7 Weeks until Passion - Tina Keller - E-Book
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Tina Keller

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Beschreibung

Job weg, Wohnung weg – Alinas Leben bricht an einem einzigen Tag komplett auseinander. Da hilft nur noch eins: sich ein paar Drinks zu viel genehmigen und dann in das Auto eines attraktiven Mannes steigen, um mit ihm die Nacht zu verbringen. Der unbekannte Fremde fühlt sich verdammt gut in ihren Armen an, doch die leidenschaftliche Nacht ist schneller beendet, als Alina dachte. Das ist definitiv der krönende Abschluss einer schrecklichen Woche! Als Alina ihren neuen Boss kennenlernt, erinnert sie sich nicht daran, wer er wirklich ist. Doch Alex erinnert sich sehr wohl an die heiße Nacht. Er versucht mit aller Macht, sein Begehren zu unterdrücken, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich seinen Gefühlen und seinen Dämonen stellen muss …

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 – Alina

Kapitel 2 – Alina

Kapitel 3 – Alina

Kapitel 4 – Alina

Kapitel 5 – Alex

Kapitel 6 – Alina

Kapitel 7 – Alina

Kapitel 8 – Alex

Kapitel 9 – Alina

Kapitel 10 – Alex

Kapitel 11 – Alina

Kapitel 12 – Alex

Kapitel 13 – Alina

Kapitel 14 – Alina

Kapitel 15 – Alina

Kapitel 16 – Alina

Kapitel 17 – Alex

Kapitel 18 – Alina

Kapitel 19 – Alina

E P I L O G

Impressum

Tina Keller

7 Weeks

until Passion

Liebesroman

Job weg, Wohnung weg – Alinas Leben bricht an einem einzigen Tag komplett auseinander. Da hilft nur noch eins: sich ein paar Drinks zu viel genehmigen und dann in das Auto eines attraktiven Mannes steigen, um mit ihm die Nacht zu verbringen.

Der unbekannte Fremde fühlt sich verdammt gut in ihren Armen an, doch die leidenschaftliche Nacht ist schneller beendet, als Alina dachte. Das ist definitiv der krönende Abschluss einer deprimierenden Woche! Als Alina ihren neuen Boss kennenlernt, erinnert sie sich nicht daran, wer er wirklich ist. Doch Alex erinnert sich sehr wohl an die heiße Nacht. Er versucht mit aller Macht, sein Begehren zu unterdrücken, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich seinen Gefühlen und seinen Dämonen stellen muss …

Kapitel 1 – Alina

„Es tut uns sehr leid, aber wir müssen euch ab sofort freistellen. Alles andere macht keinen Sinn mehr.“

Thomas, einer der drei Inhaber des Architekturbüros, in dem ich seit vier Jahren arbeite, sieht uns betreten an.

„Wie ihr wisst, zahlen die Bauherren seit Monaten nicht, obwohl wir die Leistungen längst erbracht haben. Sie warten

selbst noch auf Fördergelder und Zahlungen und sitzen genauso in der Klemme wie wir. Ich mache ihnen keine Vorwürfe.“

Thomas fährt sich nervös durch seine kurzen schwarzen Haare.

„Aber uns steht das Wasser, gelinde gesagt, bis zum Hals. Wir können die laufenden Kosten nicht mehr decken. Das gilt vor allem für die Gehälter und Honorare. Es wäre unfair von uns, euch noch weiterhin zu vertrösten. Ich kann euch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen, wann wir wieder in der Lage sein werden, euch zu bezahlen. Und ob überhaupt.“

Er holt tief Luft und sieht völlig fertig aus. Betreten blicken wir uns an. Wir wissen alle, wie hart Thomas, Dirk und Joachim in den letzten Monaten gekämpft haben. Sie sind x-mal zu den Bauherren gefahren, waren ständig bei der Bank und haben wirklich alles versucht. Aber es war umsonst. Die zwölf Architekten, die für das Architekturbüro arbeiten, haben seit Monaten kein Honorar mehr erhalten. Mein Job als Büro-Allroundkraft wurde von einer Vollzeitstelle zuerst auf einen 30-Stunden-Job reduziert und schließlich auf 20 Stunden. Auch ich habe seit drei Monaten kein Geld mehr bekommen. Meine Reserven sind komplett aufgebraucht und ich musste mir sogar schon Geld von meinen Freunden leihen.

