ZWISCHEN GOTT UND TEUFEL (Die Ritter des Vatikan 16) - Rick Jones - E-Book
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ZWISCHEN GOTT UND TEUFEL (Die Ritter des Vatikan 16) E-Book

Rick Jones

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Beschreibung

Sie sind Elitesoldaten der ganz besonderen Art, denn sie stehen allein im Dienste Gottes: DIE RITTER DES VATIKAN In Syrien werden zahlreiche Dörfer von Mitgliedern der ISIS überfallen und die jungen Männer zwangsrekrutiert. Auch ein Camp der 'Ärzte ohne Grenzen' wird von den Truppen überrannt und die dort arbeitenden Personen entführt, darunter Pater Savino, ein Angehöriger des vatikanischen Staatssekretariats. Shari Cohen, die mittlerweile als Beraterin für die CIA im Irak arbeitet, weiß, dass sie an Informationen der erstarkenden ISIS-Streitkräfte gelangen muss, um sie davon abzuhalten, internationale Ziele anzugreifen. Und Kimball Hayden, der um Haaresbreite dem Tod entronnen ist, findet sich einmal mehr im Dienste des Vatikan wieder. Gemeinsam mit Shari Cohen brechen die Vatikanritter zu einer Mission ins Herz eines ISIS-Trainingslagers auf, um nicht nur die Geiseln zu retten, sondern auch weltweite Anschläge vereiteln zu können. Erneut treten die zahlenmäßig weit unterlegenen Vatikanritter an, das Unmögliche zu erreichen – im Namen des Herrn und mit überlegenen Fähigkeiten …

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Zwischen Gott und Teufel

Die Ritter des Vatikan – Band 16

Rick Jones

This Translation is published by arrangement with Rick Jones Title: IN BETWEEN GOD AND DEVIL. All rights reserved. First published 2020. Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.

 

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: IN BETWEEN GOD AND DEVIL Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Peter Mehler

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-879-9

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Inhaltsverzeichnis

Zwischen Gott und Teufel
Impressum
TEIL 1
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
TEIL 2
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
TEIL 3
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
TEIL 4
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Epilog
Über den Autor

TEIL 1

STRAHLEN EINES NEUEN LICHTS

Prolog

Kimball Hayden stand in der leeren Dunkelheit eines langen Tunnels. Am Ende des Tunnels befand sich ein kleines Quadrat von unglaublicher Helligkeit – vielleicht ein Tor, welches ihn ins Tal des ewigen Lichts führen würde, vielleicht aber auch nur eine Öffnung, die einige wenige Strahlen Sonnenlichts hereinließ. Mit der Zeit begann es zu wachsen, das Licht wurde so hell wie tausend Sonnen, obwohl es für seine Augen angenehm war, sowohl warm als auch beruhigend.

Auf seine Art schien es ihn zu rufen, eine Einladung, die mit dem immerwährenden Versprechen des Friedens erfüllt war. Hinter ihm, in der Dunkelheit, konnte er die Stimme der Frau hören, die er liebte.

Kimball! … Bleib bei mir, hörst du? … Verlass mich nicht! Nicht jetzt! … Komm zurück! … BIIIIIITTEEE … KOMM ZURÜCK! …

Die Anziehungskraft des himmlischen Lichts.

Die Stimme eines Engels, der ihn rief.

Die Anziehungskraft des Lichts.

Die Stimme des Engels.

Die Anziehungskraft.

Die Stimme.

Das alles erschien Kimball nur wie ein Augenblick, ein Wimpernschlag, doch in dieser Leere war Zeit kein Begriff und hatte keine Bedeutung. Minuten, Sekunden, Tage, Monate – Zeit existierte einfach nicht in dieser herrlichen Welt aus Licht und Liebe. Auch das war etwas, was Kimball Hayden gelernt hatte, als er seine Augen öffnete, und …

… die Decke erblickte …

… die Lampen über ihm …

… die Monitore, die seinen Körperfunktionen, wie etwa Herzfrequenz und Blutdruck, überwachten …

… das Gesicht der Krankenschwester, eine verschwommene Maske aus nach seiner Wahrnehmung verdrehten Gesichtszügen, die plötzlich wieder verschwand, als die Frau eilig den Raum verließ …

Seine Welt blieb verschwommen, als würde er durch einen Schleier aus Wasserfällen blicken, die vor seinen Augen herabfielen und seine Wahrnehmung verzerrten.

Wenige Augenblicke später stürmten die Menschen in den Raum, ganz in Weiß gekleidet, immer noch verschwommen unter den Scheinwerfern der Deckenbeleuchtung.

»Mr. Hayden.« Die Stimme war männlich, doch sie klang hohl und blechern, als würde sie vom Grund eines Brunnens zu ihm sprechen. »Mr. Hayden, wenn Sie mich hören können, dann nicken Sie bitte mit dem Kopf.«

Es gelang ihm nicht. Er fühlte sich so schwer wie Blei auf dem aufgeblähten Kissen, das auf der weichen Matratze lag.

»Können Sie mich hören, Mr. Hayden?«, wiederholte die Stimme, »Nicken Sie mit dem Kopf, wenn Sie mich hören können.«

Kimball fühlte sich frustriert, weil er nicht in der Lage war, selbst eine so einfache Aufgabe zu erfüllen.

»Können Sie mit den Augen blinzeln?«

Kimball blinzelte einmal, wenn auch mit großer Anstrengung, die ihn sehr zu erschöpfen schien.

Dann wurde die Stimme zu einem insektenhaften Summen, während er über das Licht und seine süße Anziehungskraft nachdachte. Hatte er wirklich das ätherische Glühen des Jenseits gesehen, das Licht von einer Milliarde Sonnen? Er konnte sich an seine anziehende Wirkung erinnern, etwas so Wunderbares, dass mit nichts vergleichbar war.

Er schloss die Augen, und eine Träne löste sich aus seinem linken Augenwinkel und floss über seine Wange.

