Wanderung nach dem Schlachtfelde von Leipzig im October 1813 -  - E-Book

Wanderung nach dem Schlachtfelde von Leipzig im October 1813 E-Book

0,0
12,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Augenzeugenbericht vom Kampfplatz der Leipziger Völkerschlacht, den Weimars Verleger und Journalist Carl Bertuch von seiner Oktoberreise nach Leipzig niedergeschrieben hat. Anfang 1814 lag das Werk bereits gedruckt vor und ist bis heute die erste authentische Kunde vom Ort des Geschehens, von den Gesprächen Bertuchs mit den Kombattanten und seinen ersten Ideen zu einem Denkmal - der "Kapelle der Eintracht". "Wohl dem, der dann noch ein menschlich-theilnehmendes Herz sich erhält!" Dieser Satz steht in Carl Bertuchs Bericht über die verwüstete, von Verwundeten und Sterbenden erfüllte Stadt Leipzig am Tag nach dem Ende der viertägigen Schlacht, die alles überstieg, was sich in einem fast seit einem Vierteljahrhundert durch Krieg und Zerstörung geprägten Europa ereignet hatte. Bertuch war mit seinem Jugendfreund Ferdinand Jagemann, dem späteren sachsen-weimarischen Hofmaler, am 19. Oktober 1813, als die Schlacht noch tobte, von Weimar aus nach Leipzig aufgebrochen, um Augenzeuge dieses für den Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft so entscheidenden Ereignisses zu werden. Carl Bertuch nahm gezielt und systematisch Informationen über den Verlauf der Kämpfe und den Anteil einzelner Heeresteile und Kampfverbände auf beiden Seiten auf: Augenzeugenberichte, Befragungen von Offizieren, möglichst Stabsoffizieren, Beschaffung von offiziellen militärischen Bulletins zu den einzelnen Tagen der Schlacht, zu den Einzelheiten des Verlaufs der Kämpfe usw. Aus diesen Materialien wächst die sachliche durch Karten veranschaulichte Darstellung, die ein objektives, durch Daten und Fakten fundiertes Bild der Völkerschlacht, eine Art der Statistik, ergibt. Hierin liegt die militärgeschichtliche Bedeutung dieses Buches. Man kann eigentlich nicht erklären, weshalb Carl Bertuchs Schilderungen zu den Kämpfen des deutschen Schicksalsjahres 1813 in der historischen und militärhistorischen Forschung bis zum heutigen Tag so gut wie keine Rolle gespielt haben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Carl Bertuch (1777–1815)

Wanderung nach dem

Schlachtfelde von Leipzig

im October 1813

Ein Augenzeugenbericht zur Völkerschlacht

von Carl Bertuch

Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen

von Siegfried Seifert und Peter Seifert

Schriftenreihe des Freundeskreises des Goethe-Nationalmuseums e.V. – Band 5

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung

des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86729-116-3 (Print) ISBN 978-3-86729-511-6 (EPUB) ISBN 978-3-86729-512-3 (PDF)

© Sax-Verlag, Beucha • Markkleeberg 2013

Alle Rechte vorbehalten

www.sax-verlag.de

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Inhalt

Erste Abtheilung

Wanderung nach Leipzig und über das Schlachtfeld

Erster Brief.

Abreise von W[eimar]. Naumburg. Zeitz

Zweiter Brief.

Fahrt von Zeitz nach Pegau. Das große Lager daselbst. Fortsetzung der Reise bis Leipzig. Schilderung der nächsten Umgebungen

Dritter Brief.

Wanderung über das Schlachtfeld. Uebergang der Sachsen. Einzug der siegreichen Monarchen

Vierter Brief.

Betrachtungen über die gegenwärtige Zeit

Fünfter Brief.

Die Monarchen verlassen Leipzig. Vermischte Bemerkungen

Zweite Abtheilung

Die Schlacht von Leipzig

Aus zuverlässigen Quellen geschildert, und durch zwei Pläne und mehrere Beilagen erläutert

Beilagen

Erste Beilage.

