Tierethik als Ethik des Artenschutzes - Clemens Wustmans - E-Book

Tierethik als Ethik des Artenschutzes E-Book

Clemens Wustmans

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Beschreibung

Gegenwärtig vorherrschenden tierethischen Diskursen wird ein theologisch eigenständiges, verantwortungsethisches Konzept entgegengestellt, das einen Richtungswechsel intendiert: Die Frage stellt sich dann nicht mehr nach der Personalität des Tiers als Individuum, sondern nach Begründungszusammenhängen und Möglichkeiten zum Erhalt von Biodiversität. Ziel ist es somit, Bewahrung der Schöpfung in dem Maß zu gestalten, dass Ökosysteme und genetische Varianz in möglichst großer Zahl erhalten bleiben. Anschließend wird nach bereichsethischen Konkretionen gefragt und aufgezeigt, wie auf Grundlage des zuvor entwickelten Ansatzes eine Urteilsbildung in verschiedenen Konfliktsituationen möglich ist. Abschließend wird die Arbeit im größeren kulturwissenschaftlichen Kontext des "Animal Turn" verortet.

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Ethik – Grundlagen und Handlungsfelder

 

Band 9

Clemens Wustmans

Tierethik als Ethik des Artenschutzes

Chancen und Grenzen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

 

 

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Reproduktionsvorlage: Roman Greve, Bochum

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-025639-2

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-025640-8

epub:    ISBN 978-3-17-025641-5

mobi:    ISBN 978-3-17-025642-2

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Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Einleitung

II. Zum Status von Tieren in der Ethik

II.1. Öffnung der Ethik für Tiere – Anthropozentrische Positionen

II.1.1. Descartes

II.1.2. Kant und Kantische Theorien

II.1.3. Schopenhauers Mitleidsmoral

II.2. Biozentrische Positionen

II.2.1. Die Position Albert Schweitzers: Ehrfurcht und Verantwortung

II.2.3. Die Position Paul Warren Taylors

II.3. Pathozentrische Positionen

II.3.1. Die Position Peter Singers: Präferenzutilitarismus

II.3.1.1.

Utilitarismus und Präferenzutilitarismus als Grundlage der Position Singers

II.3.1.2.

Jemand oder etwas? Die Frage nach der Person bei Peter Singer

II.3.1.3.

Kritik am Ansatz Peter Singers

II.3.2. Die Position Tom Regans: ein Rechtsansatz

II.3.3. Die Position Jean-Claude Wolfs

II.3.4. Die Position Ursula Wolfs: Mitleidsethik und Tugendmoral

III. Ein Entwurf kriterialer Verantwortung im Rahmen theologischer Tierethik

III.1. Biblisch-Theologische Grundannahmen für eine Tierethik

III.1.1. Alttestamentliche Aussagen als Grundlagen einer Tierethik

III.1.2. Der „Sonderfall“ der prophetischen Eschatologie Jesajas

III.1.3. Tiere im Neuen Testament

III.2. Das Prinzip kriterialer Verantwortung als Grundlage eines tierethischen Paradigmenwechsels

III.2.1. Hans Jonas: Das Motiv der Verantwortung

III.2.2. Karl Barth: Das Motiv des Gebots

III.2.3. Verantwortungsethik nach Dietrich Bonhoeffer

III.2.3.1.

Der Gesamtentwurf der Ethik Bonhoeffers

III.2.3.2.

Die Struktur des verantwortlichen Lebens

III.2.3.3.

Verantwortungsethik als Grundlage einer Tierethik

III.3. „Rechte für Tiere“ oder ethische Begründung von Artenschutz und Schutz der Biodiversität?

III.3.1. Biodiversität als ethisches Gut

III.3.2. Kritische Hinterfragung

III.3.3. Abgrenzung zu Holismus und Physiozentrismus

III.3.4. Nutztierhaltung, vegane Ernährung oder Tierversuche: mittelbare Aspekte einer verantwortungsethischen Tierethik

IV. Tier- und Artenschutz als Kontroverse in der Praxis

IV.1. Zoologische Gärten als Artenschutzstätten?

IV.1.1. Kurze Entwicklungsgeschichte des modernen Zoologischen Gartens

IV.1.2. Die Welt-Zoo-Naturschutzstrategie

IV.1.3. Eine „tierethische Legitimation“ Zoologischer Gärten?

