Tausend und eine Nacht, Band 3 - Gustav Weil - E-Book

Tausend und eine Nacht, Band 3 E-Book

Gustav Weil

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Beschreibung

Das Werk "Tausendundeine Nacht" (persisch ‏هزار و يک شب‎ "hazār-o-yak šab", arabisch ‏ألف ليلة وليلة‎ "alf laila wa-laila") ist eine Sammlung morgenländischer Erzählungen und zugleich ein Klassiker der Weltliteratur. Typologisch handelt es sich um eine Rahmenerzählung mit Schachtelgeschichten. Schahriyâr, König einer ungenannten Insel "zwischen Indien und Kaiserreich China", ist so schockiert von der Untreue seiner Frau, dass er sie töten lässt und seinem Wesir die Anweisung gibt, ihm fortan jede - in einigen Versionen: jede dritte - Nacht eine neue Jungfrau zuzuführen, die jeweils am nächsten Morgen ebenfalls umgebracht wird. Nach einiger Zeit will Scheherazade, die Tochter des Wesirs, die Frau des Königs werden, um das Morden zu beenden. Sie beginnt, ihm Geschichten zu erzählen; am Ende der Nacht ist sie an einer so spannenden Stelle angelangt, dass der König unbedingt die Fortsetzung hören will und die Hinrichtung aufschiebt.

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Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Prinzen Bedr von Persien und der Prinzessin Giauhare von Samandal.

Geschichte des Prinzen Zeyn Alasnam und des Königs der Geister.

Geschichte Chodadads und seiner Brüder.

Geschichte der Prinzessin von Deryabar.

Geschichte Alaeddins und der Wunderlampe.

Die Abenteuer des Kalifen Harun Arraschid.

Geschichte des blinden Baba Abdallah.

Geschichte des Sidi Numan.

Geschichte des Chogia Hasan Alhabbal.

Geschichte des Ali Baba und der vierzig Räuber, die durch eine Sklavin ums Leben kamen.

Geschichte des Ali Chodjah, Kaufmanns von Bagdad.

Geschichte des Prinzen Ahmed und der Fee Pari Banu.

Geschichte der zwei neidischen Schwestern.

Wunderbare Geschichte Omar Alnumans und seiner beiden Söhne Scharkan und Dhul Makan.

Geschichte der Vergiftung des Königs Omar durch die alte Dsat Dawahi.

Geschichte der zwei Liebenden.

Fußnoten

Geschichte des Prinzen Bedr von Persien und der Prinzessin Giauhare von Samandal.

Ein König von Persien, Seherman genannt, herrschte lange Jahre glücklich und ungestört. Nur in einem einzigen Punkte fühlte er sich unglücklich; er war nämlich schon sehr bejahrt, und von seinen hundert Frauen hatte ihm keine einen Prinzen und Nachfolger geboren. Eines Tages, als er in Trauer versunken darüber nachdachte, wie nun der größere Teil seines Lebens dahingeschwunden, ohne daß ihm ein Sohn gezeugt worden, der einst den Thron von ihm erben könnte, meldete ihm ein Verschnittener, es sei ein Kaufmann vor der Tür und bitte um die Erlaubnis, ihm eine Sklavin vorzustellen. »Man lasse ihn eintreten«, sagte der König. Der Kaufmann trat mit der Sklavin herein, die von schlankem Wuchs war, wie eine biegsame Lanze, und einen gestickten Schleier über ihrem Angesicht hatte. Als der Kaufmann den Schleier weghob, strahlte der ganze Saal von dem Glanz ihrer Schönheit. Ihr Haar hing in sieben Flechten wie ein Roßschweif bis zu den Knöcheln herunter, ihre Augen waren mit Kohel bemalt, schlank war ihre Taille und stark ihre Hüften. Ihr Anblick konnte jeden Kranken heilen und die Glut jedes Durstigen löschen. Sie war wie ein Dichter sagte:

»Ich liebe sie, ihre Schönheit ist vollkommen, Ernst und Würde ziert sie. Sie ist weder zu groß noch zu klein, doch so vollkommen, daß ihr Übertuch sie nicht umspannen kann. Ihr Wuchs ist voll Ebenmaß, nichts ist zu lang oder zu kurz an ihr. Ihr schwarzes Haar reicht über die Knöchel herunter, doch leuchtet ihr Gesicht stets wie der Tag.«

Der König bewunderte ihre Schönheit und ihre Anmut, ihren Wuchs und ihr Ebenmaß, und fragte den Kaufmann nach ihrem Preis.

»Herr!« antwortete der Kaufmann, »ich habe sie um zweitausend Goldstücke gekauft, und meine Reisekosten betragen ebensoviel; denn ich bin schon drei Jahre unterwegs. Wenn sie dir gefällt, so bitte ich dich, sie als Geschenk von mir anzunehmen.« Der König schenkte ihm ein kostbares Ehrenkleid und ließ ihm zehntausend Dinare ausbezahlen. Der Kaufmann nahm das Geld mit Dank an und küßte dem König die Hände und entfernte sich.

Der König übergab die Sklavin den Kammermädchen und sagte ihnen: »Sorget aufs beste für den Putz dieses Mädchens, machet ihr ein besonderes Zimmer zurecht und versehet sie mit allem Nötigen!«

Die Hauptstadt des Reichs, in welcher der König residierte, lag an der Meeresküste und hieß: »Die weiße Stadt.« Die Fenster des Zimmers, in welches die Sklavin gebracht wurde, gingen auf das Meer. Als der König sie besuchte, stand sie nicht vor ihm auf und beachtete ihn gar nicht. Der König dachte: die muß wohl bei Leuten gewesen sein, die wenig Bildung haben. Indessen bewunderte er ihre Schönheit, ihre Anmut, ihren reizenden Wuchs und ihr Gesicht, das dem Vollmond oder der hell leuchtenden Sonne glich und pries den Schöpfer. Er näherte sich ihr dann, umarmte und küßte sie, ließ die köstlichsten Speisen auftragen und aß mit ihr, ohne daß sie ein Wort sprach. Selbst als der König sie nach ihrem Namen fragte, gab sie keine Antwort, sondern neigte stets ihr Haupt zur Erde und nur ihre außerordentliche Schönheit und Anmut schützte sie vor dem Zorn des Königs. Er dachte: Gepriesen sei Allah, der Schöpfer dieses Mädchens, wie lieblich ist sie, wie schade, daß sie nicht spricht, doch nur Gott ist vollkommen. Der König fragte dann die Dienerinnen und Kammermädchen, ob die Sklavin mit ihnen spreche, aber auch sie hatten noch kein Wort von ihr vernommen. Der König befahl dann einigen Sklavinnen, sie mit Gesang zu unterhalten und mit ihr zu spielen, um sie zum Sprechen zu bringen, aber so sehr sie sich auch bemühten, vor ihr zu musizieren und zu singen, verharrte sie in ihrem Schweigen. Der König war sehr betrübt darüber, doch fesselten ihn ihre Reize so sehr, daß er ihr seine ganze Liebe schenkte und sie allen anderen Frauen vorzog.

