Tierschützer. Staatsfeind - Martin Balluch - E-Book

Tierschützer. Staatsfeind E-Book

Martin Balluch

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Beschreibung

Vier Jahre lang ist er von der Polizei observiert worden, seine Telephongespräche wurden abgehört, sein E-Mail-Verkehr überwacht, sein Auto mit einem Peilsender ausgestattet. Dreieinhalb Monate musste er in Untersuchungshaft verbringen. Zwei Jahre lang bespitzelte eine Undercoveragentin der polizeilichen Sonderkommission die Aktionen des "Vereins gegen Tierfabriken", dem er vorsteht. Angeklagt war er als Chef einer "kriminellen Organisation" nach § 278a des österreichischen Strafgesetzbuches. Über ein Jahr stand er - mit weiteren zwölf Angeklagten - an insgesamt 100 Prozesstagen vor Gericht, an manchen Tagen von 9 Uhr früh bis 9 Uhr abends. Nun hat Martin Balluch über die Jahre der Verfolgung ein Buch geschrieben.

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Seitenzahl: 550

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Martin Balluch

© 2011 Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien Lektorat: Thomas Unger Umschlaggestaltung: Gisela Scheubmayr Buchgestaltung: Stefan Kraft

ISBN: 978-3-85371-803-2 (ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-85371-331-0)

Fordern Sie einen Gesamtprospekt des Verlages an: Promedia Verlag Wickenburggasse 5/12 A-1080 Wien

E-Mail:

Vorwort

Alles, was ich in diesem Buch über meine Erlebnisse in Österreich im Jahr 2008 und danach schreibe, ist tatsächlich wahr. Am 21. Mai 2008 hat mich mit den nächtlichen Polizeiüberfällen auf meine und 22 andere Wohnungen von TierschutzaktivistInnen sowie auf sechs Tierschutzbüros die politische Realität in Österreich eingeholt. In den folgenden 105 Tagen der Untersuchungshaft erkannte ich erst, wie unfassbar naiv ich davor in den 30 (!) Jahren des politischen Aktivismus für Tier- und Umweltschutz gewesen war. Jetzt, im Nachhinein, ist mir nicht mehr ganz klar, warum ich diese Ereignisse nicht erwartet oder wenigstens für möglich gehalten hatte.

Schon während meiner Jugendzeit, in der ich politisiert wurde, gab es international große politische Prozesse gegen friedliche DissidentInnen. Besonders erinnerlich ist mir der Prozess gegen die Studierendenvereinigung der Schwarzen in Südafrika und der Tod von Steve Biko einige Zeit danach unter den Knüppeln von PolizeibeamtInnen in einer Zelle. Die Kampagne gegen die Apartheid in Südafrika war das zentrale internationale Thema meiner politischen Bewusstwerdung. 1948 war in Südafrika die nationalistische „Nationale Partei“ demokratisch – ohne Stimmrecht der Nicht-Weißen – an die Macht gekommen. Daraufhin wurde sukzessive ein System der totalen Rassentrennung, in der Sprache der MachthaberInnen (Afrikaans) Apartheid genannt, etabliert. In den 1970er Jahren, nach den Erfolgen der Bürgerrechtsbewegung in den USA, führte diese Apartheid zu einer zunehmenden internationalen Ächtung und zu einem Boykott südafrikanischer Waren. In Südafrika entwickelte sich ein bewaffneter Widerstand – und im Gleichschritt die südafrikanische Demokratie in einen Polizeistaat. Der Geheimdienst infiltrierte alle potenziellen Protestgruppen, und es wurde ein Terrorismuspräventionsgesetz eingeführt, das der Polizei und der Justiz weiten Handlungsspielraum bis hin zur Folter bot.

Unter den völlig gewaltfreien Widerstandsgruppen, die 1974 in den Fokus der Geheimpolizei gerieten, waren die Studierendenorganisation South African Students’ Organisation (SASO) und das Black Consciousness Movement (BCM). Wie wir von der Sonderkommission gegen den Tierschutz in Österreich wurden auch diese Organisationen abgehört und infiltriert. 1974 kam es dann zu zahlreichen Hausdurchsuchungen und zu 101 Tagen U-Haft für mehrere Beschuldigte. Über das ganze Jahr 1975 und einen Teil von 1976 wurde ein Prozess auf Basis des Terrorismuspräventionsgesetzes durchgeführt. Beim Tierschutzprozess am Landesgericht in Wr. Neustadt ging es im Wesentlichen um dasselbe, und sowohl U-Haft als auch Prozess dauerten ähnlich lange. In Südafrika wie auch in Wr. Neustadt waren 13 Personen angeklagt.

Den 1975 in Südafrika Angeklagten wurde nicht vorgeworfen, selbst kriminelle Handlungen durchgeführt, geplant oder in Auftrag gegeben zu haben. Vielmehr warf man ihnen vor, ihre Pamphlete, Vorträge und Flugzettel seien subversiv und würden andere, ihnen unbekannte Personen zu Straftaten motivieren. Ähnliches war 35 Jahre später die Grundlage der Anklage im Tierschutzprozess. Der südafrikanische Prozess zog sich so lange hin, weil es eben nicht um konkrete Straftaten, sondern um die Gesinnung und die politische Wirkung der Angeklagten ging. Der Richter und der Staatsanwalt fragten z. B., ob die Angeklagten gegen das Apartheidsystem seien, ob sie die Gesellschaft grundsätzlich ablehnten und ob sie Gewalt als legitimes politisches Mittel anerkennen würden oder nicht. Jede Äußerung der Angeklagten im Laufe ihrer politischen Arbeit wurde vorgelesen und genau hinterfragt – auch hier deutliche Parallelen zum Tierschutzprozess. Dazu wurden in beiden Prozessen zahlreiche ZeugInnen einvernommen, die über die Gesinnung der Angeklagten Auskunft geben sollten.

Im Urteilsspruch aus Südafrika findet sich folgende Aussage von Richter Boshoff: „The means that you adopt in order to build up the power bloc and to conscientise people has the effect of antagonising black people, and eventually you have a situation where you will not be able to control this bloc if they do not get their claims met by the white group […] The objection is not against conscientising as such, it is the manner of conscientising pointing out to them what enemies they have in the white people.“

Und mit diesen Worten wurden neun der 13 Angeklagten zu fünf bis sechs Jahren unbedingter Haft verurteilt.

