Untertriebener Wahnsinn - Emmanuel Zeca - E-Book

Untertriebener Wahnsinn E-Book

Emmanuel Zeca

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  • Herausgeber: NEPA
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Antonios luxuriöses Leben neigt sich dem Ende zu – so hat er sich das zumindest vorgestellt. Er setzt einen Auftragskiller auf sich selbst an und wartet nur darauf, dass dieser zuschlägt. Doch plötzlich tritt eine faszinierende Frau in sein Leben und Antonios Gemüt vollzieht einen radikalen Wandel. Er ist plötzlich beseelt davon weiter zu leben, doch so einfach wird er den todbringenden Verfolger nicht mehr los. Begleiten sie den Protagonisten auf seiner Flucht durch die Welt, bei der ihm der Häscher stets auf den Fersen ist. Entdecken Sie dabei pittoreske Landschaften sowie pulsierende Städte und tauchen Sie ein in ein ausschweifendes Leben mit opulenten Diners und viel Champagner. Emmanuel Zecas neuer Roman dringt diesmal noch tiefer in die manisch-depressive Krankheit ein, an der der Protagonist des Buches sowie auch er selbst leidet. Die manische Episode steht im Vordergrund des Romans und die Facetten dieser Phase durchleuchtet der Autor anschaulich und gewährt sehr profunde Einblicke in die bipolare Störung.

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Seitenzahl: 388

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Emmanuel Zeca

Untertriebener Wahnsinn

-Einmal um die ganze Welt-

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www.nepa-verlag.de

Untertriebener Wahnsinn

Einmal um die ganze Welt

von Emmanuel Zeca

Originalausgabe 2016

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk darf – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

© 2016 NEPA Verlag, Frauensee

Umschlagbild © Emmanuel Zeca

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

ISBN: 978-3-946814-05-4

Untertriebener Wahnsinn

Cover

Titel

Impressum

Das Ende vom Anfang

Von einem Extrem ins andere

Turbulente Tage in Berlin

Dolce Vita & Tante Ceccarelli

Gestrandet am Perlfluss

Ein teurer Tag in Macau

It’s complicated in Hong Kong

Harmonie im Reich der Mitte

Schall und Rauch in Shanghai

Götterdämmerung in Down Under

Zurück im Land der Zukunft

Das Ende vom Anfang

Es war ein Tag im März, ein sehr schrecklicher, denn ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Es musste dringend etwas geschehen. Am besten wäre es, wenn ich auf der Stelle tot umfiele, dachte ich. Alles andere ergab keinen Sinn mehr. Was sollte es denn noch anderes geben in meinem Leben? Jeden Tag litt ich vor mich hin, Stunde für Stunde, Minute für Minute und Sekunde für Sekunde.

In diesen Momenten befand ich mich unweit meines Pools auf einer Liege aus braunem Credo-Holz, war umgeben von saftigem Grün im Garten meines Hauses in São Paulo. Ich dachte nur, dass es mir doch gar nicht so schlecht erginge, jedoch war ich noch nie wirklich zufrieden gewesen in meinem Leben, noch nicht einmal für eine kurze Zeit. Besser als manch anderen schien es mir zu ergehen, aber das war nur der schiere Schein. In Wahrheit war ich stark deprimiert von meinem irdischen Dasein und wusste nicht mehr weiter. Ich war nicht glücklich, fühlte mich schwach, sogar erbärmlich. Warum verdiente ich es, diese Zustände alltäglich auszuhalten? Im Grunde genommen hatte ich alles, was man so brauchte, wie zum Beispiel eine schöne Frau, viel Geld, und mitten am Tag konnte ich meine Freizeit in meinem Anwesen verbringen. Doch mir fehlten die Zuneigung, die Liebe und eine Herausforderung. Das alles war nicht mehr greifbar für mich – zu weit weg. Ich starrte in den blauen Himmel, erkannte einige Wolken. Dabei zog ein laues Lüftchen an mir vorbei. Das Leben bereitete mir schlichtweg keine Freude mehr und jegliches Interesse an der Teilnahme daran war mir entschwunden. Es gab keinen Inhalt mehr und von daher musste ich schon sehr bald von der Menschheit scheiden, wollte ich dem Weltschmerz entfliehen.

Zusammen mit meinem kleineren Bruder Sebastião, der zwei Jahre jünger war als ich, war ich stolzer Eigentümer des Kaffee-Imperiums Café Brasileiro Internacional, kurz CBI. Mehrere Plantagen nannten wir unser Eigen. All dies hatten wir von unseren Eltern geerbt. Nicht jedermann konnte über solche Besitztümer verfügen. Das war mir aber egal, denn ich wollte endlich glücklich sein, aber leider war mir dies nicht vergönnt!

Mein Name ist Antônio João Coimbra da Coroa e Ácido, ich war 35 Jahre alt und hatte beschlossen zu sterben. Schon zweimal hatte ich versucht, mir das Leben zu nehmen. Bei beiden Malen scheiterte ich, leider. Zuerst hatte ich eine Überdosis Schlaftabletten in meinem Strandhaus in Riviera de São Lourenço nahe Bertioga genommen. Meine Frau hatte mich kurze Zeit später auf dem Boden gefunden, sofort die Ambulanz verständigt und man hatte mir den Magen auspumpt. Der behandelte Arzt hatte mir gesagt, dass ich fast krepiert wäre, da mein Herz nur noch schwach geschlagen hatte, aber dennoch hatte es weitergeschlagen, es schlug sogar noch immer.

Beim zweiten Versuch hatte ich meine Dodge Viper genommen und war mit Tempo 120km/h gegen eine Hauswand gerast. Doch bedauerlicherweise hatte sich der Airbag geöffnet und ich war bis auf einen kleinen Schock, welcher der Ursache geschuldet war, dass ich noch am Leben war, unversehrt geblieben. Der fast fast neue Wagen hatte einen Totalschaden erlitten und ich hatte fast eine Million Reais abschreiben können. Hätte ich mein Motorrad genommen, wäre ich bestimmt gestorben und hätte damit weit weniger Schaden angerichtet.

Dieses Mal sollte es nun alles professioneller über die Bühne gehen, denn überleben wollte ich ab sofort keinen Versuch mehr. Einen Auftragsmörder würde ich nun auf mich ansetzen, der es hoffentlich fertig brächte, mich ohne Hindernisse ins Jenseits zu befördern. Das war mir eine Million US-Dollar wert, denn mein sehnlichster Wunsch war es, die Radieschen von unten zu betrachten.

Meinem Bruder, dem ich als Älterer stets unter die Arme gegriffen hatte, sollte mir bei meinem Vorhaben helfen. Er tat dies, weil er meine Leidensgeschichte kannte und mir die Erlösung wünschte.

Sebastião war in jeglicher Hinsicht anders als ich, ein durch und durch organisierter Geschäftsmann, der sich mit Herzblut um die Firma kümmerte. Im Gegensatz dazu, lebte ich sehr Laisser-faire und widmete mich eher der Repräsentanz als dem Tagesgeschäft. Dennoch waren wir uns einig, bildeten ein starkes Team und der eine konnte dem anderen vertrauen. Er war noch unverheiratet, hatte bisher auch wie ich noch keine Kinder.

