Wenn Worte fehlen – Symbole als Dolmetscher -  - E-Book

Wenn Worte fehlen – Symbole als Dolmetscher E-Book

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Beschreibung

EIN HANDBUCH FÜR DIE THERAPEUTISCHE ARBEIT MIT SYMBOLEN ALS METHODE DER INTERVENTION In der PSYCHOSOZIALEN ARBEIT trifft man oft auf Menschen, die für das, was sie erlebt haben und was sie fühlen, KEINE WORTE FINDEN. Hier reicht Sprache allein nicht aus. Es braucht mehr, um Ausdruck und Verstehen zu fördern und Lösungen zu entwickeln. SYMBOLE werden in diesen Situationen zu DOLMETSCHERN UND GEBURTSHELFERN FÜR NEUE IDEEN. Die den KlientInnen und Gruppen angebotenen Symbole sind im wörtlichen und übertragenen Sinne begreifbar. Veränderung wird sichtbar und wahrnehmbar, "Handwerk" geht hier über "Mundwerk". Klienten und Gruppen arbeiten über lange Phasen selbständig, ohne dass der Berater oder Therapeut eingreift. Sie beginnen selbstbestimmt, sich mit ihrem Problem auseinanderzusetzen und Lösungen zu entwickeln. So ist von Beginn an immer auch gewährleistet, dass sie ihren Selbstwert erleben. In diesem Buch finden die LeserInnen eine Fülle von INTERVENTIONEN MIT SYMBOLEN FÜR THERAPIE, BERATUNG, ARBEIT MIT TEAMS UND PÄDAGOGIK, die es ermöglichen, differenziert und schnell zu intervenieren. Behandelt werden die Bereiche "Biografiearbeit und Lebensplanung", "Emotionen und Gefühle", "Kommunikation", "Identität – Wer bin ich?", "Werte" und "Innere Bilder nach außen kehren". Zudem werden die Grundlagen der Arbeit mit Symbolen beleuchtet.

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Wilfried Schneider (Hrsg.)

Wenn Worte fehlen – Symbole als Dolmetscher

Wilfried Schneider (Hrsg.)

Wenn Worte fehlen – Symbole als Dolmetscher

Ein Praxisbuch für Therapie, Beratung, Begleitung von Teams und Pädagogik

Mit Beiträgen von 33 Autorinnen und Autoren

 

 

© 2019 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.studienverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilmoder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oderunter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7065-6006-1

Buchgestaltung nach Entwürfen von himmel. Studio für Design und Kommunikation, Innsbruck/Scheffau – www.himmel.co.at

Umschlag: Studienverlag/Roland Kubanda nach einem Entwurf von Angela Schöttler-Labenz

Satz: Studienverlag/Roland Kubanda

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlungoder direkt unter www.studienverlag.at

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil I Grundlagen zur Arbeit mit Symbolen

Zur Entstehung des Handwerkszeugs und der Arbeitsweise

Was ist ein Symbol und wie wirkt es?

Was können Symbole und die Zugänge?

Materialien für die Arbeit mit Symbolen

Symbole – Emotionen – Erinnern

Ähnlichkeiten und Verwandtschaften

Wo und wann ist die Arbeit mit Symbolen geeignet?

Die Bandbreite und Vielfalt der Symbole

Techniken und Grundlagen

Arbeitsschritte – Handwerk geht vor Mundwerk

Schritte zum aufrechten Gang

Ungeordnete Gedanken zur Haltung und zum Tun

W-Fragen

Teil II Interventionen zur Biografiearbeit

Therapiekoffer 4: Straßen und Symbole

Die Straßen

Die Einführung für Klienten beim Legen ihrer Lebensstraße

Eintauchen in meine Biografie mit der Lebensstraße

Straßen zu Schwerpunktthemen

Ergänzende Interventionen zur Lebensstraße

Denkbare Ergänzungen der Arbeit mit Symbolstraßen

Monatsstraße zum Thema: Die Forensik-Tagung steht bevor

Die Wochenstraße – Beispiel 1

Die Wochenstraße – Beispiel 2

Tagesstraße

Stundenstraße

Planungsstraße

Mein Genogramm

Teil III Interventionen zu Emotionen und Gefühlen

Der Gefühlstern

Inseln der Gefühle – Eigenschaften, Ziele und Boje

Inseln der Gefühle – Protokoll einer Therapiesitzung über Missbrauch

Die Boje als Element der Inseln der Gefühle

Einstieg für die Arbeit mit einem Team

Inseln der Gefühle: Befürchtungen

Inseln der Gefühle und Eigenschaften

Fallvignette „Timo“

Teil IV Interventionen zur Kommunikation

Botschaft – Weg – Ziel

Teil V Interventionen zur Identität

Identität – Individuum, Paar, Familien, Team

Arbeit an der Identität mit überraschender Wendung

Ernst Bloch zum Thema der Identität

Schwarze Scheibe – bunte Flecken

Schatzkästchen

Teil VI Interventionen zu Zeit

Zeit als Intervention

Einsatz von Streichhölzern

Der Klient entscheidet: Parkscheibe, Würfel, Klammern

Teil VII Interventionen zu Schwere und Trägheit

Arbeiten mit Steinen

Arbeiten mit Steinen, Lebensstraße und Inseln der Gefühle

Sprungfedern, Tennisbälle und Tischtennisbälle/Korken

Arbeit mit Tennisbällen, Korken und Tischtennisbällen

Arbeit mit Tischtennisbällen

Übung: Tabuthemen – Tennisbälle

Vier Stühle für unsere Wahrnehmung an uns selbst

Teil VIII Innere Bilder nach außen kehren

Die sieben Stoffbeutel

Teil IX Werte und Prioritäten

Das größte Tabu: Die Werte oder Ich und die anderen

Prioritäten setzen

Teil X Weiteres Handwerkszeug

Erklärung und Übersicht des Handwerkszeugs

Alter Zwerg – Ambivalenz

Einsatz von Alkoholflaschen in der Arbeit mit Suchtklienten

Angstbarometer

Anker

Babylätzchen als Intervention bei regressiven Prozessen

Arbeit mit Bindfäden

Dominosteine

Dramadreieck – aus Sicht des Klienten

Drehbuch – Wahrnehmungsübungen/Bewertung

Familienkiste

Fünf Zettel – Tun oder Unterlassen

Arbeit mit Gläsern 1

Arbeit mit Gläsern 2

Das Ganze besteht aus Teilen, die immer da sind. Fraktal-Gefühle

Geheimniskästchen

Gehen

Goldene Falle und ähnliches

Goldener Käfig und die Rose von Jericho

Hand auf Hand

Die Frage nach der (eigenen) Haltung oder: Wie weit darf ein Berater gehen

Ishikawa mit Symbolen

Jahrestags-Reaktionen – Arbeit mit einem Kalender

Dickes Eis – dünnes Eis 1

Dickes Eis – dünnes Eis 2

Arbeit mit Koffer und Schwelle

Krücken

Interventionsform Luftballons 1

Interventionsform Luftballons 2

Luftpolsterfolie

Arbeit mit Magneten

Mausefallen und die Goldene Falle

Der Notfallkoffer

Arbeit mit den Nüssen

Radiergummi

Die drei Ringe

Rose von Jericho

Russisch Brot – sich etwas einverleiben

Sieben eigene Fallen

Sechsfacher Stern – Nutzungstipps und Thesen

Seife Unschuld

Stacheldrahttelefon – Das gefühlt schwierige Gespräch

Stempel

Schlüssel als Symbol

Schüssel

Tau, Tauziehen, Menschenwippe, Armdrücken – Beobachtungen und Notizen

Tauziehen – Erwartungen und Ansprüche werden sichtbar

Task- und OH-Karten

Therapiekarten

Therapeutenkarten

Therapeutensprache

Über anderen stehen – Auf der Leiter

Vier Symbole

Verändern wollen – Wann? Oder lieber doch noch mal rausschieben?

Was kommt in die Tüte

Scheißtüte

Weihnachtsbaum der Wünsche

Zugänge – 10 Zimmer und Hand auf Hand

Co-Therapeut

Tabellarische Übersicht der Interventionen

Anmerkungen

Biografie von Wilfried Schneider

Autorinnen- und Autorenverzeichnis

Danksagung und weiterführende Links

Vorwort

1992 begann ich Interventionen zu entwickeln, bei denen Sprache nicht der wesentliche Teil der Arbeit ist. Vielmehr spielen Symbole in Form begreifbarer Gegenstände die zentrale Rolle. Im Laufe der Jahre sind rund 300 solcher Interventionen entstanden. Die Erfahrungen will ich auf diesem Weg Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen und nutzbar machen. Teil I versteht sich als Einführung. Die Interventionen werden ab Teil II des Buches beschrieben. Die praktische Arbeit mit Symbolen in Therapie, Beratung, Pädagogik und Supervision erfordert eine Beschreibung der Grundlagen für diese Aktivität. Hier werden alle wesentlichen Gedanken, Erfahrungen und Perspektiven dazu dargestellt.

Daneben, jedoch mit nicht weniger Gewicht, gibt es Wirklichkeiten, Inhalte, Ereignisse, Techniken und Themen, die in Therapie, Beratung und Supervision ständige Begleiter sind. Auch ich habe damit meine Erfahrung gemacht und ihre Bedeutung, sicher auch nach vielen Widerständen, nicht nur akzeptiert, sondern schätzen gelernt. Das sind die Themen Ressourcen, Gruppe, Gruppenklugheit, Therapiesitzungen, Beratungen und Wirklichkeit, Entwicklungspsychologie, Abwehrmechanismen, Angst und Widerstand. Meine Gedanken und Erfahrungen dazu teile ich in diesem Zusammenhang mit.

Um die Arbeit mit Symbolen besser zu verstehen und damit Zusammenhänge in diesem Buch zu verdeutlichen, ist der Text Schritte zum aufrechten Gang hinzugefügt.

Ich verwende das Wort Klienten und meine damit auch Klientinnen. Nutze ich das Wort Kollegen, dann meine ich auch Kolleginnen und, was die Berufsgruppen betrifft, nicht nur Therapeuten, sondern auch Sozialpädagogen, Erzieher etc. Ich entschied mich der besseren Lesbarkeit halber für die ungegenderte Variante.

