Walpar Tonnraffir und die Ursuppe mit extra Chili - Uwe Post - E-Book

Walpar Tonnraffir und die Ursuppe mit extra Chili E-Book

Uwe Post

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Beschreibung

Walpar Tonnraffir hilft einem Außerirdischen namens Hatsu Chili gegen die ominösen  Veranstalter, die von dem Jungen verlangen, dass er sich als pulverisiertes Genmaterial der Ursuppe eines jungfräulichen Planeten hinzufügt. Dabei stößt Walpar in ein kreischbuntes, von schrägen Vögeln bevölkertes Universum vor, das noch nie zuvor ein Mensch betreten hat. Oder vielleicht doch?

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Uwe Post

Walpar Tonnraffir und die Ursuppe mit extra Chili

Roman

Walpar Tonnraffir und die Ursuppe mit extra Chili

© 2016-2024 Uwe Post

Ein Walpar-Tonnraffir-ZischZitro-Roman, unterstützt durch Produktplatzierungen.

Widmung:

Hier hätte Ihre Werbung stehen können!

Prolog

In einer bisher unentdeckten Grabkammer im Tal der Könige, Vernünftiges Neupharaonentum Ägypten,Erde. Kurz nach dem Frühstück.

Jemand hat Geruchsprojektoren aufgestellt, damit es nicht so nach Schimmel riecht. Trotzdem hängt die Anmutung von Verwesung in der Luft, und bisweilen prüfen die Anwesenden mit verstohlenem Blick, ob nicht doch ein Skelett mit Sense hinter ihnen steht. Endlich flüstert jemand »Ich glaube, alle sind da«, was allgemeine Erleichterung auslöst, zumal »und sonst keiner« angefügt wird.

Ein feister Mann, dem Gesicht nach ein Japano-Marsianer, räuspert sich. »In Sachen Mars-Erde-Transaktionsabkommen META, Verhandlungsrunde, sagen wir: 324a, willkommen.«

Ihm gegenüber am Klapptisch sitzt die schlanke Unterhändlerin von der Erde. Das Amulett an ihrer Halskette projiziert den Namen »Frau X. Bluse« auf die Tischplatte. Sie trägt graue Stöckelschuhe und einen schwarzen Hosenanzug. Ihr Gesichtsausdruck deutet auf teure 3D-Schminke hin. Sie atmet flach und sagt ohne nennenswerte Lippenbewegung: »Sagen Sie mir einfach Ihren Preis.«

»Für den Anfang … der Geheimcode.«

»Geheimcode?«

Der Marsianer nickt. »Für das Zahlenschloss an Ihrer eisernen Unterwäsche.«

Die Frau scheint kurz zu überlegen. »2 Millionen.«

»Das ist aber ein seltsamer Zahlencode.«

»In bar.«

»Ich dachte eher an eine … weichere Entlohnung für meine Zustimmung.«

Die Frau wird rot und sagt nichts. Die beiden stellvertretenden Obersekretäre, die hinter ihr stehen, scheinen dringend aufs Klo zu müssen. Oder sie verkneifen sich einen Lachanfall, schwer zu sagen.

»Alternativ ein paar nette Aktienpakete.« Der marsianische Politiker verjagt eine Fliege. »Und Vorstandsposten für mich und meinen Bruder.« Er zeigt auf seinen vergleichsweise schmalen Begleiter, der hinter ihm im Stehen schläft.

»Ach so?«

»Und für meinen Vetter Partoke und für meinen Onkel Halver-Brief. Der ist zwar ein todkranker Tattergreis und trägt Windeln, aber das ist sicher kein Problem für Sie.«

»Wohl kaum.« Frau Bluse starrt die Fliege an, die mittlerweile auf dem Tisch gelandet ist. Sie scheint ihre Chancen abzuschätzen: Wäre sie schnell genug, die Fliege zu erschlagen? Wäre sie schnell genug, um vor dem Marsianer aus der Grabanlage zu fliehen, und den Zugang mit ein paar Steinquadern zu verschließen, bevor der Kerl seinen dicken Hintern durch das verzweigte Labyrinth manövriert hat?

»Außerdem möchten wir noch ein paar neue Paragraphen hinzufügen«, sagt der Marsianer und schnippte mit den Fingern. Sein Sekretär vollführt eine Handbewegung, woraufhin klitzekleine Buchstaben von der Decke rieseln wie die Closing Titles eines Films, für dessen Verwirklichung ein paar Zehntausend Nerds je einen Dollar gespendet haben.

»Das kann ich so schnell nicht lesen«, sagt Frau Bluse.

