu meiner Mutter der Grund dafür war, dass ich während der Highschool keine beste Freundin hatte, wie die meisten meiner Mitschülerinnen. Nicht, dass ich jemals das Gefühl gehabt hätte, etwas zu verpassen, aber manchmal hatte ich den Eindruck, dass ich anders war als die anderen. Als sie so plötzlich von mir gingen, konnte ich mich jedoch glücklich schätzen, ihnen so nahe gestanden zu haben.

Mein Blick wandert von dem Bild zu meinem Koffer und dann wieder zurück und ich beschließe plötzlich, dass die wenig reizvolle Aufgabe des Auspackens noch ein wenig warten muss. Auch den Schlaf, den mein Kopf nach fast zwanzig Stunden Fahrt dringend braucht, werde ich später nachholen.

Ich stehe wieder auf und verlasse das Schlafzimmer, laufe die Treppe hinunter, schnappe mir meine Handtasche und schließe die Haustür hinter mir, als ich wieder nach draußen gehe.

Es gibt einen Ort, an dem ich auf meinem Weg hierher hätte anhalten sollen, was mir jetzt eine dreißigminütige Fahrt ersparen würde. Ich habe mich dafür entschieden, direkt hierher zu fahren, denn ein Zusammenbruch vor meinem Haus mit Nachbarn, die hinter ihren Fenstern herumspionieren, wäre schon peinlich genug. Aber an einem wirklich öffentlichen Ort zusammenzubrechen, das wäre geradezu demütigend. Doch jetzt, da ich meine Tränen während meiner kurzen Pilgerreise zum Haus meiner Kindheit im Zaum halten konnte, denke ich, dass es wohl ungefährlich ist, meinen knurrenden Magen mit dem traditionellen Samstags-Frühstück zu zähmen, das ich immer mit meinen Eltern geteilt hatte. Heute ist Dienstag, aber ich tue einfach so, als wäre es Samstag. Die besten Pfannkuchen der Gegend klingen fantastisch. Da ich seit dem gestrigen Mittagessen nicht viel mehr als ein paar Snacks gegessen habe, bin ich am Verhungern.

Die Luft im Auto ist stickig und erinnert mich daran, wie drückend es hier im Sommer werden kann. Trotzdem öffne ich das Fenster, anstatt die Klimaanlage einzuschalten, und genieße den warmen Luftstrom, der über meine Haut streicht.

Als ich aus der Stadt herausfahre, werden die Häuser um mich herum von der Wüste verdrängt, die still und hell daliegt. Ich habe die Wüstenstille immer geliebt, so wie ich auch die Stille des Sees immer mochte. Wie das Leben so spielt, bin ich nach meinem Abschluss in L.A. geblieben, aber im Herzen war ich nie ein Stadtkind. Das Gefühl der Ruhe, das sich nun in mir breitmacht, führt mir das deutlich vor Augen.

Ehe ich mich versehe, habe ich mein Ziel erreicht. Dona's, ein quadratisches Gebäude, das in der Ferne auftaucht, verloren zwischen Wohnhäusern und kleinen Geschäften.

Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als ich feststelle, dass sich das kleine Diner überhaupt nicht verändert hat. Die weiße Fassade leuchtet noch immer im hellen Sonnenlicht, und eine Tafel, auf der mit Kreide Dona's Spezialitäten geschrieben stehen, empfängt noch immer die Kundschaft.

Der Parkplatz ist ziemlich voll, was mich nicht im Geringsten überrascht, aber ich finde einen freien Platz ganz hinten.

Gott, ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und, anstatt alleine hier zu stehen, wieder das kleine Mädchen sein, wieder meinen Vater und meine Mutter an der Hand halten, während wir drei ins Diner gehen. Aber zum ersten Mal seit langer Zeit weiß ich, dass ich stark genug bin, um das durchzustehen. Ich bin stark genug, um mich an sie zu erinnern, ohne dass mir der Schmerz immer wieder wie eine Klinge ins Herz fährt.

Sobald ich drinnen bin, werfe ich reflexartig einen Blick auf den Tisch am Fenster im hinteren Teil des Lokals, in der Hoffnung, dass der Platz, der früher jeden Samstagmorgen für meine Eltern und mich reserviert war, trotz des regen Treibens heute frei ist.

Als ich sehe, dass niemand dort sitzt, vergesse ich völlig, erst einmal nach Dona Ausschau zu halten, und eile zum Tisch, aus Angst, jemand käme mir zuvor.

Ich lasse meine Handtasche auf den Sitz fallen, dann erst drehe ich mich um und lasse meinen Blick suchend durch den Raum schweifen.

Aber anscheinend hat Dona mich zuerst entdeckt.

Sie kommt eilig auf mich zu und strahlt mich mit einer fast mütterlichen Zärtlichkeit an. Eine Art Zuneigung, mit der mich sonst niemand mehr anschaut.

Sie hat sich in den vergangenen Jahren, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, nicht verändert. Ihr blondes Haar ist immer noch zu einem dicken Dutt auf dem Kopf zusammengebunden, und ihre lächelnden Lippen sind immer noch mit knallrotem Lippenstift bemalt. Sie hat mich schon immer an ein Pin-up aus den Sechzigern erinnert.

„Ich wollte erst zu dir, aber dann habe ich gesehen, dass der Tisch frei ist.“ Ich lächle sie an, als sie mich erreicht. „Ich habe mich gefragt, ob du mich wiedererkennst.“

„Es ist lange her, das stimmt, aber es ist ja nicht so, als hätte ich dich seit deiner Kindheit nicht mehr gesehen“, sagt sie in ihrem breiten Südstaaten-Slang, bevor sie mich in eine enge Umarmung zieht. Als sie mich loslässt, fügt sie hinzu: „Wie geht es dir, Camryn?“

Tiefe Besorgnis trübt ihre Züge, während sich Traurigkeit in ihren Augen niederschlägt. Ich bin mir nicht sicher, warum, aber Dona hatte schon immer eine Schwäche für mich. Es ist rührend, dass der Tod meiner Eltern sie nach all der Zeit immer noch berührt und mein Wohlergehen ihr immer noch am Herzen liegt.

„Mir geht es gut“, sage ich und lasse die Tatsache beiseite, dass ich nun nicht mehr nur um meine Eltern trauere.

Es gibt Dinge, über die ich nicht zu reden bereit bin, und was noch wichtiger ist: Dafür bin ich nicht hier.

Meine Antwort scheint sie nicht zu überzeugen, aber ich gehe darüber hinweg.

„Ich bin im Urlaub und habe beschlossen, dass es Zeit ist, zurückzukommen.“

Ich bin erleichtert, als sich ein Lächeln auf ihre Lippen schleicht.

„Setz dich schon mal, ich bin gleich wieder da. Pfannkuchen und heiße Schokolade? Oder ist es jetzt Kaffee?“

„Eigentlich ist es jetzt Tee am Morgen, aber heute gibt es heiße Schokolade.“

„Gute Wahl. Ich bin sofort bei dir“, sagt sie und eilt davon.

Wieder einmal war es einfacher, als ich dachte. Ich glaube, es wird generell weniger schwer als angenommen, den Sommer in Texas zu verbringen. Das Atmen fällt mir jetzt schon leichter als bei meiner Abreise aus L.A. Dort hatte ich das Gefühl, den Atem anzuhalten, weil ich Angst hatte, dass die Rückkehr nach Hause die Schmerzen noch schlimmer machen würde. Ich habe es riskiert, nach Hause zurückzukehren, weil mir klar wurde, dass die Schmerzen, die mich einhüllten, eigentlich nicht noch schlimmer werden konnten. Außerdem war es nicht mehr so sehr der Tod meiner Eltern, der mich runterzog. Sondern ein anderer.