Teil I

Grundlagen zur Arbeit mit Symbolen

Zur Entstehung des Handwerkszeugs und der Arbeitsweise

Wilfried Schneider

Erste Begegnungen, Beobachtungen und Wahrnehmungen mit Klienten ergeben: − Sie sind ängstlich, fast apathisch oder ständig in Bewegung.

− Sie haben einen dicken, scheinbar undurchdringlichen Panzer um ihre Seele gebaut.

− Sie reden, vor allem dann, wenn es um ihre Situation geht, dem Therapeuten mit großem Geschick nach dem Mund und finden schnell Nebenkriegsschauplätze, und zwar nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Angst, dem Drama zu begegnen.

− Sie besitzen eine perfekte Begabung, die Schwächen ihrer Mitmenschen in Sekundenschnelle zu erfassen und zu nutzen, um dann je nach Bedarf den Honigquast oder die Peitsche einzusetzen nach dem Motto, „du bester Therapeut“ oder „du unfähiger Therapeut“.

Ich war hilflos und verunsichert in der Frage, wie ich mit den Klienten ins Gespräch komme, um sie in Bewegung zu bringen, den scheinbar undurchdringlichen Panzer behutsam zu öffnen und ihren Maschen nicht zu erliegen.

Eines Tages hatte ich einen handtellergroßen Stein (Porphyr) mitgebracht. Form, schwarze Oberfläche und die wie herausgemeißelt aussehenden Rechtecke, die eine weiße Farbe zum Vorschein brachten, faszinierten die Klienten. Der Stein ging von Hand zu Hand. Ich hatte den Eindruck, dass sie ihn streichelten. Ich erzählte, dass ich diesen Stein als einzig großen an einem breiten Sandstrand gefunden hätte. Bald begann ein Gespräch über Sehnsüchte (befreit an einem Strand zu sitzen), die Härte von Steinen („Damit habe ich mal ein Apothekenfenster eingeschlagen“) und anderes mehr. Die Klienten waren auf verschiedene Weise aktiv geworden. Daraufhin habe ich wenige Tage später das Set „Dornen – Federn (Watte) – Gold – Sand – Scheiße – Steine“ erdacht, zusammengestellt und in der nächsten Therapiesitzung eingesetzt. Und Stella, der es bis dahin nicht möglich war, über Erlebnisse zu berichten, in denen es um Gewalt, Missbrauch, Prostitution ging, konnte mit jenem Material diesen Teil ihrer Geschichte erzählen.

Mir wurde klar, dass Klienten, wenn sie Symbole vor sich haben und sie auch in die Hand nehmen können, ohne Worte von sich erzählen, sich schnell im Spiel verlieren, sich nicht kontrollieren müssen, von Beginn der Arbeit an aktiv sind und diese Materialien schnell als Kommunikationsmittel nutzen und akzeptieren. Und, was mir sehr wesentlich erscheint, Spaß daran haben. Dabei berücksichtige ich, dass Spiel auch zum Verstecken genutzt werden kann, wie Violet Oaklander schreibt: „Ein Kind kann im Spiel aber auch vermeiden, seine Gefühle und Gedanken zu zeigen, und meiner Meinung nach ist es wichtig, dass der Therapeut erkennt, wann es das tut.“1

In den folgenden Jahren habe ich immer wieder dann, wenn Sprache nicht reichte, nach neuem Handwerkszeug gesucht. Entweder fand ich es in Baumärkten, Spielzeugläden, in der Natur, in der Kunst, hatte spontane Ideen zum Handeln oder baute selbst, was es nicht gab. Daraus sind schließlich die Therapiekoffer entstanden und die Frage von Kolleginnen und Kollegen nach Workshops, das Ansinnen von Kolleginnen und Kollegen nach Workshops, die Idee zu nutzen und das Handwerkszeug zu erlernen.

Über viele Jahre habe ich es hinausgeschoben, diese Materialien so aufzubereiten, dass ich sie zum Verkauf anbieten konnte. Nach immer intensiverem Drängen von Kolleginnen und Kollegen habe ich im Juli 2002 die Firma „Schneider-Therapiekoffer und Texte“ gegründet. Im Oktober/November 2002 war schließlich die Internetseite http://www.schneider-therapiekoffer.de fertig. Die Firma habe ich zum 1. September 2014 an die Psychologin Monika Winter, Parsberg weitergegeben. Seitdem gibt es meine neue Seite www.psychologische-symbolarbeit.de. Damit verbunden ist die Ausbildung zur Psychologischen Symbolarbeit, die im November 2014 in Hamburg begann.

Dies ist nur gelungen, weil mir besonders Laszlo A. Pota, Begründer und Leiter des COME IN! in Hamburg, dafür alle Unterstützung und viel Raum gegeben hat. Dort war ich ab 1992 viele Jahre tätig. Das COME IN! ist eine stationäre Langzeittherapie-Einrichtung für drogenkranke Kinder und Jugendliche (12 bis 18 Jahre, in Ausnahmefällen jünger oder älter) in Hamburg. Die ersten Klienten wurden Anfang Dezember 1992 aufgenommen. Das COME IN! ist die erste Einrichtung dieser Art für die genannte Altersgruppe. Entsprechende Erfahrungen für Organisation und therapeutisches Arbeiten, die als Vorbilder hätten dienen können, gab und gibt es nicht. Für mich war das die erste Begegnung mit drogenkranken Kindern und Jugendlichen. Erfahrungen mit anderen Altersgruppen, Störungsbildern, Arbeitsfeldern, Settings und Kulturen sind im Laufe der Jahre hinzugekommen.

Was ist ein Symbol und wie wirkt es?

Wilfried Schneider

Wir können Menschen durch Symbole eine Sprache geben, wenn ihnen die Worte fehlen. Eindrücklich beschrieben ist es in dem Lied „Still“ von Jupiter Jones:

„Still,

dass jeder von uns wusste,

das hier ist für immer,

für immer und ein Leben,

und es war so still,

dass jeder von uns ahnte,

hierfür gibt’s kein Wort,

das jemals das Gefühl beschreiben kann.

So still, dass alle Uhren schwiegen,

ja, die Zeit kam zum Erliegen …“

Symbole können zum Dolmetscher werden, und sie sind Transportmittel für das, was man nicht sagen kann oder will. Nähern wir uns dem Aspekt, welche Bedeutung Symbole in meiner Arbeit haben. Ein Symbol kann aus der Erfahrung eines einzelnen Individuums viele, teils unendlich viele Bedeutungen haben und ist je nach Substanz immer mit einem, meist mit mehreren Gefühlen verbunden. Betrachtet man das Zusammenspiel von Bedeutung und Gefühl, so gibt es keine zwei identischen Bedeutungen eines Symbols.

Erich Fromm beschreibt das Symbolverständnis so, wie es meinem Verständnis sehr nahekommt: Ein Symbol wird oft definiert als etwas, das stellvertretend für etwas anderes steht. Diese Definition kommt uns ziemlich nichtssagend vor. Sie wird jedoch interessanter, wenn wir uns mit jenen Symbolen befassen, die Sinneswahrnehmungen – etwa Sehen, Hören, Riechen und Berühren – betreffen und die stellvertretend für etwas „anderes“ stehen, das eine innere Erfahrung, ein Gefühl oder ein Gedanke ist. Ein Symbol dieser Art ist etwas außerhalb von uns selbst; was es symbolisiert, ist etwas in uns. Die Symbolsprache ist die Sprache, in der wir innere Erfahrungen so zum Ausdruck bringen, als ob es sich dabei um Sinneswahrnehmungen handelte, um etwas, das wir tun, oder um etwas, das uns in der Welt der Dinge widerfährt. Die Symbolsprache ist eine Sprache, in der die Außenwelt ein Symbol der Innenwelt, ein Symbol unserer Seele und unseres Geistes ist. Wenn wir ein Symbol definieren als etwas, das stellvertretend für etwas anderes steht, dann lautet die entscheidende Frage: Welcher besondere Zusammenhang besteht zwischen dem Symbol und dem, was es symbolisiert?

Wenn wir diese Frage beantworten wollen, müssen wir zwischen drei Arten von Symbolen unterscheiden: dem konventionellen, dem zufälligen und dem universalen Symbol. Wie sich sogleich herausstellen wird, drücken nur die beiden letzteren Arten von Symbolen innere Erfahrungen so aus, als ob es sich um Sinneswahrnehmungen handelte, und nur sie weisen die Merkmale der Symbolsprache auf.2

Donald Sandner bietet folgende Beschreibung an:

„Ein Symbol ist jedes Ding, das als Begriffsträger dienen kann. Ein solches Ding kann ein Wort sein, eine mathematische Formel, ein Akt, eine Geste, ein Ritual, ein Traum, ein Kunstwerk, alles, was einen Begriff transportieren kann, es kann sich um einen sprachlich-rationalen, einen imaginal-intuitiven oder um einen gefühlsmäßig-evaluativen Begriff handeln. Die Hauptsache ist, dass das Symbol ihn wirksam transportiert. Der Begriff ist der Sinn des Symbols“.3

Donald Sander bezieht sich in seiner Definition auch auf die umfangreiche und wichtige Arbeit von Susanne K. Langer „Philosophie auf neuen Wegen – Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst“4. Für unsere Arbeit ist darin das Kapitel „Die Logik der Anzeichen und Symbole“ (Seiten 61 bis 85) besonders bedeutsam. Der Kern der Arbeit mit Symbolen besteht darin, jemanden sich selbst erreichen zu lassen. Es geht nicht vordergründig darum, irgendetwas zu erreichen.

David J. Groves und B.I. Panzers Verständnis von Symbolen ist folgendes:

„Es sind abgeleitete Symbole. Sie unterscheiden sich von den Jung’schen Symbolen insofern, dass sie eher eine persönliche Eigenart besitzen, eher idiosynkratrisch (spezifisch, eigentümlich, Selbst-Eigenheit) sind als universal. Nur der Mensch, der das Symbol in diesem Moment der Arbeit so benutzt, versteht es so, meint es so, empfindet es so, deutet es so. Daher ist das Symbol, wie auch alle anderen Symbole nicht zu verallgemeinern, nicht zu generalisieren oder zu standardisieren. Das Symbol eines jeden Klienten ist eine innere Erfahrung: ein physisches oder psychisches Gefühl innerhalb der Grenzen seines Körpers. Es hat eine Autonomie“.5

Damit sind wir meiner Vorstellung und Praxis schon erheblich nah. In meiner Arbeit kommt immer hinzu, dass es stets im doppelten Sinne um Begreifen geht. Das ist der wesentliche und teils grundlegende Unterschied zu anderen Standpunkten.