Unsere Eltern waren aufgrund eines Flugzeugabsturzes gestorben. Die Ursache war bis heute ungeklärt und nach diesem schrecklichen Ereignis hatten sich unsere Verwandten, zu denen wir heute keinen Kontakt mehr pflegten, um uns gekümmert. Mein Bruder und ich waren durch den Tod unserer Eltern gekennzeichnet. Wir sprachen niemals über das Geschehene, verdrängten es eher. Bei mir entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren eine bipolare Störung, weshalb ich oft an den Tod und ans Sterben dachte. Die Existenz auf Erden erschien mir an manchen Tagen zu viel und nicht mehr erstrebenswert.

Nun zum Killer: Sein Erscheinen würde der letzte große Kitzel meines Lebens werden, denn ich wusste nichts von ihm, weder wie er aussah, noch wie er sich kleidete. Es könnte sein, dass er mich morgen bei einer Aktivität im Freien ermorden würde. Kurz und schmerzlos, so wünschte ich es mir. Dieser Gedanke, so banal er klang, erschien mir eine Befreiung zu sein, da ich endlich von meinen Qualen erlöst werden würde. Zu Staub würde ich verfallen, und genauso wie ich in diese trostlose Welt hineingeboren wurde, würde ich sie wieder verlassen. Innerhalb von zwei Tagen würde mein Häscher seine Aufgabe erledigt haben.

Meine Frau, ihr Name war Leonor, hatte heute Morgen ein Flugzeug nach Rio genommen, um ihre Verwandtschaft zu besuchen. Ihr hatte ich bisweilen keine Auskunft über meine neuerlichen Todesabsichten gegeben, doch sie wusste von meinen zweifelhaften letalen Tendenzen und würde meinen Tod wohl verschmerzen können. Zum einen, weil unsere Liebe nach fünf Jahren der Ehe erloschen sowie immer noch kinderlos war, und zum anderen, weil sie mit dem Erbe der Hälfte des Kaffee-Imperiums und meines Geldvermögens ihr Luxusleben weiterführen konnte. Ihre Gefühle für mich waren abgekühlt und wenn es nicht so wäre, so wäre mir dies auch egal.

Kennengelernt hatten wir uns vor etwa sechs Jahren auf einer Geburtstagsfeier von einem gemeinsamen Freund meines Bruders und mir, den wir allerdings nur mochten, da er gute Geschäftsbeziehungen hatte, die wir nach wie vor sehr schätzten. Leonor war seine Cousine und so lernte ich sie und auch zeitgleich ihre neureichen Eltern kennen, welche zuvor in kurzer Zeit zu schnellem Reichtum gekommen waren. Dadurch hatten sie ihrer Tochter eine gute Ausbildung ermöglicht, sie sogar ins Ausland auf eine renommierte Universität geschickt, aber sie selbst blieben kleinbürgerlich und proletarisch trotz ihres enormen Reichtums.

Anfangs hatte mich an Leonor ihre freche und kindliche Art sowie ihre langen, pechschwarzen Haare fasziniert. Doch nach einem turbulenten und romantischen Beginn inklusive einer Traumhochzeit vor über 1000 geladenen Gästen, hatte sich unsere Ehe immer mehr abgekühlt und wir hatten die letzten Jahre nurmehr nebeneinander vorbei gelebt.

Der eigentliche Grund der Hochzeit war freilich ein anderer gewesen, denn ihr Vater Everaldo Sampaio war damals bereits altersschwach gewesen und hatte seine Firma nicht mehr alleine leiten können. Da Leonor jedoch über keinerlei geschäftliches Geschick verfügte, hatte er mir angeboten, bei einer Hochzeit mit ihr sein Geschäft übernehmen zu können. Da wir, die Gebrüder Coimbra, damals gerade auf Expansionskurs waren, hatte sich sein Vorschlag exzellent angehört. Mein Bruder hatte mich geradezu genötigt, sie zu heiraten. Das tat ich danach auch und unser Imperium hatte sich damit im Handumdrehen fast verdoppelt. Meinem Leben und meinem Gemüt hatte ich mit der nicht sehr scharfsinnigen Frau im Nachhinein keinen Gefallen getan. An meinem Zustand konnte man das momentan sehr gut erkennen.

Egoistisch musste ich sein, um auch nicht noch den dritten Versuch zu Sterben scheitern zu lassen. Aber diesmal blieb mir einfacherweise die passive Rolle, ich musste des Weiteren gar nichts tun. Bei dem Gedanken daran wurde mir ganz warm ums Herz, denn ich sah diesen Schritt als Erlösung an, gar als einzige Möglichkeit, der Tortur auf Erden zu entkommen. Ich wäre tot und das wäre gut so.

Die letzten Tage wollte ich noch einmal so leben, wie es sich gehörte. Reichlich Geld in einem gehobenen Restaurant verprassen und dabei auf dem Höhepunkt der Kulinarik, wie etwa beim Verzehr von Wagyū-Rind oder einem Glas Champagner gerne auch tragisch sterben! So könnte es sein und so würde es kommen, da war ich mir ganz sicher, obwohl ich in den letzten Monaten sehr unter Antriebsschwäche, Müdigkeit und Appetitlosigkeit litt. Seit Wochen war ich nicht mehr unterwegs gewesen, doch für heute hatte ich mir noch einmal viel vorgenommen. Es sollte mein letztes Abendmahl werden und dann würde ich entweder in den Himmel oder in die Hölle kommen.

Ich stand auf, sprang in den Pool und durchzog eine schnelle Bahn. Danach ging ich durch die offene Glastüre ins Wohnzimmer meines Hauses. Dort lief ich an meinen beiden Sofas aus Bisonleder vorbei, welche ich mir vor etwa zehn Jahren auf illegale Weise in den Vereinigten Staaten hatte anfertigen lassen und hielt kurz vor einer Bilderwand inne. Dort hingen Porträts von Leonor und Sebastião, meiner mir noch präsenten Familie. Einen Verlust für mich stellte aber nur er dar, denn von meiner Frau zu gehen, war, wie ich schon beschrieben hatte, eher eine Erlösung.

Ich ging nach oben, duschte mich und holte aus meinem Schlafzimmer folgende Klamotten: Eine graue Hose aus feinem Leinenstoff sowie ein Hemd mit einem Paisley-Muster von Barabas. Sportliche Loafer von Osklen passten perfekt zu meinem legeren Outfit. Als Duft legte ich das morbid wirkende Black Orchid von Tom Ford auf und meinen Ehering ließ ich ausnahmsweise daheim, da ich ihn ohnehin nicht mehr brauchen würde. Dabei fragte ich mich, warum ich ihn nicht schon vorher abgelegt hatte.

Nobel wollte ich zugrunde gehen und zum Abschied noch einmal leise Servus sagen. In meiner Garage standen, nachdem ich meine Viper leider verschrottet hatte, noch der gepanzerte Audi Q7, das BMW-Cabrio meiner Frau sowie eine E-Klasse von Mercedes Benz und eine Ducati Supersport 900. Ich nahm die schwäbische Limousine und fuhr von meinem Wohnhaus im Stadtteil Jardim America ins benachbarte Jardins. Dort gefiel es mir von jeher viel besser, denn hier gab es im Gegensatz zu meinem Viertel viele Restaurants, Bars und Geschäfte. Mit dem Auto waren es auch nur fünf Minuten bis dorthin.

