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Dieser Band enthält folgende Bergromane: Anna Martach: Unsere Liebe wäre perfekt, gäbe es da nicht zwei Probleme Robert Gruber: Glückslawine unter hohen Gipfeln Robert Gruber: Mein Retter in den hohen Bergen Marianne stand auf der Kuppe des Berges und ließ den kalten Wind durch ihre Haare fahren. Die grauen Wolken hingen tief über den Gipfeln, als ob sie die Erde drücken wollten. Die untergehende Sonne tauchte den Schnee in ein seltsames, orangefarbenes Leuchten. Es war malerisch, doch für Marianne war dieser gleichgültige Anblick belastend. In ihrem Herzen tobten Schmerz und Verzweiflung. 'Wozu noch leben,' dachte sie. 'Felix hat mich verlassen, und ich kann diesem Kind nichts bieten...' Ihre Tränen vermischten sich mit den Schneeflocken, die jetzt dichter fielen. Über Wochen hatte sie überlegt, doch dieser einsame Punkt in der Wildnis war ihr Ausweg. Sie wusste, wenn sie weiterginge, würde die Kälte den Rest erledigen.
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Seitenzahl: 206
Veröffentlichungsjahr: 2025
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3 Wunderbare Heimatromane aus der Bergwelt April 2025
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Unsere Liebe wäre perfekt, gäbe es da nicht zwei Probleme
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Glückslawine unter hohen Gipfeln: Bergroman
Mein Retter in den hohen Bergen: Bergroman
Dieser Band enthält folgende Bergromane:
Anna Martach: Unsere Liebe wäre perfekt, gäbe es da nicht zwei Probleme
Robert Gruber: Glückslawine unter hohen Gipfeln
Robert Gruber: Mein Retter in den hohen Bergen
Marianne stand auf der Kuppe des Berges und ließ den kalten Wind durch ihre Haare fahren. Die grauen Wolken hingen tief über den Gipfeln, als ob sie die Erde drücken wollten. Die untergehende Sonne tauchte den Schnee in ein seltsames, orangefarbenes Leuchten. Es war malerisch, doch für Marianne war dieser gleichgültige Anblick belastend. In ihrem Herzen tobten Schmerz und Verzweiflung.
'Wozu noch leben,' dachte sie. 'Felix hat mich verlassen, und ich kann diesem Kind nichts bieten...'
Ihre Tränen vermischten sich mit den Schneeflocken, die jetzt dichter fielen. Über Wochen hatte sie überlegt, doch dieser einsame Punkt in der Wildnis war ihr Ausweg. Sie wusste, wenn sie weiterginge, würde die Kälte den Rest erledigen.
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Bergroman von Anna Martach
„Nein, danke schön, das schaffe ich allein.“ Elisabeth Kannegießer, die neue Angestellte der Gaststätte „Zum Löwen“, die gleichzeitig auch Restaurant und Hotel unter einem Dach vereinte, trug ihre Reisetasche allein ins Zimmer, ohne die Hilfe von Daniel, dem Pagen, in Anspruch zu nehmen. Die schöne blonde Frau war neu in St. Johann. Sepp Reisinger hatte über mehrere Anzeigen jemanden gesucht, der nicht nur bereit war, die zunehmende Büroarbeit auf sich zu nehmen; diese Person sollte auch in der Lage seien, an der Rezeption auszuhelfen und sich ab und zu um die Extrawünsche der Kunden zu kümmern. Nach Ansicht des Pfarrers von St. Johann, Sebastian Trenker, handelte es sich bei einer solchen Person um eine Eier legende Wollmilchsau, gleichzusetzen mit einem Wolpertinger - schlicht und einfach unmöglich, weil - ein Fabelwesen.
Aus St. Johann und Umgebung hatte sich auch niemand gefunden, der diesen anstrengenden Dienst auf sich nehmen wollte, doch tatsächlich meldete sich eine junge Frau aus München. Elisabeth Kannegießer konnte hervorragende Zeugnisse vorweisen, war jedoch seltsam wortkarg, als der Sepp sie fragte, warum sie unbedingt in den kleinen Ort wechseln wollte, wo sie mit ihren Referenzen als Hotelfachkraft überall in großen Häusern eine Anstellung finden würde.
„Ich hab dafür persönliche Gründe“, hatte sie ruhig gesagt. „Bitte, sind Sie mir net böse, aber das möchte ich gern für mich behalten. Ich kann und will arbeiten, und ich habe auch keine Probleme, wenn es mal ein bisserl mehr wird.“
Das war Musik in den Ohren vom Reisinger, er hatte keine weiteren Fragen, dafür aber eine neue Angestellte.