»Mr. Hayden.« Dieses Mal klang die Stimme klarer, schärfer und weniger hohl.

Kimball öffnete seine Augen.

Auch die Personen, die ihn umringten, waren nun schärfer, klarer, eindeutiger definiert. Der Arzt, der über ihm stand, wirkte ältlich, vielleicht Ende sechzig, dachte er, mit zinnfarbenem Haar, grauen Augen und einem schmalen Gesicht. Zwei Krankenschwestern standen mit neutraler Miene auf beiden Seiten des Bettes, eine blond, die andere brünett, weder besonders hübsch noch auffallend hässlich, sondern einfach unscheinbar.

»Mr. Hayden, mein Name ist Doktor Brady.« Die Stimme des Arztes war jetzt klar und deutlich zu vernehmen. »Mr. Hayden, können Sie sich erinnern, was Ihnen als letztes widerfahren ist?«

Kimballs Augen wanderten zur Decke hinauf, als würde er dort nach Erinnerungen oder Hinweisen auf seine Vergangenheit suchen, die für ihn erst wenige Sekunden alt zu sein schien. Er konnte sich an eine Frauenstimme erinnern, die ihn rief, süß und melodisch wie ein Engel, der ihn ins Licht einlud, anstatt ihn dorthin zu zwingen. Und dann folgten Erinnerungen, die mit Bildern der Zerstörung und des Schmutzes behaftet waren. Vor seinem geistigen Auge sah er das Aufblühen einer gewaltigen Explosion und eine Rauchsäule, die sich der Explosion anschloss, woraufhin die Umgebung um ihn herum plötzlich eine stygische Dunkelheit annahm, als Asche die Luft erfüllte.

Aus Kimballs Kehle drang eine Reihe von Klickgeräuschen. Es war, als ob er versuchte, das, woran er sich erinnerte, in Worte zu fassen, um sich dadurch in einer Art Katharsis von diesen Bildern zu befreien. Aber die Worte stockten in seinem Hals.

Dann erinnerte er sich, dass er sich selbst von hoch oben gesehen hatte, schwebend, während er von einem Gefühl der Ruhe umgeben war. Eine Frau hatte geschluchzt, während sie ihn im Arm hielt. Und er hatte die schweren Verbrennungen an seinem linken Arm sehen können, seine geschwärzte und verkohlte Haut, zusammen mit gebrochenen Beinen, die in einem unnatürlichen Winkel abstanden.

»Mr. Hayden?« Die Stimme des Arztes blieb klar und deutlich, während er erst in Kimballs linkes und dann in sein rechtes Auge leuchtete.

Kimball spürte, wie seine Muskeln anfingen, zu kribbeln. Er spürte die elektrische Ladung, die begann, wieder Gefühl in seinen Gliedern zu entfachen. Eine Art Wiederbelebung.

Kimballs Augen begannen umherzuwandern, als versuchte er, seinen Aufenthaltsort zu bestimmen und seine Gedanken wieder zu sammeln. Der Tunnel und das Licht waren jetzt einem Raum voller seltsamer Menschen mit seltsamen Gesichtern gewichen.

»Mr. Hayden?«

Kimballs Stimme war nur ein raues Flüstern.

»Wo bin ich?«

Der Arzt beugte sich über ihn. »Mr. Hayden, Sie befinden sich im Providence Hospital. Sie sind bereits eine ganze Weile hier. Vierzehn Wochen, um genau zu sein.«

Vierzehn Wochen?

Kimball schüttelte den Kopf und konnte nicht glauben, dass er seit fast vier Monaten hier liegen sollte. Der Anblick des Tunnels und des allgegenwärtigen Lichts – dieser Moment war flüchtig gewesen, nicht einmal dreißig Sekunden lang.

Langsam drehte Kimball seinen Kopf hin und her. »Unmöglich.«

»Vierzehn Wochen, Mr. Hayden. Sie haben die ganze Zeit im Koma gelegen.«

»Nein … ich …« Kimballs Worte verloren sich.

In diesem neuen Licht, welches nicht ganz so hell schien wie das ewige Licht aus seiner Vision, sondern von einer Reihe von Leuchtstoffröhren über seinem Kopf herrührte, führte der Arzt eine kleine Saftpackung mit einem spaghettidünnen Strohhalm an Kimballs Lippen. »Langsam«, warnte er ihn.

Doch Kimballs Körper verlangte nach mehr Flüssigkeit als der Kochsalzlösung, die man ihm verabreichte, und er nahm den Saft so schnell zu sich, dass die Schachtel, die der Arzt in der Hand hielt, beinahe sofort implodierte.

»Noch einen«, presste Kimball hervor.

Vier Päckchen später, als sich die Realität immer klarer vor Kimballs Augen formte, war er enttäuscht.

Der Tunnel und das Licht; sein Tor zu einem Frieden, den er nie gekannt hatte … waren verschwunden. Vierzehn Wochen in dieser Zeitlinie waren nur Sekunden in einer anderen.

Er war mit Seelenfrieden gelockt worden … nur um am Ende zurückgewiesen zu werden.

Kimball Hayden schloss langsam die Augen, um gegen das Brennen der Tränen anzukämpfen.

»Mr. Hayden, ich glaube, Sie werden wieder ganz gesund.«

Kimball aber, der versuchte, seine Emotionen im Zaum zu halten, drückte schließlich eine Träne aus seinem Augenwinkel, bevor er flüsterte: »Ich wurde abgewiesen.«

»Abgewiesen?«

»Vom Licht Gottes.«

»Nein, nein, Mr. Hayden, was Sie erlebt haben, war wahrscheinlich eine Fehlzündung der Synapsen in Ihrem Gehirn, als Ihr Körper begann, sich abzuschalten. Sie haben vielmehr miterlebt, wie sich die elektrischen Impulse Ihres Gehirns abschalteten, als Milliarden sterbender Synapsen einen Moment lang brillante Explosionen und elektrische Entladungen erzeugten, was das Licht erklären würde, das Sie sahen.«

Kimball schüttelte den Kopf, weil er glauben wollte, dass etwas höchst Geistiges die Zügel seines Schicksals in die Hand genommen hatte, und nicht etwas, das sich durch die Ratio der Wissenschaft erklären ließ.

