Witch Hunter - Herz aus Dunkelheit - Virginia Boecker - E-Book

Witch Hunter - Herz aus Dunkelheit E-Book

Virginia Boecker

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Beschreibung

Macht, Krieg, Mut und Liebe Was bleibt der gefürchteten Hexenjägerin Elizabeth Grey, nachdem sie ihr Stigma und damit ihre magische Unverwundbarkeit verloren hat? Ihr Kampfgeist. Und ihre Liebe. Doch nicht alle trauen der ehemaligen Gegnerin. Und was hat John, der Heiler, gewonnen, nachdem die Kraft des Stigmas auf ihn übergegangen ist? Sein Leben. Und eben jene Unverwundbarkeit. Aber diese Kraft verändert ihn. Und schon bald erkennt Elizabeth ihn kaum wieder. Denn seine neue Macht treibt ihn in den tobenden Krieg. Wird Elizabeth John vor dem Sog des Stigmas schützen können? Ohne ihre einstige Stärke, aber mit dem Mut der Verzweiflung ...

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Virginia Boecker

Witch Hunter

Herz aus Dunkelheit

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Alexandra Ernst

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

 

 

 

 

Für Holland

und

für August

   1   

Ich sitze auf der Bettkante und warte. Heute ist der Tag, vor dem ich mich seit Monaten fürchte. Ich schaue mich um, aber hier gibt es nichts, womit ich mich ablenken könnte. Alles im Zimmer ist weiß, weiße Wände, weiße Vorhänge, ein Kamin aus weißem Stein, selbst die Möbel – Bett, Schrank, Tisch – alles weiß. An trüben Tagen ist dieser Mangel an Farbe beruhigend. Aber an den seltenen sonnigen Wintertagen ist die Helligkeit kaum auszuhalten. So wie heute.

Es klopft leise.

»Herein«, rufe ich.

Die Tür quietscht in den Angeln, und da steht John. Er betrachtet mich einen Moment lang stirnrunzelnd.

»Bist du bereit?«, fragt er.

»Was, wenn nicht?«

John kommt zu mir und setzt sich neben mich. Seine Bewegungen sind irgendwie unbeholfen. Er hat sich heute herausgeputzt – eine Hose aus steifem, blauem Stoff und einen passenden Gehrock sowie ein weißes Hemd, das ausnahmsweise einmal nicht zerknittert ist. Die Haare sind lockig, aber ordentlich gekämmt. Er sieht aus, als ginge er zu einem Kostümfest oder einem Tanzabend, irgendwohin, wo gefeiert wird.

Jedenfalls nicht dorthin, wo wir tatsächlich hingehen.

»Du schaffst das schon. Wir schaffen das schon. Und wenn sie dich fortschicken …« Er lächelt, aber das Lächeln reicht nicht bis zu seinen Augen. »Nun, Iberia ist wunderschön, selbst zu dieser Jahreszeit. Stell dir nur vor, wie viel Spaß wir dort hätten.«

Ich schüttele den Kopf. Ich fühle mich schuldig, weil John versucht, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Sache – die Anhörung des Rats. Dort muss ich für meine Verbrechen geradestehen, muss mich der Anklage stellen, die mich des Hochverrats gegen Harrow beschuldigt.

Eine Woche nach dem Kostümball bei Blackwell, nachdem John und Peter mich in ihr Haus gebracht hatten, wurde ich vorgeladen. Als die Nachricht kam, war ich nicht bei Bewusstsein, und auch noch nicht, als der zweite und dritte Brief eintraf. Insgesamt erhielt ich sechs Vorladungen, bevor ich überhaupt die Augen aufschlug, und noch einmal sechs, bis ich wieder stehen konnte. Sie kamen regelmäßig, eine oder zwei pro Woche. Nicholas machte dem Ganzen schließlich ein Ende und versicherte dem Rat, dass ich zur Verfügung stehen würde, sobald ich dafür bereit wäre.

Es dauerte zwei Monate.

Zwei Monate lang lag der Schatten dieser Anhörung auf mir. Während all dieser Zeit fragte ich mich, was wohl aus mir werden würde. Es ist unwahrscheinlich, dass der Rat mir gestatten wird, weiterhin hierzubleiben, jedenfalls nicht ohne einen Preis dafür zu verlangen. Peter glaubt, dass sie mich zu ihrem Attentäter machen wollen, John denkt, ich soll ein Spion werden. Aber meine Vermutung ist das Exil. Man wird mir eine Stunde geben, um meine Sachen zu packen – was nicht nötig wäre, da ich nichts habe außer dem Kleid, das ich am Leib trage – und mich dann zur Grenze von Harrow eskortieren, mit der Auflage, nie mehr zurückzukehren.

»Wenn sie mich fortschicken, kommst du nicht mit«, sage ich. »Fifer, dein Vater, deine Patienten … du kannst sie nicht im Stich lassen.«

John steht auf. »Darüber haben wir doch schon gesprochen.«

Eigentlich hat John darüber gesprochen – und ich habe widersprochen.

»Ich will sie nicht verlassen, aber ich weigere mich, dich zu verlassen«, fährt er fort. »Außerdem wird es nicht so weit kommen. Nicholas wird es nicht zulassen.« Er nimmt meine Hand. »Komm schon. Bringen wir’s hinter uns.«

Widerstrebend stehe ich auf. Ich trage ein Kleid, das mir Fifer geschenkt hat. Es ist aus schimmernder blassblauer Seide, mit einem Mieder aus Brokat in einem etwas dunkleren Blauton, bestickt mit Silberfäden und weißen Saatperlen. Es ist das schönste Kleid, das ich je besessen habe. Es ist das einzige Kleid, das ich je besessen habe. Fifer hat mir sogar die Haare zu einem verschlungenen Zopf geflochten, der jetzt über meine Schulter fällt. Ich wollte es offen tragen, aber Fifer hat darauf bestanden.

»So könntest du für vierzehn durchgehen«, sagte sie. »Je jünger du aussiehst, desto unschuldiger wirkst du. Der Rat wird gründlich darüber nachdenken, ob er ein Kind verbannt.«

John streckt die Hand aus und nimmt sanft meinen Zopf. Er fährt mit den Fingern bis zu den Haarspitzen. Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl, genieße seine Nähe. Als ich die Augen wieder aufschlage, betrachtet er mich aufmerksam, und ich weiß, dass er in meinen Augen das Spiegelbild seines eigenen Blicks sieht.

Jemand räuspert sich vor der Tür und der Bann ist gebrochen. John tritt einen Schritt zurück und Peter erscheint im Türrahmen. Sorgenfalten haben sich tief in sein wettergegerbtes Gesicht gegraben. Auch er sieht heute anders aus. Sein dunkles, lockiges Haar ist sorgfältig frisiert, der dunkle Bart ordentlich gestutzt. Seine Kleidung ist makellos, geplättet und gestärkt, und wenn das Schwert an seiner Seite nicht wäre – das breite Krummschwert eines Piraten – hätte ich ihn kaum wiedererkannt.

»Schön, schön. Ihr beide seht gut aus. Anständig, aber nicht aufgetakelt. Gepflegt, aber nicht geschniegelt.« Peter späht in unsere Gesichter. »Aber passt auf, dass ihr etwas ernster dreinschaut. Die Jubelstimmung hebt euch für später auf, klar?«

John verdreht die Augen.

»Wir sollten aufbrechen«, sagt Peter. »Besser zu früh als zu spät. Wir wissen schließlich nicht, wer und was uns dort alles begegnen wird.«

Das ist noch etwas, was mir Angst einjagt. Bei dieser Anhörung werde ich den Menschen von Harrow gegenüberstehen, werde mit ihren Geschichten konfrontiert werden. Werde mir anhören müssen, wie ich – oder jemand, den ich kenne – jemanden getötet habe, der ihnen nahestand; wie ich – oder jemand, den ich kenne – ihr Leben zerstört habe.

Unten in der Diele hilft mir John in meinen Mantel. Er ist lang und aus blauer Wolle, gesäumt mit Kaninchenpelz – noch ein Geschenk von Fifer – und zu dritt treten wir aus dem Cottage in die bitterkalte Februarluft. Der Wind beißt uns ins Gesicht und betäubt unsere Wangen.

Johns und Peters Haus, das wegen des riesigen Mühlrads in der Scheune Mill Cottage genannt wird, befindet sich etwas außerhalb von Whetstone im Norden Harrows, am Ende einer schmalen, ungepflasterten Straße, die an einem trägen Flüsschen entlangläuft. Es ist friedlich und ruhig hier. Nichts ist zu hören, außer dem Geräusch der Mühle und zwei Wildenten auf dem Fluss, die uns quakend um Futter anbetteln.

Nicht zum ersten Mal frage ich mich, ob ich im Frühling noch hier sein werde. Ob Mill Cottage dann noch steht. Oder ob es Harrow dann noch gibt.

Es ist ein Fußmarsch von einer knappen Stunde von Whetstone nach Hatch End, wo die Anhörung stattfinden wird. Peter sagt, es sei Tradition, dass sich der Rat im Haus des Ratsvorsitzenden trifft. Das ist nicht länger Nicholas, den seine Krankheit daran gehindert hat, die Pflichten eines Ratsvorsitzenden zu erfüllen, sondern ein Mann namens Gareth Fish. Ich bin ihm einmal bei Nicholas begegnet: ein großer, hagerer Mann, ganz in Schwarz gekleidet, der alles aufschrieb, was Nicholas sagte. Peter hält ihn für gerecht, wenn auch ein bisschen verbissen. John und Fifer behalten ihre Meinung für sich, und ihr Schweigen sagt mir mehr als tausend Worte.

