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Dieser Band beinhaltet die folgenden Essays des deutschen Weltreisenden und Forschers: Cook, der Entdecker Über Leckereyen Fragment eines Briefes an einen deutschen Schriftsteller, über Schillers Götter Griechenlands Leitfaden zu einer künftigen Geschichte der Menschheit u.a.
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Seitenzahl: 459
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Über James Cook und andere Essays
Georg Forster
Inhalt:
Georg Forster – Biografie und Bibliografie
Über James Cook und andere Essays
Cook, der Entdecker
Über Leckereyen
Fragment eines Briefes an einen deutschen Schriftsteller, über Schillers Götter Griechenlands
Leitfaden zu einer künftigen Geschichte der Menschheit
Über Proselytenmacherei
Über den gelehreten Zunftzwang
Über das Verhältnis der Mainzer gegen die Franken
Über die Beziehung der Staatskunst auf das Glück der Menschheit
Parisische Umrisse
Über James Cook und andere Essays, G. Forster
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN:9783849613907
www.jazzybee-verlag.de
Reisender und Reiseschriftsteller, geb. 27. Nov. 1754 in Nassenhuben bei Danzig, gest. 10. Jan. 1794 in Paris, folgte seinem Vater nach Saratow und nach England. Mit 17 Jahren begleitete er ihn als Botaniker 1772 auf der zweiten Reise Cooks. Hierauf lebte er eine Zeitlang in England, war 1778–84 Lehrer der Naturgeschichte an der Ritterakademie in Kassel, folgte dann einem Ruf nach Wilna, worauf er sich mit Therese Heyne, der Tochter des Göttinger Professors Heyne, vermählte. Von dem Leben in Wilna nicht befriedigt, übernahm er 1788 das Amt eines Bibliothekars beim Kurfürsten von Mainz, war aber auch mit den dort herrschenden Zuständen unzufrieden und schloß sich 1792 an die Mainzer Klubbisten an. 1793 nach Paris gesandt, um die Vereinigung des linken Rheinufers mit Frankreich zu erwirken, sah sich F. nach der im Sommer 1793 erfolgten Eroberung von Mainz durch die deutschen Heere heimatlos, während ihm zugleich der Anblick der Pariser Zustände seine republikanischen Ideale zerstörte. In die Reichsacht erklärt und von Weib und Kindern verlassen, wollte F. nach Indien gehen und betrieb das Studium der morgenländischen Sprachen, als ihn der Tod ereilte. Er veröffentlichte: »A voyage round the world« (Lond. 1777, 2 Bde.; deutsch u. d. T.: »Beschreibung einer Reise um die Welt in den Jahren 1772–1775«, Berl. 1778–80, 2 Bde.); »Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und Juni 1790« (das. 1791–1794, 3 Bde.; neu hrsg. von Büchner, Leipz. 1868, und, mit Forsters Briefen, von Leitzmann, Halle 1893); »Kleine Schriften, ein Beitrag zur Länder- und Völkerkunde, Naturgeschichte und Philosophie des Lebens« (Berl. 1789–97, 6 Bde.). Auch übersetzte F. die »Sakuntala« des Kalidasa (nach der englischen Übersetzung von Jones) und zahlreiche andre Werke. F. gehört zu den klassischen Schriftstellern Deutschlands; namentlich in den »Ansichten vom Niederrhein« prägt sich sein musterhafter Stil, seine geist- und gemütvolle Auffassung von Kunst, Literatur, Politik und Leben am deutlichsten aus, aber auch seine andern Schriften bekunden überall den scharfen Beobachter von Natur- und Völkerleben. Peschel nennt F. den ersten Schriftsteller, der Sinn und Gefühl für landschaftliche Schönheiten erweckt hat, wie er auch überaus anregend auf Alex. v. Humboldt wirkte. Seine Gattin Therese, später mit Forsters Freund Huber verheiratet (s. Huber 4), gab seinen »Briefwechsel, nebst Nachrichten von seinem Leben« (Leipz. 1829, 2 Bde.) heraus; seinen »Briefwechsel mit S. Th. Sömmerring« veröffentlichte Hettner (Braunschw. 1877). Forsters »Sämtliche Schriften«, herausgegeben von seiner Tochter, mit einer Charakteristik Forsters von Gervinus, erschienen in 9 Bänden (Leipz. 1843). Eine Auswahl seiner kleinern Schriften gab Leitzmann (Stuttg. 1894), »Lichtstrahlen aus Forsters Briefen« Elisa Maier (Leipz. 1856) heraus. Vgl. Leitzmann, Georg F. (Halle 1893); Moleschott, Georg F., der Naturforscher des Volkes (3. Ausg., das. 1874); H. Klein, Georg F. in Mainz (Gotha 1863). Heinrich König (s.d.) behandelte Forsters Leben in dem Roman »Die Klubbisten in Mainz« und in »Forsters Leben in Haus und Welt«.
Nullius in Verba
Der Name des Weltumseglers Cook ist zu allgemein bekannt, und seine Seereisen haben ihm die Bewunderung seiner Zeitgenossen in einem viel zu hohen Grad erworben, als daß noch jemand fragen könnte; wer war Cook, und was that er? Vielmehr wirkt schon dasjenige, was ein jeder sich auf diese Fragen selbst zu antworten weiß, wie eine Zauberformel, um ein stets wachsendes Theilnehmen an jeder neuen Nachricht von seinen Entdeckungen zu erregen. Hätten diese Blätter, die ich seinem Andenken weihe, den Reiz der Neuheit, so würde ich also um ihr Schicksal unbekümmert seyn können. Wenn ich mir aber ein Verhältniß zwischen dem Leser und dem Schriftsteller denke, welches beyden rühmlicher ist, mischt sich eine schüchterne Besorgniß in meinen Wunsch, der Wißbegierde und den übrigen Forderungen eines aufgeklärten Publikums Genüge zu leisten. Dazu kommt noch, daß es nicht die Lebensgeschichte dieses außerordentlichen Mannes ist, welche mich hier beschäftigen soll; denn dies wäre wenigstens ein überflüssiges und mißliches Unternehmen, da bereits eine deutsche Meisterhand die Hauptzüge eines solchen Gemäldes entworfen hat. Indeß giebt es allerdings noch einen Gesichtspunkt, der Cooks Thaten und seinen Geist in einem neuen Lichte zeigen kann. Ihre blendende Größe hat man lange genug blos angestaunt, wie etwa ein glänzendes Meteor. Entfaltete man aber ihre Beziehungen auf die Summe unseres Wissens, und berechnete man ihren gegenwärtigen und dereinst zu hoffenden Nutzen, dann erst würde sich Cooks ganzer Werth für die Menschheit unparteyisch abwägen lassen; dann würde jene gaffende Bewunderung, die auch die Dummheit unserem Helden zollt, bey Denkenden in dankbare Verehrung übergehen. Wer nun im Stande ist, die Verhältnisse unserer Gattung mit festem, allumfassenden Blik zu durchschauen, Plan und Absicht, nach einem bestimmten Ziele strebende Entwicklung, und sichern Fortgang zur Vollendung aus dem verworren scheinenden Chaos ihrer Schicksale herauszufinden: der entwerfe jene vollständige beziehende Darstellung von Cooks Verdiensten, und lehre uns, wie weit er sein Jahrhundert in Erkenntniß und Aufklärung fortgeführt, welchen Zuwachs die menschliche Glückseligkeit durch sein Bestreben gewonnen, und welche neue Aussichten in die goldene Zukunft einer allgemein vollendeten Bildung sein Genius uns eröfnet habe. Der Dank der Edlen unserer Zeit und jener bessern Nachkommenschaft verspricht dem Menschenfreunde, der sich auf diese Art an Cooks Verdiensten Antheil erwerben würde, unsterblichen Lohn. Aber es wäre Vermessenheit, sich mit blöden Augen in jene steile Höhe hinaufzuwagen, wo solch ein Überblik erst möglich wird. Ohne daher bey der gegenwärtigen Veranlassung so tief in die Bestimmung des Menschengeschlechts dringen zu wollen, lassen sich gleichwohl die näher am Tage liegenden Verkettungen so angeben, wie sie auf unserm niedrigeren Standpunkte erscheinen; wenigstens lassen sich kleine Gebiete, Theile des Ganzen, wenn auch nur in schwachen Umrissen, nachbilden, um künftigen Weltweisen vorzuarbeiten. Mit ändern Worten: Cooks Entdeckungen zusammenzufassen, ihre Gränzen abzustecken, ihrer geschickten Anordnung und Verbindung, so wie manchen ihrer wichtigen Folgen nachzuspüren, und auf die Art nicht blos dem Seemann und Entdecker sondern auch dem Menschen, ein geringes Denkmal zu stiften, dies wäre ein Versuch, den Cooks Reisegefährte vielleicht ohne Anmaßung und ohne Furcht vor Wiederholungen, dem Urtheil deutscher Leser unterwerfen dürfte.