Kimball öffnete seine Augen – die jetzt rötlich verfärbt waren – und starrte nach oben, als würde die Vorsehung gleich hinter den Kacheln der Zimmerdecke schweben. Doch als dort nichts zu sehen war, kein Hinweis darauf, dass sich ihm noch einmal etwas so Großartiges offenbaren würde, drehte er den Kopf zur Seite.

Er sah zu, wie die grüne Linie auf dem Bildschirm im Rhythmus seines Herzschlags Berge und Täler malte. Dann hob er seinen linken Arm, der so stark verbrannt war, dass seine Haut zu etwas verheilt war, das wie der Talg von geschmolzenem Wachs aussah, und dann bemerkte er den Schlauch, der von seinem Arm zu einem halb gefüllten Beutel mit Kochsalzlösung führte.

Auf der anderen Seite des Zimmers stand ein Ganzkörperspiegel, rechteckig, aber er war von ihm abgewandt. Die Lippen schürzend und auf seine letzten Reserven zugreifend, riss Kimball den Schlauch aus seinem Arm und warf ihn beiseite, was den Arzt dazu veranlasste, lautstark zu erklären, er dürfe »nicht aufstehen«, zumindest »noch nicht.«

Aber Kimball wollte sehen, was vierzehn Wochen in einem Krankenhausbett aus ihm gemacht hatten, was das Leben ihm im Austausch gegen das Licht anzubieten hatte.

Was bin ich anstelle des Lichts geworden?

Was hast Du aus mir gemacht?

Als er vor dem Spiegel stand, zitterte er wie ein neugeborenes Fohlen. Sein Gesicht war so abgemagert, dass seine Haut wie eine Gummimaske herunterhing. Seine Augen waren von dunklen Ringen umgeben, die seine Augenhöhlen tiefer und die Knochen um seine Augenhöhlen schärfer aussehen ließen. Zudem zierten zahlreiche Narben seine Arme und Beine, wo das Fleisch zuerst verbrannt und dann als wütende rote Linien versiegelt worden war. Einst ein unaufhaltsamer Mann gewesen, der in der Grauzone zwischen Gott und Teufel operierte, stand er nun wie ein unfertiges Monster vor dem Spiegel.

In tiefem Kummer vor der Abscheulichkeit, zu der er geworden war, schloss Kimball die Augen.

Kapitel 1

Providence Hospital, Washington, D.C. Drei Wochen später

Als Kimball aufwachte, war das Erste, was er erblickte, das lächelnde Gesicht von Monsignore Dom Giammacio.

Er erkannte ihn sofort, was Kimball ein schwaches Lächeln ins Gesicht zauberte.

»Pater.«

Der Monsignore legte eine warme Hand auf Kimballs Unterarm. »Ich darf Ihnen sagen, dass der gesamte Vatikan Ihnen seine Liebe schickt. Sie wurden sehr vermisst, mein Freund.«

Kimballs Lächeln wirkte so müde, dass es beinahe künstlich anmutete, aber es war ehrlich gemeint. »Glauben Sie mir«, antwortete er, »ich habe sie auch vermisst.« Mit seiner linken Hand, die durch das Feuer stark verfärbt war und nun einen helleren Ton aufwies als seine gebräunte Haut, tätschelte Kimball dankbar die Hand des Monsignore. »Und es ist schön, Sie zu sehen.«

Der Monsignore betrachtete Kimballs Hand, die weder Poren noch Haare aufwies. An deren Stelle waren die wirbelartigen Muster geschmolzenen Fleisches getreten, das schließlich zu diesem neuen, grotesken Muster erstarrt war. Die Verbrennungen und die Narben, so folgerte der Monsignore, waren sichere Anzeichen dafür, dass Kimball durch die Hölle gegangen war. Die Flammen hatten ihn berührt, aber nicht verzehrt.

Kimball, dem die musternden Blicke des Monsignore nicht entgangen waren, sagte: »Wenn Sie glauben, das sei schlimm, sollten Sie mal meine Beine sehen.« Zumindest seinen Humor schien Kimball behalten zu haben.

Der Monsignore legte seine auf Kimballs verbrannte Hand, sodass Kimball sich fragte, ob der Monsignore die Wunde absichtlich verdeckte.

»Es tut mir leid, mein Freund. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie so sehr leiden mussten.«

Kimballs müdes Lächeln wich nicht aus seinem Gesicht. »Um in den Himmel zu kommen«, sagte er, »muss man durch die Hölle gehen. Heißt es nicht so, Padre?« Kimball hob sich seine verbrannte Hand vor die Augen und begann, die Finger zu krümmen. »Keine Schäden an den darunter liegenden Nerven. Voll funktionsfähig.« Dann drehte er seine Hand um, um deren Rückseite, die verbrannte Seite, zu untersuchen. Sein Fleisch wirkte dort dicker, fast schwielig, und erinnerte mit ihren Wirbeln an Schneckenhäuser. Seine Beine sahen genauso aus.

