Wintertage auf Capri - Roberta Gregorio - E-Book

Wintertage auf Capri E-Book

Roberta Gregorio

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Beschreibung

Kalte Tage und warme Herzen auf Capri Mariasole hat es endlich geschafft: Sie hat als Sängerin einen Plattenvertrag ergattert und ist für die Karriere von Capri nach Deutschland gezogen. Sie gibt Interviews und hat kleine Fernsehauftritte. Auch Sohn Alfio lebt sich gut ein. Nur ihr Liebesleben lässt ein bisschen zu wünschen übrig. Und das, obwohl sie nun ganz in der Nähe von Niklas wohnt, den sie im Sommer auf Capri kennen gelernt hat. Zwar verstehen die beiden sich super und sehen sich ab und an, aber nicht so oft, wie es Mariasole lieb wäre. Und dann nimmt ihr Ex, zugleich Alfios Vater, wieder Kontakt zu ihr auf. Haben die beiden eine zweite Chance oder kann Niklas endlich ihr Herz gewinnen? Noch bevor Mariasole sich endgültig entscheiden kann, kommt ein Anruf aus Capri und Mariasole eilt in die winterliche Heimat zurück. Aber Capri wäre nicht Capri, wenn dort nicht auch zu Weihnachten die Herzen höher als die Wellen schlagen …

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Wintertage auf Capri

Die Autorin

Roberta Gregorio wurde 1976 im schönen Fürstenfeldbruck in Bayern geboren und ist dort direkt an der Amper aufgewachsen. Auch heute lebt sie mit ihrer Familie am Wasser, nur nicht mehr am Fluss, sondern am Meer, genauer in Süditalien. Gleich geblieben ist ihre große Leidenschaft für Worte, Texte und Manuskripte. Wenn sie nicht schreibt oder liest, übersetzt sie auch gerne. Braucht sie trotzdem mal eine kurze Pause, dann geht sie an den Strand und lässt die Seele baumeln, denn die Sache mit dem Dolcefarniente, die kann sie besonders gut.

Das Buch

Mariasole hat es endlich geschafft: Sie hat als Sängerin einen Plattenvertrag ergattert und ist für die Karriere von Capri nach Deutschland gezogen. Sie gibt Interviews und hat kleine Fernsehauftritte. Auch Sohn Alfio lebt sich gut ein. Nur ihr Liebesleben lässt ein bisschen zu wünschen übrig. Und das, obwohl sie nun ganz in der Nähe von Niklas wohnt, den sie im Sommer auf Capri kennen gelernt hat. Zwar verstehen die beiden sich super und sehen sich ab und an, aber nicht so oft, wie es Mariasole lieb wäre. Und dann nimmt ihr Ex, zugleich Alfios Vater, wieder Kontakt zu ihr auf. Haben die beiden eine zweite Chance oder kann Niklas endlich ihr Herz gewinnen? Noch bevor Mariasole sich endgültig entscheiden kann, kommt ein Anruf aus Capri und Mariasole eilt in die winterliche Heimat zurück. Aber Capri wäre nicht Capri, wenn dort nicht auch zu Weihnachten die Herzen höher als die Wellen schlagen …

Von Roberta Gregorio sind bei Forever erschienen:Sommertage auf CapriWintertage auf Capri

Roberta Gregorio

Wintertage auf Capri

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinNovember 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-411-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Epilog

Leseprobe: Sommertage auf Capri

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Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

Der Tag, an dem Mariasole von ihrer Schwangerschaft erfuhr, hatte gut angefangen. Der Priester ihrer Gemeinde hatte sie auf der Piazzetta angehalten und gebeten, für ein paar Wochen die Kirchenchorleitung zu übernehmen, da Suor Catia, die Nonne, die sonst dafür zuständig war, zu ihrer Familie in die Heimat geflogen war.

Mariasole hatte sich sehr über die Anfrage gefreut, da ihr bewusst geworden war, dass Capris Bewohner ihren Gesang endlich ernst zu nehmen begannen. Sie hatte hart für diese Anerkennung gearbeitet. Auf der Insel wusste zwar jeder, dass sie sang, doch hatte der Großteil sie bisher milde belächelt. So wie jeder, der Kunst und Kultur für ganz nett, aber eben als nicht besonders wichtig betrachtete. Wie so oft, wenn sie etwas zu berichten hatte, beschloss sie spontan, den morgendlichen Einkauf aufzuschieben, um ihrem besten Freund Ennio davon zu erzählen. Da sich dessen Sandalen-Laden gleich um die Ecke befand, steuerte sie sofort darauf zu.

Ennio, der hinter der Theke gestanden und mit dem Werkzeug hantiert hatte, das er zum Herstellen der typischen, flachen Capri-Sandalen verwendete, hatte aufgeblickt und ihr zugezwinkert, als sie eingetreten war.

»Na, du?«, hatte er gegrüßt, während er jedoch mit seiner Arbeit weitergemacht hatte.

»Buongiorno«, hatte sie gesagt und angefangen zu erzählen. Doch dann war ihr kurz schwarz vor Augen geworden, sodass sie sich an die Theke hatte stützen müssen.

»Hey …«, hatte Ennio gemurmelt und fragend das Werkzeug beiseitegelegt. »Alles gut?« Er hatte besorgt über die Theke reichend ihre Hand ergriffen.

»Ja.« Sie hatte genickt und plötzlich gegen Übelkeit ankämpfen müssen. »Mir ist nur ein bisschen schlecht. Ich muss wohl etwas Falsches gegessen haben.«

»Wieso? Was hast du denn gefrühstückt?«

Sie hatte überlegt. »Zwieback.« Sie hatte sich eine Hand über den Mund gehalten. Die Übelkeit war unerträglich geworden.

»Davon wird einem eher selten schlecht, oder? Du bist doch nicht etwa schwanger?«

»Ach, so ein Unsinn. Ich brauche nur frische Luft«, hatte sie behauptet und grüßend den Laden verlassen.