„Bitte sehr, Schätzchen.“

Dona unterbricht meine Gedanken, als sie einen riesigen Teller mit Pfannkuchen und eine große Tasse mit heißer Schokolade vor mich hinstellt.

„Wie ich sehe, habe ich trotz meines fortgeschrittenen Alters noch Anspruch auf Extra-Pfannkuchen“, sage ich in Anspielung auf den beträchtlichen Berg, den sie mir vorsetzt.

„Ja, aber natürlich. Und ich habe dich mit volleren Wangen in Erinnerung, junge Dame. Jetzt iss, und ich bin gleich wieder da, um ein bisschen zu plaudern, ja?“

„Okay“, sage ich, obwohl ich bezweifle, dass ich das alles essen kann.

„Ich bin wirklich froh, dich wiederzusehen, Camryn“, fügt sie hinzu, greift nach meiner Hand und drückt sie kurz.

„Danke, Dona. Ich bin auch froh.“

Froh ist ein Wort, mit dem ich mich schon lange nicht mehr beschrieben habe, aber wenn ich anfange, so zu tun, als ob ich es wäre, könnte es ja wahr werden. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Und meine neu gewonnene Zuversicht wird mit einem leckeren Frühstück beginnen, das ich wie so vieles anderes vermisst habe.

Fast entweicht mir ein wohliges Seufzen, als ich in den warmen Pfannkuchen beiße. Meine Erinnerung an den Geschmack der Pfannkuchen kann nicht annähernd damit mithalten, wie lecker sie tatsächlich sind. So köstlich, dass ich immer noch den ersten Bissen kaue, als ich schon begierig das nächste Stück zum Mund führe. Doch ich halte auf halbem Weg inne, denn Dona ist bereits wieder zurück und lässt sich auf den Sitz gegenüber fallen.

Zumindest glaube ich, dass es Dona ist, bis ich meinen Blick hebe und nach vorne schaue.

Ich erstarre mitten in der Bewegung, die Gabel noch in der Luft und mustere verblüfft den Kerl, der jetzt vor mir sitzt.

Oh, okay.

Mit gesenktem Kopf legt er einen schwarzen Helm neben sich, und ich frage mich, ob er mich nicht gesehen hat oder ob es ihm egal ist, dass ich hier sitze. Wenn Letzteres der Fall ist, sollte ich seine Entscheidung besser nicht anfechten, denn er könnte mich leicht mit einer seiner großen Hände überwältigen, und das wahrscheinlich ohne seinen riesigen Bizeps auch nur halb anzuspannen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass zehn Prozent der Kraft dieses Bizeps ausreichen würden, um mich niederzuschlagen.

Ich zucke fast zusammen, als er endlich aufschaut. Ich habe nicht erwartet, dass er bei meinem Anblick erschrickt.

Das beantwortet meine innere Frage. Er hat mich nicht gesehen.

„Scheiße!“, flucht er, verkrampft sich und lässt sich in die Sitzecke sinken, während er sich mit der Hand die Bartstoppeln kratzt.

Amüsiert über seine Reaktion lächle ich und hebe meine Hände, obwohl an der Gabel noch der Pfannkuchen baumelt. „Ich schwöre, ich bin ganz harmlos.“

Kapitel 2

Nate

„Scheiße!“

Verdammte Scheiße.

Verdammt, wer ist dieses Mädchen?

Mein Blick schweift umher, denn für eine kurze Sekunde glaube ich, dass ich mich an den falschen Tisch gesetzt habe. Das habe ich nicht. Es ist das erste Mal seit zwei langen Jahren, dass meine Sitzecke besetzt ist.

Normalerweise ist das Dona’s voll von Stammgästen, die wissen, wer ich bin. Nicht, dass ich stolz darauf wäre, aber sie haben alle irgendwie Angst vor mir. Nachdem ich mich dreimal hintereinander an diesen Tisch gesetzt hatte – allein aus dem Grund, dass er frei war –, schienen sie alle beschlossen zu haben, dass dies mein Platz sei, und begannen, ihn jeden Dienstagmorgen freizuhalten.

Aber dieses Mädchen ist keine Stammkundin. Ich habe sie noch nie gesehen. Da wird mir erst bewusst, wie unvorsichtig ich geworden bin, wenn ich ins Dona’s komme. Ich muss mir dringend vergegenwärtigen, dass ich nicht nachlässig werden darf, nur weil ich meine Kutte nicht trage. Hier hätte jeder sitzen und auf mich warten können.

Ein Pfannkuchen baumelt von ihrer Gabel, und das Mädchen hebt beide Arme entschuldigend in die Höhe. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen sagt sie: „Ich schwöre, ich bin ganz harmlos.“

Eine verdammte Ewigkeit lang kann ich sie nur anblinzeln, ohne zu verstehen, was gerade passiert ist. Selbst wenn ich meine Kutte nicht trage, reißt selten jemand, den ich nicht kenne, Witze mit mir. Geschweige denn ein Mädchen. Die starren mich normalerweise entweder mit Angst in den Augen an oder mit einer schier unbändigen brennenden Lust, um mich rumzukriegen.

Nicht dieses Mädchen.

Nein, sie sieht mich an, als wäre ich ein Fremder, der ihr Frühstück stört. Was ich zwar bin und auch tue, aber das macht ihre Reaktion nicht weniger überraschend.

Interessant.

Als ich mein Erstaunen abgeschüttelt habe, ziehe ich einen Mundwinkel nach oben, und verschränke die Arme vor der Brust, während ich mich in der Sitzecke zurücklehne.

„Gut zu wissen. Für einen Moment war ich etwas beunruhigt.“

„Ja, das warst du wohl.“ Sie lacht und lässt ihre Augen kurz über meinen Körper wandern.

Ihr Blick hat nichts Sexuelles an sich, er verweilt nur kurz auf meinen Muskeln, die durch meine Haltung noch straffer wirken. Ich kann nicht einmal sagen, ob sie diesen Anblick zu schätzen weiß.

Auch das ist interessant.

Ich für meinen Teil genieße meine Aussicht.

Sie hat hellbraunes Haar, das ihr kaum bis zu den Schultern reicht und ein ovales Gesicht mit glatter, leicht gebräunter Haut umrahmt. Ihre mandelförmigen Augen haben einen besonderen Grauton, der mir irgendwie bekannt vorkommt, obwohl ich weiß, dass ich noch nie so schöne Augen gesehen habe. In ihnen schimmern dezente Goldtupfer.

„Ehrlich gesagt genieße ich es, in aller Ruhe meine fantastischen Pfannkuchen zu essen, wir sind schließlich in einem Diner. Wieso siehst du mich also an, als wärst du davon überrascht, Menschen hier am Tisch sitzen und essen zu sehen?“

Wenn das mein Blick für sie aussagt, dann bin ich erleichtert. Denn mein Körper spricht eine ganz andere Sprache. Ich kann nicht anders. Sie ist nicht nur wunderschön, sie ist auch wirklich heiß in diesem gelben Hemd, das nur einen Hauch von ihren Brüsten zeigt, die sich, so weit ich sehen kann, perfekt in meine Hände schmiegen würden. Oder ist es ein Kleid, das sie trägt? Könnte sein. Das werde ich erst wissen, wenn sie aufsteht, aber wie dem auch sei. Das Mädchen ist verdammt heiß.