Ich hatte also diese Kenntnis und dieses politische Vorbild, und dennoch traf mich der umfassende Schlag von Polizei und Justiz in Österreich in seinem Ausmaß und in seiner Härte völlig unerwartet. Der südafrikanische Prozess lief in einer „Demokratie“ der weißen Minderheit ab. Auch aus der DDR kannte ich politische Prozesse, aber hier hatte ich die Ausrede, dass es sich ja um eine Diktatur handelte und die Verhältnisse deshalb nicht auf Österreich übertragbar seien. Ähnlich könnte man über die SozialistInnenprozesse des Austrofaschismus denken, obwohl in all diesen Prozessen die politische Natur der Vorwürfe sehr ähnlich war. Immer konnte man den Angeklagten keine konkreten Straftaten vorwerfen, immer subsumierte man sie als Teil eines großen revolutionären Ganzen unter die Straftaten Unbekannter und machte sie so mitschuldig. Als Außenminister nannte der seinerzeit verurteilte Bruno Kreisky diese juristische Taktik empört ein „Amalgam“, also eine willkürliche Maßnahme, und bezog sich dabei auf die ähnlich gelagerten Vorwürfe gegen ihn und andere potenzielle SympathisantInnen der Südtirolanschläge in den 1960er Jahren. Freilich wurde Kreisky deshalb nie der Prozess gemacht.

Auch in der österreichischen Geschichte der Demokratiewerdung gibt es ein leuchtendes Vorbild einer solchen Prozesstaktik: den Jakobinerprozess von 1794. Nach der Aufklärungsperiode unter Kaiser Josef II. gab es eine neoabsolutistische Reaktion, und insbesondere angesichts der revolutionären Entwicklungen in Frankreich wurde eine Geheimpolizei eingerichtet und ein Spitzelwesen eingeführt, das dann im Vormärz seinen Höhepunkt finden sollte. Spitzel zusammen mit Geheimpolizei wurden rasch fündig, man infiltrierte eine Gruppe von Personen, die eigentlich nicht mehr als ein Debattierclub über Demokratie war. Anfang 1794 wurde zunächst das sogenannte „Schusterkomplott“ aufgedeckt und einige Personen mangels anderer juristischer Möglichkeiten wegen Blasphemie zu je einem Jahr Haft verurteilt. Sie hatten in ihren Diskussionskreisen atheistische Meinungen geäußert, sich aber auch über militärische Siege des revolutionären Frankreich gefreut und demokratische Reformen angedacht. Da man dadurch aber der wesentlichen AkteurInnen innerhalb der sogenannten „Jakobiner“ nicht habhaft werden konnte, forderte der Polizeiminister vom Kaiser die Möglichkeit, DissidentInnen ohne konkrete Anklage festnehmen zu können. In einer Anfrage der Polizeihofstelle an den Kaiser vom 23. Juni 1794 wurde verlangt, dass die Polizei in Fällen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung ohne juristische Formalitäten vorgehen und Verhaftungen aussprechen dürfe. Die wichtigste Aufgabe der Polizei sei, Verbrechen im Vorfeld zu verhindern, und das lasse sich nur so bewerkstelligen. Am 14. Juli 1794 begannen tatsächlich die Verhaftungen, und im Oktober folgte der Prozess. Vorgeworfen wurde einigen wenigen letztlich die Planung einer Revolte – sie waren von einem Polizeispitzel zu entsprechenden Äußerungen aufgestachelt worden –, den anderen Mitwisserschaft, die Verbreitung von subversiven Texten und der Straftatbestand, einen Geheimbund gebildet zu haben. Weil im Rahmen der Aufklärung kurz davor die Todesstrafe abgeschafft worden war, brachte man nur die beiden Angeklagten, die als Angehörige der Armee nach dem Militärstrafrecht verurteilt werden konnten, durch Erhängen am Schottentor in Wien um (einer davon wurde nur noch als Leiche aufgehängt, weil er vorher Selbstmord begangen hatte). Der Rest erhielt zum Teil sehr lange Gefängnisstrafen, erschwert durch besondere Auflagen wie hartes Lager und Hungertage. Erstaunlicherweise sind diese ersten Opfer der Demokratiebewegung im österreichischen Geschichtsbewusstsein fast völlig vergessen. Vor Antreten ihrer Strafe stellte man die Verurteilten 1795 in Wien öffentlich aus, und sie wurden vom Volk bespuckt und beschimpft. In der Öffentlichkeit hatte man zu dieser Zeit offenbar sehr wenig Verständnis für die Forderung nach Demokratie.

Doch auch im demokratischen Österreich an der Wende zum dritten Jahrtausend und danach gab es politische Prozesse, die bei mir die Alarmglocken hätten schrillen lassen müssen. Die unter dem Schlagwort „Operation Spring“ durchgeführten Ermittlungen und Hausdurchsuchungen gegen MigrantInnen mit schwarzer Hautfarbe scheinen nach entsprechender Analyse ebenfalls rein politisch motiviert gewesen zu sein. Die meisten der Betroffenen hatten sich in einer Protestbewegung gegen die Tötung von Marcus Omofuma bei dessen Abschiebung formiert. Aussendungen der Polizei nach den Verhaftungen ist zu entnehmen, dass diese Protestaktivität ein zentrales Erkennungsmerkmal der Mitgliedschaft in der vorgeworfenen kriminellen Organisation – die dann nie angeklagt wurde – gewesen sein soll. Einer der angeblichen Chefs dieser angeblichen kriminellen Organisation, Obiora Ci-K Ofoedu, ein Schriftsteller ohne jede Beziehung zum Drogenhandel oder einem kriminellen Milieu, wurde in genau der gleichen Weise beschuldigt und in U-Haft gesteckt wie neun Jahre später die U-Häftlinge im Tierschutzverfahren. Doch hielt sich die Kritik der Medien und der Zivilgesellschaft an der „Operation Spring“ lange Zeit in Grenzen – mehr noch, vielen Berichten war regelrechter Hass auf die Beschuldigten zu entnehmen. Offenbar hatten die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber schwarzen MigrantInnen und der zusätzliche Vorwurf der Drogenkriminalität ein zu großes Gewicht.

