Was unsere Kinder wissen müssen - Thomas Kerstan - E-Book

Was unsere Kinder wissen müssen E-Book

Thomas Kerstan

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Beschreibung

Von Abendlied bis Zahlenteufel: 100 Werke, die man kennen muss Seit Jahren wird bis zum Überdruss über Strukturen und Formendes Lernens gestritten. Das geht aber am Kern der Sache vorbei, erklärt Thomas Kerstan, Bildungsredakteur der ZEIT. Stattdessen muss wieder über die Inhalte diskutiert werden. Kerstan begreift Bildung als den Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält: Indem wir uns über das verständigen, was wissenswert ist, definieren wir zugleich die Leitplanken unseres Zusammenlebens. Hundert Werke, die unsere Kinder – und nicht nur die – kennen müssen, stellt Thomas Kerstan kurz und unterhaltsam vor. Hundert Werke aus Musik, Mathematik und Malerei, aus Literatur und Naturwissenschaft, aus Geschichte, Philosophie und Politik. Bücher sind ebenso darunter wie Filme, TV-Serien, Songs, Gemälde oder Fotos. Mit seinem Kanon öffnet Thomas Kerstan den Blick für die Breite der Allgemeinbildung. Er will dazu inspirieren, sich einmal auf die Relativitätstheorie einzulassen, ein Computerspiel kennenzulernen oder die Geschichte unseres Landes aus anderen Blickwinkeln zu entdecken. Oder ganz allgemein: Wissenslücken zu schließen. Und er lädt dazu ein, in Schulen, der Familie und mit Freunden darüber zu diskutieren, welche Bildung uns wichtig ist und was wir für eine gute Zukunft wissen müssen.

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Zurück zu den Inhalten! Warum wir neu über die Allgemeinbildung verhandeln müssen
Das nicht nur Schöne: Der künstlerisch-ästhetische Weltzugang
Die Geburt der Venus
Mona Lisa
David
Weihnachtsoratorium
Die Zauberflöte
Das Lied der Deutschen
Abendlied (Der Mond ist aufgegangen)
Der Wanderer über dem Nebelmeer
Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125
Das Rheingold
Schwarzes (suprematistisches) Quadrat
Der fallende Soldat
Guernica
Take the »A« Train
Johnny B. Goode
Manche mögen’s heiß
Psycho
Like a Rolling Stone
(I Can’t Get No) Satisfaction
All You Need Is Love
Der Pate
Die Legende von Paul und Paula
Krieg der Sterne
Kurz und schmerzlos
Minecraft
Vom Menschen erzählen: Der sprachlich-kommunikative Weltzugang
Ilias und OdysseeNacherzählt von Walter Jens
Die Tragödie von Hamlet, Prinz von Dänemark
Nathan der Weise
Das Lied von der Glocke
Faust. Der Tragödie erster Teil
Der zerbrochene Krug
Hänsel und Gretel
Buddenbrooks. Verfall einer Familie
Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
Ulysses
Der Prozess
Pu der Bär
Emil und die Detektive
Leben des Galilei
Die Pest
1984
Der alte Mann und das Meer
Die Blechtrommel
Hundert Jahre Einsamkeit
Die neuen Leiden des jungen W.
Der Name der Rose
Maus. Die Geschichte eines Überlebenden
Mutterzunge. Erzählungen
Harry Potter und der Stein der Weisen
Wer ist Wir? Deutschland und seine Muslime
Auf der Suche nach den Wurzeln: Der historisch-philosophische Weltzugang
Die Apologie des Sokrates
Die BibelWas man wirklich wissen muss
Selbstbetrachtungen
Utopia
Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?
Manifest der Kommunistischen Partei
Joseph FouchéBildnis eines politischen Menschen
Tagebuch der Anne Frank
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Zur Person: Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus
Doktor Schiwago
Der Archipel Gulag
Der kleine Unterschied und seine großen Folgen
Die Entmythologisierung der Wirtschaft.Grundvoraussetzungen ökonomischen Denkens
Wall Street
Wilde SchwäneDie Geschichte einer Familie
Schindlers Liste
Der lange Weg zur Freiheit
Geschichte eines DeutschenDie Erinnerungen 1914–1933
Was ist koscher? Jüdischer Glaube, jüdisches Leben
Geschichte des Islam
Das Leben der Anderen
Wir neuen Deutschen
Der Reibert. Das Handbuch für den deutschen Soldaten
Alles ist Zahl: Der mathematisch-naturwissenschaftliche Weltzugang
Vom Einmaleins zum Integral
Die Evolution der Physik
Die Wüste lebt
Die Physiker
Die Doppel-Helix
Der Teil und das GanzeGespräche im Umkreis der Atomphysik
Zeit des Erwachens
Das periodische System
Das egoistische Gen
Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft
Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman! Abenteuer eines neugierigen Physikers
Das ZiegenproblemDenken in Wahrscheinlichkeiten
Unser ökologischer Fußabdruck
Der Zahlenteufel
Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften
Roboter. Unsere nächsten Verwandten
Dinosaurier. Im Reich der Giganten
Onkel Wolfram. Erinnerungen
Eine unbequeme Wahrheit
Brennstoffzelle
Einer von uns: Der Homo sapiens
Total berechenbar?
Türen auf: Wie funktioniert ein Elektromotor?
Die Silicon Valley-RevolutionWie ein paar Freaks die Welt veränderten
Der blaue Planet
Anhang
Dank
Anmerkungen
Über den Autor
Impressum

