Asrai - Die Magie der Drachen - Liane Mars - E-Book

Asrai - Die Magie der Drachen E-Book

Liane Mars

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Beschreibung

Epischer Fantasy-Liebesroman trifft auf Drachen und Magie Wer ist der Feind? Der Drache an deiner Seite? Oder die Magie in dir? Elaja besitzt endlich ihren eigenen Drachen, nur ist der ganz anders als erwartet: dominant, kriegerisch und grummelig. Zusätzlich kämpft sie mit der in ihr erwachenden uralten Magie, die entschlossen den Mann töten will, den Elaja liebt. Um ihn zu retten und einen Krieg zu verhindern, muss sie die Asrai in sich besiegen. Ein Wagnis, das die gesamte Drachenwelt erschüttert. "Ein phantastisches Lesevergnügen für alle Fans von Fourth Wing und Iron Flame" - Christian Handel

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Seitenzahl: 720

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Asrai

DIE MAGIE DER DRACHEN

LIANE MARS

Copyright © dieser Ausgabe 2024 by

Drachenmond Verlag GmbH

Auf der Weide 6

50354 Hürth

https://www.drachenmond.de

E-Mail: [email protected]

Lektorat: Nina Bellem

Korrektorat: Michaela Retetzki

Layout Ebook: Stephan R. Bellem

Umschlag- und Farbschnittdesign: Alexander Kopainski

www.kopainski.com

Bildmaterial: Shutterstock

Karte: Liane Mars

ISBN 978-3-95991-360-7

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Landkarten

1. 1

2. 2

3. 3

4. 4

5. 5

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20. 20

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24. 24

25. 25

26. 26

27. 27

Danksagung

Epilog

Drachenpost

Für Inken

und ihre schrägsten Sprachnachrichten der Welt.

Ich danke dir!

1

Meine Welt hatte sich innerhalb eines Lidschlags komplett verändert. Ians Erklärungen waren zu schrecklich, um sie wirklich zu erfassen.

Er war ein Pfortenwächter, genau wie ich. Als solche konnten wir von einer Welt in die nächste wechseln. Magische Pforten erschaffen. Etwas, das sonst kein Drachenreiter zu tun vermochte. Pro Welt gab es einen von uns.

Den Shetai. Die Asrai. Rai.

Ich hatte bislang gedacht, dass ich die Pfortenwächterin einer fremden Welt sein musste. Obwohl … Wenn ich ehrlich war, hatte Ian mir das vermutlich eingeredet. Er hatte mich manipuliert. Mich in die Irre geführt – und ich hatte ihm jedes Wort geglaubt.

Dass er der wahre Pfortenwächter unserer Welt war. Der Welt der grünen Drachen.

Dass ich eine Gefahr sein könnte, sodass ich mich und meine Macht vor den Drachenreitern dieser Welt verstecken musste.

Dass es hier keinen Wächterdrachen für mich gab, denn der sollte in einer anderen Welt schlüpfen.

Dass mein weißer Drache ein Monster sein würde.

Alles. Schreckliche. Dreiste. Lügen.

Denn ich war die Pfortenwächterin dieser Welt. Der Welt der grünen Drachen. Ian war hierhergekommen, um meine Welt zu übernehmen. Um Rache zu üben für einen Krieg, der vor über tausend Jahren begonnen haben musste. Ein Krieg, der alle dreihundert Jahre entbrannte, denn in diesem Rhythmus wurden die Pfortenwächter wiedergeboren.

Der Shetai, der zu den blauen Drachen gehörte.

Rai, der Anführer der roten Drachen, dem ich noch nicht leibhaftig begegnet war, und der bereits einen tödlichen Angriff auf mich in den Bergen geflogen war.

Und ich. Die Asrai. Angeblich die mächtigste der Pfortenwächter. Ich gehörte zu den grünen Drachen. In diese Welt.

Eine Welt, die bislang friedlich gewesen war. Bis jetzt. Denn Ian hatte seine Maske vor mir fallen lassen, weil ich ihm und seinen Lügen auf die Schliche gekommen war. Er zeigte sein wahres Gesicht und offenbarte seine wahren Pläne:

Mich, die Asrai, zu töten.

Ian griff mich in diesem Moment an. Er griff mich ernsthaft an! Ungläubig sah ich das Schwert, das auf mich zusauste. Bemerkte die Entschlossenheit in seinem Blick und die Anspannung in jeder Bewegung.

Er schlug zu.

Und ich? Ich rührte mich nicht. Keinen einzigen verdammten Muskel. Er hätte mich zweiteilen, mich ermorden können. Hätte.

Doch er tat es nicht.

Kurz bevor das Schwert meine Kehle traf, stoppte er. Die Klinge schnitt mir nur ganz leicht in die Haut, während ich kaum zu atmen wagte. Wir starrten uns an. Er in meine weißen, ich in seine dunklen Augen.

»Du willst das gar nicht«, sagte ich leise und möglichst eindringlich. »Wir sind keine Feinde.«

»Und ob wir das sind.«

Das Schwert in seinen Händen begann zu zittern, während er es an Ort und Stelle hielt. Ich sah den Kampf, den er in seinem Innersten ausfocht. Den Drang, die fremde Pfortenwächterin zu töten und gleichzeitig mich zu beschützen. Denn in einer Sache war ich mir absolut sicher: Er wollte mir nichts tun. Nicht mir. Elaja. Einzig die Asrai in mir musste sterben.

Nur waren die Asrai der vergangenen Jahrhunderte und ich ein und dieselbe Person – was uns vor ein unlösbares Problem stellte.

»Ian«, sagte ich eindringlich. »Lass uns reden. Alles in dir sträubt sich gegen dein Vorhaben. Hör auf, bevor du es bereust.«

Er presste die Kiefer noch fester zusammen, blickte ganz kurz nach rechts. Wir standen noch immer auf dem Vorplatz von Riata, dem größten Hort unserer Welt. Bis vor etwa fünf Minuten war es hier ausgesprochen friedlich gewesen. Ein Ort, an dem es keinen Krieg zwischen Drachen gab. Wo nur grüne Drachen lebten, die allesamt keine Ahnung gehabt hatten, dass es noch weitere Drachenvölker gab.

Das der blauen Drachen zum Beispiel, zu dem Ian gehörte. Ein Volk, das Riata soeben angriff. Mit einer Härte, die mich noch mehr erschreckte als Ians Schwert an meiner Kehle.

Drachen brüllten um uns herum. Über mich hinweg flog ein Schatten. Riesig. Erhaben. Mit blauen Schuppen, einem etwas schmaleren Körperbau als bei unseren Drachen und noch viel mehr scharfen Stacheln am geschuppten Leib. Blau. Ein angreifender Drache aus Ians Welt.

Der Kampf der Drachen um mich herum musste allerdings warten. Erst mal musste ich die nächsten Sekunden überleben.

»Du willst Frieden. Keinen Krieg«, versuchte ich es erneut. Meine Stimme zitterte genau wie das Schwert in Ians Händen. Er kämpfte mit sich und seinen widerstreitenden Gefühlen, das sah ich ganz klar in seinen Augen.

»Wehr dich«, befahl er mir barsch.

»Nein. Ich werde nicht gegen dich kämpfen. Wenn du mich töten willst, dann nur auf diese Weise: wehrlos. Während ich mich ergebe. Du wirst mich in dem Wissen ermorden, dass ich Frieden wollte und du nicht.«

Etwas flackerte in seinem Blick. Verzweiflung. Trauer. Panik. All das wurde allerdings von purem Zorn beiseitegefegt. »Wie du willst.« Ian holte erneut aus, diesmal mit noch mehr Schwung. Ich sah die Klinge und schloss die Augen. Weiterhin reglos. Gelähmt vor Schock.

Keine Ahnung, ob er wirklich zugeschlagen hätte. Vielleicht. Womöglich. Eher unwahrscheinlich. Er kam nie dazu, denn in der Sekunde sprang ihn zähnefletschend eine weiße Bestie von der Seite an. Geifer traf mich, und eine Schwinge. Mein Drachenbaby Manila hatte beschlossen, für mich zu kämpfen. Wenn ich es schon nicht tat, erledigte sie das – und wie.

Ian ging zu Boden und schaffte es in letzter Sekunde, seinen Schwertgriff zwischen ihre weit geöffneten Kiefer zu rammen. Sonst hätte sie ihm vermutlich die Kehle zerfetzt. Er schrie vor Schmerzen auf, weil sie die Krallen ihrer Hinterbeine tief in seine Oberschenkel bohrte und gleichzeitig mit den Vorderpfoten nach ihm schlug. Vermutlich hätte er den Hieb nicht überlebt, wenn ich nicht in dieser Sekunde meinen Schock abgeschüttelt und mich auf sie geworfen hätte. Entschlossen zerrte ich sie von ihm runter.

»Manila, nicht! Hör auf«, brüllte ich sie an, allerdings war mein erst wenige Stunden altes Drachenbaby verflixt schwer. Wann, bei allen Drachengeistern, war sie so gewachsen? Ich hätte schwören können, dass sie mir vor einem Augenblick noch bis zur Hüfte gegangen war. Jetzt reichte sie mir weit über den Bauchnabel.

Manila wehrte sich mit aller Kraft und bemühte sich gleichzeitig, mich nicht zu verletzen. Dabei behielt sie ihren Gegner fest im Blick. Mordlust glitzerte in ihren Augen, während sich Ian aufrappelte und sein verloren gegangenes Schwert vom Boden auflas. Als er die Finger fest um den Griff legte, einzig Manila ansah und mich nicht länger beachtete, durchschaute ich seinen Plan.