Noch heißer ist, dass sie das nicht zu ihrem Vorteil nutzt. Dieses Mädchen hat nichts mit denen zu tun, die bei jeder Party, die wir veranstalten, in den Club strömen – sie sind alle wie geklont. Sie ist völlig anders. Sie ist ein Mädchen, das einen Kerl wie mich nie zweimal anschauen, geschweige denn sich an mich ranmachen würde. Sie ist die Art von Mädchen, die sich nie mit Bikern einlassen würde.

Aber warum enttäuscht mich das? Keine Ahnung, ist mir schleierhaft.

In dem Bewusstsein, dass mein eindringliches Starren vermutlich irgendwann unheimlich wird, höre ich auf, sie zu mustern.

„Ich habe diesen Laden vor etwa zwei Jahren entdeckt und komme seitdem fast jeden Dienstag hierher. Ich sitze immer an diesem Tisch. Ich habe ihn sozusagen für mich beansprucht“, erkläre ich.

„Ich verstehe“, sagt sie und nickt. „Ich habe vor ein paar Jahren aufgehört, hierherzukommen, aber das ist der Tisch, an dem ich immer saß. Ich habe ihn auch irgendwie für mich beansprucht.“ Sie grinst.

„Stimmt, aber dein Tag war Samstag, nicht Dienstag.“

Dona stellt einen großen Kaffee und einen Teller mit Eiern und Speck vor mich hin, aber ihre ganze strahlende Aufmerksamkeit widmet sie dem Mädchen, von dem ich noch nicht einmal den Namen weiß.

„Stimmt“, gibt sie zu.

„Guten Morgen, Dona. Wie geht's dir?“, frage ich sie, obwohl ich für sie unsichtbar zu sein scheine.

„Mir geht's gut, Schätzchen, danke.“ Sie klopft mir auf die Schulter und fährt fort: „Wie ich sehe, hast du Camryn kennengelernt.“

Camryn. Schöner Name. Gefällt mir.

„Ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihr zu sagen, dass ein mürrischer junger Mann jetzt immer an dem Tisch sitzt, an dem sie seit Jahren nicht mehr gesessen hat.“

„Mürrisch?“, wiederholt Camryn. „Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe schon zweimal ein Lächeln gesehen. Vielleicht ist er ein bisschen schreckhaft für einen großen, muskelbepackten Kerl, aber er ist nicht mürrisch“, neckt sie mich und erinnert damit an meine Reaktion, als ich ihre Anwesenheit bemerkt habe.

Ungewollt denke ich darüber nach, sie mit meinen Lippen zum Schweigen zu bringen, und der Gedanke an einen Kuss lässt einen Teil von mir ganz wild werden.

Scheiße, ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Gesicht ganz blass wird, als ich merke, wohin meine Gedanken abdriften.

Ich küsse selten. Ich ficke viel, das brauche ich vor niemandem zu leugnen. Wenn das Mädchen unbedingt ein- oder zweimal geküsst werden will, bin ich kein Arschloch und tue ihr den Gefallen, aber man wird mich nie dabei erwischen, dass ich den ersten Schritt mache.

„Ich überlasse es euch beiden zu entscheiden, ob ihr gemeinsam frühstücken oder darüber streiten wollt, wer von euch sich einen anderen Tisch suchen muss. Genießt euer Essen trotzdem“, fügt Dona hinzu, als sie uns verlässt.

Ich verscheuche jeden Gedanken an mädchenhafte Küsse aus meinem Kopf.

„Also, teilen oder streiten? Was denkst du?“

Ich weiß nicht genau, warum ich das frage. Es ist, als würde man mir Worte in den Mund legen, ohne dass ich es steuern kann.

Zum ersten Mal flattert ein Hauch von Zögern über ihr Gesicht, und ich hoffe erneut, dass sie mich nicht höflich bittet, zu gehen. Gemeinsam mit einem Mädchen zu frühstücken, ist auch nichts, das häufig vorkommt. Vielleicht ist es auch überhaupt noch nie passiert. Egal, wie heiß sie sind. Selbst nachdem ich sie gefickt habe. Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass so etwas noch nie vorgekommen ist.

„Ich glaube, ich war zuerst hier; aber angesichts der Tatsache, dass es in den letzten zwei Jahren dein Tisch war, ist es wohl das Mindeste, dass ich dir erlaube, das Frühstück mit mir zu teilen“, neckt sie mich wieder.

Selbst ihre Sticheleien sind heiß. Sie sind eine Mischung aus heiß und süß.

Sie beißt in ihren Pfannkuchen, als wäre die Sache damit erledigt, und ich frage mich, was zum Teufel ich da tue, während ich meine Gabel nehme und mich den mittlerweile abgekühlten Eiern widme.

„Also, Camryn“, sage ich zwischen zwei Bissen, offenbar aus dem Bedürfnis heraus, sie weiter zum Reden zu bringen, damit ich ihrer Stimme lauschen kann. „Wie kommt es, dass du nicht mehr hierherkommst? Das ist doch der beste Laden hier.“

„Ich weiß, nicht wahr? Ich habe Dona immer gesagt, dass sie mit einer Kette ein Vermögen machen kann, aber sie hat immer geantwortet …“

„Wo bleibt denn da der Stolz, wenn du die Läden nicht einmal selbst betreibst?“, falle ich ihr ins Wort und nehme schmunzelnd vorweg, was sie wahrscheinlich gleich ausführen wollte. „Das habe ich ihr auch schon mehrmals vorgeschlagen. Ihre Antwort hat sich nie geändert. Aber das erklärt nicht, warum du nicht mehr herkommst“, stelle ich fest.

Ihr Lächeln verblasst zusehends, während Traurigkeit sich wie ein Schatten über ihre Augen legt, und ich würde mir am liebsten auf die Zunge beißen und die Frage zurücknehmen, doch es ist zu spät.

„Nachdem meine Eltern und ich in die Stadt gezogen sind, sind wir jeden Samstag hierher gekommen. Da war ich sieben. Sie sind vor etwa zweieinhalb Jahren gestorben. Heute bin ich das erste Mal seit dem Unfall wieder hier.“

„Und das ist der Tisch, an dem ihr alle gesessen habt“, sage ich und verstehe jetzt.

Was ich nicht verstehe, ist, warum ich es hasse, dass dieses Mädchen, das ich nicht einmal kenne, so etwas durchmachen musste.

Ihr Lächeln kommt zurück, als sie nickt. „Ich habe es geliebt, hier zu sitzen, wegen der Jukebox. Mein Vater hat ein kleines Vermögen in das Ding gesteckt“, gesteht sie und ihr Grinsen wird breiter.

„Du wohnst also hier in der Gegend?“

Aus irgendeinem seltsamen Grund scheinen ihre leicht geöffneten Lippen die Worte zurückzuhalten, als müsse sie darüber nachdenken.

„Ich lebe in L.A.“, sagt sie schließlich, und ihre Antwort löst in mir eine Welle der Enttäuschung aus, die mich ärgert.

Es ist ja nicht so, als würde ich dieses Mädchen jemals wiedersehen. Das Erste, was sie täte, wenn sie mich in meiner Bikerkutte sehen würde, wäre, mir höflich zu versichern, wie schön es ist, mich kennengelernt zu haben und sich dann aus dem Staub zu machen. Der einzige Grund, warum sie mir noch gegenübersitzt, ist, dass ich normale Kleidung trage. Sonst säße sie vermutlich jetzt schon woanders.

„Bist du eine glückliche Studentin in den Ferien?“, rate ich.

„Ich bin eine glückliche Lehrerin in den Ferien“, erwidert sie.