Für Imke, Vincent und Christoph

Vorwort

Omnes omnia omnino. Alle alles in Rücksicht auf das Ganze lehren

Johann A. Comenius

Dieses Buch entspringt einer Hybris. Ich kann nur hoffen, dass Sie mir die meine verzeihen und Ihrerseits in fröhlicher Selbstüberschätzung zum Gelingen einer Aufgabe beitragen, die eigentlich unlösbar ist: herauszufinden, welche Bildung unsere Kinder brauchen, damit sie für ihr künftiges Leben gut gewappnet sind.

Zwar kennen wir so leidlich und aus unterschiedlichen Perspektiven die Welt von heute, doch bei der Welt von gestern wird es schon schwieriger: Wir sind auf Überlieferungen angewiesen, die zwangsläufig ein verzerrtes Bild zeichnen. Die Welt von morgen jedoch können wir nur erahnen. Insofern ist alles, was wir unseren Kindern beibringen, eine Wette auf eine Zukunft, die offen ist.

Das beginnt bei ganz fundamentalen Fragen: Wie zum Beispiel sollen unsere Kinder eigentlich schreiben lernen? Sollen sie Schreibschrift üben, vielleicht sogar Schönschrift, oder reicht die profane Druckschrift? Darüber wird unter Lehrern, Eltern und Experten immer wieder leidenschaftlich gestritten. Nun habe ich erlebt, wie unser jüngster Sohn in der Schule zusätzlich das Zehnfingersystem am Computer gelernt hat. Ich war zunächst skeptisch, aber seitdem tippt er seine Referate verdammt schnell in den Rechner. Wäre es vielleicht sogar sinnvoll, ging es mir durch den Kopf, das zum neuen Standard zu erheben? Gleichzeitig werden die Diktiersysteme immer leistungsfähiger; wer weiß, wie lange der Mensch noch umständlich Buchstaben in eine Tastatur tippen muss? Noch weiter gedacht: Wie ist es überhaupt um die Zukunft der Schrift bestellt, wenn wir uns jetzt schon über Voice-Mails und Skype verständigen können? Was, wenn wir Geräte durch Mimik, Gestik oder allein durch unsere Gedanken steuern können? Ist »Geräte steuern« künftig überhaupt noch das richtige Bild, oder verschmelzen wir zu einem gewissen Grade mit den Apparaten?

Sie merken schon: Wer in dieser Debatte einen Pflock einschlagen will, der spürt schnell, wie instabil der Grund ist. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als den Sprung ins Offene zu wagen, zu spekulieren, auszuprobieren, wohl auch übermütig zu sein. Zugleich zeigt der Streit um die Schreibschrift, wie stark die Kraft der Tradition in der Bildung wirkt. Schönschrift fördert die Feinmotorik, sie steht für Konzentration und Ästhetik. Wer etwas Neues will, der muss dieses Positive mitnehmen oder seinen Liebhabern eine attraktive Alternative bieten. Sonst wird er zu Recht scheitern. Die Tradition fest im Blick zu haben, ist auch deswegen sinnvoll, weil sie die vertrauten Muster liefert, auf die wir im Zweifel zurückgreifen. Sie ist der Anker, der uns Halt gibt, und sie liefert das Baumaterial, aus dem die Zukunft gestaltet wird.

Deshalb soll dieses Buch, dieser Kanon, das Alte, das Vorhandene versammeln, das unsere Kinder für morgen brauchen. Ich habe hier einhundert Bücher, Musikstücke, Gemälde, Filme, Gedichte und andere Werke zusammengestellt, die meines Erachtens jeder kennen sollte, von einer Kurzfassung der homerischen Epen über Chuck Berrys Johnny B. Goode bis zum Film Das Leben der Anderen.