„Was ist mit den laufenden Aufträgen?“, erkundigt sich Wieland, dem es mit vier Kindern und einer anspruchsvollen Ehefrau am härtesten trifft.

„Sollen die noch abgearbeitet werden?“

Thomas zuckt mit den Schultern.

„Die können wir nicht mehr ausführen“, bedauert er. „Die Auftraggeber müssen sich ein anderes Architekturbüro suchen.“

Wieland schluckt. Ich kann mir denken, was jetzt in ihm vorgeht. Wie soll er sechs hungrige Mäuler stopfen, wenn er nichts verdient? Er hat noch eine ganz andere Verantwortung als beispielsweise ich, die nur für sich selbst sorgen muss. Außerdem hat er als freier Architekt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Es ist wirklich eine elendige Situation für uns alle.

„Schließt ihr das Büro jetzt völlig?“, will Katja mit dünner Stimme wissen. Sie ist alleinerziehend und hat zwei Kinder, was ohnehin kein Zuckerschlecken ist.

„Ich meine, gebt ihr es auf oder behaltet ihr die Räumlichkeiten?“

„Das wissen wir noch nicht“, sagt Joachim, dem der Stress der letzten Monate deutlich anzusehen ist.

„Es hängt davon ab, wie lange wir in der Lage sind, die Miete aufzubringen. Wir hoffen immer noch, dass sich eines Tages alles in Wohlgefallen auflöst und wir die Gelder bekommen. Aber es ist eine verdammt lange Durststrecke, und wir wissen zum derzeitigen Zeitpunkt nicht, ob wir das finanziell stemmen können.“

„Oh Mann, das ist echt hart“, stöhnt Thorben, der erst seit einigen Monaten bei uns arbeitet. Er ist ausgerechnet in der Phase dazugestoßen, als es schon kribbelig wurde und hat kaum Honorar für seine Arbeit erhalten. Niemand von uns hat so viel Geld auf der hohen Kante, dass er es wegstecken kann, monatelang kein Gehalt zu bekommen. Wir sind alle ziemlich am Arsch.

Mit Tränen in den Augen packe ich eine halbe Stunde später meine persönlichen Sachen in einen Karton. Vier Jahre habe ich hier gearbeitet. Das ist eine verdammt lange Zeit. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie locker und lustig ich die Jungs bei meinem Vorstellungsgespräch fand und wie sehr ich mich gefreut habe, als ihre Zusage kam. Sie sind brillante Architekten, aber mit den alltäglichen, organisatorischen Aufgaben komplett überfordert. Ich habe ihnen das gern abgenommen. Meine Tätigkeit hat mir unglaublich viel Spaß gemacht. Sie war abwechslungsreich und ging weit über die Aufgaben einer normalen Sekretärin hinaus. Außerdem mag ich die Drei wahnsinnig gern, was auch für die anderen Architekten gilt. Es war eine bunte Mischung von kreativen Köpfen, die sich oft in die Haare gekriegt haben, wenn sie unterschiedlicher Meinung waren. Aber genau so schnell haben sie sich wieder versöhnt und bis mitten in die Nacht geschuftet, um ihre Projekte voranzutreiben. Sie waren mit viel Herzblut dabei. Für niemanden war das hier nur ein Job. Wir haben viel gelacht und sind im Laufe der Jahre zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen.