Mich hatte er nicht töten können. Mein Drachenweibchen hingegen war ihm von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen. Sie zu erledigen war für ihn durchaus eine Option. Unsere Verbindung war noch nicht gefestigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich den Tod meines Drachen überlebte, war also hoch. Das wusste er ganz genau.

»Nicht, Manila. Er wird dich, ohne zu zögern, umbringen«, sagte ich zu ihr und schob sie irgendwie hinter mich, mogelte mich zwischen die beiden.

»Elaja, geh zur Seite«, knurrte Ian nun deutlich genervter.

Ertappt. Er hatte also wirklich nie vorgehabt, mich mit dem Schwert zu erledigen. Er hatte lediglich Manila zum Angriff verleiten wollen.

»Nein«, sagte ich mit möglichst fester Stimme und wollte noch etwas hinzufügen, doch Makon unterbrach uns.

»Ian! Sean steht mitten auf dem Landefeld. Er wird angegriffen.«

Makon. Mein geliebter Drache, dem ich mehr als jedem anderen vertraut hatte. Mit dem ich eine magische Verbindung eingegangen war und der mich genauso hintergangen hatte wie sein Reiter.

Auch er gehörte zum Volk der blauen Drachen, allerdings war das wegen seiner schwarzen Farbe nicht offensichtlich gewesen. Auch er hatte sich zwischen die grünen Drachen gemischt und so getan, als wäre er ein Teil von ihnen. Auch er war ein Verräter.

Wie selbstverständlich klinkte er sich in meinen Kopf ein, wie es eigentlich ganz normal zwischen Drache und Reiter war. Bloß war Makon nicht mein eigener Drache, sondern er gehörte zu Ian. Der hatte ihn mir lediglich zur Ausbildung anvertraut. Vermutlich, um mich auszuspionieren. Nun rächte sich die Verbindung, denn ich bekam sämtliche Gespräche zwischen Ian und Makon mit. Noch vor einem Tag war das anders gewesen. Da hatte ich zumindest Ians lautlose Worte nie gehört. Jetzt vernahm ich auch ihn als dunkle Stimme in meinem Kopf.

»Ein Angriff auf Sean?«, fragte Ian. »Von wem?«

»Neldram.«

Der Austausch zwischen den beiden war vermutlich nicht für mich bestimmt gewesen. Ich nutzte die Chance trotzdem, um Ian von weiteren Angriffen abzuhalten. »Sean ist dein bester Freund. Ihn willst du genauso wenig verlieren wie mich. Rette ihn. Rette uns. Stopp diesen Wahnsinn!«

Endlich löste Ian seinen lodernden Blick von Manila und sah sich um. Ich tat es ihm gleich und spürte, wie sich mein Magen bei dem Anblick zusammenzog. Die blauen Drachen verhinderten gezielt, dass die grünen abheben konnten. Die waren auf dem Boden ein leichtes Ziel.

Makon richtete sich abrupt weiter auf und breitete die Flügel aus. »Zair ist getroffen. Ian. Was soll ich tun?«

Sein Zwiespalt wurde in dieser einzigen Frage mehr als deutlich und zeigte mir, dass es Hoffnung gab. Weder Makon noch Ian waren überzeugt von dem, was sie hier taten.

Ian fluchte. »Genau aus dem Grund wollte ich das hier von Anfang an verhindern. Verscheuch Neldram und …« Ian brach mitten im Satz ab, denn mit einem Schlag veränderte sich das Bild über uns erneut.

Weitere schwarze Pforten klafften auf. Fünf, sechs, ein Dutzend. Daraus kamen diesmal keine blauen, sondern schlanke rote Drachen.

»Nein«, hörte ich Ian flüstern und sah ihn zeitgleich erbleichen.

Ich hatte mittlerweile den Kopf weit in den Nacken gelegt und starrte in den Himmel. Rote Drachen. Überall. Viel, viel mehr, als es blaue Drachen waren. Sie warfen sich wahllos ins Getümmel. Ein roter holte einen blauen vom Himmel, während sich ein anderer roter auf einen grünen stürzte.

»Rai nutzt das Durcheinander für seine Zwecke. Er wird uns alle erledigen. Ian! Rauf mit dir! Er greift uns gleich an.«

In Ian kam Bewegung. Er steckte sein Schwert in einer fließenden Bewegung zurück in die Scheide, die er auf dem Rücken trug, und rannte los. Rüber zu Makon. Parallel drehte er sich um, lief drei Schritte seitlich, um mich sehen zu können. »Lauf, Elaja! Rüber ins Gebäude. Rai wird alles tun, um dich zu erwischen!«

Wenn ich noch einen Beweis gebraucht hätte, dass Ian mir nichts tun würde: hier war er. Statt mich Rai auszuliefern, rief er mir noch eine Warnung zu.

Ich hatte noch keinen Muskel gerührt, da saß er bereits auf Makons Rücken, und ich spürte die Macht, die von ihm ausging. Er hob die Arme, sammelte pure Magie. Im Anschluss hörte ich einen Knall, und eine Druckwelle folgte, die dafür sorgte, dass ich mich instinktiv duckte. In letzter Sekunde sah ich noch, wie direkt vor sämtlichen blauen Drachen kleine Pforten auftauchten und sie verschluckten – auch jene, die eigentlich gar nicht vorgehabt hatten, dort durchzufliegen.

Ian holte sein Volk aus der Gefahrenzone.

»Elaja! Lauf!«, brüllte Ian mich an. Ein eindeutiger Befehl. Er wollte mich in Sicherheit bringen.

Bloß war ich eine Drachenreiterin. Eine Kriegerin. Ich lief nicht davon, wenn mein Volk angegriffen wurde. Das konnte er vergessen.

Ich rannte los, allerdings nur ein paar Schritte, denn ich hatte den Stalleingang erreicht, wo unsere Übungsschwerter hingen. Die waren stumpf und dennoch besser als nichts. Hastig zog ich eins aus der Halterung, drehte mich um … und knallte mit voller Wucht gegen eine erstaunlich breite weiße Drachenbrust.

Es riss mich einfach von den Füßen, während ich ungläubig Manila anstarrte, deren Kopf mittlerweile ein ganzes Stück über meinem schwebte.

»Wir sollten da mal eingreifen«, hörte ich sie zum allerersten Mal in meinem Kopf. Eine dominante Frauenstimme. Keine Spur von Kindlichkeit. Kein Hauch von Baby. »Lust darauf, Rai so richtig in den Allerwertesten zu treten?«

»Manila?«, keuchte ich ungläubig.

»Ja, wer soll denn sonst mit dir sprechen? Siehst du noch einen anderen weißen Drachen hier in der Gegend?«

»Aber … du … Baby … du … groß!« Mein Verstand weigerte sich strikt, das Unglaubliche vor mir zu erfassen.

»Ich bin das magischste Wesen weit und breit. Können wir das später besprechen? Momentan würde ich gern unser Volk vor den zwei Verrückten retten, die es vernichten wollen. Wir müssen einen Krieg verhindern. Jetzt!«

Ach. Du. Scheiße.

Nur mit äußerster Kraftanstrengung schaffte ich es, meine Starre zu bezwingen. Dann wollte ich in den Stall rennen.

»Wo willst du denn hin?«, stoppte mich Manila hastig. »Auf meinen Rücken geht es in die andere Richtung!«

»Ich brauche einen Kriegszaum!«

»Vergiss den bekloppten Zaum. Wir müssen denen augenblicklich einheizen. Rauf mit dir. Sonst mach ich das im Alleingang.«

Sie meinte es ernst. Jedes verdammte Wort. Also gab ich klein bei und betete, dass sie mich nicht umbrachte. Während ich zum allerersten Mal auf den Rücken meines schneeweißen Drachen kletterte, sah ich Makon bereits starten. Keine Sekunde zu früh. Gleich vier rote Drachen stürzten sich auf ihn. Er kam gerade noch weg, vor allem, weil Ian zwei von den Angreifern in einer dunklen Pforte versenkte.

»Sie haben uns entdeckt. Mach dich bereit, uns zu verteidigen.«

»Was?«, schrie ich panisch. »Wie denn? Ich hab da keine Ahnung von!«

»Na klar kannst du das. Wir sind geschmiedeter Stahl. Glühendes Feuer. Wir sind die Waffe, auf die Arandor schon immer zählen konnte.«

»Arandor? Was ist denn Arandoooooor?«

Manila hob ab. Und wie! Ich hatte noch nie einen Drachen gesehen, der mit einem einzigen Schlag seiner Flügel über den Boden schoss und dabei zwanzig Meter Höhe machte. Parallel drehte sie sich, wich den zupackenden Krallen ihrer Gegner aus und brüllte so laut, dass ich eine Gänsehaut bekam.

»Du Wicht willst mich erwischen? Nimm das, du Feigling!«

Eine Feuersbrunst schoss an mir vorüber, grillte den roten Drachen samt Reiter und verpuffte so schnell, wie sie gekommen war. Konnte Manila etwa Feuer speien? Eigentlich hatten die Drachen diese Fähigkeit vor Jahrhunderten verloren!

Das hinderte Manila allerdings nicht daran, genau das zu tun. Sie konnte Feuer speien, wobei sie um sich selbst rotierte, einen roten Drachen eher nebenbei rammte und mit ihrem Schwanz einen weiteren Reiter vom Rücken seines Drachen fegte.

