Zeremonie des Lebens - Sayaka Murata - E-Book
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Zeremonie des Lebens E-Book

Sayaka Murata

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Beschreibung

Neues von der preisgekrönten Autorin von »Die Ladenhüterin«: Sayaka Muratas Storys »Zeremonie des Lebens«.

»Murata lotet mit brutaler Zartheit die innere Welt beschädigter Seelen aus.« Brigitte

Sayaka Murata hat mit ihrem Bestseller »Die Ladenhüterin« und ihrem letzten Roman »Das Seidenraupenzimmer« bewiesen, dass wohl keine andere Autorin derzeit faszinierendere Geschichten über die beunruhigende Natur der menschlichen Existenz erzählt als sie. Die »Zeremonie des Lebens« versammelt 12 ihrer Kurzgeschichten, das Genre, für das Murata in Japan ganz besonders bewundert wird. In diesen so aufrüttelnden wie beglückenden Geschichten über Familie und Freundschaft, Sex und Intimität, Zugehörigkeit und Individualität lotet Murata aus, wie schockierend, phantastisch und unheimlich man denken muss, um etwas Wahres über unsere Realität erzählen zu können.

Ein junges Mädchen ist zum ersten Mal verliebt, obwohl sie insgeheim tiefe Gefühle für den Vorhang in ihrem Zimmer hat. Eine Frau begeistert sich für Möbel und Kleidung aus menschlichem Material und gerät darüber mit ihrem Verlobten in Streit. Familien ehren ihre Verstorbenen in Zeremonien, bei denen kannibalische Feste in Sex übergehen. In zwölf absurden, komischen, zärtlichen Storys führt uns Sayaka Murata in die Tiefen menschlicher Abgründe – originell und unvergesslich, wie nur sie es kann. 

»Murata entlarvt auf brillante Weise die Gefühllosigkeit und Willkür unserer Konventionen.« New Yorker 

»Ihr funkelnder Stil und Blick für Details sind absolut einzigartig.« Vogue

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Seitenzahl: 241

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Über das Buch

Sayaka Murata hat mit ihrem Bestseller »Die Ladenhüterin« und ihrem Roman »Das Seidenraupenzimmer« bewiesen, dass wohl keine andere Autorin derzeit faszinierendere Geschichten über die beunruhigende Natur der menschlichen Existenz erzählt als sie. In »Zeremonie des Lebens« versammelt sie 12 Kurzgeschichten, das Genre, für das sie in Japan ganz besonders gefeiert wird. In diesen so abgründigen wie tief komischen Geschichten über Familie und Freundschaft, Sex und Intimität, Konsum und Reproduktion lotet Sayaka Murata aus, wie schockierend, phantastisch und unheimlich man denken muss, um etwas Wahres über unsere Realität zu erzählen.

Über Sayaka Murata

Sayaka Murata wurde 1979 in der Präfektur Chiba, Japan, geboren. Für ihre literarische Arbeit erhielt sie bereits mehrere Auszeichnungen. Ihr Roman »Die Ladenhüterin« gewann 2016 mit dem Akutagawa-Preis den renommiertesten Literaturpreis Japans und war in mehr als einem Dutzend Ländern ein großer Erfolg.

Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Romane »Die Ladenhüterin« und »Das Seidenraupenzimmer« lieferbar.

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Sayaka Murata

Zeremonie des Lebens

Storys

Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Ein herrliches Material

Mein wunderbarer Esstisch

Kuss in einer Sommernacht

Eine zweiköpfige Familie

Die Zeit des großen Sterns

Fiffi

Zeremonie des Lebens

Magische Körper

Liebende im Wind

Puzzle

Die essbare Stadt

Ausgebrütet

Impressum

Ein herrliches Material

An einem Wochenende traf ich mich mit zwei Freundinnen aus meiner Studienzeit zum Tee in der Lounge eines Hotels. Wir plauderten angeregt. Die grauen Bürogebäude vor den Fenstern lagen im Sonnenschein. In der stets ausgebuchten Lounge tranken eine Menge Frauen wie wir den sogenannten Afternoon Tea. Graziös führte eine elegante grauhaarige Dame in dunkelvioletter Stola ihre Tarte zum Mund. Am Tisch nebenan fotografierte eine Gruppe Mädchen mit bunt lackierten Fingernägeln ihre Kuchen. Eine hatte Aprikosenmarmelade auf ihre weiße Strickjacke gekleckert und rieb verzweifelt mit einem rosa Taschentuch an dem Fleck herum.

Yumi schlug die Speisekarte auf und bestellte eine weitere Tasse Tee. Dann stutzte sie und betrachtete forschend meinen Pullover.

»Sag mal, Nana, dein Pulli ist doch aus reinem Menschenhaar?«

Stolz lächelnd nickte ich.