Es war Sommer, aber ihr war eiskalt geworden. Schwanger … Sie hatte angefangen zu rechnen und zu überlegen, dass ihr am Abend zuvor auch kurz schlecht gewesen war.

Nun, so weit war sie nicht drüber. Ihre Periode war nicht immer regelmäßig, hatte sie versucht, sich zu beruhigen. Eine Schwangerschaft war nicht in ihren Plänen gewesen. Mit ihrem Freund Gerardo hatte sie das Thema Familienplanung zwar mal angeschnitten, aber eher halbherzig. Sie waren einfach noch nicht so weit gewesen.

Bestimmt war das nichts, hatte sie sich stumm wiederholt. Trotzdem hatte sie einen Test gekauft und gehofft, dass die gesprächige Apothekerin ausnahmsweise mal nicht die halbe Insel informierte.

Der Test hatte wenig später ein positives Ergebnis angezeigt. Sie war schwanger. Wie sehr sie sich darüber freute, hatte sie gewundert, denn ihre Gesangskarriere hatte bisher immer an erster Stelle gestanden. Doch alles würde gut werden. Sie war ja nicht allein. Sie hatte zum Handy gegriffen, um ihren Freund anzurufen. Alles würde gut werden. Sie mussten einfach nur umdenken, oder?

Es war einmal ein junger Mann.

Er war schön, er war beliebt, er war reich.

Kapitel 1

»Wie finden Sie es denn bei uns in Deutschland, Mariasole?«, fragte die verständnisvoll dreinblickende Moderatorin mit dem kunstvoll hochgesteckten blonden Dutt. Michaela Roth hieß sie und sie leitete eine Guten-Morgen-Show bei einem Lokalsender.

»Wundervoll. Einfach wundervoll!«, war Mariasoles Antwort.

Michaelas Blick war nun vielleicht sogar etwas gönnerhaft. Als glaubte sie ihr kein einziges Wort. »Vermissen Sie Ihre Heimat, Ihre Insel, denn gar nicht?«

»Doch. Natürlich. Aber das Leben auf einer Insel, selbst wenn es sich um die Trauminsel Capri handelt, kann auch beengend sein. Ich fühle mich hier in Deutschland endlich am richtigen Platz. Dieses Gefühl habe ich anders herum in letzter Zeit auf Capri vermisst, verstehen Sie?«

Die Frau blinzelte, nickte. Aber, nein, man sah es ihr an: Sie verstand das nicht, wie man lieber in Deutschland als auf Capri leben konnte.

»Nun, wir alle sind jedenfalls sehr glücklich darüber, dass Sie Ihren Weg in unser Land gefunden haben, denn Sie sind zweifellos eine unglaublich talentierte Sängerin und Ihr Weihnachtslied ein richtiger Ohrwurm. Der Produzent, der Sie auf Capri entdeckt und nach Deutschland gebracht hat, hatte den richtigen Riecher, das muss man ihm lassen.«

»Danke. Grazie mille!«

»Würden Sie es denn für uns singen?«

Sie nickte nur und ging zur Studiobühne.

Mariasole schaltete den Fernseher nach Ende der Ausstrahlung des kurzen Interviews aus, legte die Fernbedienung vorsichtig auf den hübschen Holztisch und erhob sich vom Sessel. Sie war dankbar und noch immer etwas übermannt. Hier war sie also, im schönen Deutschland. Und das schon seit ein paar Monaten. Doch obwohl Zeit vergangen war, kam es ihr noch immer so vor, als träumte sie alles nur. Denn sie hatte ihren Umzug aus Italien einer ganzen Reihe glücklicher Umstände zu verdanken, die so wundervoll waren, dass sie ihr schier irreal erschienen. Bisher war sie nur auf ihrer Insel als Sängerin aufgetreten, inzwischen hatte sich das dank ihres Produzenten geändert. Sie hatte vor knapp vier Wochen einen Weihnachtssong aufgenommen. Die Verkaufszahlen, die die Prognosen der Produktion mehrfach überstiegen, sprachen eine deutliche Sprache: Sie hatte einen Hit gelandet. Einen Weihnachtshit. Und das als gebürtige italienische Inselbewohnerin. Ein Kontrast, der wohl größer nicht sein könnte.

Mit klopfendem Herzen, so wie immer, wenn ihr klar wurde, dass sie in ihrer Gesangskarriere gerade an einem sehr guten Punkt angelangt war, ging sie ans Fenster ihrer kleinen Wohnung und erzeugte dabei gemütlich klingendes Knarzen mit jedem ihrer Schritte auf dem antiken Holzboden. Sie mochte ihre heimelige Bleibe auf dem Bauernhof in Bayern! Sie konnte gar nicht in Worte fassen, wie gigantisch sich das anfühlte, endlich so richtig vom Singen leben zu können. Und dabei noch in so wundervollem Rahmen. Gut, die Wohnung war wirklich winzig mit ihren zwei Zimmerchen, dem mehr als übersichtlichen Bad und der Küchenzeile. Sie schlief zusammen mit ihrem kleinen Sohn Alfio in einem Bett, was nicht ideal war. Aber nichts würde ihr die Freude darüber nehmen, ihr Leben im Griff zu haben. Von der saisonbedingten Unterhaltungssängerin war sie emporgestiegen zur professionellen Sängerin mit Plattenvertrag.

Wohlig seufzend blickte sie zum Fenster hinaus und genoss den Ausblick. Sie fand es noch immer gewöhnungsbedürftig, nirgendwo das Meer zu entdecken. Hier im Süden Deutschlands gab es dafür jede Menge Neues zu sehen. Aber das Meer, das nicht.