Sie hatte recht.

Sie war geschmiedeter Stahl. Glühendes Feuer. Und eine tödliche, lebendige Waffe.

Nur ich leider nicht. Ich klammerte mich mit all meinem Können und meiner Energie an ihr fest. Statt sie zu beschützen, war ich damit beschäftigt, mich mit Magie an ihr festzuhalten.

»Erinnere dich, Asrai. Erinnere dich an das Gefühl, wenn wir zusammen fliegen und uns unseren Feinden stellen. Erinnere dich, was wir zusammen können. Lass dein heutiges Ich los. Unser Volk braucht uns. Arandor. Das sind wir. Die grünen Drachenreiter. Offenbar habt ihr sogar vergessen, welchen Namen wir einst getragen haben. Die blauen gehören zu Marani. Eine für uns feindliche Welt, angeführt vom Shetai. Um Arandor zu retten, musst du zur Asrai werden. Jetzt!«

Die magische Welle erfasste mich völlig unerwartet. Sie ging von Manila aus und überflutete mein Innerstes ebenso wie meinen Verstand. Sie löschte alle meine Unsicherheit aus. Vernichtete meine Zweifel. Mein Unvermögen.

Zurück blieb nur die Asrai, die ihr Volk retten wollte. Mit allen Mitteln.

Arandor zählte auf uns.

* * *

IAN

Ungläubig sah ich zu, wie meine größte Feindin mit einem triumphalen Gebrüll vom Boden abhob und die Frau mit sich nahm, der ich mein Herz geschenkt hatte.

Manila war so schnell gewachsen, dass ich es kaum glauben konnte. Sie war innerhalb eines Wimpernschlags zu dem Horrorwesen mutiert, das ich all die Jahrhunderte zu fürchten gelernt hatte. Eine Waffe, die kaum zu stoppen war, bestehend aus tödlichen Stacheln an Kopf und Schwanz und einem feuerspeienden Maul. Weder Makon noch Rais Drachen konnten Flammen spucken. Das war Manilas Spezialität. Nur Sekunden später bewies sie, dass sie die Fähigkeit noch immer besaß.

Sie pulverisierte den ersten Angreifer, der sich in ihre Nähe wagte, und holte den nächsten mit einem tödlichen Schlag ihres stachelgespickten Schwanzes vom Himmel.

»Verdammt noch eins«, fasste Makon unsere gemeinsamen Gedanken zusammen. »Manila ist noch unheimlicher, als ich sie in Erinnerung habe.«

Mir brach der Schweiß aus, während ich das Chaos um mich herum zu überblicken versuchte. Wenigstens hatte ich meine Kämpfer aus diesem Wahnsinn holen können. Soweit ich es gespürt hatte, war lediglich ein blauer Drache bei unserem kläglichen Versuch, Elajas Volk aufzuhetzen, gestorben. Ein einziger. Dennoch war es einer zu viel. Wir waren nur noch so wenige, dass jeder Verlust unseren Untergang bedeuten konnte. Zum Glück hatte ich ihn noch in einer Pforte verschwinden lassen können, um die Spuren seiner Anwesenheit in dieser Welt zu verwischen.

Ich verdrängte den Gedanken, da ich in dieser Sekunde Zairs grüne Schuppen unter mir entdeckte. Den Drachen meines besten Freundes erkannte man zum Glück recht schnell, da seine Flügel etwas heller als der dunkelgrüne Körper waren und er statt eines Stachelkamms eine Wellenform besaß. Das Tier hatte die Attacke des blauen Angreifers einigermaßen überstanden und wurde aktuell von zwei roten attackiert. Noch immer stand er am Boden und hatte die Schwingen schützend ausgebreitet. Vermutlich befand sich Sean darunter. War mein Freund womöglich verletzt?

»Wir müssen Sean helfen«, entschied ich laut und ließ Makon in den Sturzflug gehen. Parallel bemühte ich mich, so viele grüne Drachen vor den roten Angreifern zu schützen, wie ich konnte. Leider tat Rai genau dasselbe wie ich. Er stemmte seine Magie gegen mich und sorgte dafür, dass ich nur in weniger als der Hälfte der Fälle erfolgreich war. Er blockierte meine Pforten und schleuderte sie stattdessen gegen die grünen Drachen.

»Dieser Bastard«, hörte ich Makon in meinem Kopf erzürnt wüten.

Ich antwortete nicht, denn von der Anstrengung ächzten meine Magieadern bereits. Der Tod meines zweiten Drachen Shy saß mir in den Knochen. Mehrere Weltensprünge, um den Angriff meines Volkes auf Arandor vorzubereiten, hatten mich erschöpft – und die Marani erst hierherzuholen und dann so abrupt wieder zurückzuschicken, war beinahe zu viel gewesen. Dieser Kampf konnte mich magisch definitiv töten. Das wurde mir so richtig bewusst, als ich mit letzter Kraft einen eher halbherzig ausgeführten Angriff eines roten Drachenreiters abwehren konnte und den Kampf beinahe verloren hätte.

»Makon«, sagte ich heiser, als sich die Welt um mich zu drehen begann.

»Ich weiß. Deine Magie kollabiert. Halte durch. Ich erledige das mit brachialer Gewalt. Spar dir deine Kraft.«

Makon stürzte sich wie ein Geier auf den einen roten Drachen, der Zair attackierte. Den zweiten schob ich mit Magie zur Seite, weil er uns sonst zu nahe gekommen wäre. Ich wurde durchgeschüttelt, als Makon zu kämpfen begann. Gleichzeitig spürte ich eine noch viel gefährlichere Macht direkt über uns.

Als ich den Kopf hob, sah ich einen dunkelroten Drachen auf uns herabstoßen. Anders als der Rest dieses Drachenvolkes war er wirklich komplett rot. Keine Nuancen von Schwarz oder Braun oder Orange. Nur rot. Eine lange Narbe führte vom Hals bis zum Schwanz. Die Schuppen wirkten an dieser Stelle wie halbiert. Auf dem Kopf trug das Ungetüm so viele Stacheln, dass seine Augen kaum auszumachen waren. Im Vergleich zu den grünen oder blauen Drachen war er zierlicher gebaut, allerdings genauso groß. Seine Zähne waren noch länger als bei unseren. Sein Maul klaffte auf, und er hielt direkt auf uns zu.

Ich kannte diesen Drachen. Seinen Namen hatte ich nie erfahren, doch er war eng mit einem meiner schlimmsten Feinde verbunden. Mit Rai.

Der Pfortenwächter der roten Drachen schob seine Magie wie eine tödliche Welle vor sich her, um mir den Rest zu geben. Vermutlich wusste er genau, wie erschöpft ich war, und wollte die Gelegenheit nutzen, sich einen von zwei gegnerischen Pfortenwächtern vom Hals zu schaffen.

Meine Warnung an Makon wäre definitiv zu spät gekommen. Rai hätte mich erledigt. Nur hatte er die Rechnung ohne den mächtigsten Gegner in dieser Welt gemacht.

Manila krachte mit solcher Wucht gegen den roten Drachen, dass er quer von mir weggeschleudert wurde. Bevor er ins Trudeln geraten konnte, brachte Rai sich und sein Tier hastig durch eine geöffnete Pforte in Sicherheit. Aus Erfahrung wusste ich, dass ihm das wenig nutzen würde. Manila konnte Magiespuren selbst durch die Pfortenwelt verfolgen. Zu meiner Überraschung verzichtete Elaja allerdings aufs Nachsetzen und sorgte stattdessen dafür, dass Manila einem Rammbock gleich einem anderen roten Drachen den Garaus machte.

Ich sah das Drachengespann kurz doppelt und blinzelte verzweifelt. Meine Sicht verschwamm immer wieder, und mir war kotzübel.

»Wenn es mir nicht bald besser geht, müssen wir landen«, sagte ich schwach zu Makon und verschnürte mich parallel noch weiter mit den Sicherungsstricken. Sollte ich ohnmächtig werden, musste ich fest angebunden sein.

Uns war natürlich klar, dass wir am Boden leichte Beute wären. Vor allem für Rai, womöglich auch für Manila. Weiterzufliegen konnte uns nur leider ebenfalls umbringen. Zumindest, wenn ich noch schlechter sehen konnte als ohnehin schon.

»Wir könnten nach Marani fliehen«, sagte Makon schließlich zögernd. »Soll Rai doch die Grünen erledigen.«

Ich spürte, dass Makon sich wünschte, genau das tun zu können, bloß waren wir über diesen Punkt längst hinaus. Wir hatten uns in diese Welt verstrickt. Waren, ohne es zu wollen, ein Teil von ihr geworden. Wir konnten Zair und Sean nicht zurücklassen. Wir mussten Jama und Larian helfen. Meine Flugkameraden retten. Meine Schülerinnen und Schüler beschützen.

Ich war nicht mehr länger allein der Pfortenwächter von Marani. Mittlerweile fühlte ich mich auch für Arandor verantwortlich, selbst wenn ich diese Verbundenheit all die Jahre über hatte vermeiden wollen.

Von daher konnte ich nicht gehen. Vor allem nicht, solange sich Elaja in tödlicher Gefahr befand.

Elaja.

Die ich belogen und betrogen hatte. Die ich manipulieren und lenken musste. Die ich deswegen verloren hatte. Vermutlich würde sie niemals wieder ein Wort mit mir wechseln. Falls wir diesen Tag überhaupt überlebten.