Ähnliches lässt sich für den sogenannten IslamistInnenprozess sagen, der unmittelbar vor der Tierschutzcausa in Wien über die Bühne ging. Ein junges Ehepaar wurde im Wesentlichen aufgrund seiner subversiven Äußerungen im Internet bzw. aufgrund von Übersetzungen im Internet öffentlich zugänglicher Texte zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Kurz gesagt, mit all diesen Erfahrungen hätte man realistischerweise auch im demokratischen Österreich mit einem ähnlichen politischen Verfahren gegen den Tierschutz rechnen können. Immerhin sind die Aktivitäten der Tierschutzbewegung seit 1997 fixer Bestandteil des sogenannten Verfassungsschutzberichtes der Polizei und damit im Visier jener Polizeieinheiten, die die Verfassung zu schützen und Terrorismus zu bekämpfen haben. Allerdings, und das ist die wesentliche Entschuldigung für meine Naivität, war gerade in den Jahren vor den Polizeiübergriffen im Tierschutzbereich nichts irgendwie Auffälliges passiert. Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2007 sagt sogar ganz deutlich, dass es in diesem Jahr nur halb so viele Straftaten im Namen des Tierschutzes gegeben habe wie noch 2006. Dafür habe die legale Tierschutzaktivität dramatisch zugenommen. Insgesamt habe man 2007 nur 22 Anzeigen mit Tierschutzbezug erhalten, eine Zahl, die im internationalen Vergleich sehr gering ist. Für linksradikale Ziele listet derselbe Verfassungsschutzbericht etwa 15-mal mehr Anzeigen auf, für rechtsradikale gar 40-mal mehr.

Und die 22 Strafanzeigen im Tierschutzbereich waren mehrheitlich von einer Art, die man landläufig „Pimperldelikt“ nennt, also mehr oder weniger Bagatellen. Hauptsächlich ging es um zerstörte Werbeplakate, aber auch um beschädigte Auslagenscheiben, um Stinkbombenwürfe, um mit Lack übergossene Autos, um aufgestochene Autoreifen und um anonyme Drohungen per E-Mail, die sich alle gegen tiernutzende Firmen gerichtet haben sollen. Im gleichen Jahr gab es aber 711 Anzeigen wegen schwerer, strafrechtlich relevanter Tierquälerei und mehrere tausend Anzeigen wegen Tierquälerei nach dem Tierschutzgesetz, von denen weniger als zehn Prozent sanktioniert wurden. Dabei ist bei Tierquälerei die Dunkelziffer jener Fälle, die nie den Behörden bekannt werden, viel höher als in anderen Bereichen, u. a. weil das Tierschutzgesetz im Mittel nur alle 50 Jahre eine Kontrolle jeder Tierfabrik vorschreibt. Angesichts dieser Zahlen ist die Notwendigkeit, gegen TierschutzaktivistInnen mit Sonderkommission und politischem Prozess vorzugehen, nicht nachvollziehbar.

An dieser Stelle sollte man auch erwähnen, dass es damals zahlreiche Sachbeschädigungen und Droh-E-Mails, aber auch körperliche Angriffe gegen TierschutzaktivistInnen gab und auch heute noch gibt. Am 5. Dezember 2006 wurden drei Aktivisten des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT) bei einer legalen und friedlichen Kundgebung gegen Pelz vor einer Filiale der Firma Kleider Bauer in Innsbruck angegriffen und schwer verletzt. Einem der Angegriffenen, er sollte später unter den Angeklagten im Tierschutzprozess sein, wurde dabei mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Wenige Tage nach dem Vorfall trudelte eine E-Mail folgenden Inhalts im VGT-Büro ein: „Eine funktionierende Wirtschaft sichert Arbeitsplätze, auch der Pelzhandel. Lieber ein paar tote Tierschützer als eine kaputte Wirtschaft!“ Später gab es am 15. September und am 28. September 2007 ähnliche Angriffe auf friedliche AktivistInnen bei Kundgebungen vor Kleider-Bauer-Filialen in Graz und Wien. Bei letzterem Vorfall gab einer der Angreifer an, man habe ihm 30 Euro für diese Aktion bezahlt. Im Jahr 2007 wurde dreimal nach Kundgebungen vor Kleider Bauer in Wien das Transportfahrzeug des VGT beschädigt und mit Lack übergossen. Es gab hier also eine offensichtliche Häufung von Straftaten gegen jene Personen, die gegen die Firma Kleider Bauer legal und friedlich demonstrierten.

Daneben ist noch ein weiterer Fall von schwerer Körperverletzung an TierschutzaktivistInnen aus dem Jahr 2007 bekannt. Am 18. November gab es anlässlich einer Treibjagd bei Zurndorf im Burgenland einen konzertierten Angriff von JägerInnen auf TierschützerInnen, bei dem Letztere zu Boden geschlagen, getreten, bespuckt und verletzt wurden. Teile dieser Angriffe wurden mit Videoaufnahmen dokumentiert – bis die Kameras von den JägerInnen beschädigt wurden, offenbar um das weitere Filmen zu verhindern.

Anlässlich des Tierschutzprozesses hat der VGT einige Beispiele von Droh-E-Mails und kleineren Sachbeschädigungen gegen den Verein veröffentlicht, um zu zeigen, dass Tierschutzorganisationen oft Opfer solcher Straftaten sind:

9. April 2008: „Eicha hurns Varein kerd auf da stö zurdrat und es kehrts ole daschlong und ba de eier aufkengt.!!!!!!!!!!!!!“

23. April 2008: „Ihr werdet auch immer hirnloser. Was würde man ohne jagd machen? Ich hätte auch kein Hobby mehr und verreisen um zu jagen kann ich dann auch nicht mehr. In zukunft passt besser auf was ihr sagt sonst steht ihr auf meiner abschussliste!!!!“

19. September 2008: „Was ist bitte ein Zirkus für ein Zirkus ohne Elefanten,Löwen,Tiger udgl. Dann sperrt doch auch gleich noch jeden Zoo zu ihr Möchtergern Tierschützer euch gehört das Handwerk gelegt“

2. Juli 2009: „Ihr sehr wirklich einfach nur mehr deppat! Glaubts ihr wirklich nur weil ein paar Geschäfte, Firmen oder andere Betriebr auf Käfigeier verzifcchten ist das das Ende der hygenisch besten Eier???