Sie hatte nie daran glauben wollen, wenn man ihr sagte, dass das Meer jedem fehlen würde, der damit aufgewachsen war. Und doch … diese These hatte sich als die reine Wahrheit herausgestellt. Sie vermisste es, das weite Blau. Aber nicht so arg, dass es schmerzte. Eher wie ein konstanter Gedanke, der sie daran erinnerte, was für ein Privileg es gewesen war, sich jeden Tag am Anblick des weiten Gewässers ergötzen zu dürfen. Jetzt, in dieser neuen Phase ihres Lebens, fand sie es jedoch ganz wundervoll, durch dieses Fenster direkt über einen landwirtschaftlichen Betrieb blicken zu können, der herrlich eingebettet war in typisch bayrischer Landschaft. Sie sah Tannen – die erkannte sie – und allerhand andere Bäume, die sie jedoch nicht wirklich benennen konnte. Die waren ganz offensichtlich nur entfernt mit der Mittelmeervegetation verwandt, an die Mariasole gewöhnt war. Sie nahm sich vor, sich die Namen mal nennen zu lassen von all dem vielen Grün. Sie wollte lernen. So viel lernen.

Auch wollte sie lernen, allmählich damit Frieden zu schließen, dass Alfio einfach ein Drecksspatz war. Da, er sprang erneut in die tiefe Pfütze! Sie wusste schon gar nicht mehr, was sie ihm anziehen sollte. So viel hatte sie dann doch nicht mitgenommen. Denn eigentlich war das hier gerade eine Übergangslösung. Wohin der Übergang führen würde, das wusste sie nicht. Das hing von vielen Faktoren ab. Dinge wie Erfolg, zweiter Plattenvertrag, und, und, und … das waren Worte und Begriffe, die herumschwirrten, sich aber zum Teil ihrem persönlichen Einwirken entzogen. Sie hatte alles gegeben. Jetzt lag es nicht mehr nur an ihr.

Mariasole spürte, wie sich ihre Stirn in Falten legte, während Alfio lachte. Das konnte sie aus ihrer Position zwar nicht hören, aber ganz deutlich sehen. Und deshalb war es doch ein bisschen so als könnte sie ihn hören.

Alfio hatte sich eingelebt. Capris bunte Gassen, in denen er sonst immer gespielt hatte, schienen endlich in weite Ferne gerückt. Auch die Sonne, die sich hier gerne rarmachte, war offenbar gerade weit von Alfios Gedanken entfernt. Sie waren seit knapp zwei Monaten in Deutschland und ihr Sohn war nach anfänglichen Momenten großen Heimwehs endlich angekommen. So waren sie, die Kinder, oder? Flexibel, anpassungsfähig und lebensfroh. Alfio gehörte inzwischen selbst ein bisschen zu diesem Hof, auf dem sie lebten. Wie die Ställe, wie die Kühe, wie die Gasteltern und die gute Oma Nina und wie Niklas, der junge Besitzer des landwirtschaftlichen Betriebs und Sohn der Gasteltern.

Und wieder machte ihr Herz einen Sprung wie die Klippenspringer im Sommer auf Capri. Das passierte häufig. Vor allem bei Niklas. Wenn sie an ihn dachte. Wenn sie ihn ansah. Wenn sie ihn berührte.

Das mit Niklas war eine lange Geschichte, über die Mariasole gerne nachdachte. Sie hatte sogar mal versucht, einen Song über ihr erstes Treffen zu schreiben. Es war ihr aber nicht wirklich gelungen. Vielleicht, weil sie gespannt auf die Entwicklung ihrer etwas speziellen Bekanntschaft wartete; vielleicht würde sie sich einfach im Sand verlaufen. Möglich. Denn Niklas war eher … nun … zurückhaltend. Ja. Das traf es ganz gut. Und Mariasole wusste nicht, ob das einfach nur eine rein deutsche Zurückhaltung war. Das kannte sie so gar nicht. Italienische Männer waren sehr direkt. Also hing sie ein bisschen in der Luft.

Sie hatten sich im letzten Sommer auf Capri kennengelernt – unter sehr speziellen Umständen –, und es war eine schöne Freundschaft entstanden.

Tja. Und nun, nun hatte Niklas eine Ferienwohnung seines Hofes an sie vermietet, weil sie eine Bleibe in Deutschland gebraucht hatte, um ihren Weihnachtssong aufzunehmen und anschließend gut dafür zu werben, und sie lebten keine fünfzig Meter voneinander entfernt. Nur waren sie sich trotzdem nicht so richtig nahegekommen. Was ihr Herz keineswegs davon abhielt, weiterhin für ihn zu schlagen.

Oh. Da war er ja, der schöne Niklas. Er kam gerade aus dem Stall, zu dem Mariasole aus ihrem Fenster wunderbar schauen konnte. Er sah so männlich und umwerfend aus, dass es ihr schier den Atem verschlug. Sie hatte gar nicht gewusst, dass sie große, blonde Männer mit blauen Augen toll fand, die ihre Muskeln der harten Arbeit und keinem Fitnessstudio zu verdanken hatten. Und doch war es so. Sie fühlte sich wie ein Teenie beim Anblick ihres unerreichbaren Idols.

Sie beobachtete, wie er auf Alfio zuging und ihm liebevoll durch die Haare fuhr. Sie gönnte es ihrem Sohn, Niklas’ Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber ein kleiner Teil in ihr beneidete ihn und wünschte sich, mit ihm tauschen zu können.

Ohne ersichtlichen Grund blickte Niklas ganz plötzlich zu ihr, zum Fenster herauf. Er lächelte, nickte ihr zu und winkte dann. Sie tat es ihm nach und überlegte, sich zu ihnen zu gesellen.

Bevor sie sich aber wirklich dazu entschließen konnte, hörte sie ihr Handy piepen. Sie nahm es sofort zur Hand, da ihr Produzent oft WhatsApp-Nachrichten schickte, um ihr Neuigkeiten mitzuteilen. Auf dem Display erschien eine Benachrichtigung und ihr Smartphone fiel ihr beinahe aus der Hand. Die Nachricht war nämlich nicht vom Produzenten, nein. Die war von jemand ganz anderem.

Das Wetter auf Capri war heute nicht gerade das, was man als typisch mediterran bezeichnen würde. Ein dicker Nebelschleier hatte die Insel verschluckt – so sah es jedenfalls aus. Die Luftfeuchtigkeit konnte man fast vom Himmel tropfen sehen und vor allem in den Knochen spüren – so war das manchmal im Winter. Aber das war dann auch schon alles. Recht viel winterlicher wurde es nur selten.

