1001 Nacht: Arabische Märchen und Sagen - Gustav Weil - E-Book

1001 Nacht: Arabische Märchen und Sagen E-Book

Gustav Weil

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Beschreibung

Dieses eBook: "1001 Nacht: Arabische Märchen und Sagen" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Gustav Weil (1808-1889) war deutscher Orientalist. Gustav Weil verstand es, auf Grund von Handschriften und gedruckten Büchern seinerzeit weit verbreitete historische und literarhistorische Darstellungen zu verfassen. Besonders bekannt ist er durch die erste werkgetreu und vollständig aus dem Urtext übersetzte Ausgabe von Tausendundeine Nacht geworden. Zur Inhalt: Schahriyâr, König einer ungenannten Insel "zwischen Indien und Kaiserreich China", ist so schockiert von der Untreue seiner Frau, dass er sie töten lässt und seinem Wesir die Anweisung gibt, ihm fortan jede Nacht eine neue Jungfrau zuzuführen, die jeweils am nächsten Morgen ebenfalls umgebracht wird. Nach einiger Zeit will Scheherazade, die Tochter des Wesirs, die Frau des Königs werden, um das Morden zu beenden. Sie beginnt, ihm Geschichten zu erzählen; am Ende der Nacht ist sie an einer so spannenden Stelle angelangt, dass der König unbedingt die Fortsetzung hören will und die Hinrichtung aufschiebt. In der folgenden Nacht erzählt Scheherazade die Geschichte weiter, unterbricht am Morgen wieder an einer spannenden Stelle… Inhalt: Geschichte des Kaufmanns mit dem Geiste Geschichte des zweiten Greises mit den beiden Hunden Geschichte Mahmuds Geschichte des Schneiders Erste Reise Sindbads Erzählung vom Schlafenden und Wachenden Geschichte des Königs Ibrahim und seines Sohnes Geschichte der Prinzessin von Deryabar Geschichte Alaeddins und der Wunderlampe Geschichte des Sidi Numan Geschichte des Prinzen Ahmed und der Fee Pari Banu Geschichte der zwei Liebenden Geschichte des Königs Kalad und seines Veziers Schimas Geschichte des Fisches im Wasserteich Geschichte des edlen Gebers und viel mehr...

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Gustav Weil

1001 Nacht: Arabische Märchen und Sagen

Ein Klassiker des Orients (Aladin + Scheherazade + Erste Reise Sindbads + Geschichte Mahmuds + Geschichte der Prinzessin von Deryabar, König Kalad und vieles mehr)

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-1772-7

Inhaltsverzeichnis

Erster Band
Zweiter Band
Dritter Band
Vierter Band

Erster Band

Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Geschichte des Kaufmanns mit dem Geiste.
Geschichte des ersten Greises mit der Gazelle.
Geschichte des zweiten Greises mit den beiden Hunden.
Geschichte des dritten Greises mit dem Maultiere.
Geschichte des Fischers mit dem Geiste.
Geschichte des griechischen Königs und des Arztes Duban.
Geschichte des persischen Königs mit seinem Falken.
Geschichte des Ehemanns und des Papageien.
Geschichte Mahmuds.
Fortsetzung der Geschichte des Fischers mit dem Geiste.
Geschichte des versteinerten Prinzen.
Geschichte der drei Kalender.
Geschichte des ersten Kalenders.
Geschichte des zweiten Kalenders.
Geschichte des dritten Kalenders.
Geschichte des ersten Mädchens.
Geschichte des zweiten Mädchens.
Geschichte der drei Äpfel.
Geschichte Nuruddins und seines Sohnes und Schemsuddins und seiner Tochter.
Geschichte des Buckligen.
Geschichte des Christen.
Geschichte des Küchen-Aufsehers.
Geschichte des jüdischen Arztes.
Geschichte des Schneiders.
Geschichte des Barbiers.
Geschichte des ersten Bruders des Barbiers.
Geschichte des zweiten Bruders des Barbiers.
Geschichte des dritten Bruders des Barbiers.
Geschichte des vierten Bruders des Barbiers.
Geschichte des fünften Bruders des Barbiers.
Geschichte des sechsten Bruders des Barbiers.
Geschichte Ali's Ibn Bekkar und der Schems Annahar.
Geschichte Nureddins mit Enis Aldjelis.
Geschichte des Prinzen Kamr essaman mit Bedur.
Geschichte vom Zauberpferde.
Geschichte Sindbads, des Seefahrers.
Erste Reise Sindbads.
Zweite Reise Sindbads.
Dritte Reise Sindbads.
Vierte Reise Sindbads.
Fünfte Reise Sindbads.
Sechste Reise Sindbads.
Siebente Reise Sindbads.
Erzählung vom Schlafenden und Wachenden.

Einleitung 1865

Inhaltsverzeichnis

Als vor etwa anderthalb Jahrhunderten Anton Galland einen Teil der Märchen, welche unter dem Namen Tausend und eine Nacht bekannt sind, in französischer Sprache veröffentlichte, wollten nur wenige dieses Werk für eine Übersetzung aus dem Arabischen halten, weil es mit dem, was man damals von der arabischen Literatur kannte und von Sitten, Gebräuchen und geselligem Verkehr der Araber wußte, gar wenig in Einklang stand, weil Galland selbst in seiner Vorrede über den Ursprung des von ihm übersetzten Werkes gar nichts zu sagen wußte, auch über die benutzten Handschriften ungenügende Auskunft gab. Was nun ersteren Punkt betrifft, so ist jeder Zweifel längst geschwunden, indem inzwischen viele Texte der 1001 Nacht nach Europa gebracht worden sind und nunmehr sogar mehrere gedruckt vor uns liegen. Das Befremdende in Bezug auf Sitten und Gebräuche rührte teils von der Übersetzung Gallands her, welcher den Stoff seinen an fremde Kost nicht gewöhnten Franzosen mundgerecht machen wollte, teils von der geringen Bekanntschaft mit dem Leben der späteren Araber, welches von dem der älteren, das man im achtzehnten Jahrhundert allein näher kannte, sehr verschieden ist.

Von längerer Dauer als die Zweifel an Gallands Ehrlichkeit war die Ungewißheit über den Ursprung und die Zeit der Abfassung der 1001 Nacht. H. v. Hammer hat darüber zuerst Aufschluß gegeben. Er hat eine Stelle aus den »Goldenen Wiesen« von Masudi, einem Historiker aus dem zehnten christlichen Jahrhundert, aufgefunden, in welcher von verschiedenen wunderbaren Erzählungen die Rede ist und wo es heißt: »Manche betrachten diese Erzählungen als eine Fiktion, gleich dem Buche »1000 Märchen,« welches gewöhnlich »1000 Nächte« (in einigen Handschriften 1001 N.) genannt wird; es ist die Geschichte des Königs, des Veziers und seiner Tochter und ihrer Amme (oder nach anderen Handschriften, Schwester), welche Schirsad und Dunjasad (oder Dinarsad) hießen.« Später entdeckte derselbe Gelehrte eine Stelle im Buch » Fihrist«, einer arabischen Literaturgeschichte aus derselben Zeit, in welcher der Verfasser zuerst berichtet, daß die alten Perser die ersten Werke verfaßten, welche Märchen und wunderbare Erzählungen enthielten, sodann, daß die Araber solche Werke in ihre Sprache übersetzten, sie später noch weiter ausschmückten und andere ähnliche dichteten. Der Verfasser fährt dann fort: »Das erste Buch dieser Art war das » Hesar Afsan«, d. h. »tausend Märchen.« Folgendes war die Veranlassung zu diesem Werke: Einer dieser Könige pflegte, sooft er ein Mädchen heiratete, es am Morgen nach der Hochzeit töten zu lassen. Er heiratete auch unter anderen eine gebildete und geistreiche Prinzessin, welche Schehersad hieß. Diese erzählte ihm Märchen und richtete es so ein, daß, wenn der Morgen heranbrach, der König begierig war, das Ende der Geschichte zu hören und sie darum noch verschonte. So vergingen tausend Nächte, während derer sie seine Gattin blieb und ihm ein Kind gebar, das sie ihm endlich zeigte. Zugleich gestand sie ihm, daß sie, um ihr Leben zu fristen, ihn durch ihre Erzählungen zu fesseln gesucht habe. Er bewunderte ihre Klugheit, gewann sie lieb und schenkte ihr das Leben. Der König hatte auch eine Schloßverwalterin, Dinarasad genannt, welche die Prinzessin in ihrem Unternehmen unterstützte. Man behauptet, dieses Buch sei der Königin Humai, der Tochter Bahmans gewidmet worden. Es enthält tausend Nächte, aber weniger als zweihundert Erzählungen, denn eine Erzählung füllt häufig mehrere Nächte aus. Ich habe mehrere vollständige Exemplare davon gesehen, es ist in Wahrheit ein schlechtes Buch, voll alberner Geschichten.«