Kimball ließ seine Hand sinken und wandte sich an den Monsignore. »Gleich nach der Explosion«, fuhr er fort, »erinnere ich mich, dass ich in diesem Tunnel war, oder vielleicht war es auch ein Gang. Und am Ende dieses Ganges befand sich ein kleines Rechteck, das mit Licht erfüllt war. Dann hörte ich diese Stimme, die mich rief und mir sagte, ich solle zurückkommen. Alles war warm und einladend. Und dann dehnte sich dieses Licht aus, es kam näher und erfüllte den Tunnel mit einer wunderbaren Helligkeit, die den Glanz von tausend Sonnen hatte.« Kimball stockte und schluckte, seine Kehle wurde trocken. Dann fuhr er mit träumerischen Worten fort. »Dann war da diese Stimme, die mir ›komm zurück‹ zurief, süß und rein, die Stimme eines Engels.« Kimballs Lächeln verließ ihn und hinterließ nur noch eine grimmige Linie. »Und dann wurde das Licht schwächer und schwächer und wurde zu den Leuchtstoffröhren, die Sie über Ihrem Kopf sehen.« Kimball deutete auf die Oberlichter. »Dann waren da der Schmerz und die fremden Gesichter, die sich alle um mein Wohlergehen sorgten.« Kimball seufzte, während er seine Augen zur Decke richtete. »Da wusste ich, dass ich von dem Licht zurückgewiesen wurde.«

»Nein, Kimball, vielleicht hat man Sie nur abgewiesen, weil Ihr Auftrag hier noch nicht beendet ist. Haben Sie daran schon gedacht?«

»Nein. Vielmehr zog ich in Erwägung, dass es eher eine wissenschaftliche Erscheinung als etwas Spirituelles gewesen ist.« Er wandte sich dem Monsignore zu und sah ihm in die Augen. »Mir wurde erklärt, dass die Synapsen meines Gehirns in dem Moment, in dem mein Körper sich abschaltete, beim Sterben elektrische Entladungen abfeuern. Das würde das Licht erklären … klingt plausibel.«

»Manchmal, Kimball, kollidieren Wissenschaft und Glaube. Vielleicht war das hier der Fall?«

»Aber wenn das stimmt, Padre, dann bedeutet das nur, dass ich von dem Licht zurückgewiesen wurde, an das ich nicht glauben wollte. Und das würde nur bestätigen, dass ich nicht erwünscht bin.«

»Glauben Sie an das, was ich Ihnen gerade gesagt habe, Kimball, dass Ihre Mission hier auf der Erde noch nicht vollendet ist.«

Kimball hob seine Hände und bemerkte das erstarrte Fleisch seiner Verbrennungen. »Meine Beine waren so zerschmettert, dass mir Stäbe und Stifte eingesetzt werden mussten, um sie zu stabilisieren. Es ist ein langer Weg zurück zur Genesung. Meine Tage als Ritter des Vatikan könnten vorbei sein.«

»Es hängt alles von der Inbrunst in Ihrem Herzen ab, Kimball. Die Wunden, die Sie erlitten haben, mögen die Überreste Ihrer eigenen persönlichen Hölle sein, aber sie verkrüppeln weder Ihren Körper noch Ihre Seele oder Ihren Geist. Ihre Reise ist vielleicht noch nicht abgeschlossen. Vielleicht bildet Ihre harsche Vergangenheit nur die Grundlage für eine stärkere Konstitution für das, was kommen wird. Sie dürfen nicht vergessen, Kimball, dass sich die Welt immer mehr dem Abgrund zuneigt und irgendwann in diesen hineingerissen werden könnte. Es sind Menschen wie Sie, die die Welt und jene, die sich nach ruhigeren Zeiten sehnen, ins Gleichgewicht bringen.«

»Ich bin nur ein Mann.«

»Der andere anführen kann, indem er zum Mittelpunkt zwischen Dunkelheit und Licht wird. Ein Mann allein kann etwas bewirken, Kimball, und das haben Sie immer wieder bewiesen. Aber andere in den Kampf um das Gute zu führen, indem man einen zündenden Funken wiederbelebt, verheißt nur Gutes für alle Beteiligten, sollte diese wiederentfachte Flamme erneut wie ein Feuer brennen.« Der Monsignore nahm Kimballs Hand in seine beiden und drückte sie leicht. »Sie waren immer der Atem, der die schwindende Glut zu neuem Leben erweckte. Sie gaben anderen Hoffnung, als es keine Hoffnung gab.«

»Mein ganzes Leben lang hatte ich als Vatikanritter die Hoffnung, dass ich eines Tages das Licht erreichen würde, nur um dann von ihm zurückgewiesen zu werden, Padre. ›Hoffnung‹ ist für mich also nichts anderes als der fehlgeleitete Glaube, dass mir irgendwann etwas Gutes widerfahren wird. Das war nie der Fall. Und das wird es auch nie. Ich töte immer noch Menschen, weil es das ist, worin ich gut bin. Also, sehen wir den Tatsachen ins Auge, Padre … ich wurde zurückgewiesen.«

»Wer das Licht sieht, Kimball, wird niemals zurückgewiesen. Es erinnert uns einfach daran, dass das Licht immer in unserer Reichweite ist und gibt uns allen einen Ausblick auf das, was einmal sein wird. Wären Sie zurückgewiesen worden, Kimball – und ich meine wirklich zurückgewiesen – hätten Sie nicht einmal einen Schimmer der großen Erleuchtung erfahren, sondern nur absolute und vollständige Dunkelheit. Eine Dunkelheit, die von jenen Seelen erfüllt ist, die sie mit Herzen betraten, die nur aus Eis und Stein bestanden. Sie, Kimball, haben in der Herrlichkeit des himmlischen Lichts gebadet, etwas, das nur denen zuteilwird, die gute Absichten und guten Willen haben. Sie haben etwas gesehen, was nicht einmal der Pontifex gesehen hat. In Ihrem Schmerz wurden Sie mit der Erleuchtung gesegnet.«

Kimball schien dies zu beruhigen, und der Vatikanritter lächelte wieder müde. »Apropos Pontifex, wie geht es Bonasero?«

Der Monsignore warf Kimball einen fragenden Blick zu. »Vessucci?«

»Gibt es noch einen anderen?«

Der Monsignore runzelte die Stirn. »Haben Sie es vergessen?«

»Was vergessen?«

»Den Zustand, in dem sich seine Heiligkeit befindet?«

Kimball sah den Monsignore mit einem äußerst besorgten Blick an. »Was ist mit ihm passiert? Ist in den vierzehn Wochen, die ich hier war, etwas passiert?«

»Erinnern Sie sich nicht?«

»Erinnern? Woran?«

»Kimball, der Pontifex ist vor ein paar Jahren einem Terroranschlag zum Opfer gefallen. Wie können Sie sich nicht daran erinnern? Sie waren mit den Vatikanrittern auf einer anderen Mission, als eine Terrorzelle in den Apostolischen Palast eindrang. Die Schweizergarde konnte alle bis auf einen neutralisieren, der es aber bis in die päpstlichen Gemächer schaffte und dort und seine Weste zündete. Bonasero verstarb.«

Kimball wirkte verloren, und seine Atmung wurde so hastig, dass es den Alarm der Sensoren auslöste. Auf dem Monitor waren gezacktere Täler und Spitzen zu sehen, die so scharf waren wie die von Stricknadeln. Kimball hatte eine Gefahrenzone erreicht.