Arbeiten mit Symbolen6 heißt: etwas tun. Ich bin immer das, was ich tue. Ich tue das, was ich bin. Jeder Gegenstand eignet sich als Symbol. Es wird zum Bedeutungsträger. Über die Wahl entscheidet der Klient, und mit der Wahl verbindet er eine Geschichte und ein oder mehrere Gefühle. Über diesen Weg kommen wir den Fragen und Unklarheiten näher, wir beginnen schnell zu verstehen. Gegenstände, Dinge spielen in meiner Arbeit auch die zentrale Rolle. Symbole sind Stellvertreter für Situationen, in denen andere Formen der Kommunikation, wie z. B. Gestik und Mimik, nicht gelingen.

Mein Interesse war und ist, herauszufinden, wie der Klient von Beginn an eigenverantwortlich agieren kann und wie Prozesse, auch Lösungen und Veränderungen, beschleunigt und abgekürzt werden können. Das bezieht sich ebenso auf die Vorgänge innerhalb einer Sitzung. Klienten nennen es „schnell auf den Punkt kommen“.

Wenn einem das Wasser schon bis zum Hals steht, sollte man nicht auch noch den Kopf hängen lassen. Das geschieht tatsächlich in erstaunlicher Kürze. Und es gibt Faktoren, die verhindern, dass der Klient dabei emotional überfordert ist. Es gelingt am besten, wenn in diesen Arbeitsschritten die Fähigkeiten ebenso früh erkennbar wie erlebbar sind. Fähigkeiten, Stärken (Ressourcen) gehören gleichberechtigt, wie auf beiden Seiten einer Waage, so dazu wie das Verstehen des Problems und die Klarheit des Ziels. Ich fordere immer wieder ein, genau das verbindlich und ganz praktisch zu nutzen.

Seit 1992 beschäftige ich mich mit Symbolen, wenn ich bei Anamnese, Diagnose, Beratung und Therapie nach Lösungen suche. Alle Interventionen und kreativen Medien sind in Situationen therapeutischer Arbeit entstanden. Sie sind Handwerkszeug, das der Klient im wörtlichen Sinne begreifen kann. Die Materialien eignen sich für alle Settings. Der Gebrauch ist altersunabhängig. Sie sind anamnestisch, diagnostisch, als therapeutische Intervention, ebenso in Supervision, Teambegleitung, Beratung und Präventionsarbeit zu gebrauchen.

Wo enden Beratung, Begleitung, Supervision, Prävention und wo beginnt Therapie?

Natürlich gibt es den Übergang, die Grenze zwischen dem einen und dem anderen. Oft ist es keine scharfe Grenze, nicht selten eine breite Grauzone und eine Antwort wird hier nur schwer zu formulieren sein.

Befindet man sich in der praktischen Arbeit und ist vorab diese Fragestellung aufgetaucht, so lässt sich in der Arbeit recht gut gemeinsam feststellen, wo die Grenze beginnt und wann sie in Sicht kommt. In der Beschreibung einiger Interventionen greife ich das Thema auf und versuche an praktischen Beispielen, die Grenze aus meiner Sicht aufzuzeigen und zu begründen. Entscheidend in dieser Frage ist jedoch, inwieweit Therapeut, Berater, Trainer usw. verantwortlich handeln.

Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die gerne in der Therapeutenrolle sein möchten, es aber nicht dürfen. Sie scheinen immer wieder versucht zu sein, sich nicht an diese wichtige Regel zu halten. Das ist gefährlich.

Was können Symbole und die Zugänge?

Wilfried Schneider

Symbolische Gegenstände müssen so beschaffen sein, dass man sie nicht zu erklären braucht. Der Gegenstand muss in dem Sinne eindeutig sein, dass er subjektiv vieles sein könnte. Zum Beispiel als Symbol für die Straßen oder die Materialien Dornen, Federn, Gold, Sand, Scheiße, Steine, Watte. Oder es muss eine spezielle Sache sein, die sich unmissverständlich erklärt und von jedem verstanden wird, wie beispielsweise die Seife UNSCHULD beim Thema Schuld.

Mit symbolischen Gegenständen haben wir Transportmittel zur Verfügung, die Auslöser für Erinnerungen, Anreger für Bestandsaufnahmen und Geburtshelfer für Planungen und Zukunft sind. Es ist so, als nähmen uns die Symbole an die Hand. Erzählen wir mit Hilfe von Symbolen, dann erzählen wir immer auch von den dazugehörigen Gefühlen. So ist das Tun das Zu-Ende-Bringen von Fühlen und Denken. Erlebt wird, dass etwas, was ich tue, gelingt. Immer vorausgesetzt, dass sich ein Klient entschieden hat, sich zu erinnern, sich zu betrachten und zu planen, was seine Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft betrifft. Wenn wir in diesen Zusammenhängen mit Symbolen arbeiten, dann ist es, als ob jemand für ihn spräche oder einfach den Anfang macht, der ja oft so schwer scheint.

Wir berühren jeden Gegenstand und damit jedes Symbol, das in diesem Moment mit einem oder mehreren Gefühlen besetzt ist, und begreifen daher im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Das Symbol wird zum Vermittler. Es ermöglicht dem Klienten, eine sinnvolle Distanz zu sich selbst zu wahren, was, bezogen auf sein Thema, die Angst vermindert. Das wiederum macht mutiger und ist oft die Voraussetzung, sich überhaupt etwas zuzutrauen. Der symbolische Gegenstand ist etwas, das gleichzeitig auch Distanz schafft wie ein Vermittler. Auch hier gilt: Wo sich die Angst verkleinert, vergrößert sich der Mut.

Der Gegenstand, also das Symbol, die vom Klienten aufgebaute Arbeit, schafft Distanz zwischen dem Thema, den Ereignissen und dem Klienten derart, dass die damit verbundenen Emotionen als nicht so bedrohlich empfunden werden und Schweigen die Folge wäre. Er erzählt über sich, nutzt dazu aber die Symbole, die er einzeln und als Gesamtheit erklärt. Es macht umso vieles leichter, dass Worte gefunden werden, alles erträglich ist.

Machen Sie folgenden Versuch: Schreiben Sie auf ein Blatt Papier ein großes K für Klient und über das K schreiben Sie ein großes P für Problem. Beide liegen übereinander und Sie können sich dabei vorstellen, wie eines über dem anderen liegt und sich beide zu nah sind, wenn es um eine ausreichend angstfreie Betrachtung gehen soll. Nehmen Sie sich nun ein zweites Blatt und schreiben Sie ein großes K und ein großes P im Abstand von vielleicht 10 cm daneben. Den Abstand zwischen beiden können sie sich als S wie Symbol, beziehungsweise die Arbeit, die der Klient zum Thema mit dem symbolischen Material erarbeitet hat, vorstellen. Dieser Abstand senkt die Angst um so viel, dass wieder Worte gefunden werden.

Über das konkrete Symbol gelingt es nicht nur besser, sich zu erinnern, sondern auch, darüber zu berichten. Ich äußere mich über den Gegenstand, der dasteht oder den ich in der Hand halte. Es entsteht eine Darstellung. Neben der Gesamtheit des Themas bzw. Problems werden oft auch schnell ein Detail oder viele Details sichtbar und verständlich. Wenn ich in der Rolle des Zuhörers bin, wirken diese Augenblicke wie ein Blitzlicht, das den Nebel lichtet. Auf der Seite des Klienten nehme ich ein Erstaunen wahr, dann eine kurze Schweigepause, der ein gut wahrnehmbares Durchatmen folgt. In der Darstellung werden Zusammenhänge erkannt, die bis dahin als dem Thema nicht zugehörig betrachtet wurden. Vom Verstehen der Ursachen war der Klient bis dahin meist weit entfernt. Über die symbolischen Darstellungen verstehen wir also sowohl das Ganze als auch Details und bis dahin unklare Zusammenhänge schneller und differenzierter.

Gemeinsames Bild: Hat ein Klient mit Symbolen eine Darstellung fertig erarbeitet und sie in der Gesamtheit und den Details erklärt, dann haben alle neben der verbalen Information das gleiche Bild vor Augen. Missverständnissen wird vorgebeugt. Alle beziehen sich auf das, was jeder sieht. Wir kennen die umgekehrte Situation: Wir haben etwas sprachlich erklärt bekommen und mangels eines gemeinsamen Bildes entstehen so viele Bilder in den Köpfen und Seelen, wie Menschen beteiligt sind. Das schafft Missverständnisse am laufenden Band. Nicht selten entsteht daraus handfester Streit im destruktiven Sinne; Beiträge zu Lösungen werden nicht möglich. Arbeit mit begreifbaren Symbolen bedeutet also: Durch den Gegenstand (das Symbol) wird ein Abstand so hergestellt, dass die Darstellung erträglich wird.

Erich Kästner schreibt in „Als ich ein kleiner Junge war“ (Atrium 1957): „Mit Worten kann man nicht einmal einen Stuhl so genau beschreiben, dass ihn der Tischlermeister Kunze in seiner Werkstatt nachbauen könnte.” Beschreiben zwei Menschen denselben Stuhl und geben sie einer nach dem anderen die Beschreibung wieder, so stellen sie fest, es sind zwei sehr unterschiedliche Stühle, die sie beschreiben – obwohl es doch in Wirklichkeit ein und derselbe Stuhl ist. Jeder geht davon aus, dass seine Darstellung die richtige sei. Jeder denkt ja, sein Bild im Kopf sei ein richtiges Bild und seine Beschreibung treffe zu.

Zweimal richtig führt in diesem Fall wozu?

1. Übung: Jeder stellt sich einen Stuhl vor und beschreibt ihn verbal oder in Form eines Textes. Wir werden es dann mit so vielen Stühlen zu tun haben, wie Personen beteiligt sind. Gemeinsam ist den Beschreibungen meist, dass jeder der beschriebenen Stühle eine Rückenlehne und vier Stuhlbeine hat. Jeder hat den Stuhl aufgrund seiner Sozialisation beschrieben.