Lisa, wie Elisabeth meist nur gerufen wurde, hatte sich vorgenommen, ein neues Leben anzufangen, und viel Arbeit war in diesem Fall sicher die beste Medizin, um alles, was vorher war, vergessen zu machen.
Sie schaute sich um. Ihr Zimmer war gemütlich und freundlich, der Empfang im Hause herzlich. Eigentlich sollte ihr Dienst erst am Montag beginnen, heute war Freitag, doch sie war der Meinung, dass es nicht schaden konnte, sich schon mal mit dem zukünftigen Arbeitsplatz vertraut zu machen.
So kam es, dass sie schon gut eine halbe Stunde später in der Gaststube auftauchte, wo sie endgültig den Respekt vom Sepp erlangte, als sie ohne große Umstände ein Tablett nahm, um beim Servieren zu helfen.
Das vornehme Auto hielt mitten auf der Straße, und eine Dame stieg vom Rücksitz, unterstützt von einem jungen Mann mit braunen Haaren und einem fröhlichen Gesicht.
„Komm, Tantchen, das sind nur ein paar Schritte, und niemand wird dich sehen“, sagte er und bot ihr weiterhin galant die Hand.
„Jeder wird mich erkennen und sich fragen, warum ich so schauerlich aussehe“, fuhr sie ihn ungnädig an, doch er ließ sich durch ihren offensichtlichen Unmut nicht beeindrucken.
„Ach, nun stell dich nicht so an. Du bist in jeder Lage und mit jedem Aussehen eine wunderbare Frau, Tante Theresa. Du solltest stolz darauf sein, wenn dich alle erkennen.“
Nur bei näherem Hinsehen war zu erkennen, dass die Haut der etwa fünfzigjährigen Frau hässliche Pusteln und Flecken aufwies, die jedoch durch eine gute Kosmetik überdeckt worden waren.
Diese Frau war Theresa Semler, eine bekannte und beliebte Schauspielerin am Theater, die seit Jahren von vielen Menschen geschätzt wurde. Sie war im Grunde eine patente und klug Frau, die nur selten Starallüren zeigte. Doch seit fast zwei Monaten wurde sie von diesem hartnäckigen und hässlichen Ausschlag geplagt, der sie regelrecht unleidlich machte.
Der junge Mann an ihrer Seite war ihr Neffe Hannes, der die Arbeit als persönlicher Assistent, Sekretär, Berater und was auch immer ausübte. Er nahm ihre kleinen Schrullen mit Humor, besaß eine schier unendliche Geduld und war in seiner Arbeit ungeheuer tüchtig. Seiner Tante zu Liebe hatte er seine Arbeit in einer Bank aufgegeben, und diese Entscheidung hatte er bis heute nicht bereut.
Theresa hatte nach dem ersten Auftreten ihrer Krankheit sofort ihren besonderen Doktor konsultiert, der ihr jedoch nicht weiterhelfen konnte. Nun war Dr. Huber in Wirklichkeit kein Mediziner, sondern hatte seinen Doktor in Semantik gemacht, doch ein hastig absolvierter Kursus in Homöopathie befähigte ihn wenigstens, den menschlichen Körper zu erkennen. Und ein Doktortitel machte sich immer gut.
Doch er hatte in diesem Fall nicht weiter geholfen, nicht helfen können. Statt die Frau nun aber zu einem ordentlichen Arzt zu schicken, hatte er ihr eingeredet, dass nur ein Mann ihr helfen konnte - Alois Brandhuber in St. Johann, der Wunderheiler.
Das war der Grund, warum die Schauspielerin nun hier einkehrte. Hannes hatte Zimmer vorbestellt, und als Dame von Welt kam für sie nur das erste Haus am Platz infrage, das Hotel „Zum Löwen“, das gehobene Hotellerie zu bieten hatte.
Einige Leute auf der Straße blicken sich tatsächlich nach der ungewöhnlichen Frau um, doch niemand sprach sie an.
Im Gastraum saßen drei Männer am Stammtisch und unterbrachen kurz ihr Gespräch, einige andere Gäste tuschelten, offenbar hatte man Theresa Semler erkannt.
Hannes ging zielstrebig zum Tresen, wo Sepp Reisinger eifrig Gläser spülte.