»Ja, 100 Prozent Menschenhaar. Sieht man das?«

»Natürlich, sieht super aus. Der war bestimmt teuer.«

»Ja, schon … ich musste einen Kredit aufnehmen. Aber so was kauft man sich ja nur einmal im Leben«, antwortete ich ein wenig verlegen und strich mit den Fingern über meinen schwarzen Pullover. Er hatte ein aufwendiges Zopfmuster, die Bündchen an den Handgelenken und der Saum wiesen ebenfalls komplizierte Strickmuster auf. Das dunkle Haar, aus dem er gefertigt war, schimmerte seidig im einfallenden Licht. Der Pullover gefiel mir so gut, dass ich ihn sogar beim Tragen immer wieder ansehen musste.

Auch Aya musterte den Pullover mit neidvollem Blick.

»Im Winter geht doch nichts über 100 Prozent Echthaar, oder? Es ist warm, langlebig, sieht edel aus. Mein Pulli hat auch einen Menschenhaaranteil, aber weil es so teuer ist, blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit einem Wollgemisch zu begnügen. Aber reines Menschenhaar fühlt sich doch ganz anders an.«

»Danke. Normalerweise schone ich ihn, aber heute wollte ich mich für euch und dieses Hotel schick machen. Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.«

»Und wenn du ihn schon gekauft hast, musst du ihn auch tragen«, sagte Yumi, und Aya pflichtete ihr bei.

»Teure Sachen sind nicht nur für den Kleiderschrank da. Das wäre Verschwendung! Du bist doch jetzt verlobt, Nana? Für Einladungen bei den Schwiegereltern oder andere förmliche Anlässe ist so ein Menschenhaarpulli doch genau das Richtige.«

Ich spielte mit meiner Teetasse.

»Mein Verlobter will nicht, dass ich Menschenhaar trage«, sagte ich leise.

Aya machte große Augen und sah mich verständnislos an.

»Wie? Warum nicht? Kapier ich nicht.«

»Ich versteh’s ja auch nicht, aber es geht ihm nicht nur um das Haar, er mag auch keine Einrichtungsgegenstände aus menschlichen Materialien.«

Ich lachte bitter. Erstaunt legte Yumi ihr Macaron auf den Teller zurück.

»Und was ist mit einem Ring aus Knochen? Oder einem Piercing aus Zahn?«, fragte sie.

»Kommt auch nicht infrage. Er sagt, er will Platinringe.«

Aya und Yumi tauschten einen Blick.

»Was? Aber Eheringe aus Vorderzähnen sind doch am schönsten …«

»Arbeitet dein Freund nicht bei so einer Elite-Bank? Und verdient total gut? Oder ist er geizig?«

»Nein, das nun auch wieder nicht.«

Ich lächelte unsicher, denn ich konnte es mir selbst nicht erklären, aber Aya nickte wissend.

»So was gibt es. Manche haben eben keinen Sinn für Mode. Das hat nichts mit Geld zu tun. Dabei wirkt Naoki doch immer so stylish. Aber über die Ringe solltet ihr definitiv noch mal reden. Sie stehen immerhin für das Versprechen ewiger Liebe zwischen zwei Menschen«, sagte Aya, die einen weißen Ring aus Wadenbein am linken Ringfinger trug, der an ihrer schlanken Hand sehr stilvoll aussah. Sie trug ihn seit ihrer Hochzeit im letzten Jahr. Ich wusste noch, wie ich sie beneidet hatte, als sie ihn mir zeigte und erklärte, er sei viel billiger gewesen als einer aus Zahn. Sie hatte sehr glücklich gewirkt.

Sacht strich ich über meinen Ringfinger. Ich wünschte mir auch einen Ring aus Zahn oder wenigstens Knochen. Naoki und ich hatten das Thema schon endlos erörtert. Obwohl ich genau wusste, dass es vergeblich war, mit ihm darüber zu reden.

»Geh doch noch mal in einen Laden mit Naoki. Ich bin sicher, er wird seine Meinung ändern, wenn er den Ring erst mal an deinem Finger sieht.«

»Mag sein …«

Ich wandte den Blick ab und griff nach dem schon kalten Scone auf meinem Teller.

Als ich mich schon von Aya und Yumi verabschiedet hatte, vibrierte mein Handy. Eine SMS von Naoki. »Mein Wochenenddienst ist früher zu Ende als erwartet. Komm doch zu mir.«

Ich schickte ihm eilig ein O. K. und fuhr mit der U-Bahn zu seinem Apartment.

Naoki wohnte in einem Büro- und Wohnviertel, von dem aus er seinen Arbeitsplatz bequem erreichen konnte. Nach unserer Heirat würden wir in ein neues Haus in einem Vorort ziehen. Wir wollten Kinder, und dort gab es mehr Natur. Ich freute mich auf unser zukünftiges Heim, war aber auch ein bisschen wehmütig, weil ich dann nicht mehr so häufig in diese Gegend kommen würde, die mir in den vergangenen fünf Jahren, in denen ich mit Naoki zusammen war, so vertraut geworden war.