Velia lebte noch nicht lange auf der Insel, aber das Wetter machte ihr nichts aus. Sie liebte die Insel, selbst wenn sie sich ab und an nicht von ihrer besten Seite zeigte. Sie liebte auch ihr neues Leben. Sie liebte aber vor allem ihn, Ennio, mit dem sie seit letztem Sommer zusammen war, als sie bei ihm im Sandalenlanden einen Aushilfsjob angenommen hatte. Er war zweifellos die Liebe ihres Lebens. Beim Gedanken an ihn seufzte sie wohlig. Und die Flamme der Kerze, die sie angezündet und auf den bereits gedeckten Esstisch gestellt hatte, flackerte kurz aufgeregt. Ja, aufregend war ihr neues Leben hier auf der Insel noch immer. Sie war ohne große Erwartungen hier angekommen, um die Arbeitsstelle anzunehmen, die ihre Tante Franca ihr vermittelt hatte. Arbeiten mit Ennio war unglaublich bereichernd. Er leitete sein kleines Sandalengeschäft in dritter Generation. Die flachen Sommersandalen stellte er in liebevoller Handarbeit selbst her. Mit Engagement und ganz viel Herzblut machte er alles im Alleingang. Nun, fast. Inzwischen half Velia ihm, wo sie nur konnte. Und das war gar nicht so einfach, denn Ennio ließ sich in Sachen Sandalen nicht gerne etwas sagen. Er wollte das Geschäft weiterhin sehr traditionsbewusst halten und führen.

Velia war da ganz seiner Meinung. Nur verstand Ennio nicht, dass Tradition Innovation nicht unbedingt ausschließen musste. Velia zog die Schultern hoch, blickte sich in der großen, sonst sehr hellen Küche mit Glasfront um. Sie fühlte sich so … ja … zu Hause hier, das war fast unheimlich. Dabei lebte sie erst knapp drei Monate mit Ennio zusammen in seiner Wohnung, die direkt über seinem Laden und in unmittelbarer Nähe der berühmten Piazzetta von Capri lag. Sie lebte und erlebte hier auf dieser magischen Insel gerade ihr ganz persönliches Märchen. Und sie dankte Gott und allen guten Geistern, dem Meer, dem Himmel, der Sonne und den Sternen und ihrem Schicksal dafür, dass sie hier sein durfte.

Hier mit Ennio.

Er kam gerade zur Tür herein. Sie lauschte, wie er die Haustür zuwarf. Sie kämpfte gegen den Impuls an, ihm entgegenzulaufen, um ihm um den Hals zu fallen. Meine Güte … sie hatten bis vor einer halben Stunde noch Arm an Arm, Seite an Seite in seiner kleinen Werkstatt gearbeitet, sich unterhalten, gelacht. Sich geküsst. Das ging gar nicht anders. Sie küssten sich ständig. Bekamen nie genug voneinander. Und doch fühlte sie sich gerade so, als hätte sie ihn seit einer halben Ewigkeit nicht gesehen. Deshalb sprang sie doch auf und lief zu ihm in den Flur. Sie flog ihm förmlich entgegen und er fing sie lachend auf.

Sie schlang ihre Beine um ihn und fühlte sich in seinen starken Armen federleicht. Er küsste sie in die Halsbeuge. Genau dahin, wo sie am empfindlichsten war. Sie kicherte und löste sich langsam von ihm.

Sie blickte in sein wunderschönes, markantes Gesicht. Er lächelte. Trotzdem sah sie eine kleine Sorgenfalte auf seiner Stirn. Direkt zwischen seinen dunklen Augenbrauen.

»Was ist denn los?«, fragte sie ihn zärtlich und strich mit dem Zeigefinger über die Stelle.

Er ließ sie vorsichtig auf den Boden. »Dir kann man nichts verheimlichen, hm?« Er küsste sie auf die Nasenspitze. Dass er nicht direkt auf ihre Frage antwortete, merkte sie sofort. Nur wollte sie nicht nachhaken. Er würde es sicher erzählen, sie musste ihm nur Zeit lassen.

Velia nahm also seine Hand, und gemeinsam gingen sie in die Küche.

Er zog tief die Luft ein. »Kartoffeln?« Dann ging er zur Spüle, um sich die Hände zu waschen.

»Kartoffelsuppe«, erklärte sie. »Gut?«

»Alles, was du zubereitest, ist gut!«

»Außer der Fisch neulich.«

Er schüttelte amüsiert den Kopf. »Ich hätte ihn trotzdem gegessen.«

Ja. Das stimmte. Sie hatte ihm den Teller förmlich aus der Hand gerissen, weil er partout nicht zugeben wollte, dass es ganz einfach schrecklich schmeckte. Das nur, um sie nicht zu beleidigen oder traurig zu machen. Auch deshalb liebte sie ihn. Er war so einfühlsam und zuvorkommend wie niemand auf der Welt. Oder zumindest wie niemand, den sie kannte.

Sie war keine perfekte Köchin. Fisch, zum Beispiel, nun, damit kam sie gar nicht zurecht. Was hier auf Capri, wo es eigentlich ständig Fisch geben könnte, einfach ungünstig war. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Ennio – der selbst auch hervorragend kochen konnte – von jetzt an den Fisch übernahm und Velia erst mal bei ihrer Tante Franca, die auch auf Capri lebte, und lange Zeit Haushälterin bei Ennios Familie gewesen war, ein paar Kochstunden nahm.

Ennio setzte sich. Er wirkte müde. Trotzdem schlug er sich aufs Bein. »Komm her, mia bella!«, lockte er sie.

Und sie ließ sich nur zu gerne von ihm einladen. Sie setzte sich auf seinen Schoß. Er drehte sie so, dass sie ihm ins Gesicht blicken musste.