Ich bin kein Erziehungswissenschaftler und kein Lehrplanexperte, sondern Journalist, der seit gut zwanzig Jahren das Bildungswesen beobachtet. Diesen Kanon habe ich als interessierter Bürger zusammengetragen, dem der Nachwuchs, dem die Schule, dem aber vor allem der Zusammenhalt der Gesellschaft wichtig ist. Und dort, in der Gesellschaft, nicht nur in Expertenzirkeln, muss die Debatte darum, was unsere Kinder (und wir selbst) wissen müssen, geführt werden. Dieser Kanon ist selbstverständlich kein Dogma. Aber er ist ein ernst gemeintes Angebot für einen gemeinsamen Grundstock der Allgemeinbildung. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere bewegte Gesellschaft dringender denn je eine gemeinsame Wissensbasis braucht – vor allem, um besser miteinander ins Gespräch zu kommen. Was genau dazu gehört, darüber lässt sich trefflich streiten. Dass aber ein klar umrissener Fundus nötig ist, das steht für mich außer Frage – warum ich davon überzeugt bin und wieso ich der Bildungsdebatte eine Rückkehr zu den Inhalten wünsche, möchte ich Ihnen im ersten Kapitel näher erklären.

Um einen Allgemeinbildungskanon, den ich nach vier unterschiedlichen Arten des Weltzugangs geordnet habe, wird es in den vier anschließenden Kapiteln gehen. Wenn ich Sie damit zum Nachdenken anrege, gern auch zum Widerspruch, dann freue ich mich. Nur langweilen sollen Sie sich nicht.

Viel Vergnügen beim Lesen!

Zurück zu den Inhalten!Warum wir neu über die Allgemeinbildung verhandeln müssen

Was sollen unsere Kinder eigentlich lernen? Mit diesem Buch möchte ich Sie dazu einladen, darüber einmal mit frischem Mut nachzudenken.

Wir brauchen eine lebendige Bildungsdebatte, denn die Welt sortiert sich gerade neu und lässt dabei auch die Schulen und Familien nicht außen vor. Damit der Diskurs nicht abstrakt und blutleer wird, habe ich zum Anfüttern einen Kanon aus einhundert Büchern, Filmen und Kunstwerken zusammengestellt: Werke, die ich für die Grundlage einer modernen Allgemeinbildung halte.

Damit möchte ich einen Gedankenaustausch anregen, der sich um Inhalte dreht statt um Strukturen; der Freude bereitet, weil er nach vorn gerichtet ist. Denn ehrlich gesagt ist mir die deutsche Bildungsdebatte oft zu miesepetrig und alarmistisch. Nein, unseren Kindern droht keine »Erziehungskatastrophe«, die Politik fährt auch nicht die »Bildungsrepublik gegen die Wand«, und unsere Schulen sind keine »Lernfabriken, die die Kreativität töten« – auch wenn es Bücher mit derart steilen Thesen immer wieder auf die Bestsellerlisten schaffen.

Es gibt an den Schulen wahrlich viel zu kritisieren, auch an den Eltern und meinetwegen den Kindern, aber in seiner überwältigenden Mehrheit landet der Nachwuchs erfolgreich im Beruf, gründet Familien, ist weltoffen und steht treu zu den demokratischen Werten und Normen, wie sie im Grundgesetz verankert sind. Wenn morgens um acht im ganzen Land die Schulglocken klingeln, dann wird damit nicht der Untergang des Abendlandes eingeläutet. Stattdessen beginnt ein überwiegend lehrreicher Tag für die gut acht Millionen deutschen Schülerinnen und Schüler. Dass unser Land ökonomisch und politisch vergleichsweise gut dasteht, verdankt es auch den oft gescholtenen Familien und Schulen.

Auf dieser Grundlage können wir ganz gelassen, aber hoffentlich dennoch engagiert, über die Allgemeinbildung für morgen nachdenken. Bevor ich Sie mit meinem Kanon bekannt mache, möchte ich Ihnen in zehn Thesen darlegen, welche bildungspolitischen Überlegungen ihm zugrunde liegen:

Erstens: Schluss mit dem öden Streit um Strukturen!

Seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten kreist die deutsche Bildungsdebatte um Strukturen, um Formales, um Äußerlichkeiten. Wie öde und wie nutzlos! Brauchen wir Gesamtschulen? Oder fördert die Aufteilung auf Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien Kinder besser? Darüber wurde Ende des vergangenen Jahrhunderts zwischen Union und SPD erbittert gestritten, und in abgeschwächter Form wird diese Debatte noch heute fortgesetzt. Die Existenz des Gymnasiums wird zwar von keinem ernst zu nehmenden Politiker mehr infrage gestellt, aber eine Volksabstimmung über die Frage, ob die Hamburger Kinder sechs statt vier Jahre gemeinsam die Grundschule besuchen sollen (»länger gemeinsam lernen«)*, hat noch vor wenigen Jahren die schwarz-grüne Regierung weggefegt. Und ob nun neben den Gymnasien Gemeinschaftsschulen, Realschulen, Oberschulen oder was auch immer existieren sollten, darüber streiten sich die Parteien weiterhin. Dabei haben Bildungsforscher wieder und wieder nachgewiesen, dass die Schulform kaum Einfluss darauf hat, wie gut die Schüler lernen. Viel wichtiger für deren Leistung sei die Qualität des Unterrichts und also die Qualität der Lehrer. Wie Studien zeigen, ist an den Schulen das Unsichtbare wichtiger für den Lernerfolg der Schüler als das Sichtbare. Was tragischerweise ein Problem für Politiker ist: Wie soll man über das Wichtige streiten, wenn es unsichtbar ist?