IV.1.4. Der „Erlebniszoo“ als Bildungsort?

IV.2. Populationsmanagement statt Schutz des Individuums

IV.2.1. Zum Begriff des Populationsmanagements

IV.2.2. Das Beispiel des „Culling“ im Krüger Nationalpark

IV.2.3. Neozoen als weltweite Herausforderung

IV.2.4. Populationsmanagement im Zoo

IV.2.4.1.

Artenschutz im Gegensatz zum Individualtierschutz im Zoo

IV.2.4.2.

„Breed and Cull“ – Tierschutz contra Tierschutz?

IV.2.5. (Verantwortungs-) Ethische Bewertung des Populationsmanagements als Teil des Schutzes von Biodiversität

IV.3. Ökotourismus als Gegenstand ethischer Urteilsbildung

IV.3.1. Das Beispiel der Berggorillas in Ruanda

IV.3.2. Naturbeobachtung im Verhältnis zur Tierhaltung im Zoo: Whale Watching oder Delphinarium?

V. Ausblick: „Animal Turn“ oder eine Tierethik auf dem Weg zum „Homo Oecologicus“?

VI. Zusammenfassende Betrachtung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Personenregister

Sachregister

Vorwort

 

Tiere als Teil unserer moralischen Wertegemeinschaft zu betrachten und damit verbundene Handlungsfelder kontrovers zu diskutieren, ist in der breiten Öffentlichkeit ebenso wie in akademischen Diskursen inzwischen selbstverständlich. Während das materiale Feld der Tierethik in der Philosophie jedoch relativ breiten Raum einnimmt, besteht innerhalb der Theologie noch deutlich größerer Bedarf hinsichtlich einer Selbstpositionierung in der Debatte und einer Konkretion von Kriterien und Argumentationslinien.

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2014 an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen als Dissertation angenommen. Herzlicher Dank gilt meinen beiden Gutachtern – Professor Dr. Folkart Wittekind sowie meinem Lehrer Professor Dr. Traugott Jähnichen – für ihre offene und konstruktive Begleitung der Arbeit.

Für die Diskussion unterschiedlichster Aspekte des Themas bedanke ich mich außerdem bei Professor Dr. Dr. Günter Thomas sowie Dr. Markus Höfner, Dr. Steffen Leibold und – vor allem – Jannika Haupt. Ihr sowie Peter Wustmans verdanke ich auch wertvolle Hinweise und Korrekturen, die diese Arbeit „rund“ werden ließen. Für ihre große Unterstützung danke ich dem Team am Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre der Ruhr-Universität Bochum: Ulrike Busse, Maximiliane Golsong, Maximilian Schell, Michael Waschhof und besonders Roman Greve.

Ich danke dem Verlag W. Kohlhammer für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Ethik – Grundlagen und Handlungsfelder“, insbesondere Julia Zubcic und Jürgen Schneider für die unkomplizierte Zusammenarbeit. Dank für großzügig gewährten Druckkostenzuschuss gilt der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Umfassend danken möchte ich meiner Familie für ihre Unterstützung, diese Arbeit grundsätzlich zu ermöglichen. Gleiches gilt für Sascha Zuk – mit ihm kann man beharrlich diskutieren, über die Relevanz theologischer Aussagen streiten und auf die Vulkanhänge Ruandas zu den Berggorillas wandern.

 

Essen, im Februar 2015

Clemens Wustmans

I         Einleitung

 

Dass Tiere ethisch relevant sind, wird in der gegenwärtigen Diskussion in Philosophie und Theologie, aber auch darüber hinaus in allgemein kulturwissenschaftlichen Kontexten wohl nicht mehr bestritten. Fraglich ist jedoch, in welchem Maß sie als Subjekte einer Ethik gelten können und welche Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, respektive das Verhalten des Menschen gegenüber dem Tier gezogen werden müssen.

