8 Fälle für Travers - Thriller Sammelband - Uwe Erichsen - E-Book
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8 Fälle für Travers - Thriller Sammelband E-Book

Uwe Erichsen

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Beschreibung

8 Fälle für Travers - Thriller Sammelband von Uwe Erichsen Über diesen Band: Dieses Buch enthält folgende Krimis: Travers und das Waffenschiff Travers und die Jagd auf Cora Travers und das Dynamit-Komplott Travers und die Spur des Tigers Travers und die Operation Schwarze Schlange Travers - Heroin und heiße Tipps Travers und der Drahtzieher Uwe Erichsen, Film-, Tatort- und Fahnder-Autor, ist auch ein Meister des Spionagekrimis. Der vorliegende Roman ist einer von Erichsens Agenten-Thrillern um Travers, den kaltschnäuzigen, hartbeinigen und intelligenten Spezialagenten aus Washington, und Jo Anne, seinen smaragdäugigen Schatten. An den Brennpunkten des Weltgeschehens sind sie anzutreffen, und immer steht der Friede auf des Messers Schneide... Als der Agent Travers einen neuen Auftrag von seinem Chef bekommt, wird ihm auch gleich ein Partner zugeteilt. Doch kann er Rando wirklich trauen? Irgendwo scheint eine undichte Stelle zu sein. Und wer ist die junge Frau, die sich zu den beiden Männern gesellt? Die Reise zum Einsatzort ist voller Gefahren und Travers muss mehr als ein Mal um sein Leben fürchten.

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Table of Contents

Titel

Copyright

Travers und das Waffenschiff neu

Travers und die Jagd auf Cora

Travers im Netz des schwarzen Satans

Travers und das Dynamit-Komplott

Travers und die Spur des Tigers

Travers und die Operation Schwarze Schlange

Travers - Heroin für heiße Tipps

Travers und der Drahtzieher Ihr Auftrag, Travers

8 Fälle für Travers - Thriller Sammelband

von Uwe Erichsen

 

Über diesen Band:

 

Dieses Buch enthält folgende Krimis:

Travers und das Waffenschiff

Travers und die Jagd auf Cora

Travers und das Dynamit-Komplott

Travers und die Spur des Tigers

Travers und die Operation Schwarze Schlange

Travers - Heroin und heiße Tipps

Travers und der Drahtzieher

 

Uwe Erichsen, Film-, Tatort- und Fahnder-Autor, ist auch ein Meister des Spionagekrimis. Der vorliegende Roman ist einer von Erichsens Agenten-Thrillern um Travers, den kaltschnäuzigen, hartbeinigen und intelligenten Spezialagenten aus Washington, und Jo Anne, seinen smaragdäugigen Schatten. An den Brennpunkten des Weltgeschehens sind sie anzutreffen, und immer steht der Friede auf des Messers Schneide...

 

Als der Agent Travers einen neuen Auftrag von seinem Chef bekommt, wird ihm auch gleich ein Partner zugeteilt. Doch kann er Rando wirklich trauen? Irgendwo scheint eine undichte Stelle zu sein. Und wer ist die junge Frau, die sich zu den beiden Männern gesellt? Die Reise zum Einsatzort ist voller Gefahren und Travers muss mehr als ein Mal um sein Leben fürchten.

 

 

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

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Alles rund um Belletristik!

Travers und das Waffenschiff

Ein Roman aus der Serie: „Ihr Auftrag, Travers!“

von Uwe Erichsen

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 131 Taschenbuchseiten.

 

Uwe Erichsen, Film-, Tatort- und Fahnder-Autor, ist auch ein Meister des Spionagekrimis. Der vorliegende Roman ist einer von Erichsens Agenten-Thrillern um Travers, den kaltschnäuzigen, hartbeinigen und intelligenten Spezialagenten aus Washington, und Jo Anne, seinen smaragdäugigen Schatten. An den Brennpunkten des Weltgeschehens sind sie anzutreffen, und immer steht der Friede auf des Messers Schneide ...

 

Frankreich. Ein eiskalt ermordeter Agent, der zuvor gefoltert wurde. Und der rätselhafte Fall eines Schiffes voller Waffen. Genau das ist der Stoff, aus dem Travers‘ neuester Auftrag besteht – und schon bald ist er mehr als persönlich betroffen, an seiner empfindsamsten Stelle erwischt. Er muss einen kühlen Kopf bewahren, denn selbst der kleinste Fehler würde eine Katastrophe auslösen …

 

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

Die Romane spielen zur Zeit des Kalten Krieges.

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

 

 

1

Er war am Ende. Der stechende Schmerz in seiner Seite hatte von Minute zu Minute zugenommen, und er spürte, wie mit dem warmen Blut, das aus der großen Schusswunde floss, auch das Leben aus ihm hinausströmte.