Nachdem er so ein ganzes Jahr mit ihr gelebt hatte, ohne daß sie den Mund zum Sprechen geöffnet hätte, sagte er ihr: »O Herzenslust! meine Liebe zu dir ist so mächtig, daß ich um deinetwillen von allen meinen Frauen und Sklavinnen getrennt lebe und in dir allein mein Glück auf der Welt finde. Ich habe ein ganzes Jahr Geduld mit dir gehabt, nun möge aber Gott dein Herz erweichen, so daß du auch mit mir sprechest, oder solltest du etwa stumm sein, so gib mir durch ein Zeichen zu verstehen, damit ich nicht vergebens länger hoffe. Auch wünsche ich, daß mir Gott einen Sohn von dir schenke, der mein Reich erbe, denn ich bin schon alt und kinderlos. Ich beschwöre dich bei Gott, wenn du sprechen kannst, so laß mich nur ein Wort aus deinem Mund vernehmen.« Die Sklavin neigte ihr Haupt nachdenkend zur Erde, dann hob sie es auf, lächelte den König an, so daß er glaubte, ein Blitzstrahl erleuchte das Zimmer und sprach: »O großmütiger König, tapferer Löwe! Gott hat dein Gebet erhört, ich bin gesegneten Leibes und die Zeit meiner Entbindung ist nahe, darum breche ich auch mein Schweigen, doch weiß ich nicht, ob ich einen Sohn oder eine Tochter gebären werde.« Als der König dies hörte, strahlte sein Gesicht vor Freude, und im Übermaß seines Glücks küßte er ihr Haupt und ihre Hände und rief: »Gepriesen sei Gott, der meine Wünsche erfüllt hat, indem er dich sprechen und mir verkünden läßt, daß ich ein Kind von dir zu erwarten habe.« Er machte sich dann auf, bestieg seinen Thron und befahl seinem Vezier, aus Dankbarkeit gegen Gott den Armen, Bedürftigen und Witwen hunderttausend Dinare zu verteilen. Dann begab er sich wieder zu seiner Sklavin, umarmte sie und sagte ihr: »O meine Herrin und Gebieterin, warum hast du ein ganzes Jahr kein Wort mit mir gesprochen?« Sie antwortete: »Höre, o König der Zeit! wisse, ich bin fremd, mein Herz ist zerknirscht, denn ich bin von meiner Mutter, meiner Familie und meinem Bruder getrennt.« Der König, der wohl merkte, was sie sagen wollte, erwiderte: »Nenne dich nicht arm und fremd, denn was ich besitze, ist dein Eigentum und ich selbst bin dein Sklave; was die Trennung von den Deinigen angeht, so sage mir, wo sie sind, und ich will sie zu dir bringen lassen.« Die Sklavin versetzte: »Wisse, o glückseliger König, mein Name ist Gülnar vom Meer, mein Vater war einer der Könige des Meeres und hinterließ uns nach seinem Tode sein Reich, da kam aber ein anderer König, der unser Königreich uns wegnahm. Meine Mutter ist eine von den Frauen des Meeres, und mein Bruder, welcher Salih heißt, hatte einst Streit mit mir, da schwor ich, daß ich das Meer verlassen und mit einem Mann vom Land leben würde. Ich setzte mich bei Mondschein an das Ufer einer Insel, da kam ein Mann vorüber, der mich in seine Wohnung schleppte und umarmen wollte, ich schlug ihn aber auf den Kopf, daß er beinahe tot niedersank, darum verkaufte er mich dem Mann, von dem du mich gekauft hast, und der ein sehr frommer, würdiger und guter Mann war. Hättest du mich nicht so geliebt und allen anderen Frauen und Sklavinnen vorgezogen, so wäre ich keine Stunde bei dir geblieben, sondern hätte mich von diesem Fenster aus ins Meer gestürzt und wäre wieder zu den Meinigen zurückgekehrt. In meinem jetzigen Zustand kann ich es aber um so weniger, als sie Schlimmes von mir denken und mir nicht glauben würden, daß mich ein König für Geld gekauft und als sein Glück in dieser Welt betrachtet, selbst wenn ich meine Worte durch einen Eid besiegeln würde. Das ist meine Geschichte. Heil über dich!«

Als der König dies vernahm, lobte er sie und küßte sie zwischen die Augen und sagte: »Bei Gott, o meine Herrin! Licht meiner Augen! ich kann keine Stunde getrennt von dir leben, wenn du mich verläßt, so sterbe ich alsbald, was soll nun geschehen?« Sie erwiderte: »O mein Herr! die Zeit meiner Niederkunft ist nahe, meine Familie muß hierher kommen, denn die Frauen vom Lande wissen so wenig den Frauen vom Meer bei ihrer Entbindung beizustehen, als die vom Meer denen vom Lande. Da fragte der König: »Aber wie können sie im Meer gehen, ohne naß zu werden?« Darauf antwortete sie: »Wir gehen im Meer, wie ihr auf trockenem Lande, durch den Segen der Namen, welche auf dem Siegel Salomos, des Sohnes Davids (Heil über beide!) stehen; ich will nun meine Leute herrufen und ihnen sagen, daß du mich für Geld gekauft und mir viel Gutes erwiesen hast, und daß du ein König, Sohn eines Königs bist, und dann werden sie meinen Worten glauben.« Als der König seine Einwilligung gab, fuhr sie fort: »Wisse, o König der Zeit, wir wandeln mit offenen Augen im Meer umher, ohne daß es uns schadet, und sehen alles, was darin ist, auch sehen wir die Sonne, den Mond, die Sterne und den Himmel, als wären wir auf der Oberfläche der Erde. Im Meer selbst leben viele Völkerschaften und Gattungen von verschiedener Gestalt wie auf dem Lande und noch viel mehr.« Hierauf zog sie zwischen ihren Schultern ein Stück Aloeholz hervor, zündete ein Weihrauchgefäß an, legte das Aloeholz auf das Feuer, pfiff laut hinein, murmelte einige unverständliche Worte, da erhob sich ein starker Rauch und sie sagte zum König, der ihr zusah: »Geh, mein Herr, verbirg dich in einem Kabinett, damit ich dir meine Mutter und meinen Bruder zeige, ohne daß sie dich bemerken, du sollst bald Wunder sehen, und Geschöpfe Gottes von verschiedenartiger Gestalt.« Der König ging ins Kabinett und Gülnar sagte einige Beschwörungsformeln über das Räucherwerk her, und siehe da, das Meer fing an zu toben und zu schäumen und es stieg ein schöner Jüngling, wie der hellscheinende Mond hervor, mit leuchtender Stirne, rosigen Wangen und Zähnen wie Perlen, der die größte Ähnlichkeit mit seiner Schwester hatte. Ihm folgte ein altes grauhaariges Weib und fünf junge Mädchen wie der Vollmond, die auch Ähnlichkeit mit Gülnar hatten. Der König konnte sehen, wie sie auf der Oberfläche des Wassers einhergingen, bis sie in die Nähe des Fensters kamen, an welchem Gülnar saß. Diese stand vor Freude auf, als sie sie erblickte, und als sie in ihr Gemach traten, umarmten und küßten sie sich und vergoßen viele Tränen. Dann sagten ihre Verwandten zu ihr: »Wie konntest du uns vier Jahre lang verlassen, ohne daß wir wußten, wo du dich aufhältst? der Schmerz über die Trennung von dir war so groß, daß uns die ganze Welt zu eng schien, und daß uns weder Speise noch Trank schmeckte, denn wir mußten vor Sehnsucht nach dir Tag und Nacht weinen.« Gülnar küßte sie nochmals und auf ihre Fragen nach ihrem Zustande erzählte sie ihnen, wie sie verkauft wurde und wie der König sich so liebevoll gegen sie benehme. Als ihr Bruder dies hörte, sagte er: »Gepriesen sei Gott, der uns wieder vereint hat, doch nun mache dich auf und kehre wieder mit uns in deine Heimat zurück!« Bei diesen Worten verlor der König nahezu den Verstand, denn er fürchtete, die Sklavin möchte ihrem Bruder folgen, ohne daß er es verhindern könnte, während er sie doch leidenschaftlich liebte und so glücklich war, seitdem er wußte, daß sie bald Mutter werden sollte; mit größter Angst dachte er an eine Trennung von ihr. Aber Gülnar sagte ihrem Bruder: »Bei Gott, der Mann, der mich gekauft hat, der Herr dieser Stadt, ist ein großer König, auch ist er ebenso reich, als klug und edelmütig, er erweist mir alles Gute und vom Tage, an dem ich zu ihm gekommen, bis jetzt, habe ich kein kränkendes Wort von ihm gehört, er tut mir alles zulieb und unterrichtet mich von allem, was er unternimmt, so daß ich in vollkommenstem Glück mit ihm lebe. Er kann sich keine Stunde von mir trennen und würde sterben, wenn ich ihn verließe. Auch mir würde eine Trennung den Tod bringen, so sehr liebe ich ihn, denn ich nehme bei diesem mächtigen und hochgeehrten König eine Stellung ein, wie mir sie mein Vater, wenn er noch lebte, nicht einräumen könnte. Zudem hat der König keine Nachkommen und hat schon lange Gott um einen Sohn angefleht, der einst sein Reich erben könnte und seinen unermeßlichen Besitz, nun bin ich schwanger und danke Gott dafür, daß er mir, der Tochter eines Königs vom Meer, einen Gatten gegeben, welcher König vom Lande ist, Gott hat mir dadurch Gutes erwiesen und mich nicht verlassen.«

Diese Worte erfreuten ihren Bruder, ihre Mutter und ihre Cousinen und sie sagten zu ihr: »O Gülnar, du weißt, wie sehr wir dich verehren, mehr als jeden andere, und wie wir dir ein sorgenloses, ruhiges Leben wünschen; findest du dies hier, so ist unser Wunsch erfüllt.« Gülnar erwiderte: »Bei Gott, ich lebe hier ganz sorgenlos, geehrt und glücklich.«

Als der König dies hörte, beruhigte er sich und war ihr dankbar für diese Anerkennung und liebte sie noch mehr als zuvor, denn er wußte nun, daß er auch geliebt war und daß sie entschlossen sei, bei ihm zu bleiben und ihr Kind zu erziehen.

