Was ist nur mit Lukas los? - Margot H. Weiß - E-Book

Was ist nur mit Lukas los? E-Book

Margot H. Weiß

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Beschreibung

Die elfjährigen Sara und Lukas sind eng miteinander befreundet. Sie gehen in eine Klasse und wohnen in derselben Straße. Tischtennis ist ihre große Leidenschaft. In den Sommerferien zieht der vietnamesische Junge Kim in Lukas Haus. Sara bekommt den Auftrag, mit ihm Deutsch zu üben, was Lukas gar nicht passt. Die Probleme vergrößern sich, als Kim nach den Ferien in Sara und Lukas Klasse kommt und ebenfalls gut Tischtennis spielt. Ein Tischtennisausscheid zwischen mehreren Schulen ist angesagt, bei dem der ehrgeizige Lukas unbedingt gewinnen will. Wird der Ausscheid die Unstimmigkeiten zwischen den Jungen vergrößern?

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Was ist nur mit Lukas los?

Margot H. Weiß

WAS IST NUR MIT LUKAS LOS?

Engelsdorfer Verlag Leipzig 2012

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche

Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2012) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Coverfoto © Fotolia Mic-03 - Fotolia.com

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Die schönste Straße der Stadt

Ngan

Die Abschiedsfeier

Eine schwere Zeit für Ngan

Lukas, der Tischtennismeister

Kim

So eine Blamage!

Lukas benimmt sich komisch

Wo ist Fidschiland?

In der 5a

Wo ist Kims Wörterbuch?

Training für den Wettbewerb

Die Tennismeisterschaft

Weihnachtszeit

Kein Fidschiland in Asien

Das riesige Reiskorn

Die Amseln sind Frühaufsteher. Es war 4.00 Uhr, als Sara von der Amsel, die da irgendwo im Park auf einem hohen Baum saß, geweckt wurde. Sara ärgerte sich nicht wegen dieser frühen Zeit. Sie hatte Ferien. Dieser Gedanke gab ihr ein unbeschreiblich gutes Gefühl. Sie wusste, sie könnte jederzeit wieder unbesorgt einschlafen, brauchte keine Angst zu haben, die Zeit zu verpassen. Der Wecker zeigte off, auch er hatte Ferien. Bevor die Eltern mit dem Auto zur Arbeit fuhren, frühstückten sie so leise in der Küche, dass Sara nichts hörte. Sie gönnten ihr den Ferienschlaf. In der Schulzeit mahnte täglich der Wecker 6.00 Uhr. Das musste ja in den Ferien nicht sein. Die Amsel wusste von diesen Menschenproblemen nichts. Sie hatte ihre eigenen Sorgen. Da waren in der alten Spechthöhle der riesigen Trauerweide, die auf der Wiese im Hof des Wohnhauses stand, sechs hungrige Amseljunge zu versorgen. Sie bettelten piepsschreiend, wenn Vater oder Mutter Amsel mit einem Wurm im Schnabel in das kreisrunde Einflugsloch am dicken Seitenast schlüpften. Aber ein Wurm reicht nur für einen geöffneten Schnabel. Da muss man wohl schon sehr frühzeitig mit der Arbeit beginnen, um die kleine gierige Brut satt zu bekommen. Und spätabends, so gegen halb neun, flogen sie immer noch, beobachtete Sara einmal staunend. Sie lächelte vor sich hin, als ihr diese Gedanken kamen. Mit seinem schönen Lied wollte nun sicher der Herr Papa stolz allen Amseln im Umkreis anzeigen, dass er Nachwuchs zu versorgen hätte und gleich würde es losgehen mit der Nahrungsbeschaffung. Nur noch ein Lied. Ein wunderschönes Lied.

‚Eigentlich müssten wir das von diesem kleinen wundersamen Geschöpf lernen’, dachte Sara. Fröhlich den Tag beginnen, nicht ärgerlich, miesepetrig, wie man das halt als Mensch manchmal so macht. Ihr war der Tag schon morgens vergällt, wenn Minus, der Mathelehrer eine Arbeit angekündigt hatte. Mathe war nicht so ihr Ding. Nein, fröhlich mit einem Lied in den Tag gehen, so wie die kleine Amsel, dann wären bei der Mathearbeit vielleicht nicht diese lähmenden Angstgedanken, es könnte ja eventuell schief gehen, die logischerweise beim Denken störten. Mit einem Lied singt man sich vielleicht den Kopf frei.