Vor dem Restaurant Z San in der Rua Oscar Freire, welche mit Fug und Recht behaupten kann, die wichtigste Flaniermeile der Stadt zu sein, hier unterhielten viele brasilianische und auch internationale Luxusmarken eine Dependance, übergab ich dem Valet-Sevice meine Schlüssel. Danach ging ins Innere des Sushi-Tempels und hatte für die aufwendige Innengestaltung inklusive einer üppigen Galerie, welche mit vielen Sake-Flaschen und Naturgras dekoriert war, keine Augen. Vielmehr wollte ich die letzten japanischen Köstlichkeiten in meinem Leben zu mir nehmen. Beim Genuss von Hot Philadelphia einen Schuss zwischen die Augen zu bekommen, hätte nach meiner Ansicht schon etwas Außergewöhnliches.

Ich bestellte den teuersten Sake der Karte, denn das Beste war gerade gut genug für mich. Zum Essen wählte ich eine empfohlene Zusammenstellung, welche unter anderem Edomae, Temaki, Uramaki und eben auch Hot Philadelphia beinhaltete.

Von meinem Platz im zweiten Stock konnte ich das ganze Lokal beobachten und bemerkte erstmals die Kacheln, die in blau und weiß schimmerten und vom Boden bis zur Decke angebracht waren. Nach einer leichten Kopfbewegung nach links, sah ich die Straße und das gewaltige Fußvolk beim Ausgeben ihres Geldes. Dieses Leben auf Erden mit seinen begrenzten Merkmalen und Reizen würde schon bald für mich beendet sein. Dennoch gönnte ich dem Pöbel seinen Spaß, auch sie sollten weiterhin Brot und Spiele genießen dürfen.

Im Anschluss an meine Gedankenspiele wurden mir die Köstlichkeiten gereicht und ich nahm sie als wahrlich letztes Tischmahl zu mir. Der Kellner öffnete die Flasche des Gekkeikan Heisei Gannen Jikomi aus dem Jahr 1989 und goss ihn in ein kleines, dafür vorgesehenes Tongefäß. Das Restaurant war nicht komplett gefüllt und die Gäste, die hier waren, ignorierte ich einfach, dabei stellte ich mir gegenwärtig bildlich vor, wie mein Mörder bald kommen und mich erschießen würde. Ich war bereit zu sterben, hatte keine Angst mehr vor dem Tod. Ich kannte nur noch diesen Gedanken und schätzte ihn hoch – ich sehnte den Moment förmlich herbei.

Mit großem Genuss nahm ich jeden Bissen wahr und spülte ihn mit dem vollmundigen Reiswein hinunter. Wenn man depressiv ist, sich bereits zum Sterben entschieden hat, dann löst das in einem eine innerliche Befreiung aus. Dieser Effekt kommt auf, weil man im Begriff ist, all seine Sorgen und Qualen hinter sich zu lassen. Dieses Szenario hatte ich vor einigen Monaten in einem Selbsthilfebuch gelesen, welches mir nicht mehr helfen konnte, doch diese These traf voll und ganz auf mich zu.

Etwas beschwipst von mehr als der Hälfte der Flasche, bezahlte ich und verließ das Restaurant, denn ich wollte noch etwas weiter ziehen. An der Tür stand mein Auto bereit und man wollte mir schon die Schlüssel übergeben, doch ich sagte dem Mann, dass er den Wagen noch einmal einparken sollte. Zu Fuß ging ich die Rua Oscar Freire einige Blocks weiter bis zur Bar de Cima. Das Ambiente betrat ich durch die Tür, dort öffnet mir ein Liftboy den Aufzug und ich fuhr in den zweiten Stock nach oben.

»Uma caipirinha de maracujá«, sagte ich zum Barmann und setzte mich an den Tresen.

Er nickte und fragte mich, ob ich das Getränk mit Wodka oder Cachaça möchte. Normalerweise bevorzugte ich Wodka, da dieser am nächsten Tag weniger Kopfschmerzen bereitete. Aber heute zur Feier des Tages sowie zum Abschluss meines Lebens sollte es noch einmal das Original mit Zuckerrohrschnaps sein. Heute wollte ich es dann noch einmal so richtig krachen lassen. Im Hintergrund lief dezente elektronische Musik, doch ich schenkte ihr nicht viel Beachtung, da ich ausschließlich mit mir selbst beschäftigt war.

Mein steigender Alkoholpegel wurde mir immer bewusster, mein Tod rückte bereits näher. Damit hatte ich mich längst abgefunden, es machte mich sogar ein Stück weit stärker. An ein Leben im Jenseits oder gar eine Reinkarnation hatte ich noch keinen Deut verschwendet, denn es schien mir nichts von beidem wahr zu sein. Mein Gesicht konnte ich in einem Spiegel zwischen zwei Flaschen erkennen, welche an der Wand hinter dem Barkeeper aufgestellt waren. Darin sah ich nicht traurig, sondern eher gelöst aus. Hinter mir an den Tischen waren alle Plätze besetzt. Diese Bar kannte ich nicht, aber ich hatte einmal in einem Stadtmagazin Fotos davon gesehen und deshalb wollte ich auch einmal in meinem Leben hier gewesen sein. Folglich musste dies noch heute geschehen. All meine Versuche, Leonor dazu zu bewegen, hierher zu kommen, waren fehlgeschlagen und so musste ich eben alleine kommen. Es gefiel mir, obwohl ich keinerlei Gesellschaft hatte, sehr gut an diesem Ort.

Mein Getränk wurde mir auf der Edelstahlablage, welche mich vom Personal hinter der Theke trennte, serviert. Ich probierte zunächst die Caipirinha. Da es meine Letzte sein konnte, genoss ich den süßsauren Cocktail wie wohl noch nie zuvor. An der Theke saß ich alleine, bis sich plötzlich zwei Frauen, beide etwa 30 Jahre alt, neben mich auf zwei freie Barhocker setzten. Die beiden sahen recht ansehnlich aus, aber ich wollte doch meine Ruhe haben und mir fried- und freudvoll einen letzten Rausch antrinken, um dann letztendlich ermordet zu werden. Mit genügend Alkohol im Blut würde ich nicht einmal den Einschlag der Kugel spüren. Deshalb ignorierte ich das weibliche Geschlecht.

Ich rührte das Eis und die kleinen Stücke der Passionsfrucht in meinem Getränk umher, dabei merkte ich, dass der Zuckerrohrschnaps in ausreichender Quantität vorhanden war. Der Barkeeper hatte es gut mit mir gemeint.

»Du hast eine schöne Uhr! Das Zifferblatt gefällt mir sehr gut!« Überraschend sprach mich meine Sitznachbarin an.

Nicht im Sinne, dass dies ungewöhnlich für eine Brasilianerin sei. Nein, es überraschte mich dahingehend, weil ich in meinen Gedanken vertieft war und einfach nicht damit gerechnet hatte.

Die beiden Frauen waren dezent gekleidet, hatte beide dunkle lange Haare und ja, sie sahen hübsch aus, soweit ich das aus meiner Perspektive deuten konnte. Ihre Körper waren sehr schlank, durchaus kein Wunder hier in dieser Stadt. Eine Paulistana tat unheimlich viel für ihr Äußeres, vielleicht nicht so viel wie eine Carioca, aber immerhin befanden wir uns in Brasilien.