»Mir ist vollkommen egal, dass du keinen Fisch kochen kannst. Ich liebe alles, was du machst. Weil ich dich liebe. Va bene?«

Ihr Herz machte einen Satz. Er war nicht geizig mit Liebesbekundungen. Aber sie war nicht immun gegen diese starke Freude, die sie jedes Mal dabei empfand. Deshalb nickte sie nur und lehnte ihre Stirn an seine Brust. Er fuhr ihr mit seinen feingliedrigen Fingern durchs Haar. Wie konnte ein so großer Mann nur immer so zärtlich sein? Velia fragte sich das oft. Und sie fragte sich auch, womit sie ihn verdient hatte.

»Wollen wir essen?«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Sie nickte und erhob sich etwas widerwillig.

Er wollte helfen. Sie bat ihn aber darum, einfach zu entspannen. Die Sorgenfalte war noch immer zu sehen.

Velia trug auf. Sie schenkte beiden einen Schluck Wein ein. Dazu hatte sie die schönen, hohen, bauchigen Gläser genommen, die Ennios Familie schon seit Generationen gehörten. Er hatte sie mal ausdrücklich darum gebeten. Er mochte schöne Dinge.

»Schmeckt vorzüglich!«, lobte er.

»Danke. Magst du mir jetzt erzählen, um was du dir Sorgen machst?«

Ennio schluckte. Wich kurz ihrem Blick aus, fing ihn dann aber sofort wieder auf. »Mariasole hat mir vorhin geschrieben.«

Oh. Es ging um Mariasole. Ennio war immer sehr vorsichtig, wenn er über seine beste Freundin sprach. Das hatte auch einen Grund: Mariasole lebte jetzt auf dem Hof von Velias Ex-Freund Niklas. Das war die Stelle, an der sich das vergangene und aktuelle Leben vierer Menschen auf seltsame Weise verknotete. Ein wunder Punkt für Ennio. Nicht für Velia, nein. Sie hatte Niklas abgehakt. Schon lange.

Ennio offensichtlich nicht.

Velia konnte es ihm nicht verübeln. Sie war zu Beginn ihrer Beziehung nicht ganz ehrlich zu ihm gewesen. Zum Glück hatte Ennio ihr verziehen. Was aber nicht hieß, dass Niklas ihm nicht noch immer ein Dorn im Auge wäre.

»Probleme?«, fragte sie vorsichtig.

»Sie hat eine Nachricht erhalten. Von Alfios Vater. Wie aus dem Nichts. Das hat sie vollkommen umgehauen. Nach so vielen Jahren, verstehst du?«

»Oh.« Offen gestanden wusste Velia nicht viel von der ganzen Geschichte um Alfios Vater. Aber Mariasole, die kannte sie gut und mochte sie sehr. Alles, was Mariasole Sorgen bereitete, fand also auch Velia aus Solidarität nicht gut. »Wie war das damals eigentlich?« Das würde sie doch mal interessieren. Sie wusste nur, dass Mariasole alleinerziehend war. Wie es dazu gekommen war, das konnte Velia nur erahnen.

Ennio steckte einen Löffel Suppe in den Mund und schluckte, bevor er achselzuckend antwortete. »Gerardo kam im Sommer immer vom Festland hierher. Seine Eltern haben eine Ferienwohnung. Dabei hat er Mariasole kennengelernt. Nach einem Auftritt von ihr, bei einem Drink, Sternenhimmel und Mondschein. Du weißt, wie das läuft.«

»Ja. Ich kann es mir in etwa vorstellen. Capri ist magisch.«

Ennio nickte. »Ja. So magisch, dass Mariasole, obwohl ich sie mehrmals gewarnt hatte, auf Gerardo hereingefallen ist.«

»Wieso hast du sie denn gewarnt? Oder besser, wovor?«

Wieder hob Ennio die Achseln, trank einen Schluck Rotwein. »Ich kenne Männer wie Gerardo. Sie spielen mit Frauen. Entwickeln dabei nur selten echte, tiefe Gefühle. Sicherlich ist er sehr charmant und zuvorkommend gewesen. Er hat sie immer reich beschenkt. Ihr das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Aber er war nie ehrlich, verstehst du? Sie war jedoch irgendwann so verliebt und sah ihn durch die rosarote Brille. Ich war da sehr viel nüchterner und objektiver. Gerardo war einfach nur ein Scheißkerl.«

»Wie lange waren sie denn zusammen?«

»Hm … das ging mehr oder weniger über drei oder vier Sommer lang.«

»Bis Mariasole schwanger wurde?«

»Genau. Bis Mariasole schwanger wurde. Er hat sie sogar beschimpft, behauptet es wäre sicher nicht von ihm. Als er mit dieser Behauptung nicht durchkam, ist er verschwunden. Das war der Moment, an dem Mariasole endlich wieder angefangen hat, klar zu sehen und zu denken. Sie hat ihn daraufhin nicht als Vater ihres Kindes eingetragen und aus ihrem Leben verbannt.«

»Meinst du, er könnte seine Feigheit inzwischen bereut haben?«

»Ja … vielleicht …«, gab Ennio zu.

Seine Sorgenfalte wurde dabei noch tiefer.

Er lebte in der schillernden Stadt Neapel. Sein Name war Vesuv.

Kapitel 2

»Hallo. Ich bin’s, Gerardo«, hatte er geschrieben.

Noch immer überlegte Mariasole, warum zum Teufel sie ihren Ex-Freund und Vater ihres Sohnes Alfio nicht einfach blockiert hatte. Da meldete sich dieser Schuft nach mehr als vier Jahren wie aus dem Nichts wieder bei ihr und was tat sie? Hm?

Zuallererst hatte sie sich gesetzt.

Wieder und wieder hatte sie die Nachricht gelesen. Sogar die Möglichkeit, jemand könnte sie auf den Arm nehmen, hatte sie in Betracht gezogen.

Doch sie hatte sich an seine Handynummer erinnert, die sie während ihrer Beziehung unzählige Male gewählt hatte. Die Nummer war dieselbe geblieben. Nur sie hatte sich, nachdem es mit ihm aus gewesen war, sofort eine neue zugelegt.