Er hörte sein eigenes krampfartiges Keuchen, das sich hinter der ovalen Brückenverkleidung fing und gegen ihn zurückprallte wie das Brüllen der Zuschauer in einem Fußballstadion. Konnten sie ihn nicht hören? Gut, dass es dunkel war, dachte er, denn sonst brauchten sie nur der Blutspur zu folgen, die sich wie ein roter Faden über das Deckwand.

Vorsichtig hob er den Kopf und spähte über den Rand des Schanzkleides. Er sah die dünnen Stahlskelette der Krananlagen, die sich nackt gegen den helleren Himmel über der Stadt abzeichneten, er roch das Gemisch aus Salzwasser, Tang, Fisch und Öl, das in jedem Hafen der Welt gleich war. Leise klatschte das Wasser des Hafens gegen den Schiffsrumpf. Irgendwo kreischte, eine Ankerwinde, ein Rolltor schepperte vor einem Schuppen, und über den Kai, tief unter der Brücke, rumpelte ein Lastwagen. Dreißig Meter entfernt. In einer anderen Welt.

Das Scheinwerferlicht des Lasters strich zitternd über das Deck. Der Mann auf der Brückennock konnte jetzt die beiden Männer erkennen, die von zwei Seiten auf die Leitern zuschlichen, die das Oberdeck mit der Brücke verbanden. Ja, sie hatten ihn. Es gab keinen Ausweg mehr ...

Die Gangway lag zu weit entfernt. Der Laster drehte ab. Das Deck versank erneut in Dunkelheit.

Sie hatten ihn in die Enge getrieben und wenn sie schnell genug waren, schnappten sie ihn noch lebend, denn seine Waffe hatte er während der mörderischen Hetzjagd durch das Schiff längst irgendwo verloren.

Peter Kennison wusste, dass er am Ende war, und er wusste, dass er nicht mehr imstande sein würde, Schmerzen zu ertragen. Wenn sie begannen, ihn zu foltern, würde er ihnen sagen, was er wusste.

Er spürte ihre tastenden Schritte auf den eisernen Stufen der beiden Leitern, die zur Brücke hinaufführten. Sie gingen langsam, setzten Fuß vor Fuß. Mit der Unerbittlichkeit von Jägern, die wussten, wo sich ihr Wild verkrochen hatte. Sie ließen sich Zeit. Bemühten sich, ihn nicht zu erschrecken. Denn sie wollten noch etwas von ihm. Es gab da etwas, das sie noch nicht wussten, das sie aber ahnten, und weshalb sie ihn lebend brauchten.

Kennison blickte nach backbord. Der Widerschein der Lichter über der Stadt, das Geländer der Leiter. Dort musste gleich der Kopf eines Mannes erscheinen. Kennison spürte das Vibrieren des Metalls, das sich über das Geländer dem Schanzkleid mitteilte. Er spannte seine Muskeln, zog ein Bein an, er hob das Gesäß, bekam den Fuß unter den Rumpf. Vielleicht konnte er noch einmal springen.

Da! Ein Schatten! Ein Kopf, die breiten Schultern. Der Kopf schwenkte suchend umher. Kennison schoss den angezogenen Fuß ab.

Langsam, zu langsam, dachte er verzweifelt. Aber er irrte sich. Mit voller Wucht traf der Fuß das Gesicht. Kennison spürte den harten Schlag, der sich durch seinen Fuß fortpflanzte und in der Schusswunde oberhalb des Hüftknochens explodierte. Das Gesicht war verschwunden, und kurz darauf hörte Kennison den Aufprall, mit dem die Gestalt am Fuß der Leiter auf den stählernen Umlauf vor der Funkkabine prallte.

Doch da war ja noch ein Mann. Dem konnte er nicht entkommen. Kennison zog sich am Schanzkleid hoch. Er sah sich nicht um, denn er wollte nichts sehen. Er hörte den heiseren Ruf und das Scharren der Füße auf dem geriffelten Eisen.

Kennison schwang sich über das Schanzkleid.

Er sah das Deck unter sich liegen. Es raste auf ihn zu. Würde er sterben? Und würde er das Geheimnis mit sich nehmen?

Lange bevor er das Deck erreichte, hielt ihn etwas anderes auf. Ein heftiger Ruck ging durch seinen Körper, als er auf die Seilverspannung eines Ladebaumes prallte. Das Seil federte unter seinem Gewicht. Es hatte ihn in der Körpermitte getroffen, und er blieb darauf liegen. Es führte in einem Winkel von 45 Grad abwärts. Auf den gefetteten Stahldrähten rutschte Kennison abwärts wie ein Seiltänzer nach der Beendigung seiner Show.