Der gelehrte Silvestre de Sacy hat (in den Memoires de l'Institut) eine vortreffliche Abhandlung über den Ursprung der 1001 Nacht geschrieben und aus dem Inhalt derselben nachgewiesen, daß sie nicht nur aus der islamitischen Zeit herrühren, sondern sogar erst im 15ten Jahrhundert geschrieben wurden. Da ihm nur die zuerst angeführte Stelle aus dem Werke Masudis bekannt war, so behauptete er, entweder die Worte, »welche gewöhnlich 1000 Nächte genannt werden,« seien eine Interpolation, oder das Werk, von welchem Masudi spricht, sei ein ganz anderes als das, welches wir jetzt unter dem Namen 1001 Nacht kennen. Erstere Vermutung hat sich durch das Buch Fihrist als unrichtig erwiesen, letztere aber ist nicht nur nicht widerlegt worden, sondern der gelehrte Engländer Lane, einer der besten Kenner der neueren arabischen Literatur sowohl als des Lebens, der Religion, der Sitten und Gebräuche der Araber, dem nicht nur die Stelle aus dem Fihrist bekannt war, sondern der auch später von einer anderen in Makkaris Geschichte von Spanien Kenntnis erhielt, aus welcher hervorgeht, daß in Ägypten ein Werk unter dem Titel »1001 Nacht« im dreizehnten Jahrhundert bekannt war, pflichtet doch de Sacy darin bei, daß unsere 1001 Nacht ein Erzeugnis des 15ten bis 16ten Jahrhunderts sei. Manche von diesem Gelehrten angeführte Beweisgründe sind zwar nicht stichhaltig,1 andere aber von ihm sowohl als von de Sacy geltend gemachte, lassen keinen Zweifel übrig, daß von der alten persischen Sammlung nur ganz wenige Märchen und der Rahmen übrig geblieben sind, der bei weitem größere Teil aber echt arabisch und zwar ziemlich neu ist. Daß dies von allen den Märchen gilt, in welchen Harun Arraschid und noch viel spätere Fürsten vorkommen, versteht sich von selbst, aber auch wo dies nicht der Fall ist, tragen manche unverkennbare Zeichen einer späteren islamitischen Zeit an sich. So ist in mehreren von moslimischen Sultanen in Ägypten die Rede, was doch vor dem sechsten Jahrhundert der Flucht nicht vorgekommen ist. In der Geschichte des Buckligen wird Kahirah Mißr genannt, ein Name, der in den ersten Jahrhunderten der Flucht nur für Fostat gebraucht wurde; auch kommt ein Quartier Habbanieh darin vor, das im 14. Jahrhundert noch nicht existierte. In der Erzählung von Djaudar ist von einem Scheich el Islam die Rede, ein Titel, der erst unter Mohammed 11. vorkommt, auch von Münzen, die erst unter den späteren Mamelucken den ihnen beigelegten Wert hatten. In der Erzählung von Abußir und Abukir ist sogar von Tabak die Rede, der bekanntlich erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts im Osten geraucht wurde, doch mochte dieses Märchen, da in keinem anderen von Tabak, auch nur einmal von Kaffee, der früher Eingang fand, die Rede ist, erst später hinzugefügt worden sein. Aber auch die allerersten Märchen, welche die meisten Handschriften gemein haben und von denen man zunächst annehmen sollte, sie bildeten den Grundstock des aus dem Persischen übersetzten Werks, an dem sich dann allmählich neuere Dichtungen anreihten, welche ältere verdrängten, tragen ein entschiedenes moslimisches Gepräge.

Gleich in der Erzählung des Kaufmanns mit dem Geiste werden Koranleser erwähnt. In der des ersten Greises mit der Gazelle ist vom großen Beiramfeste die Rede, an welchem er seine in eine Kuh verzauberte Gattin schlachtet. In der Geschichte des Fischers mit dem Geiste sagt dieser, er sei einer von den Geistern, welche Salomon ihrer Widerspenstigkeit willen in kupferne Flaschen einzusperren pflegte, ganz wie sie die moslimische Tradition nach jüdischen Sagen kennt. Der Arzt Duban, der den König von Persien oder von Griechenland heilen sollte, hat seine Kenntnisse unter anderm aus arabischen und türkischen Büchern geschöpft. Der Geist führt den Fischer an den See, in dem er weiße, blaue, rote und gelbe Fische fängt; die Farben der Juden, Christen, Feueranbeter und Mohammedaner, welche wie in der Folge erzählt wird, die Bewohner der Stadt bildeten, die in Fische verwandelt worden sind. An die Geschichte vom Fischer reiht sich die vom Lastträger in Bagdad und die der drei Kalender, in welcher Harun Arraschid eine Rolle spielt, so daß an ihrem späteren Ursprung ebensowenig ein Zweifel sein kann, als an dem der darauffolgenden Geschichte des Veziers Ali aus Kahirah und Bedreddin Hasans aus Baßrah. In der Geschichte des Buckligen ruft der Jude: o Eleazar! o Moses! o Aron! o Josua, Sohn Nuns! Namen, die wohl einem Moslem, aber schwerlich einem alten Perser oder Indier bekannt waren. Die Wache sagt zum christlichen Schreiber: »Bei Gott, das ist schön: ein Christ bringt einen Muselmann um!« Der Christ beginnt seine Erzählung damit, daß er von seinem früheren Aufenthalte in Kahirah spricht, und der Jüngling mit der abgeschnittenen Hand wohnte daselbst im Chan Masrur, führte Waren aus Bagdad mit sich und stahl den Beutel eines Soldaten am Tore Suweila, Lokalitäten, die einer späteren Zeit angehören. Bald darauf tritt dann eine Sklavin Subeidas, der Gattin Harun Arraschids, auf. In der Geschichte des Jünglings mit dem Barbier liebt jener die Tochter des Kadhi von Bagdad und will sie während des Freitagsgebets besuchen. Der Barbier sagt im Beginn seiner Geschichte, er sei einmal zur Zeit des Kalifen Mustanßir (im 13. Jahrhundert) in Bagdad gewesen u. s. w. In der Geschichte von Ali Ibn Bekar tritt wieder Harun Arraschid auf, ebenso in der von Nureddin und der schönen Perserin. Die Geschichte des Kamr essaman, dessen Vater König der Chalidaninseln an der persischen Küste war, ist ebensogut arabischen Ursprungs als die, deren Schauplatz Kahirah oder Bagdad ist. Der alte König hat moslimische Untertanen, die Mutter des jungen Prinzen heißt Fatimeh, Kamr Essaman, dessen Name auch arabisch ist, rezitiert im Gefängnisse den Koran, die Genien, welche hier vorkommen, gehören auch zu denen Salomons, und es wird überhaupt, wie de Sacy richtig bemerkt, in der ganzen Erzählung von den Feueranbetern in einer Weise gesprochen, wie es nur ein Moslim konnte. Es unterliegt daher nicht dem geringsten Zweifel, daß die Erzählungen der uns bekannten 1001 Nacht, mit ganz wenigen Ausnahmen, arabischen Ursprungs und ganz verschieden von denen sind, welche in den ersten Jahrhunderten muhammedanischer Zeitrechnung aus dem Persischen übersetzt worden sind, und wenn auch unser Verfasser häufig seine Helden nach Persien, Indien oder China versetzt, so tut er dies, nur um desto freieren Spielraum für seine Dichtung zu haben und auch das Unglaubliche wahrscheinlich machen zu können. Wir dürfen um so eher annehmen, daß nicht nur das von Masudi und dem Fihrist, sondern auch das von Makari erwähnte Buch der 1001 Nacht ein anderes als das uns hier beschäftigende ist, als selbst unter den neueren Werken, welche diesen Titel führen, wenig Übereinstimmung herrscht, einzelne sogar nicht nur andere Märchen als in den bekannteren Handschriften, sondern auch eine von denselben abweichende Einleitung enthalten. In unserer 1001 Nacht findet man sowohl die Sprache als die Kostüme, Sitten und Lokalitäten Ägyptens, zur Zeit der späteren Mameluckensultane, in den meisten Erzählungen treu gezeichnet, selbst da, wo andere Länder des Ostens als Schauplatz der Handlung gewählt werden. So wenig also auch mehr geleugnet werden kann, daß die alten persischen tausend Märchen der späteren 1001 Nacht als Muster gedient haben, so steht doch auch fest, daß diese, mit wenigen Ausnahmen, als eine arabische Schöpfung selbst in den Märchen angesehen werden können, deren Stoff aus dem Persischen oder Indischen entliehen wurde. Letztere sind größtenteils daran leicht zu erkennen, daß übernatürliche Ereignisse eine Hauptrolle darin spielen, während in den arabischen Dichtungen bald das romantische, bald das komische Element vorherrscht, und durchweg ein frischer Humor dem Gemälde einen unwiderstehlichen Reiz verleiht. Auf eine spätere Komposition oder wenigstens freiere Umgestaltung der 1001 Nacht deutet ganz besonders auch der moderne, an das Vulgärarabische streifende Dialekt, in welchem sie geschrieben sind, und in den sie unmöglich in älterer Zeit übertragen werden konnten. Diesen Dialekt finden wir auch in den Märchen, die wahrscheinlich älteren Ursprungs sind, wie z. B. in dem vom Zauberpferde, und mit Recht bemerkt H. Lane, es sei nicht anzunehmen, der ältere klassischarabische Text sei nach und nach verdorben worden, indem dies ohne Beispiel in der arabischen Literatur wäre, welche nur gut geschriebene oder ursprünglich im Volksdialekt verfaßte Werke ausweist, auch müßte sich doch wenigstens ein Exemplar der älteren Übersetzung erhalten haben, wovon aber bis jetzt nichts bekannt ist. Nimmt man hingegen an, daß die wirklich aus dem Persischen übersetzten Märchen ganz verschieden von denen in unserem Buche waren, so läßt sich ihr Verlust leicht dadurch erklären, daß eben ihr Stoff den Arabern nicht zusagte, wie schon aus der angeführten Stelle des Fihrist ersichtlich, und daß sie deshalb gänzlich vernachlässigt wurden. Wir müssen jedoch bemerken, daß der Stil in den verschiedenen Erzählungen keineswegs so gleichmäßig ist, daß sich daraus schließen ließe, sie rühren sämtlich von einem Verfasser oder Überarbeiter her, außerdem weichen auch hierin die verschiedenen Handschriften von einander ab. Das Wahrscheinlichste dürfte also sein, daß im 15. Jahrhundert ein Ägypter nach altem Vorbilde Erzählungen für 1001 Nächte teils erdichtete, teils nach mündlichen Sagen, oder frühern schriftlichen Aufzeichnungen, bearbeitete, daß er aber entweder sein Werk nicht vollendete, oder daß ein Teil desselben verloren ging, so daß das Fehlende von anderen bis ins 16. Jahrhundert hinein durch neue Erzählungen ergänzt wurde.