»Gefällt sie dir? Sie ist von Omega. Daniel Craig trägt die Gleiche in Spectre!« Ich wusste gar nicht, was ich ihr entgegnen sollte, denn ich war total perplex, dass ich plötzlich in ein Gespräch verwickelt war.

»Was bist denn du für ein Angeber? Besser wir reden nicht weiter!« Sie war gereizt und ich verstand erst mal gar nicht, warum sie mir auf diese forsche Weise antwortete.

»Ach so, du meinst die Uhr … Das habe ich nicht so gemeint! Du hast mich gefragt und ich wollte dir nur höflich darauf antworten! Tut mir leid.« Ich schaute mir die beiden genauer an und merkte, dass sie außerordentlich attraktiv waren, aber was sollte ich mit ihnen noch anfangen, denn schließlich wollte ich ja alsbald sterben.

»Schon in Ordnung! Dann also prost!« Sie nahm ihr Glas und hielt es hoch. Ihre Freundin und ich stießen mit ihr an. Die Frauen stellten sich vor, die Wortführerin hieß Simone und die etwas schüchterner wirkende Carolina. Diese hatte bis auf ein leises saúde beim Anstoßen noch nichts weiter gesagt.

Wir kamen jetzt weiter ins Gespräch und ließen uns von einem Kellner einen frei gewordenen Tisch zuweisen, da in der Zwischenzeit glücklicherweise einige Gäste das Lokal verlassen hatten. Ein nettes Gespräch oder auch mehr mit einer der zwei Frauen hätte auch ein schönes Finale meines Lebens darstellen können. Blieb nur noch die Frage, welche der beiden mir besser gefiele.

Stop! Was ging da vor? Ich wollte sterben und an das weibliche Geschlecht hatte ich schon lange aufgehört zu denken, denn schließlich war ich seit fünf Jahren verheiratet und seit Monaten in einer tiefen Depression. Meine Frau hatte ich über all die Jahre die Treue gehalten, doch Simone und Carolina waren interessant, sehr sogar. Alleine von den Äußerlichkeiten, ihrer Größe und ihrem Stil waren beide gleichauf, jedoch fand ich Carolina ein wenig interessanter, da sie liebevoller, weniger aufbrausend wirkte. Zudem funkelten ihre Augen in einem tiefen Azurblau. Als ich nach oben schaute, vernahm ich, dass die komplette Decke verspiegelt war und mein Eindruck bestätigte sich noch einmal, denn für mich war meine Favoritin einfach einen Tick sympathischer oder respektive, sie hatte einfach das gewisse Etwas.

Vorsichtshalber bestellte ich noch eine weitere Runde Caipirinhas für unseren Tisch, denn mir gefiel es mit zunehmender Zeit immer besser mit den beiden. Sie eröffneten mir, dass sie als Anwältinnen für die internationale Großkanzlei Hala Hangaly arbeiteten. Carolina wohnte praktischerweise auch gleich hier um die Ecke in Jardins, während Simone im etwas weiter entfernten Viertel Higienópolis eine Wohnung hatte. Beide wurden hier in São Paulo geboren und betonten, dass sie sich keinen besseren Ort auf der Welt vorstellen konnten, um zu leben.

Simone harkte ein und schlug vor, ins Café Santo Grão zu gehen, welches übrigens von CBI beliefert wurde. Praktisch war außerdem, dass sich daneben das Z San befand und damit auch mein Auto. Zu dritt verließen wir die Bar de Cima und meine Begleiterinnen flankierten mich bis zum nächsten Ziel.

Der freundliche Empfangsherr des Hauses gab uns einen Tisch im Freien, denn es war noch sehr mild zu später Stunde an diesem wundervollen brasilianischen Herbstabend. Das Lokal hatte vorgelagert zu seinem eigentlichen Gastraum, einen überdachten Bereich, der sich draußen befand. Hier fühlte man sich wie inmitten eines Cafés im Pariser Stadtteil Pigalle, zur Vollkommenheit fehlten mir nur noch ein Stück Brie sowie etwas Rotwein, doch dafür hatte ich ja meine neuen Bekanntschaften im Schlepptau. Auf Bistrostühlen saßen wir zusammen und amüsierten uns. Man konnte es kaum glauben, doch ich genoss die fidele Konversation mit den Damen sehr.

Da der morgige Tag ein Samstag war, konnte ich womöglich noch auf längere Gesellschaft mit den beiden Anwältinnen zählen. Ich ließ sie bestellen und sah, dass Simone lediglich ein Wasser orderte, währenddessen Carolina auf Kurs blieb und wie ich auch eine weitere Caipirinha, sie mit Kiwi und ich traditionell mit Limette, bestellte.

Wir unterhielten uns über exotische Länder und ferne Kulturen. Dabei merkte ich, wie ich dieses Thema die ganzen Jahre vernachlässigt hatte. Früher verreiste ich viel und oft, aber in letzter Zeit hatte ich so viel mit mir selbst zu tun. Außerdem war ich derart depressiv, um auch nur an etwas Positives zu denken. Mir wurde nun bewusst, dass ich einmal ein sehr reiseinteressierter und unternehmungslustiger Mensch gewesen war. Ich zuckte zusammen und war begeistert, weil es mich überraschte, dass es noch etwas gab, für das ich mich zu interessieren schien. Abrupt und mitten in der Unterhaltung sagte Simone, dass sie nun gehen müsse, da sie morgen Früh zum Tennisspielen verabredet sei.

Gut, ab jetzt war ich mit meiner Favoritin alleine. Simone verabschiedete sich nun, während Carolina und ich uns weiter über Europa, den alten Kontinent, unterhielten. Sie sprach von Berlin, dort ginge momentan die Post ab, was mir so gar nicht einleuchtete, besser gesagt, ich wusste gar nichts darüber. Für mich waren seit jeher London und Paris die kulturellen und politischen Wirkungsstätten Europas. Von Deutschland kannte ich eigentlich nur Hamburg, München und Frankfurt, und zuletzt genannte Stadt auch nur den Flughafen von einem Zwischenstopp. Als ich noch ein Kind war, besuchte ich Deutschland mit meinem Bruder und meinen Eltern, wohlgemerkt als diese noch gelebt hatten und das war bereits eine Ewigkeit her. Wie dem auch sei, sie wollte unbedingt wieder in die deutsche Hauptstadt reisen und auch mich interessierten ihre Schilderungen. Sie faszinierte mich, stachelte mich mit ihren Erzählungen gleichermaßen an.

Wie sollte ich denn aber dorthin kommen, da ich ja bald nicht mehr leben würde? Es war schlichtweg gar nicht mehr möglich, doch ich hörte ihr weiterhin gespannt zu. Der Gedanke an eine Reise fachte mich an und ließ mich nicht mehr los. Ein gewisses Interesse hatten die zwei Frauen, insbesondere Carolina, wieder in mir geweckt. Moment einmal, was passierte hier? Ich wollte nach Berlin. Ich wollte die Museumsinsel mit all ihren Schätzen erkunden und ich wollte nach Kreuzberg und Friedrichshain in diverse Bars gehen! Das am liebsten mit der Frau, die mir momentan gegenüber saß, doch in Wirklichkeit wollte ich sterben und jetzt passierte so etwas. Fakt war, dass meine Gedanken auf den Kopf gestellt wurden und ich nicht mehr Herr der Lage war.