Schwer prallte er aufs Deck. Er lebte immer noch. Doch der Schmerz war nicht mehr vorhanden, an seine Stelle trat eine wattige Stille, die seine Gedanken einhüllte und den nahenden Tod ankündigte.

Noch einmal wich diese dunkle Decke, als er die Fäuste an seinen Armen spürte. Sie hoben ihn an und schleiften ihn über das Deck. Sie behandelten ihn durchaus vorsichtig. Denn sie wollten noch etwas von ihm, bevor er starb.

Peter Kennison wehrte sich nicht mehr. Er hoffte nur, dass der Tod den Männern, die ihn quälen wollten, zuvorkommen möge.

 

 

2

Travers streckte die Hand aus. Seine Finger stießen gegen das beharrlich schnarrende Telefon, und einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, das Ding einfach vom Nachttisch zu stoßen.

Mühsam öffnete er die Augen. In seinem Blickfeld lag das erleuchtete Zifferblatt der elektrischen Uhr.

Es war drei Uhr dreißig in der Nacht. Travers fluchte, denn er war der Ansicht, dass ihm hin und wieder eine ungestörte Nacht zustand. Er nahm den Hörer ab und presste ihn an sein Ohr.

Die keuchenden Atemzüge waren typisch für den kleinen Mann in dem schäbigen Büro in der Washingtoner Duke Street. Smith schien niemals zu schlafen, besonders nachts nicht. Nachts war er stets bereit, die Mitglieder seiner Truppe aufzuscheuchen. Smith hatte eine sadistische Ader, Travers zweifelte nicht daran.

„Sind Sie allein?“, drang die Stimme aus dem Hörer. Der lüsterne Unterton war kaum zu überhören.

„Ja. Ich bin nämlich müde. Ich bin gestern erst aus Istanbul zurückgekehrt ...“

„Ich weiß, Travers. Es tut mir leid ... Sie müssen wieder nach Europa. Sofort.“

Travers stöhnte.

„Es geht um einen Frachter mit Waffen für Angola, für die FNLA“, begann Smith. Er verstummte, schien nicht den richtigen Anfang zu finden.

In Angola, der ehemaligen portugiesischen Provinz, kämpften die verschiedenen Freiheitsbewegungen gegeneinander. Und hinter jeder dieser Bewegungen stand eine andere Großmacht, denn es ging um die Vorherrschaft in einem wichtigen Teil Afrikas. Die MP LA wurde von Russland unterstützt, die FNLA und die Unità von den Vereinigten Staaten. Jedenfalls bis vor wenigen Tagen.

„Ich denke“, sagte Travers, „der Senat hat jede Unterstützung, jede militärische Hilfe für Angola gesperrt!“

„Das ist es ja eben“, klagte Smith, doch der klagende Unterton in seiner Stimme schien nicht ganz überzeugend, und Travers spitzte die Ohren. „Der Frachter sollte zurückbeordert werden, aber ...“, Smith keuchte heftig, „das Schiff ist abhanden gekommen ...“ Travers knipste endlich das Licht an und setzte sich auf. Er schnippte eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an.

„Einzelheiten?“, fragte er dann.

„Die Details schicke ich per Fernschreiben nach Paris. Sie nehmen die nächste Maschine ...“

„Wieso gerade Paris?“

„Das Schiff lag zuletzt in Le Havre vor Anker. Dort wurden die Waffen verladen. Sie stammen aus Depots in Europa. Deshalb. Jo Anne ist ebenfalls in Frankreich. Ich schicke ihr ein Telegramm, für alle Fälle …“

Travers runzelte die Stirn. Er hatte Jo Anne lange nicht mehr gesehen. Er war gern mit ihr zusammen, doch obwohl sie eine hervorragende Agentin war, sah er es nicht gern, wenn sie gemeinsam an einem Fall arbeiteten. Sie waren dann zu verletzlich. Sie beide, Travers schloss sich selbst nicht aus.

„Jo Anne wird sich mit Marple in Verbindung setzen. Marple weiß alles, was über den Fall bekannt ist. Er kann Ihnen helfen, Travers, aber halten Sie ihn weitgehend raus. Sie wissen warum ...“

„Ja“, bestätigte Travers. Er wollte auflegen, doch es drängte ihn gleichzeitig, noch etwas zu fragen, denn der Gedanke an neun Stunden Flug schreckte ihn schon jetzt, weil sein Verstand nichts hatte, womit er sich beschäftigen konnte. Nur ein verschwundenes Schiff. Nicht einmal ein Name. Das war zu wenig.