Gülnar ließ dann Tische mit allerlei Gerichten auftragen, deren Bereitung sie selbst des Morgens beaufsichtigt hatte und aß mit ihrer Familie. Als man endlich auch Früchte und Süßigkeiten brachte, sagten sie zu Gülnar. »Dein Herr, den du so sehr preisest und mit dessen Speisen du uns bewirtest, ist uns fremd, wir sind ohne seine Erlaubnis hierhergekommen, wir haben ihn noch nicht gesehen, er hat sich noch nicht gezeigt, hat auch nicht mit uns gegessen, so daß wir ein Zeichen seiner Freundschaft hätten.« Sie aßen nun auch nicht weiter, gerieten in Zorn und Feuer sprühte aus ihrem Munde. Als der König dies bemerkte, war er außer sich vor Furcht. Aber Gülnar erhob sich, beruhigte ihre Leute, ging in das Kabinet, in welchem der König war und fragte ihn, ob er gehört, was zwischen ihr und den Ihrigen gesprochen worden. Der König antwortete: »Ich habe alles gehört und mich von deiner Liebe zu mir überzeugt, Gott lohne es dir!« Gülnar versetzte: »O mein Herr, Gutes kann nur mit Gutem vergolten werden, du hast mich mit so großer Gnade überschüttet und so sehr ausgezeichnet, daß ich mich nicht mehr von dir trennen kann, willst du aber nun deine Güte vollenden, so komme mit mir und begrüße meine Familie, die dich infolge meiner Schilderung deiner Wohltaten gegen mich hebt und sich mit dir befreunden möchte, ehe sie in ihre Heimat zurückkehrt.« Der König sagte: »Recht gern, es war schon mein eigener Wunsch.« Er erhob sich alsbald und begrüßte sie in schönster Weise, sie aber erhoben sich und kamen ihm freundlichst entgegen und er setzte sich zu ihnen und aß mit ihnen. Sie lebten nun dreißig Tage zusammen, dann wollten die Verwandten Gülnars wieder in ihre Heimat zurückreisen und sie verabschiedeten sich bei ihr und bei dem König, der ihnen mit großer Ehrerbietung begegnet war. Bald nachher gebar Gülnar einen Knaben, wie der Vollmond. Der König, der bisher kinderlos war, geriet außer sich vor Freude, es wurden sieben Tage lang Freudenfeste gefeiert und die Stadt wurde geschmückt. Am siebenten Tag kamen auch Gülnars Bruder und Mutter wieder an. Der König freute sich darüber und sagte, er habe dem Knaben noch keinen Namen gegeben, sie möchten es nach ihrer besseren Einsicht tun und sie nannten ihn Bedr Basim, Sein Oheim Salih setzte den Jungen dann auf seine Hand, trug ihn im Schloß hin und her, verließ dann das Schloß und stieg mit ihm ins Meer, so daß er bald vor den Augen des Königs verschwand. Dieser weinte und jammerte und hielt sein Kind für verloren, aber Gülnar sagte ihm: »Fürchte nichts und betrübe dich nicht wegen des Knaben, der mir noch teurer ist als dir, er ist ja bei meinem Bruder, der sich um dies Wasser wenig kümmert und wohl weiß, daß der Knabe nicht ertrinkt, sonst hätte er ihn nicht mitgenommen, du wirst sehen, wie er dir ihn bald unversehrt wiederbringt, so Gott will. In der Tat fing das Meer nach einer Weile an zu toben, dann spaltete es sich und Salih flog mit dem jungen Prinzen heraus und sagte zum König: »Du warst wohl in Sorge wegen deines Kindes.« Der König antwortete: »Allerdings, mein Herr, ich habe nicht geglaubt, daß es davonkommen werde.« Hierauf versetzte Salih: »Wir haben es mit einer uns bekannten Farbe gefärbt und Namen über es gelesen, die sich auf dem Siegelring Salomos befinden, wie wir es bei unsern Kindern zu tun pflegen, um es vor Ertrinken zu bewahren, wir können daher auch im Meer umhergehen wie ihr auf dem Lande.« Er zog dann ein beschriebenes und versiegeltes Futteral heraus, erbrach das Siegel, leerte das Futteral, und es kam ein Geschmeide von Hyazinthen und allerlei Edelsteinen hervor und dreihundert längliche Smaragde und dreihundert große Diamanten wie Straußeier, deren Lichtstrahlen stärker als die des Mondes und der Sonne waren. Als alles ausgebreitet war, sagte er zum König: »Ein Teil dieser Edelsteine ist ein Geschenk für deinen Sohn und ein anderer für dich, denn wir konnten dich bisher nicht beschenken, weil wir Gülnars Aufenthalt nicht kannten. Da wir aber nun eine Familie bilden, so werden wir dir, so Gott will, in kurzen Zwischenräumen ähnliche Geschenke bringen, denn bei uns gibt es mehr Hyazinthe und andere Edelsteine, als auf dem Lande Kies, wir kennen die Fundgruben und bewachen sie und nehmen sie ohne Mühe.« Der König geriet außer sich vor Erstaunen über diese Edelsteine und rief: »Bei Gott! ein einziger solcher Stein wiegt meinen ganzen Besitz auf.« Er dankte dann Salih und sagte zu Gülnar: »Ich bin ganz beschämt durch diese kostbaren Geschenke deines Bruders, dergleichen sich auf der ganzen Erde nicht wiederfinden.« Auch Gülnar dankte ihrem Bruder, dieser sagte aber zum König: »Wir sind dir Dank schuldig, denn wir haben deine Gastfreundschaft genossen und du hast unserer Schwester viel Gutes erwiesen. Ein Dichter hat gesagt:

»Hätte ich aus Liebe zu Su'da vor ihr[1] geweint, so hätte ich mein Herz erleichtert, ehe Reue kam; aber sie hat vor mir geweint und ihre Tränen haben die meinigen hervorgerufen. da dachte ich: das Verdienst gebührt dem Vorangehenden.«

Er fuhr dann fort: »O König der Zeit! wenn wir tausend Jahre in deinem Dienste bleiben, so könnten wir dir nicht alles vergelten, wie du es verdienst.« Der König dankte ihm und behielt ihn noch vierzig Tage mit seiner Mutter bei sich. Dann bat Salih um die Erlaubnis, wieder in seine Heimat zurückzukehren, dann sagte er: »Obgleich wir dir und unserer Schwester und unserem Neffen stets ergeben bleiben und uns ungern von euch trennen, sind wir doch zu sehr an das Meer gewohnt, um länger auf dem Lande zu leben.« Sie nahmen dann unter Tränen Abschied und versprachen, bald und oft wiederzukehren und tauchten im Meer unter.

Der König fuhr fort, Gülnar zu verehren, der Knabe wuchs herrlich heran und ihre Verwandten besuchten sie häufig und brachten ein oder zwei Monate bei ihnen zu. Als Bedr Basim fünfzehn Jahre alt war, war er sowohl durch seine schöne Körperbildung, als durch seine literarischen Kenntnisse und seine Gewandtheit im Schießen und Lanzenwerfen und anderen ritterlichen Künsten, in welchen Prinzen sich üben, vollkommen ausgezeichnet. Die ganze Stadt, Männer und Frauen, wußten von ihm zu erzählen und die Liebe des Königs zu ihm kannte kein Maß. Er ließ daher auch nach einiger Zeit den Vezier, die Emire, die hohen Beamten und die Vornehmen des Reichs versammeln und forderte sie auf, seinem Sohn als Sultan zu huldigen. Sie taten dies gern, denn er war als rechtliebender, das allgemeine Wohl fördernder und beredter junger Mann bekannt. Am folgenden Tag ritten sie miteinander an der Spitze der Truppen mit allen Großen des Reichs durch die Hauptstadt und als sie wieder in die Nähe des königlichen Palasts kamen, stieg der König ab und er sowohl als die Emire und die Spitzen des Reichs gingen zu Fuß und trugen abwechselnd die königliche Decke vor Bedr Basim her, während dieser erst am Eingang des Palastes abstieg, wobei ihm sein Vater und die Emire wie Diener beistanden. Er setzte sich dann auf den Thron und sein Vater stand wie ein Emir vor ihm, sprach Recht, entsetzte Übeltäter und ernannte rechtliche Männer an ihre Stelle und beschäftigte sich bis Mittag mit Regierungsangelegenheiten, dann erhob er sich vom Thron und begab sich mit der Krone auf dem Haupt zu seiner Gattin und zu seiner Mutter, die ihn küßte und beglückwünschte und ihm langes Leben und Sieg über seine Feinde wünschte. Er ruhte dann aus bis zur Assrstunde, dann begab er sich mit den Emiren auf die Rennbahn zum Ballspiel und verweilte hier bis Abends und kehrte wieder in sein Schloß zurück. So lebte er ein ganzes Jahr fort und verschaffte dem Armen wie dein Reichen sein Recht. Nach einem Jahr ging er auf die Jagd, machte eine Rundreise durch die Provinzen seines Reichs, gewährte jedem Ruhe und Sicherheit und gab seltene Beweise von Tapferkeit und ritterlicher Gewandtheit. Nach einiger Zeit fühlte der alte König, daß die Zeit seines Übergangs in ein ewiges Leben nahe, er wurde krank und als seine letzte Stunde herankam, ließ er seinen Sohn rufen, empfahl ihm seine Mutter und sein Reich, ließ ihm nochmals Treue schwören und verschied nach wenigen Tagen. Bedr Basim, Gülnar und alle Veziere, Emire und Großen des Reichs betrauerten und bestatteten ihn und ließen ihm ein Grabmal bauen. Die Trauerfeierlichkeiten dauerten einen ganzen Monat, auch die Verwandten Gülnars kamen, um den König zu trösten. Sie sagten: »Der König ist tot, aber er hat einen tüchtigen Sohn hinterlassen, der ein reißender Löwe und ein leuchtender Mond ist. Wer einen solchen Sohn hinterläßt, ist nicht tot.«