Als sie gesehen hatte, dass er dabei war, eine weitere Nachricht zu schreiben, war ihr Herz beinahe stehen geblieben. Sie war in Panik geraten und hatte einfach nur abgewartet.

Deine Mutter hat mir freundicherweise deine Nummer gegeben. Ich weiß, das mag dir jetzt befremdlich erscheinen, dass ich mich nach so langer Zeit wieder melde.

Befremdlich? Nee. Es war ihr einfach nur unglaublich dreist erschienen. So dreist, dass sie gemerkt hatte, wie ihr vor Wut warm wurde. Eher heiß als warm.

Und mit ihrer Mutter würde sie noch ein Hühnchen rupfen. Wie kam sie denn bitte auf so eine absurde Idee? Immerhin hatte sie doch miterlebt, als Mariasole am Boden zerstört gewesen war, oder?

Gerardo hatte weitergeschrieben: »Die Zeit hat mir aber auch geholfen, mir darüber klar zu werden, was für ein stronzo ich gewesen bin. Ich möchte dich um Verzeihung bitten.«

Und dann, ehe sie sich selbst davon hatte abhalten können, war sie hineingerutscht in einen Chat mit ihm.

»Warum gerade jetzt?«, hatte sie geantwortet. Diese Frage interessierte sie brennend. Was war jetzt anders als die Jahre zuvor?

Er hatte sich Zeit gelassen mit der Antwort.

Wenn ich ehrlich sein soll, dann hatte ich wohl Angst, dich zu verlieren.

Du hast mich verloren, als du mich allein gelassen hast.

Ja. Das stimmt schon. Ich meine das auch anders. Lass mich dir erklären. Die ganze Zeit über habe ich immer wieder Informationen über dich und Alfio bekommen. Mal über die Nachbarin unserer Ferienwohnung. Mal über Bekannte. Mal über Freunde – du weißt, Capri ist ein Dorf. Und sehr oft auch über das Internet.

Alfio.

Sie hatte schwer geschluckt.

Er kannte den Namen ihres Sohnes. Sie war immer davon ausgegangen, dass er nichts über sie wusste. Aber, klar, Capri war ein Dorf – da hatte er wohl recht. Informationen, Geheimnisse, Gerede verbreiteten sich wie ein Lauffeuer.

Über eine einfache Suche im Netz habe ich erfahren, dass du nicht mehr auf der Insel bist. Und das hat mich vollkommen fertiggemacht. Ich meine, ich dachte, du wärst immer erreichbar für mich. Irgendwie.

So ein Arsch!

Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.

Ja. Das weiß ich. Das weiß ich jetzt.

Von mir aus kannst du sofort wieder zurück in die Versenkung gehen. Ich komme sehr gut allein klar.

Ich weiß. Ich kenne keine Frau, die, was Stärke und Durchsetzungsvermögen betrifft, auch nur im Entferntesten an dich rankommen könnte.

Ein Kompliment? Damit sollte sie sich den Hintern abputzen!

Er hatte weitergemacht im Text. Als hätte er ihre Gedanken nicht erahnen können!

Ganz ehrlich, ich bewundere dich so sehr, dass ich mich selbst am liebsten wieder aus deinem Leben streichen würde. Aber es geht mir sehr schlecht. Was dich natürlich nicht berühren sollte, da ich selbst daran schuld bin. Dennoch … ich glaube, ich könnte nicht im Reinen mit mir selbst weiterleben, wenn ich meinen größten Wunsch jetzt nicht aussprechen würde.

Seinen größten Wunsch? Wieso sollte der sie interessieren?

Doch er machte einfach weiter. Wie eine unaufhaltsame Lawine.

Bitte, Mariasole, lass mich Alfio kennenlernen.

Da.

Jetzt stand es auf ihrem Handy.

Schwarz auf weiß.

Er wollte Alfio kennenlernen.

Ihr fielen ungefähr tausend bissige Antworten ein. Alle zusammen. Alle auf einmal. Ihr drehten sich diese unausgesprochenen Antworten wirr vor den Augen, sodass ihr tatsächlich schwindelig wurde.

Natürlich ist mir bewusst, dass ich kein Recht darauf habe. Das ist klar. Ich will dir auch nichts streitig machen oder gar Ansprüche erheben. Doch wenn in deinem Herzen eine winzige Spur von Verständnis für meinen Wunsch ist, dann, bitte, hilf mir, meinen Sohn kennenzulernen.

Das war der Moment gewesen, in dem Mariasole aufgestanden war, ins Bad gegangen war und sich übergeben hatte.

Erst Stunden danach hatte sie sich einigermaßen wieder im Griff. So weit, dass sie ihrem besten Freund Ennio kurz mitgeteilt hatte, dass Gerardo sich urplötzlich gemeldet hatte. Mehr hatte sie aber dann nicht verraten, denn sie hätte es Ennio zugetraut, nach Neapel überzusetzen, Gerardo ausfindig zu machen und ihn zu verprügeln. Na, vielleicht nicht ganz. Aber sie kannte ihren besten Freund gut genug, um ihn nicht unnötig beunruhigen zu wollen.

Sie musste erst mal selbst verarbeiten, was passiert war. Und das war alles andere als einfach.

Und Gerardo? Der sollte ruhig noch eine Weile im eigenen Saft schmoren. Geantwortet hatte sie ihm nicht mehr. Er hatte dann auch irgendwann aufgehört, ihr zu schreiben. Die Hoffnung, dass sich alles von selbst lösen würde, begrub Mariasole jedoch sofort. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Ex sich nicht so leicht abwimmeln lassen würde.

Nach einer eher bescheidenen Nacht stand Mariasole noch im Morgengrauen auf. Sie hatte heute einen wichtigen Termin bei einem kleinen Radiosender. Sie musste sich fangen. Im Moment aber hielt sie sich eher an ihrer Tasse fest, die bis zum Rand gefüllt war mit starkem Milchkaffee. Den brauchte sie. Sie stellte sich wieder an ihre Lieblingsstelle am Fenster, da sich die Heizung gleich darunter befand. Die Wohnung war bestens geheizt. Dennoch klapperte sie mit den Zähnen, was wohl daran lag, dass sie barfuß und nur mit leichtem Nachthemd bekleidet aus dem Bett gestiegen war, um Alfio nicht zu wecken, der – mal wieder – die ganze Nacht über wild geträumt hatte von Kühen, Delfinen und Bäumen. Das war das, was sie ganz deutlich herausgehört hatte.