Der Winter hat das Land fest im Griff. Das Gras auf den Weiden und die fernen Hügel sind mit Schneeflecken gesprenkelt, die Bäume kahl und leblos. Hier und da stehen Bauernhäuser, aus deren Schornsteinen Rauch steigt und wo Schafe, Kühe und Pferde sich unter der kalten Sonne ducken. Alles wirkt friedlich. Und gleichzeitig angespannt. Das Land liegt in Lauerstellung.

»Nicholas und Fifer werden schon da sein.« Peters Stimme bricht das Schweigen. »Wir haben überlegt, ob auch Skyler kommen soll, uns aber dagegen entschieden. Wir wollen das Risiko nicht eingehen, dass Parallelen gezogen werden zwischen seiner … fragwürdigen Vergangenheit und deiner.«

Skyler. Er hat unser aller Leben gerettet. Aber trotzdem ist er ein Dieb und ein notorischer Lügner. Und was Peter so taktvoll umschreiben wollte, ist die Tatsache, dass Skyler früher gewalttätig, unberechenbar und hinterhältig war. Genau wie ich.

»George dagegen«, fährt Peter fort, »hat einen wunderbaren Brief geschrieben, der vor dem Rat zu deinen Gunsten sprechen wird.«

Nach Blackwells gewaltsamer Thronbesteigung und Malcolms Einkerkerung und bevor Blackwell Anglias Grenzen dichtmachte, bestieg George ein Schiff nach Francia, wo er den König um Truppen und Ausrüstung bitten will, weil es außer Zweifel steht, dass Blackwell früher oder später Harrow angreifen wird. Hier gibt es viel zu viele Menschen, die ihm gefährlich werden können. Und solange Harrow noch besteht, wird es eine Bedrohung für ihn sein, wird er nichts weiter sein als ein Usurpator auf einem wackeligen Thron.

»Dann ist da ja immer noch Nicholas«, sagt Peter. »Natürlich hat er ein bisschen an Einfluss eingebüßt, politisch gesehen, nach allem, was passiert ist« – er wedelt unbestimmt mit der Hand, aber wir alle wissen, dass er mit »allem« mich meint – »aber er hat trotzdem noch das Gehör der älteren Reformisten. Natürlich gibt es auch solche, die behaupten, dass wir Blackwell hätten aufhalten können – wenn Nicholas nicht so darauf aus gewesen wäre, dich in Sicherheit zu bringen …«

Die Vorstellung ist so absurd, dass ich beinahe laut gelacht hätte.

»Blackwell hat diese Sache seit Jahren geplant«, sage ich. »Vielleicht seit Jahrzehnten.«

Peter hebt besänftigend die Hand. Aber ich rede weiter.

»Selbst wenn ihr Bescheid gewusst hättet, wärt ihr nicht in der Lage gewesen, ihn aufzuhalten. Ihr kennt Blackwell nicht so, wie ich ihn kenne. Ihr wisst nicht, wozu er fähig ist.«

Ich bin stehen geblieben, und statt vor Kälte zu zittern, schwitze ich unter dem dicken Mantel. John drückt leicht meine Hand. Erst da wird mir klar, dass ich geschrien habe.

»Ich weiß es«, sagt Peter. »Und der Rat muss es erfahren. Alles, was Blackwell getan hat. Mit ein bisschen Glück werden wir herausbekommen, was er als Nächstes plant.«

Diese Strategie haben wir schon oft durchgesprochen. Nicholas will mich in den Zeugenstand rufen und mich alles erzählen lassen, was ich ihm erzählt habe – Dinge, die ich noch nie zuvor jemandem erzählt habe. Über meine Ausbildung zur Hexenjägerin. Über Caleb.

Caleb.

Mein Magen verkrampft sich zu einem schmerzhaften Knoten, wie jedes Mal, wenn ich an ihn denke. Und ich denke oft an ihn. Zu oft.

»… und das war’s«, endet Peter. »Mehr musst du nicht sagen. Ich weiß, wir sind das schon hundertmal durchgegangen. Aber es ist wichtig, gut vorbereitet zu sein.« Ich nicke, obwohl ich nichts von dem gehört habe, was er geredet hat. Das passiert mir jedes Mal. Jedes Mal, wenn er von der Anhörung und unserer Strategie anfängt, wandern meine Gedanken zu Caleb, und ich nehme nichts mehr um mich herum wahr.

Den Rest des Weges legen wir schweigend zurück. Ich bin zu nervös zum Reden, Peter zu angespannt und John zu besorgt. Mit gerunzelter Stirn geht er neben mir und fährt sich so lange mit der Hand durch die Haare, bis seine ordentlich gekämmten Locken wieder in alle Richtungen abstehen. Plötzlich sieht er viel jünger aus als neunzehn.

Der Pfad wird schmaler und schlängelt sich zwischen ein paar dicht stehenden Bäumen hindurch. Die Baumstämme sind hochgewachsen und verdreht, die blattlosen Äste und Zweige krümmen und verschränken sich ineinander wie Finger, sodass sie ein dichtes Dach bilden, das die Sicht erschwert.

»Pass auf, wo du hintrittst«, warnt Peter und deutet auf einen Baumstamm, der mitten über den Weg gefallen ist. »Diese Bäume sind im Sommer recht schön, aber nach dem ersten Wintersturm kippt die Hälfte von ihnen um, was in der Tat ein Ärger … um Himmels willen.«

Ich höre, wie John scharf den Atem einsaugt, und schaue auf. Da sehe ich sie. Hunderte, vielleicht sogar tausend Menschen säumen die Straße zu Gareths Haus. Einen Moment lang stehen wir wie angewurzelt da und starren in die Gesichter der Männer und Frauen, von denen uns einige mit Neugier betrachten, andere mit Abscheu und wieder andere mit offenem Hass.

Die Angst, die ich seit Monaten im Zaum gehalten habe – dass ich mich diesen Menschen stellen und sie um Gnade bitten muss, eine Gnade, die ich selbst ihnen nie erwiesen habe – reißt sich los. Mir wird schlecht, und wenn John mich nicht gestützt hätte, wäre ich auf die Knie gesunken.

Wir schieben uns an der Menge vorbei, an Männern, Frauen und Kindern, die dastehen und trotz ihrer Wollmäntel, Mützen, Schals und Handschuhe zittern. Ich kenne keinen von ihnen, aber ich erkenne ihren Blick, kenne die Art, wie ihre Augen über das schöne Kleid und den eleganten Mantel gleiten, und mit einem Mal kommt mir die Mühe, die sich Fifer gegeben hat, damit ich respektabel und unschuldig aussehe, bestenfalls wie eine Farce vor. Und schlimmstenfalls wie ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen. Ich gehöre hier nicht hin, und sie wissen es.

»Kopf hoch«, flüstert Peter. »Du wirkst sehr niedergeschlagen. Schlimmer noch, du wirkst schuldig.«

»Ich fühle mich schuldig«, sagte ich.

»Wenn man sich schuldig fühlt, muss man nicht unbedingt auch schuldig aussehen«, erwidert Peter. »Ah, da ist Gareth. Er wird uns ins Haus geleiten.«

Das Meer aus Menschen brandet gegen die niedrige Steinmauer, die Gareths Haus einfasst. Es ist aus sandfarbenen Steinen gebaut, zwei Stockwerke hoch, umgeben von einem gepflegten Garten. Zu einer Seite erhebt sich ein Hügel, der mit dunklen Tannen bewachsen ist, und auf der anderen eine Kirche. Sie steht etwas abseits des Hauses, ist aber aus den gleichen cremefarbenen Steinen errichtet. Ein schmiedeeiserner Zaun umringt das Gotteshaus sowie einen Friedhof mit verwitterten und moosbewachsenen Grabsteinen und Kreuzen.

Gareth, der in das Schwarz des Rates gekleidet ist, mit dem rot und orangefarbenen Wappen der Reformisten auf der Brust, kommt auf uns zu. Er ist noch genauso, wie ich ihn in Erinnerung habe: grau und spindeldürr, mit blassblauen Augen, die hinter einer Nickelbrille aufblitzen. Er bietet Peter und John seine Hand, die sie ohne rechte Begeisterung schütteln.

»Ich hoffe, es gab auf dem Weg hierher keine Zwischenfälle«, sagt Gareth.

»Wir sind hier, oder etwa nicht?«, gibt John zurück.

Peter wirft ihm einen scharfen Blick zu, den John ignoriert.