Und dann wurde plötzlich alles schwieriger. Die Zahlungen gingen immer schleppender ein und blieben schließlich ganz aus. Leider war es kein vorübergehender Engpass, wie wir angenommen hatten, sondern es wurde zum quälenden Dauerzustand. Es war klar, dass die drei Inhaber irgendwann die Reißleine ziehen mussten. Und das ist eben jetzt.

„Es tut mir so leid für dich, Alina.“ Thomas sieht mich bedauernd an.

„Du bist die beste Büro-Allrounderin, die ich mir vorstellen kann. Du hast unser Chaos wirklich im Griff gehabt. Was hätten wir nur ohne dich getan? Es ist traurig, dass es so enden muss.“

„Es tut mir vor allem für euch leid“, erwidere ich mit tränenerstickter Stimme. „Ihr habt wirklich alles getan, was ihr tun konntet. Wovon wollt ihr denn jetzt leben?“

Thomas zuckt mit den Schultern.

„Da wird sich schon irgendwas finden. Mach dir um uns keine Sorgen.“

Das ist typisch für Thomas: Er ist auch in der größten Katastrophe immer noch optimistisch. Aber hier musste selbst er erkennen, dass es nicht mehr weitergeht.

„Ich bin sicher, irgendwann wird alles wieder gut und wir sehen uns alle wieder“, will er mir Mut machen. „Vielleicht schon früher, als wir jetzt denken. Wir müssen einfach nur ganz fest daran glauben. Meinst du nicht, Alina?“

„Doch, natürlich“, nicke ich nicht ganz überzeugt.

Wir nehmen uns fest in die Arme. Mir ist ganz elend zumute. Die Leute hier waren viel mehr als meine Arbeitskollegen. Sie waren meine Familie, und ich werde sie schmerzlich vermissen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich sie nicht mehr jeden Tag sehen werde. Aber das wird wahrscheinlich mein kleinstes Problem sein. Ich werde in der Zukunft ganz andere Sorgen haben.

***

„So ein Mist aber auch!“

Meine beste Freundin Chrissie sieht mich mitleidig an. Natürlich habe ich ihr die Hiobsbotschaft sofort per SMS mitgeteilt. Daraufhin haben wir uns bei unserem Lieblingsitaliener verabredet. Flüchtig schießt mir durch den Kopf, dass ich mir diese Restaurantbesuche in Zukunft nicht mehr werde leisten können.

„Es war ja irgendwie absehbar, aber wir haben wohl alle auf ein Wunder gehofft.“

Traurig greife ich nach meiner Cola. Es wird sicher meine letzte für eine lange Zeit sein. In der Zukunft ist Leitungswasser angesagt. Keine Kohle, keine Cola.

„Ich weiß“, nickt Chrissie, denn sie hat das Drama der letzten Monate selbstverständlich hautnah mitgekriegt.

„Du wolltest ja partout nichts davon hören, dich nach einem anderen Job umzusehen“, erinnert sie mich vorwurfsvoll.

„Und jetzt hast du den Salat.“

„Ich habe mich den Jungs gegenüber eben verpflichtet gefühlt“, erkläre ich. „Sie können schließlich nichts für ihre missliche Lage. Sie haben ihre Arbeit abgeliefert und Tag und Nacht geschuftet. Da konnte ich ihnen doch nicht auch noch in den Rücken fallen.“

„Trotzdem hättest du eher an dich denken sollen als an deine Architekten“, sagt Chrissie nicht zum ersten Mal und nippt an ihrem Caipirinha.

„Du bist einfach viel zu gut für diese Welt. Ganz ehrlich: Ich hätte schon gekündigt, als sie deine Stunden reduziert haben. Das war doch schon der Anfang vom Ende. Und dann haben sie sie nochmal reduziert. Spätestens da wäre ich mit fliegenden Fahnen davon geeilt.“

„Ich weiß“, murmele ich. „Du hast ja Recht. Aber ich wollte sie nicht im Stich lassen. Sie brauchten mich, gerade in dieser schwierigen Zeit. Sie wären sonst total aufgeschmissen gewesen und alles wäre im Chaos versunken.“