Ist wohl besser wenn man in Österreich große Betriebe (Latschenberger, Schrall, Bachner...) umbringt un jetzt bereits bei Hofer Holländische Eier im Regal stehen!!

Ihr Wixxer ihr verdammten!“

3. Oktober 2009: „ICH HASSE TIERE; ICH MÖCHTE NICHT DASS SIE STERBN GANZ IM GEGENTEIL! IHR TOT SOLL SO LANGE WIE MÖGLICH HINAUSGEZÖGERT WERDEN SODASS SIE SO LANGE WIE MÖGLICH LEIDEN!!!“

5. Oktober 2009: „… mein Hass wäre nicht sehr groß wenn ich Ihn mit Worten beschreiben könnte; welchen ich für Euch Empfinde!!!“

30. Dezember 2009: „wenn ihr stallbesuche in zukunft macht müsst ihr damit rechnen in fotofallen, kameras zu tappen oder einige haben auch schon auf schrott umgestellt. also ich würde mir nächtliche einbrüche an fremden besitz in zukunft überlegen bis es den ersten toten gibt eigentum steht über allem. wenns ihr es nicht kapiert gilt das faustrecht“

2. Februar 2010: „ihr dreckschweine frest euer gemüse und last uns fleischesser in ruhe ich bin metzger und ich liebe es tiere zu schlachten besonders kleine kälber die haben das beste fleisch fohlen steak ist auch gut wir metzger werden nie aufhören zu schlachten. fleisch heil. wir werden euch bekämpfen bis aufs letzte“

Es gab elf Straftaten gegen den VGT zwischen Dezember 2009 und September 2010:

1. Dezember 2009: Nötigung durch Telefon- und E-Mail-Drohungen gegen Jagdmonitore, sollten sie zu einer Treibjagd in den Dunkelsteiner Wald kommen8. Dezember 2009: Zwei Mitarbeiter einer Schweinefabrik stechen zwei Reifen eines VGT-Autos auf – Anzeige ohne Folgen30. Dezember 2009: Droh-E-Mail2. Februar 2010: Droh-E-Mail24. Februar 2010: Morddrohung mittels E-Mail12. März 2010: Droh-E-Mail19. März 2010: Plakate des VGT systematisch zerstört20. März 2010: Türschloss des VGT-Materiallagers zerstört26. März 2010: Plakate des VGT systematisch zerstört15. April 2010: Zwei Reifen eines VGT-Autos, das vor dem Büro geparkt war, aufgestochen28. September 2010: Scheibe des VGT-Busses eingeschlagen

Derartige Vorfälle waren mir auch Anfang 2008 bereits wohlbekannt, und ich konnte daher beim besten Willen nicht mit irgendwelchen Repressionsaktionen der Behörden gegen den Tierschutz – und insbesondere nicht in dem Ausmaß, wie sie dann auftreten sollten – rechnen. Beim ersten Treffen mit meinem Anwalt nach meiner Verhaftung gab mir dieser im Gefängnis ein Buch des berühmten österreichischen Rechtsanwalts Walther Rode. Er hatte Anfang des 20. Jahrhunderts eine Anzahl an politischen Prozessen zu führen und erklärte in seinem Buch, dass diese Prozesse immer einem ähnlichen Schema folgen würden – analog zu Kreiskys „Amalgam“ – und für die Verteidigung von vornherein verloren seien. Politische Prozesse könne man nicht gewinnen, man solle sie daher mittels einer politischen Verteidigung für die Agitation nutzen. Die einzig aussichtsreiche Verteidigung sei es, die Öffentlichkeit auf den Fall aufmerksam zu machen und gegen eine Verurteilung zu mobilisieren.

Und tatsächlich zeigen alle oben genannten politischen Prozesse diese beiden Charakteristika: Erstens kam es ohne konkrete Tatvorwürfe zu Verurteilungen, und zweitens wurden die Bestrafungen von der Öffentlichkeit generell begrüßt. Und genau in diesen beiden Punkten sollte dann letztendlich der Tierschutzprozess von der bisherigen Erfahrung mit politischen Prozessen abweichen. Die Repressionsbehörden hatten offenbar nicht damit gerechnet, dass ihre Propagandamaßnahmen zur Kriminalisierung des Tierschutzes in Österreich nicht fruchten würden. Doch sie hatten sich übernommen. Allein im Jahr 2008 waren gegen 267 TierschutzaktivistInnen optische und/oder akustische Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden, wie die Justizministerin in ihrem Jahresbericht angab, gegen 16 Tierschutzorganisationen gab es Ermittlungsmaßnahmen, gegen 46 Personen polizeiliche Abschlussberichte mit der Empfehlung einer Anklage, praktisch alle Tierschutzkampagnen seit 1988 wurden als kriminell eingestuft. Der Tierschutz in Österreich hatte aber einen guten Ruf, in der Öffentlichkeit wurden Tierschutzaktivitäten generell begrüßt und nicht als radikal abgelehnt. Praktisch niemand hatte den Eindruck, im Bereich Tierschutz gebe es eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch AktivistInnen. Die Anklage erkannte zu spät, dass dieser Generalangriff auf den Tierschutz öffentlich nicht goutiert wurde. Rasch versuchte man, durch eine künstliche Abgrenzung zwischen Tierschutz als sozialadäquat und Tierrechten als radikal und staatsfeindlich Abhilfe zu schaffen. Obwohl die Tierschutzorganisation Vier Pfoten in den Akten oft als verdächtig aufschien, versuchte man plötzlich mit allen Mitteln, die Spuren der Vier Pfoten wieder aus den Akten zu tilgen. Gegen einen Aktivisten, der nur vegetarisch und nicht vegan war, wurden mit dieser Begründung die Ermittlungen eingestellt, obwohl man ihn vorher überwacht und ihm sogar seine DNA abgenommen hatte.

Zuletzt versuchte man, die Anklage auf den VGT und insbesondere auf mich als dessen Obmann zu fokussieren. Ich wurde zum Hauptangeklagten erklärt, der Staatsanwalt nannte mich die tonangebende Führungsperson und bezeichnete mich sogar als den „Messias“ der Tierschutzbewegung, mit den anderen zwölf Angeklagten als meinen Aposteln. Nach dem Besuch einer Journalistin bei mir in der U-Haft erschien ein Artikel in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ über die Ermittlungen gegen mich mit der großen Überschrift „Staatsfeind Nr. 1“. Und genau so fühlte ich mich auch.