Der Marsianer wischt den Einwand und ein paar zigtausend Buchstaben zur Seite. »Nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssten. Nur ein paar juristische Details für den Fall, dass jemand Geschäfte mit Außerirdischen machen möchte.«

»Witzig«, sagt Frau Bluse. »Abgelehnt.«

»Kommen Sie«, sagt der Marsianer, während die letzten projizierten Buchstaben im Boden versinken. »Wir sind doch hier unter uns. Niemand wird später beweisen können, dass Sie ein paar Vertragsbedingungen durchgewunken haben, die ohnehin irrelevant sind, weil sich gar keine Außerirdischen blicken lassen.«

»Wenn sie irrelevant sind, warum die Mühe?« Frau Bluse hebt einen kleinen Finger. »Und wenn sie so irrelevant sind, warum steht Ihnen Schweiß auf der Stirn?«

»Sicher irgendwelche jahrtausende alten Bazillen, der Fluch des Pharao, wir sind so gut wie tot, Sie wissen schon, ha ha.« Der Marsianer grinst, dann wischt er sich fahrig die Stirn trocken.

Unsicher rutscht Frau Bluse auf ihrem unbequemen Klappstuhl hin und her, wirft ihren Sekretären Blicke zu. Aber die zucken nur mit den Schultern.

Die Faust des Marsianers wummst auf die Tischplatte. »Hören Sie, ich habe heute noch einen Golftermin auf Gottes Schienbein. Bringen wir es also hinter uns. Sie wissen genauso wie ich, dass niemand von Bedeutung unter den Bedingungen unserer Handelsvereinbarung leiden wird. Hingegen wird sie meinem Wohlstand genauso zugute kommen wie jenem Ihres hübschen Hinterns und dem seiner Liebhaber. Lassen Sie uns nicht noch mehr Zeit in diesem Grab verschwenden.«

»Also gut«, sagt die Frau. »Dann wird es jetzt wohl Zeit, das Codewort zu nennen.« Sie wirft den im hinteren Teil des Raumes herumstehenden Sarkophagen einen bedeutungsvollen Blick zu.

»Codewort?«, sagt der Marsianer.

»Ganz recht. Es lautet: Codewort.« Sie sprach besonders laut und deutlich.

Zunächst geschieht nichts.

Frau Bluse setzt gerade dazu an, das Codewort zu wiederholen, als ein Schaben erklingt. Stein kratzt über Stein, Jahrtausende alte Staub rieselt. Grabbeigaben klirren; die Knochen lebendig begrabener Sklaven vibrieren.

Der Deckel des zweiten Sarkophags von links bewegt sich. Langsam, aber mit gruseliger Selbstverständlichkeit.

»Ich hab da ein ganz mieses Gefühl«, murmelt der Sekretär des Marsianers.

Mit einem Donnern knallt der Deckel des Sarges zu Boden und zerbricht. Wer jetzt besondersaufmerksam horcht, kann einen unterdrückten Fluch hören.

Der Marsianer schiebt seinen Klappstuhl nach hinten und steht sehr, sehr langsam auf. Frau Bluse bleibt sitzen und schlägt gemütlich die Beine übereinander.

Dem Sarkophag entsteigt eine Mumie. Mühevoll klettert sie über den Rand ihres Grabes und wankt auf den Tisch zu.

»Das … das ist doch unmöglich!« Der Marsianer zittert. Sein spindeldürrer Sekretär weicht langsam zurück.

Die Mumie bleibt stehen und schüttelt langsam den Kopf. Dann macht sie sich daran, die Binden zu lösen.

Zum Vorschein kommt ein keineswegs verwestes, aber etwas staubiges Männergesicht mit einem silbergrauen Haarschopf, der zu einem Pferdeschwanz geknotet ist. In diesem Gesicht scheinen Nase und Kinn in einen Wettstreit darüber getreten zu sein, wer spitzer hervorragen kann.

Dieser Mann ist vieles, aber mit Sicherheit kein lange verstorbener ägyptischer Pharao.

»Ich kenne Sie!«, entfährt es dem Marspolitiker. Er wird bleich. »Sie sind ... der mit dem Zeigefinger!«

»Stimmt genau«, sagt Walpar Tonnraffir, während die Fliege auf seinem rechten Ohr landet. »Und meine Mikro-Drohne hat Ihr Gespräch vollständig aufgezeichnet. Mister ... Yoshisawa.«

»Yoshisawa-san, bitte.« Der Politiker grinst. »Sie wissen aber, dass laut Weltverordnung Nummer 83745b der Mitschnitt von Geheimverhandlungen zu Handelsabkommen unter Strafe steht?«

Walpar greift sich ans Ohr und schluckt die Fliege schnell runter. »Dazu müssten Sie mir erstmal beweisen, dass ich Beweise habe.«

Yoshisawa zeigt auf Walpars Bauch. »Die Fliege kriegen wir schon irgendwie da raus. Mein Sekretär hat ein Taschenmesser mit eingebautem Korkenzieher.«

Die Antwort ist ein schiefes Grinsen. »Natürlich hat die Mikro-Drohne die Aufzeichnung längst in die Cloud hochgeladen. Verschlüsselt und mit Passwortschutz, das wird Sie jetzt nicht wundern.«

»Passwörter kann man erraten.«

»Meine nicht«, behauptet Walpar. Er denkt einen Moment nach. »Ich vergesse sich sogar selbst dauernd, so sicher sind sie.«

Yoshisawa keucht oder lacht, so genau weiß man das nicht. »Kein Problem. Nehmen wir Sie doch einfach eine Weile in Beugehaft.« Er schnippt dreimal mit den Fingern und Polizisten strömen aus den Seitengängen.