Ehe wir weiter gehen, verdient es eine vorläufige Untersuchung, aus welchem Gesichtspunkte der sittliche Werth der Entdeckungen beurtheilt werden müsse. Läßt sich im Allgemeinen über diesen Punkt etwas als wahr festsetzen, so wird es uns hernach, in der weiteren Anwendung auf Cook, zum bequemen Maaßstabe dienen. Wie aber, wenn der beredte Mann Recht hätte, welcher von einer blos physischen Bestimmung des Menschen, als der einzig wahren, sprach, und Wissenschaft die Quelle alles menschlichen Elends nannte? Wäre es alsdenn nicht um den vermeynten Ruhm aller Entdecker geschehen? Wenigstens ist so viel gewiß, daß dieses Paradoxon über manche schwache Einwendung siegte, und daß man Blößen gab, wenn man sich gegen die Evidenz der darin behaupteten Thatsachen sträubte. Wer könnte auch im Ernste die Zerrüttungen läugnen, die von der Entwicklung verschiedner Fähigkeiten im Menschen unzertrennlich sind? Allein, wenn man diese Unzertrennlichkeit zugiebt, so bleibt noch unerwiesen, daß die Ausbildung des Menschengeschlechts einen andern Gang hätte nehmen können, als sie wirklich genommen hat; und ehe man dies beweiset, ruft man uns vergebens in die Wälder zurük. Der untergeschobene Begriff, die Perfectibilität als ein der Natur entgegengesetztes Extrem zu betrachten, mußte freylich den Gesichtspunkt verwirren und eine Täuschung zuwege bringen, welche nur eine consequentere Philosophie wieder aufheben kann. Diese wird in allem, was geschieht, eine Kette von Verhältnissen gewahr, welche nothwendig, wie Ursach und Wirkung in einander greifen, und die Möglichkeit vernichten, daß ein Stäubchen sich anders bewegt haben könnte, als es sich bewegt hat. Wie das Unendliche ans Endliche, so ist, über alle Gränzen menschlicher Begriffe hinaus, Freyheit an Nothwendigkeit geknüpft, und hiemit zwischen dem innigen Bewußtseyn des kühnsten Denkers, daß seinen Handlungen Gedanken vorhergehen, und der ehernen Wahrheit, daß keine Idee aus nichts entstehen kann, ein ewiger Kampf erregt.
Wenn also die Verhältnisse des Menschen, wodurch diese oder jene Fähigkeit in ihm sich entwickelt, nicht von ihm selbst abhängig sind, so ist es auch diese Entwicklung nicht; folglich gehört die wissenschaftliche Ausbildung, nebst allen ihren Folgen, ohne Widerrede zu den bestimmten Einrichtungen der Natur; und der vermeynte Contrast zwischen der physischen und sittlichen Bestimmung des Menschen beruhet auf einer Abstraktion, die nicht im Reiche der Wirklichkeit, sondern in unserer Vorstellungsart liegt. Fähigkeiten, welche nur den Stoß eines äußern Verhältnisses erwarten, um sich nothwendig und unaufhaltsam zu entwickeln, sind berechnete Anlagen der Natur; und das Wesen, in welchem sich diese Entwicklung vollendet, ist nicht minder ihr Eigenthum, erfüllt nicht minder ihre Absicht, als das, in welchem sie anfängt. Es giebt folglich keine blos physische, oder, mit einem andern Wort, blos thierische Bestimmung des Menschen, sondern sein Charakter ist, wie der Philosoph der Menschheit unwiderstehlich dargethan hat, Sittlichkeit, die zwar unzählige Schattirungen und Stufen hat, aber das einzige ist, wodurch er sich vom Thier unterscheidet. Mit Anlagen, die einander zu widersprechen scheinen, macht übrigens der Mensch keine Ausnahme in der Ökonomie der Natur; denn nach unserer Art zu reden, giebt es überall streitende Verhältnisse und Widersprüche, weil wir überall Absichten annehmen, wo wir Beziehungen bemerken. Soll, zum Beyspiel, das Hanfkorn zur Pflanze keimen, so darf es der Hänfling nicht verzehren, dem es gleichwohl zur Nahrung angewiesen ist. Uns scheinen diese Verhältnisse allerdings widersprechend; wüßten wir uns aber an die Stelle der Natur zu setzen, so würden wir bald einsehen, daß jedes Einzelne gerade die Bestimmung hat, die es wirklich erreicht. So wie jedes Wachsthum Zerstörung voraussetzt und sich wieder in Zerstörung endigt, so ist auch die Entwicklung einer Anlage Unterdrückung einer andern. In einer Welt, wo die größte Mannichfaltigkeit der Gestalten nur durch das Vermögen einander zu verdrängen, bewirkt wird, hieße es in der That die einzige Bedingung ihres Daseyns aufheben, wenn man diesen immerwährenden Krieg und diese anscheinende Unordnung abgestellt wissen wollte. Hat nicht dem ungeachtet alles in der Natur seine Gesetze? Sind nicht die größeren Bewegungen mit bewundernswürdiger Genauigkeit abgemessen? Sollte sich also nicht vermuthen lassen, daß auch die äußersten Punkte, zwischen welchen jede partielle Kraft schwanken und ihren Nachbarinnen Abbruch thun oder sie verschlingen darf, ihre unabänderlichen Gränzen haben? Man nenne dieses Schwanken zwischen Extremen, wenn man will, einen Puls der Natur, der bald schneller, bald langsamer schlägt, und schlagen wird, bis etwa Buffons Epoche der Erstarrung eintritt, oder das Machtwort einer Gottheit drein redet; – so lange das jezige Schema der Erscheinungen besteht, müssen auch diese Oscillationen fortdauern. Das Mittel zwischen den Extremen, welches manche Philosophen so eifrig suchten, und oft zu finden wähnten, das vollkommene Gleichgewicht der Kräfte, ist Ruhe, aber Ruhe des Todes.
Der Trieb der Selbsterhaltung und der Gesellschaftstrieb äußern ihre Wirkungen im Thiere ohne ein besonnenes Bewußtseyn. Erinnerungen und Erfahrungen können diese Triebe leiten, und das Vermögen, Vorstellungen mit einander zu verbinden, kann selbst thierischen Handlungen den Schein der Überlegung verleihen. Zur Vernunft, zur Wahrnehmung der Verhältnisse und Absonderung der Begriffe, gehört das Bewußtseyn eines abstrakten Ich; und dieses war das ausschließende Geschenk unserer menschlichen Organisation. In dieser einzigen Fähigkeit, in einer so geringen, fast unmerklichen Abschattung, liegt der incommensurable Unterschied zwischen der Natur des Menschen, und der vernunftlosen Thiere. Aus ihr allein entwickeln sich alle Erscheinungen der sogenannten Perfectibilität, welche man die angewandte Besonnenheit nennen könnte. Hier aber, wie allerwärts in der Natur, ist es Wirkung und Gegenwirkung, was die schlafenden Kräfte offenbart. Wenn das Bedürfniß eine Sprache schuf und eben dadurch das Bewußtsein weckte, so übte hingegen jeder neue Grad der Erkenntniß das Begehrungsvermögen. Waren bey einem überwundenen Widerstande Begriffe von können und wollen entstanden, so folgte bald ein Wollen aus Vorsatz und mit Bewußtseyn. Brachten endlich erschütternde Erfahrungen den Menschen auf eine höhere Stufe der Besonnenheit, und lehrten sie ihn, daß er nicht alles dürfe, was er kann und will; so führte eben dieser Druck der äußern Verhältnisse zu Begriffen vom Glücke des Lebens, die zwar nach Klima und Lokalumständen verschieden, im Ganzen aber Werkzeuge der ferneren Bildung und Entwicklung sind. Wo die Natur ihre Schätze reichlich ausgespendet hatte, neigten sich die Affekten bald zum gütlichen Vergleich. Ruhiger Genuß der sanfteren sinnlichen Eindrücke begründete die Rechte des Hausvaters, und Gewohnheit erzeugte dann den Despoten. In rauhen Zonen hingegen, erlangte der ungezähmte Wille eine Stärke und Unbiegsamkeit, wodurch er noch lange das Übergewicht behielt, und allen Zwang verschmähte. Zuweilen beugte wohl Gewalt auf einen Augenblick den wilden Nacken; allein der bloße Zwang lehrt keine Verbindlichkeit zu gehorchen. Folglich dauerte der Kämpf der Ungebundenheit so lange, bis allgemeine Rechte des Menschen anerkannt wurden, und mit diesen die Begriffe der Sicherheit, der Freyheit des Eigenthums, der gegenseitigen Pflicht, und einer durch heilsame Einschränkung bewirkten Glückseligkeit entstanden. Der Wille schien nunmehr auf einmal wieder so viel Feld zu gewinnen, als er auf einer Seite verlor. Nicht handeln dürfen, wie man will, ja vollends nach der Vorschrift eines Andern handeln müssen, war allerdings gleichsam eine Vernichtung des eigenen Willens. Allein bey diesem unvermeidlichen, sowohl negativen als positiven Zwange, hatte die Vernunft einen Schritt vorwärts gethan, und der Mensch fühlte seine Würde nun nicht mehr in körperlicher Stärke, sondern im Erkennen und Auswählen dessen, was recht und gut ist. Hier entstanden Gesetzgebung und bürgerliche Verfassung; künstliche, zerbrechliche Maschinen, die aber der höheren Kultur den Weg bahnten, und desto mehr Kräfte zur Entwicklung brachten, je gewaltsamer und schneller sich ihre Räder durch einander wälzten. Unzählige Nuancen der Organisation und der äußern Verhältnisse erzeugten verschiedene Mischungen des Charakters. Durch Erziehung, Beyspiel und Gewohnheit hervorgerufne und bestimmte Leidenschaften, Einsichten und Fertigkeiten, setzten ihr Spiel mit einander fort, und wirkten unaufhörlich auf einander, so wie aufs Ganze zurück. Wie dieser Wirbel jeden anders modificirten Menschen faßte und mit sich riß, so vollendete er dann seinen wohlthätigen oder zerstörenden Lauf. Der Wechsel der Verhältnisse, der Zusammenstoß streitender Kräfte, der Contrast entgegengesetzter Ereignisse – diese hin und her strömende Fluth im Ocean der Menschheit läutert und bestimmt überall die Begriffe, und giebt ihnen auch Einfluß auf Handlungen. Tugend und Laster sind daher überall gleichzeitige Erscheinungen; denn auch die Tugend wird nur durch Widerstreben möglich; wo weder Feind noch Gefahr vorhanden ist, da giebt es weder Kampf noch Sieg.
