7 Menschen auf Jesu Weg zur Hinrichtung -  - E-Book

7 Menschen auf Jesu Weg zur Hinrichtung E-Book

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Beschreibung

"Wenn wir uns auf die Menschen einlassen, die Jesus auf seinem Weg zur Hinrichtung begleiten, werden wir selbst zu Passionsfiguren." Seit 2019 werden die Herzogenrather Passionspredigten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Immer steht die Predigtreihe unter einem gemeinsamen Thema. Nach den 7 Todsünden und den 7 Worten Jesu am Kreuz setzten sich 2021 die Predigenden mit 7 Menschen auseinander, die Jesus auf dessen Weg zur Kreuzigung begegneten.

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Seitenzahl: 66

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Wenn wir uns auf die Menschen einlassen, die Jesus auf seinem Weg zur Hinrichtung begleiten, werden wir selbst zu Passionsfiguren.

Inhalt

Vorwort

Nikodemus

Pilatus

Maria

Petrus

Magd mit unbekanntem Namen

Römischer Hauptmann

Judas

Vorwort

Im 19. Jahrhundert kam die Rede auf, dass die Evangelien nichts anderes als lange Passionsgeschichten sind. Alle Erzählungen, Gleichnisse und Spruchsammlungen laufen auf das Ziel hinaus, von Jesu Leiden und Sterben zu erzählen. Dabei sind natürlich auch die Zeuginnen und Zeugen wichtig, die Jesus auf den Weg zur Hinrichtung begegnen. In der diesjährigen Herzogenrather Passionspredigtreihe haben sich sieben Predigerinnen und Prediger exemplarisch mit sieben Menschen beschäftigt, die Jesus hinauf nach Jerusalem begleiten.

Mit Nikodemus stellt Jochen Remy einen Menschen vor, der auf der Suche nach Wahrheit ist und Jesus von Nazareth unvoreingenommen begegnet. Damit schert Nikodemus aus dem ansonsten eher monolithisch erscheinenden Block der Pharisäer und Religionsverwalter aus und zeigt sich als nachdenklicher und offener Mensch für die neue Bewegung und für eine neue Rede von Gott. Damit kann Nikodemus vielen heutigen Menschen, die sich mit Jesus beschäftigen, zur Identifikationsfigur werden. Der Weg zum Glauben geschieht oft schrittweise und ist sehr individuell.

Erhard Lay begibt sich auf die Spuren von Pontius Pilatus. Anhand des römischen Akteurs in der Passionsgeschichte zeichnet er die politischen und religiösen Verhältnisse in Jerusalem nach, fragt nach der Historizität der Kreuzigung und der beteiligten Personen und stellt deutlich heraus, dass allein die Römer die Macht hatten ein Todesurteil de jure zu vollziehen. In seiner Predigt weist Lay darauf hin, dass die Verurteilung Jesu zum Tode heilsgeschichtlich notwendig war und das letztlich in und durch die Kreuzigung Gott wirkt.

Mit den beiden Schwestern Maria und Marta, die gegensätzlicher in ihrem Verhalten nicht sein können, taucht sofort die Frage auf, wer nun von den beiden richtig gehandelt hat? Dr. Dirk Puder zeigt auf, dass richtig oder falsch, entweder – oder, schwarz oder weiß keine hilfreichen Kategorien sind für das Leben. Binäres Denken führt im Glauben, in der Gesellschaft und in der Kirche nicht weiter.

Was leistet Vertrauen? Diese Frage geht Renate-Fischer Bausch in ihrer Predigt über Petrus nach. Dabei schlägt sie einen existentiellen Weg ein. Sie sieht in Petrus einen Menschen, der im Untergang gerettet wird als er seinen Hilferuf Jesus entgegenschreit. Auch in unseren Ängsten dürfen wir auf Gottes Hilfe und Rettung hoffen.

Dr. Britta Schwering verleiht einer Frau ohne Namen ihre Stimme. Sie schlüpft ganz in diese Frau hinein, die Petrus als Jünger Jesu erkennt und ihn zur Rede stellt. Schwerings narrative Predigt löst Kopfkino aus. Ihre Fiktion erlaubt es, sich selbst als Person zu sehen, die sowohl das Aufdecken als auch das Ausweichen kennt.

In einem Gastbeitrag kreist Prof. Dr. Gregor Maria Hoff, katholischer Fundamentaltheologe aus Salzburg, um die Person des römischen Hauptmanns. Hoff zeichnet die Dramaturgie des Sterbens Jesu nach und betont die Umkehrung der Verhältnisse. „Die Auslöschung eines Menschen, führt dazu, dass er (der römische Hauptmann) in ihm den Menschen schlechthin erkennt.“

Das Bild von Judas ist aufs Engste mit der Geschichte von Jesu Sterben verbunden. Joachim Leberecht hellt das Bild von Judas auf, indem er von Judas als dem Schatten Jesu spricht. Judas Verrat wird dadurch nicht aufgehoben, er wird aber auch nicht für alle Zeiten verdammt. Leberecht stellt die Frage, ob eine neue Judasrezeption im Christentum nicht überfällig ist.

1 Nikodemus

Liebe Gemeinde,

stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie hätten eine erwachsene, unverheiratete Tochter, die seit kurzem einen neuen Verehrer hat.

Der junge Mann würde Ihren Nachwuchs zuhause abholen, und Sie stünden am Küchenfenster hinter der Gardine, um die Szene unbemerkt zu beobachten.