»Sagten Sie nicht, Sie sind alleine gekommen?«, entfährt es Frau Bluse, die von ihrem Stuhl aufgesprungen ist.

»Ja und?« Der Marsianer zieht eine silberne, verschnörkelte E-Pfeife aus der Tasche seines Sakkos und entzündet sie mit einer Fingergeste. »Mit der Wahrheit habe ich nichts am Hut. Sie etwa?«

Yoshisawas Schergen Walpar ergreifen und abführen, sagt er noch schnell zu Frau Bluse: »Ich schicke Ihnen dann meine Rechnung.«

Sektion für Betriebsfeierlichkeiten, Klaskunda

Helix-Wurstkordeln und brodelnder Füßwein, rhythmisches Tanz-Gelächter und projizierte Y-Meme in flackerfreiem 3D: Die Hyperparty bringt Hatsu Xýll vom Planeten Rýp beinahe um den Verstand, aber das wäre schade, denn dieses Fest findet schließlich zu seinen Ehren statt.

Nur einmal im Leben steigt ein Sittenwächter des Freundlichen Imperiums zum Beamten auf, nur einmal gilt für ihn die Happy Hour in jedem Etablissement von Klaksunda, nur einmal sind ihm alle Spaßpilze der Hemisphäre untertan.

Ein rosa Sporenwölkchen umspielt sein Gesicht, in dem die linke Nase scheinbar ekstatisch zuckt, dabei handelte es sich nur um einen schützenden Urinstinkt, der Hatsus Vertrauen in die fliegenden Funghi partout nicht teilen mag. Hatsu piekt den armlangen Trinkhalm in den kochenden Wein und saugt. Die Länge des Halms ist exakt so berechnet, dass die Temperatur des Getränks auf perfekte 90 Grad gesunken ist, als es Hatsus Stülpzunge erreicht. Der Geist des Füßweins füllt den Körper des jungen Rýppers wie kosmischer Funke das Universum: Inflation, brodelndes Plasma, dann erste Sterne und Galaxien. Sternentstehungsgebiete, Evolution, Dekadenz, Apokalypse. Hatsu beobachtet mit schmalen Augen, wie Irrlichter über ihm schweben, ihm winken und elektrostatischen Respekt zollen.

Nicht jeder Anwärter schafft es schon im ersten Anlauf, Beamter der Sittenwache auf einem Freudenmond wie Klaksunda zu werden. Manche scheitern an den harten Prüfungen über kosmische Sexualkunde, andere an den akribisch abgefragten Benimmregeln. Besonders gefürchtet sind die praktischen Tests. Die härteste Nuss für Hatsu ist der Homoganer gewesen, der nach dem Akt erstens nicht bezahlen wollte und zweitens bei dem älteren, yssilanischen Prostituierten, den er gemietet hat, um seine Hand angehalten hat. War ersteres noch mit einer Latte Pfändungsformulare abzufrühstücken, grenzt letzteres an eine Beleidigung, die lebenslanges Hausverbot nach sich zieht. Einzig eine sofortige Entschuldigung sowie das Unterzeichnen von Unterlassungserklärungen mit Eigenblut konnten diese grausame Strafe verhindern. Der Homoganer hatte sich partout kein Blut abzapfen lassen wollen, so dass Hatsu in Ermangelung anderer Hilfsmittel nichts anderes übrig geblieben ist, als dem wuchtigen Wesen sein eigenes Horn in den Rüssel zu bohren.

Das Tanzgelächter wird für eine Ansage vorübergehend heruntergefahren. »Respektierter Hatsu Chili, Beamter Ersten Grades. Sei versichert unseres Stolzes auf deine künftige Laufbahn als treuer Diener des Freundlichen Imperiums. Tilge alle Feinde unserer Leitkultur, bekehre sie mit den Mitteln, die das Amt für Einhaltung der Sitten dir erlaubt. Deine Happy Hour dauert noch genau 40 Ticks. Danach zahlst du den normalen Preis. Hyper Nacht noch!«

Hatsu verzieht die Lippen, als die Musik wieder volle Lautstärke erreicht. Seine Zehen – alle sechs – zucken im gleichen Rhythmus wie sein Bauch wabert. Langsam heißt es Abschied nehmen von seiner Party. Allein die Live-Übertragung der hippsten Y-Meme vom Hauptplaneten kostet mehr als das Jahresgehalt eines Beamten Ersten Grades. Ist die Happy Hour vorbei, dann auch die Party.

»Das war's, Leute«, ruft Hatsu und klatscht.

Lichter und Musik gehen aus. Ruhe kehrt ein in dieser Abteilung des Mondes. Langsam tastet sich Hatsu zwischen den Essensresten hindurch zum Ausgang. Er nimmt sich für den Fall der Fälle noch zwei pulsierende Spaßpilze mit. Die Arbeit ruft. Hier hält ihn nichts mehr.

Gäste sind ohnehin keine gekommen.