„Das ehrt dich, Alina, aber wer jetzt in der Patsche sitzt, das bist du“, macht Chrissie mir klar. „Wenn du Arbeitslosengeld beantragst, bekommst du dementsprechend weniger. Dabei hast du die meiste Zeit deines Lebens Vollzeit gearbeitet. Zugrunde gelegt werden aber nur die letzten zwölf Monate – und davon gibt es schlappe 60 Prozent.“

Erschrocken sehe ich meine Freundin an. Mit solchen Dingen habe ich mich noch nie beschäftigt, weil ich zeit meines Lebens immer arbeiten gegangen bin.

„Aber ich habe 15 Jahre lang Vollzeit gearbeitet“, jammere ich. „Ich bin den Architekten entgegen gekommen – und deshalb wird nur noch mein kümmerliches Halbtagsgehalt zur Berechnung des Arbeitslosengeldes angerechnet? Das ist doch total unfair.“

Darauf nehme ich erstmal einen ordentlichen Schluck von meiner Cola.

„Und davon kriege ich nur ein bisschen mehr als die Hälfte?“, beklage ich mich. „Damit komme ich doch vorne und hinten nicht hin.“

„Eben“, pflichtet Chrissie mir bei. „Und darum hättest du das sinkende Schiff frühzeitig verlassen sollen. Das habe ich dir tausendmal gepredigt, aber du warst auf beiden Ohren taub.“

„Ich weiß“, erwidere ich verzweifelt. „Hätte ich gewusst, dass das Architekturbüro sowieso keine Chance mehr hat und dichtmachen muss, hätte ich das auch getan. Aber wir hatten immer noch einen Funken Hoffnung und haben geglaubt, dass es irgendwann besser wird.“

Trübsinnig schaue ich Chrissie an. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich morgen nicht mehr zum Frankfurter Tor fahre. Ich kann nicht glauben, dass ich meine Kollegen, die in den letzten Jahren zu Freunden geworden sind, nicht mehr sehe. Die Zukunft sieht plötzlich düster und schwarz aus. Zur Hölle mit diesen Baulöwen, die nicht zahlen wollen!

„Wenn ich das grob überschlage, bekommst du etwa 700 Euro an Arbeitslosengeld“, höre ich Chrissies Stimme wie durch Watte. „Das ist eine echte Katastrophe.“

Ich schrecke hoch und starre meine Freundin wie betäubt an.

„Was, so wenig?“, sage ich entsetzt. „Davon kann ich nicht mal meine Miete bezahlen. Ich muss sofort einen neuen Job finden.“

Chrissie seufzt hörbar auf.

„Aber das dauert einige Zeit“, gibt sie zu bedenken. „Du musst erst mal eine Anzeige finden, die dir gefällt. Dann musst du dich bewerben. Dann musst du zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Und dann müssen sie ausgerechnet dich nehmen wollen. Du weißt selbst, wie lange das damals gedauert hat. Das kann sich über Monate ziehen.“

Chrissie hat Recht. Damals war ich in einem Grafikbüro mit zwei übellaunigen Grafikerinnen beschäftigt und wollte so schnell wie möglich wieder weg. Trotzdem hat es etliche Monate gedauert, bis ich überhaupt mal einen Termin für ein Vorstellungsgespräch bekommen habe. Und dann hat es weitere Wochen gedauert, bis ich die glückliche Auserwählte war. Es kann Monate dauern, bis ich einen neuen Job habe. Aber so viel Zeit habe ich nicht. Ich habe absolut keine Rücklagen mehr und meine Eltern will ich nicht anbetteln, zumal ich nicht das beste Verhältnis zu ihnen habe. Leider sind sie nicht die Sorte Eltern, die bedingungslos hinter ihren Kindern stehen und alles für sie tun. Sie sind sowieso schon enttäuscht, dass ich nur Sekretärin geworden bin. Mein Vater hätte es viel lieber gesehen, wenn ich Jura studiert hätte und – wie er – Anwalt geworden wäre. Aber aus mir ist leider nur eine kleine Büroangestellte geworden. Das hält er mir heute noch manchmal vor. Meine Mutter hingegen ist enttäuscht, dass ich mit 35 immer noch nicht verheiratet bin und diverse Kinder habe. So wie meine Schwester, die mir seit jeher als leuchtendes Vorbild gedient hat. Sie ist fünf Jahre jünger als ich, seit mehreren Jahren verheiratet und mit zwei wohlgeratenen Kindern gesegnet, an denen sich meine Eltern regelmäßig erfreuen. Auch zu ihr habe ich kein gutes Verhältnis bzw. eigentlich gar keins. Ich habe sie schon ewig nicht mehr gesehen und lege auch keinen Wert darauf. Schon traurig, dass ich mit meiner sogenannten Familie die absolute Arschkarte gezogen habe.