Eine Lehrerin. Es wäre sicher unhöflich, das Lachen, das in meinem Kopf erschallt, herauszulassen, also grinse ich stattdessen vor mich hin. Natürlich, sie ist eine Lehrerin.

„Wie lange bist du schon Lehrerin?“

„Ich habe gerade mein zweites Jahr beendet. In meinem ersten Jahr war ich Vertretungslehrerin, und die Schule, an der ich am häufigsten gearbeitet habe, hat mir letztes Jahr eine feste Stelle angeboten. Und was ist mit dir? Was machst du denn so?“, fragt sie.

„Ich bin keine Lehrerin“, sage ich mit vollem Mund und lache, als sie niedlich mit der Augenbraue zuckt. „Ich betreibe mit Freunden ein paar Autowerkstätten“, antworte ich dann.

Technisch gesehen ist das keine Lüge. Ich würde es nicht einmal eine verzerrte Wahrheit nennen. Eine sehr zusammengefasste vielleicht.

„Und hast du einen Namen, Betreiber von ein paar Autowerkstätten? Dona hat dich Schätzchen genannt, aber ich glaube, so weit sind wir beide noch nicht“, erklärt sie mit übertriebener Ernsthaftigkeit.

Ich grinse und sage: „Ja, ich denke, Nate ist ein guter Anfang.“

„Schön, dich kennenzulernen, Nate.“

Mein Name hat einen schönen Klang auf ihren rötlichen Lippen. Zwischen melodisch und sexy, sogar mehr als bei jedem anderen Wort, das sie ausspricht. Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein, obwohl ich nicht weiß, warum. Offenbar gefällt mir mein Name auf ihren Lippen einfach.

„Gleichfalls, Camryn.“

So verrückt das auch sein mag.

Als ich mich beobachtet fühle, blicke ich auf und sehe Dona an der Theke stehen. Sie scheint ihr geschäftiges Diner völlig ausgeblendet zu haben, während sie in unsere Richtung starrt.

Als hätte man sie mit der Hand in der Keksdose erwischt, erschrickt sie, als sie meinem Blick begegnet, und schlendert dann ziellos umher, bevor sie aus meinem Blickfeld verschwindet, wahrscheinlich auf dem Weg in die Küche.

Was sollte das?

Sie denkt doch nicht … Nein, sie kann Camryn unmöglich absichtlich hierher gesetzt haben. Nicht, wenn sie sich so sehr um das Mädchen sorgt, wie ich das Gefühl habe. Sie weiß, wer ich bin, was bedeutet, dass sie weiß, dass ich mit niemandem einfach ausgehe. Und sie weiß, wie ich lebe. Verdammt, ich sollte nicht einmal mehr hier sitzen und mit ihr reden. Jedes andere Mädchen hätte ich keines Blickes gewürdigt. Ich bin kein Arschloch, also hätte ich sie an diesem Tisch sitzen lassen, weil es ihr etwas bedeutet, aber ich wäre nicht hiergeblieben und hätte gefragt, ob wir das verdammte Frühstück miteinander teilen. Und doch habe ich dieses Mädchen gefragt. Herrgott, das ergibt nicht den geringsten Sinn. Ich kenne sie nicht.

Aber ich kann mich nicht von ihrem Anblick losreißen, während sie in aller Ruhe isst.

Kapitel 3

Camryn

„Du hast also beschlossen, meinen Tisch offiziell zurückzufordern?“

Mein Blick schnellt nach oben, und mein Magen macht einen kleinen Hüpfer beim tiefen Klang seiner Stimme, von dem ich zugegebenermaßen gehofft hatte, ihn heute zu hören.

Meine Woche habe ich mit lästigen Aufgaben wie Aufräumen und dem Durchsehen von altem Teenagerkram verbracht. Klamotten, CDs, Bilder oder Highschool-Bücher, ich habe eine Menge aussortiert. Ich hatte es lange vor mir hergeschoben, und es war an der Zeit, all das zu ordnen, was schon vor Jahren hätte erledigt werden müssen.

Etwas, womit ich nicht gerechnet habe, ist das Bild eines völlig Fremden in meinem Kopf. Nates Gesicht ist in diesen einsamen Stunden ein paar Mal aufgetaucht. Okay, sein Gesicht hat sich mehr als nur ein paar Mal in meine Gedanken geschlichen. Auch wenn sich ein seltsames Gefühl eingestellt hat, weil ich ihn nicht aus meinem Kopf verdrängen konnte, wurde mir schnell klar, dass ich das im Grunde auch gar nicht will. Ich will es nicht, denn der Dienstagmorgen ist ein wunderbarer Morgen gewesen. Nichts Besonderes, es sei denn, man hält es für etwas Außergewöhnliches, seine Pfannkuchen mit einem völlig Fremden zu teilen, aber ich habe mich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder gut amüsiert. Ich hatte schon völlig vergessen, wie es sich anfühlt, etwas so Einfaches zu genießen. Mein Lächeln ist unbeschwert gewesen, und ich habe gelacht, ohne dass es gezwungen klang. Wie sonst jedes Mal, wenn ich mich verpflichtet fühle, höflich auf den Witz eines Kollegen zu reagieren, obwohl ich am liebsten nach Hause gehen würde, um mit meinen Gedanken alleine zu sein, ohne von anderen verurteilt zu werden. Letzten Dienstag habe ich einfach gelacht, und das war ein großartiges Gefühl.

„Nur dienstags“, erwidere ich. „Heute ist Samstag, also bist du eigentlich derjenige, der meinen Tisch beansprucht.“

Sein strahlend weißes Lächeln wird breiter, und mir fällt auf, dass ein Mundwinkel etwas stärker hochgezogen ist als der andere. Das sieht niedlich aus, trägt aber irgendwie auch zu seinem Sex-Appeal bei. Und davon hat er reichlich.

„Ich dachte, wir wären quitt.“ Er zuckt achtlos mit den Schultern. „Da du dich an meinem Tag durchgesetzt hast, schuldest du mir einen Samstag.“

Er setzt sich lässig mir gegenüber und macht es mir dadurch nicht leicht, den unangebrachten Gedanken zu verdrängen, wie sexy er ist. Er trägt ein enges weißes Hemd über einer Jeans, die so dunkel ist wie sein Haar, und die kratzigen Stoppeln, die sein kantiges Kinn bedecken, lassen ihn noch breitschultriger erscheinen. Sein Haar ist kurz geschnitten, hat aber immer noch diesen attraktiven, unordentlichen Look.

„Tja, leider bin ich fast fertig, und ich kann auch nicht mehr lange bleiben. Ich bin mit dem Fahrrad hierher gekommen und habe eine fünfundvierzigminütige Fahrt nach Hause vor mir. Oder doppelt so lange, denn meine Beine bringen mich um, außerdem muss ich durch die vielen Pfannkuchen eine halbe Tonne zugenommen haben.“

Das verspielte Lächeln auf seinem Gesicht verwandelt sich in ein Stirnrunzeln. „Du bist mit dem Fahrrad hierher gefahren?“, wiederholt er, was ich ihm gerade erzählt habe.

„Mein Auto hat mich dazu gezwungen, meinen Vorsatz, wieder mehr Sport zu treiben, in die Tat umzusetzen.“

„Mein Gott, das ist gefährlich, Camryn.“

Er lächelt nicht einmal ansatzweise über meinen Scherz. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, könnte man meinen, ich hätte gerade erzählt, dass ich in der afrikanischen Savanne auf ein Löwenrudel gestoßen bin, ganz allein, mit Fleischstücken behängt.