Über die verschiedenen Übersetzungen der 1001 Nacht, von Galland bis auf die neueste Zeit, können wir uns kurz fassen, da der Leser, der sich dafür interessiert, sich in jeder Literaturgeschichte oder in jedem Konversationslexikon darüber belehren kann. Wir bemerken nur, daß zwar Galland in seiner Vorrede berichtet, »er habe Sorge dafür getragen, die Eigentümlichkeiten der Araber zu erhalten und nichts von ihren Gedanken und Ausdrücken zu verwischen, und er sei nur dann von dem Urtexte abgewichen, wenn es der Anstand erforderte,« daß er aber in der Tat auch allerlei Zusätze und Änderungen vorgenommen hat, welche häufig den Text entstellen. Ich erinnere nur an die ersten Zeilen der ersten Erzählung: »Der Kaufmann und der Geist.« Da heißt es im Texte: »er nahm einen Quersack mit auf die Reise, den er mit Lebensmitteln gefüllt hatte,« und dann einige Zeilen weiter: »er nahm Datteln aus dem Quersack, aß und warf die Kerne rechts und links.« Bei Galland aber »ritt er mit einem Felleisen (valise) hinter sich« und in der neuesten deutschen Übersetzung liest man vielleicht nach einer älteren Ausgabe Gallands, in der mir vorliegenden (Paris 1786) heißt es richtig » noyaux« und nicht » écorces«, »indem er die Datteln aß, warf er die Schalen rechts und links.« Wer hat aber je einen Araber mit einem Felleisen hinter sich gesehen? und welcher Araber, der trockene Datteln als Vorrat auf die Reise mitnimmt, schält sie oder kann sie schälen? So unbedeutend auch diese Änderungen erscheinen, so sind sie doch nicht nur eine Untreue gegen den Text, sondern auch eine Entstellung der Tatsachen. In der Geschichte des ersten Greises gibt er das Messer dem Pächter, um die Kuh zu schlachten, bei Galland aber dem Schläger (maillet), wer weiß aber nicht, daß Moslime ihre Tiere nur mit einem Messer schlachten dürfen; Überhaupt gibt Gallands Übersetzung dem europäischen Leser kein treues Gemälde von der Denk und Redeweise der Araber, denn er hat mehr danach gestrebt, seine Franzosen zu unterhalten, als zu belehren und darum den Stoff ganz nach damaliger französischer Mode zugestutzt. Seine Nachfolger, die Franzosen Caussin de Perceval und Gautier, der Engländer Scott und die Deutschen Habicht und v. Hammer haben aus anderen Handschriften neue Märchen zu den von Galland übersetzten hinzugefügt, keiner hat sich aber bis zum Jahre 1837 die Mühe gegeben, die von Galland schon übersetzten aufs neue aus dem Urtext zu übertragen, und so wurde denn auch bis zu dieser Zeit die Gallandsche Übersetzung, trotz ihrer großen Mängel, nicht nur immer wieder abgedruckt, sondern auch zu allen weiteren Übertragungen in andere Sprachen benützt, und erst als ein Teil der vorliegenden neuen Verdeutschung erschienen war, ist (im Jahr 1839) auch in London und Kalkutta der arabische Text nach ägyptischen und indischen Handschriften von Lane und Torrens neu ins Englische übersetzt worden.

Der Übersetzer.

Fußnote

1 So glaubt er z. B. aus einer Stelle in der Geschichte des Königs der schwarzen Inseln, wo es heißt, die christlichen Bewohner der Stadt seien in blaue und die jüdischen in gelbe Fische verwandelt worden, beweisen zu können, dieses Märchen sei erst im achten Jahrhundert der Hidirah geschrieben worden, in welchem der Sultan Kilawun die Christen nötigte, blaue und die Juden gelbe Turbane zu tragen. Aber solche Vorschriften bestanden schon mehrere Jahrhunderte früher und Kilawun hat sie nur wieder aufs neue eingeschärft.

Eingang.

Bei dem Namen Gottes, des Gnädigen und Barmherzigen, Friede und Heil über unsern Herrn Mohammed, den Obersten der Gesandten Gottes, auch über seine Familie und Gefährten insgesamt; Friede und Heil immer fortdauernd bis zum Tage des Gerichts. Amen, o Herr der Welten! Das Leben der Früheren ist eine Lehre für die Späteren, dazu daß der Mensch die Lehren, welche anderen zuteil geworden sind, schaue und sich daran belehre, und die Geschichte der älteren Völker lese und sich daraus unterrichte. Gelobt sei Gott, der die Begebenheiten der Früheren als Unterricht für Spätere aufgestellt hat. Zu dieser Art von Belehrung gehören nun auch die Erzählungen: »Tausend und eine Nacht« genannt. Es wird nämlich von dem, was bei früheren Völkern geschehen, berichtet (Gott weiß das Verborgene; er ist allweise und barmherzig und edel!):

Es regierte einst in den ältesten Zeiten und verflossenen Äonen ein König von den Sassaniden2 auf den Inseln Indiens und Chinas, der viele Truppen und Verbündete, Diener und zahlreiches Gefolge besaß. Auch hatte er zwei wackere, tapfere Söhne, von denen jedoch der ältere noch tapferer war, als der jüngere; er herrschte über viele Länder und war so gerecht gegen seine Untertanen, daß ihn alle sehr liebten. Sein Name war Scheherban, sein jüngerer Bruder hieß Schahseman, und war König von Samarkand in Persien. Beide hatten ihre Heimat nicht verlassen und jeder regierte höchst glücklich 20 Jahre lang in seinem Reiche. Da sehnte sich der ältere König nach seinem jüngeren Bruder, und befahl seinem Vezier, zu jenem hinzureisen und ihn zu ihm zu bringen. Der jüngere Bruder gehorchte alsbald und machte Anstalten zur Reise, und ließ Zelte, Kamele, Maultiere, Diener und Gefolge herbeikommen. Die Regierung war indes dem Vezier übertragen und der König reiste ab nach dem Lande seines Bruders. Um Mitternacht erinnerte er sich, etwas im Schlosse vergessen zu haben; als er dahin zurückkam, fand er seine Frau in vertrautem Umgang mit einem schwarzen Sklaven; bei diesem Anblick ward die ganze Welt schwarz in seinen Augen; er dachte, wenn dies schon vorfällt, ehe ich kaum die Stadt verlassen, was wird diese Verruchte tun, wenn ich einmal weit entfernt bin? Er zog sein Schwert und erstach beide; dann ließ er sogleich wieder aufbrechen und reiste immer fort, bis er in die Nähe der Hauptstadt seines Bruders kam. Dort ließ er seinem Bruder durch Boten seine Ankunft melden. Dieser erschien sehr erfreut, um ihn zu begrüßen, ließ er die Stadt beleuchten, setzte sich zu ihm und unterhielt sich aufs angenehmste mit ihm. Aber der König Schahseman dachte an die Begebenheit mit seiner Gemahlin, und dieses kränkte ihn so tief, daß er bleich wurde und sein Körper an Kraft abnahm. Als sein Bruder ihn in diesem Zustande sah, dachte er, dies ist gewiß, weil er von seinem Lande und Königreiche entfernt lebt; er ließ ihn deshalb in Ruhe und fragte nach nichts. Doch eines Tages sagte er zu ihm: »O mein Bruder! Ich sehe, dein Körper wird immer schwächer und deine Farbe bleicher.« Jener antwortete ihm: »Ich habe eine innere Krankheit«; aber er sagte ihm nicht, was er von seiner Frau gesehen. Hierauf versetzte der ältere: »Ich möchte, daß du mit mir auf die Jagd gingest, vielleicht wird dich dies zerstreuen;« da jener sich aber weigerte, ging er allein fort. Nun waren im Schlosse des jüngeren Königs, d. h. das der jüngere Bruder bewohnte, Fenster, die auf den Garten seines Bruders gingen. Hier sah er auf einmal die Türe des Schlosses sich öffnen, und zwanzig Sklavinnen und zwanzig Sklaven herauskommen; in ihrer Mitte ging die Frau seines Bruders, ausgezeichnet schön und von bewundernswertem Wuchse. Als sie, d. h. die Sklavinnen, zu einem Teiche gelangt waren, entkleideten sie sich und setzten sich zu den Sklaven. Da rief die Königin: »Masud!« und es kam ein schwarzer Sklave und umarmte sie und sie umarmte ihn. Die übrigen Sklaven taten dasselbe mit den Sklavinnen, und so brachten sie den ganzen Tag zu mit Küssen und Umarmungen. Als der Bruder des Königs dies sah, dachte er bei sich: bei Gott! mein Unglück ist geringer als dieses; dies ist mehr als mir geschehen! Kummer und Gram fühlte er nun plötzlich weichen und er konnte wieder essen und trinken.