»Vorsicht! Angriff!«

Die nächste halbe Stunde war ich damit beschäftigt, am Leben zu bleiben und gleichzeitig den Drachen von Arandor zu helfen. Dass ich das jemals tun würde, war unfassbar für mich, aber ja, ich tat es. Der Moment war gekommen, mich zu entscheiden. Sean in mein Leben zu lassen und ihn als meinen Bruder anzusehen, war der erste Schritt gewesen. Elaja nicht zu töten der nächste. Das Volk der grünen Drachen vor Rai zu beschützen der letzte. Ab sofort gab es kein Zurück mehr.

Zeit zum Erholen war mir nur nicht vergönnt. Rai tauchte wieder wie aus dem Nichts auf. Er wusste, dass er gerade die beste Gelegenheit hatte, um mich ein für alle Mal loszuwerden. Diesmal wich Makon seinem magischen Angriff rechtzeitig aus, sank in den Sturzflug und versuchte, Rai loszuwerden. Vergebens. Der rote Drache blieb an uns dran.

»Ich mach etwas, für das ich mich verachten werde«, sagte Makon in meinem Kopf. »Ich rette mich zu Manila, damit die das hier erledigt. Beten wir, dass sie mich nicht vorher aufschlitzt.«

Zu einer Antwort kam ich gar nicht erst. Makon warf sich herum und hielt direkt auf einen schneeweißen Punkt zu, der von einer ganzen Traube roter Drachen umkreist wurde. Wer wen attackierte, war für mich längst nicht mehr zu erkennen. Ich wusste allerdings, dass Manila locker mit einem halben Dutzend Gegner fertigwurde. Vor allem, wenn ihre Asrai auf ihrem Rücken saß. Die Frage war, wie viel Elaja ihr momentan helfen konnte. Erinnerte sie sich wieder an ihr gesamtes Können? Oder kon–

»Makon«, schrie ich entsetzt, als mein Bulle ganz knapp über einen roten Drachen hinwegflog und um ein Haar mit Manila kollidierte. Ihre messerscharfe Schwanzspitze verfehlte uns nur durch puren Zufall, und sie brüllte uns empört an. Ein Hitzeschwall fegte über uns hinweg. Hatte die ernsthaft nach uns Feuer gespuckt?

»Mistvieh!«, beschwerte sich Makon erbost.

»Was erwartest du? Du hast sie fast gerammt!«

Wenigstens hatte Rai ein ganz ähnliches Problem. Er war uns in den Pulk gefolgt und machte soeben Bekanntschaft mit einer fuchsteufelswilden Manila. Der Kampf wurde unverzüglich episch. Der rote Drache hatte dem weißen kaum etwas entgegenzusetzen, allerdings war Rai ein geschickterer Magier. Beinahe wäre es um Elaja geschehen gewesen, wenn ich nicht eingegriffen hätte.

Ja genau, Rai, dachte ich, wir sind in diesem Leben zu zweit in dieser Welt.

Rai geriet fast sofort in Bedrängnis, zumal mittlerweile immer mehr grüne Drachen gestartet waren und uns zu Hilfe eilten. Schon bald mussten die ersten roten Drachen abdrehen, um nicht getötet zu werden. Ihr Pfortenwächter konnte sie nicht länger beschützen, weil wir ihn beschäftigten.

Manila war unerbittlich. Ich hatte noch nie einen Drachen derartige Manöver fliegen sehen. Elaja bemühte sich sichtlich, sie zu unterstützen, wobei …

Ich riss die Augen auf. »Hat sie keinen Kriegszaum an?«

»Nein. Wäre das der Fall, hätten die beiden Rai bereits auseinandergenommen. Zumindest mit uns als Rückendeckung.«

Rai hatte auch so genug zu tun und machte etwas, das ich niemals für möglich gehalten hätte: Er floh erneut in die Pfortenwelt, um Manila zu entkommen. Dabei nahm er einen Teil seiner roten Drachen mit und ließ nur etwa ein Dutzend zurück. Die wehrten sich nun noch verbissener.

Ich kämpfte so lange gegen sie, bis mein Verstand immer wieder aussetzte und Makon letztlich für mich entschied. Er landete direkt neben Zair, der sich am Boden stehend erfolgreich gegen sämtliche Angreifer verteidigt hatte.

»Wo ist Sean?«, rief ich ihm mental zu und bemühte mich parallel, irgendwie wach zu bleiben. Der Drachenbulle hatte mittlerweile akzeptiert, dass ich in seine Gedanken eindringen konnte, wann immer ich es wollte. Für normale Drachenreiter war das unmöglich. Ich hingegen war in der Lage, mich mit so ziemlich jeden Drachen in Verbindung zu setzen, den ich sprechen wollte. Bloß hatte ich das bislang immer vermieden, um meine Andersartigkeit nicht noch mehr zu unterstreichen. Einzig Zair war eine Ausnahme. Bei ihm hatte ich das in der Vergangenheit schon mehrere Male gemacht und damit bewiesen, was ich war: mächtiger als andere Drachenreiter.

»Er lebt, nur weiß ich nicht, wo er steckt. Ein roter Drache hat ihn gepackt, mehrere Meter in die Höhe gezerrt und ihn irgendwo über der Landebahn fallen lassen. Ich wollte zu ihm, aber dann hätte ich die hier zurücklassen müssen.«

Zögernd öffnete Zair die Flügel und präsentierte mir ein halbes Dutzend Frauen und Kinder, die sich dort zusammendrängten. Verdammt. Ich hatte den Angriff meines Volkes begonnen, als die Kinder gerade zur Schule hatten gehen wollen. Wie unachtsam von mir. Hoffentlich hatten sich alle anderen in Sicherheit bringen können.

Mir wurde noch übler. An das nagende Gefühl des schlechten Gewissens in meinem Magen hatte ich mich über die Jahre hinweg eigentlich gewöhnt. Jetzt erreichte es ganz neue Höhen.

Zeit, ein wenig Wiedergutmachung zu leisten.

»Ich gebe ihnen Feuerschutz, damit sie ins Gebäude rennen können«, rief ich Zair laut zu, um meine Magie zu schonen. Müde hob ich die Arme und starrte in den Himmel, bereit, sich nähernde rote Drachen abzuwehren. Zu meiner Überraschung waren keine mehr da.

»Rai hat die überlebenden Drachen gerade in seine Welt geholt. Es ist nur noch der übrig, mit dem Manila gerade kämpft«, sagte Makon nach einem Moment, in dem wir gemeinsam in den Himmel starrten.

Zair stapfte umgehend los und brachte die Kinder und ihre Begleiterinnen von der Landebahn fort, ließ uns allein zurück.

Manila holte soeben den letzten roten Drachen vom Himmel und brüllte danach ihren Triumph in die Welt.

Sie war wirklich die Königin der Lüfte und ließ keine Gelegenheit aus, das allen zu zeigen. Ungeachtet der Tatsache, dass sie noch vor ein paar Stunden ein kleiner Babydrache gewesen war, der Fleischbrei gefuttert hatte.

Unfassbar.

Um ein Haar hätte ich mich entspannt, doch dann drehte sich Manila um und ließ sich zu Boden fallen. Blitzschnell. Völlig unerwartet. Die Krallen hatte sie weit vorgestreckt. Das Maul war aufgerissen. Die Augen blitzten vor Hass.

Und ihr Ziel war eindeutig Makon.

2

Wir waren der Tod, das Feuer und pure Rache. Manila wütete unter unseren Feinden wie eine Berserkerin, und ich leitete sie, stützte sie in den entscheidenden Momenten mit meiner Magie. Im Kampf wurden wir zu einem Wesen, verbunden durch die Energie der Asrai.

Wir waren Asrai. Die Waffe, um unser Volk zu retten.

Ich genoss das Gefühl purer Macht. Die Kraft, die durch meine Magieadern rauschte und mich mächtiger, unantastbarer machte. Nur das lästige schlechte Gewissen, das von meinem jetzigen Ich wie Wellen ausging, nervte schrecklich. In diesem Jahrhundert war ich viel schwächer. Viel lieblicher. Viel … gewissenhafter als sonst. Dank meiner Asrai-Magie verhinderte ich, dass dieses naive Ding wieder die Kontrolle über unser Handeln übernahm.

Bis zu einem gewissen Punkt.

Die roten Drachen zogen sich zurück. Rai gab auf und brach den Angriff ab, nachdem er unsere volle Wut abbekommen hatte. Kluger Mann. Doch je weniger Asrai-Magie durch mich hindurchfloss, desto mehr kämpfte sich mein momentanes Ich an die Oberfläche.

Elaja.

Vermutlich hatten wir nur noch Sekunden, ehe ich mich zurückziehen musste, daher sah ich mich nach meinem nächsten Ziel um. Das war natürlich eindeutig.

Der Shetai musste sterben, bevor er mein jetziges Ich noch weiter manipulieren konnte.

Es benötigte lediglich ein kurzes Zucken meines Zeigefingers, schon hatte mein Drache verstanden und nahm Kurs auf den wahren Feind. Schnell. Tödlich. Absolut zielsicher.

Ich ließ sie gewähren und vertraute darauf, dass sie unsere Aufgabe zu Ende bringen würde, um me–

* * *

Ich kam zur Besinnung, als sich Manila plötzlich kopfüber in die Tiefe stürzte. Irgendwas hatte mich in Trance versetzt, mich gelenkt, womöglich sogar übernommen. Etwas Gewaltiges. Unheimliches.