Eine tierethische Debatte im engeren Sinne wird seit den 1970er Jahren geführt; als ihr Auslöser muss die programmatische Schrift Peter Singers „Animal liberation“1 aus dem Jahr 1975 gesehen werden. Mit diesem auf dem Prinzip des Präferenzutilitarismus fußenden Ethikentwurf wird das pathozentrische Argument zur bestimmenden Richtung der Diskussion. Es verneint auf Grund identischer Leidensfähigkeit eine prinzipielle Unterscheidung zwischen Mensch und Tier und verschiebt stattdessen die Frage nach dem Personsein über Speziesgrenzen hinaus. Folgenreiche Prämisse der maßgeblichen tierethischen Entwürfe der vergangenen 40 Jahre ist es dementsprechend, eine Überwindung der Anthropozentrik einzufordern und argumentativ zu begründen. Diese Arbeit verwirft sowohl die Prämisse einer eingeforderten Überwindung von Anthropozentrik als auch deren prinzipielle Möglichkeit einer Einlösung im Rahmen pathozentrischer oder biozentrischer Ethikmodelle.

Einen ersten Schritt im Gang der Untersuchung stellt die vorzunehmende Verortung des zu entwickelnden Ansatzes im Kontext eines Gesamtaufrisses tierethischer Debatten dar. Generell wird an dieser Stelle kein Anspruch auf einen vollständigen Überblick im Sinne einer Anthologie erhoben, vielmehr sollen repräsentative und in ihrer Rezeption besonders wirkmächtige Ansätze unterschiedlicher Strömungen die Debatte möglichst breit auffächern. Zunächst werden mit den Positionen Descartes’, Kants und Schopenhauers die wohl einflussreichsten ethischen Positionen der Neuzeit vorgestellt, die auf der Grundlage eines anthropozentrischen Weltbildes das Tier eindeutig als das nicht-vernunftbegabte Gegenüber des Menschen charakterisieren, dieses dennoch indirekt in unterschiedlichem Ausmaß in ihre ethischen Überlegungen einbeziehen.

In ihrer Gliederung folgt die Arbeit der innerhalb tierethischer Diskurse üblichen Einordnung der gewählten Ansätze in anthropozentrische, biozentrische und pathozentrische Positionen. Inhaltlich kann dem nicht im vollem Umfang gefolgt werden, insbesondere die Verortung der Ethik Schweitzers in den Bereich der Biozentrik wird in dieser Arbeit nicht gestützt (und wurde auch von Schweitzer so nie postuliert); zur besseren Vergleichbarkeit folgt die Gliederung hier jedoch der üblichen rezipierenden Einordnung. Mit der Position Paul W. Taylors werden die begrenzten Möglichkeiten des Versuchs einer solchen biozentrischen Position im eigentlichen Sinne aufgezeigt.

Stellvertretend für sich selbst als pathozentrische Ansätze charakterisierende Ethikentwürfe werden die Positionen Peter Singers, Tom Regans, Jean-Claude Wolfs und Ursula Wolfs dargestellt. Vor allem gegen den Ansatz Peter Singers und die diesem inhärente Frage nach dem Personsein sollen als wohl meistbeachteter und zugleich umstrittenster tierethischer Position kritische Anfragen formuliert werden.

Um dagegen einen Entwurf kriterialer Verantwortungsethik als ausdrücklich theologischen Ansatz in den tierethischen Diskurs einzubringen, soll im daran anschließenden Schritt zunächst biblisch-theologischen Grundannahmen für die Formulierung einer Tierethik nachgegangen werden. Diese verweisen auf die These, dass eine theologische Ethik auch in ihrem Bezug auf Tiere grundsätzlich anthropozentrisch formuliert werden muss. Zugleich ergibt sich aus den biblischen Schriften ein Verweis auf eine gebotene Akzentverschiebung innerhalb der Tierethik; während die zuvor dargestellten Positionen – von Kant bis Singer – grundsätzlich die Frage nach der ethischen Relevanz des Tiers als Individuum stellen, verweisen die biblischen Schriften auf die Bedeutung der Tiere im größeren ökologischen Zusammenhang für die Bewahrung der Schöpfung. Diese Akzentuierung soll der anschließend erfolgende Entwurf übernehmen.