*

Leicht verkatert und halb taub von der heftigen Lachdröhnung läuft Hatsu Chili den breiten Gang entlang, der zum nächsten Kreuzpunkt führt. Wände und Böden bedeckt dunkelroter Samt, die Decke ist ein schimmernder Sternenhimmel. Künstlich zwar, aber doch wohltuend für die Sinne. Niemand besucht Klaksunda, um Stress zu haben.

Wer Hatsu Chili begegnet, sieht einen grünhäutigen Zweibeiner mit verhältnismäßig großem, schmalen Kopf. Riesige, schwarze Augen sind im Zwielicht des Gangs nicht von den Lidern bedeckt, die bei hellem Licht nur schmale, leicht schräg stehende Sehschlitze frei lassen. Das Gesicht um die schmalenzwei Nasen und den runden, kleinen Mund ist hellgrün. Dieselbe Farbe haben die dreigliedrigen Arme, die in Händen mit je drei dünnen Fingern enden. Der Oberkörper steckt im karierten Weithemd, der Uniform des Amtes, die eine graue Sockenhose komplettiert. Die leicht unterschiedlich langen Beine enden in langen Füßen mit zwei schlanken Zehen vorn und einer hinten. Schuhe tragen im Freudenmond nur Reinigungskräfte, das legt irgendeine archaische Verordnung fest. Die überall ausgelegten roten Teppiche reagieren aggressiv auf Schuhe. Nur wer sie sauber macht, ist von ausdrücklichen Verwünschungen ausgenommen.

Niemand spricht Hatsu auf das silberne Abzeichen an, das er um den Hals trägt. Es ist übrigens ziemlich eng und schnürt ihm fast die Luft ab. Hatsu hofft, dass er im Amt Formulare findet, um eine Erweiterung des Durchmessers zu beantragen.

Einstweilen nimmter die Rolltreppe zur nächsthöheren Ebene. Auch die leise fahrenden Stufen sind mit Samt bedeckt, der im Gegensatz zu dem unbeweglicher Fußböden allerdings dunkelblau gefärbt ist.

»Moin«, grüßt am oberen Ende der Treppe ein anderer Beamter, den Hatsu nicht persönlich kennt. Der Rýpper grüßt zurück und nimmt die nächste Rolltreppe in Angriff.

Der ganze Mond Klaksunda ist bis zum inneren Kern ausgehöhlt. Dank Gängen und Schächten ist jede Abteilung im Verantwortungsbereich eines Beamten in kurzer Zeit zu Fuß erreichbar. Festbereiche und Freudenräume wechseln sich in den verschiedenen Ebenen ab mit Hotels, Lounges und Bars. Je weiter im Zentrum des Mondes, umso teurer. Ganz oben spürt man oft Vibrationen der landenden und startenden Raumschiffe. Es ist dort staubiger und ungemütlicher, eine Gegend für Billigtouristen und Kurzzeitparker, die nur Zeit für einen Quicky ohne Mengenrabatt haben. Keine Gegend, in der sich Hatsu gerne aufhält. Aber der Dienst führt ihn nicht selten dorthin.

Als Hatsu einen der größeren Zentralschächte erreicht, ist es mit der Ruhe der stillen Gänge vorbei. Auf den Verteilerebenen pulsiert das Leben in all seinen kosmischen Ausprägungen. Zweibeiner, die Hatsu im weitesten Sinne ähnlich sehen, sind keineswegs in der Überzahl. Ihm begegnet ein Trupp feiernder Homoganer, die einem projizierten Geschlechtsorgan zu ihrem reservierten Partyraum folgen. Eine der Rolltreppen blockiert ein brünftiges Pärchen insektoider Alpträume, an sich furchtbar nette und zuvorkommende Leute, aber olfaktorisch unerträglich. Ein Junggesellenabschied vom Gasriesen Jekowitsch hat die bequemen Sessel einer Ruhezone in Beschlag genommen und melkt einer Bierkuh auch den letzten Tropfen aus dem Euter. Vermutlich haben die zierlichen Jekowitscher nicht das nötige Kleingeld eingeworfen, denn die Kuh schimpft und verlangt mit Nachdruck mehr Münzen, mehr Münzen, mehr Münzen, und zwar zack-zack.

Der Schacht hat gewaltige Ausmaße. Zahlreiche Rolltreppen führen zu den anderen Ebenen. In der Mitte verkehrt der große Aufzug, der im Moment allerdings nicht in Sicht ist. Schwebende Kunststerne füllen den ganzen Schacht und spenden den Passanten Licht und Wärme.

Nach der Ausbeutung und Aushöhlung durch eine Mining-Gesellschaft hat ein Unterhaltungskonzern den Mond als Standort für sein Unternehmen ausgewählt, weil es damit gewisse territoriale Gesetze umgehen konnte, die den Betrieb ansonsten unmöglich gemacht hätten. Seit den Kriegen, strategischen Umzügen und immer tieferen Grabungen sindGenerationen von Vergnügungswilligen ein und aus gegangen. Dank des ordnenden Amtes, das für einen Kompromisskatalog an Sittenregeln einsteht, ist aus Klaksunda eine Institution geworden, die niemand im Kosmos missen möchte. Die Geschichte der Gründung ist längst hinter Mythen verschwunden und wird in der Beamtenschule nur im Mindestmaß gelehrt. Was zählt die Vergangenheit? Nichts, jedenfalls nicht für die Besucher und die Betreiber des Freudenmondes. Für die zählt nur das Vergnügen, und das heißt in der Sprache nicht nur von Jekowitsch und Rýp: Gegenwart.