2. Übung: Arbeiten wir mit dem realen Gegenstand, so führt das nicht zu derartigen Problemen. In der Mitte steht ein Stuhl und um ihn herum sitzen zwei oder mehr Personen. Jeder beschreibt den Stuhl aus seiner Position und jede Person berichtet der Gruppe seine Sicht. So werden wir überwiegend identische Beschreibungen hören. So entspricht das reale Bild am ehesten dem Bild im Kopf. Darin liegt der Vorteil sichtbarer und begreifbarer Symbole. Alle Beteiligten haben die fast gleiche Sicht. Ein gemeinsames Verständnis wird so erheblich erleichtert und es spart viel Zeit, weil es kaum Missverständnisse gibt. Man kommt schneller auf den Punkt. Die eingesparte Zeit kann sinnvoll bei der Problemlösung eingesetzt werden.

Wie kann man sich die Zugänge über Symbole vorstellen?

Vier Zugänge, die aufeinander bezogen sind, lassen sich beobachten:

Zugang 1: Ich sehe ein Symbol, und es erinnert mich an ein Ereignis. Ich erinnere mich. Unterstützt durch das konkrete Symbol berichten, also ohne den Gegenstand, den ich in der Hand halte oder vor mir habe. Daher öffnen sich Fernster und Türen schneller. Ich erkläre ja erst den Gegenstand, danach rede ich über mich.

Zugang 2: Hat man erst einmal begonnen zu arbeiten, dann geschieht sehr schnell das, was wir kennen, wenn wir in der Familie oder mit Freunden zusammensitzen und über frühere Zeiten sprechen. Schnell öffnen sich Fenster und Türen, durch die wir in die Vergangenheit schauen.

Zugang 3: Bilder, die so entstehen, brauchen einen Gegenstand, ein Symbol. Also wird zu der Erinnerung der passende Gegenstand gesucht und gefunden.

Zugang 4: Man hat ein Symbol in der Hand und weiß nicht, wo man es hintun soll, will es aber auch nicht zurückstellen. Es gehört zu mir, ich kenne aber die Bedeutung noch nicht. Empfehlung: Mit dem Symbol in der Hand z. B. über die Lebensstraße fahren und dabei feststellen, wo der Magnet ist. Hierhin kann das Symbol gestellt werden, ohne dass die Bedeutung klar ist. Im Laufe der Arbeit wird sie in der Regel deutlich.

Ebenfalls um Alternativen zur Sprache geht es in Situationen, in denen Sprache zur Verschleierung und Erhaltung des alten Zustandes benutzt wird. Die beste Möglichkeit, nichts zu sagen, ist die Sprache. Wenn etwas verborgen bleiben soll, dann rede möglichst viel. Oder „um Kopf und Kragen reden“. Ein Witz verdeutlicht es: „Ich habe da ein Problem mit jemandem. Es wird ununterbrochen und immer wieder geredet.“ „Und was sagt er?“ „Na, das sagt er nicht.“ Wenn Worte der Tat nicht nah sind, werden beispielsweise großartige Ankündigungen gemacht, dass es morgen endlich und endgültig losgehe. Mein Kommentar: „Mich interessiert nicht, was du ankündigst. Mich interessiert ausschließlich, was du tust oder unterlässt.“

Sprache ist oft eine Veranstaltung zur gegenseitigen Behinderung. Was du sagst, ist richtig. Das Gegenteil auch. Sprache wird benutzt, um auf Nebenkriegsschauplätze zu führen. Nebelbomben und andere Techniken der Ablenkung werden eingesetzt.7 So werden unbewusste Inhalte und damit verbundene Informationen aufrechterhalten, die nur die sprachliche Gewandtheit des Klienten beweisen. Sprache ist Futter, Peitsche oder Honigquast für den Partner, Kollegen, Therapeuten oder für wen auch immer.

Es gibt destruktive Diskussionen, die nicht zu Erkenntnissen und Lösungen führen. Zum Beispiel der immer wieder neue Versuch, festzustellen, wer Schuld hat. Das sind Diskussionen, die in der Vergangenheit steckenbleiben und den Status quo erhalten sollen.

Materialien für die Arbeit mit Symbolen

Wilfried Schneider

Symbole, mit denen ich arbeite, sind in der Regel dreidimensional und daher im doppelten Sinne begreifbar. Tierfiguren verwende ich nur bedingt und in kleiner Auswahl. Menschliche Figuren sind ebenfalls in nur geringer Zahl vorhanden. So zum Beispiel Teufel, Hexe, Nonne und einige neutrale Holzfiguren. Konkretere Figuren dieser Art sind wenig deutbar. Zum Beispiel sagt die männliche Figur auf einem Feld der Lebensstraße wenig aus. Jeder hat einen Vater, ob er ihn kennt oder nicht. Steht dort beispielweise ein Werkzeugkasten und dieser symbolisiert den Vater, dann wird es interessant. Im Folgenden nenne ich einige Gruppen von Symbolen, die für meine Arbeit grundlegend sind und die wichtigsten Materialien für die zahlreichen Interventionen aus diesem Buch darstellen:

Die Therapiekoffer

Der Gefühlstern

Der „Ich-bin-dran“-Stab

Therapiekoffer 2: Beziehungs- und Dramadreieck; Botschaft – Weg – Ziel; Dornen, Federn, Gold, Sand, Scheiße, Steine, Watte

Therapiekoffer 3: Inseln der Gefühle, Eigenschaften und Ziele

Therapiekoffer 4: Straßen und Symbole

Die einzelnen Therapiekoffer sind über die Homepage www.schneider-therapiekoffer.de zu erwerben. Genaue Arbeitsanleitungen sowie Erfahrungsberichte von Fachkräften und Klienten sind Hauptbestandteil dieses Buches und werden ab Teil II genauer erläutert.

Weitere Materialien

Gefundene Gebrauchsgegenstände, Objekte aus Kunst, Natur und selbstentwickeltes Handwerkszeug. Beispiele: Baumscheibe, Bilderrahmen, Blanko-Puzzle, Geldstücke, Geheimniskästchen, Hundenapf, Ich-Koffer, Luftballon-Auto, Magnete, Mausefallen, Rose von Jericho, Stühle, Schwamm, Schlüssel, Schatzkästchen, Seife Unschuld, Tau, Uhren, Wie alt bin ich jetzt? Zehn Zimmer.

Material in Form von besonderen Abbildungen und Texten, die, als Symbol im richtigen Moment eingesetzt, dem Erfolg der obengenannten Symbole ähneln. Das sind z. B. OH-Karten, Taskkarten, Schneider-Therapiekarten (Köpfe, Gesichter, Bewertungen, Programmänderung), diverse Würfel, Brief an die Mutter, „Eine Tüte voller Liebe“, ausgesuchte Postkarten, Arbeitsblätter etc. Dieses nicht direkt begreifbare Handwerkszeug erklärt vielleicht der folgende Witz: Herr Gruber bekommt eine Karte aus Wien. „Da steht ja gar nichts drauf“, sagt der Postbote verblüfft. „Kein Wunder“, antwortet Herr Gruber. „Die Karte ist von meinem Bruder, aber wir sprechen schon seit Jahren kein Wort mehr miteinander.“8

Übungen, wie spezielle Rollenspiele und Tätigkeiten, haben ebenfalls symbolisch eine starke und direkte Wirkung. In der Beschreibung der einzelnen Interventionen in diesem Buch werden die Unterschiede und vor allem Gemeinsamkeiten deutlich. Symbole werden nicht unbewusst oder gar magisch benutzt, sondern bewusst. Klienten setzen sich nicht damit auseinander, was sie dazu glauben, vielmehr verfolgen sie das Ziel, den Hintergrund der Bedeutung zu erfahren.

Symbole – Emotionen – Erinnern

Wilfried Schneider

Ein Mensch verbindet mit jedem Gegenstand, unabhängig davon, ob und wie gut er ihn kennt, etwas aus seinem Leben. Es wird also eine Verbindung zwischen einem Ereignis, einer Erinnerung und dem Gegenstand hergestellt. Ereignis und Erinnerung sind immer emotionsgefärbt. Das wird insofern von hoher Bedeutung für unsere Arbeit, als das Zusammenwirken von aktivem Tun und Erleben, verbunden mit Gefühlen, dazu führt, dass davon kaum etwas vergessen wird.

Gerald Hüther schreibt: „Das, was uns nicht emotional berührt, bekommen wir, wenn überhaupt, nur mit großer Mühe in den Kopf, und wenn wir es nicht ständig wieder aufsagen, ist es im Nu wieder verschwunden.“9Oder Folgendes aus einem Interview mit Eric Kandel:

„SPIEGEL: Haben Sie bei sich irgendwelche Regeln ausgemacht, warum Sie manches behalten, anderes aber vergessen haben?

KANDEL: Ja, ein Geschehnis muss wichtig für mich sein. Während es geschieht, muss ich meine Aufmerksamkeit darauf richten. Ohne Aufmerksamkeit wird nichts behalten – und ohne dass es für meine Gefühle bedeutend ist, auch nicht.“10

Eine Klientin äußerte dazu: Symbole sind gefühlsnah und gefühlsdicht. Gefühl ist immer authentisch. „Symbole sind in der Lage, die gefühlte Einmaligkeit bestimmter Momente für die betroffenen Akteure (und nicht nur für diese) wieder zu vergegenwärtigen – und zwar als präsentes Gefühl und nicht als Wissen davon.“11

Seit 2007 forscht eine große Gruppe von Wissenschaftlern aus 23 Disziplinen in dem Berliner Forschungsprojekt „Languages of Emotion“ über die Sprache der Gefühle und die Rolle der Gefühle. In diesem Zusammenhang zeigen sie auch auf, dass 80 Prozent menschlicher Entscheidungen auf Emotionen beruhen.12 An dieser Stelle ein Hinweis auf das Buch „Emotion und Gehirn” von Antonio R. Damasio „Selbst ist der Mensch“.13 Es handelt sich um eine der fundiertesten Publikationen über die Rolle der Gefühle im Konzert mit anderen psychischen Funktionen bei der Lebensgestaltung des Menschen aus neurowissenschaftlicher Sicht. Der Gegenstand symbolisiert also dieses Ereignis, diese Erinnerung. Jeder vom Klienten gewählte und auf die Straße (zum Beispiel Lebensstraße) gestellte Gegenstand ist zeitgleich emotional besetzt und wird so sein Eigen und auf diese Weise zum Symbol. Die Verbindung zwischen Denken, Handeln und Emotionen wird erreicht. Emotionaler Bezug ist da und damit ein Bei-sich-Sein, ein Zu-sich-Stehen. Das bin ich.