1. Die Verhaftung

Rumms. Ein lautes Geräusch schreckt mich aus dem Schlaf. Es ist noch dunkel, ich liege in jenem Zimmer, in dem ich bereits meine gesamte Kindheit und meine Teenagerjahre verbracht habe. Seit mehr als 40 Jahren ist das meine Lebensbasis, mit Unterbrechungen während meiner Studentenzeit und den Jahren als Universitätsassistent im Ausland. Es war die Wohnung meiner Eltern, bis sie sich 1982 scheiden ließen, jetzt wohnen hier neben mir mein Bruder mit seiner Partnerin und deren zehnjährige Tochter. Ich bin noch im Halbschlaf und höre irgendwo Stimmen. Ich kann sie nicht zuordnen, kann aber auch nicht meine Augen öffnen; ich will weiterschlafen, rede mir ein, dass mich das nichts angehe. Doch dann reiße ich mich bewusst aus dem Schlaf. Dieses laute Geräusch kam definitiv aus unserer Wohnung. Irgendetwas muss passiert sein.

Ich steige aus dem Bett. Ich habe nur ein T-Shirt an, sonst bin ich nackt. Plötzlich wird die Tür aufgerissen, und schwarz vermummte Personen stürmen herein. Ich sehe gezogene Schusswaffen und werde mit einem Scheinwerfer angestrahlt. „Umdrehen, Hände an die Wand!“, schreit jemand. Verdattert folge ich dem Befehl. Ich spüre den Lauf einer Pistole im Genick. Im Gang zwischen dem Schlafzimmer der Familie meines Bruders und meinem wird das Licht aufgedreht. Ich schaue hin und sehe durch die Tür auch meinen Bruder an der Wand stehen, mit einer Pistole im Nacken, neben ihm seine Partnerin und seine Tochter.

Um uns herum laufen einige Personen im Kampfanzug hin und her. Sie tragen schwarze Strumpfmasken, nur die Augen sind ausgeschnitten. Ihre Helme sind tief ins Gesicht gezogen, alle halten gezogene Schusswaffen und grelle Taschenlampen in den Händen. Einer der Maskierten packt mich grob an der Schulter und schiebt mich den Gang entlang zur Eingangstür. Ich bin total verwirrt und weiß nicht, was ich von all dem halten soll. Vor der Tür im Stiegenhaus – unsere Wohnung liegt im fünften Stock – stehen zahlreiche Menschen in Zivil, darunter eine kleine Frau, die mit einer, wie mir scheint, überdimensionalen Pistole in der Luft herumfuchtelt, und ein eigenes Filmteam, dessen Kamera mit Stromkabeln verbunden ist, die sich die Stiegen hinunter irgendwo verlieren. Die kleine Frau ist offenbar die Chefin dieses Einsatzes, erst später soll ich ihren Namen erfahren: Chefinspektorin Bettina Bogner. „Polizei“, sagt sie trocken. „Was läuft hier eigentlich?“, bringe ich gerade noch heraus. „Deshalb sind wir hier“, sagt die Frau und zeigt auf mein T-Shirt. Darauf ist Alf im Porträt abgebildet, der katzenfressende außerirdische Cartooncharakter, zusammen mit der Phrase „I support ALF“. ALF wie „Animal Liberation Front“, ein Scherz-T-Shirt, von den Behörden als Begründung für ihre Repression vorgeschoben. In dieser Tonart sollte es weitergehen.

Die Frau gibt mir einige Zettel in die Hand und sagt, jetzt gibt es eine Hausdurchsuchung. Mit diesen Worten gehen geschätzte zehn Zivilpersonen in unsere Wohnung und beginnen sie systematisch zu zerlegen und alles zu durchsuchen. Noch immer verdattert schaue ich auf die Schriftstücke in meiner Hand. „Verdacht auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation nach § 278a Strafgesetzbuch (StGB)“, steht da drauf. Es ist das erste Mal, dass ich von diesem Paragrafen höre. Ich lese weiter, es folgen 23 Adressen, an denen offenbar jetzt gleichzeitig Hausdurchsuchungen stattfinden, darunter sogar in Graz, in Salzburg und in Innsbruck. Einige Namen der Betroffenen habe ich noch nie gehört. Irgendwie bin ich erleichtert. „Also, wenn das der Vorwurf sein soll, dann kann ich nur lachen“, gewinne ich ein bisschen Selbstsicherheit zurück. „Wetten wir um 5000 Euro, dass ich wegen diesem Blödsinn nie im Leben angeklagt, geschweige denn verurteilt werde!“, fordere ich die Chefinspektorin heraus. „Da würde ich lieber nicht wetten an Ihrer Stelle“, antwortet sie, geht zu meinen Bücherkästen und beginnt, jedes einzelne Buch herauszunehmen und durchzublättern.

Foto 1: Nach der Durchsuchung meiner Wohnung.

„Ich möchte meinen Anwalt anrufen“, sage ich jetzt bestimmt, „und mir eine Hose anziehen.“ Die Polizei ist ein bisschen verwirrt, telefoniert offenbar mit dem Staatsanwalt. Ich dürfe meinen Anwalt verständigen, wird mir verkündet, und eine Hose anziehen auch. Ich schlüpfe in die nächstbeste Hose und gehe zu meinem Handy, das direkt neben dem Bett liegt. Ein maskierter Polizist folgt mir mit grimmigem Blick. In der Tierschutzarbeit brauchen wir oft anwaltliche Hilfe, ein Schulfreund von mir ist Rechtsanwalt und unterstützt uns schon seit über zehn Jahren. Es ist aber offenbar noch zu früh für ihn, er hebt nicht ab, ich spreche ihm auf den Anrufbeantworter. Kaum ist das Gespräch beendet, ruft ein ziviler Beamter, man solle mir das Handy abnehmen. Der maskierte Polizist neben mir, vielleicht zwei Köpfe kleiner als ich, greift danach, doch ich presse es dicht an mich und drehe es ab. Der Zwerg fühlt sich offenbar herausgefordert und beginnt mit der Faust auf mich einzuschlagen. Widerstand gegen die Staatsgewalt wäre ein strafrechtliches Delikt, und so ist man als guter Staatsbürger in so einem Fall gezwungen, sich schlagen zu lassen. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, das Handy in den Abfluss der Dachrinne zu werfen, einfach so, aus Protest. Doch dann denke ich, was soll’s, dieser Spuk wird gleich vorbei sein, wenn die Polizei erkennt, dass es bei mir nichts Kriminelles zu finden gibt. Trotz der Schläge des maskierten Polizisten warte ich in aller Ruhe, bis das Handy ausgeschaltet ist, und übergebe es ihm dann. Er ist sichtlich wütend und reißt es mir aus der Hand.