»Was machen wir jetzt?« Sie wollte wohl einen Ortswechsel oder irgendetwas anderes erwägen.

»Keine Ahnung! Möchtest du weiterziehen? Lass uns doch in die Bar Veloso gehen!« Ich dachte, sie kannte diese Bar nicht, denn sie lag im Viertel Vila Mariana und war zumindest noch ein Geheimtipp für alle, die nicht in ihrer Nähe wohnten. Zumindest war das vor ein paar Monaten noch so gewesen.

»Ach nein, zu weit weg! Möchtest du schwimmen gehen?« Schwimmen, ja schwimmen hatte sie gesagt, doch auch die Bar kannte sie, was ich zuvor nicht für möglich gehalten hatte.

Das musste eine interessante Frau sein, daran hatte ich keine Zweifel mehr.

»Ich weiß nicht so recht. Wo willst du denn schwimmen?« Zu mir wollte ich sie nicht lotsen, denn da würde sie bestimmt bemerken, dass ich verheiratet war und das würde nur böses Blut stiften.

»Na, ich wohne hier nur fünf Minuten entfernt. Meine Wohnanlage hat einen Pool. Kommst du mit?« Sie trat entschlossener als noch zu Anfang auf, damals führte noch Simone das Wort.

»Alles klar. Los geht’s! Ich kaufe mir nur noch schnell eine Badehose!« Nachdem ich gesprochen hatte, verließen wir das Santo Grão.

Nebenan hatte der Laden von Osklen noch geöffnet. Deshalb betrat ich das Geschäft, wählte die erstbeste Bermuda, eine mit weißen Palmen, die auf rotem Grund gedruckt waren und dann ging ich mit meiner Begleitung in die Rua Augusta zu ihrer Bleibe.

Sie zeigte mir den Außenbereich mit dem Schwimmbad und meinte, dass dieser normalerweise um diese Uhrzeit schon geschlossen wäre, aber es würde sowieso niemand kontrollieren. Danach verschwand sie im Innern des Gebäudes, um sich ihre Badeklamotten aus ihrem Apartment zu holen.

Ich ging inzwischen zur öffentlichen Toilette des Pools, zog mir meine neuerworbene Badehose an und wartete auf sie. Was war vorgefallen? Vor zwei Stunden wollte ich noch unter die Erde gebracht werden und augenblicklich lachte mich das Leben von seiner schönsten Seite an. Nein und wieder nein, das konnte ich einfach nicht begreifen. Um nichts in der Welt wollte ich mich blenden lassen und den Verlockungen verfallen, waren sie auch noch so süß, weiter leben zu wollen. Ich hatte beschlossen zu sterben. Schluss, aus, basta! Daran konnte mich auch diese Versuchung nicht hindern, obwohl nicht auszuschließen war, dass heute Nacht etwas zwischen mir und Carolina in der Luft lag. Inbrünstig hoffte ich gar, der Killer würde mich nun auf der Stelle exekutieren.

Anstelle meines Erlösers erschien mir eine charmante Dame, die ich gerade noch verteufelt hatte. Sie kam in einem knallroten Bikini und ihre Figur nahm darin noch ungeahnte, bisher nicht vorstellbare Formen an. Niemals hatte ich sie mir so bezaubernd und attraktiv vorgestellt, denn obwohl sie sehr schlank war, besaß sie zarte weibliche Kurven. Ohne Worte sprang sie in den Pool.

»Komm schon oder hast du Angst vor dem Wasser?« Energisch forderte sie mich auf, ins kühle Nass zu springen.

Es waren bestimmt noch über 25 Grad Außentemperatur und das Wasser kam gerade recht als Abkühlung. Ich machte es ihr mit einem Hechtsprung nach.

»Na los. Fang mich!« Frech gab sie abermals den Ton an.

Keinesfalls konnte ich mich ihr nun erwehren und versuchte, sie im Wasser zu schnappen. Zuerst entkam sie mir noch, jedoch packte ich sie beim zweiten Mal an ihrem rechten Bein. Durch eine ungeahnte Bewegung von ihr, kam sie mir näher und ich berührte sie an ihrer Taille. Wir standen uns jetzt gegenüber und schauten uns dabei tief in die Augen. Dabei funkelten ihre Augen noch weit mehr als in der Bar de Cima als ich sie zum ersten Mal gesehen hatten.

Keine Sekunde zögerte ich mehr und küsste sie. Der Kuss war innig und dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Es fühlte sich großartig an in ihrer Nähe zu sein, was ich trotz meiner traurigen Endzeitstimmung empfinden konnte. Wann hatte ich so ein Gefühl zuletzt erleben dürfen? Das muss Jahre zurückgelegen haben. Wohl noch zu Beginn meiner Ehe mit Leonor gab es solche Momente, aber das war schon lange passé.

Die Zweisamkeit mit Carolina war schön, aber auch bittersüß, denn schon bald würde ich sterben. Wir verließen das Schwimmbad, trockneten uns gegenseitig ab und wie von einer Selbstverständlichkeit getrieben, gingen wir zum Aufzug des Wohnhauses und fuhren in die Etage, in der sich ihre Wohnung, für die ich keine Augen mehr hatte, befand. In ihrem Schlafzimmer liebten wir uns bis zur Erschöpfung und schliefen im Anschluss mehr als zufrieden nebeneinander ein.

Von einem Extrem ins andere

Am Tag darauf war ich, nachdem ich mein Auto vorm Z San abgeholt hatte, wieder zurück in meiner Villa, verweilte dort wie schon gestern an meinem Pool, doch diesmal hatten sich die Vorzeichen gedreht. Ich schaute mich um, sah in mein Umfeld und bemerkte den großen Garten, die schönen Pflanzen und das zweistöckige Haus, das der berühmte Marcio Kogan für mich im Bauhausstil geplant hatte, und all dies kam mir viel wertvoller vor, als noch am Tag zuvor. Warum denn das auf einmal?

Ich erinnerte mich daran, dass ich gestern Nacht noch mit meinem Schicksal gehadert hatte, dass sich mein Leben rapide dem Ende genähert hatte, doch nachdem ich die beiden Frauen, insbesondere Carolina, kennenlernte, vollzog mein Gemüt einen radikalen Wechsel von zu Tode betrübt zu himmelhoch jauchzend hin.

Lag es daran, dass ich die Nacht mit einer fantastischen Frau verbracht hatte? Etwas anderes konnte es nicht sein. Mein Gott, es fühlte sich großartig an, hier auf dieser Welt zu sein, diese Welt, die ich gestern noch verabscheut hatte. Vor allen Dingen war dieses zarte Geschöpf so atemberaubend, dass ich felsenfest behaupten konnte, dass ich mich in sie verliebt hatte. Sie war es, sie war der eigentliche Grund, warum ich wieder leben wollte. Eine innere Wonne, ein Gefühl der Erleichterung, gar der Erlösung, durchzog meinen Körper und ich war so lebensfroh wie seit Monaten nicht mehr.