„Semler ist mein Name, Grüß Gott. Ich habe Zimmer vorbestellt...“
„Ach, richtig, zum Hotel haben Sie aber den falschen Eingang, doch das macht nix. Grüß Gott auch, willkommen in St. Johann. Ist das Ihr erster Besuch hier? Dann will ich doch hoffen, dass Sie sich wohl fühlen werden. Kommen S', ich zeige Ihnen den Weg.“
Er warf Theresa einen milde neugierigen Blick zu und streckte die Hand aus.
„Herzlich willkommen, gnädige Frau. Wir werden alles tun, um Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Unsere Lisa wird sich darum kümmern, dass Ihnen jeder Wunsch erfüllt wird.“
Theresa wusste, was sie sich und ihrem Ruf schuldig war, sie erhob sich von den Stuhl, auf den sie sich gesetzt hatte, und schenkte dem Mann ein strahlendes Lächeln.
„Ich bin sicher, es wird mir gefallen.“
Sepp führte seine Besucher bis zur Rezeption, wo Lisa gerade eifrig in einer Akte schrieb. Sie war ganz vertieft in ihre Arbeit, blickte dann aber hoch und sah unvermittelt in das Gesicht von Hannes Semler. Zarte Röte färbte ihre Wangen. Er starrte sie an wie eine Erscheinung. Ihm gefiel augenblicklich, was er sehen konnte.
Schulterlange blonde Haare umrahmten ein schmales regelmäßiges Gesicht, aus dem leuchtend blaue Augen jetzt etwas verlegen in die Welt starrten.
„Oh, Entschuldigung, grüß Gott, meine Herrschaften. Herzlich willkommen in St. Johann.“
„Schön, Sie kennen zu lernen...“, sagte Hannes und strahlte die Frau an. Erwartete, dass sie ihren Namen nannte.
„Lisa Kannegießer, aber Sie können natürlich Lisa zu mir sagen. Ich werde zusehen, dass Ihr Aufenthalt zu einem unvergesslichen Erlebnis wird.“
Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht, und sie fühlte sich seltsamen zu diesem Fremden hingezogen. Sie war jetzt seit zwei Wochen hier und fühlte sich ausgesprochen wohl, auch wenn sie noch wenig Kontakt zu anderen Menschen pflegte. Eigentlich fand in St. Johann jedermann Anschluss oder wenigstens Bekannte, mit denen die Freizeit verbracht werden konnte. Lisa ging wie die meisten Einwohner der Gemeinde zur Kirche, aber nicht einmal Pfarrer Sebastian Trenker, der gute Hirte von St. Johann, vermochte etwas über sie zu erfahren. Auffällig schien jedoch, dass sie jeden Tag lange Telefongespräche führte, nach denen sie manchmal ausgesprochen deprimiert wirkte.
Sepp Reisinger hatte versucht, sie zum Reden zu bringen, aber Lisa hatte sich der freundschaftlichen Annäherung entzogen. Es war dies das erste Mal, dass sie mehr als ein professionelles Lächeln zeigte, aber ihre Miene verschloss sich sofort wieder.
Hannes bemerkte den Rückzug, und er war enttäuscht. Hatte etwas falsch gemacht? Diese junge Frau gefiel ihm auf den ersten Blick, und er würde gern eine nähere Bekanntschaft pflegen, aber vielleicht war es auch noch zu früh dafür.
Seine Tante zog seine Aufmerksamkeit wieder voll auf sich, als sie im auftrug, dafür zu sorgen, dass ihrem Gepäck nichts passierte. Ein letzter Blick auf die bezaubernd schöne Frau, dann hatte Hannes wieder mehr als genug zu tun.
„Frau Tappert, ich möchte mit den Buben aus dem Hubertusbrunn einen Ausflug auf die Kandereralm machen.“ Pfarrer Trenker kam in die Küche des Pfarrhauses und schaute seiner Haushälterin bittend an.
„Und ich soll für die Bande die Brotzeit richten?“, fragte die Haushälterin, deren Kochkünste überall berühmt waren. „Wie viele Buben werden es denn sein?“, erkundigte sie sich gutmütig.