Die maskierten PolizistInnen werden jetzt abgezogen, und zwei Beamte in Uniform stellen sich neben mich, um mich zu bewachen. Das Kamerateam der Polizei bleibt immer in meiner Nähe, filmt mir direkt ins Gesicht und dokumentiert alles. Später erfahre ich, dass unten vor dem Haus der zuständige Staatsanwalt Wolfgang Handler von der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt in einem Auto sitzt und über diese Filmkamera die ganze Aktion live mitverfolgt. Warum auch immer.

Ich stehe an die Wand gelehnt im Raum, rechts und links neben mir uniformierte Beamte, die mich bewachen, und beobachte, wie zehn wildfremde Personen meine privaten Sachen durchsuchen, meine Unterwäsche einzeln aus einer Lade nehmen und begutachten, meine Aufzeichnungen lesen und jedes meiner Bücher durchblättern. In der Mitte des Raumes werden Dinge aufeinandergestapelt, die offenbar irgendwie relevant sein sollen. Dazu gehören Tierschutzzeitschriften, Flugblätter, Buttons und verschiedene T-Shirts. In kürzester Zeit versinkt mein Wohnraum in ein komplettes Chaos, weil alles aus den Laden und Kästen einfach herausgerissen und auf den Boden geworfen wird.

Da erscheint eine Assistentin meines Rechtsanwalts in der Tür, weist sich gegenüber der Polizei aus und erzählt mir, dass gerade das Büro des Vereins Gegen Tierfabriken, jenes Tierschutzvereins, dessen Obmann ich bin und der mich seit zehn Jahren als Mitarbeiter anstellt, von der Polizei zerlegt wird. Weil dort niemand sei, werde sie jetzt hinfahren. Tatsächlich, so erfuhr ich später, war die Polizei mit zwei Lkws bei unserem Wiener Büro vorgefahren und hatte zur selben Zeit, in der meine Hausdurchsuchung stattfand, begonnen, alles, was nicht niet- und nagelfest war, aus dem Büro abzutransportieren. Als die Angestellten in der Früh an ihren Arbeitsplatz kamen, war alles leergeräumt. Berge von Akten, alle Computer, alle Videos, Fotos und Kameras, einfach alles war abtransportiert worden. Ein zentraler Teil des Repressionskalküls ist es von Anfang an gewesen, unseren Verein lahmzulegen. Er sollte auch keine Medienarbeit mehr leisten und seine Mitglieder nicht mehr kontaktieren können. Man wollte den VGT zerschlagen, weil man ihn als die zentrale Kraft hinter einer subversiven Tierschutztätigkeit in Österreich sah und mich, als dessen Obmann, in der Rolle des Mafiapaten.

Inzwischen gewinne ich immer mehr meine Selbstsicherheit zurück. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich von der Polizei verhaftet werde, wenn ich auch das erste Mal eine Hausdurchsuchung erlebe. Aber irgendwann hat auch so etwas kommen müssen, das ist mir schon klar. Allerdings habe ich zu diesem Zeitpunkt die volle Überzeugung, dass die Polizei letztendlich unverrichteter Dinge wieder abziehen wird, weil sie nichts finden wird. Am nächsten Tag schon, bin ich mir sicher, werden wir alle bereits über diesen Blödsinn lachen können. Wie sollte ich mich da irren!

Ich lese den Hausdurchsuchungsbefehl genau durch. Dort steht, ich hätte das Recht auf die Anwesenheit einer Vertrauensperson. „Ich möchte“, sage ich jetzt laut, „eine Vertrauensperson beiziehen. Das ist mein gutes Recht. Ich fordere, dass Sie meinen Vater anrufen und ihm sagen, dass er herkommen soll.“ Wieder Verwirrung unter den BeamtInnen. Offenbar sind sie so bestimmt vorgetragene Forderungen ihrer Opfer normalerweise nicht gewohnt. Sie telefonieren wieder mit dem Staatsanwalt. Einmal werde sie meinen Vater anrufen, erklärt die Chefinspektorin, wenn aber keine Verbindung zustande komme, hätte ich Pech gehabt. Kurz darauf trifft mein Vater in der Wohnung ein und beginnt alles zu fotografieren. Auch das löst Verwirrung bei der Polizei aus. Man nimmt ihm mit Gewalt die Kamera weg und löscht einige Bilder. Letztendlich wird ihm erlaubt, Dinge zu fotografieren, die abtransportiert werden, aber keine BeamtInnen. Diese Maßnahme ist nicht gesetzlich gedeckt, es handelte sich wieder nur um Willkür derjenigen, die durch Gewalt das Sagen haben. Die gesamte Hausdurchsuchung war eigentlich gesetzwidrig, weil die BeamtInnen mir anfangs die Möglichkeit hätten einräumen müssen, die konkreten Gegenstände, die sie suchten, herauszugeben. Nur, sie suchten überhaupt keine konkreten Gegenstände. Sie wollten einfach meine Sachen durchwühlen, einerseits in der Hoffnung, irgendetwas Inkriminierendes zu finden, andererseits, um mich psychisch unter Druck zu setzen und zu verängstigen. Später beanstandeten wir diesen Umstand vor einem Gericht. Der Richter meinte nur, die Polizei habe generell eine schwere Aufgabe in dieser Gesellschaft, und man könne da nicht verlangen, dass sie sich an die Buchstaben des Gesetzes halte; man müsse schon tolerant sein, wo käme man sonst hin. Mit diesen Worten lehnte er unsere Eingabe ab.

Jetzt durchsuchen die BeamtInnen bereits seit drei Stunden meine Wohnung. Aufs Klo darf ich nur in Begleitung eines Polizisten gehen. Plötzlich kommt ein Beamter aus meinem Schlafzimmer und verkündet, er habe etwas „Einschlägiges“ gefunden. Ich schaue ihm über die Schulter, obwohl er das zu verhindern versucht. Es handelt sich um 15 Jahre alte Tierschutzflugblätter aus meiner Zeit in England. Na großartig, wenn das alles ist, denke ich mir still.