Da sich die Mittagszeit näherte, verspürte ich ein kleines Hungergefühl! Prompt griff ich zum Handy und als ich im Bilde war, mir gerade bei Maní Manioca ein paar Meeresfrüchte zu bestellen, fiel mir ein, dass ich ja bald ermordet würde. Ja, ich hatte schließlich meinen eigenen Killer engagiert und dieser würde vermutlich jeden Moment zuschlagen. Den Auftrag musste ich auf der Stelle stornieren, doch dafür musste ich zuerst meinen Bruder erreichen, denn dieser hatte den Kontakt zu ihm hergestellt. Nachdem ich seine Nummer gewählt hatte, hörte ich ein Freizeichen und wartete. Ich dachte mir, dass er mich ruckzuck aus dem Dilemma befreien könnte, doch wider Erwarten ging er nicht ran.

Ich ging in mich und hoffte um alles in der Welt, dass das doch nicht wahr sein durfte. Musste ich erst meinen Tod bestellen, um festzustellen, doch noch am Leben teilhaben zu wollen sowie das irdische Dasein so zu lieben, wie es ist? Erneut probierte ich es bei Sebastião, doch er nahm nicht ab. Im Dreieck springen half nichts, also ging ich rasch ins Haus, da ich fürchtete, der Auftragsmörder könnte hinter einem Zaun lauern und jeden Moment abdrücken. Im ersten Stock verbarrikadierte ich mich vorerst im Gang zwischen meinem Schlafzimmer und dem Badezimmer. Darüber hinaus verriegelte ich alle Fenster und Türen. An Resignation oder Vorwürfe mir gegenüber verschwand ich keinen Gedanken, denn Priorität hatte nun, dass ich am Leben bliebe.

Das Essen vernachlässigte ich, da ich zuerst meine tödliche Situation aufklären musste. Mich hielt nichts mehr auf dem braunen Stuhl mit dem beigen Lederbezug, auf dem ich mich gerade gesetzt hatte. Es war zum Verzweifeln, denn ich lief in kurzen Schritten durch die Galerie und konnte nicht mehr innehalten.

Das Telefon klingelte, der Anruf kam von meinem Bruder. Ich sagte ihm, dass er den Killer auf der Stelle abbestellen solle. Er beruhigte mich, versuchte, die Situation zu klären, und schon bald würde er sich wieder bei mir melden. Er gab mir ein Gefühl der Beruhigung und ich schmiedete schon weitere Pläne, was ich am Abend mit meiner Auserwählten unternehmen würde. Das Restaurant Terraço Itália war prädestiniert für ein Rendezvous mit ihr, folglich reservierte ich einen Tisch für zwei, ohne zu wissen, ob ich bis dahin noch am Leben sein würde.

»Hallo Carolina, hier spricht Antônio. Der Abend mit dir gestern war wundervoll! Lass uns doch heute Abend zusammen etwas essen gehen. Ich hole dich um 19.30 Uhr ab. Passt dir das?« Ich wollte Nägel mit Köpfen machen, aber ich wusste noch gar nicht, ob sie wollen würde, doch ich ging einfach halber davon aus.

»Hallo Antônio. Gestern war schön, ja, doch wir kennen uns doch noch gar nicht! Wo warst du denn heute Früh? Und meine Nummer habe ich dir auch nicht gegeben!« Sie zierte sich etwas und stellte sich mir aber als überwindbare Hürde dar, so meine erste Einschätzung.

»Als ich aufwachte, schliefst du noch und natürlich konnte ich dich nicht aus deinen Träumen reißen. Dann habe ich einfach meine Nummer in dein Telefon getippt und mich dann selbst angerufen. Am Morgen musste ich dringend weg, deshalb konnte ich nicht länger bei dir bleiben. Sorry!« Das sollte gereicht haben, um sie zu überzeugen.

»Ich weiß nicht so recht, da ich heute Abend …« Sie versuchte auszuweichen.

»Du meintest doch gestern, dass du heute noch nichts vor hast«, zu ihrem Glück wollte ich sie geradezu zwingen.

»Einverstanden! Klingel einfach bei mir auf dem Telefon, wenn du vor meinem Haus stehst! Wo gehen wir eigentlich hin?« Sie war mir schon erlegen und ich damit an meinem Ziel.

»Schön, wir speisen im Terraço Itália.« Dieses Restaurant gehörte meiner Meinung nach zu den Top drei in São Paulo, ein Mann wie ich war dort Stammgast.

»Toll! Da war ich noch nie. Bis dann. Ich freue mich. Beijos!« Sie wirkte simpel und nahbar, ihr Herz wollte ich fortan ganz und gar erobern.

»Beijos. Tchau!« Mein Leben ergab dank ihr, das heißt, durch ihr gestriges Erscheinen, wieder einen Sinn und ich konnte nichts sehnlicher erwarten, als sie wieder zu sehen.

Zur Not ließe ich mich einfach von meiner Frau scheiden. Auch wenn dieser Schritt teuer werden würde, war es mir ganz egal, denn ich lebte nur einmal und dies vor allem im Hier und Jetzt.

Sebastião hatte sich noch nicht wieder bei mir gemeldet, weshalb ich beschloss einen Koffer mit den wichtigsten Sachen, insbesondere für den heutigen Abend, zu packen. Einen Kulturbeutel, frische Wäsche, einige Klamotten für die nächsten Tage und zur Sicherheit packte ich noch 100.000Dollar aus einer schwarzen Kasse sowie meinen Reisepass mit ein, auch wenn ich ihn nicht wirklich brauchen sollte. Einen Smoking, so vermutete ich, konnte ich auch noch gut gebrauchen, für was auch immer. Hauptsache ich hatte ihn bei mir. Zu guter Letzt legte ich meinen Halfter mitsamt einer Walther PPK dazu. Nicht das ich die Waffe benutzen wollte, jedoch fühlte ich mich damit etwas sicherer als ohne.

Reinaldo, ein guter Bekannter von mir aus dem Polo-Club, befand sich auf einer Reise in den Vereinigten Staaten. Vor ein paar Jahren hatten wir einmal vereinbart, dass wir unsere Schlüssel gegenseitig für alle Fälle aufbewahren wollten und er hatte sicher auch nichts dagegen, wenn ich mich in seinem Haus in der Cidade Jardim aufhielte, jedenfalls nahm ich dies an. Sein Anwesen lag in einem Condomínio fechado, einem abgeriegelten und sehr gut bewachten Bereich innerhalb der Stadt. Ich nahm den Audi Q7 und lenkte den Wagen zu meinem Bekannten.

Die obligatorischen Kontrollen vor dem Gate passierte ich ohne nennenswerte Zwischenfälle und ich stellte den Geländewagen im Anschluss in die Garage. Durch einen internen Zugang gelangte ich diskret ins Wohnhaus. Im Salon, einem palastähnlichen Raum, der vollständig mit Carrara-Marmor ausgelegt war, hing expressionistische Kunst von Kandinsky und Miró an den Wänden. Das Interieur wirkte sehr nobel, sogar noch teurer als bei mir zu Hause. Ich machte es mir auf einem eleganten blauen Ledersofa bequem und schaute mir den Film La Grande Bellezza von Paulo Sorrentino an. Toni Servillo in der Hauptrolle machte es richtig, er genoss sein Leben, vielmehr war er der Dirigent seines Schaffens. Nur er beeinflusste, was geschah und welchen Rhythmus die Dinge in seinem Leben und um ihn herum nahmen.