Nach einiger Zeit kamen die hohen Beamten und die Vornehmen des Reichs zum König und sagten ihm, allzulange Trauer zieme nur Frauen, er möge daher sich nicht länger mit dem Tode seines Vaters beschäftigen, der doch in ihm fortlebe. Er ließ sich endlich ins Bad führen, zog ein prachtvolles, golddurchwirktes und mit Hyazinthen und anderen Edelsteinen geschmücktes Kleid an, setzte die königliche Krone auf sein Haupt, bestieg den Thron, beschäftigte sich wieder mit öffentlichen Angelegenheiten, verschaffte dem Schwachen und Armen sein Recht gegen Starke und Reiche, so daß er allgemein beliebt wurde. So lebte er ein ganzes Jahr in ungetrübter Freude und wurde häufig von seinen Verwandten vom Meer besucht. Einst kam sein Oheim in der Nacht zu seiner Mutter Gülnar und nachdem sie sich begrüßt und umarmt hatten, aßen sie miteinander und unterhielten sich von Bedr Basim und seiner Schönheit und seiner Gerechtigkeitsliebe und ritterlichen Tugenden. Dieser lag angelehnt da, und als er merkte, daß er der Gegenstand der Unterhaltung geworden, stellte er sich schlafend, um sie zu belauschen. Salih sagte zu seiner Schwester: »Dein Sohn ist nun sechzehn Jahre alt und noch unverheiratet, ich fürchte, es möchte ihm etwas zustoßen und er kinderlos sterben, darum wünschte ich ihn mit einer Prinzessin vom Meer zu vermählen, die ihm an Schönheit und Liebenswürdigkeit gleicht.« Gülnar sagte: »Nenne sie mir, ich kenne sie ja alle.« Da nannte er eine nach der andern, aber keine war nach Gülnars Geschmack, sie sagte: »Mein Sohn muß eine Prinzessin heiraten, die ihm ähnlich ist an Schönheit, Liebenswürdigkeit, Freigebigkeit, Verstand, Glauben, Bildung, Edelmut, Macht und Abkunft.« Salih versetzte: »Ich habe dir nun über hundert Prinzessinnen hergezählt und keine gefällt dir, nun weiß ich keine mehr, doch sieh, ob dein Sohn schläft.« Sie erwiderte: »Er schläft, was willst du damit?« Salih antwortete: »Mir fiel eben noch eine Prinzessin ein, die sich für deinen Sohn eignet, ich möchte aber nicht davon sprechen, wenn dein Sohn wacht, denn er könnte sie lieben, wir aber sie nicht für ihn erlangen und dann wären wir alle unglücklich, denn ein Dichter hat gesagt:

»Die Liebe ist zuerst nur wie Speichel, wenn sie aber um sich greift, so wird sie ein weites Meer.«

Gülnar fragte: »Wer ist diese Prinzessin? Ich kenne sie ja alle, sagt sie mir zu, so halte ich bei ihrem Vater um sie an und müßte ich alles, was ich besitze, zum Opfer bringen, fürchte nichts, mein Sohn schläft.« Salih wiederholte: »Ich fürchte, er möchte wachen und ein Dichter hat gesagt:

»Zuweilen liebt das Ohr noch vor dem Auge.«

Gülnar versicherte ihrem Bruder nochmals, der König schlafe und bat Ihn, sich nun kurz zu fassen. Da sagte er: »Bei Gott, keine andere, als Djauharah, die Tochter des Königs Samandal, ist deines Sohnes würdig, sie gleicht ihm an Schönheit und Glanz und ist ebenso vollkommen wie er, sie ist die Zierlichste und Angenehmste aller Mädchen vom Lande wie vom Meer, sie hat ein schönes Gesicht mit roten Wangen, glänzender Stirn, großen schwarzen Augen, einem Mund, wie ein Juwel, sie hat starke Hüften, eine zarte Taille und ist vollkommen schön gewachsen, ihre Blicke beschämen Gazellen, ihr Wiegen beim Gange Banzweige, wenn sie erscheint, überstrahlt sie den Mond und fesselt alle Blicke, ihre Küsse sind süß und ihre Bewegungen anmutig.« – »Du sprichst wahr, mein Bruder«, sagte Gülnar, »ich habe sie oft gesehen und war mit ihr befreundet, als wir noch Kinder waren, weiß aber nichts mehr von ihr, da wir schon siebzehn Jahre getrennt sind, bei Gott, die ist meines Sohnes würdig.«

Bedr Basim, der sich immer schlafend stellte, hörte dieses ganze Gespräch und die Schilderung, die Salih von der Prinzessin Djauharah gemacht, mit an, und sie flößte ihm Liebe zu ihr ein, so daß bald eine Feuerflamme sein Herz erfüllte.

Salih sagte ferner zu seiner Schwester: »Bei Gott, es gibt unter den Königen des Meeres und des Landes keinen, der so einfältig und zugleich so hart wäre, wie Samandal, drum teile deinem Sohne noch nichts von dieser Sache mit, sondern wirb um Djauharah für ihn, willigt ihr Vater ein, so wollen wir Gott dafür danken, weist er uns ab, so beruhigen wir uns und halten um eine andere für ihn an.« Gülnar stimmte darin mit ihrem Bruder überein und sie sprachen nicht weiter mehr darüber. Bedr Basim schwieg auch und brachte die Nacht auf glühenden Kohlen zu. Am folgenden Morgen ging er mit seinem Oheim ins Bad und als dieser nach der Mahlzeit sich verabschieden wollte, um wieder zu seiner Mutter zurückzukehren, bat ihn der König, noch einen Tag zu bleiben, was er auch zusagte. Er forderte ihn dann auf, mit ihm in den Garten zu gehen. Als sie eine Weile darin gelustwandelt waren, setzte sich der König unter einen schattigen Baum, um ein wenig zu schlafen, aber er dachte fortwährend an Djauharah, welche sein Oheim so schön geschildert hatte, er vergoß viele Tränen und rezitierte folgende Verse:

»Sagt man mir, während eine Feuerflamme In meinem Herzen brennt und meine Eingeweide verzehrt, ist dir ein Trunk Wasser lieber oder ihr Anblick, so antworte ich: lieber sie sehen.«

Er weinte, seufzte und jammerte dann wieder, und sprach folgende Verse:

»Wer steht mir bei gegen den Druck einer Schwarzäugigen, mit einem Gesichte, schöner als der Mond? Mein Herz war frei und ruhig und ist nun durch die Liebe zur Tochter des Königs Samandal gefesselt.«