Der Gang so vieler Revolutionen, die sich immer ähnlich sind, so manches auch die Verhältnisse des Orts und der Zeit darin ändern, zertrümmert also offenbar jene idealischen Systeme, die auf eine grundlose Hypothese erbauet sind. Was in Asien vor etlichen Jahrtausenden, in Peru und Mexico vor wenigen Jahrhunderten geschah, was in den Inseln des Südmeeres noch vor unsern Augen geschieht, würde unter ähnlichen Umständen, so oft auch das Menschengeschlecht in den angeblichen Stand der Natur zurück träte, immer wieder geschehen. Die ersten Kriege, selbst der Wilden, enthalten einen Keim der Kultur; denn indem der Eroberer seines Sieges genießt, vermehren sich seine Bedürfnisse. Luxus, Kunst und Wissenschaft, die Kinder Einer Geburt, vermählen sich miteinander und bringen eine neue Brut – Ungeheuer und Genien – zur Welt. Wer über diesen Kreislauf der Begebenheiten unmuthig werden kann, der klage über Winterschnee und Sommerhitze, oder über den Wechsel der Nacht mit dem Tage; er klage über alles in der ganzen Natur, was dem Wechsel unterworfen ist, und – vergesse, daß nur durch diesen unaufhörlichen Wechsel alles besteht. Die relative Moralität gewinnt freylich nicht immer durch die Entwicklung der Fähigkeiten; dieselbe Sonne, die das Wachs erweicht und schmelzt, härtet hingegen den Thon. Wenn aber jemand darum lieber die Sonne ganz entbehren möchte, so dürften wir aus mehr als einem Grunde vermuthen, daß er vielleicht für jede andre Welt, nur nicht für diese wirkliche, geschaffen sey. Daher eilt das Zeitalter auf seiner Bahn weiter, ohne auf die Wehklage eines Hypochondristen zu hören, der von solchen Hirngespinsten ausgeht, und das Menschengeschlecht nach Idealen mißt.
Wer den strengen Optimismus nicht billigen mag, sollte wenigstens, um unpartheyisch zu seyn, die Dinge so nehmen wie sie sind. Die Abwechselung der Jahreszeiten kann, in moralischer Beziehung, in der That nicht gleichgültiger seyn, als jene Revolutionen, (so wichtig sie übrigens für subjektive Bildung seyn mögen) wodurch ruhende Kräfte wirksam werden müssen, und die Gränzen der Erkenntniß durch den Drang der innern und äußern Verhältnisse sich nothwendig erweitern. Der Zeitpunkt kam, wo ein heller Kopf den Gedanken hatte, die runde Erde müsse sich umschiffen lassen, er fand einen König, der in der Hoffnung zu einem Gewinste einen Versuch wohl der Mühe werth hielt, – und Amerika ward entdeckt. Unsere Sophisten wissen jezt mit einem ekelhaften Gepränge von arithmetischer Genauigkeit zu bestimmen, wie viele Tropfen Negerschweiß auf ein Loth Zucker gehen; sie können die Anzahl der Patienten, die durch Fieberrinde genasen, gegen die Schlachtopfer des Venusgifts verrechnen, und zwischen Vortheil und Nachtheil der Entdeckung die kaufmännische Bilanz ziehen, wie ihr Maulwurfsauge sie übersieht. Ob sie aber die Quelle des Bösen verstopfen können, ohne daß zugleich die Quelle des Guten versiegt? Man müßte nicht wissen, daß beydes im Menschen einen gemeinschaftlichen Ursprung hat, wenn man dies für möglich halten wollte. Auf jeder Stufe der Kultur, welche das Menschengeschlecht erreicht hat oder noch ersteigen kann, sind Bedürfnisse und Leidenschaften die Triebfedern aller erhaltenden aber auch aller zerstörenden Thätigkeit. Verschiedene Grade der Erkenntniß ändern nur die Intension und äußere Form derselben; aber das Gute und Große wird überall nur durch sein Gegentheil offenbar.
Mißbrauch kann den Werth der Dinge nicht schmälern; und doch sollte er es, sobald von Vernunft die Rede ist? Es sollte nun doch des Lichtes Schuld seyn, daß ein Hohlspiegel seine Strahlen gebrochen zurückwirft? Nur das Heer der Mühseligkeiten sollte aus Pandorens Büchse hervorgestiegen seyn, damit die Allbegabte ihre Neugier ewig beweinte? Die griechische Fabel ist wenigstens consequent; denn sie heischt den Glauben an heimtückische, schadenfrohe Götter, die das prometheische Geschöpf verderben, aber nicht beglücken konnten. Fürwahr, eine trostlose Lehre! Wer bebt nicht vor ihr zurück, und sieht umher nach einer bessern Überzeugung, die seiner Seele den Frieden wieder geben kann? Wer sieht nicht lieber in allem, was die Nerven zur Thätigkeit spannt, weise Vorsorge der Natur, die allmählig jede Kraft zur Entwicklung reif macht, während daß ihr großes Werk der Zeugungen unaufhaltsam fortschreitet? Wer schließt nicht vielmehr so: da jene Entwicklung eine wesentliche Bedingung unseres Daseyns ist, so ist es ein Verdienst um die Menschheit, ihrer Betriebsamkeit einen neuen Schauplatz zu öfnen.
So rufe ich dann: Seegen über Euch, ihr Beförderer der sittlichen Bildung, denen das Schicksal eine empfängliche Organisation verlieh, denen es Gaben schenkte, die in tausend Jahren nur einmal die Weit beglücken! Gern gehorche ich dem allgemeinen Gefühl, dieser heiligen Stimme der Menschheit, die Euch, als wohlthätige Genien oder Halbgötter, dankbar verehrt. Du unbekannter erster Hirte auf den Höhen des Kaukasus oder Altai, warst vielleicht unter tausenden deiner Brüder allein so organisirt, daß du am fröhlichen Hüpfen deiner gezähmten Lämmer um dich her mehr Vergnügen fandest, als am Röcheln des erwürgten Wildes! Welcher ganz andere, gewiß nicht minder seltene, Zusammenklang innerer Empfänglichkeit mit äußern Eindrücken bildete dich, kühner Bändiger des muthigen Rosses und des wilden Stiers? War es nicht eine Göttin, weiser Triptolem, die dich lehrte, das Zelt an eine feste Stätte zu binden, und goldne Saaten zu ärndten, so war es der göttliche Funke des Genius in dir; dieser Funke, der die Lippen des ersten Gesetzgebers mit Überredung begeisterte, als er Menschen durch Bande des wechselseitigen Vortheils in den engen Bezirk einer Stadt zusammen zog; eben derselbe, der den Keim des Handels pflegte, bis er als ein mächtiger Baum, den Nationen unter seinem Schatten süße Früchte trug; eben derselbe, der bey jeder glücklichen Anstrengung der Geisteskräfte so sichtbar hervorleuchtet; der auf Gama, Columbus, Magellan und Cook geruhet hat!