Ich hatte dieses Etwas zunächst machen lassen, da es kampferprobter und mächtiger war als ich. Womöglich meine Magie, die sich verselbstständigt hatte? Es war ein Rauschzustand gewesen, den ich in gewisser Weise sogar genossen hatte – mal abgesehen von den seltsamen narzisstischen Gedanken, dem Feiern der eigenen Macht und dem Willen, alles zu beherrschen. Das war … ungewohnt und unheimlich gewesen. Doch auch das hatte ich akzeptiert, denn rote Drachen jagen war für mich in Ordnung gewesen.

Jetzt kämpfte ich um einen klaren Verstand, weil Manila nicht nur in den Sturzflug überging. Nein. Sie griff an – und zwar Makon und Ian, die unter uns auf der Landebahn standen.

»Was tust du?«, schrie ich entsetzt.

»Ich kümmere mich um die größte Bedrohung, die noch auf dieser Welt existiert. Bevor Ian dich völlig umdrehen kann.«

»Umdrehen? Was meinst du?« Krampfhaft klammerte ich mich mit meinen Beinen und meiner Magie an Manilas Rücken und hob trotz allem bedrohlich von meinem fragwürdigen Halt ab. Mittlerweile bluteten meine Finger und Handflächen, weil ich mich verzweifelt an sämtliche Schuppen krallte, die ich erreichen konnte.

»Ian hat dich irgendwie mit seinem Charme eingewickelt. Du denkst nicht klar. Ich schon, genau wie die Magie in dir. Mach dir keinen Kopf. Ich erledige das ganz schnell. Gib mir noch eine halbe Minute, dann ist der Spuk vorbei.«

Bei allen Drachengöttern dieser Welt, das war nicht ihr Ernst! Manila hielt tatsächlich auf Makon zu, öffnete sogar ihr Maul. Ich erahnte ihren Plan, hatte es immerhin erst eine Minute zuvor erlebt. Sie wollte Feuer speien.

Auf Makon. Auf Ian!

»Nein«, brüllte ich. »Ich verbiete es!«

Zu spät. Sie hatte bereits die erste Salve abgefeuert. Die brennende Flamme raste direkt auf die beiden zu. Lediglich Ians rascher Reaktion und seinen unfassbaren magischen Kräften war es zu verdanken, dass sie nicht direkt in Rauch und Asche aufgingen. Beide schrien vor Schmerzen auf.

»Lass dich von Makons Rücken fallen«, rief ich Ian lautlos zu und hoffte, dass mein magischer Ruf ihn erreichen würde. »Sie landet auf euch!«

Ob Ian mich gehört hatte oder zu dem gleichen Schluss gekommen war wie ich, wusste ich nicht. Er sprang jedenfalls in genau der Sekunde von Makons Rücken, in der Manila auf ihn draufkrachte und ihn herumriss. Der Aufprall war so übel, dass ich den letzten Rest meines Halts verlor und gut drei Meter durch die Luft geschleudert wurde. Kurz bevor ich auf dem Boden aufkam, erinnerte ich mich an die Fallübungen und rollte mich zusammen, milderte den Aufschlag ab. Dennoch trieb es mir sämtliche Luft aus der Lunge.

»Weg, Asrai! Nicht dass ich versehentlich auf dich trete!«, hörte ich Manila in meinem Kopf. Ihre Gedankenstimme ging in ein sehr reales Knurren über, gefolgt von einem gänsehautverursachenden Krachen.

Hastig machte ich drei Hüpfer zurück und erfasste endlich die gesamte Szene. Makon und Manila hatten sich ineinander verbissen. Ein Knäuel aus Schuppen, Krallen und tödlichen Stacheln. Es erinnerte mich verheerend an eine ganz ähnliche Szene nur einen Tag zuvor, als Shy und Makon miteinander gekämpft hatten. Anders als da, hatte der Bulle allerdings das Nachsehen. Manila war wendiger und besaß mehr Stacheln.

»Manila, hör auf«, schrie ich verzweifelt sowohl laut als auch in meinem Kopf. »Hör auf! Hör auf! Wir müssen reden und nicht kämpfen! Stopp!«

Doch das Weibchen war wie von Sinnen. Manila bekam Makons Hals zu packen. Ich hörte sein Stöhnen sogar bis in mein Innerstes. »Stopp«, versuchte ich es erneut und wurde in der gleichen Sekunde herumgerissen.

Ein stahlharter Arm schlang sich um meinen Brustkorb, so heftig, dass ich nicht mehr atmen konnte. Parallel riss mich Ian ein Stück in die Höhe, sodass meine Füße die Bodenhaftung verloren. Es tat weh, vor allem, als sich gleichzeitig eine scharfe Klinge in meine Haut am Hals bohrte. »Lass ihn los, du Mistvieh«, brüllte Ian so laut, dass selbst die Drachen darauf reagierten. Möglicherweise hatte Manila auch meinen Schmerz gespürt und gefror deshalb.

Bei allen Drachengeistern. Manila hatte Makons Kehle gepackt. Sie müsste nur zubeißen und es wäre aus. Das Gleiche galt für Ian und mich. Ein kurzer Stoß und ich wäre tot.

Manila starrte Ian erbost an, der mich als Schutzschild vor sich hielt und zugleich den Druck auf meinen Hals erhöhte. Blut floss. »Loslassen«, befahl Ian erneut.

»Du tötest sie eh nicht«, antwortete Manila ruhig. »Ich hab keine Ahnung, was hier passiert ist, aber du verehrst sie. Nie im Leben schlitzt du ihr die Kehle auf.«

»Willst du das ernsthaft riskieren?«, antwortete Ian und irritierte mich damit komplett. Wieso konnte er mein Gedankengespräch mit Manila hören? Die Verbindung zwischen uns über Makon kannte ich. Die über Manila war neu.

»Wir haben uns schon mal im denkbar ungünstigsten Moment gegenseitig umgebracht. Zur Not werde ich das wiederholen!« Hoffentlich überhörte Manila Ians Zittern in der Stimme. Auch dass seine Hand bebte, wertete ich als eher schlechtes Zeichen. Er stand kurz vorm Durchdrehen. Dass er mich tötete, war eher unwahrscheinlich. »Lass. Makon. Los«, sagte er erneut.

»Nö.«

»Manila. Gehorch ihm«, krächzte ich. Mussten Drachen nicht eigentlich immer auf die Befehle ihres Reiters hören? Was stimmte mit meinem bitte nicht? »Ich befehle es.«

»Und ich ignoriere es. Du denkst nicht klar. Noch nicht. Später wirst du deinen Irrtum erkennenundmir danken. Der Shetai muss sterben. Jetzt.«

»Ian bringt mich um!«

»Der tut dir nichts. Vertrau mir.«

Sie hätte zugebissen! Kein Zweifel. Ian hingegen hätte definitiv nicht zugestoßen. Allerdings hatten beide die Rechnung ohne mich gemacht. Ich überraschte Ian, indem ich seine Messerhand ergriff und mir mit solcher Vehemenz quer über die Haut am Hals ritzte, dass ich Sternchen sah.

Ian hielt entsetzt dagegen, riss das Messer zurück. Blut schoss aus der Wunde, und ich ging zu Boden. Gut so. Auf diese Weise kam ich wenigstens an das Küchenmesser in meinem Stiefel heran. Ich zog es hervor und setzte es mir seitlich liegend an den Hals.

»Lass los, Manila. Oder ich bring uns beide um«, keuchte ich, während sich die Welt zu drehen begann. Ich hatte zu viel Magie verwendet, und jetzt kam auch noch der Blutverlust dazu. Das war zu viel für meinen Körper. »Wenn wir diesen beginnenden Krieg beenden wollen, müssen wir miteinander reden. Ian ist nicht die größte Gefahr. Das ist Rai. Wenn du Makon tötest, könnte das unseren Untergang bedeuten. Also lass ihn los!«

Manila musste meine Entschlossenheit gespürt haben, denn sie gab Makons Kehle frei und trat langsam einen Schritt zurück. Der Bulle brachte sich hastig aus ihrer Reichweite und schüttelte sich. Drachenblut flog durch die Luft und traf mich. Ich hingegen hielt das Messer weiterhin fest gegen meine Kehle gedrückt. Noch immer lag ich im Staub und musste mich seltsam verrenken, um meinen Drachen überhaupt sehen zu können.

Der knurrte böse und funkelte mich wütend an. »Du bist irre.«

»In diesem Leben läuft das alles anders ab«, entgegnete ich laut und begegnete ihrem Blick möglichst fest. Dass Ian sich mittlerweile neben mich gekniet hatte und mir einen Stoffstreifen auf die Wunde drückte, nahm ich nur am Rand wahr. »Du wirst ihm nichts tun, hörst du? Schwör es!«

»Nö!«

»Schwör es!« Ich brüllte sie an und verstärkte gleichzeitig den Druck des Messers auf meine Kehle, sodass auch sie den Schmerz spüren würde.

»Elaja, hör auf mit dem Scheiß«, ging Ian in der Sekunde dazwischen und wollte mir ernsthaft das Messer aus der Hand nehmen. Ich stieß ihn weg.

»Schwöre es!«, kreischte ich stattdessen.

Manilas Blick war mörderisch, doch sie sah auch meine Entschlossenheit und meinen Kampfgeist. Ich würde nicht nachgeben. Nicht in dieser Sache.