Ich lache. „Sollte ein starker Kerl wie du nicht vor nichts Angst haben?“, sinniere ich.

„Es ist …“

„Was ist denn so lustig?“

Dona hat einen warmen Teller mit Eiern und Speck und eine Tasse Kaffee in der Hand und unterbricht Nate, der zu ihr aufblickt, während ich mich an sie wende.

„Nate glaubt auch, dass es gefährlicher ist, mit einem Fahrrad mit fünf Kilometern pro Stunde zu fahren als mit einem Motorrad mit fünfundsiebzig.“

Dona hat fast so besorgt ausgesehen wie Nate jetzt, als ich erhitzt und mit meinem Helm in der Hand hereingekommen bin.

Sie brummt, ihre Lippen werden schmaler. „Es tut mir leid, Schätzchen, aber er hat recht.“ Es überrascht mich nicht, dass sie sich auf seine Seite schlägt. „Man weiß nie, welchem Psychopathen man auf diesen verlassenen Straßen begegnen könnte, wo man nicht einmal Empfang hat, um jemanden anzurufen, falls etwas passieren sollte.“

Da hat sie nicht ganz unrecht, aber trotzdem ist ihre Reaktion ein wenig übertrieben. Außerdem wüsste ich gar nicht, wen ich in so einem Fall anrufen sollte. Wenn ich darauf warten müsste, dass Colleen von New York hierher fliegt, wäre ich tot und begraben, bis sie ankommt.

„Okay, zügeln wir mal die Paranoia, ja? Ich esse mein Frühstück auf und fahre dann nach Hause.“

Nate schnaubt bei meinen Worten. „Ich kann dich auf keinen Fall zurückfahren lassen.“

„Dann kann ich ja froh sein, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe“, fordere ich seinen autoritären Tonfall mit einer hochgezogenen Augenbraue heraus und halte seinem Blick stand.

Er stöhnt, als hätte er ein schwieriges Kind vor sich, das einen Wutanfall bekommt. „Okay, wie wäre es, wenn ich dich zurückfahre und mir dein Auto ansehe? Eine Hand wäscht die andere“, schlägt er vor, während Dona sich entfernt, ohne sich weiter in unsere Meinungsverschiedenheit einzumischen.

„Du fährst mich also nach Hause, damit ich dir einen Gefallen tue? Wo ist da die Logik?“

„Du würdest mir einen Gefallen tun, weil ich in der Zwischenzeit nicht hier sitzen und mich fragen würde, ob du es sicher nach Hause geschafft hast oder an akuter Überanstrengung deiner Muskeln gestorben bist. Denn wenn du nur mit fünf Kilometern pro Stunde unterwegs bist, musst du definitiv mehr trainieren.“ Er grinst.

Meine zusammengerollte Serviette segelt zwischen uns hindurch und trifft ihn mitten auf die Stirn. Aber meine Zurechtweisung entlockt ihm nur ein Lachen.

„Das ist nicht nett. Es ist wahr, aber nicht nett.“ Ich versuche, eine Grimasse zu schneiden, aber durch mein Lachen wirkt es nicht sehr überzeugend.

Der Stolz über seinen eigenen Scherz steht ihm ins Gesicht geschrieben, während er nach seiner Gabel greift und sich den ersten Bissen Eier in den Mund stopft.

Obwohl ich mit meinen Pfannkuchen lange vor ihm angefangen habe, essen wir gleichzeitig zu Ende.

„Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?“

Er grinst. „Ich war am Verhungern.“

„Sag mir, dass du wenigstens kochst, um dich zu ernähren, denn nicht zu essen ist gefährlicher, als ein paar Kilometer ohne Leibwächter zu radeln.

Irgendwas muss ich ja schließlich dafür tun, dass meine Muskeln nicht einfach dahinschmelzen. Oh mein Gott!“

„Was? Was ist los?“

„Bitte sag mir nicht, dass ich riskiere, dass eine wütende Freundin oder noch schlimmer, eine Ehefrau hier hereinstürmt und versucht, mir jedes einzelne Haar vom Kopf zu reißen. Eine fuchsteufelswilde Freundin ist die gefährlichste aller Spezies.“

Die Tatsache, dass er vergeben sein könnte, ist mir bis jetzt nicht einmal in den Sinn gekommen. Daran hätte ich denken sollen. Der Kerl ist ein wandelnder Traum. Geschaffen, um jedem Mädchen weiche Knie zu bescheren. Natürlich ist ein Typ wie er vergeben, denke ich mir plötzlich.

Er schnaubt. „Keine Frau. Keine Freundin. Also, wo ist dein Fahrrad?“

Der plötzliche Themenwechsel erfordert eine kurze Anlaufzeit für mein Gehirn, aber dann sage ich: „Draußen. Es ist an einem Pfosten angeschlossen.“

„Schlüssel oder Code?“

„Eins, zwei, drei, vier“, antworte ich, und ich weiß sofort, was er darüber denkt, als sich eine tiefe Falte über seine Stirn zieht und seine Lippen sich zu einer dünnen Linie verziehen. „Das ist leicht zu merken.“ Ich zucke mit den Schultern.

Als er sich aus der Sitzecke erhebt, murmelt er etwas davon, dass er hofft, dass ich diese Art von Code nicht für meine Alarmanlage benutze.

„Ich habe keine“, sage ich, obwohl ich nicht glaube, dass er überhaupt bemerkt hat, dass ich sein Gemurmel über den Hintergrundlärm hinweg gehört habe.

Er dreht sich auf dem Absatz um, seine vor Entsetzen geweiteten Augen treffen meine, bevor er sie kurz schließt.

„Mein Gott“, seufzt er, mit zusammengebissenen Zähnen.

Bevor ich ihn auf seine eklatante Neigung zur Paranoia hinweisen kann, befiehlt er leise: „Rühr dich nicht von der Stelle.“

Und dann ist er weg.

Der Kerl ist irgendwie ziemlich dominant.

Ich fordere das Schicksal heraus, lache in mich hinein, stehe auf, schnappe mir meinen und seinen Helm und gehe zum Tresen, wo ich mich auf einen Hocker neben der Kasse setze.

„Du gehst schon? Fährt dich Nate nach Hause?“

Dona wirft sich ihr Geschirrtuch über die Schulter, während ich die Helme vor mich hinlege.

„Ja, und ja. Er ist draußen und holt mein Fahrrad, ich habe keine Ahnung, wohin er es bringen will. Hier“, füge ich hinzu und reiche ihr einige Scheine. „Das ist für unser beider Frühstück.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob er es gut findet, dass du für ihn bezahlst.“

„Ich wette, das wird er nicht, aber ich lasse ihm ja auch keine große Wahl. Nur zu meiner eigenen Beruhigung, bin ich mit ihm sicher?“, frage ich sie, aber die Wahrheit ist, dass ich nicht im Geringsten nervös bin.

Ich kann nicht erklären, warum, aber in der Gegenwart von Nate fühle ich mich einfach sicher.

Grinsend nimmt sie das Geld. „Oh, Kleine, das Einzige, was bei einem Mann wie ihm vielleicht nicht sicher ist, ist dein Herz.“

Ich lächle zurück, aber behalte für mich, dass kein Mann mir das Herz noch mehr brechen könnte, als es ohnehin schon gebrochen ist, selbst wenn er sich Mühe gäbe. Meines ist bereits in eine Million Stücke zertrümmert worden.

„Stell das in den Abstellraum, Schätzchen“, sagt sie, und ich rutsche auf meinem Hocker herum, um zu sehen, wie Nate mein Fahrrad mit einer Hand schiebt. „Die Tür gegenüber den Toiletten.“ Sie gibt ihm meinen Helm, bevor er aus dem Blickfeld verschwindet.