Da, wo Ereignis und Emotion eine Verbindung eingegangen sind, mag das noch so weit zurückliegen, hat es sich eingeprägt und kann auch nach vielen Jahren wieder abgerufen werden. Und es wird erstaunlich leicht, für die Erinnerung ein Symbol zu finden. Beschleunigt wird dieser Prozess durch die Erfahrung in der Arbeit selbst (zum Beispiel beim Legen einer Lebensstraße), dass sich Türen und Fenster zu den Ereignissen auftun, lassen wir uns erst einmal darauf ein. Jeder kennt diesen Vorgang, wenn er daran denkt, wie sich Fenster und Türen öffnen, sobald über früher geredet wird, über die Kindheit beispielweise, die Schulzeit oder andere weit zurückliegende Ereignisse.

Im Artikel „Simboli, metafore e immagini nel trattamento psicoterapeutico del trauma e dell’addiction“ schreibt I. M. Hinnenthal,

„dass die Methode der Symbolarbeit von Wilfried Schneider sich als besonders nützlich in der therapeutischen Arbeit erweist. Man könnte sie als Methode bezeichnen, die zugleich Elemente des Bottom-up als auch des Top-down erreicht und daher beide Teile des Gedächtnisses anspricht. Dadurch ist diese Methode flexibler einsetzbar als das Sandspiel. Die Symbole helfen das emotionale Gedächtnis zu aktivieren. Dabei bleiben die Erinnerungen dosierbar, weil es die Wahl des Klienten bleibt, darüber zu reden und auch das Wieviel. Abgesehen davon hilft die Betrachtung des dargestellten Lebens (Lebensstraße) dem Patienten dabei, zu erkennen, dass positive wie negative Ereignisse sich abwechseln und beides dazugehört. Der Therapeut kann mit Erfahrung und Intuition mit diesen Symbolen spielen, kann Ressourcen herausarbeiten, Traumata bearbeiten und Ereignissen ein neues Gefühl dazu mischen.“14

Bottom-up meint unsere Wahrnehmung, die eingehenden Informationen über unsere Sinnesorgane. Top-down dagegen meint unser vorhandenes Wissen. Hier noch ein Hinweis auf die Anfänge der Erinnerung, des autobiografischen Gedächtnisses.

Ein kurz gefasster, wenn auch nicht mehr ganz aktueller Überblick über das autobiografische Gedächtnis ist bei Wikipedia zu finden.15 Was vor dem vierten Lebensjahr erfahren wurde, ist trotzdem präsent. Was wir dort erfahren haben, wissen und nutzen wir, ohne dass wir es zeitlich und Personen zugeordnet erinnern. Die Psychoanalytikerin Beatrice Beebe von der Columbia-Universität hat diese Zeit gründlich untersucht. Sie beschreibt die gemachten Erfahrungen aus dieser Zeit als Beziehungswissen. Es ist die Sprache geboren, die nicht gesprochen wird, nämlich die Sprache der Gefühle. Zwei grundlegende Erfahrungen sind gemacht: „Ich fühle, also bin ich“ und „Ich fühle mich verstanden“. Letzteres kann ebenso bedeuten, sich nicht verstanden zu fühlen.16

Die nachfolgenden Gedanken sind für unsere Arbeit besonders dann wichtig, wenn wir Biografiearbeit machen. Erste konkrete eigene Erinnerungen sind etwa mit 3,5 Jahren möglich. Dem voraus geht, wie Mark Howe (Universität Lancaster) schreibt, das Auftreten des kognitiven Selbst, das Ende der Kindheitsamnesie. Ab da wird das Ich vom Du unterschieden. Diese Entwicklung wiederum geschieht zwischen dem 18. und 24. Monat. Wir nehmen es in der Regel dann als Erwachsene wahr, wenn das Kind zum ersten Male „Ich“ sagt und sich im Spiegel erkennt.17 Wie so oft sind solche Angaben Durchschnittswerte und es gibt Ausnahmen mit verschiedenen Hintergründen. Bei Menschen mit dissoziativen Störungen erleben wir Veränderungen des Selbstgefühls. Traumatische Einflüsse haben in diesem Zusammenhang Störungen des autobiografischen Gedächtnisses zur Folge.18

Ebenfalls wichtig für uns in diesem Zusammenhang:

„Das autobiografische Gedächtnissystem ist stets an emotionale, affektbezogene Inhalte gebunden und erlaubt uns dadurch, die persönliche Vergangenheit zu erinnern. Beispiele für autobiografische Erinnerungen sind der erste Schultag, das Abitur, die eigene Hochzeit u. Ä. Häufig erinnern wir uns an besonders schöne, fröhliche oder besonders traurige Erlebnisse.“19

Dies gilt auch für die Zeit vor der Einschulung. Hier wird deutlich, dass die Verbindung von Ereignis und Emotion zum Behalten20 und Symbole zum Erinnern führen. Daher sind die folgenden Zahlen interessant:

Erinnern geht mit Vergessen einher. Das heißt, es ist nicht nur das gewesen, an das wir uns erinnern, sondern wir sind auch das, was wir vergessen haben. Eine gründliche und vergnügliche Auseinandersetzung über das Vergessen ist in „Das Buch des Vergessens“21 von Douwe Draaisma zu finden. Dort sind im Kapitel „Umspült vom Vergessen: die erste Erinnerung“ (S. 9 bis 47) viele Beispiele zum Thema autobiografisches Gedächtnis zu finden, die auch für die Arbeit mit der Lebensstraße wichtige Beispiele liefern. Stimmt das, an was ich mich erinnere, immer genau so? Allzu oft ist mit einer Erinnerung auch eine Täuschung verbunden. Um diesen Zusammenhang zu verstehen, lohnt sich die Lektüre des Buches „Das trügerische Gedächtnis“22 von Julia Shaw.

Behalten und Erinnern

Konfuzius (551 bis 479 v. Chr.) wird der Satz zugeschrieben: Sag es mir, und ich vergesse es. Zeige es mir, und ich erinnere mich. Lass es mich tun, und ich behalte es.

Wir speichern

10 % des bewusst Gelesenen,

20 % des bewusst Gehörten,

30 % des bewusst Gesehenen,

50 % des gleichzeitig bewusst Gehörten und Gesehenen,

70 % des bewusst Gesagten und des subjektiv besonders Bedeutsamen,23

90 % des zugleich bewusst Gesagten und Getanen und des bedeutenden Erlebten.24

Anmerkung: Wir behalten auch das recht gut, was wir gerne vergäßen. Doch wo bleibt es? Wir behalten viel von dem, was wir denken, jedoch nicht aussprechen oder aufschreiben. Zuständig für den besonders hohen Wert des Behaltens und Erinnerns ist die Beziehung zwischen dem Tun und den damit verbundenen Gefühlen. Es ist und bleibt also über einen langen Zeitraum oder für immer etwas uns Bekanntes. Daher sinken die Angst und der Widerstand vor und während der Arbeit und des Erinnerns; der Erfolg wird im doppelten Sinne begreifbar und sichtbar. Zum Tun (90 %) zähle ich auch wesentliche Erlebnisse im Verlauf der Lebensgeschichte. Gestützt und verstärkt wird dieser Gedanke, wenn wir betrachten, wie Exponierungen (Hervorhebungen) von lebensgeschichtlichen Ereignissen auch nach sehr langer Zeit abgerufen werden können. Hier sind Symbole das geeignete Transportmittel.

Hellmuth Benesch führt im dtv-Atlas zur Psychologie, Band 1, folgende Hauptgruppen der „unvergesslichen Erinnerungen“ auf:

„Die stärksten Eindrücke hängen mit Todesfällen zusammen: meist in der Familie, aber auch mit angesehene Unfälle mit Todesfolge. Wie stark die Familie das Langzeitgedächtnis prägt, zeigt sich an der Gruppe der Familienereignisse: Feiern (besonders Weihnachten), Geburten, Hochzeiten. Gemeinschaftserlebnisse: Kennenlernen, Streit, Versöhnung, Trennung. Angstzustände, die je nach den Zeitläufen andere Inhalte aufweisen: Drucksituationen, durchlittene Gefahren, qualvolle Wehrlosigkeit. Naturerlebnisse: Sonnenuntergänge, Erlebnisse mit Tieren. Häufig sind berufliche Erlebnisse: Berufseintritt, Entlassungen, Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten, Ärger mit Mitarbeitern, Reiseerlebnisse: Ferienaufenthalte, fremde Länder und Städte. Größere Erfolge und Misserfolge; häufig sogar ungeschieden: In den Erfolgen wirken die kleinen Misserfolge stärker nach. Ein erheblicher Erinnerungsfundus sind Schulerlebnisse: Prüfungen, Streiche. Der Gedächtnisschatz der vier untersuchten Generationen ähnelt sich stark, wenn auch die Inhalte differieren. Bei allen bilden ungefähr 2/3 ernste und 1/3 heitere Erlebnisse eine einheitliche Selbstschöpfung.“

Den untrennbaren Zusammenhang zwischen Emotionen, Behalten und Erinnern können wir auch gut in den Arbeiten von Daniel L. Schacter25 nachverfolgen. Die Informationen, die abgespeichert werden, sind nicht eine Eins-zu-eins-Fotografie von dem, was gesehen wurde, sondern werden nicht ohne Bedeutungen, Empfindungen und Gefühle abgespeichert. Ebenso werden Stimmungen, in denen etwas erlebt wurde, und auch die Empfindungen und Gefühle, die zum Zeitpunkt des Erlebens vorherrschten, mitgespeichert. Zudem sind die Erinnerungen untrennbar mit dem verknüpft, was vorher schon einmal erlebt wurde. Die Vergangenheit entscheidet darüber, auf was sich die Aufmerksamkeit richtet und was in das Gedächtnis aufgenommen wird.26 Diese Kombinationen machen es möglich, dass Arbeitsschritte sehr schnell vollzogen werden können. Von dem, was wir hören, vergessen wir recht schnell das meiste. Aus einer Therapiesitzung, in der ausschließlich oder überwiegend geredet wird, dürfte demnach weniger in Erinnerung bleiben als von Sitzungen, in denen viel getan und erlebt wird. Alles, was wir tun, ist besser und umfangreicher abrufbar. Was wir tun und was gleichzeitig mit Emotionen verbunden ist, prägt sich tief ein und wird kaum vergessen. Das gilt auch für das, was wir erlebt haben und uns emotional bedeutsam ist. Also ist all das gut abrufbar und gelingt umso schneller und deutlicher, wenn wir Symbole als Auslöser und Transportmittel nutzen.