Bestand der alliirten Haupt-Armee, unter dem Befehle des Feldmarschalls Fürsten von Schwarzenberg

Zweite Beilage.

Uebersicht der Armee-Corps der Französischen Armee an den Tagen der Schlacht von Leipzig. – Bestand des Corps unter dem Marschall Augereau, Herzog von Castiglione

Dritte Beilage.

Antheil des Königlich-Preußischen IIten Armee-Corps unter dem General-Lieutenant von Kleist an der Schlacht von Leipzig vom 16ten – 19ten October 1813

Vierte Beilage.

Einige Nachrichten über den Antheil der Armee von Polen, oder der Russischen Armee-Abtheilung unter dem General der Cavallerie, Freiherrn von Bennigsen, an der Schlacht von Leipzig

Fünfte Beilage.

Ungefähre Berechnung der Gesammtkräfte der beiderseitigen Armeen

Sechste Beilage.

Uebersicht der Armee-Abtheilung unter dem General der Cavallerie, Grafen von Wittgenstein

Anhang

Die Kapelle der Eintracht auf dem Schlachtfelde von Leipzig. Ein Versuch

Französische militärische Fachausdrücke

Nachwort. Von Siegfried Seifert und Peter Seifert

Vorbericht des Verfassers

Der Verfasser dieser kleinen Schrift kam unmittelbar nach der glorreichen Schlacht von Leipzig dahin, und hatte Gelegenheit, über dieses große Ereigniß an Ort und Stelle, durch die Bekanntschaft mit mehreren Generalstabs-Officieren der alliirten Armeen, viele, bisher noch nicht bekannte, Bemerkungen und Beiträge zu sammeln.

Diese übergiebt er hiermit anspruchslos seinen Zeitgenossen; sie sollen nichts seyn, als ein bloßer Beitrag zur künftigen ausführlichen Geschichte der Schlacht von Leipzig.

Was wir mit einem Gesammtnamen: die Schlacht von Leipzig, benennen, besteht eigentlich aus dem viertägigen Völkerkampfe vom 16ten bis 19ten October 1813, wo nach und nach fünf Armeen auf dem Wahlplatze erschienen, und wo endlich die gerechte Sache der Menschheit gegen verhaßte Tyrannie siegte. Durch das allmähliche Ineinandergreifen dieser Anfangs von verschiedenen Punkten sich nähernden fünf großen Heeresmassen, ist eine, allen mitkämpfenden Theilen genugthuende, Beschreibung dieser Schlacht eine schwere Aufgabe, deren Auflösung nach gänzlicher Waffenruhe den ausgezeichneten Köpfen des Generalstabs der vereinigten Armeen vorbehalten bleibt.

Gegenwärtige kleine Schrift, nur ein Beitrag zum Ganzen also, zerfällt in zwei Abtheilungen. In der Ersten: Wanderung nach Leipzig und über das Schlachtfeld, giebt der Verfasser die an Ort und Stelle niedergeschriebenen Bemerkungen in Briefen an einen Freund, die bloß dadurch nicht überflüssig erscheinen mögen, daß sie gleichzeitig mit möglichster Umsicht aufgefaßt, einige Localtöne dieses großen, zwar schauderhaften, aber für uns Deutsche doch so herrlichen Gemäldes wiederzugeben bemüht sind.

Alle Nachrichten und Beiträge, die der Verfasser aus officiellen Quellen und von kenntnißreichen Officiers, die der Schlacht beiwohnten, erhalten konnte, hat er nebst Benutzung der bis jetzt erschienenen Bulletins in der 2ten Abtheilung: Die Schlacht von Leipzig überschrieben, nach der Folge der Schlachttage aneinander gereiht, und die erläuternden Belege dazu in den angehängten sechs Beilagen geliefert.