Hatsu wandert Gang -672L hinunter. Gerade schlurft einenackte rosa Landkrake aus dem Zeckennebel JN 722 vorbei und verspricht via Umhängeschild exquisite Freuden für selbst die komplexeste Anatomie. Heute Happy Hour für Geistwesen.

Neben einem hölzernen Getränkestandverharrt Hatsu. Die Verkäuferin ist eine ältere Einbein-Wedlerin, um deren Hals eine Kette mit lebenden Steinen hängt. Unschlüssig begutachtet Hatsu das Angebot. Seine Party hat ihm mächtig Durst eingebracht. Vor der nächsten Schicht noch eine Erfrischung?

Während er nachdenkt, sagt hinter ihm jemand laut und deutlich »Swuff«.

So schnell es seine von der Party schwindligen Sinne erlauben, dreht er sich um.

Da steht eine blauhäutige, breitschultrige, adrett gekleidete Kolexianerin.

Ihre Augen schauen in verschiedene Richtungen, und auf ihrer Nase klemmt eine blaue Kugel.

Hatsu ist erstarrt. Er muss sich zusammenreißen, um nicht sofort wegzurennen. Es wäre freilich nutzlos. Auch die einbeinige Getränkeverkäuferin ist keine Hilfe, denn sie hat längst das Weite gesucht. »Du bist ... eine ...«

»Zertifizierte Agentin der Veranstalter. Persönlich zuständig für ganz besondere Ereignisse galaktischen Maßstabs.«

»Ich ...«

Die Agentin deutet auf einen Barcode-Anstecker auf ihrem schwarzen Pullover. »Falls du das nicht lesen kannst: Edna ist mein Name.« Die Kolexianerin richtet beide Augen nach vorn. »Ich gratuliere, denn dubist der Auserwählte!«

Hatsu braucht einen Moment, bis er das Gesagte begreift. Er begafft die Kolexianerin von unten bis oben. Ihre blauen, breiten Beine stecken in einer schwarzen Netzstrumpfhose. Obwohl sie offenbar hierher nach Klaskunda gebeamt ist, hat sie vorher die Schuhe ausgezogen, das muss Hatsu anerkennen. Der elegante, graueAnzugrock ist selbst nach Maßstäben des Freundlichen Imperiums verdammt teuer, aber Arbeitskleidung müssen Mitarbeiter der Veranstalter vermutlich nicht selbst bezahlen. Der lange, empfindliche Hals wird von einem weichen, eleganten Schal geschützt. Im Gesicht trägt die Kolexianerin einen hellblauen, kugeligen Virenfilter über den verdeckten Nasenlöchern. Der nachtblaue Haarschopf glänzt und ist mit elegantem Schwung und viel Klebmasse senkrecht nach oben modelliert, allerdings teils unter einem schwarzen Zylinderhut verborgen.

Der Rýpper schüttelt sich. »Gewonnen?«, sagt er dann. »Das muss ja mein Glückstag sein.«

»Oh ja«, sagt Edna. »Du bist derAuserwählte.«

»Ich!?« Hatsu zeigt auf sein silbernes Amulett. »Aber ich bin nur ein Beamter erster Stufe. Und das auch erst seit … nun … noch nicht sehr lange.«

»Du wirst mir aber keine Schwierigkeiten machen, oder? Das gehört sich nicht.«

Hatsu strafft seinen Körper. »Ich muss mich zunächst informieren, ob ich als Beamter einen Gewinn egal welcher Art überhaupt annehmen darf. Ich bin im Dienst und trage Verantwortung!«

»Jetzt hör mal zu, denkst du etwa, wir Agenten hätten es leicht? Wer in unsererAbteilung nicht mit einem Swosh Mark III Plus vorfährt, muss bei den Klausuren den Aufpasser ablenken, damit die anderen ungestört schummeln können.«

»Wieso bin ich eigentlich der Auserwählte? Wenn es so viele Agenten gibt, dass es mehrere Abteilungen gibt,existieren dann nicht auch mehr als ein Auserwählter, müsste es also nicht ein statt der heißen?«

»Du wirst spitzfindig. Das könnte mich wütend machen. Und wenn ich wütend werde, geschieht etwas Furchtbares.«

Hatsu vollführt eine wie er hofft universelle Geste der Beruhigung. »Wie habe ich mir diese ... Auswahl eigentlich vorzustellen?«

»Das ist … kompliziert.«

»Oder reiner Zufall.«

»Du hast ja keine Ahnung, wie kompliziert der Zufall ist! Wusstest du, dass es einem Würfel völlig egal ist, wie oft er vorher schon eine 6 gezeigt hat, wenn du ihn wirfst?«

»Und wenn ich kein Auserwählter sein will?«

»Wieso? Es ist eine Ehre! Und eine Art Naturgesetz. Physik, gewissermaßen. Oder hältst du uns für vernagelte Geisteswissenschaftler? Der Auserwählte bist jetzt halt mal du. Das System der Veranstalter irrt sich nicht in dieser Hinsicht. Stellt das irgendein Problem für dich dar?«

Hatsu sinkt in sich zusammen. Die Veranstalter sind die heimlichen Herrscher des Freundlichen Imperiums. Sie organisieren alles, was sich organisieren lässt, und noch viel mehr. Sich gegen dergleichen zu wehren, käme dem Versuch gleich, mit einem perforierten Kondom eine Supernova zähmen zu wollen.