Als Salih dies hörte, schlug er die Hände übereinander und rief: »Es gibt keinen Gott außer Allah, Mohammed ist ein Gesandter Gottes, es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!« Er sagte dann zu seinem Neffen: »Du hast wohl gehört, was ich mit deiner Mutter über Djauharah gesprochen?« Als er dies bejahte und gestand, daß das, was er gehört, ihm eine unvertilgbare Liebe zu ihr eingeflößt, sagte jener: »Laß uns zu deiner Mutter gehen und ihr alles erzählen, ich nehme dich dann mit mir und werbe für dich um Djauharah, dann kehren wir wieder zu ihr zurück, ich fürchte, daß, wenn wir ohne Abschied von ihr gehen, sie mir zürnen würde, und dies mit Recht, weil ich die Ursache ihrer Trennung von dir sein würde, wie ich auch die Veranlassung zu ihrer Trennung von uns war, auch würde das Reich ohne Fürsten sein und könnte dir leicht entrissen werden.« Der König weigerte sich aber, zu seiner Mutter zu gehen, weil er fürchtete, sie möchte sich seiner Abreise widersetzen und bat seinen Oheim unter Tränen, ohne ihr Wissen mit ihm abzureisen. Salih wußte nicht, was er tun sollte, als er jedoch den Zustand seines Neffen sah und ihn fest entschlossen fand, mit ihm zu gehen, ohne vorher seine Mutter davon in Kenntnis zu setzen, vertraute er auf Gottes Hilfe, zog einen Ring von seinem Finger, überreichte ihn seinem Neffen und sagte ihm: »Stecke diesen Ring an deinen Finger, er sichert dich vor dem Ertrinken sowohl, als vor den Seeungeheuern.« Als der König dies getan hatte, tauchten sie miteinander in das Meer und wandelten nach dem Schlosse Salihs, in welchem seine Mutter und ihre Verwandten saßen. Nach gegenseitiger Begrüßung erkundigte sich die Alte nach dem Befinden Gülnars und fragte, warum ihr Sohn sie verlassen. Salih erzählte ihr alles, was vorgefallen und sagte ihr, der König sei mit ihm gekommen, um sich um Djauharah zu bewerben. Die Alte erschrak und machte ihrem Sohn Vorwürfe darüber, daß er Djauharah vor seinem Neffen erwähnt. »Du weiß«, sagte sie, »daß der König Samandal ein einfältiger, gewalttätiger Fürst ist, daß sein Meer keinen Boden hat, daß er ein großer Tyrann ist, der seine Tochter niemandem gönnt und schon viele königliche Bewerber als ihrer unwürdig abgewiesen hat, er wird auch uns wie die anderen abweisen und wir werden mit gebrochenem Herzen zurückkommen.« Darauf erwiderte Salih: »Was können wir tun? Der König liebt Djauharah und wenn sie nicht seine Gattin wird, so wird ihn der Gram aufreiben, darum bin ich entschlossen, für ihn um sie zu werben und nötigenfalls meinen ganzen Besitz zu opfern. Übrigens«, fuhr Salih fort, »ist mein Neffe schöner und liebenswürdiger als sie, auch war sein Vater schon Herr über ganz Persien und er ist sein Nachfolger und so sind sie sich vollkommen ebenbürtig; ich will nun Perlenschnüre, Hyazinthen, andere Edelsteine und sonstige Geschenke für ihren Vater mitnehmen und wenn er wegen seiner königlichen Würde, seines großen Reiches und der Schönheit Djauharahs mich abweisen will, so werde ich ihm sagen: Bedr Basim ist schöner als Djauharah, er ist König und Sohn eines Königs, sein Land ist größer und seine Truppen sind zahlreicher als die seinigen; ich werde diese Sache erledigen und müßte ich dabei zugrunde gehen, denn da ich meinen Neffen in das Meer der Liebe geschleudert habe, muß ich auch alles aufbieten, um ihn mit seiner Geliebten zu vereinen, Gott der Erhabene wird mir beistehen.« Da sagte ihm seine Mutter: »Tu, was du willst, hüte dich nur, derbe Worte an ihn zu richten, du kennst ja seine Dummheit und seine Strenge, er könnte dich leicht mißhandeln, denn bei ihm gilt das Ansehen anderer nichts.« Salih versprach ihr, zu gehorchen, nahm zwei lederne Taschen voll mit Perlenschnüren, Hyazinthen, Smaragden, Diamanten und anderen Edelsteinen und übergab sie seinen Dienern und begab sich mit ihnen zum König Samandal. Dieser nahm Salih mit Ehrerbietung auf, hieß ihn sitzen, begrüßte ihn und fragte ihn, welches Anliegen ihn nach so langer Abwesenheit zu ihm führe. Salih verbeugte sich und sprach: »O König der Zeit! Mein Anliegen betrifft Gott und den großmütigen König, den tapferen Löwen, dessen Ruhm alle Karawanen verbreiten und dessen Gerechtigkeit, Milde und Freigebigkeit in allen Ländern bekannt ist.« Er öffnete dann die Taschen und breitete die Edelsteine vor dem König aus und bat ihn, durch Annahme dieser Geschenke sein Herz zu stärken. Samandal fragte: »Was bedeuten diese Reden und diese Geschenke? Teile mir dein Anliegen mit, kann ich deinen Wünschen willfahren, so will ich es sogleich tun und dir keine lange Mühe verursachen, wenn nicht, so bürdet Gott niemandem mehr auf, als er tragen kann.« Salih verbeugte sich dreimal und sagte: »O König der Zeit, was ich verlange, kannst du gewähren, ich bin nicht so töricht, den König um etwas zu bitten, dessen Gewährung nicht in seiner Macht liegt, denn ein Weiser hat gesagt: Willst du nicht abgewiesen werden, so fordere nichts, was dir nicht gewährt werden kann.« Als hierauf Samandal ihn nochmals aufforderte, seine Bitte vorzutragen, sagte er: »O König der Zeit, ich bin gekommen, um die einzige Perle, um den verborgenen Edelstein, um die Prinzessin Djauharah, die Tochter unsres Herrn zu werben, versage mir meine Bitte nicht!«

Samandal verfiel in ein so heftiges Spottgelächter, daß er auf den Rücken fiel und sagte: »O Salih, ich habe dich für einen vortrefflichen, verständigen Mann gehalten, der nur Richtiges und Vernünftiges spricht, was ist deinem Verstand widerfahren, daß du zu solchen abenteuerlichen und gefährlichen Dingen dich herbeiläßt? Hältst du dein Ansehen für groß genug, um die Tochter eines Königs, der Herr über so viele Länder ist, heiraten zu wollen? Hat dein Verstand so abgenommen, daß du solche Worte an mich zu richten wagst?« Salih erwiderte: »Gott erhöhe des Königs Wohl! ich werbe nicht für mich, obgleich auch ich ihr ebenbürtig bin, denn ich bin ja auch ein König und Sohn eines Königs, du weißt ja, daß mein Vater einer der Könige des Meeres war, wie du jetzt König bist; indessen ich werbe für Bedr Basim, den Herrn Persiens, Sohn des Königs Seherman, du kennst ihn und seine Macht, sein Reich ist so groß als das deinige, er ist noch schöner als deine Tochter und vorzüglicher, er ist der gerechteste und ausgezeichnetste Ritter seiner Zeit, gewährst du mir meine Bitte, so tust du, was dir ziemt, wenn aber dein Hochmut dich bewegt, mich abzuweisen, so bist du unbillig und wandelst nicht auf dem rechten Weg, du weißt übrigens, daß die Prinzessin Djauharah heiraten muß, denn ein Weiser hat gesagt: »Für Mädchen gibt es nur die Ehe oder das Grab«, willst du sie aber verheiraten, so kannst du keinen würdigeren Mann für sie finden, als meinen Neffen.«

Als der König diese Worte hörte, geriet er in so heftigen Zorn, daß er ganz die Besinnung verlor und nahezu die Seele seinen Körper verließ. Er schrie Salih an: »Du Hund, wie wagst du es, so mit mir zu reden und meine Tochter in öffentlicher Versammlung zu erwähnen, wie kannst du behaupten, dein Neffe sei ihr ebenbürtig? Wer bist du? Wer ist deine Schwester, wer ist ihr Sohn? War sein Vater mehr als ein Hund?« Er rief dann den Dienern zu: »Haut diesem Elenden den Kopf ab!« Die Diener zogen ihre Schwerter und wollten auf Salih eindringen, dieser flüchtete sich aber nach dem Tor des Schlosses, vor welchem seine Verwandten, sein Gefolge und seine Diener standen, welche tausend Reiter zählten, alle bepanzert und mit Schwert und Lanze bewaffnet, denn seine Mutter hatte sie ihm nachgeschickt, um ihm nötigenfalls beizustehen. Sobald diese von Salih das Vorgefallene hörten, stiegen sie ab, zogen ihr Schwert und drangen mit Salih in das Schloß gegen den König, der, einen solchen Anfall nicht ahnend, auf seinem Thron saß und dessen Diener auch nicht gerüstet waren. Als er daher beim Anblick der Eindringenden, außer sich vor Zorn, seinen Leuten zurief, diese Hunde zu enthaupten, ergriffen sie die Flucht und Salih ließ den König in Ketten legen.

Djauharah, welche bei ihrem Erwachen hörte, daß ihr Vater gefangen und seine Leute getötet worden, verließ die Stadt, flüchtete sich auf eine Insel und verbarg sich auf einem hohen Baum. Auch Bedr Basim entfloh, als er von einem Diener hörte, daß im Schloß zwischen den Leuten Salihs und denen des Königs Samandal gekämpft wurde, denn er sah ein, daß dieser Kampf um seinetwillen stattfand und fürchtete, man möchte nach ihm fahnden. Er wußte nicht, wohin sich wenden, aber die Bestimmung trieb ihn auf die Insel, nach welcher sich Djauharah gewendet hatte und er warf sich höchst bestürzt, wie ein Betrunkener, auf die Erde unter den Baum, auf welchem Djauharah saß, um auszuruhen, denn er war ganz erschöpft. Er wußte nicht, daß, wer etwas sucht, oder wer verfolgt wird, keine Ruhe findet, und hatte keine Ahnung von dem, was das geheime Schicksal ihm bestimmt hatte.