Wahrheit war die Botschaft, die alle große Männer an die Menschheit zu verkündigen hatten; Wahrheit, Verhältniß der Dinge unter einander und zu uns. Sie entledigten sich getreu ihres Auftrags, und brachten uns Wahrheit, das Kleinod dem Weisen, das Schwerdt in eines Narren Hand. Doch, Nutzen und Mißbrauch haben ihre Gränzen: die Aufklärung aber schreitet von Erfahrung zu Erfahrung ins Unbegränzte fort. »Vielleicht erschöpft sie einst alle Verhältnisse des Menschen, und bringt dann den Frieden des goldnen Zeitalters zurück?« Diese harmlose Hofnung, ein Stein der Weisen unseres Jahrhunderts, verdient wenigstens keinen Spott, so lange sie das aufgesteckte Ziel bleibt, welches so viele Kräfte für das Bedürfniß des gegenwärtigen Augenblicks in Bewegung erhält, und einen jeden anfeuert, in seiner Laufbahn nach der Vollkommenheit zu streben, die ihm erreichbar ist. Wenn die Verwegenheit, in eine Zukunft zu schauen, die unsern Augen geflissentlich entzogen ward, und Bestimmungen voraus zu sagen, welche sich aus den Prämissen der Erfahrung nicht folgern lassen, mit Irrthum bestraft werden muß: so konnte wenigstens keine Strafe unschädlicher, und keine zugleich wohlthätiger seyn, als diejenige, welche die Bilder der Phantasie benutzt, um den Menschen an ein reelles Ziel zu geleiten. Ein solches Ziel ist die subjective Vervollkommnung, welche nur durch eine vollkommnere Erkenntniß der Wahrheit bewirkt werden kann; und so wäre denn das Verdienst des Entdeckers für Gegenwart und Zukunft entschieden; und es ist um desto wichtiger, je grösser der Zuwachs ist, den die Masse menschlicher Kenntnisse durch ihn erhält. In welchem Grade nun insbesondere Cook auf dieses Verdienst Anspruch machen kann, muß die bloße Aufzählung seiner Entdeckungen darthun.
1. Geographische Übersicht
Wenn wir den Werth solcher Erfindungen und Entdeckungen anerkennen, die keine nähere Beziehung auf das menschliche Leben zu haben scheinen, blos weil sie die Sphäre unseres Wissens erweitern, und dem Menschen einen größeren Reichthum von Vorstellungen geben: so können wir um so viel weniger jenen Entdeckungen unsern Beyfall versagen, die den letztern Endzweck eben so gut erreichen, deren Anwendung aber uns zugleich so viel näher liegt. Wie schmeichelhaft ist, für jeden der es fassen kann, das Gefühl von der Würde des menschlichen Geistes, bey jeder großen und glücklichen Anstrengung seiner Kräfte! Wer fühlt sich nicht groß, wenn er mit den Sternkundigen die ungemessenen Räume des Weltalls auf Flügeln der Gedanken durchirrt! In der That, wie bewundernswürdig ist nicht der menschliche Verstand, wenn er Mittel ersinnt, die Entfernung und Größe der Sonne genau zu bestimmen, wenn er neue Planeten und Kometen entdeckt, die dem bloßen Auge unerreichbar sind, und dennoch ihre Bahnen berechnet, als wären sie sichtbar! In welchem erhabenen Lichte erscheint nicht jene stolze Wissenschaft, welche aus dem wenigen, was sie von der Erfahrung entlehnt, die wichtigsten Folgerungen zieht, wenn eine bemerkte Verschiedenheit in dem Abstande gewisser Fixsterne von einander, die gleichwohl kaum in Jahrtausenden dem bloßen Auge auffallend werden könnte, dem Scharfsinn des Meßkünstlers hinreichend ist, um eine progressive Bewegung des ganzen Sonnensystems daraus nicht blos zu muthmaßen, sondern darzuthun, und dann tausend neue Welten in jenen entfernten Nebelpünktchen des allumfassenden Äthers zu erblicken! Doch wir mögen nun mit Newton die Geschwindigkeit des Lichts messen und das Gesetz des allgemeinen Zusammenhangs untersuchen, oder mit Herschel die Heere des Himmels zählen, von denen wir nicht mehr als ihr bloßes Daseyn erfahren können: so lange wir den Planeten, den wir bewohnen, nicht in allen seinen Theilen und Verhältnissen erforscht haben, so lange rühmen wir uns umsonst des gränzenlosen Umfangs unserer Erkenntniß. Dieser Punkt im Unermeßlichen ist immer noch eine Welt für uns; seine Theile, seine Verhältnisse, seine Veränderungen, können, weil sie allen unsern Sinnen offen liegen, für jene fernen Gegenstände, welche nur das Auge wahrnimmt, zum sichersten Maaßstabe der Beurtheilung dienen, und haben, welches ungleich wichtiger ist, eine unmittelbare Beziehung auf uns, und auf die Art unserer Exsistenz. Denn vorausgesetzt, das Ziel der Aufklärung, welches die Natur gesteckt hat, läge jenseits der Gränzen unserer Erfahrung, und die subjektive Bildung bestände hier zunächst in einer verstärkten Intension der Kräfte, deren Wirksamkeit dann die Verhältnisse eines andern Schauplatzes bestimmten; so geht doch diese nothwendige Vervollkommnung in der Stille und unvermerkt ihren Gang, indessen das gegenwärtige Verhältniß unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auf derjenigen Stufe der Kultur, die der Europäer insbesondere nun einmal erstiegen hat, ist die Kenntniß der eigenthümlichen Beschaffenheit aller Gegenden der Erde so in sein Bedürfniß verwebt, daß eine nähere Untersuchung nothwendig wird, um seiner Betriebsamkeit Luft zu machen. Je dringender unsere wahren und erkünstelten Bedürfnisse das Verkehr mit entfernten Welttheilen fordern, je emsiger der kaufmännische Geist von der Unersättlichkeit des Zeitalters seinen Vortheil zieht, indem er ihr Nahrung verschafft; desto stärker wächst das politische Interesse der Staaten, an der Erweiterung geographischer und anderer Erfahrungskenntnisse, und desto mehr sucht es alle jene Triebfedern im Gange zu erhalten. Großbrittannien, dessen Handel von so ungeheurem Umfange ist, hat folglich auch in dieser Rücksicht den Nationen das Schauspiel von Entdeckungsreisen gegeben, wodurch die vorher unbekannte Hälfte der Erdkugel ausgekundschaftet worden ist. Ich sage, die Hälfte der Erdkugel, und man wird finden, daß dieser Ausdruck nicht zu viel sagt, wenn man einen Blick auf die Geographie vor Cooks Entdeckungen wirft.
Unter den Vorgängern unseres Seemannes unterscheiden sich Columbus und Magellan, deren unsterbliche Verdienste einer Auszeichnung werth sind. Man sage immerhin, daß Gewinnsucht und Emporstreben nach dem was Glück zu heißen pflegt, die Triebfedern waren, die auch diese beyden großen Männer in Bewegung setzten. Wo und wann geschah etwas großes, wozu nicht irgend eine mächtige Leidenschaft den ersten Stoß gab? Auch Menschen, deren innere Kraft kein gemeiner Geist fassen kann, bedurften des Antriebs der Leidenschaften, um jene schlafende Kraft zu wecken und in Thaten zu äußern. Wenn es tief in der Seele des Edlen lag, daß ein neuer Welttheil seiner warte; wenn Er allein den großen Gedanken denken konnte: dort westwärts, über die Gränze hinaus, die der furchtsame Küstenbefahrer nie zu überschreiten wagt, dort liegt für mich der Weg zu Ehre, Glück und Ruhm; – wie dürft ihr ihn verdammen, ihr Splitterrichter, bey denen eben dieser Antrieb nur kleine Plane zu unbedeutenden Handlungen erzeugen konnte! Ihr wähnt vielleicht, es bringe diese Männer bis zu euch herab, wenn ihr spöttelnd fragt, ob ihre Größe in dem Ehrgeiz ein Grande zu werden, oder in der Rache gegen einen blödsinnigen König zu suchen sey? Wer nicht, wie Columbus und Magellan, auf unbetretenen Pfaden der Ehre solche Endzwecke erreichen kann, läuft Gefahr, ein Bösewicht zu werden, sobald er sich über den Staub erhebt, für den er gebohren ist. Jener entdeckte einen Welttheil, und dieser steuerte sein Geschwader durch den ungeheuersten der unbekannten Oceane. Jener hatte die Vorurtheile seiner Zeit, und die gefährliche Ungelehrigkeit seiner zaghaften Reisegefährten zu bekämpfen; dieser vollbrachte, was seitdem nur Cooks eiserner Beharrlichkeit möglich geworden ist: er blieb von der Meerenge, die seinen Namen trägt, bis an die Philippinischen Inseln beynah vier Monate lang unterwegs, ohne irgend ein wichtiges Land zu sehen, ohne Erfrischungen für sein Volk zu erhalten, ohne sich durch die Länge des noch nie zuvor beschifften Weges abschrecken zu lassen. Am Ende ward aber sein großer Plan, die Gewürzinseln für Spanien zu entdecken, glücklich erfüllt, ob er gleich selbst, als ein Opfer seines unzeitigen Bekehrungseifers, auf der Insel Matan das Leben verlor.