Das gilt auch für Ereignisse, für die aus unterschiedlichen Gründen die Worte fehlen, und für das, was wir verdrängt und im Vorbewussten geparkt haben. Es kann sich dabei um subjektiv dramatische Ereignisse handeln, die mit seelischen oder/und körperlichen Verletzungen zu tun haben. Aber auch sprachliche Probleme, beispielsweise von Migranten, oder Defizite in der Bildung sind Ursache.

Die oben beschriebenen Gründe, warum und wann gut behalten werden kann, finden wir in der Arbeit mit Symbolen wieder, da jedes benutzte Symbol mit einem oder mehreren Gefühlen besetzt ist und das dazugehörende Bild sich auf diese Weise besonders tief einprägt. Dieses Bild kann jederzeit und in der Regel noch nach vielen Jahren abgerufen werden.

So erinnere ich mich zum Beispiel noch nach vielen Jahren an Ausschnitte von Lebensstraßen, die ich mit Klienten durchgearbeitet habe, wenn ich einem von ihnen wiederbegegne. Da jeder Mensch seine Geschichte hat, wird es über Symbole möglich, ganz Subjektives auszudrücken. So weiß ein Betrachter – also auch der Berater oder Therapeut – durch den Anblick allein noch nicht, was durch das Symbol ausgedrückt bzw. erklärt wird. Das ist auch dem Gegenüber bekannt. Seine Entscheidung, was genau er dazu sagen will, kann er bis zur letzten Sekunde hinausschieben. Während des Auswählens der Symbole, zum Beispiel, wenn er seine Lebensstraße legt, muss er nicht gezielt etwas verheimlichen. So wirkt der Vorgang angstsenkend, die Offenheit vergrößert sich. Der Klient ist sich und dem Thema sehr nah. Zeitgleich sorgt das Symbol (der Gegenstand) auch für einen Abstand, der den Angstpegel senkt und somit mehr Mut zur Offenheit weckt. Das Wechselspiel zwischen Erleben – Erinnern – Emotion/Gefühl sorgt fürs Behalten und besonders über das Symbol fürs Erinnern.

Die Bandbreite eines symbolischen Gegenstandes ist groß. So sind Symbole Transportmittel für das, was man verbal nicht oder so nicht sagen kann, darf oder will. Beispielsweise kann die Bratpfanne eine Erinnerung an etwas Versorgendes, aber auch an etwas Zerstörendes sein. Neben dem Gegenstand vermag eine Darstellung zu symbolisieren. Das geschieht in den Arbeiten mit den „Inseln der Gefühle, Eigenschaften und Ziele“, den sieben Materialien „Dornen, Federn, Gold, Sand, Scheiße, Steine, Watte“, den verschiedenen Straßen (zum Beispiel Lebensstraße). Im Gegensatz zur nur verbalen Arbeit schaffen wir die Situation, dass alle Beteiligten dasselbe Bild (Darstellung) sehen, wodurch die Gefahr des Aneinander-vorbei-Redens erheblich vermindert, die Orientierung für alle Beteiligten aber erleichtert wird. Das gilt auch, wenn jeder eine andere Bewertung der Darstellung vornimmt. Wird eine Situation geschildert, ist aber nicht sichtbar, so entstehen so viele Bilder, wie Menschen beteiligt sind. Keiner sieht das Bild des anderen. Missverständnisse, erschwerte Kommunikation und der Eindruck, es handele sich um mehrere Themen, machen Lösungen schwer, wenn nicht gar unmöglich.

Ernst Barlach schreibt:

„Und dennoch ist das Wort etwas, das direkt ins Innerste dringt, wo es aus dem Lautersten, der absoluten Wahrheit kommt. Jeder aber versteht es anders, er vernimmt das, was gemäß seiner Art Anteil am Ganzen hat, ihm verständlich, sag lieber, wessen er sich bewusst ist.“27

Das Wort taugt also weniger zum Verstehen und zur Klärung als das darstellende Tun mit Symbolen. Das gilt auch für das Erinnern. Die Tür zum Unterbewussten wird durch Symbole geöffnet. Das bedeutet auch, offen und bereit zu werden für Erinnerungen. Die Türen in die Vergangenheit gehen schnell auf. Hermann Hesse beschreibt in „Der Lateinschüler“ eine Möglichkeit des Erinnerns als das sich Einlassen auf ein Erinnern so:

„Wie wenn man im September über eine Wiese geht und die erste Herbstzeitlose sucht und man sieht schließlich eine, und weiter drüben noch eine, und dort wieder zwei, und plötzlich sind es eine ganze Menge, hundert und mehr – so geht es mit den Erinnerungen auch. Man sucht und findet lange nichts, aber wenn die erste und die zweite da ist, dann sind es plötzlich zehn und hundert, unzählige, drängen sich um wie ein Vogelschwarm. Jetzt wusste ich alles wieder.“28

Das Symbol wird zum Dolmetscher und darüber lässt sich ausdrücken, was sonst nicht gesagt werden kann. Aber das Symbol kann noch mehr. Durch ein Symbol, also einen Gegenstand, wird deutlich, dass man einerseits Vielschichtiges, Differenziertes ausdrücken kann, andererseits aber auch mehr, als sich in Worten sagen lässt. Das Symbol ersetzt in diesem Fall nicht nur ein Wort, einen Satz, sondern erzählt eine ganze Geschichte.

Genauso ist eine Handlung imstande, etwas Bestimmtes zu symbolisieren. Das kann das Streichholz als Zeitmesser sein, das Wasser, das als symbolische Nahrung über die Rose von Jericho gegossen wird, die ihrerseits als Symbol dient. Auch Darstellung und Handlung sind zeitgleich emotional besetzt. Wie die Verbindung von Ereignis und Emotion dazu beiträgt, dass sich Ereignisse einprägen und wieder abrufbar sind, so wird in der aktuellen Arbeit auch das behalten, was mit Symbolen erarbeitet wurde. Es ist abrufbar und erinnerbar.

Kolleginnen und Kollegen fragen gelegentlich nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Symbolarbeit und Imagination. Meiner Erfahrung nach ist Symbolarbeit schneller, konkreter, emotionaler als Imagination. Die Arbeit mit realen Symbolen, also greif- und begreifbaren, ist um ein Vielfaches produktiver als die mit imaginären Symbolen. Imagination ist nicht Tun. Arbeit mit Symbolen bedeutet indessen immer, „etwas zu tun“.

Ähnlichkeiten und Verwandtschaften

Wilfried Schneider

Mit Symbolen haben sich wesentliche und unterschiedliche Schulen auseinandergesetzt. Ich stelle die kurz vor, die für meine Praxis Bedeutung hatten und haben. Wer mehr darüber wissen will, möge die Bücher lesen, die ich in diesem Zusammenhang nenne. Die Ausführungen von Carl Gustav Jung29, Sigmund Freud30, Humberto Nagera31, Verena Kast32 und anderen spielen in meiner Auseinandersetzung im Hintergrund natürlich eine Rolle, jedoch kaum in der ganz praktischen Anwendung. Daher verweise ich auf deren Gedanken und Arbeiten, ohne ihnen einen größeren Platz einzuräumen.

In der Literatur und Praxis von vier Kolleginnen und Kollegen finde ich spannende Anregungen, Ähnlichkeiten und Gedanken zu der Art, wie ich mit Symbolen arbeite. Ihre Methode der Diagnose und Therapie nutzt das Material so, dass es im doppelten Sinne begreifbar wird. Auch das hat etwas mit dem gemeinsam, was ich tue. Es unterscheidet sich im Sinne Jungs allerdings insofern von meiner Arbeit, als Materialien und optische Symbole (Kreis, Quadrat usw.) in der Bedeutung und Deutung feste Definitionen haben.

Dora Maria Kalff33

Dora Maria Kalff (1904 bis 1990, Schweiz), Schülerin von C.G. Jung, die auch bei Margaret Löwenfeld studierte, hat das Sandspiel entwickelt. Es ist naheliegend für jemanden, der aus diesen Schulen kommt und um die Bedeutung der Symbole weiß. Dora Maria Kalff hat die Gedanken ihrer Lehrer, deren Ideen und Theorien in begreifbares Arbeiten umgesetzt. Und sie nutzt das, was Kinder von sich aus tun, nämlich Spielen, Zeichnen und Malen. Das Spiel findet in einem erhöhten Sandkasten statt. Dazu werden Figuren benutzt, mit denen das Kind, aber auch der Erwachsene sein Thema bewusst und unbewusst gestaltet.

Maria-Elisabeth und Gerhard Wollschläger34

Beide sind Psychodramatiker. Gerhard Wollschläger, Pfarrer em., und Elisabeth Wollschläger, Psychotherapeutin, leben in Mimbach im Saarland. Sie haben sich etwa zur gleichen Zeit wie ich (Anfang 1990) aus der Praxis heraus mit dem Thema „Konkrete Symbole in der Therapie“ beschäftigt, es als Übungen und Interventionen eingesetzt, im Laufe der Jahre verfeinert und weiterentwickelt. Wir haben anfangs nichts voneinander gewusst. Es gibt zwar viele Parallelen und gleichwertige Aussagen, doch auch einige Unterschiede.