»Keine Zwischenfälle«, sagt Peter. »Allerdings war das wohl reine Glückssache, wie es scheint. Ich glaube mich zu erinnern, dass du diese Angelegenheit vertraulich behandeln wolltest. Jetzt sieht es so aus, als ob sich halb Harrow hier versammelt hätte.«

Gareth verzieht sein Gesicht zu einem schmalen Lächeln, das wohl eine Entschuldigung darstellen soll. »Neuigkeiten verbreiten sich schnell in Harrow, wie du ja weißt. Besonders Neuigkeiten dieser Art.« Gareth blickt über die Menge, die uns fast eingekesselt hat. Die Leute schweigen und lauschen, und diejenigen, die weit hinten stehen, verrenken die Hälse, um zu sehen, was vor sich geht. »Viele von ihnen haben erst jetzt von Nicholas’ Krankheit erfahren. Es ist ganz natürlich, dass sie um sein Wohlergehen besorgt sind. Er ist sehr beliebt.« Gareths Lächeln verblasst, aber nur kurz. »Ich bin sicher, dass viele der Anwesenden dankbar sind, dass Elizabeth sein Leben verschont hat.«

»Sie hat es nicht verschont, sie hat es gerettet.« Johns Stimme klingt scharf und gereizt. Peter legt ihm die Hand auf die Schulter, aber auch das ignoriert er. »Und wenn die Leute so dankbar sind, warum dann überhaupt diese Anhörung?«

»Weil das nun einmal der offizielle Weg ist.« Gareth breitet die Hände aus, als ob auch er nur ein Rädchen im Getriebe des Rats sei und nicht sein Vorsitzender. »Der Rat beruft eine Anhörung ein, nicht das Volk. Obwohl ich mir ganz sicher bin, dass der Rat bei seiner Urteilsfindung die Dankbarkeit der Bevölkerung mit in Betracht ziehen wird.«

Keiner der Blicke, die auf mir ruhen, zeugt von Dankbarkeit.

»Der Rat hat sich versammelt und erwartet euch. Wenn ich bitten darf?« Gareth deutet – nicht auf sein Haus, sondern auf die Kirche. »Bei dem Andrang mussten wir die Anhörung verlegen. Ich hoffe, ihr habt keine Einwände.«

»Würde es eine Rolle spielen, wenn es so wäre?«, murmelt John.

»Nein, gar nicht!«, übertönt Peter ihn munter. »Wollen wir?«

Gareth geht voraus. Die Menge folgt uns. Gareth öffnet das schmiedeeiserne Tor. Dann marschiert er mit schnellen Schritten auf das Portal zu. Sein schwarzer Mantel wölbt sich hinter ihm wie eine Sturmwolke. Peter tritt durch das Tor, aber ich zögere. Ich habe mit einem Mal eine böse Vorahnung. Das Tor: genauso wie das in Ravenscourt – groß und bedrohlich. Die Menge: wie damals vor dem Palast – wütend und aufgebracht. Der Turm der Kirche: wie ein mahnender, anklagender Zeigefinger. Die Grabsteine: wie Geschworene, die das Urteil fällen.

»Es ist bald vorbei«, flüstert mir John ins Ohr und legt beruhigend die Hand auf meinen Rücken.

Ich drehe mich zu ihm um, und da sehe ich es: eine blitzschnelle, kaum wahrnehmbare Bewegung, ein Mann in Schwarz, und dann dieses vertraute Geräusch, das Knarzen von Eibenholz, durch ein Hanfseil gespannt: ein Bogen mit angelegtem Pfeil im Moment des Schusses.

Der Schrei fährt aus meinem Mund, als der Pfeil in den Hals des Mannes neben John fährt.

   2   

Der Mund des Mannes öffnet sich weit, mehr aus Schock als aus Schmerz. Blut sprudelt aus der Halswunde und hat sein Hemd durchnässt, noch ehe er zu Boden fällt wie ein Sack voll Rüben.

Ringsum brechen Schreie los. Ein zweiter Pfeil zischt durch die Luft, dann ein dritter. Ein Mann sinkt zu Boden, gleich darauf eine Frau.

Peter reißt sein Schwert aus der Scheide und deutet mit der anderen Hand auf das offene Portal der Kirche. »Rein da! Rein mit euch! Sofort!« Er drängt sich an uns vorbei, zurück durch das Tor und verschwindet in der Menge.

John packt meinen Arm und zerrt mich vorwärts, während wir von hinten von der schreienden Menge zur Kirche gedrängt werden. Er stößt die Türflügel weit auf, und da steht Fifer auf der Schwelle, bleich und wunderschön in einem langen, smaragdgrünen Gewand, das Haar streng im Nacken zusammengefasst.

»Was geht da vor?« Ihre normalerweise rauchige Stimme ist dünn vor Angst. »Ich habe Schreie gehört …«

»Wir werden angegriffen.« John stößt mich durch die Tür. Hinter ihm drängen sich die Menschen, schieben ihn zur Seite, trennen uns voneinander. Er hat mich losgelassen, kämpft sich zur Tür zurück, und dann sehe ich ihn nicht mehr. »Bleib drin«, höre ich ihn rufen. »Komm nicht raus, egal, was passiert!«

»John!«, schreie ich.

»Komm nicht raus!«, ruft er noch einmal. Ich höre seine Stimme, aber ich sehe ihn nicht. Wieder schreie ich seinen Namen, aber er ist fort.

 

Ich hetze dicht an der Rückseite der Kirche entlang, dann durch das Seitenschiff in Richtung Querschiff. Fifer bleibt dicht hinter mir. Im Mittelgang und in den Bänken drängen sich schreiend verängstigte und entsetzte Menschen.

»Wo ist Nicholas?«, rufe ich über den Lärm hinweg.

»Bei den anderen Ratsmitgliedern!«, schreit sie zurück. »Sie treffen sich vor den Versammlungen immer in der Krypta.«

Ich bleibe vor einem großen Bogenfenster stehen, das den Blick auf den Friedhof freigibt. Etwa ein Dutzend Männer stehen dicht gedrängt am Tor, zwischen ihnen John und Peter. Peter drückt John ein Schwert in die Hand, und noch ehe ich begreifen kann, was vor sich geht, ehe ich den Anblick von John mit einer Waffe verarbeiten kann, schwärmen sie aus.

Ich streife meinen Mantel ab und lasse ihn zu Boden fallen. Dann hebe ich meinen Rock hoch, packe den Unterrock und reiße einen breiten Streifen vom Saum ab.

Fifers Mund bleibt vor Entgeisterung offen stehen. »Was machst du da?«

»Wie sieht es denn aus?« Mit der Fußspitze schiebe ich den Stofffetzen beiseite. »Ich gehe raus und helfe.«

»Das ist mir schon klar«, fährt Fifer mich an. »Aber was machst du mit deinem Kleid?«

Ich werfe ihr einen scharfen Blick zu.

»Außerdem kannst du da nicht rausgehen«, sagt sie abwehrend. »Du könntest verletzt werden.« Sie schaut sich verstohlen um, aber die Menschen, die sich um uns drängen, achten nicht auf uns. »Du könntest sterben.«

»Genau deshalb brauche ich Waffen«, sage ich. »Irgendwer hier drin muss doch bewaffnet sein. Am liebsten wäre mir ein Schwert oder ein Messer, aber ich nehme alles, was ich kriegen kann.«

Fifer runzelt die Stirn und zögert. Schließlich rafft sie ihren schweren Samtrock hoch und schiebt sich durch die Menge. Ich schaue wieder aus dem Fenster. Pfeile fliegen durch die Luft, Männer ducken sich hinter Bäumen, Hecken, Grabsteinen. Überall Geschrei, drinnen wie draußen. Überall Chaos. Kurz darauf kehrt Fifer zurück, in den Armen ein paar Messer mit Silbergriffen. Sie reicht sie mir, eins nach dem anderen, mit den Griffen zuerst.

»Ich weiß, es ist nicht das, was du erwartet hast«, sagt sie, »aber ich musste sie stehlen, also will ich keine Klagen hören.«

Ein Grinsen legt sich auf mein Gesicht, als ich das kühle, tröstliche Gewicht der Messer spüre. Ich nehme das Stück Stoff, das ich von meinem Gewand abgerissen habe, und binde es mir als Gürtel um die Taille, in den ich alle Messer bis auf eins stecke. Dann trete ich zu der kleinen Tür neben dem Fenster und schiebe den Riegel zurück.

»Verriegele die Tür hinter mir«, sage ich zu Fifer. »Und mach sie nicht auf, egal, wer davorsteht.«

»Mach keine Dummheiten«, ermahnt sie mich, ehe sie die Tür zudrückt und ich höre, wie sie den schweren Riegel vorschiebt.

Der Friedhof und das Tor liegen vor mir. Dahinter Bäume und eine Landschaft aus winterbraunen, sanften Hügeln. Rechts von mir kämpfende und schreiende Männer, Peter mittendrin. John sehe ich nicht, aber zwei Männer, Dörfler dem Anschein nach, die rücklings im Gras liegen. In ihrer Brust stecken Pfeile. Sie sind tot.

Dicht an der Mauer schiebe ich mich zur Vorderseite der Kirche. Schon nach wenigen Schritten sirrt ein Pfeil an mir vorbei, dicht gefolgt von zwei weiteren. Alle drei bohren sich in einer ordentlichen Reihe in einen Spalt zwischen zwei Mauersteinen, nur knapp neben meinem Kopf. Diese Pfeile haben ihr Ziel nicht verfehlt, sie sind eine Warnung. Ich lasse mich flach zu Boden fallen, krieche bäuchlings durch Gras und Dreck und suche Schutz hinter einem wettergegerbten Grabstein, der mit Flechten und Moos überwuchert ist. Und dann nehme ich mir ein Beispiel an den schnurgerade aufgereihten Pfeilen und sortiere meine Gedanken.

Erstens: den Schützen ausfindig machen. Die Pfeile kamen von oben. Vermutlich irgendwo aus einer Baumkrone. Zweitens: den Schützen ausschalten. Ich ziehe ein Messer aus dem Gürtel und husche von einem Grabstein zum nächsten, suche die Schatten hinter dem Laub und den Ästen über mir ab.