Als er so auf seinem Rücken hingestreckt lag und den Blick nach dem Baum warf, begegnete sein Auge dem Djauharahs, die ihm wie der leuchtende Mond erschien. Er rief: »Gepriesen sei der allmächtige Schöpfer dieser wunderbaren Gestalt, bei Gott, wenn ich mich nicht täusche, so ist dies Djauharah, die sich auch hierher geflüchtet hat, als sie von dem Gefecht im Schloß gehört, und ist sie es nicht, so ist sie noch schöner als jene.«

Nach einigem Nachdenken beschloß er, sie zu ergreifen, sie über ihren Zustand zu befragen und um sie zu werben. Ist sie Djauharah selbst, so bin ich ja am Ziel. Er erhob sich alsbald und rief ihr zu: »O du mein höchster Wunsch, wer bist du und wer hat dich hierher gebracht?«

Djauharah warf einen Blick auf ihn herab und fand ihn gleich dem aus schwarzen Wolken hervorleuchtenden Mond, mit hübschem Wuchs und freundlichem Lächeln. Sie sagte: »O du Liebenswürdiger! ich bin die Königin Djauharah, Tochter des Königs Samandal, ich bin hierher geflohen, weil Salih und seine Schar mit meinem Vater gekämpft, seine Truppen geschlagen und ihn selbst gefangen genommen und gefesselt haben; aus Furcht, auch erschlagen zu werden, habe ich mich hierher geflüchtet, und ich weiß noch nicht, was aus meinem Vater geworden.« Als der König dies hörte, dachte er, sehr erstaunt über dieses wunderbare Zusammentreffen: Ohne Zweifel geht mein Wunsch durch die Gefangenschaft ihres Vaters in Erfüllung; dann blickte er sie an und rief ihr zu: »Komm herab zu mir, o Herrin! ich bin ein Opfer der Liebe zu dir und ein Gefangener deiner Augen, unsretwillen ist diese Unruhe und dieser Krieg entstanden. Wisse, ich bin der König Bedr Basim von Persien, Salih, der bei deinem Vater um dich geworben, ist mein Oheim; ich habe mein Königreich um deinetwillen verlassen und nun sind wir hier zusammengetroffen, komme daher zu mir herab, wir wollen miteinander in das Schloß deines Vaters gehen, ich werde Salih bitten, ihn freizulassen, und dich in gesetzlicher Weise heiraten.« Bei diesen Worten dachte Djauharah: Dieser Elende ist die Ursache alles Unglücks, der Gefangenschaft meines Vaters und des Todes seiner Kammerherrn und Diener, sowie meiner Flucht nach dieser Insel, wenn ich keine List gegen ihn gebrauche, wird er sich meiner bemächtigen und seinen Zweck erreichen, denn er ist verliebt und ein Liebender wird entschuldigt, er mag tun was er will. Sie suchte ihn daher durch süße Worte zu täuschen, ohne daß er es ahnte und sagte zu ihm: »Mein Herr, Licht meiner Augen, bist du der König Bedr Basim, Sohn der Königin Gülnar?« Er antwortete: »Ja, meine Herrin.« – »Nun«, fuhr sie fort, »möge Gott die Hand meines Vaters abschneiden, ihn seines Reichs berauben, sein Herz nicht stärken, und es ihm nicht mehr heimlich werden lassen, wenn er einen anderen als einen so schönen und liebenswürdigen Mann, wie du, wünscht. Bei Gott! er hat wenig Verstand. Doch, o König der Zeit, strafe meinen Vater nicht; wenn du mich eine Spanne groß liebst, so mißt meine Liebe eine Elle, ich bin in das Netz deiner Liebe gefallen, und eines deiner Opfer geworden, deine Liebe ist auf mich übertragen worden, und meine Liebe ist doppelt so heftig als die deinige.« Sie stieg dann vom Baum herab, ging auf ihn zu, umarmte und küßte und drückte ihn. Dies vermehrte noch die Liebe Bedr Basims zu ihr, seine Leidenschaft wuchs, denn er glaubte, sie erwidere seine Liebe, er umarmte sie daher, küßte sie und sagte zu ihr: »O Königin, bei Gott, mein Oheim hat von deiner Anmut nicht den vierzigsten Teil geschildert und nicht den vierten Teil von einem Grad.« Hierauf drückte ihn Djauharah wieder an ihre Brust, murmelte einige unverständliche Worte, spie ihm ins Gesicht und sprach: »Verlasse deine Menschengestalt und nimm die eines der schönsten Vögel an, mit weißen Federn, rotem Schnabel und roten Füßen.« Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, als der König die Gestalt eines Vogels annahm, der sich schüttelte und auf seinen Füßen stehend nach Djauharah hinblickte.

Bei dieser war ein Mädchen, welches Mersina hieß. Djauharah sagte ihr: »Bei Gott, wäre mein Vater nicht Gefangener seines Oheims, so hätte ich ihn getötet, aber Gott strafe ihn, daß er so viel Unheil über uns gebracht, doch nun, gutes Mädchen, nimm ihn und trage ihn auf die wasserlose Insel und lasse ihn dort, daß er vor Durst umkomme.« Das Mädchen nahm ihn und brachte ihn nach dieser Insel, als sie aber wieder zurückkehren wollte, dachte sie: bei Gott, dieser schöne und liebenswürdige Mann verdient nicht zu verdursten, sie trug ihn daher von der wasserlosen Insel weg, auf eine andere, welche reich an Bäumen, Früchten und Bächen war, der Prinzessin sagte sie aber, sie habe ihn auf der wasserlosen Insel gelassen.

Soviel was Bedr Basim angeht, was aber seinen Oheim Salih betrifft, so hatte dieser, nach der Verhaftung des Königs, Djauharah aufgesucht und war, als er sie nirgends fand, wieder zu seiner Mutter zurückgekehrt und hatte sie nach seinem Neffen gefragt. Seine Mutter sagte ihm, sie habe keine Kenntnis von seinem Aufenthalt, und wisse nur, daß er, als er von dem Kampf zwischen ihren Leuten und Samandal gehört, aus Angst die Flucht ergriffen habe. Als Salih dies hörte, wurde er sehr traurig, denn das Schicksal Bedr Basims machte ihm Sorge, er fürchtete, er möchte durch die Leute Samandals umkommen, oder durch Djauharah, auch fürchtete er Schlimmes für sich von Gülnar, weil er ihren Sohn ohne ihre Erlaubnis mitgenommen. Er sandte daher seine Leute nach dem Meer und nach anderen Richtungen, um seinen Neffen aufzusuchen, aber sie kamen zurück, ohne eine Spur von ihm entdeckt zu haben, was den Kummer Salihs noch vermehrte.

Gülnar hatte inzwischen eine Anzahl Tage ihren mit Salih weggegangenen Sohn zurückerwartet, als er immer nicht kam, stieg sie ins Meer und begab sich zu ihrer Mutter und erkundigte sich bei ihr nach demselben. Die Alte erzählte ihr, wie er mit Salih zum König Samandal gegangen, der trotz der ihm überreichten Geschenke ihre Werbung mit harten Worten zurückwies, wie sie ihnen dann tausend Mann geschickt, von welchen der König Samandal geschlagen wurde, wie hierauf Bedr Basim, wahrscheinlich aus Furcht, entflohen und seit der Zeit verschwunden sei.

Gülnar erkundigte sich sodann nach ihrem Bruder Salih und ihre Mutter sagte ihr, er habe Samandals Thron eingenommen und nach allen Seiten Leute ausgeschickt, um Bedr Basim und Djauharah aufzusuchen. Gülnar war sehr betrübt und zürnte ihrem Bruder, daß er mit ihrem Sohn, ohne ihr Wissen, ins Meer gestiegen. Dann sagte sie zu ihrer Mutter: »Da ich von zu Hause abgereist bin, ohne jemandem etwas davon zu sagen, so fürchte ich, wir könnten bei einer längeren Abwesenheit unser Reich verlieren, darum will ich heimkehren und die Regierungsangelegenheiten besorgen, bis Gott alles ordnen wird, versäumt ihr inzwischen nichts, um meinen Sohn zu retten, denn sein Tod wird auch der meinige sein, ich sehe die Welt nur in ihm und er ist die einzige Freude meines Lebens.« Nachdem sie ihr die Versicherung gegeben, daß auch ihnen seine Abwesenheit großen Schmerz bereite und sie nochmals Leute ausgeschickt hatten, um ihn auszukundschaften, kehrte Gülnar mit betrübtem Herzen und weinenden Augen in ihr Reich zurück.