Umso freudiger stürzten sich die Parteien (und zwar in jedem Bundesland unterschiedliche) in den Landtagswahlkämpfen auf ein Schulthema, das man sehen und anfassen kann: die Rücknahme der Gymnasialzeitverkürzung (G8) – nachdem sie sie vorher in fast allen westdeutschen Ländern einträchtig eingeführt hatten. Auch dies übrigens gegen den Rat der meisten Bildungsforscher, die keinen Leistungsunterschied zwischen den G8- und G9-Schülern feststellen konnten. Eigentlich wäre die Einführung von G8 vor ein paar Jahren ja der perfekte Anlass für eine große inhaltliche Debatte gewesen. Was gehört denn nun zum Kerncurriculum? Welche Themen sind nicht so wichtig und können aus dem Lehrplan gestrichen werden? Welche neuen Entwicklungen müssen aufgegriffen werden? Stattdessen wurde in den meisten Ländern die Reform vermurkst und das G9-Pensum einfach in acht Jahre gestopft. Über Inhalte wird nur alle Jubeljahre diskutiert, wenn ein Thema mit Skandalisierungspotenzial aufblitzt, wie beim Streit um die Toleranz für sexuelle Vielfalt im Bildungsplan in Baden-Württemberg.

Auch das große Streitthema der Hochschulpolitik, der sogenannte Bologna-Prozess, machte sich an einer formalen Veränderung fest: die Umwandlung der Diplom- und Magisterstudiengänge in zweistufige Bachelor- und Masterstudiengänge. Ein wichtiges Ziel dieser Reform war es, die Lehre zu verbessern, weniger Studenten ohne Abschluss von der Uni ziehen zu lassen. Auch hier hätte die große Chance darin gelegen, grundlegend über die inhaltliche Gestaltung der Studiengänge nachzudenken. Stattdessen haben auch hier viele Professoren die von ihnen gehasste Reform gequält umgesetzt und vielerorts nur den alten Wein in neue Schläuche gefüllt.

Man reibt sich die Augen, wenn man gewahr wird, dass bei diesen aufwendigen Reformen und aufwühlenden Debatten die Lehrinhalte nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Und das beim Thema Bildung, dessen Bedeutung in jeder Sonntagsrede betont wird! Das muss sich ändern.

Zweitens: In Zeiten von Google Co. ist Wissen wichtiger denn je

Es ist ein gängiger Irrglaube, dass in Zeiten von Suchmaschinen wie Google das Wissen weniger wichtig sei als früher. Von wegen. Wie soll denn jemand, der nichts von der Französischen Revolution weiß, danach googeln, wer sie anführte? Wer beim Silicon Valley an Silikon statt an Silizium denkt, für den kann es richtig peinlich werden. Und wer Mittelwert und Median nicht unterscheiden kann, der ist mit kruden Statistiken leicht hinter die Fichte zu führen. Nur wer über ein solides Wissensgerüst verfügt, der kann sich aus der Nachrichtenflut das Wichtige und Richtige herausfischen, der kann neue Erkenntnisse einordnen und vermag die richtigen Fragen zu stellen.

Deshalb gehört die Vermittlung von Wissen oder von »Stoff«, um das böse Wort zu benutzen, zu den Kernaufgaben der Schule, und auch Familien haben einen wichtigen Anteil an der Wissensvermittlung. So schön das bildungsromantische Bonmot »Gute Lehrer unterrichten keine Fächer, sondern Kinder« auch klingt – die verbreitete Denkweise, Stoff, Wissen und Kenntnisse des Fachs seien sekundär, hat einigen Schaden unter den Kindern angerichtet. Inzwischen belegen mehrere Studien, dass die Schüler bei Lehrern, die ihr Fach beherrschen, einfach mehr lernen. Fachfremder Unterricht ist als eine Ursache schlechter Schülerleistungen inzwischen diagnostiziert. Das Fachstudium muss also für Lehrer aller Schularten einen höheren Stellenwert bekommen.