Wo steckst du? Los, zeig dich!

Als Antwort kommt ein vierter Pfeil, der diesmal die weiche Hautfalte zwischen meinem dritten und vierten Finger streift. Mit einem Ruck ziehe ich die Hand zurück, mit der ich den Grabstein gepackt hatte. Ich kann einen leisen Schrei nicht unterdrücken; helles Blut läuft mir über die Finger. Aus lauter Gewohnheit warte ich ruhig ab – aber nichts geschieht. Kein heißes Aufblitzen in meinem Bauch, kein scharfes Kribbeln an der Wunde. Ich habe völlig vergessen, dass ich kein Stigma mehr trage.

Ich ducke mich wieder hinter den Grabstein und mache eine Bestandsaufnahme meiner Situation: Ich blute. Ich sitze in der Falle. Ich bin bewaffnet, aber nur unzureichend, und ich habe keine Ahnung, wo sich mein Angreifer versteckt. Ich habe nicht den geringsten Vorteil auf meiner Seite. Aber in meiner zweijährigen Ausbildung zur Hexenjägerin habe ich auch deshalb überlebt, weil ich gelernt habe, das Beste aus meinen Nachteilen zu machen. Unwillkürlich klingt mir Blackwells Stimme in den Ohren. Statt verlorenen Boden wiedergutzumachen, musst du immer das Unerwartete tun.

Also tue ich genau das, was man nicht tun sollte, wenn man von unsichtbaren Feinden umringt ist: Ich stehe auf. Da höre ich es – ein leises Blätterrascheln, ein überraschtes Grunzen. Aber es ist laut genug, und ich entdecke den Bogenschützen auf einem niedrig hängenden Ast einer Eiche, zusätzlich verdeckt durch die Blätter eines davor wachsenden Immergrün-Strauchs. Ich ziehe eins der schweren Silbermesser aus meinem Gürtel, hole aus, ziele, schleudere das Messer.

Und verfehle mein Ziel.

Verdammt.

Ein hämisches Lachen, der dumpfe Aufprall von Stiefelsohlen auf dem Gras. Der Angreifer ist vom Baum gesprungen und nähert sich. Schritte. Das Knistern von Bogenfedern. Das Schaben eines Pfeilschafts im Köcher. Und so tue ich das Einzige, was einem noch bleibt, wenn man einem unsichtbaren Feind gegenübersteht.

Ich laufe weg.

Der Pfeil verpasst mich um Haaresbreite, und auch nur deshalb, weil sich mein Fuß im Rocksaum verfängt und ich der Länge nach zu Boden falle. Ich rolle mich auf den Rücken und greife nach meinen Messern, aber es ist zu spät. Der Bogenschütze steht über mir. Dunkle Haare, gedrungene Statur, Anfang zwanzig. Ich kenne ihn nicht, aber er scheint mich zu kennen. Er betrachtet mich mit einem verächtlichen Grinsen und schüttelt den Kopf.

»Nach dem, was ich von dir gehört habe, habe ich mir einen besseren Kampf erhofft.«

»Wer bist du?«, frage ich.

Der Mann antwortet nicht. Er zieht einen Pfeil aus dem Köcher und legt ihn in aller Ruhe an die Sehne, wobei er mich unverwandt anstarrt.

»Ich mag es, wenn sich meine Beute wehrt«, sagt er. »Blackwell hat mir versichert, dass du nicht leicht zu erwischen sein würdest. Er wird enttäuscht sein, wenn ich ihm erzähle, dass er sich geirrt hat.« Er legt den Kopf schräg und scheint nachzudenken. »Na ja, nicht allzu enttäuscht, würde ich meinen.«

Ich rutsche rückwärts weg von ihm. Aber ich komme nicht weit. Mit dem Rücken pralle ich gegen einen Grabstein.

»Du hast hübsche Augen«, sagt er, während er geradewegs auf mein Gesicht zielt. »Ich hatte so auf eine nette kleine Jagd gehofft und nun kauerst du da vor mir wie ein Mäuschen mit huschenden Augen.«

Da erst bemerke ich das Wappen, das auf die Vorderseite seines schwarzen Wollmantels genäht ist. Es wirkt grotesk: eine rote Rose, die förmlich von ihren eigenen Dornen erstickt und von oben mit einem Schwert durchbohrt wird. Ich habe es noch nie gesehen, aber ich weiß sofort, was es ist: Blackwells neues Wappen.

»Er wird nicht gewinnen«, flüstere ich. Es sind meine letzten Worte, sie sollen wenigstens eine Bedeutung haben. »Blackwell. Er glaubt, er könne gewinnen. Aber das wird er nicht.«

Der Mann zuckt mit der Schulter. »Doch. Er hat schon gewonnen.«

Ich sage nichts. Ich warte bloß. Darauf, dass der Pfeil meinen Schädel durchbohrt, mein Gehirn. Ich warte auf den Tod und schließe die Augen, als ob es auf diese Weise weniger wehtun würde.

Und dann geschieht es, in dem kurzen Moment zwischen jetzt und gleich. Ein Schritt im Gras, das Knacken eines Zweiges. Ich reiße die Augen auf und sehe, wie der Bogenschütze herumwirbelt, aber er ist zu langsam. Schwer fällt die Klinge auf seinen Nacken und fährt ihm in den Rücken, schneidet ihn beinahe völlig in zwei Hälften.

Seine dunklen Augen leeren sich. Eine Fontäne aus Blut sprudelt aus seinem Mund über mein Gesicht, meine Arme, mein Kleid. Der Bogenschütze schwankt einmal, zweimal, und dann sinkt er zu Boden wie ein gefällter Baum. Hinter ihm steht John, Jacke und Hose sind zerrissen, das ehemals weiße Hemd rot vor Blut.

Neben mir lässt er sich auf die Knie fallen. »Ist alles in Ordnung?« Er umfasst mein Gesicht mit seinen Händen und dreht meinen Kopf sanft von einer Seite zur anderen. »Er hat dich nicht verletzt, oder?«

Mein Blick löst sich von dem niedergestreckten Bogenschützen, dessen Blut die Grabsteine besudelt und sich rings um seinen Körper zu einer Pfütze ausbreitet. Ich starre auf das Schwert in Johns Hand, von dem ebenfalls Blut tropft.

»Elizabeth.« John dreht mein Gesicht zu sich hin.

»Er hat mich an der Hand erwischt«, presse ich schließlich hervor. »Aber nicht schlimm.«

John fährt mit dem Daumen über den Schnitt, der noch immer blutet. »Das ist nicht tief, trotzdem schaue ich es mir später genauer an.« Er zieht mich auf die Füße. »Der Kerl hat dich beobachtet. Er saß da im Baum und hat auf uns geschossen, aber damit aufgehört, als du die Kirche verlassen hast. Warum hast du das überhaupt gemacht? Ich habe dir doch gesagt, du sollst drinnen bleiben. Du hättest getötet werden können.«

Ich antworte nicht, und in der Stille zwischen uns liegt die unausgesprochene Erkenntnis, dass nun alles anders ist. Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich war, als wir uns kennenlernten, nicht mehr der Mensch, der ich noch vor drei Monaten war. Damals war ich eine Hexenjägerin, unbesiegbar, Trägerin des Stigmas und Mittelpunkt einer Prophezeiung – die meistgesuchte Person in ganz Anglia.

Wer ich jetzt bin, weiß ich nicht.

»Du solltest nicht hier draußen sein«, fährt er fort. »Es ist zu gefährlich. Du bist noch nicht vollständig genesen, und du bist nicht …« Er verstummt, aber ich ahne, was er sagen will.

»Was bin ich nicht?« Ich entziehe mich seinem Griff. »Nicht stark genug? Nicht nützlich? Ich kann nicht mehr kämpfen, also sollte ich hinter verschlossenen Türen bleiben, weil mich ja sowieso keiner haben will?« Die Worte sprudeln aus mir heraus, ehe ich mich eines Besseren besinnen kann.

»Das meinte ich nicht, und du weißt es.«

»Tut mir leid«, sage ich schnell. Er hat ja recht. »Ich hätte das nicht sagen sollen und …«

Mir verschlägt es die Sprache, als ich mit einem Mal begreife, was John getan hat. Er hat eine Waffe erhoben und jemanden getötet. Ausgerechnet er, der noch nie etwas anderes getan hat, als Leben zu retten, hat heute ein Leben ausgelöscht. »Du hast ihn getötet.« Ich werfe einen Blick auf den Bogenschützen zu unseren Füßen.

»Ja«, nickt John, »und ich bereue es nicht. Ich würde es wieder tun, wenn ich dich damit beschützen könnte. Dich, oder jemand anderen.«

Die plötzliche Heftigkeit in seiner Stimme lässt mich blinzeln. »Ich will nicht, dass du das tust«, sage ich. »Das bist nicht du.«

»Ich glaube, wir alle werden in diesem Krieg Dinge tun, die wir nicht tun wollen«, sagt er. »Lass uns jetzt gehen. Wir haben sie alle erwischt, glaube ich wenigstens. Aber wir sollten uns trotzdem erst einmal drinnen sammeln und besprechen, was zu tun ist.«

Wir gehen über den Friedhof zum Hauptportal der Kirche, wo sich einige Männer zusammengefunden haben – Peter, Gareth und ein paar, die ich nicht kenne. Sie stehen neben einer Reihe von Leichen, die in einer langsam versickernden Blutlache liegen.