Nun war die Amsel wieder ruhig, und Sara dachte daran, dass sie in ein paar Tagen mit den Eltern an die Ostsee fahren würde, an den Darß nach Ahrenshoop. Seit sie vor ein paar Jahren die nette alte Frau Sonntag kennenlernten, die seit dem Tod ihres Mannes ständig eine Wohnung ihres Hauses an Urlauber vermietete, fuhren sie regelmäßig in Saras Ferien nach Ahrenshoop.

„Ist das nicht langweilig?“, fragte einmal Theresa, ihreTischnachbarin in der Klasse.

Langweilig? Das hatte Sara noch nie empfunden. Sie freute sich jedes Jahr auf die Ferien in dem alten Haus mit dem Reed gedeckten Dach, das mitten in einem Meer von herrlich duftenden lila Apfelrosen lag. Von der Eingangspforte des Gartens bis zum Haus gab es nur einen engen Gehweg. Wenn ihn Frau Sonntag nicht ständig beschneiden würde, wäre auch er wohl bald von diesen Rosen überwuchert.

„Ein kleines Dornröschenschloss“, sagte Sara, als sie das Haus zum ersten Mal sah, verbesserte sich aber sofort, „na ja nicht echt, es sind ja keine Kletterrosen wie in dem Märchen, und ein Schloss ist es auch nicht gerade, aber schön trotzdem. Das waren doch Kletterrosen im Dornröschen?“

„Ich denke schon“, sagte die Mutter, „aber wunderschön ist dieses Häuschen allemal.“

Sie pflückte eine lila Blüte und roch daran.

„Was für ein Duft!“

Dann kam sie ihnen entgegen, diese ältere Frau Sonntag, freundlich, mit vielen Lachfalten, kurzen grauen Haaren und braungetönter Haut von der Ostseesonne. Sie wussten sofort, das wars, was sie brauchten. Keine kalte, wenn auch schöne Schlossfassade, kein besonderes Ambiente in einem komfortablen Hotel, ein ganz altes, einfaches reedgedecktes Haus inmitten von herrlicher Natur, von Leben erfüllt durch einen fröhlichen, guten Menschen, der sie herzlich willkommen hieß. Sara erinnerte sich an den Begrüßungstee aus Kräutern, auf dem vor dem Abgießen lila Rosenblätter schwammen, sodass auch der Tee in den Tassen duftete. Dazu reichte Frau Sonntag selbstgemachten Sanddornsirup zum Süßen.

„Sanddornfrüchte sind etwas ganz Gesundes durch den hohen Gehalt an Vitamin C. Im September, wenn die Früchte reifen, sammle ich soviel, dass der Sirup, denn ich daraus herstelle, ein Jahr für meinen Tee reicht.“

Der Tee schmeckte Sara und ihren Eltern köstlich. Die Zimmer waren klein, sparsam mit den notwendigen Möbeln eingerichtet, alt wie das Haus. Sara bekam eine winzige schräge Bodenkammer mit einem kleinen Dachfenster direkt unter dem Reeddach. Wenn sie durch das Fenster sah, konnte sie über den Apfelrosengarten blicken, über die Landstraße, die vor dem Grundstück vorbeizog, sogar über den Damm, auf dem an manchen Tagen eine Schafsherde weidete und weit, weit hinten war das Meer zu entdecken. Dabei war es eigentlich ziemlich nah. Ein Stück hinter dem Damm war eine dichtbewachsene Böschung mit Sanddorn und Apfelrosen, dann begannen schon die mit Schilfgras bewachsenen Dünen, die nicht betreten werden durften, um den Bewuchs nicht zu zerstören, der so wichtig gegen die Hochwassergefahr ist. Schilder wiesen auf die dazwischen liegenden Wege zum Strand hin, in denen man mit den nackten Füßen in dem feinen Ostseesand versank und nur langsam vorankam.