Der Kühlschrank in der Küche war prallvoll, weshalb ich es vorzog, mein Mittagessen ein wenig kärglicher zu gestalten und ich gab nun keine Bestellung mehr bei Maní Manioca auf. Auf einem Tablett platzierte ich etwas Butter, französisches Weißbrot und schließlich eine 250-Gramm-Dose mit Beluga-Kaviar. Alkohol wollte ich zu so früher Stunde noch nicht zu mir nehmen, ich goss mir deshalb Mineralwasser von den Fidschi-Inseln in ein Glas.

Zurück auf der Couch, schaute ich mir weiter den Film an und labte mich mit einem vornehmen Perlmuttlöffel am Kaviar. Edel und nussig schmeckte mir dieser, dabei fiel mir wieder ein, dass ich schon seit mehreren Jahren keinen mehr gegessen hatte. Welch eine Zeitverschwendung, erneut erinnerte mich daran, in der Gegenwart zu leben und niemals mehr etwas in der Zukunft aufzuschieben. Kaviar ist eines dieser Dinge, von denen man nie genug bekommen konnte. Mein Telefon klingelte und hastig griff ich danach, weil ich meinen Bruder vermutete.

»Hier spricht Sebastião, die Sache ist folgende: Der Vermittler kann den Auftrag nicht mehr zurücknehmen, denn die Million ist auf einem Treuhandkonto gelandet und somit eingefroren. Das ist so gestaltet, damit der Killer erst sein Geld bekommt, wenn du tot bist. Was ist denn mit dir los? Gestern wolltest du noch sterben und auf einmal nicht mehr? Ich finde das natürlich toll, aber ich habe dir anfangs auch gesagt, dass du nur eine schlechte Phase durchmachst und dass es dir bald wieder besser gehen würde. Doch du hast mir damals nicht geglaubt!« Er sprach mir tief ins Gewissen.

»Du hast recht, doch was mache ich jetzt bloß? Ich habe gestern eine Frau kennengelernt und dann lief alles seinen normalen Gang. Sie muss der Grund dafür sein. Keine Sorge, ich bin bewaffnet und zögere keine Sekunde, meine Waffe einzusetzen. Doch was passiert, wenn er mich zuvor tötet?« Es war mir herausgerutscht.

Niemals hätte ich sagen sollen, dass ich meine Frau betrogen hatte. Auch wenn sich Leonor und er nie gut vertragen hatten, doch ich hätte es vermeiden sollen, weil er schließlich mein Bruder ist und sie doch manchmal zu sehen bekommt.

»Du hast was? Du bist verheiratet. Mensch, lass das! Das ist Idiotie«, er versuchte, mir gar ein schlechtes Gewissen einzureden, und fuhr danach fort, »Mach dir keine Sorgen! Falls du den Killer tötest, dann passiert gar nichts weiter. Die Brüder Coimbra da Coroa e Ácido sind einflussreich und bisher haben wir noch jeden Politiker und Richter bestochen. Das würden wir auch diesmal wieder so machen. Wo bist du und wo gehst du heute noch hin? Und wegen diesem Mädchen werde ich deiner Frau natürlich nichts sagen. Ehrenwort!« Auf meinen Bruder war Verlass, er stand mit geschwellter Brust hinter mir.

»Ich bin bei einem Bekannten, bei Reinaldo in der Cidade Jardim, und heute Abend gehe ich mit der jungen Dame, sie heißt übrigens Carolina, in den Terraço Itália. Außerdem bin ich immer mit dem gepanzerten Q7 unterwegs. Du siehst, ich habe alles im Griff. Jedoch muss ich mir überlegen, ins Ausland zu gehen, um vorerst aus der Schusslinie zu kommen!« Meine Gedanken musste ich ordnen, denn es war wichtig, die Dinge im Voraus zu planen und er würde mir dabei helfen können.

»Das Ausland ist momentan die einzige Möglichkeit für dich. Jedoch solltest du bedenken, dass es kein Zeitlimit gibt, denn das Konto bleibt aktiv, solange du lebst. Erst wenn du gestorben bist, wird es freigeschaltet und der Killer bekommt sein Geld. Er hätte demnach viel Zeit und solange er nicht tot ist, wirst du keine Ruhe vor ihm haben« Harte, aber wahre Worte von Sebastião.

»Ich verstehe und werde es beherzigen. Danke für alles.« Ich musste etwas tun, denn mit den wahren Modalitäten hatte ich mich vorher nicht wirklich befasst.

»Ich halte immer zu dir. Pass auf dich auf!« Er gab sich ausgesprochen loyal und ich war mir seiner Hilfe sicher.

Mein Leben musste weitergehen, jedoch musste ich in Erwägung ziehen, schon bald unterzutauchen. Aber wohin? Hier wollte und konnte ich nicht bleiben, da Reinaldo schon übermorgen wieder zurückkommen würde. Das Ausland war eine Möglichkeit, doch wollte ich dies nicht wagen, da ich womöglich Carolina aus den Augen verlieren würde, ausgenommen sie würde mitkommen.

Die Situation war verhext und ich musste überlegen, wohin mein Weg führen würde. Mein Gehirn machte sich selbstständig und es gab nur eine Antwort: Angst durfte ich keine haben und zur Not würde ich den Auftragsmörder einfach erschießen. Er durfte mich bloß nicht vorher töten, aber das würde er nicht schaffen, da ich schließlich ein waschechter Coimbra da Coroa e Ácido war. Augen zu und durch war fortan mein Motto.

Der Abend war bereits angebrochen und ich nahm eine obligatorische 30minütige Dusche. Infolgedessen kleidete ich mich festlicher als gewöhnlich. Für heute musste meine Garderobe etwas mehr hermachen, denn ich traf die Frau meiner neuerlichen Begierde. Sie hatte mich verzaubert und ich wollte bei ihr alles richtig machen. Deshalb wählte ich aus meiner Garderobe, die ich mitgebracht hatte, ein blütenweißes Hemd, eine feine dunkelblaue Chino aus italienischer Fabrikation sowie schwarze Schnürschuhe im Budapester-Stil. Schließlich stülpte ich mir einen schwarzen Blazer von Reinaldo um, denn ich wollte meine mitgeführte Waffe, die am Abend tragen würde, nicht unnötig zur Schau stellen. Den Smoking schon heute zu tragen, hielt ich für ein wenig zu abgehoben.

Zur Einstimmung des Abends gönnte ich mir einen Schluck des Château Lafite-Rothschild aus dem Jahr 2010, welcher bei Parker 98 von 100 Punkte erzielt hatte, so das Etikett der Flasche. Mein Gastgeber hatte noch teurere Weine in seinem Portfolio als ich in meinem Haus, ich gab mich mit dem Château noch demütig.

Unaufgeregt der ganzen Umstände wegen, machte ich mich auf den Weg nach Jardins, um Carolina für unser gemeinsames Dinner abzuholen. Warum auch sollte ich Angst haben, denn erstens fuhr ich einen gepanzerten Wagen und zweitens hatte ich meine Walter PPK aus deutscher Fertigung bei mir. Ich würde sagen, dass ich für die Nacht bestens ausgestattet war.