»Wie viele?«, frage ich.

»Fünf.« John wirft mir einen grimmigen Blick zu. »Fünf von uns, vier Männer, eine Frau. Von denen haben wir nur den einen erwischt, den Bogenschützen. Die anderen sind verschwunden, als wir sie angriffen. Sie waren insgesamt zu fünft.«

Harrow ist ein Landstrich von etwa zehn Meilen Länge, umgeben von einer magischen Schutzbarriere, die nur jene durchlässt, die hier leben oder die – wie ich – von Bewohnern von Harrow begleitet werden. Aber nachdem Blackwell den Thron an sich gerissen hat, war auch Harrow plötzlich nicht mehr sicher. Seit die Inquisition vor vier Jahren begann, sind Hunderte von Hexen und Hexenmeistern verschwunden. Keiner weiß, wie viele von ihnen tot sind und wie viele uns verraten haben, entweder freiwillig oder unter Folter. Aber Verräter gibt es, und sie sind es, die Blackwells Männer in Harrow einschleusen.

Der erste Vorfall geschah vor einem Monat. Ein einzelner Mann – wahrscheinlich ein Späher – wurde in More-on-the-Marsh gesehen, etwa auf halbem Weg zwischen Johns Haus in Whetstone und Hatch End, wo Gareth lebt. Es war Zufall: Er fiel aus dem Baum, in dem er eingeschlafen war, und hat zwei Zauberer, die bei Tagesanbruch im nahen Teich angelten, fast zu Tode erschreckt. Er rannte weg, ehe man ihn gefangen nehmen konnte.

Das zweite Mal war bedrohlicher: Drei Männer wurden dabei erwischt, wie sie durch das Marschland schlichen, ein trostloses Gebiet mit kleinen Äckern, das sich von den Siedlungen im Norden von Harrow bis zur Südgrenze erstreckt. Sie waren nicht bewaffnet, und sie rannten nicht weg, als sie umzingelt waren. Sie lösten sich einfach in Luft auf.

Trotz der Angst, die in Harrow kursiert, dass Blackwells Männer Harrow infiltrieren, dominiert die Hoffnung. Denn der Gedanke, dass jemand, den man liebt und für tot gehalten hat, vielleicht noch am Leben ist – wenn auch als Verräter – ist für viele ein großer Trost. John allerdings, der mitangesehen hat, wie seine Mutter und seine Schwester auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, kann diese Hoffnung nicht teilen.

Obwohl ich nicht für ihre Festnahme verantwortlich war, bin ich eine Komplizin derer, die es getan haben. Und ich weiß, dass auch diese Tatsache nicht leicht für ihn ist.

»Wo hast du gelernt, so mit einem Schwert umzugehen?«, frage ich ihn.

»Ich kann mit einem Schwert umgehen, seit ich laufen kann«, erwidert John und ein schwaches Lächeln überzieht sein Gesicht. »Das ist der Vorteil, wenn man einen Piraten als Vater hat.«

»Und du gehst ziemlich gut damit um«, muss ich zugeben.

Er nickt zerstreut. »Es ist eine Fähigkeit, die ich nicht oft einsetzen muss, aber jetzt bin ich froh, dass ich es kann. Besonders heute.«

Ich möchte ihn bitten, vorsichtig zu sein. Ich möchte ihm sagen, dass ich weiß, wie es abläuft. Erst braucht man noch einen Grund zum Töten. Dann ist einem jeder Grund recht. Dann tötet man ohne jeden Grund, und nach und nach raubt dir das Töten dein eigenes Leben. Ich habe es bei Caleb erlebt, und auch bei mir. Ich will nicht, dass John das Gleiche passiert.

Aber noch ehe ich etwas sagen kann, noch bevor ich ein Wort herausbringe, fällt mein Blick auf Nicholas. Ich bin unsagbar erleichtert, dass er unversehrt ist, aber die Erleichterung verwandelt sich schnell in Angst, als er zu den anderen Männern tritt, die zu mir hinblicken und auf mich deuten, auf mich und auf die Kirche. Gareth nickt entschlossen.

Peter löst sich von der Gruppe, als wir näher kommen. Nicholas folgt ihm. Peter schließt erst John in seine Arme und dann mich. Nicholas betrachtet mich aufmerksam. Seine dunklen Augen gleiten von dem Blut auf meiner Kleidung zu dem Blut auf meinen Händen. Keiner sagt etwas, als die anderen Männer, immer noch in eine lebhafte Diskussion vertieft, sich uns nähern.

»Was ist los?«, fragt John.

»Ich wollte die Frauen und Kinder in kleine Gruppen aufteilen und sie mit Eskorten nach Hause schicken«, antwortet Peter. »Dann habe ich vorgeschlagen, dass wir Wachen einteilen, bewaffnete Männer, die Tag und Nacht entlang der Schutzbarriere auf Patrouille gehen, damit es zu keiner weiteren Grenzübertretung kommt.«

»Dem habe ich zugestimmt«, ergänzt Nicholas. »Und ich bin auch der Meinung, dass die Anhörung warten kann. Nach dem, was heute geschehen ist, haben wir wahrlich Wichtigeres zu tun.«

Ich atme erleichtert auf. Es ist nur ein Aufschub, aber wenigstens habe ich ein paar Tage mehr – vielleicht eine Woche –, um mich vorzubereiten. Doch dann höre ich Gareth sagen: »Im Gegenteil. Ich denke, jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt für die Anhörung.«

   3   

John tritt vor mich hin, als wollte er mich beschützen. »Nein. Es muss nicht heute sein. Wir können es verschieben.«

»Unglücklicherweise geht das nicht«, sagte Gareth. »Der Rat wurde einberufen, die Vorbereitungen für die Abstimmung sind getroffen. Die Regeln besagen, dass nach alledem auch eine Entscheidung fallen muss.« Er schaut zu Nicholas. »Diese Regeln habt Ihr selbst erlassen, als Ihr den Rat gegründet habt.«

»Die Regeln wurden eingesetzt, um Verrat in den eigenen Reihen zu verhindern, wie Ihr sehr wohl wisst«, gibt Nicholas zurück. »Sie dienen dem Schutz des Rats vor Angriffen von innen, nicht von außen.«

»Richtig«, sagt Gareth. »Aber die Menschen von Harrow sind heute hergekommen, weil sie Antworten wollen. Und sie werden Antworten bekommen.«

»Sie wollten Antworten, aber sie wurden angegriffen«, sagt Peter. »Sie haben Angst. Lasst sie heimgehen.«

»Wenn Ihr vorschlagt, dass ich den Rat neu einberufe und damit unseren Feinden eine weitere Gelegenheit gebe, uns zu attackieren, dann muss ich das ablehnen«, sagt Gareth. »Es ist kein Zufall, dass dieser Angriff heute stattfand und dass es hier passierte. Blackwells Männer wussten, wo wir sein würden. Wo sie sein würde.« Er wirft mir einen Blick zu, aus dem alle Jovialität verschwunden ist. »Sie suchen nach ihr, daran gibt es keinen Zweifel. Und wir müssen entscheiden, wie wir damit umgehen. Und zwar heute.

Allerdings werde ich Euch nicht aufhalten, wenn Ihr Euch zurückziehen wollt«, setzt Gareth mit einem Blick auf Nicholas hinzu. »Die Regeln lassen zu, dass der Ratsvorsitzende für ein verhindertes Mitglied abstimmen kann. Ich werde sehr gerne diese Aufgabe für Euch übernehmen.«

Nicholas sagt nichts, aber die Wut in seinen dunklen Augen spricht Bände.

Als ich Gareth das erste Mal sah, hielt ich ihn für einen Schreiber. Von Peter erfuhr ich damals, dass er ein Mitglied des Rats ist, und jetzt ist er sogar sein Vorsitzender. Offensichtlich ist er sehr gut darin, die Nöte anderer zu seinen Gunsten auszunutzen – ähnlich wie Blackwell. In diesem Augenblick treffe ich eine Entscheidung. Es mag zwar zu meinem Vorteil sein, wenn die Anhörung verschoben würde, aber ich will nicht, dass die Menschen in Harrow meinetwegen leiden.

»Gareth hat recht«, sage ich zu Nicholas. »Wir sollten die Anhörung heute abhalten. Es hat keinen Sinn, die Sache noch länger aufzuschieben.«

Vielleicht hat Nicholas erwartet, dass ich das sagen würde, vielleicht hat er es gehofft. Wie auch immer, er nickt nur knapp.

»Ausgezeichnet.« Gareth klatscht in die Hände und deutet dann zur Kirche. »Können wir?«

»Darf sie sich wenigstens umziehen?«, fährt John auf und deutet auf meine blutbesudelte Kleidung. »So müssen die anderen sie doch nicht sehen.« Er spricht es nicht aus, aber das ist auch nicht nötig. Fifers Bemühungen, mich jung und unschuldig aussehen zu lassen, wurden samt und sonders zunichtegemacht, und wenn ich jetzt vor den Rat trete, gibt es keinen Zweifel mehr an dem, was ich bin.

Eine Mörderin.