»Worin besteht denn genau der Gewinn, für den ich auserwählt wurde?«

Die Kolexianerin greift sich in den Anzug und zeigt ein Papier vor, das mit einer schwer erkennbaren Animation bedruckt ist. »Du wurdest auserwählt, die Ursuppe dieses Planeten mit deinem Genmaterial zu erfreuen.«

»Oha«, macht Hatsu. »Das ist aber eine große, äh, Ehre.«

»Wir können sofort anfangen«, sag die Kolexianerin. »Ich bin dazu befugt, uns umgehend zum Ort der Auserwählung zu beamen.«

»Aber ich kann leider nicht weg«, knirscht Hatsu. »Ich wurde gerade zum Beamten befördert, ich kann doch nicht gleich am ersten Tag fehlen.«

»Kein Problem«, sagt Edna und rotiert fröhlich die Augen. »Dank eines juristischen Kniffs darfst du einfach deine Elternzeit vorziehen. Die steht dir zu, und den Nachweis über deine Nachkommen liefern wir einfach in ein paar Millionen Jahren nach.«

»Das geht?«, staunt Hatsu.

»Du würdest dich wundern, wenn du wüsstest, welche Lücken die amtlichen Vorschriften des Imperiums aufweisen. Was meinst du, wieso es freundlich heißt?«

»Ich dachte ...«

»Umarme mich, und es geht los.«

»Muss das s ...«

SWUFF.

»Da sind wir«, sagt Edna.

Hatsu torkelt. Im letzten Moment kann er sich an einem provisorisch angebrachten Metallzaun festhalten.

Gewitter überall am Himmel, Blitze zerfetzen die gelben Wolken, es riecht nach Schwefel und Ozon. Vulkane in der Ferne spucken Feuer ins Meer. Graubraune Wellen heben und senken sich, sprudeln, spritzen, begehren.

Hatsu muss mehrmals tief Luft holen. Langsam kapiert er, dass er auf einer Aussichtsplattform steht, die an einer Felsnadel befestigt ist. Hoch über der Ursuppe des jungfräulichen, namenlosen Planeten parken einige Raumflitzer, flanieren gelangweilte Ausflügler, genießen romantische Paare denBlick auf ein aufgewühltes, aber dennoch höchst langweiliges, schier endloses graues Meer. In der Mitte der Plattform steht ein Getränkeautomat mit einem erfrischend hellblau glimmenden Logo oben drauf.

Am Zaun hängen Displays, die in allen erdenklichen Sprachen darüber informieren, dass das Hinterlassen von Genmaterial jeglicher strengstens verboten ist, explizit genannt werden Fäkalien, Haare und Kaugummi.

»Ah, und jetzt?«, sagt Hatsu und späht nach unten. »Soll ich einfach … anfangen? Äh, und du schaust dabei zu?«

»Nun, ich muss ja sichergehen, dass alles ordnungsgemäß abläuft.« Die Agentin zieht ein orange glimmendes Ei aus einer Tasche. »Hier, nimm das.«

Hatsu betastet das Objekt. »Vibriert das?«

»Zunächst ja.«

»Ich glaube eigentlich nicht, dass ich das brauche.«

»Die Verwendung ist obligatorisch.«

»Na gut«, sagt Hatsu. »Dann werde ich mal meine Pflicht als Auserwählter tun.« Er macht Anstalten, seine Hose zu öffnen.

»Du musst dich nicht ausziehen«, sagt Edna. »Es genügt völlig, wenn du das orangefarbene Ei fest drückst.«

»Ach tatsächlich?«, sagt Hatsu. Er zögert einen Moment. »Was … was genau passiert denn, wenn ich das tue?«

»Nun, ein Energiefeld löst deine Zellverbände auf und reagiert mit dem Cytoplasma, um deine Chromosomen aufzuspalten. Danach explodiert es, um das Genmaterial auf eine möglichst große Fläche zu verteilen.« Die Agentin lächelt freundlich. »Was hast du denn gedacht?«

»Äh«, macht Hatsu und erbleicht. »Etwas … anderes.« Langsam weicht er vor Edna zurück.

»Wirklich witzig.« Die Kolexianerin streckt die Hände nach ihm aus. »Wage es nicht, mir Schwierigkeiten zu machen. Ich sagte doch schon, dass etwas Furchtbares passiert, wenn ich mich aufrege.«

»Ja«, sagt Hatsu kleinlaut, »ich weiß Bescheid. Du verwandelst dich. Kolexianer sind emotiomorph.« Der Beamte bleibt stehen und wiegt das orange Ei auf seiner Handfläche.