Über die Anlage des Autos hallte das Lied Lindo balão azul aus der brasilianischen Kindersendung Balão Mágico aus den achtziger Jahren. In dieser Zeit hatte ich noch eine richtige Familie, es war die Zeit, bevor meine Eltern starben. Nicht im Geringsten wurde ich sentimental deswegen, nein, ich schaute in die Zukunft und hatte enorme Kraft und viel Selbstvertrauen.

Bevor ich am Wohnhaus meiner Angebeteten ankam, hatte ich ihr über eine Sprachnachricht bereits Bescheid gegeben. Ich schaute mich um, ob ich jemanden erkennen konnte, der es auf mich abgesehen hatte, aber logischerweise war niemand zu sehen, den ich hätte verdächtigen können. Sie schritt aus der Pforte und sah großartig aus: Sie trug ein kurzes gestricktes Cocktailkleid in blau und weiß, es konnte von Missoni stammen, Schuhe mit hohem Absatz und ein rotes Haarband.

»Oi Antônio, tudo bom?« Sie stieg ins Auto und begrüßte mich mit einem Kuss auf den Mund, ein erstes gutes Zeichen.

»Olá Carolina, tudo ótimo comigo. E você?« Ich erwiderte ihren Gruß und erkundigte mich nach ihrem Wohlergehen.

»Tudo bem. Vamos!« Ihr ging es auch gut und sie zeigte sich einsatzbereit für den Abend.

Wir fuhren in Richtung Stadtzentrum von São Paulo, welches sich nur wenige Kilometer von hier entfernt befand.

»Tolles Lied. Das erinnert mich an meine Kindheit. Ich habe dieses Programm immer mit meinen Freundinnen geschaut.« Sie gab mir die Gewissheit, dass wir vom Alter her nicht weit auseinander lagen, da dieses Programm nur für ein paar Jahre lief.

Mittlerweile waren wir schon wieder bei einem anderen Thema gelandet, und zwar der politischen Situation Brasiliens, was wir aber nicht weiter vertieften, weil es schlichtweg keine Lösung für dieses Dilemma gab. Der Verkehr lief so gut, sodass wir es zügig bis zu unserem Ziel schafften. Am Eingang gab ich dem Empfangsmann den Schlüssel des Wagens und wir gingen zum Edifício Itália, in dessen obersten Stockwerk das elegante Panorama-Restaurant untergebracht war.

Den Aufzug wechselten wir auf halber Höhe, im zweiten waren wir dann alleine und sie kam ungenierte auf mich zu, küsste mich dann so intensiv, dass mir die 168 Meter bis zum letzten Stockwerk fast der Atem stockte. Bestimmt hatte sie meine Waffe bemerkt, doch dieser Umstand schien sie keineswegs zu stören.

Eine feurige Frau hatte ich mir geangelt, beziehungsweise hatte ich dies noch vor mir, aber einen Zweifel daran hatte ich nicht mehr. Ich hatte Lust auf mehr mit ihr, meinen Appetit auf das Essen konnte ich noch zügeln, aber bei ihr hatte ich keine Geduld mehr. Im Spiegel des Lifts wischte ich mir vor dem Aussteigen mit meinen Händen noch vorsorglich ihren roten Lippenstift aus dem Gesicht.

Der garçom brachte uns an einen Tisch am Fenster mit Blick auf das nächtliche und mit Lichtern übersäte São Paulo. Die Stadt kann man von hier am besten überblicken. Da dieser Betondschungel keine wirkliche Schönheit ist und einem hart aufs Gemüt schlagen kann, musste ich dennoch ich sagen, dass ich hier oben sehr von ihm sehr angetan war, was aber womöglich mehr an der schönen Frau am anderen Ende des Tisches als an der Stadt selbst lag.

Das Ambiente im Restaurant war stilvoll und dezent gestaltet, die Sitzmöbel wirkten elegant und auch das Personal würde ich als sehr zuvorkommend beschreiben. Das Beste war, dass unser Tisch direkt an einer Glasfront endete und wir somit einen tollen Ausblick vor uns hatten. Das wellenförmige Copan, welches von Oscar Niemeyer geplant wurde, lag uns zu Füßen.

»Ich war noch nie hier! Das ist ja umwerfend!« Sie war begeistert von meiner Wahl.

Da es ein sehr teures Restaurant war, konnte sich nicht jeder diesen Luxus leisten, doch ich gehörte selbstverständlich zu denjenigen, die dazu in der Lage waren, was noch ein kleiner Fingerzeig auf Carolina war, welche sich schließlich nicht ganz in meiner sozialen Klasse befand, aber sich durchaus aufstrebend zeigte.

»Dann freut es mich, dass du nun diesen Blick genießen kannst!« Dies sagte ich ohne jegliche Arroganz, denn ich mochte sie wirklich und würde gar ernsthaft von einer ersten kruden Verliebtheit meinerseits sprechen.

Wir sahen uns tief in die Augen und unterhielten uns über jene Dinge, die uns gestern schon begeistert hatten. Es machte Spaß ihr zuzuhören, denn sie hatte in den letzten Jahren viel von der Welt gesehen, ganz in Gegensatz zu mir. Ich hatte mich in dieser Zeit ausschließlich meiner Depression gewidmet.

Es war aufregend mit ihr zusammen zu sein, denn die Transformation, welche ich seit gestern durchmachte, entstand erst, seit Carolina in mein Leben eingetreten war. Binnen Momenten, vielleicht sogar Sekunden war ich von einer starken Depression in eine absolute Hochstimmung gelangt, von der ich mit nicht allzu schnell verabschieden wollte.

Daneben hatte sie mir eröffnet, dass sie die nächsten drei Wochen Urlaub hatte, aber nur für die letzte Woche hatte sie etwas geplant, dann wollte sie mit Simone und einer anderen Freundin an einen Strand im hiesigen Bundesstaat fahren.

Über das Essen am Abend gab es nicht all zu viel zu sagen. Wir dinierten eine Platte bestehend aus Languste und anderen Meeresfrüchten mit Pasta in Champagner-Schaum und zum Nachtisch gab es florentinische Schokoladentorte. Jene Toskana, eine große Kulturlandschaft, die ich auch noch irgendwann besuchen musste. Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Zum Dinner tranken wir einen fränkischen Silvaner-Eiswein welcher dank seiner Edelsüße eine solide Ergänzung zu einer wahrhaft gelungenen kulinarischen Kombination darstellte.

Es war Zeit zu gehen, doch ich musste vorsichtig sein, da sich mein Killer womöglich in der Dunkelheit der Stadt aufhielt und mir auflauerte. Wir nahmen den Aufzug nach unten und gelangten ohne weitere Zwischenfälle zum Auto. Schließlich stiegen wir ein und legten die Gurte um.

»Wohin nun? Die Nacht ist noch jung und wir sollten überlegen, wo wir noch hingehen?« Ich fragte deshalb, weil ich mir sicher war, dass sie noch etwas unternehmen wollte, denn ihre Blicke und ihre mir gegenüber offene Art zeigten mir dies eindrucksvoll.

»Los ins Veloso! Da wolltest du doch gestern schon hin«, sie schnaufte dabei, »es ist mir fast peinlich, aber ich muss dir sagen, dass ich dich sehr mag und ich meine das wirklich so! Oh je, ist mir das unangenehm!«