Besonders sind die BeamtInnen an meinen Computern interessiert. Einer nimmt meinen Laptop und sagt, ich solle ihn einschalten. Ich schüttle den Kopf. Daraufhin wirft er ihn aus 30 Zentimeter Höhe auf den Boden. „Könnten Sie vielleicht vorsichtiger mit meinen Sachen umgehen?“, frage ich höflich. Der Beamte grinst, hebt meinen Laptop auf und wirft ihn noch einmal auf den Boden. Ich schweige. Die Machtverhältnisse sind klar verteilt.

Okay, denke ich mir, jetzt möchte ich versuchen, das Beste aus meiner Situation zu machen. Die uniformierten Polizisten neben mir sind gelangweilt und achten nicht genau darauf, was ich tue. Die zivilen BeamtInnen wühlen alle irgendwo in meinen Sachen. Die Chefinspektorin ist meinen Kleiderkasten durchgegangen und hat einen großen Stapel von T-Shirts gebildet, die ihrer Ansicht nach inkriminierende, subversive Sprüche zeigen. Diese T-Shirts sollen alle beschlagnahmt werden. Ich steige über den Stapel und gebe vor, einem der Beamten genau zuzusehen, wie dieser irgendwelche Laden durchwühlt und ihren Inhalt auf den Boden leert. Die beiden Polizisten stellen sich pflichtbewusst neben mich, direkt hinter mir ist der T-Shirt-Stapel. Und so beginne ich in den nächsten Minuten, mit meinen Zehen nach hinten auf den Stapel zu greifen und ein T-Shirt nach dem anderen herunterzunehmen und nach hinten zu werfen. Es funktioniert, niemandem fällt es auf, bis alle T-Shirts im Zimmer verteilt auf den durchwühlten Gegenständen liegen. Ein kleiner moralischer Sieg. Letztendlich wird kein einziges T-Shirt von mir beschlagnahmt.

Nach dieser gelungenen Operation wende ich mich einer wichtigeren Sache zu. In einem Stapel von Zeitschriften auf einem Bücherkasten liegt eine externe Festplatte, die ein Backup meiner Computerdaten enthält. Ich rechne damit, dass man mir alle Computer wegnehmen und eine lange Zeit nicht mehr zurückgeben wird. Nur mit diesem Backup kann ich meine Daten retten und später weiterarbeiten, z. B. sind dort die PowerPoint-Präsentationen für meine Schulvorträge und alle E-Mails gespeichert, aber auch meine Urlaubsfotos usw. Ich stelle mich neben den Kasten und versuche, unbeteiligt zu wirken. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, nähert sich meine Hand der Festplatte, und letztendlich greife ich sie und lasse sie in den immer größeren Haufen von Sachen fallen, die von den BeamtInnen aus den Laden und Kästen auf den Boden geleert wurden. Mit dem Fuß schiebe ich die Festplatte tief unter andere Dinge, sodass sie nicht mehr sichtbar ist. Operation gelungen, nach meiner Entlassung aus der U-Haft war dieses Backup meine Rettung. So hatte ich alle meine Daten, Vorträge, Fotos, Filme, Artikel und Buchkonzepte zu meiner Verfügung. Von der Polizei sollte ich erst nach vielen Jahren Kopien meiner Computerfestplatten wiederbekommen, und das in einem Zustand, in dem sie für mich unbrauchbar waren.

Plötzlich eröffnet mir die Polizei, dass Staatsanwalt Wolfgang Handler, der die Ermittlungen leitet, mit mir zu sprechen wünscht. Er sei unten auf der Straße vor dem Wohnhaus. Ich werde also hinuntergeführt, an allen NachbarInnen vorbei, die mich mitleidig anschauen. Unten erkenne ich erst, wie groß diese Polizeiaktion angelegt ist, mit zahlreichen Autos, einem eigenen Wagen für die Stromversorgung des Kamerateams und insgesamt mindestens 35 BeamtInnen, wie mir NachbarInnen später bestätigen. Der Staatsanwalt steht mir gegenüber. Ich frage ihn, was das alles soll. „Das wissen Sie genau!“, versucht er scharf zu wirken, kann aber seine Unsicherheit nicht überspielen. Nervös zuckt er mit den Augen. „Was ist der Vorwurf? Was für Beweise liegen gegen mich vor?“, frage ich ruhig. „Brandstiftung, Nötigung, Sachbeschädigung“, meint er abgehackt. „Wie bitte?“, ich kann das wieder einmal nicht fassen. „Was für eine Brandstiftung? Wovon reden Sie überhaupt?“ Soweit ich mich zurückerinnere, ist mir keine Brandstiftung bekannt, die mit Tierschutz in Zusammenhang stehen könnte, außer vielleicht vor zehn Jahren. Ich hätte eine Jagdhütte angezündet, meint der Staatsanwalt, sagt es aber so leise und nicht direkt an mich gerichtet, als ob er sich nicht sicher ist. Dann sieht er offenbar in der Unterhaltung keinen Sinn mehr und lässt mich wieder hinauf in die Wohnung bringen.

Dort wird bereits seit mehr als vier Stunden alles auseinandergenommen. Auch mein Auto vor der Tür, das der Polizei offensichtlich bekannt war, wird durchsucht. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht, aber mein Fahrzeug hatte sechs Monate lang einen Peilsender montiert gehabt, der im Laufe der Hausdurchsuchung auch abgenommen wurde. Die Polizei hatte also sechs Monate lang genau verfolgt, wo ich hingefahren war.