Die Arbeit des Ehepaars Wollschläger schätze ich sehr und empfehle die Lektüre ihres 1998 erschienenen Buches „Der Schwan und die Sinne – Das konkrete Symbol in Diagnostik und Psychotherapie“. Ich rate, die praktischen Übungen zu nutzen. In ihrem Vorwort beschreibt Edda Klessmann die wachsende Symbolsammlung auf dem Dachboden. Das erinnert mich an das Großwerden meiner eigenen Sammlung möglicher und unmöglicher Gegenstände über die Jahre, die ich versuchte, in Koffern zu ordnen und bei Bedarf griffbereit zu haben.

Danie Beaulieu35

Die besondere Art der unterstützenden Form, die Nutzung kreativer Transportmittel, ihre außergewöhnlichen Interventionen schaffen bleibende Eindrücke. Danie Beaulieu setzt kreative Bilder, Symbole und Metaphern ein. Ihre Beispiele mit dem Schwamm, mit Stühlen, Geld und anderem machen Vermittlung konkret. Die Psychologin aus Montreal richtet wie ich den Blick darauf, dass auditive, visuelle und kinästhetische Bereiche im richtigen Moment angemessen genutzt werden. Ähnlich meinem Modell ist auch ihre Art, Klienten unmittelbar zu verantwortungsvollem Handeln und zur Übernahme von Verantwortung zu bewegen. Die Impact-Therapie ist dabei an keine bestimmte therapeutische Schule gebunden. Impact versteht sich im Sinne von bleibendem Eindruck. Die in der Intervention benutzte Art und Weise sorgt dafür, dass das dabei Erlebte in Erinnerung bleibt. Wie die Verbindung von Ereignis und Emotion dazu beiträgt, dass sich Ereignisse einprägen und jederzeit abrufbar sind, so wird in der aktuellen Arbeit auch das behalten, was mit Symbolen erarbeitet wurde.

Symbolische Handlungen sind beispielsweise Verbeugung, Kniefall, das Falten der Hände. Symbolische Einstellung drückt sich meist in der Kombination von Gedanken an etwas und einem zur gleichen Zeit geschehenen Ereignis und schließlich dessen passender Verbindung aus. Ein Beispiel: Jemand befindet sich in einer Phase, in der er privat und beruflich kaum zu bremsen ist. Selbst dann, wenn er mit seinem Auto unterwegs ist, beschäftigt er sich unaufhörlich (Gedanken, Handy ...) mit diesen Dingen. In einer besonderen Stress-Phase muss er mehrere Male an roten Ampeln halten, was dazu führt, dass er noch mehr in Stress gerät. Schließlich, bei erneutem Rot, resümiert er: „Ich werde ausgebremst.“ „Das war der Anfang“, so berichtete er mir später, „über das, was ich tue, nachzudenken und es in Frage zu stellen.“ Damit hat er symbolisch etwas zusammengebracht, was subjektiv auch zusammengehört. Unterschiedliches Verhalten, verschiedene Sprache und Kleidung unter Generationen drücken symbolisch aus: Das sind wir.36

Wo und wann ist die Arbeit mit Symbolen geeignet?

Wilfried Schneider

Bei der Lösung schwieriger Lebenssituationen beginnt alles mit den Fragen:

Was ist das Problem?

Was soll anders sein?

Wie soll es sein?

Wie komme ich dorthin?

Wer kann das in Krisen schon so genau benennen? Damit verbundene Gefühle spüren, akzeptieren, ordnen? Das erscheint den Betroffenen oft schwer, wenn nicht gar unmöglich. Insbesondere dann, wenn:

– auslösende Ereignisse weit zurückliegen (z. B. frühe Störungen),

– Erlebnisse traumatisiert sind (z. B. Missbrauch, Schock),

– ein emotionales Blackout vorhanden ist,

– Ereignisse nicht in den Zusammenhang mit der Störung gestellt werden können oder dürfen (z. B. von Geburt an in problematischen Familienverhältnissen zu leben),

– eine Summe von auslösenden Faktoren vorliegt, die nicht in Zusammenhang gebracht werden können,

– die Betroffenen sich psychisch in schwierigen Lebenssituationen befinden,37

– etwas gesagt wird, das emotional nicht nachempfunden wird (z. B. von Migranten),

– „sprachlos“ gewordenen Menschen die Zukunftsperspektive fehlt,

– Menschen mit Handicap nicht oder nicht vollständig verstanden werden oder ihnen nicht zu Ende zugehört wird (Autisten, sprachbehinderte oder geistig behinderte Menschen).

Der Klient kann die Frage „Was ist das Problem?” dann kaum beantworten. Erich Kästner schreibt in seinen Erinnerungen „Als ich ein kleiner Junge war“38:

„Mit Worten kann man nicht einmal einen Stuhl so genau beschreiben, dass ihn der Tischlermeister Kunze in seiner Werkstatt nachbauen könnte! Wie viel weniger das Schloss Moritzburg mit seinen vier Rundtürmen, die sich im Wasser spiegeln! Oder die Vase des Italieners Corradini am Palaisteich, schräg gegenüber vom Café Pollender! Oder das Kronentor im Zwinger!“

Therapeut und Berater finden mit Klienten keine Lösungen, wenn sie sich nur der Sprache bedienen.

Die Arbeit mit Symbolen ebnet den Weg. Vorbewusstes und strukturelle Bedingungen werden so direkter und umfassender erreicht. Sie ermöglichen das Eintauchen in Innenwelten zum Unbewussten, Vorbewussten und Bewussten, das blockiert ist und verbale Äußerungen nicht möglich macht. Die Therapiematerialien und Interventionen sind in therapeutischen Situationen entstanden, in denen Sprache allein nicht zur Findung und Klärung ausreichte. Bei unseren Materialien handelt es sich um Handwerkszeug, das der Betroffene im wörtlichen Sinne begreifen kann. Unter anderem lassen sich diese Materialien erfolgreich in der Trauma-Arbeit einsetzen.

In den folgenden Bereichen führen sie recht gut zu Klärungen:

– Emotionen – Gefühle – Affekte

– Familiensysteme wie Beziehungsdreieck, Dramadreieck usw.

– Möglichkeit, innere Bilder nach außen zu kehren

– Kommunikationsprobleme – Botschaft – Weg – Ziel

– Lebensplanungen

– Biografie-Arbeit, Lebensplanung, Identität

– Arbeit mit Ressourcen

– Programmänderungen – Lösung aus alten Mustern

– Konstruktive Nutzung der zur Verfügung stehenden Zeit in Therapie

– Zusammengehörigkeit von Diagnose-Hypothesen und Prozessen

– Wahrnehmung

– Interventionen mit Zeit

– Auf den Punkt bringen und Provokationen

Wer sich nicht ausreichend Mühe gibt und eine protzenhafte Diagnose erstellt, der behandelt etwas, das nicht definiert ist. Hier beginnt dann schnell ein nicht zielführendes verbales, sich oft über viele Sitzungen fortsetzendes Pingpong-Spiel. Mindestens eine der folgenden Aussagen trifft dann zu:

– Die beste Möglichkeit, nichts zu sagen, ist die Sprache.

– Wenn etwas verborgen bleiben soll, dann rede möglichst viel.

– „Man spricht durch Schweigen. Und man schweigt mit Worten.“39

– Wählt man sprachliche Halbherzigkeiten, muss man sich nicht festlegen.

– Wenn Worte der Tat nicht nah sind, werden großartige Ankündigungen gemacht, „dass es morgen endlich und endgültig losgeht“. Dazu pflege ich anzumerken: „Mich interessiert nicht, was du sagst und ankündigst. Mich interessiert ausschließlich, was du tust oder unterlässt.“

– „Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse.” Und Antoine de Saint-Exupéry schreibt weiter, „Die Sprache ist ein unvollkommenes Werkzeug“ und „Die Probleme des Lebens sprengen alle Formulierungen“.40

– Sprache ist oft eine Veranstaltung zur wechselseitigen Behinderung und wirkt wie ein Kampf, bei dem es ums Gewinnen geht.

– Was du sagst, ist richtig. Das Gegenteil auch.

Sprache wird zur Ablenkung vom Problem und zur Erhaltung des Status quo benutzt. Über Sprache wird auf Nebenkriegsschauplätze ausgewichen. Nebelbomben und andere Techniken der Ablenkung werden eingesetzt, unbewusste Inhalte und damit verbundene Informationen aufrechterhalten, die nichts als die sprachliche Gewandtheit des Klienten offenbaren. Sprache ist Futter, Peitsche oder Honigquast für den Partner, Kollegen, Therapeuten oder für wen auch immer.

Destruktive Diskussionen führen nicht zu Erkenntnissen und Lösungen. Die Frage „Wer hat Schuld?“ zum Beispiel bewirkt eine Diskussion, die in der Vergangenheit steckenbleibt. Der Boden, auf dem Sprache gelingen kann, ist, dem Menschen alle Wertschätzung zuteilwerden zu lassen und bereit und fähig zu sein, ihn in allen seinen Facetten wahrzunehmen. Auch hier gilt: Es ist alles schon da, du musst es nur finden. Das Gegenüber offenbart alles. Selbst wenn es zuweilen durch den Versuch geschieht, etwas nicht zu zeigen. Hier gilt in besonderer Weise, auf die Zwischentöne zu achten, Ungesagtes wahrzunehmen und zu deuten und für Lösungen zu nutzen.

Selbstverständlich kommen wir nicht ohne Sprache aus. Wo Sprache jedoch zu verbergen versucht, gilt für die angestrebten therapeutischen Etappenziele: „Das Wichtigste, was ich tue oder das ich mir einbilde zu tun, besteht darin, den Nebel oder Schleier von der Sprache zu entfernen.“41 George Berkeley bringt in „Eine Abhandlung über die Prinzipien der Erkenntnis“ weitere für uns interessante und zur Lektüre empfohlene Ausführungen zu Papier.42 Zu diesen Gedanken äußert sich ebenfalls Ernst Cassirer erläuternd in „Philosophie der symbolischen Formen“, dritter Teil.43 Kreative Medien können dabei eine entscheidende Hilfe sein.

Zeit und wer soll wen verstehen?