Ich drückte auf die Klingel, und Naokis ruhige Stimme ertönte durch die Sprechanlage. »Hallo. Komm rein.« Ich öffnete die Tür mit meinem Schlüssel. Naoki war gerade erst nach Hause gekommen und noch in Hemd und Krawatte. Er zog sich eine Strickjacke über und schaltete die Fußbodenheizung ein.

»Ich habe was zum Abendessen gekauft. Es ist so kalt, hast du Lust auf einen Eintopf?«

»Ja, super, danke. Wie war es mit Aya und Yumi?«

»Beiden geht es gut. Sie haben mir was zur Verlobung geschenkt.«

Ich reichte Naoki die Papiertüte mit den beiden Weingläsern, stellte meine Einkaufstasche ab und zog meinen Dufflecoat aus. Naoki verzog plötzlich das Gesicht.

Seine angewiderte Miene erinnerte mich daran, dass ich ja noch den Pullover aus Menschenhaar anhatte.

»Ich hatte dir doch gesagt, du sollst kein Menschenhaar tragen«, schnauzte Naoki, ohne mich anzusehen.

Er wandte so übertrieben abrupt das Gesicht ab, dass er einen Genickbruch riskierte, und schmiss sich aufs Sofa.

»Ich hatte die beiden so lange nicht gesehen und wollte mich schick machen. Den Pullover habe ich wirklich das erste Mal seit Langem an.«

»Schmeiß das Ding endlich weg. Du hattest mir versprochen, ihn nicht mehr zu tragen, und hast dein Versprechen gebrochen.«

»Ich habe noch nicht mal den Kredit abbezahlt. Und nur weil ich gesagt habe, ich würde ihn nicht in deiner Gegenwart tragen, heißt das nicht, dass ich ihn für den Rest meines Lebens nie mehr anziehe. So was habe ich nie versprochen! Du kannst mir doch nicht verbieten, die Kleidung zu tragen, die ich von meinem eigenen Geld gekauft habe!«, schrie ich, den Tränen nahe.

Genervt und ohne mich anzusehen, tappte Naoki mit dem Fuß auf den Boden.

»Aber ich ekle mich so davor.«

»Vor Menschenhaar? Es wächst doch aus uns und ist uns näher als jedes andere Material …«

»Gerade deshalb ist es ja so ekelhaft«, zischte Naoki mich an.

Er nahm seine Zigaretten und einen kleinen Aschenbecher vom Beistelltisch. Naoki rauchte selten, aber wenn er unter Druck geriet oder sich ärgerte, steckte er sich eine an. Er brauche das, um sich zu beruhigen, behauptete er.

Er habe einen harten Tag gehabt und sei müde, sagte er nun.

»Rauchen ist ungesund«, entgegnete ich, statt ihn zu beruhigen wie sonst immer.

Ich fühlte mich miserabel, weil ich ihm mit meinem Pullover solches Unbehagen bereitet hatte.

»Wir wollten doch morgen wegen der neuen Möbel in dieses Einrichtungshaus zu Miho gehen? Ich kann nicht mit, also überlasse ich alles dir«, sagte er und nahm einen Zug. »Aber hör mir gut zu! Wenn du auch nur ein Möbelstück aus menschlichem Material aussuchst, fällt die Hochzeit ins Wasser. Keine Zähne, keine Knochen, keine Haut. Sonst löse ich auf der Stelle die Verlobung.«

»Warum bist du nur so stur? Es ist doch ganz normal, Material von Verstorbenen zu verwenden. Warum hast du so starke Vorbehalte gegen Kleidung und Gegenstände aus Humanmaterial?«

»Weil das pietätlos ist. Ein Sakrileg. Ich finde es unglaublich, dass wir Leichen die Fingernägel ausreißen und die Haare abschneiden, um völlig unbekümmert Kleidung und Möbel daraus zu machen.«

»Aber das mit anderen Lebewesen zu tun ist okay, oder was? Die Verstorbenen zu recyclen, zeichnet uns als höhere Wesen aus. Statt die Körper unserer Toten zu vergeuden, verwerten sie weiter, nutzen sie für unsere Zwecke, und sie sind uns dienlich. Ist das nicht wunderbar? Ich halte es für wesentlich pietätloser, einen Verstorbenen einfach zu entsorgen, wenn so viel von ihm wiederverwendbar ist.«

»Ich fasse es nicht! Ihr seid alle verrückt. Wahnsinnig! Hier, sieh dir das an. Dieses Ding hier ist aus den Fingernägeln einer Leiche gemacht!« Naoki riss sich seine Krawattennadel ab und schleuderte sie zu Boden.