»Na fein. In Ordnung. Ich schwöre es. Ich tu ihm nichts.«

»Ihnen«, korrigierte ich hastig. »Makon und Ian.«

»Ja, meinetwegen. Ich verzichte darauf, beide zu töten, obwohl sie es definitiv verdient hätten. Zufrieden? Jetzt lass dir von dem Shetai helfen, damit wir zwei nicht in den nächsten Minuten krepieren. Verdammt, Asrai. Der Irrsinn muss dich in diesem Leben überfallen haben. Du bist verrückt!«

»Nein«, sagte ich lautlos zu Manila. »Nicht verrückt. Nur nicht so aggressiv wie dieses … dieses Ding in mir. So viel Rache. So viel Hass. Das kann nicht gesund sein. Wir müssen uns vertragen, statt aufeinander loszugehen.«

Manila verzichtete auf eine Antwort, vielleicht hörte ich sie auch nur nicht mehr. Ich spürte, dass Ian mir hastig das Messer abnahm und so fest er konnte das Stück Stoff auf die Halswunde drückte. Gleichzeitig schrie er um Hilfe.

Niemand kam. Momentan waren alle mit sich selbst beschäftigt.

»Makon, hol den Notfallkoffer aus dem Stall. Schnell!«, befahl er daraufhin. Der Bulle zögerte. Er wollte seinen Herrn ungern mit Manila allein lassen. Letztlich sah er ein, dass ihm keine Wahl blieb. Also galoppierte er auf allen vieren los.

Ich starrte in den Himmel und wurde gleichzeitig schrecklich müde. Meine Lider wurden schwer.

»He! Wach bleiben, Elaja. Wir zwei haben noch viel zu besprechen.« Ian gab mir einen Klaps gegen die Wange, woraufhin ich langsam meinen Kopf drehte und ihn ansah. Er sah schlimm aus. Zerkratzt. Geschunden. Die Kopfwunde, die er sich bei dem Kampf zwischen Shy und Makon zugezogen hatte, war wieder aufgeplatzt, und er zitterte am ganzen Leib. So hektisch, wie er atmete, ging es ihm mindestens genauso schlecht wie mir.

»Du bist der gegnerische Pfortenwächter«, flüsterte ich. »Wie konntest du uns nur so hintergehen?«

Seine Augen wurden bei meinen Worten noch dunkler. Schmerz huschte über sein Gesicht, vermischt mit Zorn und Frust. »Das sollten wir ein anderes Mal besprechen«, antwortete er knapp. »Wichtiger ist unsere gemeinsame Erklärung für die grünen Drachenreiter, die vermutlich bald hier auftauchen werden.«

»Ich lass dich nicht mit deiner Lüge durchkommen.« Die Müdigkeit senkte sich immer schwerer über mich, und ich hatte Schwierigkeiten, die Augen offen zu lassen.

Die Erde bebte, als Makon zu uns zurückgerannt kam und direkt neben uns stehen blieb. Ein schweres Teil knallte neben uns zu Boden. Ian behielt eine Hand an meiner Halswunde und öffnete mit der anderen rasch den Notfallkoffer.

»Bleib wach«, hörte ich noch, bevor mich die Dunkelheit verschluckte.

* * *

Als ich wieder zu mir kam, saß Ian noch immer mit mir an der gleichen Stelle, allerdings wirkte er weniger hektisch. Statt mir seine Hände gegen den Hals zu drücken, hielt er mit seiner rechten meine linke und streichelte beruhigend mit dem Daumen über meine Haut. Ob er mich oder sich damit entspannen wollte, war fraglich.

Mein Hals brannte wie die Hölle. Wenigstens drehte sich die Welt nicht länger um mich. Ich fühlte mich besser. Zumindest ein wenig.

Augenblicklich entzog ich ihm meine Hand und funkelte ihn von unten her an. Ich lag seitlich auf dem Boden, er wartete im Schneidersitz neben mir.

»Zair hat Sean gefunden«, erklärte mir Ian völlig zusammenhanglos. Offenbar hatte er sich solche Sorgen um seinen Freund gemacht, dass ihm die Information wichtiger war als alles andere um uns herum. »Er lebt, und außer ein paar Prellungen und Schnittwunden hat er sich wohl nichts weiter getan. Sie versuchen zu uns zu gelangen, aber das kann dauern.«

Ich nickte schwach und berührte im Anschluss die Stelle an meinem Hals, die höllisch brannte.

Ian sah das und deutete darauf. »Ich hab die Wunde genäht. Es sieht hässlich aus und wird eine gruselige Narbe geben, aber wenigstens ist die Blutung gestillt. Zum Glück war es auch weniger dramatisch als zunächst angenommen. Schätze, du bist eher wegen magischer Überlastung umgefallen als wegen des Blutverlustes. Vielleicht war das auch alles insgesamt etwas viel.«

Etwas? Ich starrte ihn ungläubig an und versuchte verzweifelt meine Gedanken zu sortieren. Wie fing man ein Gespräch an, das so schwierig, so kompliziert war, dass man vor Wut und Trauer am liebsten geheult hätte?

»Erwartest du ein Danke?«, krächzte ich heiser und bemühte mich, irgendwie in eine sitzende Position zu kommen. Als mir Ian zu Hilfe kommen wollte, schlug ich seine Hand weg. »Fass mich nicht an!«

»Elaja, bitte!«

»Und sprich auch nicht mit mir. Nie wieder!« Kaum hatte ich das gesagt, schossen mir Tränen in die Augen. So viele, dass ich nur mühsam etwas sehen konnte. Mittlerweile hatte ich mich in eine sitzende Position hochgekämpft, wobei ich kurzzeitig zwei Ians sah. Verdammt. Ich brauchte klare Sicht. In doppelter Hinsicht. Ich blinzelte so lange, bis aus den beiden wieder einer wurde. Der hob in dieser Sekunde erneut die Hände. Vermutlich, weil ich schwankte. Daraufhin hieb ich noch mal nach ihm, woraufhin er sich meine Hände schnappte und sie festhielt.

»Nicht. Schlag nicht um dich. Lass uns reden«, sagte er eindringlich.

Der hatte vielleicht Nerven! »Reden? Du hattest tausend Gelegenheiten, um zu reden. Jetzt ist es dafür zu spät«, brüllte ich ihn an und zog an meinen Händen, doch er gab sie nicht frei. Stattdessen zerrte er mich näher zu sich.

»Es tut mir leid, Elaja. Wirklich. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen. Da ich es nicht kann, müssen wir eine andere Lösung finden. Bitte, Elaja. Schrei rum. Lass die Wut raus, nur gib mir danach die Gelegenheit, alles zu erklären. Du musst mir glauben, ich –«

»Dir glaub ich einen Scheiß!« Weil ich meine Hände partout nicht frei bekam, trat ich nach ihm. Ich traf seine Hüfte. Anstatt mich loszulassen, zog er mich jedoch unerwartet so dicht an sich heran, dass er seine Arme um mich schlingen konnte.

»Es tut mir leid«, flüsterte er an meinem Ohr. Dabei klang er atemlos. Außer sich. Aufgebracht.

Ich sträubte mich gegen seinen Griff, wehrte mich innerlich und äußerlich gegen seine Anwesenheit. Gegen dieses Gefühl, das seine Berührung in mir auslöste. Wie konnte etwas so vertraut und gleichzeitig falsch sein? Ich wollte ihn schlagen, ihm entkommen, ihn hassen. Und dennoch fühlten sich seine Arme um mich herum wie Geborgenheit an. Wie der Schutzraum, den ich all die Jahre über gesucht hatte.

Ich hatte ihn gefunden. Für wenige Minuten. Danach hatte Ian ihn vollständig zerstört. Für immer.

Als ich mich erneut gegen ihn stemmte, ließ er mich los, sonst hätte er mir ernsthaft wehgetan. Hastig rutschte ich ein kleines Stück zurück, entfernte mich allerdings nicht weit von ihm. Unsere Füße und Unterschenkel berührten sich noch immer, nur hatte ich keine Kraft, noch weiter fortzukrabbeln. Wortlos starrten wir uns an.

Er sah müde aus. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. Ein Anblick, den ich eigentlich schon längst kannte. In letzter Zeit war es ihm durchgehend dreckig gegangen. Wie sehr, wurde mir erst jetzt richtig bewusst. Ich hatte nicht nur seine körperlichen Schmerzen bemerkt, sondern auch seine innere Zerrissenheit. All die Narben, innen und außen. Allmählich ergaben sie Sinn. Er hatte sie sich nicht bei zu viel Training zugezogen, sondern beim Kampf um seine Welt.

Eine Welt, die er auf uns gehetzt hatte.

Und trotzdem wollte ich ihm zuhören. Seine Beweggründe verstehen. Seine Ausreden annehmen. Warum zur Hölle wollte ich das? Weil er so traurig guckte? Weil er nach wie vor diese sanfte Ian-Ausstrahlung hatte? Oder weil ich nicht richtig tickte? Vermutlich alles in einem.

Ich wollte ihm so viel erzählen. Über die Asrai-Magie, die in mir erwacht war. Über die Stimme in meinem Kopf. Meinen Kontrollverlust über meinen Körper. Den damit einhergehenden Schock. Die Gefahr, die in mir lauerte.

Doch all das konnte ich ihm nicht mehr erzählen. Nicht auf seinen Rat warten. Denn jede Antwort war vermutlich nur eine weitere Lüge.