Als hierauf sein Bruder von der Reise zurückkam und sie einander begrüßten, da sah der König Scheherban, daß sein Bruder Schahseman sein voriges Aussehen erlangt hatte und mit Appetit aß, während er früher nur wenig gegessen, und er sagte zu ihm: »O mein Bruder, ich sah dich ganz gelb und nun siehst du wieder gut aus, sage mir doch, wie dieses zugeht?« Worauf ihm jener antwortete: »Ich will dir zuerst sagen, warum ich übel aussah, und dann, wie ich wieder meine vorige Farbe bekam. Wisse, mein Bruder, als du deinen Vezier schicktest, um mich zu dir zu holen, machte ich mich reisefertig und ging zur Stadt hinaus; da erinnerte ich mich, daß ich etwas im Schlosse vergessen; ich kehrte allein zurück und fand einen schwarzen Sklaven bei meiner Frau; ich erschlug sie beide und kam zu dir her und dachte immer an diesen Vorfall. Dies ist die Ursache, warum sich meine Farbe verändert und ich so schwach geworden. Was aber das wiedererlangte gute Aussehen betrifft, so erlasse mir, es zu erwähnen!« Als sein Bruder dies hörte, sprach er: »Ich beschwöre dich bei Gott, sage mir alles.« Da erzählte jener ihm alles, was er gesehen. Und als hierauf Scheherban seinem Bruder Schahseman sagte: »Ich will mich mit meinen eigenen Augen überzeugen«, entgegnete ihm dieser: »Sprich, du wollest auf die Jagd gehen, und verbirg dich bei mir, dann wirst du sogleich zur Überzeugung gelangen.«

Der König ließ bekannt machen, er wolle eine Reise machen; es zogen Truppen mit Zelten zur Stadt hinaus. Der König begab sich auch ins Lager und sagte seinen Pagen: »Lasset niemand zu mir hereinkommen!« Er verkleidete sich dann und ging heimlich in seines Bruders Schloß, setzte sich dort ans Fenster, das den Garten beherrschte, und nach einer Weile kamen die Sklavinnen mit ihrer Gebieterin und den Sklaven in den Garten, und taten wieder alles, so wie es der Bruder erzählt hatte, so lange bis das Nachmittagsgebet ausgerufen wurde. Als Scheherban dies gesehen, verließ ihn die Besinnung, und er sprach zu seinem Bruder Schahseman: »Komm, wir wollen unseres Weges gehen; wir wollen nichts mit der Regierung zu schaffen haben, bis wir jemand finden, dem es ebenso geht, wie uns; ist dieses nicht der Fall, so sei uns Tod besser als Leben.« Sie gingen hierauf zu einer verborgenen Türe des Schlosses hinaus und reisten Tag und Nacht, bis sie in eine liebliche Ebene kamen, wo neben dem Meere eine süße Wasserquelle sprudelte. Sie tranken von dieser Quelle und ruhten aus; nach einer Weile fing das Meer an zu toben, es stieg eine schwarze Säule zum Himmel empor, die ihre Richtung gegen die Ebene nahm. Als sie dies sahen, fürchteten sie sich sehr und stiegen auf einen Baum, erwartend, was es wohl geben möchte?

Da kam ein Geist, von denen unseres Herrn Salomo (Friede sei mit ihm!), von langer Statur, großem Kopfe und breiter Brust; er hatte einen gläsernen Kasten auf dem Kopfe, an dem vier Schlösser von Stahl waren. Er setzte sich unter den Baum, auf welchen die Brüder gestiegen, legte den Kasten ab, nahm vier Schlüssel aus dem Schoß, öffnete die Schlösser und zog ein Mädchen heraus, vollkommen gewachsen, mit gewölbtem Busen, süßem Munde und mit einem Gesichte wie der Vollmond. Der Geist sah sie liebevoll an und sprach: »O Herrin aller freien Frauen! o du, die ich entführt, ehe sie jemand außer mir gekannt! o Geliebte meines Herzens! laß mich ein wenig in deinem Schoße schlafen.« Hierauf legte er den Kopf auf ihre Knie und schlief und schnarchte wie der Donner. Als das Mädchen nun aber den Kopf in die Höhe hob und Scheherban und seinen Bruder erblickte, legte sie langsam den Kopf des Geistes auf den Boden, und bat sie, sie möchten doch herunter kommen. Jene antworteten: »Bei deinem Leben, o Herrin! entschuldige uns, wenn wir nicht kommen!« Da erwiderte sie: »Wenn ihr nicht kommt, so rufe ich den Geist, meinen Gemahl, daß er euch auffresse.« Sie winkte ihnen dann noch einmal freundlich zu, und sie stiegen zu ihr herunter. Jetzt verlangte sie, daß sie ihr beide zu Willen sein sollten. Sie antworteten aber: »Bei Gott, Herrin! verschone uns damit, wir fürchten uns zu sehr vor diesem Geist.« Sie sprach jedoch: »Ihr müßt mir gewähren, oder ich schwöre bei dem, der die Himmel gewölbt hat, wenn ihr meinen Wunsch nicht erfüllt, so wecke ich den Geist, daß er euch töte. Ihr dürft mir nicht widerstehen!« Da taten beide Brüder, was sie verlangte. Jetzt zog sie einen Beutel aus ihren Gewändern hervor und zählte 98 Siegelringe und sprach: »Wißt ihr wohl, was dies für Ringe sind? Sie kommen von 98 Männern, die sich mir gefällig zeigten. Gebt mir also auch die eurigen, so sind es hundert Männer, die mir dazu verhalfen, diesen häßlichen, abscheulichen Geist zu hintergehen, der mich in diesen Kasten eingesperrt und in diesem tobenden Meere wohnen läßt und so strenge bewacht, damit ich tugendhaft bleibe und niemanden außer ihm zuteil werde. Dieses Scheusal weiß nicht, daß die Bestimmung sich nicht ändern läßt und daß das Wollen der Frauen sich von niemanden abhängig macht.«