„Sagen wir mal, ein gutes Dutzend„, schmunzelte Trenker, der recht gut wusste, dass die gute Seele ohnehin so viel vorbereiten würde, dass auch noch mehr Teilnehmer versorgt werden konnten. „Morgen früh geht es dann los.“
„Weiß denn der Franz schon Bescheid? Dann kann er die Jungen gleich in die Arbeit nehmen, dann lernen die mal das anpacken.“
„Frau Tappert“, rief er gespielt empört. „Die Kinder sind hier, um Urlaub zu machen.“
„Das eine schließt doch das andere net aus“, gab sie trocken zurück. „Das täte selbst unser Herrgott sagen, Hochwürden, schließlich war unser Herr Jesus Zimmermann im alten Galiläa.“
Er schaute sie verblüfft an. „Geht es Ihnen gut, Frau Tappert?“, erkundigte er sich dann behutsam.
„Freilich geht es mir gut, wie sollte es mir auch anders gehen?“
Jetzt begann der Pfarrer sich ernsthafte Sorgen zu machen. Die gute Seele des Pfarrhauses schien in einer Krise zu stecken. Hatte er vielleicht manches als zu selbstverständlich hingenommen? Frau Tappert war eigentlich immer im Dienst, ebenso wie er selbst, sie hielt das Haus in Ordnung, sorgte täglich für ein hervorragendes Essen und verwöhnte die Gäste rundum, wie auch den Pfarrer selbst.
„Brauchen Sie vielleicht ein paar Tage Urlaub?“, fragte er vorsichtig und zuckte förmlich vor dem zornigen Blick zurück.
„Ich brauche keinen Urlaub net“, erklärte sie kategorisch.
„Kann ich sonst etwas für Sie tun?“
„Hochwürden, es gibt nix zu tun. Ich weiß gar nicht, was Sie im Moment haben. Also, ich werde die Brotzeit für die Buben vorbereiten, dann können Sie morgen aufsteigen.“
Nachdenklich ging der Pfarrer in sein Arbeitszimmer und beschloss, mit seiner Sonntagspredigt anzufangen, um danach noch auf eine Maß in den „Löwen“ zu gehen.
Rein zufällig fiel sein Blick auf den Terminkalender, auf dem für heute nichts eingetragen war - bis auf eine kleine Randnotiz, die er fast übersehen hatte. Geburtstag Tappert, stand da, und er schlug sich an die Stirn.
Wie hatte er das nur vergessen können? Seit Jahren war es ihm nicht mehr passiert, dass er einen so wichtigen Tag übersehen hatte. Wie hatte ihm nur ein solcher Fehler unterlaufen können? Kein Wunder, dass die Haushälterin so unleidlich wirkte. Normalerweise wäre er schon in der Frühe mit Blumen und einem Geschenk aufgetaucht. Jetzt hatte er so getan, als wäre es ein Tag wie jeder andere.
Ein Schmunzeln zog über das attraktive Gesicht des Geistlichen. Er würde Frau Tappert auch weiterhin im Glauben lassen, diesen Termin vergessen zu haben. Aber insgeheim wollte er dafür sorgen, dass noch eine Überraschungsparty zu Stande kam, wie sie die gute Frau Tappert noch nicht erlebt hatte.
Fröhlich schrieb er die ersten Zeilen seiner Predigt in das Buch, das er stets für seine Predigten benutzte, und dann machte er sich auf den Weg, um seinen Bruder Max in der kleinen Polizeistation aufzusuchen.
Max Trenker lachte seinem Bruder jedoch aus. „Was, du hast tatsächlich ihren Geburtstag vergessen? Unglaublich. Ich habe natürlich schon ein Geschenk. Mit der Frau Tappert mag ich es nicht verderben, die lässt mich sonst womöglich verhungern.”
Wohlig strich er sich über dem Bauch.
„Ein schöner Bruder bist du“, schimpfte Sebastian gutmütig. „Hättest ja auch mal was sagen können.“
„Ich? Hochwürden etwas sagen? Niemals“, lachte Max fröhlich auf.
„Also gut, ich hab's vergessen, aber da lässt sich bestimmt noch was tun.” Sebastian erläuterte seinen Plan und fand die Zustimmung von Max.
„Ich sage der Claudia Bescheid, dann werden wir uns schon darum kümmern, dass alles zusammenkommt. Die Frauen sind im organisieren ganz groß, und wenn so etwas aus heiterem Himmel kommt, dann haben sie erst richtig Spaß, auch wenn sie das nicht zugeben.”
Nachdem er hier schon einmal etwas in die Wege geleitet hatte, konnte der Pfarrer zum Löwen hinübergehen und bei einem Bier die nächsten Gäste für Überraschungsparty einladen.