Der Monsignore legte beide Hände auf Kimballs Brust, um ihn zu beruhigen, doch vergeblich. Die Ausschläge zuckten weiterhin steil auf und ab. Krankenschwestern eilten herbei, um seine Vitalwerte zu überprüfen, und leiteten eine beruhigende Flüssigkeit in seine Kochsalzlösung ein. Innerhalb weniger Augenblicke verlangsamte sich Kimballs Herzschlag, bis seine Anzeigen wieder unter Kontrolle waren.

Der Monsignore griff nach Kimballs verbrannter Hand und drückte sie. »Wenn Sie mich hören können, mein Freund, dann bleiben Sie ruhig und kämpfen Sie weiter, denn Ihre Mission ist noch lange nicht vorbei. Wir werden uns später unterhalten, wenn Sie wieder bei klarem Verstand sind.« Dann legte er Kimballs Hand zu einer sanften Ruhepose auf dessen Herz und verließ den Raum.

***

Als Kimball Hayden erneut von Bonasero Vessuccis Tod erfuhr, dachte er, sein Herz würde in seiner Brust zerspringen. Mit einer sich ausbreitenden Agonie, die sich anfühlte, als würde sich sein Herz zu einer festen Faust ballen, hatte Kimball noch nie größeren Qualen oder Leiden gekannt. Bonasero Vessucci, auch wenn sie nicht einziges DNS-Molekül teilten, hätte ihm nicht näher stehen können, wenn sie Vater und Sohn gewesen wären. Und zum zweiten Mal in Kimballs Leben war da, wo sich Bonasero einst befunden hatte, nun ein Vakuum in seinem Herzen.

… der Pontifex ist vor einigen Jahren einem Terroranschlag zum Opfer gefallen …

… Wie können Sie sich nicht daran erinnern? …

… eine Terrorzelle ist in den Apostolischen Palast eingedrungen …

… die Schweizergarde konnte alle bis auf einen neutralisieren …

… Bonasero verstarb …

Jedes Wort des Monsignore war gotteslästerlich, sie waren lebensverändernd, und jede Silbe hatte ein zu großes Gewicht, als dass Kimball sie hätte ertragen können.

Und dann ergriff der Monsignore seine Hand und drückte sie, ein sanfter Griff, der Kimball wissen ließ, dass er nicht allein war.

»Wenn Sie mich hören können, mein Freund, dann bleiben Sie ruhig und kämpfen Sie weiter, denn Ihre Mission ist noch lange nicht vorbei. Wir werden uns später unterhalten, wenn Sie wieder bei klarem Verstand sind.« Giammacios Stimme klang, als würde er vom Grund eines Brunnens zu ihm sprechen, weit entfernt und hohl, doch die Worte hatten eine beruhigende Wirkung, als der Monsignore Kimball die Hand auf sein Herz legte.

Einen Moment später glitt Kimball in eine Dunkelheit, in der er angenehm bewusstlos blieb.

Kapitel 2

Nordsyrien

Die kurdisch geführten Koalitionstruppen im Nordosten Syriens, die auch als die demokratischen Kräfte Syriens bekannt sind, waren für die Bewachung von zwanzig Gefängnissen zuständig, in denen mehr als 10.000 Menschen untergebracht waren, die beschuldigt wurden, Mitglieder des Islamischen Staats zu sein. Nachdem die Vereinigten Staaten ihre Truppen abgezogen und erklärt hatten, dass sie sich nicht mehr in weitere militärische Angelegenheiten einmischen würden, waren die Kurden gezwungen gewesen, Wachen von diesen Einrichtungen abzuziehen, um die türkischen Truppen abzuwehren, die die Grenze überschritten hatten. Da die kurdischen Streitkräfte nun zwischen dem Schutz der Gefängnisse und dem Kampf gegen die türkischen Soldaten an der Grenze hin- und hergerissen waren, wurden diese behelfsmäßigen Haftanstalten, die nun kaum noch oder gar nicht mehr bewacht wurden, häufig zur Zielscheibe des Islamischen Staats. Ausbrüche aus den Gefängnissen und Unruhen wurden zu Massenfluchten, als Hunderte von Anhängern des ISIS erneut zu den Waffen griffen, um eine Wiederbelebung der militanten Bewegung zu erreichen.

Mit mehr als 10.000 ISIS-Kämpfern aus vierzig verschiedenen Ländern weltweit versuchten sie nicht nur, eine neue Armee aufzubauen, sondern auch ein neues Kalifat zu errichten, das von ihrem neuen Propheten Junaid Hassad geführt werden sollte.

Hassad war um die dreißig, sein genaues Alter war selbst ihm unbekannt, und er war in einem kleinen Dorf geboren, dessen Hütten aus Wüstenstein gebaut waren. Das Leben des jungen Junaid war hart gewesen, der fest daran glaubte, dass das Schicksal ihm mehr zu bieten hatte, als unter der glühend heißen Sonne mit einem Holzstab Ziegen zu hüten. Was er wirklich wollte, war, seinen knorrigen Stab, mit dem er die Ziegen über Bergpässe trieb, gegen ein Zepter einzutauschen, mit dem er Armeen befehligen konnte. Als er sechzehn Jahre alt wurde, warf er seinen Holzstab in die Wüstensonne, ließ die Ziegen laufen, die er einst hütete, und zog nach Norden.