Als die beiden Könige dies hörten, wunderten sie sich sehr und sagten: »Gott! Gott! es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer beim erhabenen Gott! Wir wollen deshalb bei Gott gegen die List der Frauen Hilfe suchen, denn sie ist wahrlich zu groß.« Hierauf sprach sie zu ihnen: »Geht nun eures Weges!« Und als sie hierauf weggegangen waren, sprach Scheherban zu seinem Bruder: »Mein Bruder! sieh, dies Abenteuer ist noch bedeutungsvoller als das unsrige. Hier ist ein Geist, der sein Mädchen in der Hochzeitsnacht raubte und es in einen gläsernen Kasten gesperrt hat, der mit vier Schlössern geschlossen ist. Er hat ihr das Meer zur Wohnung gegeben, weil er glaubte, sie so der Bestimmung und dem Schicksal zu entreißen, sie aber hat doch, wie wir gesehen, hundertfache Untreue geübt. Laß uns also jetzt getrost in unser Königreich zurückkehren, und den Beschluß fassen, nie mehr zu heiraten: ich will dir schon sagen, wie ich es machen will.« Sie kehrten also wieder um und gingen bis es Nacht ward; und am dritten Tage kamen sie wieder in ihre Heimat, traten unter die Zelte, setzten sich auf den königlichen Thron, und es kamen die Intendanten, Adjutanten, Fürsten, Großen und andre Leute. Sogleich wurde befohlen, in die Stadt zu ziehen. Der König begab sich in das Schloß, ließ den Vezier kommen und befahl ihm, sogleich seine Gemahlin zu töten. Der Vezier brachte sie um. Alsdann ging der König zu den Sklavinnen, zog sein Schwert, erschlug sie alle, ließ dann andere kommen und schwur: daß er jede Nacht eine andere sich erwählen wolle, die er dann des Morgens hinrichten lassen werde, denn es gäbe auf der ganzen Erde kein tugendhaftes Weib. Schahseman machte sich auch sogleich auf, um abzureisen, nachdem ihm sein Bruder das Nötige zur Reise gegeben hatte, und so kehrte er in sein Land zurück. Sultan Scheherban befahl indessen seinem Vezier, ihm die Sklavin für die Nacht zu bringen. Dieser führte ihm eine der Fürstentöchter zu. Der König verfügte sich zu ihr, aber am Morgen befahl er dem Vezier, ihr den Kopf abzuschneiden. Dieser mußte den Befehlen des Sultans gehorchen und sie umbringen. Dann schaffte er ihm eine andere Tochter der Großen des Landes, die auch wieder am Morgen umgebracht wurde. Und so ging es lange fort; jede Nacht erhielt er ein Mädchen und des Morgens ließ er sie dann hinrichten, bis es zuletzt kein Mädchen mehr gab und die Mütter und Väter weinten und seufzten und dem König den Tod wünschten und dem Schöpfer der Himmel klagten und den Erhörer der Gebete zu Hilfe riefen. Nun hatte der oberste Vezier, dem er stets den Befehl gegeben, die Frauen umzubringen, zwei Töchter. Die ältere hieß Schehersad und die jüngere Dinarsad. Jene hatte viele Bücher gelesen, unter anderen auch philosophische und medizinische Werke; sie hatte Gedichte auswendig gelernt und kannte Geschichten, Volkstraditionen und Reden der Weisen und der Könige; sie war sehr gelehrt und gebildet. Einst sprach nun Schehersad zu ihrem Vater: »Mein Vater! ich will dir mein Geheimnis anvertrauen; ich wünsche, daß du mich mit dem Sultan Scheherban verheiratest; denn ich will entweder die Welt von diesen Mordtaten befreien oder selbst sterben wie die andern.« Als ihr Vater, der Vezier, dies hörte, sagte er: »Du Törin, weißt du nicht, daß der König geschworen hat, jeden Morgen sein Mädchen töten zu lassen? Wenn ich dich also zu ihm führe, so wird er mit dir dasselbe tun.« Sie antwortete: »Ich will zu ihm geführt werden, mag er mich auch umbringen.« Da erwiderte der Vater: »Was fällt dir ein, daß du dich selbst so in Gefahr bringen willst?« Sie antwortete: »Gleichviel, aber führe mich nur zu ihm!« Der Vezier sagte hierauf zornig: »Wer nicht mit Klugheit zu Werke geht, stürzt sich ins Verderben, und wer nicht die Folgen einer Sache berechnet, hat keinen Freund in der Welt; wie man sprichwörtlich sagt: ich saß in Wohlbehagen, da ließ mir mein Übermut keine Ruhe. Ich fürchte sehr, es möchte dir gehen, wie dem Ochsen und dem Esel mit dem Bauer.« Da sagte sie: »Was ist das für eine Geschichte?« und der Vezier erzählte:

»Wisse! es war einmal ein reicher Kaufmann, der viele Güter, Diener, Kamele und anderes Vieh besaß; er hatte Frau und Kinder, wohnte auf dem Lande und beschäftigte sich mit Ackerbau; er kannte die Sprache aller Tiere und es war über ihn verhängt, daß, sobald er dies Geheimnis einem mitteilen würde, er sogleich sterben müsse. Obschon er nun die Sprache der Tiere und Vögel verstand, so durfte er doch niemanden etwas davon erzählen, aus Furcht vor dem Tode. Er hatte in seinem Hause einen Ochsen und einen Esel an einer Krippe nahe aneinander festgebunden. Eines Tages setzte sich der Kaufmann in ihre Nähe mit seiner Frau und seinen Kindern, die vor ihm spielten. Da hörte er, wie der Stier dem Esel sagte: »Ich wünsche dir Glück zu deiner Ruhe, zu der Bedienung, die du hast, indem man unter dir kehrt und spritzt, und dir gesiebte Gerste und klares Wasser bringt, während man mich Armen von Mitternacht an fortführt und mich ackern läßt; man legt auf meinen Hals etwas, das man Joch und Pflug nennt, und so arbeite ich den ganzen Tag, durchfurche die Erde, werde unausstehlich müde, werde noch von den Bauern geschlagen, meine Seiten werden zerschunden, an meinem Halse wird die Haut abgerieben, man läßt mich von einer Nacht zur anderen arbeiten, dann bringt man mich in den Rindstall, wirft mir Bohnen mit Unrat vermischt und Spreu vor; ich liege im Kot, wie in einer Pfütze, die ganze Nacht, während du dich in einem gekehrten, bespritzten und abgeputzten Stalle befindest; deine Krippe ist rein und mit Stroh gefüllt; du ruhst immer aus; nur selten kommt unserm Kaufmann ein Geschäft vor, zu dem er auf dir reitet, und auch dann kehrt er bald wieder nach Hause zurück. Du ruhest, während ich mich abmühe, du schläfst, während ich wache, ich hungre, wenn du satt bist.« Als der Stier ausgeredet hatte, wendete sich der Esel zu ihm und sagte: »O Dummkopf! wer dich den Vater der Verblüfften genannt, hat nicht gelogen; du hast weder Verstand noch Schlauheit, du weiß dir nicht zu raten und bringst dich allmählich durch deinen inneren Groll ums Leben; hast du noch nie das Sprichwort gehört: wer keine Leitung annimmt, verfehlt den rechten Weg? höre mich drum, Stier! Wenn der Landmann dich anbindet, so stampfe mit den Füßen, stoße mit den Hörnern, und schreie immer fort, bis man dir Bohnen hinwirft. Dann friß nichts davon, rieche nur so daran herum und schiebe sie zurück und koste sie nicht, begnüge dich mit dem Stroh und der Spreu. Tust du dies, so wirst du sehen, daß es dir gut bekommt und deiner Ruhe zuträglich wird.« Als der Stier dies hörte und sah, daß der Esel ihm diesen Rat gegeben, dankte er ihm in seiner Sprache, wünschte ihm viel Gutes zum Lohne, hielt seinen Rat für gut, und sprach zu ihm: »Mögest du vor allem Übel bewahrt sein, o Vater der Gescheiten!« Dies alles, meine Tochter, geschah, während der Kaufmann es hörte und verstand.

Als nun am folgenden Tag der Bauer kam, um den Ochsen herauszuführen, und ihn an den Pflug zu spannen, damit er arbeite, da fand er den Ochsen nachlässig in seiner Arbeit, denn er befolgte den Rat des Esels; als der Bauer aber anfing ihn zu schlagen, fiel der Ochs aus List auf den Boden, so wie es ihn der Esel gelehrt, bis es Nacht geworden war. Da ging der Bauer mit ihm nach Hause und band ihn an die Krippe; aber der Ochs fing an mit den Füßen zu stampfen und laut zu brüllen und suchte sich von der Krippe loszureißen. Der Bauer wunderte sich darüber, und brachte ihm Bohnen und Futter; der Ochse roch daran herum, ging zurück, legte sich weit davon nieder, und kaute an dem Stroh und der Spreu bis zum Morgen. Als der Bauer kam und die Krippe voll mit Bohnen und Stroh fand, und nichts daran fehlte, und den Ochsen mit aufgeblasenem Leibe, ausgestreckten Füßen und fast ohne Atem erblickte, ward er sehr betrübt und sprach: »Bei Gott, der Ochs muß heute krank sein, darum konnte er auch gestern nicht arbeiten.« Er ging nun zum Kaufmann und sagte ihm: »Herr! der Ochs ist krank, er hat diese Nacht nichts von seinem Futter gefressen.« Da aber der Kaufmann die Sache wohl wußte, so sprach er zum Bauer: »Geh, nimm den listigen Esel, spanne ihn an den Pflug, und zwinge ihn zur Arbeit, bis er des Ochsen Stelle versieht.« Der Bauer spannte den Esel ein, führte ihn aufs Feld, schlug ihn und quälte ihn, bis er pflügte; er schlug in so lange, bis er fast die Rippen zerbrochen und die Haut vom Halse abgeschunden hatte; als er ihn des Abends wieder nach Hause führte, konnte der Esel keinen Fuß mehr rühren und trug seine Ohren niederhängend. Der Ochs hingegen hatte den ganzen Tag ausgeruht, die ganze Krippe geleert, und für den Esel gebetet und seinen Rat gelobt. Als abends der Esel zu ihm kam, stand er vor ihm auf und sprach: »Guten Abend, o Vater der Gescheiten: Du hast mir bei Gott eine unbeschreibliche Wohltat erwiesen, mögest du stets geleitet und zum Ziele geführt werden; Gott belohne dich dafür statt meiner, o Vater der Aufgeweckten!«

Aber vor Zorn antwortete ihm der Esel nichts; denn er dachte: dies alles ist mir wegen meines unseligen Rats widerfahren; es war mir ganz wohl, da ließ mir mein Übermut keine Ruhe, bringe ich ihn nicht durch irgend eine List in seinen früheren Stand zurück, so gehe ich dabei zugrunde. Er schlich hierauf müde zur Krippe. Der Ochs aber streckte sich und kaute wieder und wünschte ihm immer viel Gutes.