»Ich fürchte, das geht nicht.« Diesmal ist es Nicholas, der die Forderung ablehnt. »Wenn der Rat einmal einberufen wurde und die Person, um die es geht, anwesend ist, muss die Anhörung unverzüglich beginnen.«

Gareth nickt. »In der Tat, das sind die Regeln.«

John wirft mir einen Blick zu, zieht seine Jacke aus und legt sie mir über die Schultern. Mein wunderschönes Kleid aus blauer Seide und Brokat ist ruiniert: zerrissen und mit Schmutz-, Gras- und Blutflecken übersät. Mein sorgfältig geflochtenes Haar hängt in wilden Strähnen über meine Schultern. Johns Jacke verhüllt nur wenig davon. Aber seine Geste enthüllt umso mehr: dass ich mich auf ihn verlassen kann, dass er treu zu mir steht, dass wir zusammengehören, obwohl es nur für mich Hilfe, aber für ihn Schmerz und Entbehrung bedeutet.

Die Scharniere des schweren Portals knarren, als Gareth die Flügel aufdrückt. Innen ist es ruhig geworden, und ich sehe nun Dinge, die ich vorher nicht bemerkt hatte: In einem verzierten Steingefäß in der Vorhalle wirbelt Wasser träge wie Öl. An kleinen Haken in den Rückenlehnen der Kirchenbänke aus glänzend poliertem Eichenholz hängen blutrote Kniekissen. Von den schweren Deckenbalken hängt die rot-blau-weiße Flagge von Anglia neben der Reformistenflagge in Schwarz, Rot und Orange. In der Kirche riecht es scharf nach Räucherwerk: Weihrauch, Amber und Myrrhe. Besänftigende Düfte – an jedem anderen Tag, nur nicht heute.

Immer noch drängen sich die Menschen in den Kirchenbänken, stehen im Mittelgang und in den Seitenschiffen. Und alle schauen mich an.

Vielleicht liegt es an dem schwachen, in bunten Facetten gebrochenen Licht, vielleicht ist es die kühle Luft hier drin, vielleicht auch meine Angst, jedenfalls verdunkeln sich die Ränder meines Blickfelds und ich werde von dem unbändigen Verlangen gepackt wegzurennen. Hinaus aus dem Portal, durch den Tunnel aus Bäumen, über die hügeligen Wiesen, hinaus aus Harrow. Und wohin dann? Seit jenem Tag, an dem mir das Bündel Kräuter aus der Schürzentasche gefallen ist, ich als Hexe gebrandmarkt und als Verräterin in den Kerker geworfen wurde, seit jenem Tag, an dem sich mein Leben für immer geändert hatte, verfolgt mich diese eine Frage.

Eine Hand packt meine Schulter und dreht mich um. Nicholas tritt ganz nah an mich heran. »Du wirst versucht sein zu lügen, aber tu es nicht.« Er spricht leise. »Sie werden dir Fragen stellen, die du nicht beantworten willst, aber wenn du nicht die Wahrheit sagst, werden sie es merken. Sag ihnen, was du weißt und woher du es weißt. Genau so, wie du es mir gesagt hast. Der Rest«, setzt er hinzu, »kommt von selbst.«

Der Rest kommt von selbst. Alles andere fügt sich zusammen. Diese Worte, dieser Katechismus, verfolgen mich auf Schritt und Tritt. Erst verlangte Nicholas von mir, dass ich mich von der Prophezeiung einer Seherin leiten ließ, jetzt erwartet er, dass ich fremde Männer über mein Schicksal entscheiden lasse. Sein Glaube soll mich ermutigen. Aber dieser Glaube legt mein Leben in die Hände anderer Menschen, und meiner Erfahrung nach ist dies der denkbar ungeeignetste Ort dafür.

Gareth tritt vor und nimmt meinen Arm. Widerstrebend lässt John mich los, und ebenso widerstrebend gehe ich mit Gareth durch das Mittelschiff. Die Menschen starren mich an, flüstern miteinander. Ich fühle mich wie eine Braut, die vom falschen Bräutigam zum Altar geleitet wird.

Wir erreichen die Kanzel, die mit vielfältigen Schnörkeleien verziert und golden bemalt ist. Der Buchständer hat die Form eines Raben: ein Bote für die Wahrheit, aber ebenso ein Symbol für Unglück und Täuschung. Davor ist eine Reihe mit Stühlen aufgestellt. Sie sind schlicht, bis auf den einen in der Mitte, der mächtig und unbequem aussieht, kantig und klobig, mit einer spitz zulaufenden Rückenlehne. Die vier dicken Stuhlbeine sind wie Löwen geformt.

Hinter dem Altar öffnet sich eine Tür. Heraus kommen Männer, die genauso gekleidet sind wie Gareth und Nicholas, in schlichte, bodenlange Gewänder aus schwarzem Samt, mit Kapuzen und dem Emblem der Reformisten versehen: eine kleine Sonne in einem Quadrat, das wiederum in einem Dreieck steht und dann in einem Kreis, besser gesagt, einer Schlange, die ihren eigenen Schwanz verschlingt. Ein Ouroboros. Die Mitglieder des Rats. Die Männer, die über mich urteilen werden.

Gareth führt mich zu dem Stuhl in der Mitte und bedeutet mir, Platz zu nehmen. Sogleich schießen Eisenketten aus den Armlehnen und Stuhlbeinen und schlingen sich um meine Hand- und Fußgelenke. Die geschnitzten Löwen erwachen zum Leben, reißen knurrend ihre Mäuler auf und zeigen die scharfen Holzkrallen. Ich will zurückweichen, kann aber nirgends hin. John, der in der ersten Reihe neben Fifer und Peter sitzt, springt auf und will protestieren, aber Peter packt ihn an der Schulter und zieht ihn wieder auf die Kirchenbank.

Gareth tritt hinter die Kanzel. Er ist nur einer von siebzehn Ratsherren, aber der einzige, der von Bedeutung ist. Er räuspert sich.

»Bevor wir anfangen, wollen wir einen Moment lang in stiller Trauer jenen gedenken, die heute ihr Leben gelassen haben.«

Er liest die Namen der vier Männer und der Frau vor, die getötet wurden, dann dreht er sich um und richtet das Wort an die Zuschauer. »Wie ihr alle wisst, sind wir heute hier zusammengekommen, um zu entscheiden, ob Elizabeth Grey das Privileg zuteilwerden soll, innerhalb der schützenden Grenzen von Harrow zu bleiben, oder ob sie auf Lebenszeit verbannt werden soll.«

Aus den Kirchenbänken erhebt sich Murmeln.

Gareth fährt fort: »Der heutige Angriff ist bereits das dritte Vorkommnis dieser Art. Dreimal bereits ist es Blackwell, dem neuen König von Anglia, gelungen, nach Harrow vorzudringen. Aber es ist das erste Mal, dass er Männer geschickt hat, um zu holen, was er für sein Eigentum hält. Während eine der grundlegenden Regeln unserer Gesellschaft als Reformisten lautet, jenen Schutz zu gewähren, die darum bitten, müssen wir entscheiden, ob dieser Schutz zu Lasten unserer eigenen Sicherheit gehen darf.«

»Die Angriffe auf Harrow sind nicht Elizabeths Schuld«, sagt Nicholas. »Blackwells Männer würden auch dann kommen, wenn sie nicht hier wäre.«

»Wir haben viele Jahre lang in der Sicherheit von Harrow gelebt, ohne jeden Zwischenfall«, entgegnet Gareth. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass zwischen ihrer Anwesenheit und diesen Attacken kein Zusammenhang besteht.«

»Ich denke, uns allen fällt es schwer zu glauben, dass der frühere Inquisitor ein Zauberer sein soll«, kontert Nicholas. »Und doch ist es so.«

»Das Mädchen ist gefährlich«, sagt ein Ratsmitglied. Er ist der älteste der Männer, sogar noch älter als Nicholas. Seine bleiche Haut und sein schütteres weißes Haar heben sich grell von dem schwarzen Gewand ab. »Das kann man nicht leugnen. Aber sie hat Nicholas das Leben gerettet, und auch das ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre er jetzt tot.«

Zwei Männer, die nebeneinandersitzen, nicken einträchtig. »In der Tat, sie hat sein Leben gerettet«, sagt einer von ihnen. »Natürlich könnte man argumentieren, dass ein gerettetes Leben nicht all die Leben aufwiegt, die sie genommen hat.« Er fixiert mich mit zwei verschiedenfarbigen Augen, eins ist dunkelbraun, das andere kanariengelb. »Von wie vielen Leben sprechen wir, Miss Grey?«

Ich schweige kurz und überlege, was ich sagen soll. Wie aufs Stichwort bemerke ich, wie Nicholas ganz leicht den Kopf schüttelt. Keine Lügen. Ich fühle die Last von tausend Augenpaaren auf mir und fange in Johns dicker Jacke an zu schwitzen. Und ich wende den Blick ab, als ich die Frage beantworte, die er mir nicht zu stellen wagte.

»Einundvierzig«, murmele ich.

»Wie bitte?« Das gelbe Auge des Mannes glitzert vor Bosheit. »Ich glaube nicht, dass die Leute in den hinteren Reihen Euch hören können.«

»Einundvierzig«, sage ich noch einmal etwas lauter.

Der Mann nickt grimmig. »Wie ich schon sagte: einundvierzig Leben genommen, eins verschont …«

»Gerettet«, verbessert ihn Nicholas, genauso wie John Gareth verbessert hat. »Sie hat mein Leben nicht verschont, sie hat es gerettet. Mein Leben und noch andere.« Nicholas schaut Fifer an, aber nicht John. Niemand der anwesenden Ratsmitglieder weiß, was ich getan habe, um sein Leben zu bewahren. »Und wenn sie die Gelegenheit bekommt, könnte sie noch viel mehr retten …«

»Ihr wollt doch nicht andeuten, dass wir einer Hexenjägerin gestatten sollen …«

»Einer ehemaligen Hexenjägerin«, korrigiert Nicholas ruhig.