Dort lernte er die Worte seines Propheten kennen, eines Mannes namens Mohammad Ahmad, der mit goldener Zunge sprach und nicht selten gegen die Ungläubigen und Frevler hetzte. Was die Welt brauchte, war eine Säuberung, eine Ausrottung der Krankheit, die sich bis in die letzten Winkel der Welt ausgebreitet hatte, voller Ungläubiger, die vom Koran eher abgestoßen als angezogen wurden. Es war die Aufgabe des neuen Regimes, dieser Soldaten Allahs, die Kontrolle zu übernehmen und die Lehren ihrer Religion, der einzig wahren Religion, im Namen des Höchsten Wesens zu verbreiten, das sie zum Sieg führen würde.

Mit der Zeit war Hassad von den bewegenden Worten Ahmads so gefesselt gewesen, dass er jedes Mal jubelnd und voller Hingabe seine Faust in die Höhe reckte. Er hatte endlich seine Bestimmung gefunden und daher zu den Waffen gegriffen, um Antiquitäten aus Museen zu plündern und auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Er hatte sich an der Entführung von hochrangigen Persönlichkeiten beteiligt, die ein hohes Lösegeld einbrachten. Dann war er dazu übergegangen, Hinrichtungen per Livestream zu zeigen, in denen er seinen Opfern den Kopf absägte und ihn dann als grässliche Trophäe in die Höhe hielt, mit einem Funkeln in seinen Augen und seiner dunklen Seele.

Im Laufe der Monate hatte Junaid Hassad Überfälle durchgeführt und seine Gegner – zumeist Christen – getötet. Diese Hinrichtungen wurden mit beinahe sportlichem Ehrgeiz verfolgt, was zu einer großen Euphorie unter seinen Anhängern führte. Das Blutvergießen war ein Ausdruck ihrer Unmenschlichkeit und der Macht Allahs, um durch Terrorakte Angst zu erzeugen und eines Tages das Land zu beherrschen.

Doch der Große Satan und seine Lakaien, die demokratischen Kräfte Syriens, schlugen mit ebenso harter Hand zurück. Der Islamische Staat zog sich unter der Führung von Mohammad Ahmad zurück, der schließlich bei einem Bombenangriff in Stücke gerissen wurde. Hassad trauerte um Ahmad, aber auf diese Weise konnte ein neuer Prophet an die Macht gelangen, und zu genau diesem wurde Hassad, nachdem er kurdischen Lager überfallen hatte, um seine Truppen zu befreien, neu zu sammeln und wieder aufzubauen, nachdem die amerikanischen Streitkräfte das Gebiet verlassen hatten.

Jetzt war er an der Reihe, mit goldener Zunge zu sprechen – und mit einem Ton der Inbrunst neue Männer zu rekrutieren, der Begeisterung auslöste. Werdet ein Soldat des Islam! Zieht im Namen Allahs aus, um euren Durst zu stillen, indem ihr die Ungläubigen tötet! Holt euch im Namen Allahs zurück, was uns rechtmäßig gehört! Allahu Akbar!

Die Menge jubelte. Erneut erhob sich eine Armee aus der Asche. Und Junaid Hassad wurde zu einem Halbgott unter denen, die in seinen Worten Weisheit gefunden hatten.

Allahu Akbar! wurde zum Schlachtruf und zu einem feurigen Mantra, kraftvoll und mutig. Es mussten Leben geopfert werden, der Preis war hoch, aber es war auch der Preis für den Eintritt ins Paradies.

Noch mehr Sprechchöre.

Noch mehr Allahu-Akbar-Rufe.

Noch mehr Fäuste, die sich in den Himmel reckten.

Und an der Spitze des Ganzen, mit einem strahlenden Lächeln der Zuversicht und umringt von den wachsenden Massen, stand Junaid Hassad, der neu ernannte Prophet, der endlich das Zepter der Herrschaft in der Hand hielt, von dem er so lange geträumt hatte.

Kapitel 3

Kommandozentrale der Koalitionstruppen Bagdad, Irak

Im gesicherten Bereich der Green Zone in Bagdad studierte Shari Cohen in der US-Kommandozentrale als führendes Mitglied der CIA Satellitenbilder über Aktivitäten in Nordsyrien. Seit die Vereinigten Staaten ihre Truppen aus den kurdischen Gebieten abgezogen haben, war das Gebiet zu einer Brutstätte terroristischer Aktivitäten geworden. Die behelfsmäßigen Gefängnisse und Lager wurden von ISIS-Kämpfern gestürmt und die Gefangenen befreit. Und da diese Armee mit Junaid Hassad an der Spitze auf dem Vormarsch war und sich damit in den Augen der Agency zum Staatsfeind Nummer eins machte, war Shari nun der Falke, der seine Beute beobachtete.

Vor vier Monaten, während einer Mission des FBI, eine Terrorzelle zu zerschlagen, die in den Großstädten entlang der Ostküste ihr Unwesen trieb, hatte sie mit Kimball Hayden zusammengearbeitet, dem besten der Vatikanritter. Sie hatten ihre Intimitäten auf flüchtige Berührungen und funkelndem Augenkontakt beschränkt, wobei ihre Gesten Bände über ihre Leidenschaft sprachen, die sie füreinander empfanden. Aber Kimball war schwer verwundet und sein Körper zu einem verdrehten Gebilde aus gebrochenen Knochen worden. Außerdem hatte er Verbrennungen zweiten und dritten Grades erlitten.