»Ebenso, meine Tochter, wirst du verderben durch deinen schlimmen Entschluß; bleibe also ruhig und stürze dich nicht selbst in das Verderben; ich rate dir aus Mitleid für dich.« Sie aber erwiderte: »Ich will zum Sultan gehen, um ihn zu heiraten.« Der Vater sagte noch einmal: »Tu dies nicht!« aber sie erwiderte: »Es muß geschehen.« Da der Vater sprach: »Wenn du nicht ruhig bleibst, so werde ich mit dir verfahren, wie der Kaufmann mit seiner Frau.« »Was tat der Kaufmann mit ihr?« fragte die Tochter und der Vezier antwortete: »Wisse, nachdem dies zwischen dem Ochsen und dem Esel vorgefallen, ging der Kaufmann einmal in der Nacht beim Mondschein in den Stall; da hörte er, wie der Esel dem Ochsen sagte: »O Vater der Ochsen! was wirst du wohl morgen tun, wenn dir der Bauer das Futter bringt?« Jener antwortete: »Was anders, als du mich gelehrt? Das werde ich stets tun, ich werde mich krank stellen, auf den Boden werfen und meinen Leib aufblasen.« Da schüttelte der Esel seinen Kopf und sagte: »Tu dies nicht, o Vater der Ochsen! Weißt du, was ich von unserm Herrn, dem Kaufmann, gehört habe, und was er dem Bauer gesagt?« »Nun, was hat er gesagt?« fragte der Ochs. »Er sagte,« antwortete der Esel, »wenn heute der Ochs nicht aufsteht, und sein Futter nicht frißt, so laß ich ihn gleich beim Metzger schlachten; laß ihm die Haut abziehen, und ich verteile dann sein Fleisch unter die Armen. Folge mir daher, ich fürchte für dich, und einen guten Rat erteilen ist eine Gewissenssache; wenn man dir das Futter bringt, so friß alles rein auf, damit man dich nicht schlachte.« Der Ochs fing an zu schreien und zu blasen, und der Kaufmann machte sich auf und lachte laut über diesen Vorfall. Da fragte ihn seine Frau: »Warum lachst du? spottest du meiner?« Er sagte: »Nein.« »So sage mir, warum du lachest?« »Ich kann dir's nicht sagen, denn ich habe ein Unglück zu befürchten, wenn ich ausplaudre, was die Tiere in ihrer Sprache reden.« Sie fragte hierauf noch einmal: »Wer hindert dich, mir es zu sagen?« »Ich weiß, daß ich sterben muß.« »Bei Gott, du lügst! das ist nur eine Ausrede, und bei dem Herrn des Himmels, wenn du mir's nicht sagst, bleibe ich keinen Augenblick mehr bei dir, du mußt es mir sagen.«

»Sie ging dann ins Haus und weinte bis zum anderen Morgen. Der Kaufmann fragte sie: »Was meinst du also? Fürchte Gott! geh in dich! nimm deine Frage zurück und laß mich in Ruhe!« »Ich lasse davon nicht ab, du mußt es mir sagen.« »Wie? du bestehst darauf, wenn ich dir gleich sage, daß ich sterben muß?« »Du mußt mir's sagen und solltest du auch sterben.« »So will ich vorerst deine Familie und Verwandte rufen.« Er ging nun und holte ihren Vater, ihre Verwandten und noch einige Nachbarn.«

Der Kaufmann sagte ihnen, sein Tod wäre nahe, sie weinten alle, so wie auch die Kinder und der Bauer: es war eine große Trauer um ihn. Jetzt ließ er die Zeugen und Gerichtsleute kommen, gab seiner Frau, was ihr gebührte, machte ein Testament für seine Kinder, schenkte seinen Sklavinnen die Freiheit und nahm von den Seinigen Abschied. Nun weinten sogar die Zeugen; die Kinder liefen zur Frau und sprachen: Laß doch ab von deinem Willen! denn wüßte dein Mann nicht ganz gewiß, daß er sterben muß; wenn er sein Geheimnis offenbart, so würde er alles dies nicht tun;« da sie sich aber nicht zurückbringen ließ, so weinten und trauerten alle.

»Nun aber, meine Tochter Schehersad, waren in diesem Hause fünfzig Hühner und ein Hahn; der Kaufmann saß betrübt über seine Trennung von der Welt, von seiner Familie und seinen Kindern. Während er so nachdachte und schon das Geheimnis entdecken wollte, da hörte er, wie sein Hund in seiner Sprache zum Hahn sagte, der eben die Flügel übereinander schlug und auf ein Huhn sprang, dann sogleich wieder auf ein anderes: »O Hahn! Schämst du dich nicht vor deinem Herrn, dich heute so zu betragen?« »Was gibt's denn heute?« fragte der Hahn; da antwortete der Hund: »Weißt du nicht, daß unser Herr heute in Trauer ist, weil seine Frau durchaus sein Geheimnis wissen will, worauf er sogleich sterben muß? Es handelt sich nämlich darum, daß er ihr die Sprache der Tiere erkläre, weshalb er sehr betrübt ist, und du schlägst mit deinen Flügeln und springst umher mit Freuden, schämst du dich nicht?« Da hörte der Kaufmann, wie der Hahn antwortete: »O der einfältige, närrische Mann! wie doch unser Herr so wenig Verstand hat! Ich habe fünfzig Hühner und stelle sie alle zufrieden, und mein Herr hat nur eine Frau und glaubt noch Verstand zu haben. Weiß er sich nicht mit ihr zu helfen.« Da sagte der Hund: »Aber was sollte er mit ihr beginnen?« Und der Hahn antwortete: »Er sollte einen Eichenstock nehmen, mit ihr in sein Zimmer gehen, die Türe schließen, über sie herfallen und sie solange prügeln, bis er ihr Hände und Füße zerschlagen; sie würde dann bald schreien: »Ich will keine Worte und keine Erklärung.« Er solle sie aber dann so lange schlagen, bis sie von ihrer Verrücktheit abläßt, und er soll nicht aufhören, bis sie ihm in nichts mehr widerspricht. Tut er dies, so hat er Ruhe, bleibt leben und macht der Trauer ein Ende.«

Als der Kaufmann die Rede des Hahnes mit dem Hunde hörte, stand er schnell auf, nahm einen Stock von Eichenholz, führte seine Frau auf sein Zimmer, riegelte die Türe zu, angeblich um ihr die Erklärung zu geben, und fiel dann über ihre Rippen und Schultern mit Schlägen her; er prügelte sie in einem fort; sie schrie um Hilfe und sagte: »Ich will dich nach nichts mehr fragen.« Zuletzt, als er müde war vom Schlagen, öffnete er die Tür, die Frau ging hinaus, den Vorfall bereuend, und durch den guten Rat des Hahns ward die Trauer in Freude verwandelt. Nun, meine Tochter, werde ich mit dir auch so verfahren, wenn du nicht abläßt.« Aber sie antwortete: »Ich werde nie zurücktreten, auch wird diese Geschichte meinen Entschluß nicht ändern, und führst du mich nicht zum Sultan, so werde ich allein zu ihm gehen und gegen dich klagen, daß du einem Mann seines Standes mich verweigerst, und ein Mädchen wie mich deinem Herrn entziehst.« Der Vater fragte wieder: »Es muß also sein?« »Ja«, antwortete sie. Nun, sagt der Erzähler, als er sich lange mit ihr abgemüht und geplagt hatte, ging er zum König Scheherban und wünschte ihm Glück, küßte die Erde vor ihm, und sagte ihm, daß er ihm in der nächsten Nacht seine Tochter bringen werde. Der Sultan fragte ganz erstaunt: »Was ist dies? da ich doch bei dem, der die Himmel gewölbt, bis morgen befehlen werde, sie umzubringen? und tust du es nicht, so werde ich ohne weiteres dich umbringen lassen.« Er antwortete: »O König der Zeit! Sie hat es gewünscht, ich habe ihr alles gesagt, sie wollte nichts hören, sondern diese Nacht bei dir sein.« Der König sprach: »Gut, geh, mache Vorbereitungen zu ihrer Ankunft und bring sie diese Nacht zu mir!« Der Vezier ging, brachte die Botschaft seiner Tochter und sagte: »Gott gebe mir keine Sehnsucht nach dir!« Schehersad freute sich sehr, machte alle ihre Sachen zurecht, ging zu ihrer jüngeren Schwester Dinarsad und sprach zu ihr: »Höre, meine Schwester, was ich dir anempfehle: wenn ich bei dem Sultan bin, werde ich nach dir schicken; wenn du dann kommst und siehst, daß der Sultan sich nicht mehr mit mir beschäftigt, so sage zu mir: O Schwester! wenn du nicht schläfst, so erzähle uns von deinen schönen Geschichten, damit wir die Nacht dabei durchwachen! Dies wird meine und der Welt Rettung von diesem Unheil verursachen und den König von seiner unseligen Gewohnheit abbringen.« Jene sagte zu, und als es Nacht war, begab sich Schehersad zu dem König. Dieser empfing sie in zärtlicher Weise und begann mit ihr zu scherzen, sie aber weinte. Als er sie fragte, warum sie weine, antwortete sie: »O König der Zeit! ich habe eine Schwester, von der ich diese Nacht noch Abschied nehmen möchte.« Der König schickte nach Dinarsad. Diese wartete, bis der Sultan sich an ihrer Schwester ergötzt und etwas geschlafen hatte, dann seufzte sie und sagte: »O meine Schwester! wenn du nicht schläfst, so erzähle uns von deinen schönen Geschichten, daß wir die Nacht dabei durchwachen, vor Tagesanbruch will ich dir dann Lebewohl sagen, denn ich weiß ja nicht, wie es morgen mit dir enden wird.« Schehersad fragte den Sultan um Erlaubnis, und als er diese erteilte, ward sie hocherfreut und begann:

Fußnote

2 Man sieht hieraus, wie wenig historische und geographische Kenntnisse unser Erzähler haben mußte, da er einen persischen Regenten über Indien und China herrschen läßt.