»Hör auf! Du wirst sie noch kaputt machen. Warum behältst du sie, wenn du sie so sehr hasst?«

»Sie ist ein Verlobungsgeschenk von meinem Chef. Ich finde sie so abscheulich, dass ich sie nicht einmal anfassen will. Widerlich!«

»Was ist so barbarisch daran, menschliche Wesen als Material zu verwenden?«, schrie ich unter Tränen. »Viel grausamer wäre es doch, alle zu verbrennen!«

»Halt einfach die Klappe!«

So stritten wir uns ständig. Ich konnte absolut nicht verstehen, warum Dinge aus Humanmaterial Naoki derart zuwider waren.

»Entschuldige. Ich werde den Pullover wegwerfen.«

Ich zog meinen Echthaar-Pullover aus und stand in meiner seidenen Bluse da. Mir liefen Tränen über die Wangen, während ich den schönen, schwarz glänzenden Pullover zusammenknäulte und in den Küchenabfall warf.

Als ich so niedergeschmettert dastand, erhob Naoki sich vom Sofa und schlang von hinten die Arme um mich.

»Tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin. Aber egal, was ich sage, du scheinst mich nicht zu verstehen. Pullover aus Menschenhaar und Geschirr und Möbel aus Knochen machen mir Angst.«

Naokis schlanke Arme umfingen mich zärtlich, und seine Kaschmirjacke fühlte sich weich an. Ich konnte nicht nachvollziehen, wie er behaupten konnte, menschliches Haar sei schlecht, Haar von Kaschmirziegen jedoch nicht. Aber seine Stimme war leise, und seine Hände zitterten.

»Tut mir leid. Ich weiß ja, wie unangenehm so was für dich ist.«

»Nein, mir tut es leid, dass du mich ständig ertragen musst …«, flüsterte Naoki kraftlos und vergrub sein Gesicht an meiner Schulter.

»Ich begreife einfach nicht, warum Menschen in aller Gleichmut derart grausame Dinge tun. Katzen, Hunde oder Kaninchen verarbeiten ihre toten Artgenossen doch auch nicht zu Pullovern oder Lampenschirmen. Kein Tier tut so etwas. Wäre ich nur so ein braves Tier!«

Um eine Antwort verlegen, streichelte ich sanft Naokis in Kaschmir gehüllte Arme, die mich zaghaft umfingen. Behutsam drehte ich mich zu ihm um. Ich schloss meine Arme um seinen leicht gekrümmten Rücken. Als ich ihn streichelte, seufzte er erleichtert und streifte mit seinen kühlen Lippen meinen Hals. Endlos strich ich mit meiner Hand über seinen Rücken.

Als ich Miho erklärte, dass aus menschlichem Material gefertigte Einrichtungsgegenstände nicht infrage kämen, verdrehte sie die Augen.

»Ihr habt also so viel Geld zur Verfügung und wollt keinen Stuhl aus Schienbein, keinen Tisch aus Rippen, keine Uhr aus Fingerknöcheln und keinen Lampenschirm aus getrocknetem Magen?«

»So ist es.«

»Nicht mal ein Schmuckregal aus Zähnen? Warum keinen schönen warmen Läufer aus Menschenhaar?«

»Weil ich nicht will, dass Naoki leidet. Ich möchte ein Haus, in dem wir uns beide wohlfühlen.«

Miho klappte die Kataloge zu, die sie vor mir ausgebreitet hatte, runzelte die Stirn und senkte die Stimme.

»Ich sage es nur ungern, aber ich glaube, Naoki ist nicht gesund. Warum ist er bei Humanmaterial so empfindlich?«

»Ich weiß nicht. Er hatte wohl kein gutes Verhältnis zu seinem Vater, als er klein war. Vielleicht ist das die Ursache.«

»Jedenfalls ist es seltsam. Ihr solltet zu einer Beratung gehen. Sobald wir sterben, werden wir zu Pullovern, Uhren oder Lampenschirmen. Wir sind Menschen und zugleich Material. Das ist doch wunderbar.«

Auch wenn mir das, was Miho sagte, einleuchtete, schüttelte ich den Kopf.

»Ich denke ja auch so, aber im Augenblick möchte ich das Haus ausschließlich mit Dingen einrichten, die Naoki nicht das Herz brechen.«

Vielleicht lag es an meinem bestimmten Ton, dass Miho seufzend einlenkte.

»In Ordnung, aber es ist die reine Verschwendung. Bei dem Budget könnten wir eine Menge toller hochwertiger Möbel kaufen. Aber gut, dann nehmen wir einfach diesen Esstisch und die Stühle, die nicht aus Menschenknochen gemacht sind.«

»Ich danke dir.«

»Für die Beleuchtung im Wohnzimmer würde ich dir eigentlich den Kronleuchter dort aus Fingernägeln empfehlen, aber ich glaube, wir entscheiden uns für einen aus Glas wie den hier.«

»Ja, da wäre ich dir dankbar.«

Seufzend markierte Miho die entsprechenden Artikel mit Post-it-Streifen im Katalog.