Ich vergrabe meinen Kopf in den Händen.

„Das sind ja schreckliche Aussichten. Was soll ich denn jetzt bloß tun?“, seufze ich.

„Wenn du so wenig Arbeitslosengeld kriegst, müsstest du Bürgergeld – oder wie das jetzt heißt – beantragen“, sagt Chrissie vorsichtig, denn sie weiß genau, wie ich dazu stehe. Ich wollte es immer allein schaffen und das ist mir auch gelungen. Bisher jedenfalls.

„Auf gar keinen Fall“, wehre ich sofort ab. „Außerdem … Ist es nicht so, dass sich der Staat das Geld von den Eltern wiederholt? Das wäre eine Katastrophe. Dann muss ich mir stundenlang von meinem Vater anhören, dass ich selbst schuld bin, weil ich nichts Gescheites gelernt habe. Als Anwältin wäre mir das natürlich niemals passiert. Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage.“

„Aber wovon willst du in den nächsten Monaten leben?“

Chrissie sieht genauso verzweifelt aus, wie ich mich fühle.

„Ich würde dir ja gern Geld leihen, wenn ich es hätte, aber du weißt selbst, wie es finanziell bei mir aussieht.“

Das weiß ich allerdings. Chrissis Ex-Freund Daniel hat sie vor drei Monaten verlassen und vorher ihr gemeinsames Konto geplündert. Alles, was sie sich im Laufe der Jahre angespart hatte, war auf einen Schlag weg. Chrissie ist auch nicht besser dran als ich. Von ihr kann ich mir kein Geld leihen. Und außerdem ist das auch keine gute Idee, denn ich muss das Geld ja irgendwann zurückzahlen. Ich möchte keine Schulden bei meiner besten Freundin haben.

„Das weiß ich.“ Ich lege meine Hand auf ihre. „Ich weiß, dass du mir helfen würdest, wenn du es könntest.“

Chrissie schüttelt hilflos den Kopf.

„Es ist ein Unding, dass du wohlhabende Eltern hast und sie dir trotzdem nicht helfen“, regt sie sich nicht zum ersten Mal auf. „Die schwimmen doch im Geld. Bei anderen ist es völlig normal, dass Eltern ihren Kindern finanziell aushelfen, wenn sie unverschuldet in Not geraten sind.“

„Bei anderen schon, aber nicht bei meinen Eltern“, erwidere ich. „Die haben mir noch nie geholfen. Ich musste immer alles allein stemmen. Sie haben mir nicht mal die Kaution für meine erste Wohnung gegeben, sondern waren der Ansicht, dass ich mir ruhig einen Nebenjob suchen könnte.“

Nein, geschenkt haben mir meine Eltern nie etwas. Dafür haben sie meiner Schwester umso mehr spendiert. Natürlich heimlich, aber ich habe es über Umwege jedes Mal mitgekriegt. Und es hat wahnsinnig wehgetan. Ich habe mich nie des Eindrucks erwehren können, dass meine Eltern Larissa einfach viel lieber haben als mich – warum auch immer. Ich war ein ziemlich pflegeleichtes Kind, während meine Schwester sich wie eine verwöhnte Prinzessin aufgeführt hat. Aber das schien niemanden zu stören.