Geschichte des Kaufmanns mit dem Geiste.

Inhaltsverzeichnis

Man behauptet, o glückseliger, einsichtsvoller König, es sei einmal ein reicher, wohlhabender Mann gewesen, der viele Güter, Sklaven, Bediente, Weiber und Kinder besaß, und in allen Ländern Waren und Schulden ausstehen hatte. Dieser bestieg einst sein Tier, nachdem er einen Quersack mit Lebensmitteln, aus Zwieback und mekkanischen Datteln bestehend, gefüllt, und reiste nach Gottes Willen viele Tage und Nächte. Gott hatte ihm eine glückliche Reise bestimmt, und er erreichte das erwünschte Land, machte seine Geschäfte dort ab, und trat die Rückreise nach seiner Heimat und zu seiner Familie an. Als er am dritten, vierten Tage auf der Reise war, ward ihm sehr heiß, und als die Hitze immer heftiger ward, sah er einen Garten vor sich, in welchem er Schatten zu finden hoffte. Er stellte sich unter einen Nußbaum, neben welchem eine Wasserquelle rann, setzte sich neben denselben, band sein Tier fest, nahm einige Zwiebacke und Datteln aus dem Quersacke, aß und warf die Dattelkerne rechts und links, bis er satt war, dann stand er auf, wusch sich und betete. Nachdem er dieses vollendet hatte, kam auf einmal ein alter Geist auf ihn zu. Seine Füße waren auf der Erde und sein Kopf in den Wolken; er hatte ein gezogenes Schwert in der Hand, ging auf den Kaufmann los, blieb dann vor ihm stehen und schrie ihm zu: »Steh auf, daß ich dich mit diesem Schwerte umbringe, wie du mein Kind umgebracht.« Als der Kaufmann die Worte des Geistes hörte, und ihn ansah, erschrak er und fürchtete sich sehr vor ihm: »Mein Herr! für welches Vergehen willst du mich umbringen?« Der Geist antwortete: »Ich will dich umbringen, wie du meinen Sohn umgebracht.« Der Kaufmann fragte: »Wer hat denn dieses getan?« und der Geist antwortete: »Du«. Da sprach der Kaufmann: »Ich habe ihn bei Gott nicht umgebracht, wo, wann und wie soll ich ihn denn getötet haben?«

Da entgegnete der Geist: »Bist du nicht hier gesessen und hast Datteln aus deinem Sack genommen, die Datteln gegessen und die Kerne rechts und links geworfen?« »Es ist wahr, dieses habe ich getan,« antwortete der Kaufmann. »Nun,« versetzte der Geist, »auf diese Weise hast du meinen Sohn getötet; denn während du aßest und die Kerne wegwarfst, ging mein Sohn vorüber, es traf ihn ein Kern und tötete ihn. Und spricht nicht das Gesetz: wer tötet, soll wieder getötet werden?« Der Kaufmann sagte: »Ich gehöre Gott und wende mich zu ihm, es gibt keine Macht und keinen Schutz, außer beim erhabenen Gott; wenn ich wirklich dein Kind getötet habe, so habe ich es ungern getan, du solltest mir also wohl verzeihen.« Aber der Geist antwortete: »Keineswegs, du mußt umgebracht werden!« Hierauf ergriff er ihn, streckte ihn auf den Boden hin, und hob das Schwert auf, ihn zu töten; da weinte der Kaufmann und schrie nach seiner Familie, seiner Frau und seinen Kindern, er glaubte schon zu sterben und vergoß so viele Tränen, daß seine Kleider davon naß wurden, und sagte: »Es gibt nur bei dem erhabenen Gott Macht und Schutz!« Hierauf sprach er folgende Verse:

»Die Zeit besteht aus zwei Tagen, der eine gewährt Sicherheit, der andere droht Gefahren; das Leben besteht aus zwei Teilen, der eine ist klar, der andere trübe; siehst du nicht, wenn Sturmwinde toben, wie sie nur die Gipfel der Bäume erschüttern? Wie manches Grüne und Dürre ist auf der Erde und doch wird nur das, was Früchte hat, mit Steinen geworfen. Im Himmel sind zahllose Sterne, und nur Sonne und Mond verlieren zuweilen ihr Licht. Du hast eine gute Meinung von den Tagen, wenn sie schön sind, und berechnest nicht, was das Schicksal noch bringt. Die Nächte haben dich in Ruhe gelassen, und du ließest dich durch sie täuschen; während die Nacht am klarsten scheint, kommt aber das Unglück herbei.«

Als der Kaufmann diese Verse gesprochen und sich satt geweint hatte, sagte der Geist abermals: »Jetzt muß ich dich umbringen.« Da flehte der Kaufmann: »Kann es nicht anders sein?« »So muß es geschehen,« antwortete der Geist, und hob wieder das Schwert auf, um ihn zu töten. Hier bemerkte Schehersad den Tagesanbruch und erzählte nicht weiter; das Innere des Königs Scheherban glühte aber vor Verlangen nach der Fortsetzung der Erzählung. Als die Morgenröte schon angebrochen war, sagte Dinarsad ihrer Schwester Schehersad. »Bei Gott, wie schön, wie angenehm und wie wunderbar ist deine Erzählung!« Da antwortete sie: »Was ist dies alles im Vergleich zu dem, was ich in der nächsten Nacht erzählen werde, wenn mich mein Herr, der König leben läßt; es wird noch wunderbarer und überraschender sein.« Da sagte der Sultan: »Bei Gott, ich werde dich nicht umbringen lassen, bis ich das übrige der Erzählung gehört; erst nach der nächsten Nacht sollst du sterben!« Wie es nun ganz hell war und die Sonne zu leuchten anfing, stand der König auf und beschäftigte sich mit seinen Regierungsangelegenheiten.

Der Vezier, Schehersads Vater, war sehr erstaunt, als der König bis abends die Regierungsgeschäfte besorgte. Der König ging dann nach Hause, bestieg sein Lager, und Schehersad mußte sich zu ihm verfügen. Nachdem dies geschehen, ruhten beide ein wenig, dann sagte Dinarsad ihrer Schwester Schehersad: »Ich beschwöre dich bei Gott, meine Schwester, wenn du nicht schläfst, so teile uns wieder etwas von deinen schönen Erzählungen mit, daß wir die Zeit, in der wir doch nicht schlafen, angenehm zubringen.« Da sagte der Sultan: »Doch zuerst den Beschluß der Erzählung des Kaufmanns mit dem Geiste, denn sie gefällt mir;« und Schehersad sprach: »Es gereicht mir zum Vergnügen und zur Ehre, o glückseliger König« und fuhr also fort:

Man behauptet, o glückseliger und wohldenkender König! daß, als der Geist seine Hand mit dem Schwerte in die Höhe hob, der Kaufmann zu ihm sagte: »Nun, stolzer Geist, willst du mich denn durchaus töten?« »Gewiß,« erwiderte der Geist. Da sagte der Kaufmann: »Willst du mir nicht Zeit lassen, bis ich von meiner Familie, von meiner Frau und meinen Kindern Abschied genommen, bis ich mein Erbe unter ihnen verteilt und meinen letzten Willen ihnen bekannt gemacht habe? Wenn alles dies geschehen, will ich zu dir zurückkehren, und dann kannst du mich töten.« Der Geist antwortete hierauf: »Ich fürchte, wenn ich dich loslasse, daß du nicht mehr wiederkehren wirst.« Da sagte der Kaufmann: »Ich schwöre dir einen Eid und nehme den Herrn des Himmels und der Erde zum Zeugen, daß ich wieder zu dir kommen werde.« Nun sagte der Geist: »Wie lange Frist begehrst du?« »Ich fordere ein Jahr,« erwiderte der Kaufmann, »bis ich von meinen Kindern und meiner Familie Abschied genommen und mich von dem mir anvertrauten Gute befreit habe; zu Anfang des nächsten Jahres komme ich dann wieder.« Da fragte der Geist noch einmal: »Bürgt mir Gott für deine Wiederkehr?« »Gott bürgt dir für meine Worte,« antwortete der Kaufmann.