»Warum verwenden andere Lebewesen die toten Körper ihrer Gefährten eigentlich nicht wieder?«, fragte ich sie.

»Bei der Gottesanbeterin frisst immerhin das Weibchen das Männchen. Das ist sehr vernünftig. Einige Tiere wissen bestimmt, wie sie die Kadaver ihrer Artgenossen wieder verwerten können.«

»Ja, bestimmt.«

»Meinst du, Naoki hat mit seinen Ansichten einen schlechten Einfluss auf dich?«

»Nein, gar nicht. Aber ich kann nicht begreifen, was er mit dem Wort ›grausam‹ meint. Naoki sagt, es sei grausam, Menschen als Material zu verwenden, aber ich finde es viel grausamer, stattdessen sämtliche Toten zu verbrennen. Wir verwenden dasselbe Wort, um die Werte des anderen herabzusetzen. Wie soll das nur weitergehen …?«

»Ich weiß es nicht, aber immerhin bemühst du dich nach Kräften, ihn zu verstehen. Wenn ihr bereit seid, euch auf halbem Weg entgegenzukommen, klappt es bestimmt mit euch.«

Mihos warmherziges Verständnis entlockte mir ein erleichtertes Seufzen.

»So, ich mache jetzt den Kostenvoranschlag und bestelle die Ware. Dazu werde ich eine Weile brauchen, du kannst dich also inzwischen in Ruhe umschauen oder noch mal im Katalog blättern.«

»Ich danke dir.«

Nachdem Miho mit dem markierten Katalog nach hinten verschwunden war, schaute ich mich ziellos in dem Einrichtungsgeschäft um, in dem die Zeit nur zähflüssig zu verstreichen schien. Vielleicht weil es Mittagszeit war. Ein verliebtes junges Paar und eine elegante ältere Dame schritten die edlen Möbel ab. Hier im ersten Stock befand sich die gehobene Auswahl, während im Erdgeschoss nur billige Plastikmöbel und Glasartikel ausgestellt waren. Ich setzte mich auf ein Sofa mit einem hellen Rahmen aus Knochen.

Gegenüber stand ein mit Schädelschalen gedeckter Esstisch, über dem der prächtige Kronleuchter aus Fingernägeln hing, den Miho mir empfohlen hatte. Ein warmes Licht, irgendwo zwischen Rosa und Gelb, fiel durch die zu Röhren geformten Nägel, und ich malte mir aus, wie wundervoll es wäre, mit Naoki unter einem solchen Kronleuchter vor Suppenschalen aus Schädeln zu sitzen.

Ich betrachtete meine Fingernägel. Sie muteten fast an wie die für den Kronleuchter verwendeten. Welche Freude wäre es, wenn sie nach meinem Tod zu einer so herrlichen Lampe verarbeitet würden! Auch wenn ich nach außen hin stets bemüht war, mich Naoki anzupassen, würde sich die Zärtlichkeit nie ändern, die ich für meinen Körper empfand. Mir war bewusst, dass auch ich Materie war und nach meinem Tod zu einem praktischen Gegenstand würde. Ich konnte die Hoffnung, die ich mit dieser edlen und ehrenhaften Aufgabe verband, nicht verleugnen.

Ich stand auf und trat an ein Bücherregal heran, dessen Fächer aus schulterblattgroßen Knochen bestand. Im Regal standen einige echte Bücher, damit man sich ein Bild davon machen konnte, wie es in einem Raum wirken würde. Ich dachte daran, wie sehr Naoki Bücher liebte und wie perfekt ein solches Regal für sein Arbeitszimmer wäre. Ich nahm ein kleines Wörterbuch aus einem der Knochenfächer und schlug das Wort »grausam« nach, das mich schon so lange beschäftigte. »Unmenschlich, hart, unbarmherzig, brutal«, las ich.

Mir schien diese Beschreibung viel eher auf Naokis Forderung, Verstorbene einfach zu verbrennen, zuzutreffen. Ich konnte noch immer kaum glauben, dass ein so freundlicher Mensch wie mein Verlobter etwas so Brutales und Schreckliches wie die Entsorgung aller Toten propagierte, wo es doch noch unzählige Verwendungsmöglichkeiten für sie gab.

Aber ich liebte Naoki. Also beschloss ich, ihm zuliebe für den Rest meines Lebens nie wieder etwas zu tragen oder zu benutzen, das aus einem menschlichen Körper gefertigt war, Menschen nicht in Form von Material zu berühren, auch wenn sie nach ihrem Tod noch als Alltagsgegenstände existierten.

Am folgenden Sonntag besuchten wir Naokis Familie in Yokohama.