Die Basis der systematisch-theologischen Positionierung bildet die situative Verantwortungsethik Dietrich Bonhoeffers, wie er sie in seiner posthum veröffentlichten Ethik vor allem im Kapitel zur Struktur des verantwortlichen Lebens entwickelt. Zur deutlicheren Akzentuierung wird dieser der Arbeit zugrundegelegte Entwurf von zwei weiteren Positionen flankiert: Aus der Ethik Hans Jonas’ soll das Motiv der Verantwortung, das er ausdrücklich in den Kontext umweltethischer Überlegungen stellt, für eine Konkretisierung übernommen werden, aus der Theologie Karl Barths erfolgt die Übernahme des Motivs des Gebots. Diese Orientierung am Gebot Gottes ist auch der Ethik Bonhoeffers inhärent und wird durch die Hinzuziehung zentraler Positionierungen Barths zu Herrschaft und Verantwortung des Menschen im Rahmen seiner Schöpfungslehre konkretisiert. In einem ergänzenden Kapitel formuliert die so entwickelte Ethik kriterialer Verantwortung ihr eindeutiges Ziel, das – dem biblisch- und systematisch-theologisch hergeleiteten Gebot des verantwortlichen Handelns zur Bewahrung der Schöpfung entsprechend – in Schutz und Erhaltung von Biodiversität zu sehen ist. Dieser Gesamtentwurf nimmt somit in Anerkennung eines wesentlichen Unterschieds zwischen Mensch und Tier nicht das Tier als Individuum in den Blick, sondern richtet sein Augenmerk auf Tier und Mensch im größeren Zusammenhang einer für zukünftige Generationen zu erhaltenden Vielfalt. Dabei erfolgen sowohl eine kritische Hinterfragung dieser Handlungsorientierung wie auch eine deutliche argumentative Abgrenzung zu physiozentrischen und holistischen Ansätzen.

Entstehen Konfliktfälle zwischen dem Artenschutz als Teilaspekt des Schutzes von Biodiversität und dem Tierschutz als Verteidigung von Tieren individuell zuzuschreibenden Rechten, so hat sich die kriteriale Verantwortungsethik in ihrer situativen Abwägung letztlich am Artenschutz zu orientieren. Im Rahmen einer bereichsethischen Konkretion soll das Modell auf verschiedene Handlungsoptionen des Menschen in seiner Beziehung zum Tier befragt werden. Nicht bzw. nur mittelbar in den Blick genommen werden dabei Aspekte wie die Haltung von Nutztieren, das Postulat ethisch gebotener veganer Ernährung und die Durchführung von Tierversuchen. Diese Konkretionen bestimmen die bisherige tierethische Debatte grundlegend, sind jedoch im Rahmen einer Akzentverschiebung vom Individualtierschutz zum Artenschutz von eher nachgeordnetem Interesse.

Zu untersuchende materiale Konkretionen sind im Rahmen dieser Arbeit die Haltung von Tieren im Zoologischen Garten im Hinblick auf seine tierethische Legitimität, der Konflikt zwischen Individualtierschutz und Artenschutz anhand verschiedener Beispiele des Populationsmanagements sowie Formen der Begegnung von Mensch und Tier im Rahmen des weltweit an Bedeutung gewinnenden Ökotourismus; das Beispiel der Beobachtung von Berggorillas in Ruanda soll ebenso Gegenstand der ethischen Urteilsbildung werden wie die Abwägung des Kontakts mit Tieren in der Natur und im Zoo anhand einer Gegenüberstellung von Whale Watching und Delphinarien.

Eine Arbeit wie diese, die sich auf den Entwurf und die Konkretion einer Ethik nach dem Modell kriterialer Verantwortung stützt, kann nicht sämtliche Aspekte ihrer Bereichsethik, in diesem Fall der Tierethik, aufgreifen. Wie erwähnt, fällt die Abhandlung bestimmter konkreter Urteilsbildungen knapp aus, während anderen, bisher in der ethischen Debatte kaum ausführlich oder gar nicht diskutierten Anwendungsebenen ein stärkeres Gewicht eingeräumt wird. Auch können bestimmte Ansätze trotz oft großer Popularität kaum als Beitrag zu einem Modell kriterialer Verantwortungsethik gelesen werden und bleiben daher im Folgenden unberücksichtigt.2

Die vorliegende Arbeit versteht sich ausdrücklich als theologische Ethik im Kontext eines größeren interdisziplinären Gesprächs; wie in anderen Bereichsethiken werden Grundlagen der jeweiligen Bezugswissenschaft, hier der Biologie und speziell der Ökologie, wahr- und ernstgenommen und grundlegend zur ethischen Urteilsbildung herangezogen. Im Aufgreifen des von Meinberg entwickelten Menschenbilds des „Homo oecologicus“ wird darüber hinaus der Horizont einer umfassenden Integration der hier entwickelten Tierethik in weitreichendere Debatten als Ausblick aufgezeigt.