Als er nun so geschworen und ihn der Geist losgelassen, bestieg er sein Tier wieder, machte sich mit traurigem Herzen auf den Weg, und reiste in einem fort, bis er nach seiner Heimat kam. Als er seine Kinder und seine Frau sah, fing er an viele Tränen zu vergießen und höchst betrübt und niedergeschlagen zu werden. Seine Leute wunderten sich über ihn, und seine Frau fragte ihn, was ihm fehle und warum er so weine und so niedergeschlagen wäre, während sie sich doch alle über seine Ankunft freuten. »Wie soll ich nicht jammern,« antwortete er, »da ich nur noch ein Jahr und nicht mehr zu leben habe.« Hierauf erzählte er ihnen, was ihm auf der Reise mit dem Geiste widerfahren und wie er ihm geschworen, daß er nach einem Jahr wiederkehren werde, um sich von ihm töten zu lassen. Als sie dies vernahmen, weinten sie alle. Die Frau schlug sich ins Gesicht und riß sich die Haare aus, die Töchter stießen Jammergeschrei aus, und die Söhne groß und klein schrieen laut. Alles trauerte, die Kinder weinten den ganzen Tag um ihren Vater herum, und sie nahmen gegenseitig Abschied voneinander. Am folgenden Tage fing er an sein Erbteil unter ihnen zu verteilen und sein Testament zu machen; er machte sich auch von den Leuten frei, denen er etwas schuldig war, gab große Geschenke und Almosen, und nahm Leute an, die den Koran für ihn lesen mußten. Dann ließ er Zeugen und Gerichtsschreiber kommen, schenkte seinen Sklaven und Sklavinnen die Freiheit, gab den erwachsenen Kindern ihren Teil von seinem Vermögen, machte ein Testament für den Teil der Kleinen, gab seiner Frau, was ihr verschrieben war, und so war er beschäftigt, bis das Jahr abgelaufen und nur noch so viel davon übrig blieb, als er zur Reise brauchte. Nun schickte er sich zur Reise an, wusch sich, betete, nahm sein Totengewand und sagte seiner Frau und seinen Kindern Lebewohl. Diese schrieen und weinten alle zusammen, und auch er vergoß viele Tränen und sprach zu ihnen: »Bei meinem Haupt und bei meinen Augen, dies ist ein Beschluß Gottes, es ist sein Urteil und seine Bestimmung, der Mensch ist eben nur zum Tode geschaffen.« Jetzt nahm er zum letztenmale Abschied, bestieg sein Tier, reiste Tag und Nacht, bis er zu dem Garten gelangte. Es war gerade ein Jahr verstrichen. Er setzte sich an den Ort, wo er die Datteln gegessen, und erwartete mit traurigem Herzen und weinenden Augen den Geist. Während er so dasaß, kam ein alter Mann mit einer Gazelle an einer Kette auf ihn zu und grüßte ihn. Der Kaufmann erwiderte seinen Gruß und der Alte fragte ihn, was er hier tue an diesem Orte der Geister und Teufelskinder; denn dieser Garten ist von Dämonen bewohnt und es geht keinem gut, der darin verweilt. Der Kaufmann erzählte ihm seine ganze Geschichte mit dem Geiste von Anfang bis zu Ende. Der Alte wunderte sich sehr, wie er hörte, daß er hier seinen Tod erwarte, und sagte: »Du mußt ein Mann von großer Redlichkeit sein.« Hierauf setzte er sich neben ihn und sprach: »Ich werde nicht von hier weichen, bis ich sehe, wie es dir mit dem Geiste gehen wird.« Sie blieben nun beisammen sitzen und unterhielten sich miteinander.

Hier bemerkte Schehersad, daß der Tag nahe sei, und sie hörte auf zu erzählen. Ihre Schwester Dinarsad sagte zu ihr: »Wie schön und wunderbar ist deine Erzählung.« Aber Schehersad erwiderte: »Ich werde auch die nächste Nacht noch viel Schöneres und Wunderbareres erzählen, wenn mein Herr, der König, mich leben läßt.«

In der folgenden Nacht sprach Dinarsad zu ihrer Schwester: »Ich beschwöre dich bei Gott, meine Schwester! wenn du nicht schläfst, so erzähle uns wieder eine von deinen schönen Erzählungen, daß wir die Nacht dabei durchwachen,« und der König setzte hinzu: »Vollende die Geschichte des Kaufmanns!« - »Es gereicht mir zum Vergnügen und zur Ehre,« erwiderte Schehersad und fuhr also fort:

Ich hörte, o glückseliger König, daß, während der Kaufmann mit dem Alten der Gazelle sich unterhielt, noch ein alter Mann mit zwei schwarzen wolfartigen Hündinnen dazu kam; er grüßte sie und die beiden erwiderten seinen Gruß; dann sagte er, was sie hier täten, und der Alte mit der Gazelle erzählte jenem die Geschichte des Kaufmanns mit dem Geiste, dem er geschworen, wieder zu kommen, und den er nun erwarte, um von ihm getötet zu werden. »Ich kam nur zufällig hierher,« setzte er hinzu, »aber ich schwor, nicht von hier zu weichen, bis ich sehe, was zwischen ihm und dem Geiste sich ereignen wird.« Als der Mann mit den Hündinnen dies hörte, wunderte er sich besonders darüber, daß der Kaufmann seinen Eid so treu gehalten, und sagte: »Auch ich kann diesen Ort nicht verlassen, bis ich weiß, was sich zwischen dem Kaufmann und dem Geiste zutragen wird.« Während sie so im Gespräch waren, kam noch ein alter Mann mit einem schlechten mageren Maultiere; nach gegenseitigem Gruße fragte dieser: »Was tut ihr hier und warum ist der Kaufmann so traurig und niedergeschlagen?« Die beiden Alten erzählten ihm nun die Geschichte und sagten ihm auch, daß sie hier warten wollten, um zu sehen, wie es ihm mit dem Geist ergehen werde. Als der Alte dies hörte, sagte er: »Auch ich, bei Gott, will nicht von hinnen weichen, bis ich sehe, was sich mit diesem Mann und dem Geiste ereignen wird; er setzte sich hierauf zu ihnen, und sie unterhielten sich eine kleine Weile. Da kam auf einmal ein großer Staub aus der Wüste hergezogen und der Geist erschien mit einem bloßen Schwerte von Stahl in der Hand und ging auf sie zu, ohne sie zu grüßen. Als er bei ihnen war, zog er den Kaufmann an der linken Hand in die Höhe und sprach: »Steh auf, daß ich dich töte!« Der Kaufmann weinte, und die drei Alten weinten auch und jammerten laut.

Hier bemerkte Schehersad den Tagesanbruch und schwieg. Dinarsad sprach zu ihr: »O wie schön und wundervoll ist deine Erzählung, meine Schwester.« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der folgenden Nacht erzählen werde, wenn mein Herr, der König, mich leben läßt; es wird noch weit wunderbarer, angenehmer und entzückender sein.« Das Herz des Königs entbrannte vor Verlangen, die weitere Erzählung zu hören, und beschloß bei sich: Bei Gott, ich lasse sie nicht umbringen, bis ich das Ende der Geschichte vernommen, und gehört habe, was aus dem Kaufmann geworden, dann erst will ich sie, nach meiner Gewohnheit, gleich den übrigen Frauen töten lassen. Er ging hierauf seinen Regierungsgeschäften nach und traf ihren Vater, den Vezier, der darüber sehr erstaunt war. Bis zur Nacht blieb er im Divan,3 ging dann wieder in seinen Palast zurück, begab sich zu Bette, und nachdem er mit Schehersad eine Weile geschlafen, sprach Dinarsad: »Ich beschwöre dich bei Gott, meine Schwester! wenn du nicht schläfst, so erzähle uns eine deiner schönen Erzählungen, damit wir den übrigen Teil der Nacht dabei durchwachen.« Jene sagte: »Es macht mir Vergnügen und Ehre,« und erzählte:

»Man behauptet, o glückseliger König, daß, als der Geist den Kaufmann töten wollte, der erste Alte mit der Gazelle auf jenen zuging und ihm Hände und Füße küßte, und also sprach: »O du Krone der Könige der Geister, wenn ich dir erzähle, was mir mit dieser Gazelle widerfahren, und du meine Erzählung noch wunderbarer findest, als das, was dir mit dem Kaufmann begegnet, wirst du mir zuliebe ihm ein Drittel seiner Schuld verzeihen?« »Recht gern,« entgegnete der Geist. Und der Alte erzählte:

Fußnote

3 Divan bedeutet hier Staatsrat, wird aber auch sonst für jede Versammlung, wo Staatsgeschäfte besorgt werden, gebraucht; das Wort heißt eigentlich Rat, wird aber auch bekanntlich von einer Sammlung Gedichte und von einem Sofa gebraucht.

Geschichte des ersten Greises mit der Gazelle.

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