Es dauert keine dreißig Sekunden, bis er wieder da ist, und in dem Blick, den er auf mich richtet, liegt ein schwerer Vorwurf. „Du hast für uns beide bezahlt, nicht wahr?“

„Das habe ich.“

„Ja, dabei habe ich dir doch gesagt, du sollst dich nicht von der Stelle rühren. Du hörst nicht gut zu“, murrt er.

„Nicht mehr, seit ich aufs College gegangen bin und nicht mehr auf meine Eltern hören musste“, bemerke ich. „Aber wenn ich immer noch das tun würde, was meine Mutter mir immer eingebläut hat, würde ich nicht mit jemandem mitfahren, den ich kaum kenne. Das ist dir doch wohl klar, oder?“

Er schüttelt den Kopf, als ob er erschöpft wäre, kann sich aber ein Lächeln nicht verkneifen. „Hat sie dir auch beigebracht, dass es sicherer ist, richtig aufgepumpte Reifen zu haben, wenn man auf einsamen Straßen unterwegs ist? Deine sind nämlich scheiße, nur damit du es weißt.“

„Kein Wunder, ich habe das Ding ja auch schon seit Jahren nicht mehr benutzt. Aber bist du nicht viel zu ängstlich für einen so gefährlich muskulösen Kerl?“

Er kommt näher und haucht: „Nichts macht mich nervös, Baby, glaub mir. Das nennt man vorsichtig sein. Und bei schönen Dingen bin ich eben besonders achtsam.“

Es ist das erste Mal, dass seine Stimme die gleiche sexuelle Note hat wie sein allgemeines Auftreten. Er berührt mich mit keinem Teil seines Körpers, sodass ich weiß, dass es allein seine tiefe Stimme ist, die mir vom Scheitel bis zum letzten Zeh ein Kribbeln über die Haut jagt. Ich frage mich, was seine tatsächliche Berührung mit mir anstellen würde. Und bei dem Gedanken wird mir klar, dass ich stillschweigend zugestimmt habe, mit ihm auf sein Motorrad zu steigen, als ich mich entschieden habe, mich von ihm nach Hause fahren zu lassen.

„Du musst mit deinem Motorrad fahren, um mich nach Hause zu bringen“, sage ich, völlig aus dem Zusammenhang gerissen.

Er zieht sich zurück, lehnt sich neben mich auf den Tresen und grinst. „Fahren bringt einen in der Regel schneller ans Ziel, als wenn man es schiebt.“

„Ich bin noch nie Motorrad gefahren.“ Ich beginne mir Sorgen zu machen und ignoriere seinen Scherz.

Er gibt ein schnalzendes Geräusch von sich.

„Ich weiß. Welch ein abenteuerlustiges Mädchen, das den ganzen Weg von zu Hause hierher radelt – und das, ohne eine Warnweste zu tragen – und das noch nie auf ein Motorrad gestiegen ist? Wie lächerlich.“ Ich verdrehe die Augen.

„Finde ich auch. Das sollten wir ändern.“

Er schnappt sich seinen Helm von der Theke und ruft Dona zu, die bereits wieder von Tisch zu Tisch eilt. „Danke, Dona!“

Mir bleibt keine Zeit, mich höflich zu verabschieden, auch nicht von Weitem, denn Nate umfasst meine Hand mit seiner, um mir aufzuhelfen, und diese Geste lenkt mich von allem anderen ab. Meine Finger schließen sich ebenfalls um seine große Hand, während er mich in den warmen Morgen hinauszieht. Im Vergleich zum klimatisierten Diner ist die zunehmende Hitze drückend, aber ich spüre die Sonne kaum, die auf mich niederbrennt. Stattdessen konzentriere ich mich auf das wohlige Gefühl, das Nates Berührung in mir auslöst.

Etwas scheint mich mit einer solchen Wucht zu treffen, dass ich fast umkippe.

Ich habe das vermisst. Die Berührung von jemandem zu spüren. Das hat mir gefehlt. Mir ist bewusst, dass es eigentlich jeder hätte sein können, der dieses Gefühl des Trostes in mir auslöst, aber das spielt keine Rolle. Ich habe es zu sehr vermisst, um mir Gedanken darüber zu machen, wer es in mir wiedererweckt. Und als Nate meine Hand loslässt, um mir den Helm aufzusetzen, ballt sie sich zur Faust, als wüsste sie genau wie ich, dass ich wie eine verzweifelte Irre aussehen würde, wenn ich seine Hand zurückhalten würde.

„Alles klar“, sagt er und gibt mir zu verstehen, dass er mir den Helm aufgesetzt hat, während ich in Gedanken versunken war.

Als meine unverhältnismäßig emotionale Reaktion auf Nates unschuldige Berührung nachlässt und sich meine Gedanken etwas lichten, runzle ich die Stirn. „Aber du hast doch jetzt keinen Helm.“

„Dein Kopf ist hübscher als meiner.“ Mit diesen Worten klettert er auf sein Motorrad. „Komm schon.“

Da ich diesen Kerl mittlerweile zu kennen beginne, lasse ich die Helmfrage fallen. Und als ich ein Bein über das Motorrad schwinge, wird mir klar, dass ich keine andere Wahl habe, als mich dicht hinter ihn zu setzen. Wirklich nah. Meine Brust streift seinen Rücken, und obwohl ich das Gefühl habe, dass selbst dieser subtile Körperkontakt etwas Unangemessenes hat, erweckt er gleichzeitig das warme Empfinden in mir, wieder die körperliche Nähe eines Menschen zu spüren.

„Du musst dich an mir festhalten, Cam“, fordert er mich auf, wobei er sich nur leicht nach hinten dreht.

Ich versteife mich. „Du fährst aber nicht zu schnell, okay?“

„Wer ist jetzt ängstlich?“ Er gluckst, aber dann beruhigt er mich. „Ich werde zum ersten Mal in meinem Leben die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht überschreiten. Das ist ein Versprechen, also entspann dich einfach. Aber du musst dich trotzdem an mir festhalten.“

Festhalten? Kein Problem. Entspannen? Es besteht kein Zweifel daran, dass ich das nicht einmal im Ansatz versuchen brauche.

Ich schlinge meine Arme um seine Taille und lege meine Handflächen auf seinen Bauch. Ich kann fühlen, dass sich dort deutliche Linien abzeichnen, die unter meiner Berührung hart werden. Nicht, dass mich das überrascht, denn es bestätigt nur, was ich schon beim Anblick seines Bizeps gedacht habe. Aber meine Vermutung durch Tasten bestätigt zu wissen, ist dennoch etwas anderes.

„Fertig? Du brauchst mich nur mit deinen Händen zu führen, wenn wir abbiegen müssen, in Ordnung?“

„Okay.“

Meine Eingeweide werden kurz herumgewirbelt, als Nate uns auf die Straße lenkt. Die Art und Weise, wie er losfährt, kann man bei einem erfahrenen Biker, wie er es vermutlich ist, wohl als geschmeidig bezeichnen. Nur, ich bin keine erfahrene Bikerin, daher halte ich mich umso stärker an ihm fest. Es ist allerdings eher ein Reflex, denn ich bin nicht so verängstigt, wie ich gedacht hätte. Schnell macht sich sogar ein Lächeln auf meinen Lippen breit. Das ist definitiv nicht so beängstigend, wie ich es mir vorgestellt habe. Obwohl ich das zuvor ausgeschlossen hatte, entspannt sich mein Körper sogar. Und mein Griff um Nate lockert sich ein wenig, wenn auch nicht so sehr, dass ich seinen wohlgeformten Bauch unter meinen Händen nicht mehr spüren würde.