Sie würden sehen, mit welchem freudestrahlenden Lächeln er Ihre Tochter anschaut, sie in den Arm nimmt und nach Ihrem Geschmack etwas zu lange küsst. Anschließend würden die beiden in das Auto steigen und davonfahren. Sie beruhigt ein wenig der Aufkleber auf dem Heck seines Autos, der ihn als Fan Ihres Lieblingsfußballvereins ausweist.

Anschließend gingen Sie ins Wohnzimmer, wo Sie zu Ihren Beobachtungen befragt würden. Man möchte von Ihnen wissen, ob der junge Mann ein geeigneter Kandidat wäre, Vater Ihrer zukünftigen Enkelkinder zu werden. Die einzig mögliche Antwort wäre vermutlich ein Schulterzucken. Wie sollten Sie auch eine so weitreichende Frage auf Grundlage einer so punktuellen Beobachtung beantworten?

So ähnlich geht es uns häufig, wenn wir aus der Entfernung von zweitausend Jahren biblische Personen beobachten und uns entscheiden sollen, welche Relevanz diese Betrachtung für unser zukünftiges Leben hat.

Wenn man von einigen wenigen Hauptpersonen absieht, die häufiger in unseren biblischen Texten vorkommen, haben viele Protagonisten nur einen einzigen Auftritt. Wir erfahren etwas über sie in genau einer Situation; eine innere Entwicklung, eine Tiefe im Charakter wird man dann vergeblich suchen.

Bei unserer ersten Person in der diesjährigen Passionspredigtreihe ist dies etwas anders. Nikodemus, der dreimal im Johannesevangelium Erwähnung findet, zeichnet sich dadurch aus, dass sein Verhalten variiert. Und es ist diese Vielschichtigkeit, diese Komplexität, die ihm einen Vorbildcharakter im Glauben verleiht.

Zum ersten Mal begegnet er uns im dritten Kapitel des Johannesevangeliums.

1 Unter den Pharisäern gab es einen, der Nikodemus hieß. Er war einer der führenden Männer des jüdischen Volkes.

2 Eines Nachts ging er zu Jesus und sagte zu ihm: »Rabbi, wir wissen: Du bist ein Lehrer, den Gott uns geschickt hat. Denn keiner kann solche Zeichen tun, wie du sie vollbringst, wenn Gott nicht mit ihm ist.«

3 Jesus antwortete: »Amen, amen, das sage ich dir: Nur wenn jemand neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen.«

4 Darauf sagte Nikodemus zu ihm:»Wie kann denn ein Mensch geboren werden, der schon alt ist? Man kann doch nicht in den Mutterleib zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden!«

5 Jesus antwortete: »Amen, amen, das sage ich dir: Nur wenn jemand aus Wasser und Geist geboren wird, kann er in das Reich Gottes hineinkommen.

6 Was von Menschen geboren wird, ist ein Menschenkind. Was vom Geist geboren wird, ist ein Kind des Geistes.

7 Wundere dich also nicht, dass ich dir gesagt habe: ›Ihr müsst von oben her neu geboren werden.‹

8 Auch der Wind weht, wo er will. Du hörst sein Rauschen. Aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. Genauso ist es mit jedem, der vom Geist geboren wird.«

9 Nikodemus fragte Jesus noch einmal: »Wie kann das geschehen?«

10 Jesus antwortete: »Du bist Lehrer Israels und verstehst das nicht?

11 Amen, amen, das sage ich dir: Das, was wir wissen, davon reden wir. Und das, was wir gesehen haben, das bezeugen wir. Aber das, was wir bezeugen, nehmt ihr nicht an.

12 Ihr glaubt mir schon nicht, wenn ich zu euch von weltlichen Dingen spreche .Wie werdet ihr mir dann glauben, wenn ich zu euch von himmlischen Dingen rede?«

Johannes 3, 1-12, Basisbibel

Nikodemus, ein Pharisäer und führender Repräsentant des jüdischen Volkes, kommt im Schutze der Nacht zu Jesus.

Vermutlich möchte er nicht öffentlich mit Jesus in Verbindung gebracht werden, da der Rabbi aus Nazareth nicht in das Bild der religiösen Jerusalemer Führungsschicht passt. Zu eigen sind Jesu Ansichten, zu wenig Rücksicht nimmt er auf den realpolitischen Kurs, den die Tempelaristokratie im Verhältnis zur römischen Besatzungsmacht eingeschlagen hat.

Trotz dieser vermuteten Vorbehalte ist Nikodemus jedoch innerlich offen. Er bezeichnet Jesus als Rabbi, der von Gott gesandt sei und Zeichen tue. Vermutlich wollte Nikodemus mehr von Jesu Botschaft erfahren, von ihm lernen. Und es gibt tatsächlich noch viel, was er nicht versteht.

Jesus verknüpft im Gespräch das Reich Gottes mit der Wiedergeburt des Menschen. Für Nikodemus bleibt diese Aussage zunächst unverständlich, da er sie wortwörtlich versteht. Kein Mensch könne in den Mutterleib zurückkehren, um ein zweites Mal geboren zu werden. Jesus macht ihm klar, dass Wiedergeburt spirituell zu verstehen sei.

Wir kennen in unserer Alltagssprache die Redewendung „Ein neuer Mensch werden“, was vermutlich Ähnliches meint. Der Glaube an Gott drückt sich eben nicht primär in einem Fürwahrhalten theologischer Lehrsätze aus, sondern hat immer auch praktische Konsequenzen im Alltag von uns Christinnen und Christen.