Nun macht gerade ein neues Wort die Runde, nicht in der Öffentlichkeit, aber unter Fachdidaktikern, Schulpolitikern und Kultusbeamten. Das Wort lautet: Kompetenzorientierung. Fächerübergreifend hat es schon Einzug in die Lehrpläne der Republik gehalten. Es ist eine Reaktion unter anderem auf die Pisa-Studie, mit der die Leistungen der Schüler international verglichen wurden. Die Studie zeigte unter anderem, dass die deutschen Schüler zwar über ein relativ gutes Fachwissen verfügten, aber dieses Wissen nicht optimal in der Praxis anwenden könnten. In Mathematik etwa können sie die Koordinaten eines an einer Gerade gespiegelten Dreiecks angeben, sind aber nicht so fit wie andere darin, anhand eines Grundrisses die Quadratmeterzahl einer Wohnung zu berechnen. Grob gesagt (liebe Wissenschaftler, bitte einmal wegschauen!): Sie wissen viel, aber sie können nicht so viel. Deshalb soll nun an den Schulen mehr auf das Können Wert gelegt werden. Ganz praktisch sieht man das Prinzip beim Englischunterricht: Während früher mehr Grammatik gepaukt wurde, steht heutzutage das Sprechen im Mittelpunkt. Nur wird dadurch die Wissensvermittlung nicht unwichtiger, denn die geforderten Kompetenzen umfassen eigentlich das Wissen und das Können. Wer gut Englisch sprechen will, der kommt halt ums Vokabelnpauken nicht herum. Oder, mit den Worten eines Mathematikdidaktikers: »Kompetenz ohne Fachwissen ist wie Stricken ohne Wolle.«

Wer sich des Beifalls sicher sein will, der sagt mit möglichst großer Geste, dass wir den Kindern »mehr als Wissen« beibringen müssen. Erst kürzlich sah ich in der Tagesschau einen Auftritt von Jack Ma, dem Chef des chinesischen Digitalriesen Alibaba. Wenn unsere Kinder den Kampf gegen die Maschinen gewinnen sollen, sagte er, dann müssten die Lehrer aufhören, ihnen lediglich Wissen zu vermitteln. Kinder sollten etwas Einzigartiges lernen: »Werte, Überzeugung, unabhängiges Denken, Teamwork, Mitgefühl«. Das sei nicht über Wissen vermittelbar. Stattdessen sollten die Kinder in Sport, Musik und Malerei ausgebildet werden. So stellten wir sicher, dass Menschen anders blieben als Maschinen und nicht von ihnen abgelöst würden. Sicher ist an dieser Mahnung etwas dran. Ich sehe nur, zumindest für Deutschland, die Gefahr, dass durch die regelmäßigen »Mehr als Wissen vermitteln«-Appelle die Wissensvermittlung an Ansehen und Bedeutung verliert. Mit Stricken ohne Wolle werden wir den Wettbewerb mit den Maschinen sicher auch nicht gewinnen. Deswegen ist mir wichtig zu betonen: »Mehr als Wissen« lernen die Kinder nur auf der Basis eines soliden Wissens. Wissen ist die Grundlage für die Steigerungsform »mehr als Wissen«.

Drittens: Wir sind ein Volk – in einer neuen Welt

Kein noch so solides Wissensgerüst hält für die Ewigkeit. Sicher, an Gemälden des Renaissance-Stars Sandro Botticelli erfreuen sich Menschen schon seit Jahrhunderten, und auch die Hauptsätze der Thermodynamik werden wohl weiterhin Bestand haben. Aber es gibt einige Werke und Erkenntnisse aus den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten, die neu entdeckt und bedacht werden müssen, um kaum absehbaren Entwicklungen gerecht zu werden und unsere Welt besser zu begreifen. Die Globalisierung zum Beispiel erfordert es, uns intensiver mit den Kulturen anderer Länder zu befassen, die für uns an Bedeutung gewinnen. Nur so können wir uns in unserer Welt verorten und begreifen; nur so können wir aber auch gefährliche Konflikte verstehen und entschärfen. Die Einwanderung von Arbeitsmigranten, Flüchtlingen und Asylberechtigten – sie zwingt uns dazu, uns mit dem kulturellen Hintergrund jener zu befassen, die neu in unserem Land sind, die es bereichern, aber auch belasten können. Es ist doch verrückt: Erst mit der Pisa-Studie Anfang des Jahrtausends wurde für alle manifest, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, denn erstmals wurde mit dieser Studie der Migrationshintergrund der Schüler genau erfasst. Erst seit dem Jahr 2005 werden die entsprechenden Daten dann auch im Mikrozensus erhoben, der jährlichen Minivolkszählung. Wir haben also reichlich Nachholbedarf, uns als Einwanderungsland einzurichten, weil diese Tatsache vielen Menschen erst spät bewusst geworden ist. Mit der sogenannten Flüchtlingskrise hat das Thema noch einmal an Dramatik gewonnen. Und es wäre naiv zu glauben, dass der Druck in den kommenden Jahren abnehmen wird.