Ich fühle mich so wohl auf dem Bike, trotz der Geschwindigkeit und des Windes auf meiner Haut, dass ich ihn am liebsten auffordern würde, weiter die Straße hinunter zu brausen, als er hinter meinem Auto zum Stehen kommt.

„War dein erstes Mal auf dem Motorrad so toll, dass es dir die Sprache verschlagen hat, oder werden wir gleich halb verdaute Pfannkuchen überall in der Einfahrt verteilt sehen?“, fragt mich Nate mit einem neckischen Unterton in der Stimme, als er bereits neben dem Motorrad steht und mich beim Absteigen beobachtet.

„Das war viel weniger beängstigend, als ich dachte“, gebe ich zu und lasse ihn den Helm abnehmen.

Er streckt seinen Arm aus und legt ihn irgendwo auf dem Motorrad hinter mir ab, bevor er mein zerzaustes Haar mit sanften Fingern in Ordnung bringt, was gar nicht zu seinem muskulösen Äußeren passt.

Ich sollte mich seiner Berührung entziehen, aber ich habe nicht die geringste Lust dazu. Die Berührung spendet eine Art warmen Trost, von dem ich gar nicht wusste, dass ich ihn so sehr vermisst habe.

„Ist das die kapriziöse Karre?“, fragt er und zieht seine Hand aus meinem Haar zurück, während er einen Blick hinter sich wirft.

„Ja, das ist sie.“

„Mach die Motorhaube auf, ich sehe es mir mal an. Hat es irgendwelche Geräusche gemacht, als du versucht hast, es zu starten?“, fragt er und läuft bereits in Richtung des Autos, während ich gehe und tue, was mir aufgetragen wurde.

„Es hörte sich an, als würde es anspringen, aber das tat es nicht“, erkläre ich, so gut ich kann, während er die Motorhaube anhebt.

„Okay, versuch's.“

Ich starte einmal, und Nate brummt, als das Auto das Gleiche tut wie heute Morgen.

Als er nicht noch einmal nachfragt, steige ich aus und stelle mich zu ihm.

Sein Blick schweift über den ganzen Motor, und er bewegt sich mehrere Sekunden lang nicht, bevor er an Teilen herumfummelt, die ich nicht benennen kann. Er schraubt etwas ab und wieder an, dann schiebt er Kabel beiseite, um Dinge zu überprüfen, die tiefer im Motor liegen. Es vergehen mehrere Minuten, in denen ich ihm nur zuschaue, bevor er etwas sagt.

„Ich vermute, dass es entweder die Zündkerzen oder der Kraftstofffilter sind. Wie alt ist dein Auto?“, fragt er und wischt sich abwesend die Hände an seiner Jeans ab.

„Ungefähr sieben Jahre alt.“

„Hast du jemals die Zündkerzen gewechselt?“

„Ich glaube nicht. Ich gebe zu, dass ich in den letzten drei Jahren nicht viel gemacht habe, und davor hat sich mein Vater darum gekümmert.“ Ich ziehe den Kopf ein.

Er grinst. „Das heißt, du hast den Filter seit mindestens drei Jahren nicht mehr gewechselt.“

„Nö.“ Ich ziehe wieder eine Grimasse, und er lacht. „Aber ich benutze mein Auto in L.A. nicht sehr oft, da ich in der Nähe der Schule wohne“, verteidige ich mich.

„Wenn du mir vertraust, kann ich das Auto in meine Werkstatt bringen. Wenn ich die Teile habe, die ich brauche, kannst du es bis heute Abend zurückhaben.“

„Oh, das musst du nicht tun.“ Ich schüttle den Kopf. „Ich kann jemanden anrufen …“

„Sag nicht, du willst einen anderen Mechaniker anrufen. Du kränkst mich sonst.“ Er drückt seine Hand auf sein Herz, während sich seine Gesichtszüge zu gespielter Qual verzerren. „Und wenn ich nicht zurückkomme, hast du ja mein Motorrad.“

Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen.

„Ja, ich kann mir gut vorstellen, den ganzen Weg zurück nach L.A. mit dem Motorrad zu fahren“, sage ich und grinse. „Okay, ich überlasse dir mein Auto, aber erst kommst du auf einen Kaffee rein.“

„Abgemacht.“

Sobald die Motorhaube wieder unten und das Auto verriegelt ist, folgt mir Nate nach drinnen.

Ein kleines Lächeln umspielt meine Lippen, wenn ich daran denke, was meine Mutter dazu sagen würde, dass ich jemanden, den ich kaum kenne, mit nach Hause bringe. Sie hat sich immer ein bisschen Sorgen um mich gemacht, wie jede andere Mutter auch, aber ich erinnere mich, dass es schlimmer wurde, nachdem ich weggezogen war.

Ich bereite zwei Kaffee mit der schicken Maschine zu, die mein Vater so sehr liebte. Er würde sich freuen, wenn er wüsste, dass ich endlich herausgefunden habe, wie man sie benutzt. Auf der Arbeit haben wir die gleiche Maschine, daher weiß ich es nun. Zu Hause koche ich meinen Kaffee immer noch auf die altmodische Art, obwohl ich viel mehr Tee als Kaffee trinke.

„Dieses Haus gehört also dir?“

Ich nicke. „Meine Eltern haben es mir hinterlassen, aber ich bin zum ersten Mal wieder in der Stadt, seit ich nach der Beerdigung weggegangen bin. Ich habe ein bisschen sauber gemacht, aber ich bin froh, dass ich eine Putzfrau habe, die regelmäßig kommt“, gebe ich zu.

Ich stelle beide Kaffeetassen auf den quadratischen Küchentresen, der die Mitte des Raumes ausfüllt, und setze mich auf einen Barhocker. Nate tut es mir gleich.

„Geht es dir gut? Ich wollte dich nicht traurig machen.“

Als ich aufschaue und seinen Augen begegne, blickt er mich besorgt an. Ich frage mich kurz, wovon er redet, dann merke ich, dass ich in den letzten paar Minuten still geworden bin.

„Nein, das ist es nicht …“ Ich seufze. „Ehrlich gesagt, werde ich wohl immer ein bisschen traurig sein, wenn ich an meine Eltern denke, aber ich habe den Trauerprozess durchgemacht. Jetzt, wo ich wieder hier bin, stehe ich wohl ein bisschen neben mir, das ist alles.“ Ich lächle unbeholfen. „Die Sache ist die, auch wenn ich versucht habe, mir etwas anderes einzureden, bin ich auch deshalb wieder hier, weil es an der Zeit ist zu entscheiden, ob ich das Haus verkaufen oder behalten will. Jetzt, wo ich einen festen Job habe, weiß ich, dass ich das ganze Jahr über in L.A. bleiben werde, und ich wüsste ehrlich gesagt nicht, warum ich in den Ferien zurückkommen sollte. Ich bin froh, dass ich Dona wiedergesehen habe, aber seien wir mal ehrlich: Wenn du mir nicht meinen Tisch gestohlen hättest, würde ich jetzt wahrscheinlich zu Tode gelangweilt auf dem Sofa hängen und irgendeine stumpfsinnige Fernsehsendung schauen. Ich bin mir nicht sicher, ob es hier noch etwas für mich gibt“, gestehe ich. „Aber was ist mit dir?“, fahre ich fort. „Ich habe dich nicht einmal gefragt, ob deine Familie hier in der Nähe lebt.“

Etwas Dunkles bricht aus ihm hervor, doch ich habe keine Zeit, es zu greifen, bevor es genauso schnell von einem kleinen Lächeln weggewischt wird.