Von dem Jahr 1521 an, bis 1768, in einem Zeitraum von drittehalbhundert Jahren, wurden viele Reisen durch eben diesen Ocean gethan, den Magellan zuerst beschiffte. Bald trieb Begierde nach Reichthümern, welche in Peru und Mexico ihren höchsten Grad erstiegen hatte, und nicht befriedigt worden war, Cortez und Pizarros Gefährten zu Schiffe; bald suchten Engländer und Holländer sich entweder durch den Schleichhandel zu bereichern, oder den Eroberern der neuen Welt ihre Schätze mit Gewalt zu entreißen; endlich führte auch die Hoffnung, im unbekannten Schooße des Südmeeres ein reiches Land zu entdecken, Seefahrer aus allen Nationen in Magellans Fußtapfen. Allein die Menge der Reiserouten, aufweichen man das Südmeer in dieser Absicht durchkreuzte, dient zum augenscheinlichsten Beweise, wie wenig die Triebfeder allein zur Sache thut, wenn nicht Fähigkeit des Entdeckers hinzukömmt. Ohne hier von den Plünderern der Spanier zu reden, eilten auch Leute, deren Endzweck Entdeckung war, mit Ängstlichkeit nach dem Bezirk innerhalb der Wendekreise, um einer gemächlichen und sichern Fahrt in jenem stillen Meere zu genießen, welches seinen Namen mit so großem Rechte führt. Unter den Spaniern entdeckten Mendanna und Quiros in drey verschiedenen Reisen einige Inseln, um deren Lage man sich bis auf Cooks Zeiten gestritten hat. So unbeträchtlich diese Entdeckungen waren, so suchten gleichwohl beyde Anführer durch überspannte Nachrichten von den daselbst vorhandenen Schätzen, den Spanischen Hof zu reizen, daß er sie in Besitz nehmen und Pflanzstädte daselbst anlegen sollte. Ihre Salomonsinseln und ihre Tierra Austral del Espiritu Santo blieben lange Zeit das Eldorado der Südsee, wo die Natur Perlen und edle Metalle nebst andern Kostbarkeiten, verschwendet haben sollte. Die Holländer ließen sich durch diese Vorspiegelungen zu einer Entdeckungsreise unter Le Maire und Schouten verleiten, welche, wie die spätere unter Roggewein, ihre Absicht gänzlich verfehlte. Diese Weltumsegler konnten es freylich nicht wissen, daß die Inseln, welche sie ohnweit Neuguinea entdeckten, in der That die Salomonsinseln der Spanier waren; so wenig wie Bougainville es ahndete, daß seine Cycladen das Land des Quiros seyn könnten. Spanien selbst fand nicht für gut von diesen Entdeckungen Gebrauch zu machen, oder andere Abentheurer aufzumuntern sie weiter fortzusetzen und genauer zu bestimmen. Seine Americanischen Besitzungen waren zu ungeheuer und zu reich an Gold und Silber, um den Wunsch nach mehreren rege zu machen. Außer den Küstenfahrern und dem einzigen Gallionschiffe, welches jährlich zwischen Akapulko und Manila die Waaren Asiens gegen Amerikanisches Metall vertauschte, ließ sich kein Spanisches Schiff auf diesem Ocean erblicken. Mich dünkt, die äußerste Gleichgültigkeit gegen alles, was Entdeckung heißt, kann sich nicht stärker zeigen, als durch eben dieses Schiff, welches in einem Zeitraum von zwey hundert Jahren jährlich genau denselben Strich hält, und vierhundertmal an der schönen Gruppe der Sandwichsinseln vorübergesegelt ist, ohne je soweit von seiner gewöhnlichen Bahn abzukommen, daß es sie wirklich entdeckt hätte. Die Entdeckungsversuche der Spanier aus den frühesten Zeiten dieser Periode hatten die nachtheilige Folge, daß die Geographen an das Daseyn eines großen festen Landes glaubten, welches den ganzen Südpol umgäbe, und sich bis innerhalb des Wendekreises erstreckte. Quiros war in der Übertreibung wirklich so weit gegangen, daß er die von ihm entdeckte Insel Mallikollo für einen Theil dieses festen Landes ausgegeben hatte; und fast ein jeder, der nach ihm es wagte, sich weiter als die Küstenbefahrer, von Amerika zu entfernen, versicherte, wenn er auch kein Land gesehen haben wollte, dennoch Anzeigen eines nahen Continents bemerkt zu haben. Der einzige Seefahrer des vorigen Jahrhunderts, der den Namen eines Entdeckers verdient, der Holländer, Abel Tasman, bestärkte durch die Entdeckung von Neuseeland jedermann in dieser Meynung. Er fuhr im Jahr 1642 von der Insel Mauritius (jezt Isle de France) südostwärts, bis er die Südspitze von Neuholland entdeckte, welche er nach seinem Gönner, dem Generalgouverneur vom Holländischen Indien, Van Diemen, benannte. Von hier setzte er seinen Lauf ostwärts fort, entdeckte das von ihm zuerst so benannte Neuseeland, befuhr dessen westliche Küste bis zur nördlichsten Spitze, und kehrte dann nordwärts, wo er die Freundschaftsinseln fand, über Neuguinea, nach Batavia zurück. Ob nun gleich Neuseeland von 1643 bis 1768 ohne Widerrede für einen Theil des festen Südlandes galt, so blieb dennoch in diesem ganzen Zeiträume Tasmans Entdeckung ohne Folgen; denn auch die drey Englischen Weltumschiffungen unter Byrons, Wallis und Carterets Anführung, nebst der Französischen unter Bougainville, zeichnen sich durch wenig mehr als diesen leeren Namen, und ihre wissenschaftliche Absicht, von den gemeinen Südseefahrten ihrer Vorgänger aus. Wie diese, hielten sie sich, sobald sie Magellans Meerenge verlassen hatten, an die Küste von Amerika, bis in die Gegend der unbewohnten Inseln von Juan Fernandez; eilten dann, innerhalb des Wendekreises das friedliche Meer, das keine Stürme kennt, zu durchschiffen, und durch die Inselgruppen Indiens nach Hause zu kommen. Wallis und Bougainville trafen wenige Monate nach einander auf die Insel Otaheiti; der erstere fand die Kokosinsel des Le Maire und Scheuten wieder, und letzterer berührte die neuen Cycladen, die ehedem Quiros für das feste Südland ausgegeben hatte. Von der durch Quiros Reisegefährten, Torres, entdeckten Durchfahrt zwischen Neuguinea und Neuholland, wußte er aber so wenig, daß er lieber Gefahr lief, mit seiner ganzen Mannschaft Hungers zu sterben, als daß er sich durch diesen kurzen Weg in die Gewässer Indiens begeben hätte. So wenig war alles, was jene Abentheurer unternahmen, bekannt, bestimmt und in der Anwendung brauchbar geworden. Carteret, der einen etwas andern Strich hielt, als die übrigen Englischen Weltumsegler, berichtigte die Lage der Insel Santa Cruz, einer Entdekkung des Mendanna, der er den neuen Namen der Königin Charlotte gab. Was diese neueren Reisen vor den früheren voraus hatten, lag in den Fortschritten, welche die Schiffahrtskunde seit der Zeit gethan hatte. Dadurch, daß man mit bessern astronomischen Werkzeugen versehen war, gewann die Geographie wenigstens so viel, daß die Lagen der Orter genauer bestimmt wurden; und Frankreich gab durch Bougainvilles Ausrüstung das erste Beyspiel von einer zu wissenschaftlichen Endzwecken gehörig eingerichteten Entdeckungsreise, indem es diesem tapfern Officier einen Naturforscher, Commerson, und einen Astronomen, Verron, zugesellte. Mit Talenten, welche in einer Schlachtordnung glänzen konnten, verbanden aber weder die Englischen Officiere, noch der Französische, den Geist der Entdeckung, der vielleicht wirklich auf dem ersten Englischen Weltumsegler Drake, und auf dem wackern Freybeuter Dampier in reichlicherem Maaße geruhet hatte. Jener entdeckte auf seiner im Jahr 1577 unternommenen Reise die Küste Neualbion, nordwestwärts über Californien bis zum 40sten Grade der Breite; dieser beschloß seine Laufbahn 1698 mit einer Entdeckungsreise, auf welcher er, mit wahrem Eifer für die Wissenschaft, einen Theil von Neuholland und Neuguinea, nebst Neubrittannien, den berühmten Salomonsinseln des Mendanna, für die damalige Zeit ziemlich genau untersuchte.
Die Summe aller Entdeckungen, die man seit Magellans Zeiten im Südmeere gemacht hatte, war indeß nichts weniger als beträchtlich. Mehr als dreißig Reiserouten hatten diesen Ocean, den größten unter allen, durchschnitten, ohne mehr als die Lage einiger verlohrnen Inselpünktchen zwischen den Wendekreisen dürftig zu bestimmen; ja die früheren hatten größtentheils, wie die dunkeln Tagebücher der Anführer, diese Denkmäler ihrer Unkunde und geringen Fähigkeit beweisen, mehr Ungewißheit als Licht über jene Weltgegend verbreitet. Noch war die halbe Oberfläche der Erdkugel von tiefer Nacht bedeckt; und welche Traumgestalten schwebten nicht in ihr umher, die den leichtgläubigen Geographen täuschten, und selbst den vernünftigen Forscher verwirrten; scheinbare Muthmaßungen spekulativer Köpfe, müßige, auf mißverstandene Überlieferung gegründete Mährchen, und dreiste Erdichtungen vorsetzlicher Betrüger! Rund um den Südpol, bis zum funfzigsten Grad der Breite, war alles, die einzige Spitze von Südamerika ausgenommen, unbekannt. La Roche und Düclos Güyot, zwey Französische Seefahrer, hatten zwar in den Jahren 1675 und 1756 im südatlantischen Meere auf vier und funfzig Graden der Breite eine Insel entdeckt, und Bouvet, ihr Landsmann, wollte 1738 in eben der Breite, weiter ostwärts, Land gesehen haben; allein auch diese wirklichen oder angeblichen Entdeckungen bestärkten nur den Glauben an ein festes Südland, welches nunmehr auf allen Charten erschien. Seine Küsten zeichnete man keck in einer mit Chili fast parallel zum Wendekreise hinablaufenden Linie, ließ sie an einigen Orten bis zum zwanzigsten Grad der Breite in den heißen Erdgürtel sich verlängern, und dann wieder südwestwärts nach Neuseeland steigen. Neuholland, welches das Südmeer gegen Abend vom Indischen Ocean trennt, und an Flächeninhalt Europa beynahe gleichkommt, blieb gegen Osten hin noch gänzlich unerforscht, und in der Nähe des Äquators verlor es sich auf mancher Charte in das von seinen schwarzen Einwohnern benannte Neuguinea.