Die eigenthümlichen, bisher noch nicht bekannten, Nachrichten, die in dieser 2ten Abtheilung enthalten sind, beschränken sich auf die Alliirte Haupt-Armee, unter dem Commando des Feldmarschalls Fürsten von Schwarzenberg, so wie auf die Armee von Polen, unter dem General Freiherrn von Bennigsen. Von der Schlesischen, so wie von der Nord-Armee gelang es dem Verfasser nicht, specielle Nachrichten einzuziehen, weswegen er bei diesen Armeen bloß die über ihre Operationen erschienenen officiellen Bulletins benutzen konnte.

Was den Schlacht-Plan betrifft, so wurde derselbe nach den vorhandenen besten Charten entworfen, und in Hinsicht des Terrains nach dem flüchtigen Entwurfe, von einem Generalstabs-Officier gütigst mitgetheilt, ergänzt. Der Verfasser bestrebte sich vorzüglichvorzüglich, so weit es die Kleinheit des Maßstabs erlaubte, die Operationen der alliirten Haupt-Armee, über deren Bewegungen er die meisten, bisher noch unbekannten Mittheilungen erhielt, darauf zu verzeichnen. Die Stellungen der Schlesischen, so wie der Nord-Armee sind nur im Allgemeinen angedeutet, da zu genauerer Bezeichnung noch speciellere Angaben erforderlich sind, als die in den beiden oberwähnten Bulletins enthaltenen. Deswegen begreift das Chärtchen auch nach Norden zu einen kleinern Raum als nach Süden.

Der Plan Taf. I. giebt diesemnach die Schlacht am 16tenOctober, so wie durch zwei allgemeine Linien ausgedrückt, die Stellung der Alliirten Haupt-Armee, so wie der Französischen am 17ten, wo auf dieser Seite Waffenruhe Statt fand.

Der Plan Taf. II. enthält die Schlacht am 18tenOctober, so wie die Stellungen am 19tenMorgens. — Zur Vergleichung sind die Positionen des 16ten auf dem zweiten Plan mit zwei Farben blaß colorirt, nämlich die Alliirten Stellungen violet, die französischen braun.

Der Verfasser glaubte diese etwas weitläufige Rechenschaft über seine Arbeit geben zu müssen, damit sie nach den verschiedenen Abtheilungen aus dem rechten Gesichtspunkte beurtheilt werden möge.

Noch muß derselbe die Titelvignette erläutern, auf welcher er die Idee zu einer Gedächtniß-Medaille auf die Schlacht von Leipzig aufzustellen wagt. Er dachte sich als Vorderseite: die vereinte Macht der vier verbündeten Monarchen (vier zusammengelegte Ritterhände) sprengt durch ihre geschleuderten Blitze die, Deutschland schmachvoll fesselnde, Kette. Die Unterschrift giebt die Erläuterung:

VINCULIS RUPTIS GERMANIA LIBERATA,

GALLIS LIPSIAE PROFLIGATIS.

(Nach gesprengten Fesseln wurde Deutschland frei, durch die Niederlage der Franzosen bei Leipzig.)

Auf der Kehrseite erblickt man den Genius der Humanität. Er hat in den Hainen von Leipzig an einer deutschen Eiche ein ehernes Schild aufgehängt, welches er kniend hält, und auf welches Klio die gefeierten Namen: Alexander, Franz, Friedrich Wilhelm und Carl Johann, als Weihe der dankbaren Mit- und Nachwelt gräbt.

Die Umschrift giebt das in Wien erschienene passende Chronodistichon 1813:

VICIT CONCCORDIA REGUM.

(Es siegte die Eintracht der Herrscher.)

Der untere Abschnitt enthält die Zeitbestimmung

XVI — XIX OCTBR. MDCCCXIII.

Großes hat die Eintracht der Herrscher bewirkt. Gott erhalte Sie, und segne Ihre fernern Schritte zum Wohl der Menschheit. Dieses wird mit mir jeder Deutsche an diesem Ersten Morgen eines mit den schönsten Hoffnungen beginnenden Jahres ausrufen !