Unsere Hochzeit war beschlossene Sache, aber es gab noch eine Menge zu besprechen, beispielsweise wen wir einladen oder wann wir in den Trausaal gehen sollten. Naokis jüngere Schwester würde die Gäste des Bräutigams in Empfang nehmen, das musste also auch organisiert werden.

Naokis Mutter und Schwester begrüßten uns herzlich. Sein Vater war fünf Jahre zuvor gestorben.

»Kommt nur herein, es tut uns leid, dass wir euch in dieser hektischen Zeit bemühen.«

»Aber nein, wir sind es doch, die euch Umstände bereiten.«

Naokis jüngere Schwester Mami war Doktorandin und hatte mich, seit ich mit ihrem Bruder zusammen war, direkt ins Herz geschlossen.

»Ich freu mich so, dass du meine große Schwester wirst«, sagte sie, während sie mir einen selbst gebackenen Brownie auftat.

Mami war für den Kuchen zuständig und meine Schwiegermutter für den Tee.

»Du, Naoki, es wäre doch schön, wenn du auf der Hochzeit für Nana Trompete spielen würdest. Als romantische Liebeserklärung.«

»Hör bloß auf, das wäre oberpeinlich. Früher vielleicht, aber jetzt bin ich total aus der Übung.«

Naoki sah so süß aus mit seinem verlegenen Grinsen im Gesicht, dass ich mich lachend an ihn schmiegte. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr lächeln sehen und war glücklich.

Als das Gespräch ins Stocken geriet, stand meine Schwiegermutter auf.

»Ich möchte euch beiden etwas schenken.«

Sie holte einen länglichen Holzkasten aus dem Tatamizimmer im hinteren Teil des Hauses, stellte ihn auf den Tisch und öffnete behutsam den Deckel. Neugierig spähte ich hinein. Darin lag etwas, das an einen großen Bogen feines Japanpapier erinnerte.

»Was ist das?«

Naoki und ich sahen sie verständnislos an.

»Das ist ein Schleier, der aus deinem Vater angefertigt wurde«, sagte sie leise mit einem Blick auf den Kasten.

»Was!?«

Sacht hob sie den zarten transparenten Schleier aus der Schachtel. Er war luftig, ziemlich voluminös und offenkundig aus Menschenhaut.

»Als dein Vater vor fünf Jahren an Krebs erkrankt ist, bat er mich, im Falle seines Todes diesen Schleier anfertigen zu lassen. Das war ungefähr zu der Zeit, als ihr beide zusammenkamt. Naoki hat schon als kleiner Junge gegen seinen Vater rebelliert, weil er einfach zu streng war. Als er Naoki zwingen wollte, Medizin zu studieren, haben die beiden sich geprügelt, und von da an war ihr Verhältnis sehr schwierig. Mein Mann hätte Naoki am liebsten enterbt und erwähnte seinen Namen zu Hause nicht mehr. Doch am Ende sagte er, Naoki sei zwar ein nutzloser Tölpel, aber er habe einen guten Blick für Frauen. Es war sein letzter Wunsch, euch diesen Schleier für eure Hochzeit zu schenken.«

Ich warf einen hastigen Seitenblick auf Naoki, der ausdruckslos auf den Schleier starrte.

»Du bist ja nicht einmal zu seiner Beerdigung gekommen, Naoki. Also konnte ich es dir nicht erzählen. Aber ich wusste, dass es eines Tages so weit wäre. Naoki, bitte vergib deinem Vater und lass Nana den Schleier auf eurer Hochzeit tragen.«

»Bitte, Nana, probiere ihn doch einmal kurz an. Ist er nicht wunderschön?«

Der Anblick von Mamis geröteten Augen, die voller Tränen standen, brachte mich dazu, schüchtern die Hand nach dem Schleier auszustrecken und ihn zu berühren. Da menschliche Haut sehr dünn ist und leicht reißt, wird sie kaum zur Herstellung von Kleidung verwendet. Der Schleier fühlte sich entgegen seinem papiernen Anschein keineswegs steif oder spröde an, sondern war sehr weich und geschmeidig.

»Nana, sieh mich mal an.«

Meine Schwiegermutter hob den Schleier behutsam an und legte ihn mir über den Kopf, wo sie ihn mit einem kleinen Kamm befestigte. Dann drapierte sie ihn mir vorsichtig um die Schultern.

Die weiche Haut meines Schwiegervaters bedeckte meine Ohren, Wangen und Schultern und fiel mir bis über den Rücken.

Der Schleier war schlicht, aber wenn man genau hinsah, waren die charakteristischen zarten netzartigen Linien der Haut noch zu erkennen und ließen ihn wie aus feinster Spitze erscheinen. Jede Zelle schien von Licht erfüllt, so dass ich das Gefühl hatte, in unzählige Lichtpartikel gehüllt zu sein.