Obwohl Dr. Toni Wiesinger längst nicht bei allen Einwohnern von St. Johann anerkannt wurde, war das Wartezimmer meist gerammelt voll. Der Herbst hatte Einzug gehalten, und mit ihm kamen die ersten Erkältungskrankheiten. So wurde das gut gefüllte Wartezimmer aber auch zur Zentrale für Klatsch und zum Ausgangspunkt zahlreicher Gerüchte.
Auch Maria Erbling, die Ehefrau des Posthalters und Klatschtante vom Dienst, hatte ernste Beschwerden, so zumindest erzählte sie es jedem, wer es hören wollte - oder auch nicht. Doch Krankheiten waren beileibe nicht das einzige Thema, über das hier gesprochen wurde. Ein Dauerbrenner war mit Sicherheit die Wahl des neuen Bürgermeisters, der nach dem unrühmlichen Abgang von Markus Bruckner aus der Stadt gekommen und ohne Umschweife gewählt worden war.
Franz Brandner passte nicht nach St. Johann, doch es gab erstaunlich viele, die ihn dennoch unterstützten. Zwangsläufig kam das Gespräch auch auf die neuen Einwohner, die Familie Cordes mit ihren vier Kindern zum Beispiel, und nicht zuletzt Lisa Kannegießer, über die niemand wirklich etwas wusste.
„Hat sie denn keine Zeugnisse vorgelegt, als der Sepp sie eingestellt hat?”, fragte Maria neugierig.
„Na, freilich, ganz besonders gute sogar”, sagte Anni Moser, die als Aushilfe im „Löwen” arbeitete, wenn Not am Mann war. „Aber erstens erzählt mir der Sepp nix darüber, weil es mich ja eigentlich nix angeht, und zweitens redet Lisa selbst nicht viel, schon gar net darüber, was sie vorher gemacht hat.”
„Aber aus München ist sie gekommen, das war richtig, oder?”, forschte Maria ohne Hemmungen.
„Ja, das schon. Und sie muss eine gute Ausbildung gehabt haben, die kann einfach alles. Ob es nun der ganze Bürokram ist, der jeden Tag aufs neue anfällt, oder die Arbeit, die sonst eine Hausdame macht - Lisa kann einfach alles. Und sie hat auch keine Scheu, mit anzufassen und sich mal die Hände schmutzig zu machen.”
Das war nicht unbedingt das, was Maria wissen wollte. Sie lechzte nach möglichst schrecklichen Einzelheiten, wie je skandalöser, um so besser.
„Ich finde es trotzdem merkwürdig, dass die Lisa wie aus dem Nichts auftaucht und irgendwo oder irgendwie alles hinter sich gelassen hat. Kein Mensch tut so etwas, ein jeder hat eine Vergangenheit.” Ihre Worte hatten den gewünschten Erfolg, denn Anni schüttelte den Kopf.
„Nun, so ist es nun auch nicht. Die Lisa muss schon noch Bekannte oder Freunde haben, denn sie telefoniert ja ziemlich oft. Täglich eigentlich, aber man ist ja nicht neugierig, und zu fragen gehört sich auch net.” Anni war von ihren Eltern so erzogen worden, doch Maria sah das alles anders.
Die Ehefrau des Posthalters war eine wandelnde Gerüchteküche, und sie versäumte es niemals, Nachschub für den Klatsch zu sammeln. Lisa war momentan ihr bevorzugtes Ziel, Maria würde keine Ruhe geben, bis sie alles herausgefunden hatte, was es zu finden gab.
Für hier und heute schien das nicht besonders viel zu sein, doch Maria wäre nicht die Dorfratschn, wenn sie so schnell aufgeben würde.
„Und bist sicher, dass die Lisa nicht was Schreckliches zu verheimlichen hat? Ich will ja nix gesagt haben, aber merkwürdig ist das schon, wenn ein so junges Madl nix darüber erzählen mag, was vorher gewesen ist. Lange Telefonate, sagst du? Ist das nicht auch seltsam? Vielleicht solltest du mal versuchen, mitzuhören, was da so gesprochen wird.”
„Maria, nun langt es aber”, mischte sich Veronika Hamacher ein. „Du stellst die junge Frau fast als kriminell hin. Was soll denn das? Wenn alle so verschwiegen wären wie die Lisa gebe es weniger Gerede.”
„Ach, bist denn gar net ein bisserl neugierig? Das kannst du mir net erzählen”, fauchte Maria.