W[eimar] den 1sten Januar 1814

Wanderung

nach

Leipzig und über das Schlachtfeld

Erster Brief

Zeitz, den 19ten October 1813

Ich schreibe hier aus dem Gasthofe zur Traube, wo wir diesen Abend in der Dunkelheit ankamen, Alles im kriegerischen Gewühl fanden, und von dem Wirthe als eine fremde Erscheinung angestaunt wurden, da wir seit sechs Wochen, wie er versicherte, die ersten friedlichen Reisenden waren, die bei ihm Logis nahmen.

Mancherlei Scenen wechselten am heutigen Tage, sie sind vielleicht Vorboten von noch wichtigeren, denen wir Morgen entgegen gehen.

Sie wissen, daß wir gestern in W[eimar] durch sichere Hand die Nachricht erhielten, daß Leipzig schon am 16ten mit Sturm von den siegreichen Alliirten genommen, und die französische Armee sich fliehend nach Magdeburg gewendet habe. Dieses bestimmte uns zur Abreise nach Leipzig. Wir verließen gestern Abend W[eimar] gegen Mitternacht. Die Nacht war schön, die Pferde gut, der Postillon rasch, unsere Phantasie mit dem stolzen Gefühl erfüllt, daß wir nicht mehr Rheinbündner, sondern wieder Deutsche geworden, so vereinte sich Alles, um uns schnell nach Eckartsberge zu bringen, wo das muntere Posthorn die vom Mondenlicht schauerlich beleuchtete alte Ruine frohlockend begrüßte.

In Eckartsberge schon fanden sich aber Schwierigkeiten. Der Postmeister erklärte: die Kösener Brücke sey von den Oesterreichischen Vorposten stark besetzt, und selbst des Nachts gesperrt, so daß Niemand dann passiren könne. Wir mußten daher bis zum Tages Anbruche warten, wo es weiter gieng; doch weder auf der Kösener Höhe, (dieser oft nicht genug beachtete Schlüssel der Saalposition,) noch im Thale an der Brücke, trafen wir Truppen. Diese hatten sich schon am vorigen Abend auf ihr Haupt-Corps nach Naumburg zurückgezogen. In Naumburg lebte Alles in der größten Spannung. Die früher erhaltene Nachricht, daß Leipzig schon am 16ten von den Alliirten genommen worden, bestätigte sich nicht. Im Gegentheil hörten wir bis Mittags gegen 1 Uhr eine heftige Kanonade gegen Leipzig hin. Es waren gestern Abend Meldungen eingegangen, daß sich ein retirirendes französisches Corps von Leipzig nach Weißenfels zöge, und einzelne Versprengte waren schon vorwärts erblickt worden. Deswegen hatte der Commendant von Naumburg, Major Graf Gatterburg, die bis Schulpforte und Kösen vorpoussirten Oesterreichischen Detachements an sich gezogen, und marschirte mit seiner Besatzung, welche aus fünf Compagnien Erzherzog Ludwig Infanterie und etwas Cavallerie, beides von der Division Murray des Giulayschen Corps, (welche Division die Saal-Gegend bei Naumburg und Weißenfels beobachtete,) bestand, sogleich vorwärts zu einer Recognoscirung gegen Weißenfels.