Allen Arbeiten mit Symbolen ist gemeinsam, dass sie möglichst schnell auf den Punkt kommen, ohne emotional zu überfordern. Und trotzdem geben sie dem Klienten die Möglichkeit, das Tempo in Beratung und Therapie zu bestimmen. Der Klient beginnt, sich selbst durch eigenes Tun besser und emotional zu begreifen. So ist auch die Chance gegeben, dass das Gegenüber, zum Beispiel der Therapeut, ihn versteht. Der Klient gewinnt in der Arbeit Sicherheit durch die Struktur, die Symbolarbeiten anbieten, und durch die Erfahrung, dass er selbst der Aktive sein kann und für sich verantwortlich ist.

So kommt es in der Regel auch nicht zu den sonst oft sehr frühen Problemfestlegungen durch den Therapeuten. Schließlich ergibt dieser Weg der Arbeit einen erheblichen Zeitgewinn, der dann für Lösungen genutzt wird. Es gelingt, erheblich schnell auf den Punkt zu kommen. Und schließlich bieten die Therapiematerialien und die Arbeitsschritte auch dem Therapeuten Sicherheit, Orientierung und Struktur.

Was gegen eine Standardisierung spricht

Eine Generalisierung ist nur bei dogmatischer Betrachtungsweise und evtl. verbunden mit ideologischem Hintergrund denkbar. Von religiösen Symbolen wie dem Kreuz über Bäumen in keltischen Sagen bis zu Festlegungen von Bildern und Motiven in so mancher Traumdeutung gibt es diese dogmatischen Normungen.

Standardisierung schränkt ein und reduziert. Es besteht auch die Gefahr, Standardisierung von Symbolen zu nutzen, sie einer Theorie oder Methode anzupassen. Diese Auseinandersetzung führt zum Beispiel Dr. Margaret Löwenfeld, indem sie darlegt:

„Ein Kinderanalytiker verwendet Spielzeug, um einen Zugang zu der Innenwelt eines Kindes zu bekommen, um daraufhin mit der Psyche des Kindes so zu verfahren, wie es die psychologische Theorie vorschreibt: Die Art und Weise, wie ein Kind mit dem Spielzeug umgeht, wird symbolisch und im Einklang mit dieser Theorie interpretiert“.44

In einem Aufsatz führt Christoph Schneider dazu aus:

„… dass sich Symbolisierungen aus dem Prozess der Lebensgeschichte heraus ergeben und dass Symbole somit keine feststehend objektivierten, von außen an das Individuum herangetragenen Bedeutungsträger darstellen, sondern nur in Relation zur jeweiligen Biografie ihre Aussagekraft gewinnen“.45

In der Psychoanalyse finden wir eine Reihe von Hinweisen darauf, wie Symbole in das biografische Geschehen eines Menschen gehören. In „Die Traumdeutung“ von Sigmund Freud (Frankfurt a. M. 1982) finden wir dazu Untersuchungen.

Für die Arbeit mit Symbolen, wie ich sie anwende, ist dafür kein Platz. Das wird auch deutlich in der beispielhaften Beschreibung der Bandbreite der Symbole. Es gibt gelegentlich Tendenzen. Aber auch die sind nicht zu verallgemeinern.

Die Bandbreite und Vielfalt der Symbole

Wilfried Schneider

Beim Aufbau der Lebens-, Monats-, Tages- und Stundenstraße werden Symbole verwendet. Eine ausreichende Beschreibung der Straßen ist in Teil II (Interventionen zur Biografiearbeit) zu finden.

Nachfolgend beschreibe ich sieben Symbole als Beispiel dafür, wie vielfältig und subjektiv die Wahl und Bedeutung von Symbolen ist. Diese Beispiele lassen sich um so viele erweitern, wie sich Symbole in dem Koffer „Straßen und Symbole“ befinden. Zurzeit sind das 280. Jeder Gegenstand ist in der Lage, alles Konstruktive wie auch alles Destruktive zu beschreiben.

Gegenstände umdeuten zu können, damit haben bereits Kleinkinder umfangreiche Erfahrungen. In dem Buch Entwicklungspsychologie von Rolf Oerter46 wird ein Beispiel von Wolfgang Einsiedler unter der Überschrift „Das Symbolspiel“ zitiert, wie Kleinkinder in einem Verkaufsspiel mangels einer Banane einen gelben Bauklotz als solche verkauften. Wir müssen jedoch nicht die Literatur der Entwicklungspsychologie bemühen. Alle, die je länger mit Kleinkindern zu tun hatten, kennen viele solcher Beispiele. Alles kann alles ersetzen. Die Fähigkeit zur Konnotation (Nebendeutung, Nebensinn) ist früh erworben. Ich erinnere mich an folgendes Beispiel: Tine, zu dem Zeitpunkt knapp fünf Jahre alt, verweigerte eine Zeit lang zu frühstücken. Ich öffnete das Fenster und holte mir aus dem geöffneten Fenster mit dem Messer Luft, die ich mir auf ein Brot strich und beschrieb, wie gut frische Luft schmecke. Tine ahmte das sofort nach und aß zum Frühstück mehr Brote als je zuvor. Sie konnte mit diesem Tun sogar einige Erwachsene und andere Kinder zur Nachahmung verführen. Die Kinder hingen an ihren Lippen, wenn sie den großartigen Geschmack beschrieb.

Bratpfanne: Anna, 16 Jahre, hat eine Bratpfanne auf das 11. Lebensjahr gestellt. Ihr fällt zuerst kein Grund dafür ein. Da wir wissen, dass sie viele, auch jüngere Geschwister hat, nehmen wir an, sie wolle darstellen, dass sie für ihre Geschwister gekocht und sie versorgt habe, sich Generationsgrenzen verwischt hätten, wenn sie die Mutter ersetzte. Anna verneint. Sie erklärt jedoch ganz entschlossen, die Pfanne gehöre dahin. Schließlich kommt ihr die Erleuchtung. Sie wird erst unruhig, dann sehr still. Nach einer Weile sagt sie: „Mein Vater war, wie oft, sehr betrunken, setzte mich auf die Platte eines Elektroherdes und sagte: Wenn du dich nicht ficken lässt, dann verbrenne ich dich.“ Die Pfanne hat als Symbol eine Bandbreite von Versorgen über Bedrohen bis zum Zerstören.

Panzer: Ein 52-jähriger Mann aus Russland befindet sich in der Forensik und hat auf das gelbe Feld einen Panzer gestellt. Sonst sind keine weiteren Symbole auf der Straße. Er fährt mit dem Panzer über die fast leere Straße und erklärt: „Das ist meine Mutter. Sie ist immer über mich drübergefahren.“ Zum ersten Mal gibt er so etwas von sich preis. Uns hat er eine wichtige Sachinformation geliefert. Er reagiert auf seine Worte mit feuchten Augen und ist endlich in der Lage, emotional etwas von sich zu zeigen.

Meine Erfahrungen im Kosovo lehren: Der Panzer steht auch für andere Formen der Gewalt, z. B. für Krieg. Aber auch diese Deutung gab es: Eine Klientin stellt den Panzer vor sich und sagt: „Ich muss mich schützen.“

Kuh: Die Kuh steht gleichermaßen für die nährende Mutter wie für die dumme Kuh, aufgewachsen auf dem Lande.

Oder: Die Eltern führten eine Landwirtschaft und der Klient sollte der Nachfolger werden, was er nie wollte. Er konnte aber aus Angst und Loyalität nicht widersprechen. Es dauerte Jahre, bis er sich neu entschied. Für ein Paar aus Russland symbolisiert die Kuh den wichtigsten Besitz, der Auskommen und Ernährung sicherstellt (Milch, Butter, Geburt einer Kuh und nach dem Schlachten Fleisch und Wurst).

Gummiring: Der Ring liegt auf dem letzten Feld der Lebensstraße bei 24. Erklärung der Klientin: „Und nun kann ich meine Kreise erweitern.“ Mit einfachen Hilfsmitteln spannt ein anderer Klient den Gummiring über drei Altersfelder und sagt: „Die Jahre waren eine kaum aushaltbare Spannung.“ Ein Gummiring schlingt sich eng um ein Haus. „In dieser Wohnung, in dieser Beziehung und in allem, was war, fühlte ich mich wie eingeschnürt.“

Sarg: „Mich da mal reinlegen, in Ruhe gelassen werden und zur Ruhe kommen.“ So eine Klientin, die bei der Schilderung ganz ruhig wird und tief durchatmet. „Ich dachte, jetzt ist es aus“, erklärt eine andere und meint die Beziehung, in der sie lebte. Der Sarg wird oft als etwas Geheimnisvolles (unbekanntes Unklares) verwendet, steht aber auch für Tod und Abschied.

Stiefel/Schuh: „Der Tritt in den Arsch, den ich brauchte, um mich zu entscheiden“, so ein ganz junger Klient. Bei ihm ging es um die Entscheidung, mit dem Konsum von Drogen aufzuhören. Symbolisch bedeutet das auch „der Schuh drückt“. Ein Stiefel wird oft in der Phase der Pubertät benutzt und steht da für „Frau sein“. Für andere ist der Schuh mit dem Wandern verbunden und erzählt vom Urlaub in den Bergen; er kann ebenso den Pilgerweg versinnbildlichen.

Anker: Er symbolisiert mal das Zuhause, mal das Festhängen, mal den Wunsch nach einem festen Halt. Der Anker beschreibt ebenso eine Schiffsreise, auf die eine Klientin spart, um sich eine große Sehnsucht zu erfüllen. Dafür entbehrt sie vieles andere. Er symbolisiert für einen anderen den Vater, der zur See fuhr und nur selten zu Hause war. In diesem Fall spielt er in der Lebensstraße des Klienten eine wesentliche Rolle.

Techniken und Grundlagen

Wilfried Schneider

Die nachfolgenden Techniken und Grundlagen sind für meine Arbeit unverzichtbar und immer eingebettet in die Arbeit mit Symbolen, wie sie im Verlauf des Buches erläutert wird. Über sie habe ich die Möglichkeit, schneller und genauer zu verstehen, was ist das Problem und was ist das Ziel des Menschen, mit dem ich arbeite. Das Material, das ich nutze, ist für mich Handwerkszeug. Daher mag der Vergleich zum Handwerker passen. Nur wenn er die nötigen Techniken beherrscht, ist er ein guter Handwerker.

Die Kunst des Weglassens und Wahrnehmens