»Mit uns zu kämpfen? Für uns zu kämpfen?« Die beiden Ratsmitglieder wechseln einen Blick und plustern sich auf wie zwei Krähen. »Woher sollen wir wissen, dass das alles nicht eine ausgeklügelte Falle ist? Ein Plan, den sie mit Blackwell ausgeheckt hat, um nach Harrow zu gelangen und uns allen den Garaus zu machen?«

Schweigen senkt sich über das Kirchenschiff. Die Menschen lassen die Worte wirken. Sie stellen sich vor, dass ich sie täusche, dass ich sie in eine Falle locke, die Blackwell sich hat einfallen lassen und die damit endet, dass ich alle in Harrow umbringe. Unmöglich.

Oder auch nicht.

»Es gibt keinen Plan.« Ich packe die harten, kantigen Armlehnen mit beiden Händen. Meine Stimme zittert, aber ich kann nicht lauter sprechen. »Ich würde Blackwell niemals helfen. Jetzt nicht mehr.«

Die Ratsherren schauen sich an. Aus ihren Blicken spricht im besten Fall Überraschung, im schlimmsten Unglauben. Letzteres überwiegt bei Weitem.

»Ich will niemandem schaden. Das wollte ich nie«, sage ich. »Ich war noch ein Kind, als ich zur Hexenjägerin ausgebildet wurde. Mir war nicht klar, was das alles bedeutete, was vor mir lag. Und ich hatte keine Ahnung, was ich sonst tun sollte.« Das ist eine schlimme, eine jämmerliche Entschuldigung. Aber es ist die Wahrheit.

»Aber egal, ob ich hierbleibe oder nicht, Blackwell wird kommen«, fahre ich fort. »Er will Harrow entweder erobern oder vernichten. Und er wird nicht aufgeben, bis er seinen Willen bekommen hat. Das ist etwas, das ihr wissen solltet: Er kriegt immer das, was er will.«

Wieder schauen sich die Mitglieder des Rats an.

»Wenn ihr mir erlaubt zu bleiben, kann ich euch helfen«, sage ich. »Ich kann euch helfen, ihn abzuwehren. Oder ihn unschädlich zu machen.« Ich vermeide das Wort »töten«. »Ich habe drei Jahre für ihn gearbeitet, habe unter seinem Dach gelebt. Ich kenne ihn.«

»Nicht gut genug, möchte ich behaupten«, lässt sich der gelbäugige Mann vernehmen. »Ansonsten hättet Ihr bemerkt, dass er ein Zauberer ist. Trotz allem, was Ihr jetzt sagt, ist Euch anscheinend das wichtigste Detail entgangen. Dabei war es direkt vor Euren Augen.«

»Ich dachte, er benutzt Zauberer und Hexen, um Magie zu bewirken!« Meine Stimme erhebt sich, und die Löwen zu meinen Füßen fletschen warnend die Zähne. »Er hat mir gesagt, dass er Magie hasst. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass er lügt?«

»Wie kann es sein, dass Ihr es nicht bemerkt habt?« Es ist der alte, weißhaarige Mann, der jetzt spricht. Er klingt nicht abfällig, nur verwirrt. »Nicholas erzählte uns, dass Ihr ein gebildetes, intelligentes Mädchen seid.«

»Ja, aber mehr nicht«, antworte ich. Meine Stimme ist jetzt wieder ruhig. »Ich bin nur ein Mädchen. Oder das war ich, als ich bei ihm war. Ich war dreizehn. Ich schaute zu ihm auf. Er war mein Lehrer, mein Mentor.« Beinahe hätte ich es dabei belassen, aber ich spreche weiter. »Ein Vater, nachdem ich meinen eigenen verloren hatte. Ich bin nie auf die Idee gekommen, er könnte ein Zauberer sein.«

Und dann erzähle ich ihnen alles, was ich weiß, alles, was ich Nicholas erzählt habe. Dass ich die Geliebte des Königs war. Dass man mich verhaftete, weil ich Kräuter bei mir hatte, die eine Schwangerschaft verhindern sollten. Dass man mich zum Tode verurteilte. Dass Nicholas mich gerettet hat. Wie ich herausfand, dass Blackwell ein Zauberer ist, und ich mich auf die Suche nach der Fluchtafel machte, mit der Blackwell Nicholas umbringen wollte. Und dass es mir nur deshalb gelang, diese Fluchtafel aus ihrem dunklen, feuchten, modrigen und mit tödlicher Magie gespickten Grab zu holen, weil Blackwell mich haben – und töten – wollte.

»Er hat auch mich betrogen«, sage ich schließlich. »Ich habe geglaubt, was er mir sagte. Ich hatte keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln, keinen Grund, nach Lügen zu suchen. Aber jetzt kenne ich die Wahrheit, und ich kann euch helfen, ihn aufzuhalten.« Ich schaue zu John hin, und seine haselnussbraunen Augen weiten sich, als ihm klar wird, was ich gleich sagen werde: »Ich werde für euch k …«

John ist aufgesprungen, ehe ich den Satz beenden kann.

»Sie kann nicht kämpfen«, sagt er. »Sie ist noch immer nicht gesund. Noch nicht stark genug. Und sie hat kein …« John verstummt, weil niemand wissen soll, dass ich kein Stigma mehr habe.

Es war Nicholas, der darauf bestand, diese Tatsache vor dem Rat geheim zu halten. Er fürchtet, dass der Rat ansonsten schlimmstenfalls auf die Idee kommen könnte, mich nicht bloß zu verbannen, sondern hinzurichten.

»Sie wäre beinahe gestorben«, endete John schließlich.

»Ich bin geneigt, mich dieser Meinung anzuschließen.« Ein Ratsmitglied zu meiner Rechten, das bislang geschwiegen hat, ergreift das Wort. »Sie ist ein Kind. Und wie Mr Raleigh zu Recht erklärt hat, ein krankes Kind.« Seine Augen, von einem dunklen Kornblumenblau, betrachten mich aufmerksam, aber nicht unfreundlich. »Ich weiß wirklich nicht, was sie für uns tun könnte, wozu wir selbst nicht in der Lage wären.«

Ich erstarre, als er mich dermaßen unterschätzt.

»Sie war eine Hexenjägerin, und nicht nur das: Sie war eine der besten«, erklärt Gareth. Ich empfinde eine Art Dankbarkeit, weil er für mich in die Bresche springt – bis mir klar wird, dass es eher als Anklage gemeint ist. »Und es ist nicht zu bestreiten, dass es ihr gelungen ist, in Blackwells Festung einzudringen, sich durchzukämpfen und die Fluchtafel zu zerstören.«

Unter den Räten erhebt sich eine lebhafte Diskussion.

»Sie hat enormen Mut bewiesen …«

»… ging zurück in dieses Grab, obwohl sie beim ersten Mal fast lebendig begraben worden wäre …«

»Sie ist einmal dort hineingelangt, vielleicht kann es ihr wieder gelingen …«

»Abgesehen vom Kämpfen«, mischt sich Nicholas ein, »gibt es noch viel mehr, worin Elizabeth uns unterstützen kann. Sie kann uns helfen, eine Armee auszubilden. Sie kann uns mit Informationen versorgen. Über Blackwells Strategie, sein Zuhause, seine Verteidigungsmaßnahmen. Seine Hexenjäger. Natürlich ist genau das der Grund, warum er sie unbedingt haben will. Er weiß, dass diese Informationen gegen ihn verwendet werden können.«

»Ihr sprecht von einer Armee«, wendet sich einer der Räte an Nicholas. »Was für eine Armee? Wir verfügen lediglich über ein paar Wachen, eine Handvoll Piraten und einige Adelige.« Er blickt zu den Kirchenbänken. »Wir haben weder die Stärke noch sind wir zahlreich genug. Es sei denn, wir fangen an, Männer für den Kampf zu rekrutieren. Männer, die keine Erfahrung als Soldaten haben.«

»Wir werden eine Armee aufstellen«, sagt Nicholas. »Aber die Verhandlungen darüber werden nicht einfach sein. Francia hat uns Soldaten zugesagt, aber verständlicherweise müssen sie heimlich vorgehen. Sie müssen ihre eigenen Grenzen schützen, und obwohl sie sich garantiert nicht auf Blackwells Seite stellen, werden sie auch nicht riskieren, sich ihn zum Feind zu machen. Eine Wiederholung dessen, was mit König Malcolm geschehen ist, möchte der König von Francia vermutlich vermeiden.«

In der Nacht nach dem Kostümfest, nachdem Peter uns aus Blackwells Festung in Greenwich gerettet hatte, wurden Malcolm und Königin Margaret verhaftet und im Fleet-Gefängnis eingekerkert. Ihre Verhaftung hat ganz Harrow in Angst und Schrecken versetzt. Einen König ins tiefste Verließ zu werfen, ihn vielleicht sogar zu töten, mag sich nicht einmal der glühendste Reformist vorstellen.