Sie konnte sich noch mit kristallener Klarheit an jenen Moment erinnern, als sie auf Kimball zulief, während er versuchte, Abstand zwischen sich und einen mit Semtex beladenen Lieferwagen zu bringen. Alles schien sich mit der Langsamkeit eines schlechten Traums zu bewegen, als sie mit ausgestreckter Hand auf ihn zurannte, obwohl er noch vierzig oder fünfzig Meter von ihr entfernt war. Kimball war so schwer verletzt, dass er sich wie in einer Zombie-Apokalypse von dem Fahrzeug wegbewegte, seine Schritte holprig und unsicher, bis zu dem Moment, als der Lieferwagen explodierte und die Erschütterung Kimball von den Füßen riss und in die Luft hob, wobei die Druckwelle seinen Körper zertrümmerte, als wären seine Knochen nichts anderes als trockene Zweige.

Als sie ihn im Arm hielt, ertappte sie sich dabei, dass sie schluchzte, während Kimball immer wieder das Bewusstsein verlor. Für die meisten, die ihm zuhörten, kurz bevor er in die Wiege des Todes glitt, mussten seine Worte unsinnig geklungen haben. Er sprach von einem kleinen Haus mit einem weißen Zaun und einem Garten, in dem der Hund und die Kinder spielen konnten. Was die anderen nicht wussten, sie jedoch immer schon geahnt hatte, war, dass Kimball seinen Lebenstraum aussprach, von einer eigenen Familie und einem Zufluchtsort, an dem er mit der Frau, die er liebte, Erinnerungen schaffen konnte.

Auf der Fahrt ins Krankenhaus, als Shari seine Hand hielt, während Kimball die Medikamente verabreicht wurden, begann sein Herzschlag auszusetzen. Das Geräusch seines letzten Atemzuges drang als schriller Schrei aus dem Monitor, ein Schrei, der Kimball in sein nächstes Leben begleiten sollte. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn aus dem Grab zurückgerufen hatte, um dagegen anzukämpfen, damit sie seinen Traum teilen konnten, gemeinsam und mit vereinten Kräften.

Obwohl es den Sanitätern gelang, seinen Herzschlag zurückzuholen, war Kimball zu diesem Zeitpunkt bereits zu tief begraben gewesen. Er war in einen unbekannten Bereich hinabgestiegen, in den kein Licht vordringen konnte. Die Ärzte bestätigten, dass höchstwahrscheinlich ein Schädel-Hirn-Trauma die Ursache dafür war, denn wie der Rest seines Körpers war auch sein Gehirn schwer beschädigt worden. Ob er wieder zu sich kommen würde, war ungewiss, da die CT-Untersuchung mehrere Blutungen im Gehirn ergab. Sollte er tatsächlich aus dem Koma erwachen, wäre das ein Wunder. Und selbst dann und abhängig vom Ausmaß seiner Verletzung wäre Kimball Hayden vielleicht nur noch ein Schatten seiner selbst. Nichts hatte Shari Cohen mehr das Herz gebrochen, als diese Prognose zu hören.

Tagelang besuchte sie Kimball im Krankenhaus und hoffte und betete, dass er einfach aufwachen und lächeln würde, um ihr zu sagen, dass alles in Ordnung käme. Aber er lag einfach nur da, und sein Brustkorb hob und senkte sich als unwillkürlicher Akt, der das Ergebnis seiner Grundprogrammierung war.

Nachdem aus Tagen Wochen und aus Wochen Monate geworden waren, konnte sich Shari nicht länger mit dem Gedanken abfinden, dass Kimball für sie verloren war. Also kündigte sie ihren Posten beim FBI und schloss sich der Agency als Mitglied der Anti-Terror-Einheit an. Sie packte nur wenig, denn sie wollte D.C. und seine dunklen Erinnerungen weit hinter sich lassen. Sie ließ ihr voll möbliertes Appartement zurück, tauschte ihr Auto für einen Spottpreis ein und zog dann nach Langley, um einen Neuanfang zu beginnen. Es dauerte nicht lange, bis die Direktoren sie zum neuen Wunderkind der Agentur ernannten und sie dann in den Nahen Osten einberiefen, wo sie das Aufkeimen extremistischer Aktivitäten im Irak von der Seitenlinie aus beobachten konnte.

Sie stürzte sich in ihre Arbeit, erstellte Dossiers und Protokolle über die aktuellen Bewegungen der Terrorzellen und entwarf auf Grundlage ihrer Aktionen Prognosen über terroristische Anschläge und potenzielle Ziele.

Nun, einen Monat nach Beginn ihrer Arbeit hier und einen Monat, nachdem sie Kimball verlassen hatte, hatte die Agency alle Daten über Shari Cohen aus ihren Computern und Aufzeichnungen gelöscht und sie zu einem Geist gemacht. Shari Cohen existierte nicht mehr, was es unmöglich machte, sie außerhalb der wenigen Geheimdienstchefs zu finden, die an der Spitze der Nahrungskette des Geheimdienstes standen.

Stundenlang und mit wenig Schlaf trieb sie sich selbst an. Sie wollte ihre Vergangenheit vergessen, indem sie sich ganz in ihre Arbeit vertiefte. Doch egal, wie lange sie Protokolleinträge erstellte oder den nächsten Zug ihres Gegners vorherzusagen versuchte, immer wieder tauchten vor ihrem geistigen Auge Bildschnipsel auf, geistige Standbilder ihrer Vergangenheit. Sie sah ihren Mann Gary und ihre beiden Töchter, die alle durch eine Autobombe vor ihrem Haus in Washington, D.C. von einem einheimischen Terroristen getötet worden waren. Und dann sah sie Kimball, der sie mit seinen schimmernden, geraden Zähnen anlächelte, gefolgt von einem Augenzwinkern.

An diesem Punkt schloss sie immer die Augen und stützte sich mit beiden Händen an der Tischkante ab, weil sie wusste, was als Nächstes kommen würde. Sie konnte Kimballs herzzerreißende Worte hören, seine Träume und Sehnsüchte nach einem anstrengenden und schwierigen Leben.