Unsere nördliche Halbkugel lag von der Seite des großen Weltmeeres in ein ähnliches Dunkel gehüllt. Rußland kannte die natürlichen Gränzen seiner asiatischen Besitzungen noch nicht, und die Amerikanischen Gestade jenseits des vier und vierzigsten Grades waren noch unberührt. Hatte man sich gegen Süden von neuen Welttheilen und festen Ländern träumen lassen, so erstattete wenigstens die Einbildungskraft der Erdbeschreiber dem Ocean am entgegengesetzten Ende der Welt den Raum, den sie ihm abgenommen hatte, und trug sich mit umständlichen Erzählungen von durchschiften Meeren, Meerengen und nordöstlichen sowohl als nordwestlichen Durchfahrten. Ein Admiral de Fonte, der niemals existirt hat, ein griechischer Lootse Juan de Fuca, der mit einer aus der Luft gegriffenen Erzählung sein Glück machen wollte, eine Straße Anian, von der sich niemand einfallen ließ, daß es die Hudsonsenge seyn könnte, und andere ähnliche Verwirrungen veranlaßten gelehrte Kriege und erdichtete Landcharten; und so wie im Süden jede Entdeckung zur Bestätigung des so hartnäckig behaupteten Südlandes gemißbraucht wurde, so mußten auch der verdienstvollen Männer, Bering und Tschirikofs Berichtigungen verschiedener Punkte des Amerikanischen Continents, unter den Händen der Geographen, die in ihrem Studierzimmer reiseten, das Daseyn der offenen See im Nordwesten beweisen. Selbst der berühmte Pauw, dessen Prüfungsgeist so manchen Wahn in Absicht auf Amerika vernichtete, war nicht vermögend, aus diesem Chaos von grundlosen Meynungen die Wahrheit hervorzuziehen; vielmehr glaubte er annehmen zu müssen, daß ein Meer von achthundert Meilen den alten Welttheil von Amerika trenne.
Dies war die Lage der Geographie, als Cook erschien, dem es vorbehalten war, in kurzer Zeit die Kenntniß der Erde in das hellste Licht zu setzen. Der Geist der Entdeckung beseelte ihn ganz, und seine Eigenschaften waren dem Geschäfte, wozu ihn das Schicksal auserkohr, so angemessen, daß er allein mehr als alle seine Vorgänger zusammen genommen leistete, und als Seemann und Entdecker, unerreichbar und einzig, der Stolz seines Jahrhunderts bleibt.
Um uns einen Begrif von seiner Thätigkeit zu machen, bleiben wir zuerst bei der Länge des Weges stehen, den er in etwas mehr als zehn Jahren zurückgelegt hat. Die verschiedenen Bahnen seiner großen Reisen, sind zusammen mehr als siebenmal dem Umkreis unserer Erdkugel gleich. Welcher Seefahrer kann sich rühmen, in so kurzer Zeit den ungeheuern Raum von beynah vierzigtausend Meilen durchschift zu haben? Man denke sich eine gerade Linie von eben der Ausdehnung, so fehlt ihr nur ein Viertel ihrer Länge, um die Entfernung von der Erde bis an ihren Trabanten, den Mond, auszufüllen. Doch das riesenmäßige in Cooks Unternehmungen verdient erst alsdenn unsere höchste Bewunderung, wenn wir es in Verbindung mit seinen übrigen Thaten betrachten. Der Mann, der zweymal die ganze Erde umschift hatte, und im Begriffe stand, es zum drittenmal zu thun, der Mann, der kreuz und quer durch alle Oceane des Norden und Süden den langen Weg zurückgelegt hatte, war nun auch mit dem ganzen Erdball so genau bekannt geworden, als trüge er ihn, wie den Reichsapfel, in der Hand. Er hatte, zumal im Südmeer, nicht nur alle wichtigen Entdeckungen früherer Reisen besucht und besichtigt, sondern auch mehr neue Küsten und Inseln befahren, als je ein Seemann der älteren und neueren Zeit vor ihm. Unzählige astronomische Beobachtungen, die er größtentheils selbst anstellen half, bestimmten die Lage aller dieser Länder. Mit einer fast noch bewundernswürdigeren Beharrlichkeit führte er überall das Senkbley, nahm die Küsten, die Buchten, die Häfen, die Sandbänke, die Riefe, die verborgenen und sichtbaren Klippen auf, und entwarf die vortreflichsten Charten und Portulane. Kaum können wir uns rühmen, so zuverlässige, und bis auf die kleinsten Gegenstände genau detaillirte Charten von unseren Europäischen Meeren zu besitzen, als Cook von den Meeren der entgegengesetzten Halbkugel zurückgebracht hat. Ältere Südseefahrer scheuten gleichsam den Anblick des Landes; wo sie Küsten fanden, eilten sie schnell vorüber, oftmals ohne nur den Fuß darauf zu setzen, ohne den Umfang, die Gestalt und den Zusammenhang ihrer Entdeckungen zu untersuchen. Landeten sie auch irgendwo, so nahmen sie sich selten Zeit, den Endzweck einer Landung zu erreichen, und von den vorgefundenen Produkten einigen Vortheil zu ziehen. Ihr Betragen gegen die Eingebohrnen machte gewöhnlich einen schleunigen Abzug nöthig, ehe sie noch die Beschaffenheit der Gegend und ihrer Erzeugnisse erforschen, und mit den Eigenthümlichkeiten der dortigen Menschengattung bekannt werden konnten. Daher fehlte es ihren Berichten so oft an allem Interesse; und weit entfernt, den Forderungen des Physikers und des Weltweisen ein Genüge zu leisten, oder zur Sicherheit künftiger Seefahrer, und zum glücklichen Erfolg ihrer Unternehmungen beyzutragen, wußten sie nicht einmal die müßige Neugier des großen Haufens zu befriedigen.
Cook war auch hier das Gegentheil seiner Vorgänger. Sein Geist, der keinen Müssiggang kannte, sann stets auf Mittel, seinem Volke die Mühseligkeiten ihrer harten Lebensart zu erleichtern, dadurch zugleich die Dauer seiner Reise zu verlängern, seinen Entdeckungen einen weitern Umkreis zu geben, und unsere Kenntnisse vom Reich der Wahrheit durch neue Bemerkungen der Natur, im Menschen so wohl, als in Thieren, Pflanzen und leblosen Körpern, zu bereichern. So weit es also mit dem ihm vorgeschriebenen Reiseplan bestand, oder zu dessen vollständiger Ausführung dienen konnte, hielt er sich bey seinen neu entdeckten Ländern auf, und stellte theils in eigner Person, theils mit Hülfe seiner Reisegefährten, jene sorgfältigen Untersuchungen an, welche man, so lange die Buchdruckerkunst Gedanken verewigt, als Quellen des brauchbarsten, zuverläßigsten und angenehmsten Unterrichts, mit Theilnehmen und Bewunderung lesen wird. Die reichhaltigen Tagebücher seiner Reisen füllen allein sechs starke Quartbände; zwey andere enthalten die astronomischen Beobachtungen, und noch ein Paar andre liefern Nachrichten von merkwürdigen Gegenständen der allgemeinen Physik, und Beschreibungen einiger Naturkörper, obgleich bis jezt noch das allerwenigste von den Entdeckungen der besondern Naturgeschichte im Druck erschienen ist, und Solanders Nachlaß allein mehr als zweytausend Beschreibungen enthält. Sehen wir aber auf den wichtigsten Gegenstand unseres Forschens, auf unsere Gattung selbst; wie viele Völker, die wir zuvor auch nicht dem Namen nach kannten, sind nicht durch die unvergeßlichen Bemühungen dieses großen Mannes bis auf die kleinsten Züge geschildert worden! Ihre körperliche Verschiedenheit, ihre Gemüthsart, ihre Sitten, ihre Lebensart und Kleidung, ihre Regierungsform, ihre Religion, ihre wissenschaftlichen Begriffe, und Kunstarbeiten, kurz alles, sammlete Cook für die Zeitgenossen und die Nachwelt, mit Treue und unermüdetem Fleiß.