„Selbst wenn ich es wäre - dann würde schon der Anstand gebieten, mit der jungen Frau zu reden, statt über sie. Schämst du dich denn gar nicht?”
„Nein”, erklärte die Erbling ganz dreist.
Veronika seufzte. „Ist schon ein Kreuz mit dir, Maria, man könnte fast meinen, du lebst dafür, anderer Leute auszuspionieren.”
„Also, das ist doch wohl die Höhe”, fuhr Maria theatralisch auf. „Wie kannst mir sowas unterstellen? Ich sorge nur dafür, dass wir niemanden in unserer Mitte haben...„
„... dessen Leben kein offenes Buch ist”, schnitt ihr Veronika das Wort ab.
„Das muss ich mir nicht gefallen lassen”, erklärte Maria würdevoll und stand auf.
„Ich werde zurückkommen, wenn die Leute hier im Raum meine wertvollen Informationen zu schätzen wissen.” Sie rauschte hinaus und bekam nicht mehr mit, dass hinter ihr leises Gelächter im Wartezimmer ausbrach. Es gab manch einem dennoch zu denken, was Lisa Kannegießer nun wirklich zu verbergen hatte.
Die junge Frau, deren ungeklärte Herkunft in aller Munde war, ahnte nichts davon, dass man sie zum Gegenstand der allgemeinen Neugier gemacht hatte. Im übrigen wäre es ihr egal gewesen. Sie lebte ihr eigenes Leben, belästigte niemanden und wollte nicht belästigt werden. Doch der fesche Hannes ging er nicht aus dem Kopf. Es war schon lange her, dass sie überhaupt ein Mannsbild beachtet hatte, aber bei diesem hatte sie sofort eine ganz besondere Sympathie gespürt. Doch sie zuckte allein bei dem Gedanken daran zusammen. Auch damals, als sie Karsten kennen gelernt hatte, war dieses Gefühl so intensiv gewesen. Wie hatte die ganze Geschichte geendet? In einer Katastrophe, unter der sie heute noch zu leiden hatte. Oder nein, nicht unbedingt leiden.
Energisch rief sich Lisa zur Ordnung. Hannes Semler war ein Gast hier im Hause, ein besonderer Gast sogar, wenn man die Prominenz seiner Tante bedachte, und als solcher musste er behandelt werden. Nichts anderes.
Sie hatte an diesem Tag schon seit fünf Uhr in der Früh gearbeitet, und eigentlich konnte sie längst Feierabend machen, aber da war doch noch eine ganze Menge an Arbeit, die liegen geblieben war, und Lisa mochte so etwas nicht. Also überprüfte sie den Wäschevorrat, machte sich Notizen, was nachbestellt werden musste, und saß dann noch an der Rezeption, um Rechnungen für das Finanzamt in das Buchhaltungsprogramm zu übertragen.
„Ich hatte gehofft, Sie wieder zu sehen. Und siehe da, ich habe Glück.”
Lisa schrak zum zweiten Mal an diesem Tag aus ihren Gedanken auf und blickte erneut in die fröhlich funkelnden Augen von Hannes Semler.
„Haben Sie einen besonderen Wunsch? Dann kann Ihnen jeder hier im Haus sicher weiterhelfen”, erwiderte sie zurückhaltend.
„Nein, das glaube ich nicht, denn ich wollte nur Sie etwas fragen.”
„Ja, bitte?” Das klang unverbindlich, und er fühlte sich unwillkürlich zurückgestoßen, wollte aber jetzt nicht aufgeben.
„Ich wollte Sie fragen, ob Sie mit mir essen gehen”, stürzte er sich unverblümt in ein Abenteuer.
Sie wurde rot, senkte den Kopf und schüttelte ihn dann. „Angestellte dürfen nicht privat mit den Gästen verkehren”, lehnte sie ab.
„Ich bin sicher, dass Ihr Chef nichts dagegen hätte.” Hannes ließ nicht locker.
„Ich - ich möchte das nicht”, flüsterte Lisa, doch der Ausdruck in ihren Augen strafte ihre Worte Lügen.
Er beugte sich vor, suchte ihren Blick. „Habe ich Ihnen etwas getan? Habe ich Sie verletzt? Das würde ich auf keinen Fall wollen. Aber ich würde Sie wirklich gern kennen lernen, Lisa.”
Sie schüttelte noch einmal wild den Kopf.
„Wovor haben Sie Angst?”, fragte er verblüfft, als ihm klar wurde, wie er ihre Abwehr zu deuten hatte.