1    Singer, Peter: Befreiung der Tiere. Eine neue Ethik zur Behandlung der Tiere, München 1982.

2    Beispielhaft an dieser Stelle der Verweis auf die auch in populärwissenschaftlichen Kontexten breit rezipierten Ansätze von Helmut Kaplan, vgl. Kaplan, Helmut F.: Ich esse meine Freunde nicht oder: Warum unser Umgang mit Tieren falsch ist, Berlin 2009. Theologisch ist Rainer Hagencord, Biologe und katholischer Theologe aus Münster und dort Leiter des „Instituts für Theologische Zoologie“, zu erwähnen, dessen Verdienste um das Gespräch zwischen Theologie und Biologie und das Ringen um die ethische Berücksichtigung der Tiere zudem ungleich höher gewichtet werden müssen. Vgl. Hagencord, Rainer: Die Würde der Tiere. Eine religiöse Wertschätzung, Gütersloh 2011; ders.: Noahs vergessene Gefährten. Ein zerrüttetes Verhältnis heilen, Ostfildern 2010; ders.: Wenn sich Tiere in der Theologie tummeln. Ansätze einer theologischen Zoologie, Regensburg 2010; ders.: Diesseits von Eden. Verhaltensbiologische und theologische Argumente für eine neue Sicht der Tiere, Regensburg 2009.

II.      Zum Status von Tieren in der Ethik

II.1.     Öffnung der Ethik für Tiere – Anthropozentrische Positionen

Die Konzeptionierung einer speziellen Tierethik ist ein relativ junges Phänomen. Von tatsächlichen tierethischen Konzepten im engeren Sinne zu sprechen, ist auf Grund der den Ansätzen inhärenten Kriteriologien, der deutlich größeren Rezeption und der gestiegenen Geltung innerhalb philosophischer und theologischer Diskurse wohl erst ab den 1970er Jahren möglich. Gleichwohl fußen auch sie in der Regel auf älteren Denkmodellen, auch radikale tierschützerische Entwürfe sind keine Erfindung der jüngsten Vergangenheit.3 Mit wenigen Ausnahmen ist älteren ethischen Ansätzen, die sich mit dem Status von Tieren befassen, jedoch zu attestieren, dass es sich um anthropozentrische Entwürfe handelt;4 wo Tiere vor dem 20. Jahrhundert Gegenstand ethischer Überlegungen werden, geschieht dies nicht nur abgeleitet, also vom Menschen her gedacht, sondern im Rahmen eines Weltbilds, das dem Menschen deutlich eine Sonderrolle zuweist. Exemplarisch sollen im Folgenden mit den Positionen Descartes’, Kants und Schopenhauers herausragende und besonders rezipierte Ansätze einer solchen anthropozentrischen, gleichwohl für Tiere „geöffneten“ Ethik dargestellt werden.

II.1.1.    Descartes

Große Wirkmacht entwickelten René Descartes’5 Ausführungen, in denen er die Frage, ob Tiere einen Geist besäßen, verneint.

Descartes, in dessen Philosophie physiologische Modellvorstellungen einen integralen Bestandteil ausmachen, reduzierte den lebenden Organismus auf dessen Mechanik. Dies gilt nach Descartes für Tiere und Menschen gleichermaßen, jedoch mit dem fundamentalen Unterschied, dass er dem Menschen darüber hinaus eine Seele zuspricht, die neben dem mechanisch funktionierenden Organismus den anderen Teil des Menschen ausmacht; für Tiere gilt dies nicht, sie sind nach Descartes als seelenlos anzusehen. Diese rationalistische Sicht Descartes’ auf den menschlichen Körper und vor allem den der Tiere als „Automaten“ steht im Gegensatz zu einer traditionellen, stark christlich geprägten Perspektive der Mitgeschöpflichkeit, war jedoch lange prägend für die Neuzeit.

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