Und so, wie wir Alteingesessenen uns mit der Kultur der Neuen befassen sollten, müssen auch unsere neuen Mitbürger die Möglichkeit haben – und sie haben meines Erachtens auch die Pflicht dazu –, sich mit den Grundpfeilern unserer Kultur zu beschäftigen. Sie sollten sie möglichst (und von uns unterstützt) schätzen lernen und nach und nach auch als die ihre annehmen – wobei natürlich auch die Kultur der Neuen ihrerseits auf unsere Kultur abfärbt. Dieses gegenseitige Kennenlernen wird nicht ohne Konflikte verlaufen. Wichtig sind dabei gegenseitiger Respekt und die Anerkennung, dass die im Grundgesetz verankerten Werte und Normen für alle der Maßstab sind. Nicht zuletzt sind wir alle gut beraten, uns unserer nationalen Identität in einem geeinten Europa und einer bewegen Welt zu vergewissern. Wie schwierig das ist, zeigt sich auch darin, dass unser Land nach fast dreißig Jahren die Wiedervereinigung noch nicht verdaut hat. Ost- und Westdeutsche haben noch immer einen Nachholbedarf im gegenseitigen Kennenlernen. Wer sich seiner eigenen kulturellen Wurzeln nicht bewusst ist, der kann nicht standfest und tolerant dem Neuen und Fremden gegenüber auftreten. Wir merken ja gerade, wie wir mit einigen europäischen Nachbarn und der Welt fremdeln (und sie mit uns) und wie auch in unserem Land politisch einiges ins Rutschen kommt. Es wäre fahrlässig, wenn wir nicht alles täten, um jederzeit festen Boden unter den Füßen zu behalten.

Viertens: Programmierkenntnisse reichen nicht, um die Digitalisierung zu meistern

Das Thema ist so wichtig, und doch mag man das Wort inzwischen nicht mehr hören: Digitalisierung, manche sagen auch, was ich schöner finde, digitaler Wandel. Klar ist, dass die digitale Technik die Unternehmen, die Wissenschaft und unsere ganze Gesellschaft umkrempeln wird. Dabei teile ich die Einschätzung des amerikanischen Zukunftsforschers Roy Amara: »Wir neigen dazu, die Wirkung einer Technologie kurzfristig zu überschätzen und auf lange Sicht zu unterschätzen.« Das Computerzeitalter hat ja gerade erst begonnen, es ist noch in seiner Frühphase. Und bedenken wir, welche Beben etwa das Internet schon ausgelöst hat oder wie Smartphones und die sogenannten sozialen Netzwerke bis in unser Privatleben, in Familien und Partnerschaften hineinregieren. Da erscheinen mir viele Vorschläge, wie die Schulen der Digitalisierung begegnen sollen, läppisch. Gegen den Einsatz von mehr digitalen Medien im Unterricht ist nichts einzuwenden, aber dazu gehört nicht nur eine zeitgemäße technische Ausrüstung (und wer sich den Computerschrott in den Kellern vieler Schulen anschaut, der weiß, wie schnell die veraltet), dazu gehören vor allem vernünftige pädagogische Konzepte. Auch die Forderung, Programmiersprachen zu unterrichten, greift zu kurz. Sicher ist es wichtig, eine Grundidee vom Aufbau eines Computerprogramms zu bekommen. Und sicher ist übers Programmieren ein unkomplizierter Zugang zur neuen Technik möglich, kann sogar, was ich toll fände, Begeisterung und Leidenschaft dafür wecken. Aber das allein reicht nicht: Vor allem muss die Digitalisierung der Bildung unsere Kinder auf die Digitalisierung der Welt vorbereiten. Dazu müssen übers Programmieren hinaus wichtige Konzepte der Informatik gelehrt werden, wie die Berechenbarkeits- oder die Komplexitätstheorie, um eine Idee von den Möglichkeiten und Grenzen von Computern zu bekommen. Noch interessantere Fragen stellen sich jenseits der Informatik: Nehmen uns die Roboter dereinst die Arbeitsplätze weg, und wenn ja, welche Alternativen zur Erwerbsarbeit gibt es? Was macht eigentlich im Kern den Menschen aus, wenn die Künstliche Intelligenz sich so rasant weiterentwickelt? Wer trägt die Verantwortung, wenn ein selbst fahrendes Auto einen Menschen überfährt? Wie schützen wir unsere Privatsphäre? Diese Fragen gehören auch in den Philosophie-, Wirtschafts- und Politikunterricht. Sicher ist, dass sich bald noch ganz andere, grundlegende und komplexe Fragen stellen, wenn sich etwa die Power der Gentechnik mit der der Informatik vereint: Was ist das Leben? Wer darf es schaffen? Wer darf es in welchen Grenzen manipulieren?