»Wunderschön!«

»Er steht dir ausgezeichnet, Nana!«, riefen meine Schwiegermutter und Mami gerührt.

Winzige Muttermale und blasse Altersflecken bildeten ein apartes Muster auf dem Schleier. Farblich vermischten sich Weiß und Bernstein mit einem Hauch Blau an einigen Stellen. Wie hätte man jemals eine so subtile Vielfalt an Farbschattierungen künstlich erzeugen können? Das durch die Fenster fallende Sonnenlicht verschmolz mit der Hautfarbe meines Schwiegervaters, beleuchtete sie sacht und legte sich über meine eigene. Mir war, als befände ich mich in der geheiligten Aura einer Kirche, ganz und gar umgeben von dem durch die Haut fallenden menschenfarbigen Licht.

Eingehüllt in den wunderschönen zarten Schleier, blickte ich Naoki an.

Mit gesenkten Lidern hob er langsam die Arme und griff nach dem Saum des Schleiers, so dass ich schon fürchtete, er würde ihn mir herunterreißen.

»Diese Narbe stammt aus meiner Schulzeit«, flüsterte er stattdessen.

An einer Stelle des Saums, die er in der Hand hielt, war eine kleine Narbe zu sehen.

»Stimmt, die stammt von einem Streit mit deinem Vater, als du in der Mittelschule warst. Du hattest ihn geschlagen und bist von zu Hause weggelaufen. Die ist auf seinem Rücken zurückgeblieben. Du weißt es sicher nicht, aber er hat im Thermalbad immer damit geprahlt, was für ein harter Bursche du seist.«

Naoki starrte mit unergründlicher Miene auf den Schleier.

Eingedenk der Episode mit der Krawattennadel beobachtete ich ihn mit angehaltenem Atem und erwartete einen Wutausbruch. Aber er blieb stumm und starrte nur weiter auf den Schleier. Er führte sein bleiches Gesicht näher heran, als würde er in die Haut seines Vaters fallen.

»Vater!«, flüsterte er heiser und vergrub sein Gesicht im Schleier.

Meine Schwiegermutter und Mami waren überwältigt.

»Naoki!«

»Du hast deinem Vater verziehen!«, schluchzten sie.

»Ja, … natürlich. Nana wird diesen Schleier auf unserer Hochzeit tragen. Nicht wahr, Nana?«

Ich wusste nicht, ob es angebracht wäre, zu lächeln, also nickte ich nur zustimmend. Als ich den Kopf bewegte, umspielte der Schleier meine Wangen und meinen Rücken. Das durch die Haut meines Schwiegervaters dringende Licht wogte auf meiner Haut.

Auf der Heimfahrt saß Naoki auf dem Beifahrersitz, und ich vermied es, ihn anzusehen. Er war wie betäubt. Obwohl es kalt war, ließ er das Fenster ganz herunter und blickte hinaus.

»Soll ich ihn wirklich auf unserer Hochzeit tragen?«, fragte ich.

Der Kasten mit dem Schleier klapperte auf dem Rücksitz.

Naoki antwortete nicht, sondern lehnte sich mit geschlossenen Augen aus dem Fenster, kuschelte sich gleichsam in die Brise wie ein schlafendes Kind in seinen Futon. Er schloss kurz die Augen und lehnte sich weiter aus dem Fenster. Ich wählte meine Worte mit Bedacht und ließ meine Stimme sanft und geduldig klingen.

»Weißt du, wenn es dir sehr zuwider ist, kann ich mir eine Ausrede überlegen, zum Beispiel dass der Schleier dem Hochzeitsplaner nicht gefällt oder nicht zu meinem Kleid passt.«

Naoki ließ sein Haar und seine Kleidung im Wind flattern und schwieg hartnäckig. Ich wurde allmählich sauer.

»Warum antwortest du nicht?«, fuhr ich ihn scharf an. »Worum geht’s hier? Stimmt das, was du vorhin gesagt hast, oder hast du deiner Mutter und deiner Schwester etwas vorgemacht? Wenn dir die Gefühle deines Vaters wirklich etwas bedeuten, kann ich den Schleier tragen, aber wenn du das nicht willst, weil dir die Verwendung menschlicher Haut zu grausam ist, können wir es auch lassen. Mir ist das egal. Es liegt allein an dir.«

»Okay.«

»Was jetzt? Klartext bitte. Hast du deinem Vater verziehen, oder findest du den Schleier zu grausam?«, schrie ich ihn an.

Endlich fing Naoki an zu reden.

»Ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht. Vielleicht ist es ja wirklich so wunderbar und ergreifend, wie alle sagen, wenn wir nach unserem Tod als Gegenstände wiederverwendet werden?«

Wütend trat ich aufs Gaspedal, und der Wagen beschleunigte.