Dann wirft er es von sich und rennt weg, so schnell er kann.

»Zeitverschwendung«, schreit ihm Edna hinterher. »Wir wären keine Veranstalter, wenn wir von Karmafuturistik keine Ahnung hätten! Früher oder später holt jeden Auserwählten sein Schicksal ein!«

Hatsu klettert in den schnittigen, krassgrünen Zweisitzer der Marke XaPromm, aus dem vorhin ein Pärchen Kraiumsaurier ausgestiegen ist. »Bordsystem? Hörst du mich?«, ruft er atemlos.

»Sicher«, sagt eine fröhliche Stimme. »Kennen wir uns?«

»Noch nicht«, sagt Hatsu, »aber das hier ist ein Notfall. Ich bin Beamter des Freundlichen Imperiums, du bist zur Mitarbeit verpflichtet!« Er zeigt mit zitternden Händen sein silbernes Amulett vor.

»Alles klar«, sagt das Bordsystem. »Wohin soll's denn gehen?«

»Einfach weg hier, und zwar schnell!«

»Oh, da hab ich ein paar witzige Koordinatensätze, die ich schon immer mal probieren wollte! Hab ich bei einem Preisausschreiben gewonnen!«

Hatsu sieht, wie Edna immer näher kommt. Sie schnauft, und ihre Brust scheint zu pochen. Irgendwie scheint sie zu wachsen. Die Auserwählerin verwandelt sich!

»Egal!«, schreit Hatsu. »Weg hier! JETZT!«

»Juhuu!«, quietscht der Bordcomputer und schaltet einfach mal direkt von Null auf Überlicht.

Dieser Hypersprung wird präsentiert von ZischZitro –die Limonade für jede Geschwindigkeit.

Geheime Arrestzelle, Erde

Walpar Tonnraffir sitzt in Beugehaft. Er kennt das schon von früher, und es langweilt ihn fürchterlich. Glücklicherweise hat eine von mehreren Millionen Personen unterzeichnete Petition vor kurzem durchgesetzt, dass Beugeinhaftierten mindestens die Lektüre seichter Vampirschmonzetten gestattet werden muss.

Ungefähr dreiundvierzig davon hat Walpar auf seiner harten Pritsche verteilt, um etwas weicher zu liegen. Einen hält er aufgeklappt in der Hand, aber er schafft es nicht, der wirren Handlung zu folgen, in der ein blasser Geist behauptet, ein Schutzengel aus dem Himmel zu sein, der nur dank nichtstofflicher Liebe untoter Blutsauger existieren kann. Der gutaussehende Hauptvampir des Romans findet den Geist einfach nur nervig, denn mangels Blutkreislauf kommt er als Nahrungsmittel nicht in Frage. Auf Seite 134 beschleicht Walpar das vage Gefühl, der Vampir könne sich völlig überraschend Hals über Kopf in den Geist verknallt haben, ohne es sich eingestehen zu wollen. Walpar blickt auf und runzelt die Stirn. Das kommt ihm bekannt vor. Etwas in der Art ist ihm selbst bereits passiert.

Mehrfach.

Und das ganz ohne spitze Zähne.

Walpar ist inzwischen 33 Jahre alt, ledig, von Beruf Privatdetektiv. Ein Job, bei dem man viel unterwegs ist. Nur als Auslandskorrespondent und Lokführer ist man seltener zuhause. Keine guten Voraussetzungen für eine stabile Beziehung. Das gilt auch für den steten Strom von Fanpost und Stalking. Seit der Angelegenheit mit dem vermeintlichen Zeigefinger Gottes ist Walpars Bekanntheitsgrad im Sonnensystem Umfragen zufolge höher als der des aktuellen Oberpräsidenten (oder ist es eine Oberpräsidentin? Walpar weiß es ehrlich gesagt gerade nicht genau). Wer täglich von zig Fans vergöttert oder mit schlüpfrigen Einladungen überhäuft wird, sollte sich nur mit einem Partner abgeben, der gegen Eifersucht absolut immun ist. Unter Menschen keine sehr häufige Eigenschaft.

Dementsprechend sieht Walpars Liebesleben im Moment aus. Aber er hat keinen Grund, sich darüber zu beschweren. Besser gesagt: Er hat zig Gründe, sich über dringlichere Probleme zu beschweren.

Streng genommen nimmt er dank seiner finanziellen Ausgesorgtheit nur Aufträge entgegen, die ihm persönlich am Herzen liegen. Dazu gehört es immer wieder, übertrieben innige Beziehungen zwischen Politikern und Millionären aufzudecken.

Das birgt gewisse Risiken.

Walpar überlegt schon länger, ob er seinen Job nur noch in Teilzeit ausüben sollte. Er hätte weniger Stress und vielleicht sogar mal Zeit für ein Date oder für die Lektüre eines guten Buches, in dem allerdings keinerlei Vampire vorkommen dürften.