Sicher ist, dass der digitale Wandel unser Leben gründlich verändern wird. Aber wer weiß, welche Überraschungen uns in diesem Jahrhundert noch erwarten? Wer hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts denn die Idee, es könnte so etwas wie Computer geben? Niemand. Auch um sich auf die Überraschungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten, ist es gut, den inneren Kompass immer wieder neu zu kalibrieren.

Fünftens: Mathematik gehört zur Kultur

Es ist schon erstaunlich, was für ein gestörtes Verhältnis unsere geistige Elite zur Mathematik hat. Allen Ernstes hat es der Englischprofessor Dietrich Schwanitz fertiggebracht, in seinem (durchaus anregenden und unterhaltsamen) Buch Bildung. Alles, was man wissen muss die Mathematik, wie auch die Natur- und Technikwissenschaften, außen vor zu lassen. Mit einer Fünf in Mathe lässt sich in vielen halbgebildeten Kreisen sogar prahlen, deren Hochmut aber zu spüren bekommt, wer sich in der deutschen Klassik nicht zu Hause fühlt. Die Ästhetik der Mathematik, aber auch ihr Beitrag zu den kulturellen Leistungen von Naturwissenschaft und Technik werden von vielen Menschen ignoriert. Dass der Ausschluss der Mathematik aus der Sphäre der Kultur »einer Art von intellektueller Kastration gleichkommt, scheint niemand zu stören«, diagnostiziert der mathematikbegeisterte Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger. Dabei wären weder die Wunderwerke der Renaissance noch die revolutionäre Entwicklung der Relativitätstheorie ohne sie denkbar. Ganz zu schweigen vom digitalen Wandel, den wir gerade erleben, sind doch Computer, Netze und Programme im Wesentlichen vergegenständlichte Mathematik. Oder denken wir an die merkwürdigen Finanzprodukte, die mithilfe komplizierter mathematischer Modelle entwickelt wurden und die Welt in eine schwere Finanzkrise gestürzt haben. Oder an die komplizierten Berechnungen, die zur Erforschung des Klimawandels nötig sind.

Vollkommen zu Recht legen Schule und Gesellschaft großen Wert auf das Fremdsprachenlernen, weil jede Sprache ein Fenster zur Welt ist. So eine Sprache ist aber auch die Mathematik. Eine mit einem interessanten Geheimnis, denn mit Albert Einstein können wir uns fragen, wie die Mathematik als Produkt des menschlichen Denkens so wunderbar zu den wirklichen Dingen passt. Ohne Mathematikkenntnisse können wir weder die Natur enträtseln noch die Welt von morgen bauen. Deshalb brauchen wir in Schulen und Familien einen selbstverständlichen Umgang mit der Mathematik. Und müssen dieses Fenster zur Welt endlich für alle öffnen.

Sechstens: Ein Hoch auf die Laberfächer!

Politik, Geschichte, Sozialkunde, Religion und Philosophie werden gern als »Laberfächer« bespöttelt. Und es stimmt ja leider, dass man sich als aufgeweckter Jugendlicher vielerorts ohne Fleiß, ohne scharfes Nachdenken und präzise Argumentation durch solche Fächer durchmogeln kann, ohne den Stoff in der Tiefe zu begreifen. Vielleicht täte es den Fächern gut, wenn die Anforderungen dort erhöht und sie dadurch ernster genommen würden. Denn wichtig sind sie wie nie zuvor. Sie bieten den Raum, in dem über die Entwicklungen unserer Zeit reflektiert wird, wo sie in die Geschichte der Gesellschaft, der Wissenschaft und der Gedanken eingeordnet werden. Wo das Abwägen zwischen politischem Pragmatismus und moralischem Fundament gelernt werden kann. Wo über die Folgen des menschlichen Handelns in Wirtschaft und Technik nachgedacht wird. Wo systematisch über Werte und Normen diskutiert wird. Wo gelernt wird, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und daraus Konsequenzen fürs persönliche Handeln zu ziehen.

Es wäre schön, wenn dadurch auch der Wunsch bei noch mehr jungen Leuten geweckt würde, sich politisch und sozial zu engagieren und die politische Freiheit in unserem Land zu verteidigen. Auch dem Einigeln in den Echokammern der sozialen Netzwerke könnte man so begegnen. Je unübersichtlicher die Welt wird und je mehr sie in Bewegung ist, desto wichtiger ist es, sich immer wieder neben sie zu stellen und zu überlegen, was dort eigentlich geschieht. Und zwar nicht naiv, sondern mit geschichtlichem Wissen und geschultem Geist. Dazu gehört auch die Vermittlung eines soliden ökonomischen Grundwissens.