»Elaja, ich –«

»Spar dir die Worte für das Tribunal.« Verdammt. Meine Sicht verschwamm erneut, allerdings lag das diesmal an den Tränen. Verärgert wischte ich sie fort, noch bevor sie mir über die Wange laufen konnten. »Du hast mich verraten. Sean. Die Drachenreiter. Diese Welt. Was erwartest du von mir?«

»Dass du zuhörst?« Die Frage kam so vorsichtig, dass sie mich ernsthaft überrumpelte. Einen Moment schwieg ich, bemühte mich um innere Balance und verlor trotz allem die Fassung.

»Warum soll ich denn zuhören, verdammt?«, brüllte ich ihn an. »Aus deinem Mund kommen nur Lügen und Manipulationen. Verschon mich mit deinen Erklärungen. Dir glaube ich kein Wort. Keinen einzigen verdammten Buchstaben.«

Vermutlich hatte er mit so einer Reaktion gerechnet. Sie war ja auch zu erwarten gewesen. Dennoch sah er aus, als hätte ich ihn soeben nicht nur verbal geohrfeigt, sondern ihm so richtig eine reingehauen. Wir starrten einander an. Er wirkte traurig. Ich bemühte mich um glühend heißen Zorn, doch vor allem war ich verwirrt.

So schrecklich, schrecklich verwirrt.

»Du hast dich zwischen mich und Manila gestellt und dir sogar ein Messer an den Hals gehalten, um mich zu schützen. Erzähl mir also nicht, dass du nicht reden willst«, sagte er leise.

Erwischt.

Weil mir sonst nichts anderes einfiel, versuchte ich ihn allein durch meine Blicke zu töten. Er hielt stand, zumindest eine Weile. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, sah weg und schloss die Augen. »Es tut mir leid.«

»Das ist alles? Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«

»Für den Moment ja. Auch mir fehlen die Worte für das Geschehene.«

»In dem Fall helfe ich dir gern auf die Sprünge. Du bist ein elender Verräter. Ein Manipulator der schlimmsten Sorte. Ein Spion und ein Kriegstreiber.«

Da hatte ich offenbar einen Nerv getroffen. »Ich bin alles, nur ganz bestimmt kein Kriegstreiber«, sagte er so scharf, wie ich es noch nie bei ihm gehört hatte. Jetzt begegnete er meinem Blick eher entschlossen. »Im Gegenteil. Ich habe sechs Jahre lang versucht, diese Konfrontation mit allen Mitteln zu vermeiden. Ich wollte einen Krieg verhindern. Sechs Jahre lang bin ich durch die Hölle gegangen. Habe Mitmenschen hintergehen müssen – meine und deine gleichermaßen, mich mit meinen Drachen angelegt, mentale, verbale und auch körperliche Tiefschläge eingesteckt, nur um diesen einen verdammten Angriff zu verhindern.«

»Ach ja? Du armer Kerl! Und was ist passiert, dass du höchstpersönlich genau den Krieg gestartet hast, den du so heldenhaft abwenden wolltest?«

Zorn blitzte in Ians Augen auf. Das erste Mal, seit wir hier saßen. Wortlos zeigte er auf Manila, die daraufhin böse grummelte. »Sie ist passiert. Mit ihrem Schlüpfen hat sich alles geändert.«

»Jetzt sind wir schuld an dem Ganzen?«, empörte ich mich. »Wie kannst du –«

»Sie ist aus dem Ei gekrabbelt und hat versucht, mich zu Hackfleisch zu verarbeiten«, brüllte mich Ian völlig unerwartet hat. »Da war sie nicht mal eine Minute alt. Sie ist auf mich losgegangen wie eine Berserkerin, so wie immer! Genau das macht ihr schon seit Jahrhunderten mit mir. Kaum treffen wir aufeinander, habe ich ein verdammtes Schwert in den Eingeweiden stecken, werde von Drachenfeuer gegrillt oder Rai zum Fraß vorgeworfen. Was, glaubst du, hab ich in dieser Sekunde gedacht, als sie mir die Pulsader mit ihren Fangzähnen aufschlitzen wollte? In dieser Sekunde war Ende mit meinem Willen für Friedensverhandlungen. Da habe ich erkannt, dass ich mir die ganze Zeit etwas vorgemacht habe. Mit euch kann man nicht verhandeln. Euch muss man töten, oder ihr kommt einem zuvor.«

»Verhandeln? Was redest du denn da? Wie soll ich denn mit jemandem verhandeln, wenn ich gar nicht weiß, dass es etwas zu verhandeln gibt? Bis gestern hab ich nicht mal gewusst, dass es einen Krieg zwischen den Welten gibt, und bin schon gar nicht auf die Idee gekommen, dass wir zwei uns spinnefeind sein könnten. Was ist denn bitte schön aus ›wir sind keine Feinde‹ geworden? Es hätte so nicht laufen müssen, wenn du verdammt noch mal mit mir geredet hättest.«

»Ich konnte dir das nicht erzählen«, schrie mich Ian an, weil ich ebenfalls laut geworden war. Sehr laut.

»O doch. Du hättest das gekonnt. Es gab tausend Gelegenheiten. Als ich dich im Schneesturm habe küssen wollen, hast du vorgeschoben, dass wir Freunde bleiben sollten. Da hättest du mir alles erklären können. Liebe Elaja, hättest du sagen können, kein Kuss möglich, solange nicht klar ist, ob ich dich demnächst umbringen möchte. Auf der Landebahn mit dem Echo. Da hättest du mich sofort überzeugen können. Stattdessen erzählst du mir eine Lügengeschichte über alte Magie, die in mir wohnt und mir Visionen schickt.«

»Das waren keine Lügengeschichten. Das ist wahr. Die alte Magie – das ist die Asrai. Sie schickt die Visionen, um dich an dein vergangenes Leben zu erinnern. Damit du so wirst wie sie.«

Für einen Moment kam ich ins Schleudern und musste diese Informationen erst mal vorsichtig an mich heranlassen. Vehement schob ich sie von mir und konzentrierte mich auf etwas, das momentan dafür sorgte, dass ich nicht durchdrehte. Meine Wut. »Ich bin jemand, der gut zuhören kann«, sagte ich scharf. »Niemand, der sich Argumenten gegenüber verschließt oder Dinge abtut. Ich will verstehen. Das weißt du ganz genau. Du hättest mit mir reden können, wenn du es wirklich gewollt hättest. Aber du warst zu feige.«

»Ich durfte nicht. Ich –«

»Du hast mich verdammt noch mal geküsst«, unterbrach ich ihn mit doppelter Lautstärke. »Du hast mir weisgemacht, dass du mich magst. Dass ich bei dir sicher bin. Dass du mir hilfst und ich dir vertrauen kann. Wie konntest du mich derart hintergehen?«

Unverzüglich flossen noch mehr Tränen – und zwar reichlich. Ich ließ sie diesmal laufen und versteckte sie nicht. Ian durfte ruhig sehen, was er mir angetan hatte. Wie sehr er mich getroffen hatte. Meine bebende Unterlippe nervte allerdings, genau wie das leise Schluchzen, als ich möglichst würdevoll hinzufügte: »Du hast dich in mein Herz geschlichen und es im Anschluss genüsslich zermalmt. Das verzeihe ich dir nie. Wehe, du fasst mich an! Sonst ziehe ich mein anderes Küchenmesser aus dem Stiefel und ramme es diesmal nicht mir in den Hals, sondern dir! Das schwöre ich!«

Ian wirkte ernsthaft schockiert und definitiv genauso emotional überfordert wie ich. Stocksteif saß er noch immer vor mir und bemühte sich sichtbar, die passenden Worte zu finden. Das Schweigen wurde schlimmer, während er mir beim Heulen zusah. Ich versuchte, dabei möglichst erhaben auszusehen. Vergebens. Niemand sah weinend erhaben aus. Dennoch ließ ich es ihn sehen.

Weil er das Ausmaß seines Verrats begreifen musste.

»Er wollte es dir sagen. An die tausend Mal. Ich habe es ihm verboten und bin wirklich hässlich zu ihm gewesen«, mischte sich Makon in meine Gedanken. »Für mich warst du lange Zeit der Feind. Ian hat das von Anfang an anders gesehen. Er wollte reden, um Frieden zu schaffen. Ich hab das für vergebliche Liebesmüh gehalten. Wenn du auf jemanden wütend sein willst, dann auf mich.«

»Glaub mir. Ich bin auf euch beide wütend. Dein Verrat fühlt sich sogar noch schwerer an. Du warst all die Monate in meinem Kopf und hast mich ausspioniert. Das muss ja überaus amüsant für euch gewesen sein. Die dumme, naive Elaja kapiert gar nichts.«

»Elaja, komm schon. Du weißt genau, dass wir niemals so über dich gedacht haben. Im Gegenteil. Ich war so dankbar, dich in Ruhe kennenlernen zu dürfen.« Ian sprach leise, und wenn ich mich nicht irrte, vernahm ich ein Zittern in seiner Stimme. Egal! Kein Mitleid mit dem Verräter.

»Du meinst: Du warst so dankbar, mich in Ruhe manipulieren zu dürfen«, erwiderte ich hitzig.