Andererseits rostet bekanntlich, wer rastet. Walpar hat schon öfter versucht, in seinem bequemen Sessel in seinem Apartment am Hang des Olympus Mons zu sitzen, die Füße hochzulegen und einfach nur in die blassrote Ferne zu schauen (oder die letzten vier Staffeln des dritten Reboots von von Game of Thrones, er ist wirklich hoffnungslos abgehängt!).

Jeweils nach kurzer Zeit hat Walpar dann immer gespürt, wie nach und nach einige Gehirnzellen den Abschied einreichen. Aber wer lässt fähiges Personal gern ziehen? Ist ja nicht so, dass man es später ohne weiteres nachbestellen könnte wie einen Ersatz-Akku für den Pinguin.

Nein, und deshalb übernimmt er immer wieder Aufträge wie jenen der ehrenwerten Frau Bluse. Da es um Geheimverhandlungen ging, fehlt es seiner Auftraggeberin momentan leider an schnellen und wirkungsvollen Optionen, ihn aus seiner Beugehaft zu retten.

Dumme Sache.

Dumm auch, dass nicht er, sondern nur Frau Bluse über das Passwort verfügt, das für den Zugriff auf die Aufzeichnungen nötig ist.

Ein Teufelskreis.

Die blecherne Schiebetür der Zelle gleitet zur Seite. Ein schrankähnlicher Androide schiebt sich herein. Das Kunstwesen bewegt sich auf Reifen aus Vollgummi, verfügt über einen vandalismussicheren Nirosta-Körper und stilisierte Gesichtszüge, verzerrt zu einem bösartigen Grinsen. Als wolle er damit jeden Widerstand im Keim ersticken, jongliert der Androide mit einer Strahlerwaffe. Die sieht Walpar verdächtig wie eine Attrappe aus – möglicherweise hat einmal ein Inhaftierter dem Androiden die Knarre abgeschwatzt und ist damit getürmt. Naturgemäß sind Attrappen deutlich sicherer für alle Beteiligten.

»Guten Morgen«, sagt der Androide, als hinter ihm die Tür ins Schloss knallt. »Oder guten Abend, wer weiß das schon. Wir lassen Sie absichtlich über die Tageszeit im Unklaren, um Ihren Widerstand zu brechen.«

»Das klingt sehr durchdacht«, sagt Walpar, »aber ich leiste doch im Moment überhaupt keinen Widerstand.«

»Darüber denke ich später nach«, sagt der Androide und meint damit vermutlich: »Ich habe den letzten Satz nicht verstanden.«

»Ich will einen Anwalt sprechen«, sagt Walpar.

»Wir haben bereits alle siebzehn von Ihnen genannten Juristen kontaktiert«, sagt der Androide.

»Und?«

Der Androide scheint die Antworten im Geiste durchzugehen. »Niemand hat geantwortet.«

»Erstaunlich«, sagt Walpar, obwohl er genau weiß, dass er frei erfundene Adressen angegeben hat. »Möglicherweise stimmt etwas nicht mit Ihrem Kommunikationssystem. Sie wären nicht der erste, dessen Nachrichten unberechtigt in Junk-Filtern hängenbleiben.«

»Sicher verfügen Sie über eine kostenlose Anwalt-App.«

»Die zeigen mir zu viel Werbung für Gerichts-Egoshooter. Außerdem enthalten die meisten Trojaner. Übrigens hat mich einmal ein Hersteller einer solchen App angezeigt, weil ich sie laut einer seiner Geschäftsbedingungen unberechtigterweise deinstalliert habe. Drollig, oder?«

»Darüber denke ich später nach«, sagt der Androide. »Zunächst führen wir die heutige Befragung durch.«

»Einen Augenblick«, sagt Walpar. »Ich mache es mir gemütlich.« Er verschiebt ein paar der Vampirromane, und zwar aufreizend langsam. Als er sicher ist, dass jeder menschliche Geduldsfaden gerissen wäre, richtet er sich auf. Dann schüttelt er den Kopf und gruppiert weitere Romane um.

Der Androide verfolgt Walpars Bemühungen ungerührt. Walpar hat keine Ahnung, wie lange der Akku der Maschine hält, aber er wird notfalls bis morgen früh (oder heute abend, wer weiß das schon) die Büchlein hin und her schieben.

»Darf ich Sie kurz unterbrechen?«, meldet sich der Androide.

»Ungern«, sagt Walpar und macht keine Anstalten, sein Tun zu unterbrechen.

»Ich frage zum letzten Mal: Wer sind Ihre Auftraggeber?«

Jetzt dreht sich Walpar doch um. »Ein Detektiv von Ehre gibt seine Kunden nicht preis«, erklärt er. »Da müsst ihr schon schärfere Geschütze auffahren.«

»So sei es.« An der Vorderseite des Androiden öffnet sich eine kleine Tür.

»Oha«, macht Walpar und weicht ein paar Zentimeter zurück. Weiter geht nicht, es sei denn, die Zellenwand ist aus Pappe.

Ist sie nicht.

»Also noch einmal«, sagt der Androide und rollt ein Stück vorwärts. »Welches ist Ihr Lieblingsfilm?«