In einem vergleichbaren Sinne gilt das auch für die oft vernachlässigten Fächer Kunst und Musik: Wenn der Weg ins Offene geht, dann sind grenzenlose Kreativität und die Fähigkeit, sich künstlerisch ausdrücken zu können, enorm wichtig. Für den Einzelnen, aber auch für die ganze Gesellschaft.

Siebtens: Büffeln für die Gerechtigkeit

Unser Bildungssystem ist sozial ungerechter, als es sein müsste. Viele Schulstudien zeigen, dass die Leistungen der deutschen Schüler im internationalen Vergleich stärker von ihrer sozialen Herkunft abhängen. Das bedeutet, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien weniger Chancen auf eine gute Bildung haben als jene aus bessergestellten Elternhäusern. Das ist nicht nur ungerecht, es verschärft auch die sozialen Spannungen, und die Wirtschaft bekommt dadurch weniger der dringend benötigten Fachkräfte. Nun kann man das nicht in erster Linie der Schule anrechnen, wie es ungerechterweise oft geschieht. Viele Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Weichen dafür schon in der Vorschulzeit gestellt werden. Aber die Schule sollte zumindest versuchen, der Ungerechtigkeit entgegenzuwirken, indem sie Arbeiter- und Einwandererkinder stärker fördert. Das funktioniert aber nicht, indem man aus falsch verstandener Fürsorge die Latte der Anforderungen niedriger hängt. Im Gegenteil. Eine der großen Überraschungen der ersten Pisa-Studie war, dass in Bayern nicht nur die Schüler aus Mittel- und Oberschichtfamilien spitze waren; das war allgemein erwartet worden. Aber auch die Arbeiter- und Einwandererkinder zeigten dort bessere Leistungen als vergleichbare Mitschüler etwa in Hessen und Nordrhein-Westfalen, Ländern also, die sich das Fördern der Schwächeren auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Offensichtlich fördert das Fordern von Leistung, wie es in Bayern Standard ist, die Kinder mehr als der Verzicht auf sie. Nicht aus vermeintlichen Gerechtigkeitsgründen das Niveau zu senken, sondern Anstrengung zu fordern, ist also die richtige Antwort auf die soziale Ungerechtigkeit des Bildungssystems.

Achtens: Bildung ist Luxus, aber ein notwendiger

Bei Bildung darf nicht immer gefragt werden: Wofür? Was bringt mir das? Welchen Nutzen hat das? – Bildung ist viel mehr und kann nicht auf ihre Verwertbarkeit reduziert werden. Und Bildung ist bei Weitem nicht allein Aufgabe der Schule, die kann höchstens etwas dazu beitragen. Sie ist vor allem ein höchst individueller Prozess der persönlichen Entwicklung; vielleicht ist sie eben darum auch kaum eindeutig zu definieren. Mir gefällt in seiner Vagheit das Bonmot »Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn ich vergessen habe, was ich in der Schule gelernt habe«.

Bildung ist ein Luxus, aber ein notwendiger, der den Menschen erst zu seiner vollen Entfaltung bringt. So hat nach meinem Dafürhalten der Unterricht in Latein und Altgriechisch durchaus einen berechtigten Platz im gymnasialen Lehrplan. Er muss sich nicht durch Nützlichkeitserwägungen rechtfertigen. Sich systematisch mit etwas Schönem, aber vielleicht Unnützem zu befassen, das kann das Gefühl bestärken, sich im Kosmos der Bildung zu bewegen. Vielleicht nur zur eigenen Erbauung, warum denn nicht? Im besten Fall im geistvollen Austausch mit anderen. Die Saiten, die dabei in einem zum Schwingen gebracht werden, mögen einem später nützen oder auch nicht, aber man hat sie zumindest einmal gespürt. Das fördert den Charakter, die Persönlichkeitsbildung, das Finden eines eigenen Weges.

Ich möchte die Debatte um den Bildungsbegriff hier nicht in extenso führen. Meist überbieten sich dabei die Diskutanten, und die Latte wird höher und höher gelegt. So lange, bis die meisten nur noch darunter hindurchgehen können. Ich finde das wenig ersprießlich und formuliere lieber handhabbare Ziele. Überdies wäre die Ablehnung nicht verwertbaren Wissens meines Erachtens genauso falsch wie die Schmähung verwertbaren Wissens. Schließlich trägt die spätere Anwendung des Wissens in Studium und Beruf (dort sogar ganz schnöde im monetären Sinne) ja auch zur Entwicklung, nennen wir es ruhig Bildung, des Menschen bei. Es wäre doch ein absurder Gedanke, den Nachwuchs zwanzig Jahre lang zur Schule und auf die Hochschule zu schicken, ohne dass der daraus einen Nutzen zieht. Man könnte jetzt ganz banal sagen: Die Mischung macht’s. Ja, und genauso einfach möchte ich das auch stehen lassen.