… Alles, was ich will, ist ein kleines Haus mit einem weißen Zaun …

… und einen Garten, in dem den Hund und die Kinder spielen können …

… und einen Barbecue-Grill …

Es waren einfache Worte, die einen einfachen Traum umrissen; einen Traum, der für Kimball immer unerreichbar zu sein schien. Und während er sprach, wurde sein Blick immer entrückter, und der Mann sank unfreiwillig in sein eigenes Reich zurück, bis er losgelöst in den Himmel starrte und er Shari auf seinem Weg ins ›Anderswo‹ nicht einmal mehr wahrnahm.

Mit dolchartigen Fingerspitzen umklammerte sie den Tisch und tat ihr Bestes, um die brennenden Tränen abzuwehren, was ihr jedoch immer wieder misslang. Nachdem sie ihren traurigsten Gefühlen ihren Lauf gelassen hatte, fand Shari Cohen in ihrer Arbeit wieder einen persönlichen Zufluchtsort. Aber manchmal, selbst wenn sie sich intensiv mit den psychologischen und biografischen Aufzeichnungen der Aufständischen beschäftigte, fühlte sie sich unglaublich allein und leer. Ihr Leben war ein neues und eine Abkehr von dem alten, doch sie trug weiterhin die Geister der Vergangenheit und die schrecklichen Erinnerungen in sich.

Während sie als gesichtsloser Feind in einem fernen Land gegen die ISIS kämpfte, erhob sich ein anderer Mensch, den sie verloren glaubte, aus seiner eigenen persönlichen Dunkelheit, um erneut ihren Weg zu kreuzen; um eins mit ihr zu werden und gemeinsam mit ihr auf dem Schlachtfeld zu kämpfen.

In der Kommandozentrale widmete sich Shari wieder ihren Dokumenten, ohne zu ahnen, welches Leid die Zukunft ihr bringen würde.

Kapitel 4

Die römisch-katholische Erzdiözese von Washington Hyattsville, Maryland

Monsignore Dom Giammacio befand sich in einer Telefonkonferenz mit dem Vatikan. Er rief aus dem Pastoralzentrum in Hyattsville, Maryland, an, wo sich die Büros der Ministerien und Dienste der Erzdiözese Washingtons befanden. Am anderen Ende der Leitung waren der Pontifex und Jesaja, der nach Kimballs tragischem Unglück das Kommando über die Vatikanritter übernommen hatte.

»Es geht ihm gut«, sagte der Monsignore, »den Umständen entsprechend. Er hat an Gewicht verloren und ist immer noch schwach, aber man geht davon aus, dass er sich nach einigen Monaten der Rehabilitation wieder vollständig erholen wird. Ein Nachteil seines Zustands ist jedoch sein Gedächtnisverlust. Offenbar gibt es Erinnerungslücken, die Monate und vielleicht Jahre zurückreichen. Er dachte, Bonasero sei noch am Leben. Doch als ich ihm sagte, dass Bonasero nicht mehr unter uns weilt, reagierte er darauf negativ. Ich habe es noch nicht übers Herz gebracht, ihn über den Verlust von Leviticus zu informieren. Vielleicht zu gegebener Zeit, wenn der Arzt der Ansicht ist, dass er einen solchen Schock verkraften kann.«

»Und wie wirkte er geistig?«, erkundigte sich der Pontifex.

»Willensstark, wie immer. Er schien auch zu glauben, dass er weiterhin der Befehlshaber der Vatikanritter sei.«

»Glauben Sie, dass er das Kommando wieder übernehmen könnte?«, fragte Jesaja.

»Körperlich sicherlich. Geistig, nun … vielleicht. Aber Kimball hat mit Sicherheit noch einen langen Weg vor sich. Nach Aussage seines Arztes werden sich diese Gedächtnislücken mit der Zeit von selbst legen. Wir müssen einfach abwarten. Mehr können wir nicht tun, fürchte ich.«

»Wie lange wird es dauern, bis er wieder nach Rom kommen und dort trainieren kann?«, fragte der Papst.

»In einem Monat wird er wieder bei voller Kraft sein. Aber es wird schwer sein, wieder laufen zu lernen, geschweige denn zu rennen. Aber Kimball war schon immer sehr willensstark und meisterte stets die meisten Herausforderungen, die sich ihm stellten. Die Ärzte gehen davon aus, dass er innerhalb von sechs Monaten seine volle Funktionsfähigkeit wiedererlangen wird, wenn Kimball fleißig an sich arbeitet, und wir wissen, dass er das tun wird. Wie gesagt, körperlich wird er es schaffen, geistig bleibt es abzuwarten.«

»Aber wenn er stark genug ist«, fuhr der Pontifex fort, »kann er nach Rom zurückkehren und wieder voll und ganz als Ritter des Vatikan arbeiten, habe ich das richtig verstanden?«

»In einem Monat, ja. Zumindest sagt das sein Arzt.«

»Dann sorgen Sie dafür, Monsignore. In einem Monat wird Kimball in den Vatikan zurückkehren, wo wir über ihn wachen können.«

»Verstanden.«

»Möge Gott mit Ihnen sein, Monsignore, und auch mit Kimball.«

Ein deutliches Klicken war in der Leitung zu hören, dann war der Anruf beendet.

In seinem Quartier des Pastoralzentrums fragte sich Monsignore Dom Giammacio, ob Kimball angesichts dieser neuen Einschränkungen jemals wieder die Fähigkeiten zurückerlangen würde, die er im Laufe seines Lebens gelernt hatte. Aber wenn es einen Mann gab, der alle Hindernisse im Leben überwinden konnte, egal, wie schwierig sie waren, dann war es Kimball Hayden. Das einzige Hindernis, das Kimball nie überwinden konnte, war er selbst. Aus irgendeinem Grund stand er sich immer wieder selbst im Weg und stellte damit vielleicht seine größte Herausforderung dar.

Der Monsignore erhob sich und wusste, dass Kimball kurz davor stand, wieder eine tödliche Waffe zu werden: ein Mann, der oft in der Dunkelheit wirkte, um dem Licht zu dienen.

… Die Zeit würde es zeigen …

Kapitel 5

Der östliche Teil Syriens Einen Monat später