„Ich habe keine Angst - vor nichts und niemandem”, stieß sie hervor. Er vermeinte Tränen in ihren schönen blauen Augen zu sehen, konnte sich davon jedoch nicht überzeugen, denn sie sprang auf und rannte davon.
„Was habe ich denn getan?”, fragte sich Hannes, und er fand keine Antwort darauf. Bevor er noch länger darüber nachdenken konnte, wurde seine Aufmerksamkeit von seiner Tante in Anspruch genommen.
„Ich werde jetzt in diesem Alois Brandhofer aufsuchen”, verkündete Tante Theresa, die unbemerkt die Treppe heruntergekommen war.
„Brandhuber”, verbesserte Hannes automatisch.
„Wie auch immer. Ich hatte diesen Menschen angerufen, damit er hierher kommt. Das hat er abgelehnt. Stell dir das nur mal vor. Abgelehnt.”
„Ja, unglaublich”, murmelte Hannes und dachte noch immer über Lisa nach.
„Ich glaube, mein lieber Neffe, du hast heute ziemlich plötzlich deinen Kopf verloren. Das ist kein guter Zustand. Mir ist dieses Mädchen wohl aufgefallen, lade sie zum Essen ein, um erst einmal feststellen, ob sie einen zweiten Gedanken wert ist.”
„Das habe ich schon. Sie eingeladen, meine ich. Sie hat abgelehnt.”
„Nun, dann scheint sie wenigstens zu wissen, wo ihr Platz im Leben ist. Du solltest dankbar dafür sein.”
Damit war das Thema für Theresa abgeschlossen. Als sie an einem Spiegel vorüberging, zuckte sie förmlich zusammen, warf dann aber stolz den Kopf in den Nacken. Hannes seufzte. Seine Tante würde sich wohl nie ändern.
Es war gar nicht so einfach, all die Leute ins Pfarrhaus zu bringen, wie Pfarrer Trenker sich das gedacht hatte. Das wäre einfach viel zu auffällig. Er kann daher auf eine andere Idee. Die Gäste kamen in die Kirche. Hier wollte er provisorisch eine Feier ausrichten. Nur einen winzigen Augenblick lang hatte er darüber nachgedacht, ob es angemessen war, aber dann lächelte er. Der liebe Gott hatte ihnen allen das Leben geschenkt, da war es nur recht und billig, auch in seinem Angesicht den Geburtstag zu feiern.
Max und seine bezaubernde Frau Claudia, die guter Hoffnung war, hatten es auf sich genommen, alles zu arrangieren. Blitzschnell wurden im Vorraum zum Kirchenschiff die Tische leer geräumt, auf denen Bibeln, Bücher und verschiedene Prospekte lagen. Ein paar Tischdecken, Kerzen, improvisierte Salate, Kuchen, und noch vieles andere mehr zum Dekorieren zauberten in kurzer Zeit eine ganz besondere Geburtstagsatmosphäre.
Der Pfarrer strahlte über das ganze Gesicht. So wurde aus dem vergessenen Geburtstag noch noch ein ganz besonderes Fest. Als er sah, dass alles fertig war, ging Trenker hinüber ins Pfarrhaus, wo Frau Tappert eifrig damit beschäftigt war, alles für den nächsten Tag herzurichten.
„Ich hab da ein Problem, Frau Tappert. Wollen Sie mal eben mitkommen?”
„Ach, Hochwürden, ich hab aber noch so viel zu tun. Holen Sie sich doch dem Küster dazu...”
„Nein, ich brauche unbedingt Ihre Hilfe”, beharrte er.
Sie wischte sich die Hände ab und setzte ein strenges Gesicht auf. „Aber wehe, es ist nicht wichtig, Hochwürden.”
Es schmunzelte und führte die Hauswirtschafterin zur Kirche.
„Ach, herrjeh, habe ich am End was vergessen?”, fragte sie plötzlich aufgeregt.
Sie begann an den Fingern aufzuzählen. „Den Staub habe ich gewischt, die Glasscheiben sind geputzt, der Boden ist...”
„Jetzt ist es aber genug, Frau Tappert”, rügte der Pfarrer. „Ich habe Sie doch nicht hergebeten, um über mögliche Versäumnisse zu reden, die bei Ihnen ohnehin nicht passieren. Also bitte, nun kommen Sie schon.”
Sie war jetzt etwas verwirrt. Was ging hier nur vor? Sie folgte dem Pfarrer kopfschüttelnd.