Alfio …

Ihr Kind hatte einen Vater. Einen Vater, der ihn zunächst nicht gewollt hatte. Einen Vater, der sich jetzt aber wünschte, ihn kennenzulernen.

Was sollte sie nur machen?

Der landwirtschaftliche Betrieb schlief auch nicht mehr, wie Mariasole jetzt gar nicht erstaunt erkannte. Sie wusste, dass die Kühe schon sehr früh gemolken wurden. Ob Niklas sich auch heute wieder selbst darum kümmerte?

Ach, Niklas … Wie sehr wünschte sich Mariasole jetzt einen Partner, an den sie sich lehnen konnte. Mit dem sie besprechen konnte, was das Beste für ihren Sohn wäre.

Doch so lief das im Leben nicht. Sie musste selbst Verantwortung tragen. Und das tat sie schon eine ganze Weile ganz gut, wie sie hoffte.

Sie trank weiter warmen Milchkaffee und so allmählich wurde sie richtig wach. Das Koffein hauchte ihr neuen Lebensmut ein. Sie schob so viele offene Fragen entschieden von sich und beschloss, warm zu duschen.

Es würde schon irgendwie laufen. Ganz bestimmt!

»Niklas, holst du bitte kurz den Jungen runter?«

Kaum hatte Niklas die einladende Küche seines Elternhauses betreten, schon wurde er wieder weggeschickt. Er lachte in sich hinein. Manche Dinge änderten sich nie. Auch als kleiner Junge war es schon immer so gewesen, dass seine Mutter ihn auf dem weitläufigen Hof dauernd hin und her schickte, um irgendetwas zu erledigen. Holst du bitte die Eier bei den Hühnern? – Schaust du mal bitte, ob der Hund Wasser hat? – Rufst du bitte den Papa?, das waren nur einige der Aufgaben, die Niklas damals für seine Mama zu erledigen hatte.

Und heute sollte er den Jungen holen.

»Ist es nicht noch ein bisschen früh?«, gab er mit einem Blick auf die Armbanduhr zu bedenken.

Oma Nina stieß wankend zu ihnen. Seit ihrer Hüftoperation hatte sie sich eine Gangart angeeignet, die sie immer aussehen ließ, als hätte sie zu tief ins Glas geschaut. Aber sonst war sie erstaunlich fit für ihre dreiundachtzig Jahre.

Alfio war fester Bestandteil ihres Alltags geworden. Das schafften Kinder aber auch schnell …

»Mariasole hat einen Termin«, deutete seine Mutter nur an und wendete den Speck in der Pfanne, der unverschämt gut duftete und Niklas’ Magen laut zum Knurren brachte.

»Ich freu mich auf den Jungen!«, informierte Oma Nina ihn und sah ihn aus ihren himmelblauen Augen, die Niklas von ihr hatte, über den Brillenrand hinweg strahlend an.

Mariasole hatte einen Termin. So, so.

Ja, Mariasole … Die attraktive, lebenslustige, talentierte und wunderhübsche Mariasole. Niklas seufzte unmerklich.

Die italienische Sängerin, die er im letzten Sommer auf Capri kennengelernt hatte, hatte sich zu Beginn ihres Aufenthalts auf ihrem Hof noch dringend erkundigt, ob es in der Nähe einen Kindergarten, Hort oder irgendeine Stelle gäbe, wo sie ihren Jungen hinbringen konnte, wenn sie beschäftigt war. Niklas’ Mutter und Großmutter hatten davon gar nichts hören wollen. »Papperlapapp. Wieso soll das arme Kind zu Fremden? Hier kann sich immer jemand um ihn kümmern. Und wir sind eh rund um die Uhr zu Hause.«

»Es handelt sich nur um eine Übergangslösung, ja?«, hatte Mariasole in ihrem typischen englisch-italienisch-deutschen Singsang zu verstehen gegeben. Und dann hatte sie Geld fürs Babysitten angeboten. Das hatten Niklas’ Mutter Heide und die Oma dankend abgelehnt. »Wir freuen uns, wenn wir helfen können«, hatten sie nachdrücklich erklärt. Damit war dann auch alles besiegelt gewesen. Alfio verbrachte die Zeit mit ihnen, wenn Mariasole arbeiten musste. So war das.

Für Niklas war das doch etwas schwieriger gewesen als für seine Mutter und Oma. Auch er war gastfreundlich, darum ging es nicht. Zur Tatsache, dass er Alfio natürlich trotzdem sofort ins Herz geschlossen hatte, kam für ihn aber erschwerend hinzu, dass er Alfios hübsche mamma ebenfalls toll fand. Nein, sogar mehr als das. Aber er war schon einmal mit einer Italienerin zusammen gewesen und es war nicht ideal gelaufen. Er konnte es sich nicht erlauben, sich in eine Situation zu stürzen, dessen Ende ungewiss war. Hier war auch ein Kind mit im Spiel. Da wollte Niklas noch viel weniger etwas riskieren.

»Na, wird’s bald! Die Mariasole muss pünktlich zum Radio oder so!« Seine Mutter holte ihn jäh aus seinen Gedanken zurück in die Realität. Sie schwenkte schon unheilvoll den Kochlöffel. Den mochte Niklas wirklich nicht besonders … Oma Nina grinste still in sich hinein und bereitete sich ihren obligatorischen Kaffee zu, der immer so dünn war, dass man ihn gar nicht als solchen bezeichnen konnte. Niklas hatte noch nicht raus, ob sie das Gesöff wegen ihrer Manie, immer und überall sparen zu müssen so zubereitete oder tatsächlich nur, weil sie zu viel Koffein nicht vertrug. Oma Nina bestritt Ersteres vehement. Aber der Zweifel blieb Niklas.