Auch als Teenager hat Larissa es immer viel leichter gehabt als ich. Sie war sehr beliebt und hatte viele Freunde, während ich eher eine Einzelgängerin war. Die Jungs sind ihr scharenweise nachgelaufen, während sich für mich nur ein merkwürdiges Pickelgesicht interessierte, das niemand mochte – mich eingeschlossen.

Mit 17 hat sich Larissa in den Jungen verliebt, den sie fünf Jahre später heiratete. Und der hat sich natürlich auch sofort in sie verliebt, klar. Er trägt sie auf Händen und tut alles für sie. Sie hatten eine pompöse Hochzeit, sind in eine schicke Eigentumswohnung gezogen und Larissa ist gleich darauf schwanger geworden. Ihr Leben verlief immer glatt, perfekt, ohne jegliche Komplikationen. Sie bekam stets das, was sie wollte – und sie hat natürlich auch dem Wunsch meiner Eltern entsprochen und Jura studiert. Meine Eltern sind stolz auf sie, in jeder Hinsicht.

Bei mir hingegen lief nie etwas glatt. Ich war immer in Männer verliebt, die kein Interesse an mir zeigten oder hatte Beziehungen, in denen ich nicht glücklich war. Wenn ich einen Mann wollte, dann wollte er mich nicht – und umgekehrt. Für mich war alles immer sehr mühsam und mir ist nichts in den Schoß gefallen.

Aber immerhin stand ich bisher auf eigenen Füßen und darauf war ich stolz. Ich bin niemandem zur Last gefallen und habe niemandem auf der Tasche gelegen, auch nicht dem Staat.

Und so wird es auch bleiben, dafür werde ich sorgen.

Kapitel 2 – Alina

Ich bin fix und fertig, als ich am frühen Abend meine Wohnungstür aufschließe. Chrissie und ich haben noch ewig darüber diskutiert, was ich tun könnte, sind aber nur zu der Lösung gelangt, dass ich so schnell wie möglich einen neuen Job brauche. Am besten ohne die langwierige Bewerbungszeremonie. Ich kann mich ja immer noch als Sekretärin bewerben, aber bis ich in diesem Bereich einen Job finde, muss ich eben etwas anderes machen. Ich sehe mich schon bei McDonald's Pommes eintüten oder in einer Putzkolonne morgens um fünf den Staubsauger anwerfen. Aber wenn es sein muss, mache ich auch das. Alles ist immer noch besser, als zu meinen Eltern zu kriechen.

Kaum stehe ich im Flur, streichen meine beiden Katzen Fix und Foxi um meine Beine und begrüßen mich schnurrend.

„Na, ihr Süßen“, sage ich zärtlich und kraule sie liebevoll. „Wie war euer Tag? Habt ihr wieder in eine Pflanze gepinkelt oder die Lampe umgeworfen?“

Foxi sieht mich mit einem Blick an, der sagt: „Ich war das nicht. Ich bin das nie. Ich bin die Unschuld vom Lande. Das war mein böser Bruder. Ich bin immer nur lieb, und deswegen bekomme ich jetzt auch das leckere Futter von dir. Und ich war es auch nicht, der letzte Woche die Gardine runtergerissen hat. Die ist ganz von selbst auf den Boden gefallen. Kann ich mir auch nicht erklären.“

Dabei ist es gar nicht so, dass die beiden sich langweilen müssten. Ich habe eine gemütliche Erdgeschoss-Wohnung mit einem kleinen Garten, in dem sie jederzeit nach Herzenslust herumtollen können. Mit der Wohnung habe ich einen echten Glücksgriff gemacht. Ich habe mich sofort beim Eintreten in die Wohnung verliebt und dieses Gefühl ist bis heute geblieben. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Wohnungstür aufschließe und könnte mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Hier ist mein Zuhause, mein Heim, mein Rückzugsort, meine Oase der Ruhe. Und da ich schon seit vielen Jahren hier wohne, ist die Miete durchaus bezahlbar. Jedenfalls, so lange man einen Job hat. Von dem kümmerlichen Arbeitslosengeld könnte ich sie nicht mehr bezahlen.