„Glaubst du, ich bin nur mit dir hier, weil ich alleine bin und mich langweile?“, scherzt er.

Ich lache. „Wenn ja, dann sag es bitte nicht. Ich möchte mir ein gewisses Selbstwertgefühl bewahren.“

„Du kannst dir sicher sein, dass ich mich nie zu etwas zwingen würde“, sagt er. „Und ich lebe sozusagen in der Nähe meiner Familie. Erinnerst du dich an die Freunde, von denen ich dir erzählt habe, dass ich mit ihnen arbeite?“, fragt er mich, und ich nicke. „Sie sind wie eine Familie für mich. Meine Mutter ist schon vor langer Zeit gestorben, und mein Vater … Ich kann dir nicht einmal sagen, ob er noch am Leben ist. Wenn ja, dann wohnt er wohl noch in einer Kleinstadt in Illinois. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen.“

Das bricht mir das Herz.

„Darf ich fragen, warum?“

„Er ist einfach kein guter Mensch“, sagt er schlicht.

Als er einen Schluck Kaffee nimmt, zeigt sich auf seinem Gesicht wieder der Schatten einer tiefen Trauer, und ich beschließe, das Gespräch auf ein leichteres Thema zu lenken.

„Illinois, sagst du? Hat dich dein Motorrad den ganzen Weg hierher gebracht?“

„Hat sie nicht.“ Er grinst. „Sie wurde erst später eines meiner Mädels.“

„Eines deiner Mädels? Wie viele Motorräder hast du denn?“

„Vier. Aber lass sie das nicht wissen“, setzt er an und senkt seine Stimme zu einem Flüstern, als ob sein Motorrad Ohren hätte und ihn von draußen belauschen könnte. „Aber sie ist nicht meine Lieblingsmaschine. Ich habe eine Harley, die ich normalerweise fahre. Ein Schmuckstück.“

Ich lache über die Art und Weise, wie er sich ausdrückt, sein Ton voller übertriebener Zuneigung.

Es ist so einfach, sich mit ihm zu unterhalten, und zum ersten Mal seit langer Zeit bin ich froh, mit jemand anderem als Colleen zu reden.

Mit jemandem außerhalb der Schule zu sprechen, war zu einer anstrengenden Tortur geworden, die ich gewöhnlich vermieden habe. Und selbst wenn ich in der Schule bin, konzentriere ich mich meistens auf meinen Unterricht und versuche, meinen Kollegen so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Zum Glück – wenn man so will – wissen sie alle gewisse Dinge über mein Privatleben, sodass die meisten von ihnen einen großen Bogen um mich machen. Wahrscheinlich, weil sie nicht wissen, wie sie sich in meiner Gegenwart verhalten sollen. Und mit denjenigen, die manchmal versuchen, das Eis zu brechen, entweder aus Mitleid oder einfach aus Freundlichkeit, beschränke ich die Gespräche auf ein Minimum.

Und jetzt sitze ich hier in der Küche des Hauses meiner Kindheit neben einem Fremden, und seltsamerweise sehnt sich mein Kopf nicht danach, abzuschalten, und mein Körper auch nicht danach, die Flucht zu ergreifen. Nates Stimme dringt in meine Ohren, und ich will einfach nur, dass er weiterredet. Aber ich weiß, dass das nur daran liegt, dass ich wieder hier in Texas bin, mit meinen Gedanken weit weg von der Tragödie und dem Ort, an dem mich quälende Erinnerungen zernagen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich wieder in denselben halb lethargischen Zustand zurückfallen werde, in dem ich mich fast ein Jahr lang befunden habe, sobald ich wieder in L.A. bin.

Schnell schiebe ich den Gedanken beiseite. Vielleicht lebe ich nur in einer Fantasiewelt, in der mein Lächeln zurück ist und nicht jedes Wort, das ich sage, von einer gewissen Müdigkeit begleitet wird, die mich anfleht, mich für eine ganze Woche im Bett zu verkriechen. Aber diese Welt hier ist wie ein Hauch von frischer Luft, der mich wieder aufatmen lässt. Und ich bin fest entschlossen, jeden Atemzug davon aufzusaugen, solange dieses Wunder andauert.

Kapitel 4

Nate

Selbst von der anderen Straßenseite aus ist der rote Patch auf den Kutten der beiden Biker, die entspannt auf dem Gehweg stehen und rauchen, nicht zu übersehen.

Diese verdammten Spiders.

Was zum Teufel machen die denn hier?

Sicher, das Dona‘s liegt auf neutralem Gebiet, aber in den zwei Jahren, die ich hierherkomme, habe ich diese Scheißkerle noch nie zu Gesicht bekommen. Diese Typen sind wahrscheinlich Prospects, da ich ihre Visagen nicht einordnen kann. Und ich merke mir absolut jedes Gesicht. Vor allem, wenn der Typ zu einem abgefuckten Club gehört, der von einem abgefuckten Präsidenten geführt wird, der meinen Club mit unverhohlener sadistischer Euphorie von der Landkarte tilgen würde, wenn er je die Chance dazu bekäme. Doch dazu wird es niemals kommen.

Als Chaos Chaser ist mein erster Instinkt, auf sie loszugehen und sie zum Teufel zu jagen. Aber das wäre dumm, denn ich bin allein und trage nur einfache Kleidung. Und auch wenn das Dona‘s nicht im Gebiet der Spiders liegt, so liegt es doch auch nicht in unserem. Wenn sie ein Zelt direkt vor dem Diner aufschlagen wollten, könnten sie das, verdammt.

Ich zwinge mich, die impulsiv in mir aufschäumende Wut zu zügeln. Es gelingt mir sogar, bis mein Blick dem der Spiders folgt und geradewegs an hellbraunem Haar hängen bleibt, das ein wunderschönes Gesicht einrahmt, das sanft auf etwas herab lächelt.

Camryn.

Mein Blut kocht, meine Hände ballen sich zu Fäusten, und mein Kiefer spannt sich so stark an, dass meine Muskeln und Knochen vor Schmerz aufzuschreien scheinen. Camryn schaut wohl auf ihr Handy, obwohl ich das von hier aus nicht sehen kann. Sie merkt gar nicht, dass sie von diesen kranken Wichsern angestarrt wird.

Ich werde ihnen die Beine aus dem Leib reißen, wenn sie auch nur daran denken, sich ihr zu nähern.

Das zeigt mir wieder, wie verdammt unschuldig dieses Mädchen ist.

Oder … ist sie das wirklich?

Warum beobachten die Spiders sie?

Plötzlich auftauchende Fragen wirbeln meine Gedanken durcheinander. Ich schwanke zwischen dem Misstrauen, das mein ganzes Leben lang mein engster Begleiter war, und der Überzeugung, dass Cam nichts mit Männern zu tun hat, die jemandem die Kehle aufschlitzen, nur weil sie gerade Lust dazu haben. Nur weil es ihnen Spaß macht, Blut fließen zu sehen. Ich bin von Letzterem überzeugt, und wieder wollen meine Füße wie von selbst auf sie zusteuern, instinktiv will ich meine Waffe ziehen und sie in ihre verdammten Kehlen rammen. Bis sie die Nachricht geschluckt haben, dass dies das letzte Mal gewesen ist, dass sie ihre kranken Blicke auf dieses Mädchen gerichtet haben.

Mein Gott, das ist so krank.