Noch war er nicht zurück, als wir diesen Morgen mit einer großen Volksmenge in Naumburg vor dem Thore nach Weißenfels an der Chaussee standen. Die Gefechte schienen sich zu nähern, denn vor unsern Augen wurden auf der ersten Anhöhe zehn bis zwölf versprengte Franzosen von den Kosaken und Oesterreichischen Dragonern gefangen genommen. Alles harrte mit banger Erwartung auf den Ausgang. Eine heransprengende Ordonnanz kündigte an, die Oesterreicher hätten die Franzosen zurückgedrängt, Graf Gatterburg werde mit den Truppen sogleich zurückkehren. Dieses geschah auch, er kam an der Spitze von leichter Infanterie, und wurde von den biedern Naumburgern, welche in den Oesterreichern, so wie in den Alliirten die längst ersehnten Befreier vom fremden Joche, welches eisern wie auf ganz Deutschland, so ganz vorzüglich auch auf Sachsen gelastet hatte, erblickten, jubelnd empfangen. Graf Gatterburg hatte durch zweckmäßig-genommene Stellungen das weitere Vordringen der Franzosen verhindert, und ihnen glaubend gemacht, daß ein starkes Corps entgegenstünde. Beruhigt kehrten jetzt Alle zur Stadt zurück. Bald darauf zog eine Abtheilung Preußischer Jäger und Kosaken ein. An ihrer Spitze ritt, mit zahlreichem Gefolge, ein Kosakenchef; sein Gepäcke trug ein Kameel, mit bunten Teppichen behangen, und Glöckchen verziert; das Ganze bildete eine malerisch-morgenländische Gruppe.

Entschlossen unsern Weg nach Leipzig fortzusetzen, wählten wir, da Weißenfels noch von den Franzosen besetzt war, nach dem Rathe des Postmeisters, den Weg nach Zeitz. Die Chaussee dahin geht bekanntlich eine Stunde von Naumburg bei dem Dorfe Wethau von der nach Weißenfels führenden Straße Rechts ab. Bis dahin trafen wir noch einzelne Truppen-Abtheilungen der Alliirten, welche noch mehrere Gefangene einbrachten.

Von Wethau bis Zeitz war die Straße vollkommen ruhig. Auf diesem Terrain hatten schon am 10ten October heftige Gefechte Statt. Der Feld-M. Lieut. Fürst Moritz Lichtenstein, welcher mit der ersten leichten Division sich mit dem Streif-Corps des Gen. Lieut. von Thielemann vereinigt hatte, sollte den Marsch des Marschalls Augereau, welcher mit 10,000 Mann Infanterie, und 3000 (aus Spanien kommende) alter Eliten-Cavallerie aus Zwickau durch das Saalthal zur französischen Haupt-Armee eilte, beobachten und möglichst aufhalten. Fürst Lichtenstein ließ deswegen in der Nacht vom 9ten das schon vom Feinde besetzte Dorf Wethau durch das 7te Jäger-Bataillon unter dem Oberst Veyder nehmen, und hielt dadurch den am 10ten mit seinem ganzen Corps von Naumburg in Schlachtordnung anrückenden Marschall Augereau bedeutend auf. Als aber die zahlreiche Cavallerie des Feindes die linke Flanke des Fürsten Lichtenstein umgieng, so zog sich dieser in bester Ordnung zurück, zuerst bis Stößen, dann bis Pretsch. Da entstanden mörderische Cavallerie-Gefechte, wo von beiden Seiten ruhmvoll gekämpft wurde, aber der Verlust auch ansehnlich war. Die Spuren dieser Gefechte waren zu beiden Seiten der Straße noch allenthalben sichtbar.

Die Chaussee endigte ungefähr eine Stunde vor Zeitz, die verdorbenen Wege hielten aber unsere Fahrt auf, und erst in der Dunkelheit kamen wir bei dieser Stadt an. Ringsum brannten die Wachtfeuer des Giulayschen Corps, welches hier größtentheils bivouacquirte. Wir waren an der angeschwollenen Elster, die Fuhrt war nicht zu wagen, doch glücklicherweise fand der Postillon eine militärische Nothbrücke, über die er uns, nicht ohne Gefahr, doch sicher brachte.

Die Brigade des General-Majors von Salins liegt hier in der Stadt, sie rückt noch diese Nacht in die Position von Teuchern, und wird die Franzosen, wenn sie durchbrechen sollten, kräftig empfangen.

Noch kann uns der Oesterreichische Commendant, von dem wir so eben kommen, nicht mit Gewißheit sagen, ob Leipzig in den Händen der Alliirten sey. Unsere Pässe sind weiter auf das Kais[erlich] Oesterr[eichische] Hauptquartier nach Rötha visirt worden, wohin wir Morgen früh abgehen.