»Und in der Zwischenzeit?«, wendet sich der Mann mit den blauen Augen an Nicholas. »Glaubt Ihr, Blackwell wird abwarten, bis wir Truppen aufgetrieben haben? Bis sie hier eintreffen, werden Wochen vergehen, und er wird vorher angreifen. Was sollen wir tun?«

»Uns vorbereiten«, sagt Nicholas. »Unsere Wachen versammeln, mehr Männer rekrutieren. Männer, die sich freiwillig melden und die sich als Soldaten eignen. Männer, die sich freiwillig melden, auch wenn sie noch keine Erfahrung haben. Wir müssen unsere Grenzen für alle von außen öffnen, die bereit sind, für uns zu kämpfen.«

Er wendet sich den Kirchenbänken zu und blickt denjenigen, die in der ersten Reihe sitzen, direkt in die Augen.

»Es reicht nicht, einfach abzuwarten und die Gefahr schönzureden. Aber es ist auch nicht angebracht, jemandem die Schuld zuschieben zu wollen, auf andere mit dem Finger zu zeigen und zu bestrafen.« Nicholas betrachtet die Ratsherren einen nach dem anderen. »Wir haben uns lange genug versteckt. Krieg steht nicht nur vor unserer Tür, er hat schon die Schwelle überschritten und Schwerter und Pfeile in unser Heim gebracht. Wenn ihr Elizabeth ins Exil schickt oder sie unserem Feind ausliefert, werdet ihr diese Tür nicht verschließen. Wir müssen Blackwell zeigen, dass er sich nicht einfach nehmen kann, was er will, dass Harrow nicht fallen wird, solange wir hier sind und es verteidigen. Und dabei kann uns Elizabeth helfen.«

Die Männer und Frauen in den Kirchenbänken murmeln miteinander und nicken zustimmend. Gareth schaut von Nicholas zu mir und dann zu den Räten.

»Stimmen wir ab.«

   4   

Die Ratsmitglieder erheben sich von ihren Stühlen und gehen durch das Mittelschiff in Richtung Kirchenportal. Neben dem mit Wasser gefüllten Becken bleiben sie stehen. Der vorderste Mann hebt die Hand und deutet mit dem Zeigefinger zum Himmel. Dann schiebt er mit der anderen Hand den weiten Ärmel seiner Samtrobe zum Schutz vor dem Wasser hoch, senkt den Arm und taucht den Zeigefinger in das Becken.

Ich sehe, wie das Wasser, das eben noch träge seine Kreise zog, sich schneller bewegt, wie ein Strudel. Ein paar Tropfen spritzen in die Höhe. Nach einer kurzen Weile bricht eine kleine Dampfwolke empor, und der Mann zieht die Hand wieder aus dem Wasser. Einer nach dem anderen tun es die anderen Räte ihm nach.

Als der letzte Mann zurücktritt, steht das Wasser mit einem Mal still, wird glatt und glasig wie ein Spiegel, der silbrig und einladend schimmert. Es ist kein Becken mit Weihwasser, wie ich zuerst dachte, sondern eine Seher-Schale.

Ich habe bei meinen Verhaftungen solche Schalen schon verschiedentlich in Häusern von Zauberern gefunden, aber noch nie eine im Einsatz gesehen. Sie werden benutzt, um die Gedanken von vielen Menschen zu lesen, statt bloß die eines einzigen, wie es ein Seher-Spiegel erlaubt. Wasser ist ein starker Leiter und ein Element der Wahrheit. Man kann es nicht belügen, was bedeutet, dass Ratsherren nicht käuflich sind und auch nicht unter Druck gesetzt werden können. Das muss ein Teil der Regeln sein, die Nicholas eingeführt hat. Diese Magie trägt seine Handschrift: einfach, ehrlich und wirkungsvoll.

Jedes Ratsmitglied tritt vor und wirft einen Blick in das Wasser. Einige brauchen dafür nur einen Moment, andere lassen sich Zeit. Aber jeder nickt, nachdem er hineingesehen hat, und kehrt dann zu seinem Stuhl zurück. Seufzend schaben ihre Wollgewänder gegen das Holz, als sich die Männer setzen.

Gareth tritt zur Kanzel. Ich habe kaum Zeit, meine feuchten Handflächen auf den Armlehnen des Stuhls abzuwischen, da spricht er schon.

»Unentschieden.«

Fifer schaut erst mich an, dann John. Auf ihren Lippen liegt ein grimmiges Lächeln voller Entschlossenheit. Peters Gesicht wirkt beunruhigt, ihm ist klar, dass man mich wahrscheinlich wegschicken wird, was bedeutet, dass er seinen einzigen Sohn verliert. Bei einem Stand von 8:8 kann nur Gareth als Vorsitzender des Rats eine Entscheidung treffen.

»Gehen oder bleiben.« Gareths Stimme verrät, wie sehr er es genießt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und über das Schicksal eines Menschen entscheiden zu dürfen. »Es ist deutlich geworden, dass einige von euch Elizabeth Grey als Gefahr betrachten, als jemanden, dem man nicht vertrauen kann, der brutal ist und verräterisch.«

Fifer macht den Mund auf, will widersprechen, schweigt dann aber. Sie kann nichts dagegen sagen, denn Gareth spricht die Wahrheit. Ich habe Blackwell verraten, ansonsten wäre ich noch bei ihm. Wie Caleb, der ihm bis zum eigenen Ende die Treue hielt.

»Allerdings betrachten wohl einige von euch genau diesen Umstand als Vorteil, da wir es mit einem Feind zu tun haben, der ebenfalls brutal und verräterisch ist und dem man ebenso wenig vertrauen kann.«

Nicholas lässt Gareth nicht aus den Augen. Sein Blick wird dunkel und hart, wie ich es schon einmal erlebt habe: Genau dieser Blick lag in seinen Augen, als Veda, seine Seherin, ihm verkündete, dass ich eine Hexenjägerin war. Dass ich nicht das unschuldig angeklagte Mädchen war, für das er mich hielt. Damals hatte ich Angst vor ihm, und trotz allem, was er für mich getan hat, fürchte ich ihn noch immer.

»Obwohl ich anfangs anderer Meinung war, kann auch ich diesen Vorteil erkennen«, fährt er fort. »Aber wenn es Euch, Miss Grey, gestattet werden soll, weiterhin hier in Harrow zu bleiben, dann nicht nur unter der Bedingung, dass Ihr für uns kämpfen und unsere Armee ausbilden werdet, dass Ihr uns mit Informationen versorgt. Ich will, dass Ihr Euer Wissen dazu verwendet, um den Mann zu vernichten, der Euch ausgebildet hat.« Er verstummt kurz, dann hallen seine kalten, harten Worte wie hämmernder Stahl durch das stille Kirchenschiff. »Ich will, dass Ihr ihn tötet.«

Hier sitze ich, angekettet an einen Stuhl, in einem blutgetränkten Kleid mit einer blutgetränkten Vergangenheit, und wieder einmal verlangt man von mir, dass ich Blut vergieße, um Frieden zu finden. Ich schaue John an. Er hält meinem Blick stand und seine Augen sagen mir genug. Er will, dass ich ablehne, dass ich mich weigere, dass ich ins Exil geschickt werde und wir gemeinsam Anglia verlassen und irgendwo hingehen können, wo wir in Sicherheit sind.

Aber ich habe noch nie auf das gehört, was andere wollten.

»Also schön«, sage ich. »Ich werde für Euch kämpfen. Ich werde …« Ich halte inne und sammle meine Kraft für das, was ich sagen will: »Ich werde ihn töten.«

Gareth nickt zufrieden. Er hat die Antwort bekommen, die er wollte. John dagegen gibt eine Antwort, mit der ich nicht gerechnet habe und die ich mir auch nicht wünschte. Er steht auf und sagt: »Dann werde auch ich kämpfen.«

In den Kirchenbänken erheben sich laute Stimmen, aber eine, melodischer als die anderen, übertönt sie alle. »Das darfst du nicht. Das darf er nicht.«

Wie alle anderen drehe auch ich mich zu der Stimme um. Da steht Chime, die hübsche Dunkelhaarige, die ich auf dem Winternachtsfest getroffen habe und die ein Auge auf John geworfen hatte, ehe ich auftauchte. Sie blickt zu dem Ratsherrn links von mir, der die gleichen kornblumenblauen Augen hat wie sie. Jetzt weiß ich, wer das ist. Fifer hat mir von ihm erzählt. Es ist Chimes Vater, Lord Fitzroy Cranbourne Calthorpe-Gough.

»Ich muss wirklich protestieren.« Er blickt zu seiner Tochter und dann wieder zu Gareth. Auf seinen ebenmäßigen Zügen liegt ein zorniger Ausdruck. »Ich verstehe nicht, wie es hilfreich sein kann, wenn ein Heiler in den Kampf zieht.«

»Ich verstehe nicht, wieso es nicht hilfreich ist«, gibt Gareth zurück. »Ihr selbst sagtet, dass wir keine Armee haben, nicht genügend Männer für den Kampf. Jetzt haben wir einen mehr.« Er schenkt John ein sprödes, nachsichtiges Lächeln. Der aber verzieht keine Miene.

»Das hier bedeutet Krieg«, fährt Lord Cranbourne Calthorpe-Gough fort. »Es wird Verletzte geben. John Raleigh ist ein Heiler. Er rettet Leben. Er tötet nicht.«

»Und doch hat er es heute getan, und zwar ohne zu zögern«, kontert Gareth. »Und soweit ich das beurteilen kann, hat er seine Sache gut gemacht. Er hat den Kampf schon aufgenommen.«