Niemand kannte also den Werth des vorübereilenden Augenblicks besser, und niemand benutzte ihn so gewissenhaft, als er. In einem gleichen Zeitraum hat niemand je die Gränzen unseres Wissens in gleichem Maaße erweitert. Seine unmittelbaren Vorgänger glaubten allen Forderungen der Nachwelt ein Genüge gethan zu haben, wenn sie innerhalb zwey und zwanzig Monaten die Erde umschiften; denn diese Umschiffung allein schien ihnen verdienstlich genug. Carteret blieb zwar etwas länger aus, weil er einen Monsun versäumte; doch brachte er diese Zeit in Häfen zu, die Europäern gehörten. Cook hingegen irrte auf seiner ersten Reise beynah drey Jahre umher. Die zweyte umfaßte einen noch längern Zeitraum; und die dritte, deren Ende er nicht erlebte, die er aber, selbst nach seinem Tode, noch zu lenken schien, dauerte mehr als vier Jahre! Doch es ist Zeit, seine Laufbahn und die Entdeckungen, welche diese drey unnachahmlichen Fahrten bezeichnen, dem Auge näher zu rücken.
Der wichtige Zeitpunkt, wo die Venus zum zweytenmal im gegenwärtigen Jahrhundert vor der Sonnenscheibe vorübergehen sollte, gab die Veranlassung zu Cooks erster Reise in die Südsee. Von der Beobachtung dieses Phänomens, an entgegengesetzten Enden der Erde, hing die Bestimmung der Sonnenparallaxe, folglich der Entfernung und Größe dieses ungeheuren Weltkörpers selbst, vorzüglich ab. Die gelehrten Gesellschaften wetteiferten bey dieser Gelegenheit miteinander in Anstalten, um den merkwürdigen Augenblick in seinem ganzen Umfange zu benutzen. Die Akademie der Wissenschaften zu Paris sandte daher den Abbé Chappe nach Californien, und die Königliche Societät in London beschloß Herrn Green ins stille Meer zu schicken. Ihr damaliger Präsident, Lord Morton, wußte die Bittschrift der Gesellschaft, und die gute Sache der Sternkunde mit so großem Nachdruck zu unterstützen, daß König Georg der Dritte die Ausrüstung eines kleinen Schiffs zu diesem Vorhaben bewilligte. Cook bestieg dieses Fahrzeug, Endeavour oder das Bestreben, als commandirender Lieutenant. Herr Banks, ein bemittelter Privatmann, und D. Solander, ein gelehrter Schüler des verewigten Linné, begleiteten ihn, als Liebhaber der Botanik und Freunde der Naturkunde überhaupt. Im Jahr 1768, den 26sten August verließen sie die Rheede von Plymouth. Anstatt, wie Byron, Wallis und Bougainville durch die magellanische Meerenge zu gehen, umschifte Cook das Cap Horn, welches seit Ansons Reise das Schrecken der Seefahrer geblieben war. Es ist bekannt, mit welcher unumschränkten Macht die Vorurtheile den gemeinen Seemann, er sey von welchem Range er wolle, beherrschen. Ein Sturm, der zur Unzeit einen Schiffer auf einer wenig besuchten Fahrt etwas unsanft bewillkommt, kann ändern Seefahrern zuweilen auf ein halbes Jahrhundert die Lust zu neuen Versuchen benehmen. So glaubten einst die Portugiesen, man könne oder dürfe das Cap Non in Afrika nicht umschiffen, bis Don Heinrichs Genius diesen Wahn besiegte, und den Weg zur Entdeckung Indiens bahnte. Cook fuhr nicht nur sicher und ohne irgend einen widrigen Zufall, um jene südlichste Spitze von Südamerika; sondern voll des kühnen Forschungsgeistes, der ihn auf der zweyten Reise so oft jenseits der Gränzen des antarktischen Polkreises trieb, näherte er sich zugleich dem furchtbaren Südpol, von dessen völliger Untersuchung ihn aber für diesesmal der Endzweck seiner Reise abhielt. Es kam jetzt alles darauf an, die Insel, welche zur Beobachtung des Durchgangs ausersehen war, zu rechter Zeit zu erreichen. Zufrieden also, gezeigt zu haben, wie leer die Furcht vor jenen antarktischen Wogen und jenen mehr als kimmerischen Finsternissen sey, die Ansons Historiograph so sehr ins Schwarze mahlt, hielt er vor dem Punkt, wo er den sechzigsten Grad der südlichen Breite durchschnitt, einen Lauf, der geradesweges auf sein Ziel gerichtet war. Diese Richtung ist in doppelter Rücksicht merkwürdig. Sie zeichnet sich vor allen früheren Fahrten dadurch aus, daß sie weit von der Amerikanischen Küste ins unerforschte Südmeer geht, und jenen wohlbekannten Weg verläßt, den so viele Seefahrer, die doch auch zu den Entdeckern gezählt seyn wollen, einander blindlings nachgegangen sind. Zugleich aber gebührt ihr das Verdienst, den Ocean auf einem großen Strich, den ihm die Geographen eigenmächtig abgesprochen, und dem Kinde ihrer Phantasie, dem festen Südlande, zuerkannt hatten, wieder in sein altes Recht eingesetzt, und auf ewige Zeiten darin bestätigt zu haben. In der That segelte Cook westwärts hinter der Stelle weg, wo Juan Fernandez und Jacob l'Hermite das feste Land gesehen, und hinter einer andern, wo es Quiros nur gewittert haben wollte.
Zwischen vielen flachen Inseln hin, welche innerhalb des Steinbockskreises liegen und aus Korallenbänken bestehen gelangte er nach O-Taheiti, der berühmt gewordenen Insel, die Wallis kurz zuvor entdeckt hatte. Der Hauptgegenstand der ganzen Reise, die Beobachtung des merkwürdigen Durchgangs der Venus, und die dazu erforderlichen Vorbereitungen, verzögerten seinen Aufenthalt daselbst. Für die Naturgeschichte und Astronomie war diese Zeit nicht verloren; doch auch selbst die Geographie hatte den Vortheil davon, daß Cook die ganze Insel, die etwa dreyßig Meilen im Umkreise hat, in seinem Boot umschiffte, und sich von ihren Distrikten, ihren Ebenen und Flüssen, ihren umgebenden Riefen und bequemen Ankerplätzen die genaueste Kenntniß verschafte. Auch die Entdeckung der ganzen nah gelegenen Gruppe der Societätsinseln war eine Frucht von dem freundschaftlichen Verkehr mit den Einwohnern von Taheiti, und insbesondere von dem Entschlusse des Tupaia, eines angesehenen Mannes aus jener Weltgegend, mit Cook zu Schiffe zu gehen. Außer den bereits entdeckten Inseln Taheiti, Mäatea, und Tabuamanu lernte man nun auch Huaheine, O-Raietea, O-Tahah, Bolabola und Maurua kennen.