Er klopfte oben sachte an die Tür. Wie so oft fragte er sich, warum er das nicht alles besser durchdacht hatte, als er Mariasole viel zu spontan angeboten hatte, hier bei ihnen auf dem Hof zu leben. Er liebte es, sie und Alfio in unmittelbarer Nähe zu haben. Tief in sich, liebte er ihre Nähe. Gleichzeitig wünschte er sich aber in ganz weite Ferne. Am besten auf einen anderen Stern.

Die Tür wurde schwungvoll geöffnet. Mariasole hatte die Sonne nicht nur im Namen, sondern vor allem auch in sich. Sie strahlte. Anders konnte man das nicht beschreiben. Dabei tat sie gar nicht mal etwas Besonderes. Sie stand einfach nur da. Lächelnd. Sogar etwas schüchtern. Und doch musste Niklas blinzeln. Sie sah einfach blendend aus. Er mochte alles an ihr. Ihr fast herzförmiges Gesicht, ihre feminine Figur, ihr kurz gehaltenes Haar. Sie war unbeschreiblich.

Ba-boom.

»Buongiorno!«, flötete sie.

»Morgen! Gut geschlafen?« Eine banale Frage, die er einfach nur ausgesprochen hatte, um keine Dummheit zu riskieren; wie zum Beispiel die, sie zu umarmen.

»Nicht wirklich …«, gab sie zu und gewährte ihm dabei einen Einblick in eine sorgenvolle Miene, die sie aber sofort wieder versteckte. Wie hinter einem Vorhang.

Das war er so nicht von ihr gewöhnt. Wie gesagt: Sie war für ihn wie die Sonne. Offenbar wollte eine Wolke ihre Strahlkraft bremsen.

Niklas spürte ein verdächtiges Zwicken und Zwacken in seiner Brust. Denn er hatte den irrationalen Drang, jede Wolke von dieser Frau wegzuscheuchen.

Endlich erschien Alfio im Bild. Sein begeisterter Gruß lenkte sie ab. Der Junge kam auf ihn zugelaufen und sprang ihm in die Arme. Niklas konnte gar nichts dagegen tun. Niklas wollte gar nichts dagegen tun. Er hob das Kind mit Leichtigkeit hoch und ließ sich von den doch schon starken Ärmchen umarmen. Innig. Und irgendwie zärtlich. Er drückte Alfio spontan einen dicken Kuss auf die Wange. Der Kleine kreischte empört. Also ließ Niklas ihn lachend runter und sah ihm nach, wie er wieder in die kleine Wohnung rannte, um sein Spielzeug und einen kleinen Rucksack zu holen.

Alles an Alfio war für Niklas Schokolade, in all ihren Schattierungen. Sein dunkles Haar. Seine etwas hellere, für deutsche Verhältnisse aber noch immer dunkle Haut. Und seine dunklen Augen.

Die hatten es in sich.

Wenn Alfio ihn mit flehendem Hundeblick aus diesen Augen ansah und ihn um irgendetwas bat, verwandelte Niklas sich augenblicklich in Wachs, war zu jeder Schandtat bereit.

Niklas merkte, wie Mariasole, die ihn ganz unverhohlen ansah, seinem Blick folgte. Er räusperte sich. Wollte jetzt nicht, dass sie annahm, er könnte … ja, was eigentlich? Den Jungen in sein Herz schließen?

Dazu war es zu spät. Das war längst geschehen.

»Grazie!«, hauchte Mariasole und legte ihre Hand sanft auf seinen Arm.

Die Gänsehaut, die sich augenblicklich bei ihm ausbreitete, war wie ein warmer Sonnenstrahl. Er wehrte sich nicht dagegen. Sie sah ja nichts. Er trug langärmlige Kleidung.

»Wofür denn?« Seine Stimme war nicht so fest, wie er sie gerne hätte. Er räusperte sich schon wieder.

Sie rollte amüsiert die Augen. »Für alles?« Heiter zeigte sie mit ausgestreckten Armen um sich. »Ich fühle mich so wohl hier bei euch! Es ist wie zu Hause, nur besser. Ich werde dir, euch, für eure Unterstützung nie genug danken können! Ihr rettet mir täglich das Leben.«

»Nun übertreib mal nicht!«, wiegelte er lachend ab.

Sie seufzte theatralisch. »Du bist ganz schön stur.«

Er hatte irgendwie das Gefühl, dass ihr letzter Kommentar nicht unbedingt nur auf den jetzigen Schlagabtausch bezogen war.

Er sah sie kurz an.

Sie erwiderte seinen Blick. Ebenso intensiv.

»Mariasole, ich …«, setzte er an, wurde aber lautstark von Alfio unterbrochen, der fertig angezogen den Rucksack in seine Kniekehle rammte.

»Ach Alfio, du musst schon aufpassen, amore mio!«, schimpfte Mariasole und sah Niklas entschuldigend an.

»Nicht schlimm!«, stellte Niklas sofort klar.

»Und ich dachte, meine Eltern würden meinen Sohn verwöhnen und verziehen. Ihr seid ja tausendmal schlimmer!«, tat sie empört. Doch wieder war es ihr Blick, der eine ganz andere Sprache sprach. In ihrem Blick war nur grenzenlose Dankbarkeit zu sehen. Und noch etwas. Etwas, was Niklas nicht näher analysieren wollte. Nicht jetzt.

Niklas zuckte also mit den Achseln. »Bei uns werden nette Menschen einfach nett behandelt.« Alfio zog an seiner Hand. »Hier will jemand ganz dringend weg …«, erklärte er amüsiert und ließ sich vom Kind mitziehen.

»Mein Handy ist immer an!«, rief sie ihm hinterher.

»Ich weiß!«, erwiderte er.

»Wenn etwas sein sollte, gebt bitte Bescheid!«

»Machen wir!«

»Ich werde mich beeilen!«

»Brauchst du nicht!«