Im Innern der Kirche war es schon dunkel, automatisch ging die Frau in Richtung Lichtschalter, doch Trenker fasste sie beim Arm.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, meine Liebe.”
Im gleichen Augenblick flammte das Licht auf, und Frau Tappert wurde förmlich überrannt von Gratulanten.
„Ach, Kinder, ist das aber lieb”, schluchzte sie gerührt. „Und ich hab schon fast geglaubt, der Herr Pfarrer hätte mich vergessen, obwohl Hochwürden doch sonst immer...”
„Meine liebe Frau Tappert, wie könnt ich...”, er unterbrach sich, „... nicht dafür sorgen, dass dieser Tag für Sie zu etwas Besonderem wird?”
Sebastian Trenker fing einen Blick seines Bruders auf und lächelte. Das war noch einmal gut gegangen.
Alois Brandhuber genoss in St. Johann einen ganz eigentümlichen Ruf. Es gab Leute, die schworen auf seine Tropfen, Salben und Tinkturen, die allesamt aus heimischen Kräutern und Gewächsen bestanden. Für einige leichte Krankheiten mochte das auch wirklich eine gute Wahl sein, doch schwer wiegende Erkrankungen sollte besser der Arzt behandeln. Denn allzu leicht konnte zwischen den relativ harmlosen Kräutern auch mal ein Giftiges in falscher Dosierung sein, und die daraus folgenden Nebenwirkungen konnten sich als schlimmer erweisen als die Krankheit selbst.
Aber was das anbetraf war der Alois nicht nur hartnäckig, sondern sogar stur. Er behauptete fest, er habe für jede Krankheit das richtige Kraut zur Hand, und er ließ sich auch nicht davon abbringen, als Pfarrer Trenker ihm Vorhaltungen machte, weil einige der Pflanzen tatsächlich hochgiftig waren.
„Die Dosis macht das Gift”, zitierte der Brandhuber Paracelsus und fuhr fort, Eisenhut und sogar Schierling zu verwenden. Auch Max Trenker wusste darüber Bescheid, was der Brandhuber tat, doch solange es niemanden gab, der sich darüber beschwerte, konnte der Polizist nicht einschreiten und dem Alois sein Handeln verbieten.
Gerade ältere Leute, die von allen möglichen Zipperlein geplagt wurden, hatten zum Brandhuber mehr Vertrauen als zu dem tüchtigen Toni Wiesinger, der als Landarzt in seiner Praxis gute Erfolge zu verzeichnen hatte.
Ausgerechnet zum Brandhuber, der gerade in den eher obskuren Praxen seine Empfehlungen hinterließ, wollte Theresa Semler. Es wäre ein Leichtes gewesen, schon in München einen Arzt aufzusuchen, aber das wäre Theresa niemals in den Sinn gekommen. Für sie konnte es nur jemanden geben, den ihr eigener Doktor empfahl, und sei es auch der falsche.
Die attraktive Schauspielerin saß nun dem Wunderheiler in seiner guten Stube gegenüber und berichtete von ihren Beschwerden. Hannes, der sie begleitete, machte ein missmutiges Gesicht. Er zeigte sich mit diesem Vorgehen absolut nicht einverstanden, war aber mit all seinen Vorhaltungen am Starrsinn seiner Tante gescheitert.
Theresa berichtete von ihrem Hautausschlag und sah, wie der ältere Mann lächelte.
„Das ist nix schlimmes, ich denke, wir werden das bald schon wieder richten”, erklärte er bestimmt.
„Tante, wie kannst du nur? Du weißt doch gar nicht, was er dir geben will, vielleicht ist das Mittel sogar schädlich für dich.” Hannes nahm kein Blatt vor den Mund, er hielt auch nichts davon über andere zu reden, der Brandhuber sollte ruhig hören, dass er mit seinen Methoden nicht einverstanden war.
„Papperlapapp, Junge, das verstehst du nicht. Mir haben die natürlichen Mitteln immer gut geholfen, und ich halte gar nichts davon, meinen Körper mit irgendwelchen Chemikalien voll zu stopfen. Ich bin sicher, was Herr Brandhuber mir empfiehlt, wird auch helfen.”
Sie bezahlte ohne zu murren, obwohl Hannes den Preis als schlichtweg unverschämt empfand. Triumphierend verließ Theresa das kleine Haus.
„Du wirst sehen, in ein paar Tagen bin ich wieder ganz die alte”, sagte sie voller Zuversicht.