Der Entdecker eilte nunmehr, seinen Verhaltungsbefehlen gemäß, gegen Süden, um das hochgepriesene Südland aufzusuchen, welches in dieser Gegend, der Mitte des großen Weltmeeres, nicht weit vom Wendekreise liegen sollte. Allein er setzte seinen Lauf bis zum vierzigsten Grad der Breite in gerader Linie ungehindert fort, ohne nur eine Spur von nahem Lande wahrzunehmen. Weiter in den Ocean vorzudringen, verwehrte ihm diesmal die Schwäche seines Schiffes. Er wandte sich also westwärts, und suchte die Küsten von Neuseeland auf, die seit ihres ersten Entdeckers, Tasmans, Zeiten nicht wieder besucht worden waren. Man wußte von diesem Lande überhaupt wenig mehr, als daß es vorhanden sey, und streitbare Einwohner habe; denn Tasmans kurzer Aufenthalt hatte ihm nicht erlaubt, genauere Nachrichten einzuziehen, und richtige Charten, die künftigen Seefahrern zu Wegweisern hätten dienen können, zu entwerfen. Cook entdeckte das Land am 6ten Oktober 1769, von der Ostseite her, umschiffte es ganz, und verließ es endlich am 31sten März des folgenden Jahres. Man hatte es bisher für einen Theil des festen Südlandes gehalten; Cook fand aber, daß es zwey Inseln von ansehnlicher Größe wären, im ein und vierzigsten Grad der Breite durch eine Meerenge getrennt, die zum Gedächtniß des Entdeckers Cooksstraße heißt. Von diesem Punkt aus, erstreckt sich die südliche Insel südwestwärts bis gegen den acht und vierzigsten, und die nördliche nordwestwärts bis zum vier und dreyßigsten Grad der Breite. Ihre Seeküsten, welche Cook in Zeit von sechs Monaten mit unermüdetem Eifer untersuchte, können leicht achthundert Seemeilen betragen, und ihr Flächeninhalt dürfte dem von England nicht viel nachstehen. Die Anzahl der bequemen und sichern Häfen, der Inselchen und Klippen, welche um die beyden grossen Inseln hergestreuet liegen, muß jeden Sachkundigen, der ihre Entdeckung und genaue Bestimmung, als das Werk eines einzigen Mannes in einem so kurzen Zeitraum, betrachtet, mit Erstaunen und Ehrfurcht erfüllen. Wenn man aber die bescheidene Erzählung dieser Thaten in Cooks einfacher Sprache liest, wenn man erfährt, mit welchen unvermeidlichen Gefahren, der kühne Argonaute, der sein Werk nicht unvollendet lassen will, in jenen stürmischen und unbekannten Meeren zu kämpfen hat; wie ihm dort eine verborgene Klippe, auf die sein Schiff ganz unversehens stößt, den Untergang droht; wie mitten im Sommer im fünf und dreyßigsten Grad der Breite, der stärkste Sturm, den er bis dahin noch erlebt, drey Wochen lang wüthet; wie eine wirbelnde Fluth, ihn unaufhaltsam gegen einen steilen Felsen schleudert, und nur ein Ankerwurf in die ungeheure Tiefe von fünf und siebenzig Faden ihn noch rettet; wie endlich am südlichsten Ende des Landes, sechs volle Meilen weit von der Küste, eine Felsenbank , gleichsam zur Falle aufgestellt ist, und dem unbesorgten Seemann in der Nacht auflauert; – wenn man diese schnell aufeinander folgenden Begebenheiten aufmerksam erwägt, so wird man auch empfinden müssen, um welchen Preis sich Cook einen Namen im Tempel des Ruhms erkauft hat. Mehr als einmal befand er sich nebst seinen Reisegefährten in augenscheinlicher Lebensgefahr, indem er auch am Lande selbst seine Untersuchungen fortsetzte; ein unerklärliches Etwas, welches man dem Ungefähr oder einem Deus ex machina zuschreibt, wenn man die Verkettung der Ursachen und Wirkungen vergißt, rettete ihn oft aus den Händen der barbarischen Einwohner. Demungeachtet gelang es ihm, die Produkte dieser merkwürdigen Inseln, und selbst das wilde Volk, das hier vom Fischfang lebt, genau zu erforschen. Seine Nachrichten beweisen zur Genüge, daß zumal die nördliche Insel, wegen ihrer vortreflichen Häfen, ihrer Anhöhen, Thäler und wohlbewässerten Ebenen, ihres gemäßigten Himmelsstrichs, ihrer herrlichen Wälder vom besten Bau- und Nutzholz, ihrer dauerhaften Flachspflanze und ihrer fischreichen Gestade, dereinst für unternehmende Europäer eine höchst wichtige Entdeckung werden kann. In dem leichten, fruchtbaren Boden jenes Landes würden alle Arten von Europäischem Getraide, von Pflanzen und Früchten gedeihen, und den Ansiedler mit den Nothwendigkeiten des Lebens, bald aber auch mit allem was zum Überfluß gehört, versehen. Ein Sommer, wie in England, dessen Hitze nie beschwerlich fällt, und ein Winter, wie in Spaniens gemäßigten Provinzen, der eigentlich kein Winter ist, machen das dortige Klima zum angenehmsten Aufenthalt. Für den weit um sich greifenden Handel, der getrennte Welttheile verbindet, kann keine Lage vortheilhafter seyn als diese, welche zwischen Afrika, Indien und Amerika die Mitte hält. Man denke sich in Neuseeland einen Staat mit Englands glücklicher Verfassung, und es wird die Königinn der südlichen Welt.
Der März war schon verflossen, der Winter des antarktischen Himmels nahte mit seinen Stürmen heran, und noch berathschlagte man, ob der Rückweg nach England über Ostindien, oder durch das große Südmeer, und um Cap Hörn gehen sollte? Cooks Wünsche neigten sich auf diese letzte Seite; allein sein gebrechliches Fahrzeug gab zum zweytenmale den Ausschlag wider ihn, und sein Verlangen, jezt ein für allemal die Frage vom Daseyn eines Südlandes zu entscheiden, mußte der Vorsorge für die Sicherheit und Erhaltung der ihm anvertrauten Mannschaft weichen. Vielleicht – so kurzsichtig sind der Menschen Entwürfe! – vielleicht wäre indessen die Fahrt durch das Südmeer mit Hülfe günstiger Westwinde kürzer und sicherer gewesen, als die andre, die man an ihrer Stelle wählte; vielleicht hätte Cook alsdann alle seine Reisegefährten gesund nach Europa zurückgebracht, anstatt daß auf dem Wege, der ihnen weniger gefährlich schien, die verpestete Luft von Batavia den vierten Theil der ganzen Reisegesellschaft hinwegrafte! Allein der unermüdete Seemann sollte noch die ganze Ostküste von Neuholland entdecken. Dieses Land, welches man entweder die größte Insel, oder ein drittes Continent nennen kann, ward an der Westseite zuerst im Jahr 1616 entdeckt. Von dieser Zeit an befuhr man nach und nach immer mehr davon, bis Tasman, wie ich schon vorhin erwähnte, die südliche Spitze im Jahr 1642 zu sehen bekam. Indeß verursachte die niedrige Lage jener Küste, daß man sich ihr nicht dreist zu nahen wagte, und daß also blos ihr ungefährer Umriß bekannt werden konnte. Die Seite gegen das stille Meer oder gegen Morgen hin, hatte noch kein Seefahrer berührt, als Cook sie auf einer Strecke von sechshundert Seemeilen befuhr. Sie ist höher als die andere, aber eben so von Untiefen und Klippen, dem bewundernswürdigen Bau gewisser polypenartigen Thierchen, umringt. Ihre kalkigten Wurmgehäuse wachsen am unergründlichen Boden des Meeres fest, und werden, so wie das Thier in den untersten Stämmen abstirbt, zu wahren Felsenmauren von Korall, welche oberwärts immer neue Äste treiben, und sich zuletzt, je näher sie der Oberfläche des Meeres kommen, nach allen Richtungen ausbreiten. Solche Korallenmauern sind es, an denen die hohe Woge des vom beständigen Ost-Passatwind erregten Meeres sich schäumend brandet, und die der Seemann Riefe nennt. Oft erstrecken sie sich rund um Inseln her; oft ziehen sie sich mehrere hundert Meilen, wie hier bey Neuholland, in paralleler Richtung mit den Küsten; oft stehen auch mehrere dergleichen Riefe hintereinander. Zwischen ihnen und dem Lande ist ein ruhiges Meer; denn die hereinrollende See bricht sich an der Schutzmauer, die ein Wurm ihrem Ungestüm entgegen zu setzen vermochte, und fließt entkräftet über sie hin, oder kömmt durch enge Brüche und Öfnungen hinein, welche zugleich den Schiffen zur Ein- und Ausfahrt dienen. Allein in diesem gleichsam abgedämmten Zwischenraume häuft sich der Sand, den die Fluth zwar hinein, doch nicht die Ebbe wieder hinweg spülen kann, zu großen Sandbänken und Untiefen, welche der Schiffarth neue Hindernisse und Gefahren bereiten. Kommt nun noch der Umstand dazu, daß anstatt eines zusammenhängenden Riefs nur eine Menge kleiner zerstreuter Wurmrepubliken ihren Zellenbau führen, wovon der eine mehr, der andere weniger gediehen ist; so geht das Schreckliche einer solchen Meeresgegend über alle Beschreibung. Die Wachsamkeit des Seemannes vermag fast nichts gegen jene plötzlichen Abwechselungen der Tiefe, die er zitternd durch das Senkbley erfährt. Bald ergründet er sie nicht mit mehr als hundert Klaftern; bald schwebt er über Korallenzinken hin, die wie Thürme und Ruinen ihre schroffen Spitzen in die Höhe strecken, und beynahe den Boden seines Schifs berühren. Mit Angst und Entsetzen sucht er einen Ausweg, durch den er wieder in die offene See gelangen, und sich von furchtbaren Syrten entfernen könne, wo ihn der Tod in tausend Gestalten umringt. Nicht also Cook, der Entdecker! Fünf Monate lang blieb er an dieser Küste, folgte allen ihren Krümmungen, nahm ihre Häfen und Bayen auf, bestimmte die Lage vieler hundert Untiefen und Klippen, und verließ sie nicht eher, als bis er sie vom acht und dreyßigsten bis zum zehnten Grade südlicher Breite durchaus entdeckt, und endlich zwischen ihrer Nordspitze und den Inseln von Neuguinea die Durchfahrt gefunden hatte, welche von seinem Schiffe, den Namen Endeavourstraße erhielt. Fast sollte man auf den Gedanken gerathen, daß auch der verwegenste Schwung einer romanhaften Einbildungskraft noch nicht an die wirklichen Thaten reicht, die hier dem hartnäckigen Ausharren, der unerreichbaren Kunst, und vor allem, dem Innern edlen Antrieb einer brennenden Ruhmbegierde möglich waren. Man muß die Geschichte dieser Fahrt selbst lesen, wenn man sich von den Schwierigkeiten, die Cook hier überwand, den Gefahren die ihm drohten, und dem standhaften Muth, womit er sich, das Senkbley in der Hand, zwischen den Felsenwänden und Ketten und Klippen