Zweiter Brief

Leipzig, den 20sten October

Freuen Sie sich mit mir. Die gute Sache hat nach viertägigem blutigen Kampfe gesiegt. Die Franzosen sind total geschlagen, Napoleon flieht, und die Morgenröthe deutscher Freiheit ist angebrochen. Dank sey es der Eintracht der erhabenen Monarchen, so wie der Tapferkeit Ihrer Heere, welche diese Riesenschlacht ruhmvoll auskämpften. Die alten Fesseln sind zerbrochen, Deutschland wird sich ermannen, und wie ein neuer Phönix aus der Asche hervortreten.

Ich suche mich von den Schreckensbildern, die mich hier so eben umgaben, zu erholen, und mich zu sammeln, um das Tagebuch unserer heutigen Reise fortzuführen. Wir verließen diesen Morgen mit Tagesanbruche Zeitz, um über Pegau nach Rötha ins Oesterreichische Hauptquartier zu fahren. Zeitz und Pegau bilden jetzt die Sustentations-Basis der großen alliirten Armee; in Zeitz sind die Brodmagazine und übrigen Verpflegungen; in Pegau hingegen befinden sich die Reserve-Vorräthe für die Munition. In der ersten Stunde begegneten wir daher vielem Fuhrwerk, welches zwischen beiden Städten wechselte. Eine Stunde vor Pegau eröffnete sich aber ein neues, wirklich imposantes Schauspiel. Zu beiden Seiten der Chaussee lagerten die Russisch-Preußischen Garden und Grenadier-Reserven unter dem Großfürsten Constantin und dem General Miloradowitsch. Hier erfuhren wir zuerst mit Gewißheit die große Nachricht der glorreichen Schlacht. Diese Eliten-Truppen hatten sich gestern gleich vom Schlachtfelde hierher gewendet, um die fliehenden Franzosen in der linken Flanke zu beunruhigen. Während die ganze Gegend umher ein Lustlager der schönsten Truppen zu seyn schien, so kamen uns auf der Heerstraße die ersten Colonnen der Oesterreichischen Armee, das Colloredo’sche Corps, entgegen. Sie verfolgen den geschlagenen Feind, und suchen ihm über Zeitz, Jena und Weimar zuvorzueilen.

Die prächtigen Garde-Regimenter begrüßten aus ihren Bivouacqs die vorüberziehenden Cameraden mit ihren Musikchören, welches die defilirenden Oesterreicher mit schallender Feldmusik erwiederten. Cavallerie und Infanterie waren gleich kernhaft, vorzüglich zeichnete sich die vorüberfahrende russische reitende Artillerie, durch Bespannung und Mannschaft, aus. — Es war ein heiterer schöner Herbstmorgen; so weit das Auge reichte, war Alles mit jubelnden, theils ruhenden, theils vorüberziehenden Truppen bedeckt, es schien ein zusammenhängender Triumphzug zu seyn. Ich hätte das Talent eines Wouverman oder Rugendas haben mögen, um alle diese malerischen Lagerscenen bleibend aufzufassen.

In dem kleinen Städtchen Pegau war das Truppengewühl ungemein groß, man erwartete mit jedem Augenblick das große Hauptquartier unter dem Feldmarschall Fürsten Schwarzenberg. Der General von Langenau, welcher unter dem Chef des Generalstabs, dem Feld-M. Lieut. Grafen Radetzky, mit dem General Trapp die Leitung des Ganzen hat, war bereits angekommen. Da bei dem General von Langenau auch alle Pässe vorgezeigt werden müssen, so waren wir erfreuet, nun der Seitentour nach Rötha überhoben zu seyn. Unsere Pässe wurden noch in derselben Stunde visirt, und man hatte selbst die Güte, uns einen Erlaubniß-Schein auf Postpferde zu bewilligen.