Ich versorge Fix und Foxi und begebe mich dann mit meinem Laptop auf die Couch. Ich will gleich damit anfangen, mir Stellenanzeigen anzuschauen, denn die Zeit drängt.

Besonders vielversprechend ist das Angebot nicht. Reinigungskräfte werden gesucht, aber ich schaffe es kaum, meine eigene Wohnung in Ordnung zu halten. Das liegt daran, dass ich nichts mehr hasse als zu putzen. Überhaupt verabscheue ich Hausarbeit. Ich kann nicht verstehen, dass manche Leute Gefallen daran finden, von morgens bis abends die Wohnung zu schrubben – wie Larissa zum Beispiel. Inzwischen hat sie selbstverständlich eine Putzfrau, die zweimal in der Woche kommt. Die Prinzessin muss sich nicht mehr selbst die Finger schmutzig machen und arbeiten gehen muss sie bei zwei Kindern auch nicht mehr. Ihr Mann Thorben verdient als Zahnarzt mehr als genug und Larissa kann sich jeden Tag ihrer Schönheit widmen und zur Kosmetikerin, zum Sport oder zur Maniküre gehen. Ihr Leben verläuft genauso komplikationslos wie immer – was man von meinem Leben im Moment nicht gerade behaupten kann.

Seufzend scrolle ich weiter. Immobilienkaufmann, Projektleiter, Steuerberater, Bauleiter, Jurist, Rechtsreferendar … nein, da ist nichts für mich dabei. Ich stöhne auf. Die Lage scheint aussichtslos zu sein und allmählich bekomme ich Panik.

Es klingelt. Unwillig sehe ich von meinem Laptop auf. Wer kann das sein? Ich springe von der Couch und laufe zur Tür. Schwungvoll reiße ich sie auf und pralle zurück, als mein Vermieter Herr Bergson vor der Tür steht. Was will der denn hier? Schnell gehe ich die Liste meiner möglichen Fehltritte durch, aber mir fällt nichts ein. Ich habe ordnungsgemäß das Treppenhaus geputzt und mich auch ansonsten tadellos verhalten. Natürlich weiß ich nicht, was Fix und Foxi möglicherweise angestellt haben, aber jetzt bleibt keine Zeit mehr, um sie zu fragen.

„Guten Tag, Frau Abendroth“, begrüßt mich Herr Bergson und lächelt mich freundlich an.

„Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie einfach überfalle. Darf ich einen Moment hereinkommen?“

„Natürlich“, nicke ich nicht gerade begeistert.

Ich mag es gar nicht, wenn jemand unangemeldet vorbeikommt, denn in meiner Wohnung sieht es meistens ziemlich chaotisch aus. Für mich ist aufräumen Zeitverschwendung und darum lasse ich es lieber ganz bleiben. Die Katzen, die ihre Spielsachen gern hin und her tragen, tun ein Übriges.

Ich bitte Herrn Bergson in mein Wohnzimmer und er nimmt auf einem Sessel Platz. Wenn ihm die Unordnung auffällt, dann lässt er sich das zumindest nicht anmerken. -Er faltet seine Hände ineinander und sieht mich mit einem merkwürdigen Blick an.

„Frau Abendroth, Sie wohnen jetzt schon seit zehn Jahren hier“, teilt er mir eine durchaus bekannte Tatsache mit.

„Ich weiß, dass Sie sich sehr wohl fühlen – und ich fühle mich auch sehr wohl mit Ihnen. Sie sind eine angenehme und sympathische Mieterin, die ich sehr zu schätzen weiß.“

Alamiert blicke ich ihn an. Mir schwant nichts Gutes. Man sagt jemandem gern etwas Positives, bevor man ihm eine Hiobsbotschaft überbringt.