Bedr Basim, der, wie oben erwähnt, in der Gestalt eines Vogels auf einer Insel gelassen wurde, wußte nicht, wohin sich wenden. Nachdem er manche Tage und Nächte, von Früchten sich nährend, hier zugebracht hatte, kam ein Jäger aus der Stadt, der von der Jagd lebte, auf die Insel. Als er den König in der Gestalt eines Vogels mit weißem Kopf und rotem Schnabel und roten Füßen sah, gefiel er ihm so sehr, daß er sein Netz nach ihm auswarf und ihn fing und nach der Hauptstadt brachte, um ihn zu verkaufen. Ein Bewohner der Stadt, der ihm begegnete, fragte nach dem Preis des Vogels. Der Jäger fragte ihn, was er damit tun wolle; als jener antwortete, ihn schlachten und essen, sagte der Jäger: »Wer kann es über sein Herz bringen, einen solchen Vogel zu schlachten und zu essen?« – »Nun«, versetzte jener, »wozu soll ihn denn jemand kaufen, du Tor?« Da sagte der Jäger: »Ich werde ihn dem König schenken, der wird Wohlgefallen daran finden und mir ihn über seinen Wert bezahlen, denn ich bin ein Jäger und habe in meinem Leben keinen so schönen Vogel gesehen, du aber wirst mir höchstens einen Drachmen dafür geben, bei Gott, ich verkaufe ihn nicht.« Der Jäger trug hierauf den Vogel in den königlichen Palast und er gefiel dem König so gut, daß er einen Diener schickte, um ihn zu kaufen. Der Jäger sagte: »Ich mache ihn dem König zu Geschenk.« Der König nahm den Vogel und ließ dem Jäger zehn Dinare geben, welcher, die Erde küssend, sich wieder entfernte.

Der Vogel wurde in einem schönen Käfig im königlichen Palast aufgehängt und man gab ihm zu essen und trinken. Dem König gefiel der Vogel sehr gut, er ließ den Käfig vor sich hinstellen, bemerkte aber, daß der Vogel das Futter nicht berührt hatte, und er sagte: »Bei Gott, ich möchte wissen, was wohl dieser Vogel frißt;« er ließ daher einen Tisch mit Speisen vortragen, aß selbst davon und siehe da, der Vogel aß auch Fleisch, Gemüse, Süßigkeiten und Früchte, worüber der König sowohl als alle Anwesenden nicht wenig erstaunten. In meinem Leben, sagte der König zu seiner Umgebung, habe ich keinen Vogel gesehen, der von solchen Speisen sich nährt, und er ließ seine Gemahlin rufen, damit sie sich auch an diesem Tier ergötze. Als man der Königin dies meldete, kam sie herbei, sobald sie aber den Vogel näher betrachtete, bedeckte sie ihr Gesicht und wollte zurückgehen. Der König fragte sie, warum sie ihr Gesicht bedecke und sich abwende. da doch nur ihre Diener und Sklavinnen anwesend wären? Sie antwortete: »Dies ist kein Vogel, sondern ein Mensch wie du.« – »Du lügst oder scherzest mit mir«, sagte der König. Hierauf versetzte die Königin: »Bei Gott, ich sage die Wahrheit und scherze nicht, dieser Vogel ist der König Bedr Basim, Sohn Gülnars und König von Persien, welchen Djauharah, die Tochter des Königs Samandal, verzaubert hat, weil sein Oheim Salih um sie für ihn geworben und ihn besiegt und gefangen genommen hat.« – Die Königin war nämlich die größte Zauberin ihrer Zeit. – Der König war sehr erstaunt über ihre Worte und beschwor sie, den Zauber zu lösen und Bedr Basim nicht länger in dieser peinlichen Lage zu lassen. »Möge Gott«, rief er, »die Hand dieser Elenden, Gottlosen, abschneiden, die voller List und Trug ist!« Der König ließ den Vogel in die Schatzkammer bringen, die Königin verschleierte sich dann, warf ihr Obertuch um, ging auch mit einer Tasse Wasser in die Schatzkammer, murmelte einige unverständliche Worte darüber, bespritzte ihn damit und sagte: »Bei diesen heiligen Namen und edlen Beschwörungen, bei dem erhabenen Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, der die Toten belebt und die Lebenden tötet, der des Menschen Lebensziel und Unterhalt bestimmt, verlasse diese Gestalt und nimm wieder die an, in welcher dich Gott geschaffen!« Kaum hatte sie diese Worte vollendet, so schüttelte sich der Vogel und wurde wieder Mensch. Der König sah den schönsten Mann auf Erden vor sich und Bedr Basim rief: »Es gibt keinen Gott, außer Allah, Mohammed ist ein Gesandter Gottes. Gepriesen sei der Schöpfer, der aller Geschöpfe Lebensdauer und Unterhalt bestimmt.« Er küßte dann die Hände des Königs und dankte ihm; dieser küßte Bedr Basims Hände und ließ sich von ihm seine ganze Geschichte erzählen, und als er sie bis zu Ende mit großem Erstaunen angehört hatte, fragte er ihn, was er nun zu tun beabsichtige. Er antwortete: »Da ich schon lange von meiner Heimat fern bin und fürchte, ich möchte um mein Reich kommen, und meine Mutter vor Gram über die Trennung von mir und die Ungewißheit über mein Schicksal gestorben sein, so bitte ich den König, seine Güte gegen mich zu vollenden und mich auf einem mit allem Nötigen versehenen Schiff in meine Heimat bringen zu lassen.« Dem König gefiel Bedr Basims Anmut und Beredsamkeit so sehr, daß er ihm seinen Wunsch gewährte und alsbald ein Schiff für ihn ausrüsten ließ und ihm auch eine Anzahl von seinen Dienern mitgab. Bedr Basim nahm Abschied, bestieg das Schiff und hatte zehn Tage lang günstigen Wind, am elften aber wurde das Meer so stürmisch, daß das Schiff von den Wellen hin- und her geschoben wurde und die Matrosen es ihrem Spiel überlassen mußten, und es wurde gegen einen Felsen getrieben, an dem es zerschellte. Die ganze Mannschaft ertrank, nur Bedr Basim rettete sich auf einem Balken, der drei Tage lang vom Winde herumgetrieben, am vierten aber an das Ufer geschleudert wurde. Bedr Basim erblickte eine weiße Stadt, sehr schön gebaut, mit hohen Pfeilern und Mauern, welche das Meer bespülte. Er freute sich sehr darüber, denn er war nahe daran, vor Hunger und Durst umzukommen. Als er aber ans Land steigen wollte, kamen ihm Maulesel, Esel und Pferde, wie der Sand des Meers, entgegen, die ihn schlugen und nicht nach der Stadt gehen ließen. Er schwamm daher um die Stadt herum und stieg hier ans Land, war aber sehr erstaunt, als er keinen Menschen fand und dachte: »Wem mag wohl diese Stadt gehören und diese Tiere, die mich nicht in die Stadt ließen?« Während er in Gedanken vertieft vorwärts ging, ohne zu wissen wohin, sah er auf einmal einen alten Gemüsehändler vor sich, den er begrüßte. Der Alte erwiderte seinen Gruß und da er einen hübschen jungen Mann vor sich sah, fragte er ihn, wo er herkomme und was ihn in diese Stadt führe, Bedr Basim erzählte ihm seine ganze Geschichte und der Alte fragte wieder, ganz erstaunt, ob er auf seinem Weg niemandem begegnet sei, und als Bedr Basim diese Frage verneinte und seine Verwunderung darüber aussprach, daß er diese Stadt so menschenleer finde, sagte der Alte: »Geh mit mir in meinen Laden, sonst gehst du zugrund.« Er brachte ihm dann etwas zu essen, führte ihn in das Innere des Ladens und dankte Gott, der ihn aus der Gewalt dieser Teufelin befreit. Bedr Basim fürchtete sich sehr, und nachdem er etwas gegessen und seine Hände gewaschen hatte, sagte er dem Alten: »Du hast mir große Furcht eingeflößt vor dieser Stadt und ihren Bewohnern« und bat ihn, sich deutlicher auszusprechen. Da sagte der Alte: »Wisse, mein Sohn, diese Stadt ist eine Zauberstadt, die Königin, welche schön wie der Vollmond ist, ist auch die gewandteste und listigste Zauberin der Welt, was du für Esel, Maulesel und Pferd gehalten hast, sind verzauberte Menschen wie wir, es sind Fremde, die hierhergekommen sind, an welchen diese ungläubige Zauberin vierzig Tage sich ergötzt und die sie dann verzaubert hat, so verfährt sie mit allen jungen Männern, die in die Stadt kommen, darum haben diese vermeintlichen Tiere dir zu verstehen gegeben, daß du hier nicht ans Land steigen sollst, denn sie bemitleideten dich und fürchteten, diese Verruchte möchte mit dir wie mit ihnen verfahren. Sie heißt Lab, das heißt: Berechnung der Sonne.«