Der alte dunkelgrüne Bauernschrank, der die ganze Wandbreite einnahm, hatte gemalte Blumenornamente auf seinen Türen. Sara schienen es wieder diese Apfelrosen zu sein. Neben dem Bett mit den verschnörkelten Holzbeinen ein kleines Nachttischchen, das Sara gleich mit ihren wichtigsten Dingen wie dem Tagebuch füllte, dann ein Regal mit den gleichen Schnörkelbeinen wie das Bett und prall gefüllt mit Büchern, meist wohl aus der Kinder- und Jugendzeit von Frau Sonntag oder vielleicht gar von deren Mutter, denn die wohnte auch schon in diesem Haus. Sara blätterte gleich in einigen Büchern. Sie las viel. Aller vierzehn Tage holte sie sich aus der Bibliothek einige Bücher.

„Meine kleine Leseratte“, nannte sie der Vater manchmal. Und wenn sie sich abends im Bett den Schlaf fortlas: „Nun ist es aber genug, meine Leseratte.“

Dann bekam sie noch einen Kuss auf die Stirn, legte das Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte seufzend das Buch zu.

„Schade.“

Am liebsten mochte sie Geschichten, die von früheren Zeiten erzählten. Dann war sie mittendrin in diesen Jahrhunderten, fieberte mit den kleinen Helden der jeweiligen Epoche, und hätte ihnen gar zu gern bei ihren Entscheidungen mit ihrem heutigen Wissen geholfen. Aber sie wusste, solche Überlegungen waren falsch. Viele Erkenntnisse gab es damals noch nicht, und so waren die Handlungen der Menschen nur nachvollziehbar aus ihrer Zeit heraus. Was sich jedoch immer gleichte, waren die verschiedensten Seiten des Menschen. Seit Jahrtausenden gab es das Gute und das Böse, und das nicht nur schwarz und weiß, sondern in allen Facetten. Schon die uralten Märchen berichten davon. Da gab es stets hilfsbereite Menschen, egal ob arm oder reich. Stets gab es Mut, Feigheit, Falschheit, Hinterlistigkeit, und vieles entstand aus Neid und Hass oder Machtgierigkeit. Aber musste denn das immer so sein? Aus jedem Märchen, egal aus welchem Land, welches Volk es sich erzählt, spricht doch die Sehnsucht der Menschen nach Gerechtigkeit, nach dem Guten. Das Gute muss siegen. Sara überlegte, wie es wäre, wenn die böse Königin im Märchen „Die sieben Zwerge“ die Könistochter wirklich getötet hätte. Nein, das ginge nicht, da würde sich wohl jeder im Innersten auflehnen.

Als sie einmal mit Oma Doris darüber sprach, meinte diese: „In einem Volksmärchen wirst du immer die Sehnsucht der Menschen nach dem Guten finden.“

Oma Doris war die Mutter von Saras Vati . Sie las selbst viel, mit ihr konnte Sara über so etwas nachdenken.

„Hans Christian Andersen, der große schwedische Dichter, hat sein bekanntes Märchen von der kleinen Seejungfrau einmal anders enden lassen.“

Oma Doris sah Sara gespannt an, denn sie wusste, das war Saras Lieblingsmärchen.

Es war lange her, als Sara das Märchen las, aber es war nicht vergessen. Es lag nur tief verborgen unter anderen wichtigen Erinnerungen. Nun kramte sie es hervor, und ihr wurde bewusst, wie diese kleine Meeresprinzessin ihr selbst ganz nah war, als sie in ihrer großen Liebe zu dem Prinzen ihre wunderbare Stimme opferte und unsägliche Schmerzen für ihn aushielt. Er aber begriff es nicht in seiner Oberflächlichkeit und vergaß sie schnell. Sara las dieses Märchen immer und immer wieder und weinte mit der verlassenen Meeresjungfrau

„Siehst du“, sagte Oma Doris, „du hast geweint. Du wolltest, dass ihr Opfer einen Sinn hat. All das, was die kleine Prinzessin auf sich nahm, durfte doch nicht umsonst sein.“

Sara nickte nachdenklich.

„Im Grunde hast du damit auch diesem Märchen wieder den sehnsuchtsvollen Schluss der Menschheit gegeben: Das Gute muss doch eines Tages die Oberhand gewinnen. Ich denke, Hans Christian Andersen hat das weisheitsvoll genau so gewollt.“

„Aber wenn die Menschen im Grunde ihres Herzens doch eigentlich das Gute wollen, warum setzt es sich denn dann nicht endlich mal durch?“, fragte Sara.