Und genauso ist es natürlich auch.

Herr Bergson räuspert sich.

„Darum ist mir das, was ich Ihnen jetzt sagen muss, auch sehr unangenehm“, fährt er fort.

Augenblicklich liegt ein dicker Stein in meinem Magen. Ich weiß, dass etwas Schlimmes auf mich zukommt. Er wird mich aus der Wohnung werfen, ganz bestimmt. Aber warum? Ich habe doch überhaupt nichts getan!

„Meine Mutter hatte einen Unfall“, berichtet Herr Bergson mit kummervoller Miene. „Sie ist jetzt 83 Jahre alt und in dem Alter steckt man das nicht mehr ohne weiteres weg. Kurz gesagt: Sie kann nicht länger allein in ihrer Wohnung in Bremen bleiben. Wir müssen sie zu uns holen. Frau Abendroth, es tut mir schrecklich leid, aber ich muss Ihnen die Wohnung wegen Eigenbedarfs kündigen.“

Zerknirscht blickt Herr Bergson mich an, während sich alles um mich herum zu drehen beginnt.

„Meine Mutter wird in zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen und soll dann nach Berlin übersiedeln“, erklärt mein Vermieter. „Ich weiß einfach keine andere Lösung. In ein Heim stecken möchte ich sie nicht. Ich hoffe, das verstehen Sie.“

Mein Gehirn ist völlig leergefegt. Ich habe die Worte zwar gehört, aber so richtig verstehe ich sie nicht. Ich soll aus meiner Wohnung raus? Aus meiner Oase, meinem Rückzugsort, meinem Zuhause? Gerade jetzt, wo ich meinen Job verloren habe? Das kann nur ein Albtraum sein, oder? Man kann doch nicht seinen Job und seine Wohnung am selben Tag verlieren! So grausam kann das Schicksal nicht sein. Nicht mal zu mir.

„Es tut mir leid, dass ich Ihnen das so kurzfristig sage.“

Herr Bergson sieht ehrlich betroffen aus.

„Bis zuletzt haben wir noch gehofft, dass meine Mutter in Bremen bleiben kann, was auch ihr Wunsch war. Aber dazu geht es ihr nicht gut genug. Sie hat sich bis zuletzt dagegen gesträubt, nach Berlin zu kommen, weil sie verständlicherweise in ihrer gewohnten Umgebung bleiben möchte. Nachdem ich heute noch einmal mit dem Arzt gesprochen habe, gibt es aber keine andere Möglichkeit. Wir müssen in ihrer Nähe sein, falls etwas passiert.“

Herr Bergson wohnt mit seiner Frau im selben Haus im ersten Stock auf der anderen Seite, wo die Wohnungen deutlich größer sind. Natürlich ist es perfekt, wenn seine Mutter nur ein paar Meter entfernt lebt. Ich kann das voll und ganz verstehen. Bloß: Was wird jetzt aus mir?

Ich muss mich beherrschen, um nicht loszuheulen. Der Abschied im Büro war schon schlimm genug – und jetzt auch noch das. Ich kann es nicht fassen.

„Glauben Sie mir, ich weiß, was wir Ihnen zumuten“, sagt Herr Bergson bedrückt. „Jeder kennt die Wohnungslage in Berlin. Ich weiß, dass es fast unmöglich ist, heutzutage eine bezahlbare Wohnung zu finden. Und dann auch noch so schnell. Wenn es gar nicht anders geht und Sie auf die Schnelle nichts Neues finden, muss meine Mutter eben so lange bei uns in der Wohnung bleiben. Wir haben zwar kein Gästezimmer, aber dann müssen wir uns irgendwie arrangieren. Wir könnten auf der Couch schlafen, während meine Mutter unser Schlafzimmer bekommt.

---ENDE DER LESEPROBE---