Als Bedr Basim dies hörte, zitterte er vor Furcht wie ein vom Winde bewegtes Rohr und sagte: »Kaum glaubte ich mich von dem ersten Elend befreit, in das mich eine Zauberin gestürzt hat, so treibt mich das Schicksal nach einem noch abscheulicheren Ort.« Als der Alte ihn so ängstlich sah, sagte er zu ihm: »Setze dich an die Schwelle des Ladens und sieh dir diese Leute, und ihre Farbe, und ihre Tracht an und fürchte nichts, denn die Königin und alle Bewohner der Stadt lieben und achten mich und betrüben mich nicht.« Bedr Basim tat dies und sah unzählbare Menschen vorübergehen und einige sagten zu dem Alten: »Ist dies dein Gefangener und deine heutige Jagd?« Er aber antwortete: »Es ist mein Neffe, den ich aus Liebe zu ihm, nach dem Tod seines Vaters, zu mir kommen ließ.« Die Leute sagten: »Es ist ein hübscher Mann, wir fürchten, die Königin Lab möchte ihn zu sich nehmen.« Der Alte antwortete: »Die Königin liebt und ehrt mich, sie wird ihm nichts zuleid tun, wenn sie weiß, daß er mein Neffe ist.«

Bedr Basim brachte einen ganzen Monat bei dem Gemüsehändler zu, der ihn liebte und gut bewirtete. Eines Tages, als er wie gewöhnlich vor dem Laden saß, kamen tausend Diener vorüber, mit vergoldeten, gezogenen Schwertern, sie trugen kostbare Kleider, und Gürtel mit Edelsteinen besetzt, ritten auf arabischen Pferden und grüßten den Alten. Ihnen folgten tausend Mamelucken mit entblößtem Schwertern, die gleichfalls den Alten grüßten. Dann kamen tausend Mädchen wie der Mond, die verschiedenfarbige seidene Atlaskleider trugen, welche mit Gold durchwirkt und mit Edelsteinen und Hyazinthen geschmückt waren, sie waren mit Lanzen bewaffnet und in ihrer Mitte ritt ein Mädchen auf einem arabischen Pferd, mit goldenem, juwelenbesetztem Sattel. Auch sie grüßten, als sie dem Laden des Alten sich näherten und zogen vorüber. Dann kam mit glänzendem Gefolge die Königin Lab und ging auf den Laden zu, vor welchem Bedr Basim saß. Sie fand ihn schön und anmutig, daß sie ganz außer sich vor Liebe geriet und alsbald abstieg und den Alten fragte, woher er diesen hübschen Jüngling habe. Er sagte auch ihr, er sei sein Neffe. Da bat sie ihn, ihm zu gestatten, daß er die Nacht bei ihr zubringe. Der Alte ließ sie schwören, daß sie ihm nichts zuleid tun und ihn nicht verzaubern werde. Sie schwor und ließ ihm ein schönes Pferd mit goldenem Zaum und Sattel vorführen, schenkte dem Alten tausend Dinare und sagte ihm: »Hilf dir damit!« Dann ritt sie an der Seite Bedr Basims nach dem Schloß und alle Leute bemitleideten ihn und sagten: »Bei Gott, dieser schöne Jüngling verdient nicht, daß ihn diese Verruchte bezaubere.« Bedr Basim hörte diese Worte und ergab sich in den Willen Gottes.

Als sie vor das Tor des Palastes kamen, entließ die Königin alle Emire und Vornehmen des Reiches, sobald sie abgestiegen waren und begab sich mit ihren Dienern und Sklavinnen in den Palast, dessen Mauern von Gold waren und in dessen Mitte ein Garten mit einem wasserreichen Teich war. In diesem Garten waren Vögel, welche in allen Sprachen zwitscherten, die einen in heiteren, die anderen in melancholischen Tönen, auch hatten sie allerlei Gestalt und Farbe. Als der König diese königliche Pracht sah, rief er: »Gepriesen sei Allah, dessen Güte und Milde auch den so beschenkt, der etwas außer ihm anbetet.« Die Königin ließ sich auf einem Sofa von Elfenbein mit hohen Matratzen an einem Gitter nieder, von welchem man Aussicht in den Garten hat, der König setzte sich neben sie und sie küßte und drückte ihn. Sie ließ dann einen goldenen, mit Perlen und Edelsteinen beschlagenen Tisch vortragen, auf welchem allerlei Speisen standen, sie aßen, bis sie satt waren und wuschen sich die Hände, dann wurden silberne, goldene und kristallene Trinkgefäße gebracht und allerlei Blumen und trockene Früchte aufgestellt, auch kamen zehn schöne Mädchen herein, welche allerlei Instrumente trugen. Die Königin füllte einen Becher mit Wein, trank ihn aus, schenkte wieder ein und reichte ihn Bedr Basim, so tranken sie miteinander fort, bis sie genug hatten, dann sangen die Mädchen, auf Befehl der Königin, allerlei Melodien, und Bedr Basim glaubte, der ganze Palast tanze vor Entzücken mit ihm herum, sein Verstand war gefesselt, seine Brust dehnte sich aus, er vergaß, daß er in der Fremde war und dachte: diese Königin ist eine schöne Frau, ich werde mich nie von ihr trennen, ihr Reich ist größer als das meinige und sie ist noch schöner als Djauharah.

Als es Abend wurde, wurden Lampen und Wachskerzen angezündet und der Saal mit allerlei Räucherwerk angefüllt, und sie tranken wieder, beim Gesang der Mädchen, bis sie vom Wein erhitzt waren. Die Königin entließ dann die Mädchen und schlief an der Seite Bedr Basims bis zum Morgen. Als sie erwachten, ging sie ins Bad, dann wurde wieder wie am vorhergehenden Tage gegessen, getrunken und gesungen, und so ging es vierzig Tage lang fort. Da fragte ihn die Königin: »Gefällt es dir hier besser oder ihm Laden deines Onkels?« Er antwortete: »Bei Gott, hier ist es schöner, mein Onkel ist ja nur ein Bettler, der Grünes verkauft.« Die Königin lachte und legte sich wieder nieder und Bedr Basim schlief an ihrer Seite. Als er aber des Morgens erwachte, war die Königin nicht mehr neben ihm, er wartete eine Weile und als sie nicht kam, wurde es ihm unheimlich, er zog sich an, suchte sie, fand sie aber nirgends. Er dachte: sie ist vielleicht in den Garten gegangen und eilte dahin. Da sah er am Ufer eines fließenden Baches einen Baum, auf welchem Vögel von verschiedenen Farben saßen, und er bemerkte, ohne von den Vögeln gesehen zu werden, wie ein schwarzer Vogel einen weißen wie eine Taube mit dem Schnabel fütterte und liebkoste und nach einer Weile verwandelte sich der weiße Vogel in die Königin Lab. Bedr Basim schloß daraus, daß auch der schwarze Vogel ein verzauberter Mensch sei, welchen die Königin liebte, und er wurde eifersüchtig und aufgebracht gegen sie. Er kehrte dann wieder auf sein Lager zurück, und als bald darauf die Königin kam und ihn küßte und mit ihm scherzte, sprach er, vor Erbitterung über sie, kein Wort mit ihr, sie merkte bald, was in ihm vorging, und zweifelte nicht daran, daß er sie bei ihrem Verfahren mit dem schwarzen Vogel beobachtet habe. Sie äußerte sich jedoch nicht darüber und als er sie bat, ihm zu gestatten, seinen Oheim zu besuchen, den er in vierzig Tagen nicht gesehen, sagte sie: »Geh, komme aber bald wieder, denn ich halte es keine Stunde ohne dich aus.«

Bedr Basim ritt nach dem Laden des Gemüsehändlers, der ihn freundlich bewillkommte und umarmte und fragte, wie es bei dieser Ungläubigen gehe. Er erzählte ihm, daß es ihm bisher gut gegangen, fügte aber hinzu, was sich diesen Morgen zugetragen hatte. Der Alte sagte hierauf: »Nimm dich vor ihr in acht! denn alle Vögel, die du auf den Bäumen gesehen, sind ehemalige Liebhaber von ihr, die sie verzaubert hat; der schwarze Vogel, den du gesehen, war einer ihrer Mamelucken, den sie leidenschaftlich liebte und den sie verzaubert hat, weil er seine Blicke auf eine Sklavin geworfen, doch sehnt sie sich noch oft nach ihm und nimmt dann selbst die Gestalt eines Vogels an, um sich mit ihm zu unterhalten. Da sie nun weiß«, fuhr der Alte fort »daß dieses Verhältnis dir kein Geheimnis mehr ist, so ist sie dir auch nicht mehr gut, doch fürchte nichts, solange ich hinter dir stehe, denn ich bin ein Gläubiger und heiße Abd Allah (Diener Gottes) und bin Meister in der Zauberkunst, mache aber nur zur Zeit der Not Gebrauch davon, habe aber auch schon viele Leute vor dem Zauber dieser Verruchten bewahrt, denn sie vermag nichts gegen mich und fürchtet sich sehr vor mir, ebenso alle Bewohner dieser Stadt, die, wie sie selbst, statt des allmächtigen Herrn, das Feuer anbeten. Komme morgen zu mir und sage mir, was sie gegen dich vornehmen will, denn sie geht gewiß damit um, dich zu verderben, ich werde dir aber die Mittel angeben, ihr Vorhaben zu vereiteln.«