»Ich weiß es nicht. Ob du ergriffen bist oder nicht. Die Entscheidung liegt bei dir.«

»Ich kann mich nicht entscheiden. … Ich weiß es nicht mehr. Bis heute Morgen habe ich die Worte ›grausam‹ und ›bewegend‹ mit Überzeugung benutzt, aber jetzt weiß ich nicht mehr, was ich denken soll«, murmelte Naoki wie betäubt.

Er sah einfältig aus, sein Mund stand offen, als würde er gleich anfangen zu sabbern.

»Du hast uns doch immer als grausam verurteilt. Wo ist deine Energie geblieben?«

»Ich weiß nicht, wie du so von dir überzeugt sein kannst, aber eins kann ich sagen – der Schleier steht dir sehr gut. Denn er ist aus menschlicher Haut. Menschliche Haut steht uns Menschen ausgezeichnet.«

Danach schwieg er.

Die einzigen Geräusche im Wagen waren der Wind und das Klappern des Kastens auf dem Rücksitz.

Welche Gebrauchsgegenstände würden wir in hundert Jahren sein? Stuhlbeine, Pullover oder Uhrzeiger? Würde unsere Nutzungsdauer länger sein als unser Leben?

Naoki lehnte leblos mit schlaff herabhängenden Armen in seinem Sitz. Der Wind fuhr durch sein Haar und seine Wimpern. Auf seiner Wange zeichnete sich eine Narbe ab – ein schwaches Überbleibsel von einem frühen missglückten Rasierversuch. Ob sie noch da sein würde, wenn Naoki eines Tages ein Lampenschirm oder ein Bucheinband wäre?

Ich nahm eine Hand vom Lenkrad, um seine kraftlos auf dem Beifahrersitz liegende Hand zu berühren. Sie war warm und seine Haut fühlte sich ganz ähnlich an wie der Schleier, den ich eben anprobiert hatte. Ich spürte, wie Naokis Knochen sich darunter bewegten und seine Blutgefäße pulsierten.

Es war Naoki, noch kein Gebrauchsgegenstand, der meine Hand hielt. Wir teilten unsere Körperwärme für die kurze Zeit, in der wir nicht nur Material, sondern Lebewesen sein durften. Dieses Gefühl, am Leben zu sein, war ein kostbarer Moment der Illusion, und ich drückte Naokis schlanke Finger noch fester.

Mein wunderbarer Esstisch

Sonntagmorgen, mein Mann und ich waren beim Frühstück.

Wir bezogen unsere Lebensmittel fast ausschließlich von einem Online-Lieferservice namens Happy Future Food. Suppe mit gefrorenen Gemüsewürfeln und Future Oatmeal. Gefriergetrocknetes Brot und Salat. Mein Mann und ich saßen einander gegenüber und führten das Essen zum Mund, das an Astronautenfutter erinnerte.

Das Konzept von Happy Future Food bestand erklärtermaßen darin, eine »nächste Generation von Lebensmitteln auf den Tisch« zu bringen, und der Service war in aller Munde, da ihn auch Prominente aus dem Ausland in Anspruch nahmen. Mein Mann war derart verrückt danach, dass wir inzwischen fast alles auf der Happy Future Food Website bestellten.

Die meisten Lebensmittel waren entweder tiefgefroren oder gefriergetrocknet, was superhilfreich war, weil ich nicht viel kochen musste, allerdings war der Spaß auch nicht ganz billig. Während ich das grüne Future Oatmeal verzehrte, nahm ich mir vor, meine Zähne anschließend sofort mit Zahnweiß zu putzen.

Mein Smartphone klingelte, und ich warf einen Blick auf das Display. Meine Schwester. Ich nahm ab und zog aufs Sofa um.

»Was gibt es denn so früh, Kumi?«

»Hast du am ersten Sonntag nächsten Monat Zeit?«

Meine für gewöhnlich ruhige jüngere Schwester sprach ausnahmsweise schnell. »An dem Tag kommen die Eltern meines Verlobten zu mir zu Besuch.«

»Was?!«

Ich hatte nicht mal gewusst, dass meine Schwester einen Freund hatte.

»Ich lerne sie kennen und will ihnen ein Gericht aus meiner Heimatstadt servieren.«

»Wieso das denn?«

»Dazu brauche ich deine Hilfe.«

»Aber ich habe schon ewig nicht gekocht …«

»Ich möchte ein Essen für fünf Personen zubereiten – meinen Freund, seine Eltern, dich und mich. Bitte! Ich rufe dich wieder an, wenn die Einzelheiten feststehen«, erklärte sie und legte auf.

»Ist was mit Kumi?«, rief mein Mann zu mir herüber, den Mund voller Future Oatmeal.

»Sie lernt demnächst die Eltern ihres Verlobten kennen.«

»Wow, herzlichen Glückwunsch!«