Wieder in meinem Wohnraum angekommen, sehe ich ein kleines Sackerl ganz oben im Bücherkasten hinter den Büchern stehen. Das enthält einen Dietrich, fährt es mir siedend heiß ein. Das ist ein Nachsperrwerkzeug, das wir manchmal für unsere Recherchen in Tierfabriken verwenden. So kann man Türen auf- und zusperren, ohne einen Schlüssel zu haben und ohne Spuren zu hinterlassen oder etwas zu beschädigen. Diese Recherchen sind notwendig, um die Öffentlichkeit über die Zustände in Tierfabriken aufklären und Filmaufnahmen von dort zeigen zu können. Das sollten sie nicht finden, denke ich mir. Die meisten BeamtInnen, insbesondere Chefinspektorin Bettina Bogner, sind so klein, dass sie dort gar nicht hinaufsehen. Bogner selbst geht aber systematisch jedes einzelne meiner etwa 1200 Bücher in den Stellagen durch, nimmt es heraus, blättert durch die Seiten und stellt es zurück. Die Gefahr ist groß, dass sie trotz ihrer geringen Größe das Sackerl mit dem Dietrich finden könnte. Die Reihenfolge, in der sie die Bücher aus dem Regal nimmt, zeigt mir, dass die Bücher vor dem Sackerl die allerletzten sein werden, die sie anschauen wird. Ich habe also noch etwas Zeit. Andere BeamtInnen beginnen bereits, einige der beschlagnahmten Gegenstände aus dem Haus zu tragen, insbesondere alle meine alten Computer, auch den meines Vaters von 1995, der bei mir abgestellt war.

Jetzt dauert die Hausdurchsuchung bereits sechs Stunden, Bogner ist vielleicht noch 20 Bücher vom Dietrich entfernt. Ihre KollegInnen murren. Einer will ein Klebeband von mir nehmen, um DVDs für den Abtransport zusammenzupacken. „Ich möchte nicht, dass Sie mein Klebeband dafür verwenden“, sage ich aufmüpfig, mit einem Auge auf die Polizistin, die sich Buch für Buch meinem Dietrich nähert. So was von unkooperativ, meint der Beamte und verlässt mit den DVDs ohne mein Klebeband die Wohnung. Als Bogner die letzten Bücher erreicht, spreche ich sie an. Wie sie auf mich gekommen sei, frage ich sie, wie lange das noch dauern werde, was als Nächstes passieren werde usw. Es gelingt mir, sie abzulenken, sie spricht widerwillig mit mir und vernachlässigt dabei die letzten Bücher im Regal. In der Wohnung entsteht eine allgemeine Aufbruchsstimmung, man beschließt, die bereits beschlagnahmten etwa 100 „einschlägigen“ Bücher mit offenbar subversiv-radikalem Inhalt doch nicht mitzunehmen, weil das zu schwer wäre. Bogner bricht tatsächlich nur fünf Bücher vor meinem Dietrich die Durchsuchung ab und schaut sich keine weiteren Bücher mehr genau an; der Dietrich bleibt, wo er ist, unerkannt. Ich atme auf.

Ich würde jetzt zur Polizeistation gebracht, verkündet man mir. Ich rechne mit 24 oder maximal 48 Stunden, bis man mich wieder freilassen wird. Bei einem Verdacht wegen Übertretung des Strafrechts darf die Polizei eine Person 48 Stunden lang in Gewahrsam halten, dann muss man per Gerichtsbeschluss in eine Haftanstalt gebracht oder wieder entlassen werden. Kein Richter und keine Richterin der Welt wird mich ohne Verdacht festhalten, bin ich mir sicher. In 48 Stunden werde ich also wieder draußen sein. Trotzdem nehme ich mir zwei Bücher, frische Unterwäsche, eine Schlafhose, eine Zahnbürste und Zahnpasta sowie eine Seife mit. Ich lebe seit 1989 vegan und verwende deshalb auch keine Produkte, die im Tierversuch getestet wurden, wie konventionelle Seife oder Zahnpasta. Die uniformierten Polizisten drängen zum Aufbruch. Man verfrachtet mich in ein Polizeiauto und führt mich zur Rossauer Kaserne.

2. Auf der Polizeistation

Ich bin seit 1979 im Tier- und Umweltschutz aktiv, und in diesem langen Zeitraum wurde ich sicher gut 25-mal von der Polizei festgenommen und in eine Zelle auf der Polizeistation gesperrt. Ich war also an diesem 21. Mai 2008 nicht völlig unvorbereitet, ich wusste mehr oder weniger, was mich erwartete. Allerdings waren diese 25 Festnahmen immer in Zusammenhang mit Aktionen des zivilen Ungehorsams gestanden, und entsprechend war mein Aufenthalt in der Polizeistation normalerweise weniger als 24 Stunden, in seltenen Ausnahmefällen bis zu 48 Stunden lang. Auf meiner Fahrt im Polizeiwagen zur Rossauer Kaserne muss ich an diese anderen Festnahmen denken. Ich erwarte, dass nichts Ungewöhnliches geschehen wird, dass ich innerhalb von höchstens 48 Stunden wieder freikomme. Ich werde, nehme ich mir vor, wie immer einfach keine Aussage machen, mich in meiner Zelle hinlegen und ausschlafen und dann wieder nach Hause gehen. Es sollte aber alles ganz anders kommen.

In der Rossauer Kaserne werden mir bei der Aufnahme zunächst alle Sachen abgenommen, sogar die Schuhbänder und insbesondere meine Uhr, meine Schlüssel und meine Geldbörse. Man lässt mir aber die Bücher, die zusätzliche Wäsche sowie Seife und Zahnputzzeug. Dann sitze ich in der Zelle in einem oberen Stock. Wie üblich für Polizeizellen, befinden sich nur eine Steinpritsche im Raum, ein Waschbecken, eine Toilette und ein in die Wand integrierter Steintisch. Das Fenster ist sehr weit oben an einem Zellenende und so eng vergittert, dass ich nicht bis zum Glas hinkomme. Wenn ich hinaufklettere, kann ich ein paar Blicke in den Hof erhaschen. In der Zelle brennt ein grelles Neonlicht, das ich nicht abschalten kann. Plötzlich höre ich lautes Pfeifen und Johlen von draußen, es werden Parolen gerufen. Offensichtlich ist eine Demonstration im Gange. Ich presse mein Ohr gegen die Gitterstäbe und höre Sprechchöre gegen § 278a und Polizeirepression. Das muss eine Demo zu unserer Unterstützung sein, realisiere ich begeistert und beginne laut hinauszubrüllen. Ich falle in die Protestparolen ein und möchte erreichen, dass die DemonstrantInnen verstehen, dass sie von innen gehört werden. Ich spüre Solidarität, ich fühle, dass ich draußen nicht vergessen werde. Zum ersten Mal denke ich, dass diese riesige Polizeiaktion für die Repressionsbehörden vielleicht nach hinten losgehen wird.

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