»Das hab ich nie getan. Ich habe lediglich versucht, dich aus der ganzen Sache rauszuhalten. Besonders bezüglich deiner wahren Rolle in dieser Welt. Wenn du zu früh erzählt hättest, dass du eine Pfortenwächterin bist, hätte dich Fürst Larian womöglich eingesperrt oder sogar getötet. Das wollte ich verhindern.«

Ich schnaubte verächtlich. »Wie nobel von dir. Vor allem, wenn man bedenkt, dass du stattdessen meine rechtmäßige Position eingenommen hast.«

»Und dennoch bleibt es dabei: Ich habe versucht, dich zu schützen. Weil ich dich mag. Sogar sehr.«

Mein Herz zog sich bei diesen Worten zusammen. So heftig, dass es schmerzte. Wirklich. Der Stich sauste quer durch meinen gesamten Körper und sorgte dafür, dass ich erst mal eine Weile gar nichts sagen konnte. Selbst mein Tränenfluss stockte.

»Wenn du so mit deinen Freunden umgehst, will ich nicht wissen, was du mit deinen Feinden anstellst«, brachte ich schließlich bitter heraus, und mein Herz weinte. Es weinte so laut, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn Ian es hätte hören können.

So wie er mich ansah, wusste er genau um die Wirkung unseres Gesprächs. Sein Blick wurde weich. »Wir sind nicht nur Freunde. Wir sind mehr. Viel mehr.«

Das brachte mich zur Besinnung. »Momentan sind wir weder noch«, stellte ich ruppig klar. »Jemand, der mir erst eine wirre Lügengeschichte auftischt, mich anschließend küsst und direkt danach umbringen will, ist gar nichts mehr für mich.«

»Ich wollte dich nie umbringen.«

»Mich vielleicht nicht, aber meinen Drachen – was auf dasselbe hinausläuft.«

Ian zögerte und überlegte, ob er die nächsten Worte sagen sollte. »Dein Drache ist gefährlich. Genau wie deine Magie.«

Erzähl mir was Neues, dachte ich stumm und schwor mir gleichzeitig, das niemals zuzugeben. Mit Manila und meiner Magie musste ich allein lernen klarzukommen. Selbst wenn es mir ein Rätsel war, wie ich das anstellen sollte.

Im Anschluss stöhnte Ian leise und verbarg das Gesicht in den Händen. »Was für ein Fiasko«, murmelte er leise.

»Und es wird noch viel schlimmer«, vermeldete Makon in meinem Kopf. »Da hinten kommen grüne Reiter samt ihren Drachen auf uns zu. Ich kann nicht erkennen, welche Absicht sie haben. Sie wirken finster und entschlossen. Wütend. Was machen wir, wenn sie die Wahrheit erkannt haben und uns verhaften?«

»Keine Ahnung. Wir lassen es drauf ankommen.«

»Sicher? Wir könnten uns zurückziehen.«

»In dem Fall war alles umsonst. Wir bleiben und warten ab.«

Ians und mein Blick kreuzten sich. »Es ist an der Zeit, dich zu entscheiden«, forderte er mich auf. »Enttarnst du uns oder hörst du dir noch an, warum ich all das getan habe?«

»Ich könnte dich enttarnen und es mir im Anschluss in Ruhe anhören. In der Verhörzelle, zum Beispiel.«

Sofort spannte sich Ian an, und ein leicht panischer Ausdruck huschte über sein Gesicht. Gleich darauf hatte er sich wieder in der Gewalt. »Das wäre nicht mein erstes Verhör«, antwortete er mit harter Stimme. »Damals wie heute würdet ihr von mir nur Schweigen ernten.«

Mit einer eleganten Bewegung kam er auf die Beine und hielt mir eine Hand hin. »Komm hoch. Die Begegnung sollten wir aufrecht stehend hinter uns bringen.«

Selbstverständlich ignorierte ich seine Hilfe und mühte mich allein hoch. Als ich schwankte, ergriff Ian trotz meiner bösen Blicke meinen Oberarm und stützte mich. Für den Moment musste ich das zulassen, weil ich sonst wirklich nicht hätte stehen können. Ein Umstand, der mir gar nicht recht war.

Schweigend und dicht nebeneinanderstehend warteten wir darauf, dass die kleine Schar, die sich uns unaufhaltsam näherte, vor uns anhielt. Ich zählte fünf Männer, drei Frauen und genauso viele Drachen. Eine komplette Reiterei. Die vorderen hielten ihre Schwerter in den Händen und musterten uns auf eine Art, die ich partout nicht einzuordnen vermochte.

Der Anführer kam mir vage bekannt vor. Vor allem der grimmige Ausdruck auf dem kantigen Gesicht und die streng zusammengekniffenen Lippen. Als hätte ich mich schon mal mit ihm gestritten. Aber wann?

»Das gibt Ärger«, merkte Manila trocken an. Das Drachenweibchen hatte sich ein kleines Stück neben uns niedergelassen und knurrte böse. »Die sollen sich bloß nicht mit mir anlegen. Ich hab Hunger. Da hab ich komplett keine Geduld.«

»Manila, benimm dich«, ermahnte ich sie.

»Sie ist noch aggressiver, als ich sie in Erinnerung habe«, seufzte Ian leise.

»Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich unheimlicher finde. Dass du meinen grummeligen Drachen hören kannst oder dass mein Drache so grummelig ist«, antwortete ich.

»Ich kann alle Drachen hören, nur hänge ich das nicht an die große Glocke.«

Also diese Information musste ich erst mal sacken lassen. »Wer bist du?«, fragte ich tonlos.

»Jemand, den du nicht als Feind haben willst. Und? Wie hast du dich entschieden? Lieferst du mich ans Messer?« Ian zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.

»Ich …«, setzte ich an, brach ab. »Ich … keine Ahnung.« Das war alles so verwirrend. Mir schwirrte der Kopf von den vielen Neuigkeiten, die ich in letzter Zeit erfahren hatte. Von dem Blutverlust. Meiner Magieüberlastung. Und vor allem von der Erkenntnis, dass ich Ian nicht verlieren wollte. Egal was auch immer kommen mochte.

Ja, verdammt. Das war vermutlich der wahre Grund gewesen, weshalb ich mich zwischen ihn und Manila geworfen hatte. Ich war mir bis vor einer Stunde wirklich sicher gewesen, endlich den Mann getroffen zu haben, dem ich mein Herz zu Füßen legen wollte. Der mich auf eine Weise geküsst hatte, die tiefer gegangen war. Der mich die Welt hatte vergessen lassen. In den ich, wenn ich ehrlich war, hoffnungslos verliebt war.

Mit dem entlieben kam ich nicht so schnell hinterher, weshalb es mir gerade unendlich schwerfiel, ihn an besagtes Messer zu liefern. Wenn ich ihn als feindlichen Pfortenwächter enttarnte, war er so gut wie tot.

In der Sekunde waren die Drachenreiter ohnehin heran. Der vordere mit dem kantigen Gesicht, dem grimmigen Gesichtsausdruck und den blitzenden grünblauen Augen baute sich vor uns auf, während die hinter ihnen herstapfenden Drachen lautlos an uns vorüberzogen und dabei Manila eingehend in Augenschein nahmen. Sie brummten warnend. Das war der Moment, in dem sich alle Härchen auf meinem Arm aufstellten und ich das Folgende bereits ahnte.

Der Patrouillenführer hob die rechte Hand, um sie auf die Brust auf Höhe seines Herzens zu legen. Gleichzeitig verbeugte er sich knapp. »Fürst Ian, sollen wir die gegnerische Pfortenwächterin gefangen nehmen?«, fragte er, und mein Herz verrutschte zeitgleich mit meinem stockenden Atem.

»Gegnerische Pfortenwächterin«, fragte ich ungläubig, während Ian zeitgleich »Fürst Ian?« sagte. Wenigstens klang er genauso irritiert, wie ich es war.

»Fürst Larian wurde von einem roten Drachen getötet. Wir konnten nichts mehr für ihn tun. Ihr wart sein Wunschkandidat für seine Nachfolge und als Pfortenwächter ohnehin als Fürst vorgesehen, sobald sich ein Drachenangriff aus einer anderen Welt ereignet. Das ist soeben geschehen.«

Ian starrte sein Gegenüber entgeistert an. »Ernsthaft, Aric? Du sprichst mich als Fürst an? Du hast mir während meiner Ausbildung das Gesicht in die Latrine getunkt, weil ich frech zu dir gewesen bin!«

»Das war, bevor Ihr mein Fürst geworden seid«, sprach der andere Mann weiter, und endlich wusste ich auch, woher ich ihn kannte. Aric. Das war der Kerl, der mich bei meinem Überlandflug abgefangen und zu Ian geleitet hatte. Der Patrouillenführer, der schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen genervt von mir gewesen war. Ausgerechnet der!

Hinzu kam, dass sich Ian und Aric ganz offensichtlich sehr gut kannten. Weil Ian ihn weiterhin verdattert anstarrte, hakte er nun deutlich ungehaltener nach. »Also, mein Fürst? Wie verfahren wir mit ihr?« Dabei sah Aric zu mir.

Zum Glück hielt mich Ian noch immer locker am Ellbogen, sodass er mich unauffällig stützte, weil mir ernsthaft die Knie weich wurden. In dieser Sekunde wurde mir nämlich etwas mehr als bewusst.

Ian hatte sich über die Jahre gut aufgestellt. Er war kurz vorm Abschluss seiner Hortanführerausbildung. Er war ein geachtetes Mitglied der Jägerschar. Er war offiziell der Favorit für Larians Nachfolge. Er verkörperte alles, was ich nicht war.

Er war der verdammte neue Fürst meiner Welt!

»Bleib ruhig«, hörte ich Ian in meinem Kopf.