„Seit wann?“, fragte er, und als Smith schwieg: „Sind Sie sicher, dass es nicht einfach in einem Sturm gesunken ist?“

„Vor drei Tagen lag es in Le Havre. Heute Morgen – in Europa ist es jetzt schon hell – haben sie die Leiche des Mannes aus dem Wasser gefischt, der für den Transport verantwortlich zeichnete. Ich glaube, Sie kannten ihn ... Peter Kennison ...“

Travers spürte nicht, wie die Glut der Zigarette seine Lippen verbrannte. Seine Fingerknöchel wurden weiß, doch seiner Stimme war nicht anzuhören, welche Gefühle in ihm tobten.

„Ja, ich habe ihn gekannt“, bestätigte er.

„Marple weiß mehr, und ich schicke ein verschlüsseltes Telex. Machen Sie es gut, Travers.“

 

 

3

George Marple, CIA Paris, holte ihn am Airport Charly ab. Sie drückten sich nur kurz die Hand und sprachen kein Wort miteinander, bis sie in Marples Peugeot saßen und Marple die Schnellstraße nach Paris ansteuerte.

Das Hotel lag in der Innenstadt, in einer Seitenstraße der Rue de Rivoli, nicht weit von der Isle de la Cité entfernt.

Travers gab dem Boy, der seinen Koffer heraufgebracht hatte, ein gutes Trinkgeld, ehe er die Tür mit dem Rücken ins Schloss drückte. Er sah Marple an und lächelte.

Marple überreichte Travers einen versiegelten Umschlag. „Das sind die Unterlagen, die ich Ihnen übergeben soll. Sie bestehen aus einem Bericht, den ich verfasst habe, verschiedenen Dokumenten, einem Verzeichnis über die Art der Lieferung, die von Le Havre aus nach Angola gehen sollte, sowie ein Fernschreiben Ihrer Dienststelle.“

Travers legte den Umschlag zur Seite, denn Marple hielt einen Packen Fotos in der Hand, die er jetzt auf den Tisch klatschen ließ.

Travers schob die Bilder von sich. Er brach den Umschlag auf und begann, die Unterlagen zu sichten. Die Dechriffrierung des Fernschreibens verschob er auf später.

„Das Schiff“, begann er, „die 'Tiverton' ...“

„Englischer Frachter, sechzehntausend Bruttoregistertonnen, neun Mann Besatzung, fährt seit Jahren auf der Linie Southampton – Dahome, und seit Kapitän Neil Hardeman das Schiff führt, bekommt es Aufträge, die – nun – nicht immer mit den internationalen Seerechtsabmachungen übereinstimmen.“ Marple deutete auf einen rot eingefassten Bericht, der das Wappen der britischen Krone trug. „Hardeman steht im Dienst des MIV“, erläuterte er.

Travers nickte. Sie wollten es so geheim machen, dass sie nicht einmal einer amerikanischen Reederei den Auftrag übertrugen, aber sie hatten es einfach nicht fertig gebracht, die brisante Fracht einer x-beliebigen Reederei zu übergeben. Es musste etwas Besonderes sein. Ein Schiff, dessen Kapitän dem britischen Secret Service angehörte.

Travers nahm ein Foto des Frachters und prägte sich dessen Silhouette ein, obwohl das kaum einen Sinn hatte. Es handelte sich um einen modernen Frachter, vier oder fünf Jahre alt, von dessen Klasse auf der schottischen Werft seinerzeit ein halbes Dutzend gebaut worden war.

„... gilt als absolut zuverlässig“, schloss Marple.

„Wer hat ihn ausgesucht und empfohlen?“

„Unsere Leute in London. – Was werden Sie tun, Travers? Sie verstehen, dass mir die Aufklärung dieser Sache besonders am Herzen liegt ...“

„Weil Kennison umgekommen ist?“

„Weil das Schiff in unserem Zuständigkeitsbereich zuletzt gesehen wurde. Deshalb.“

Travers starrte auf die Karte. „Was ist geschehen, um es zu finden?“

„Es wird seit“, Marple blickte auf die Uhr, „nunmehr vierzehn Stunden vermisst. Seit zehn Stunden wird es gesucht. Unter Anwendung einiger Vorsichtsmaßregeln, um den Schaden nicht zu vergrößern. Wir erhoffen uns Aufschluss von Satellitenfotos, die wir in Washington bestellt haben. Aber weil Ihre Dienststelle alles an sich gerissen hat ...“ Marple verstummte und lächelte verlegen.

„Wenn es bis morgen keine Spur von dem Schiff geben sollte, fahre ich nach Le Havre. Ich habe so das Gefühl, als ob wir mit den Satellitenfotos nicht weit kommen.“

„Was veranlasst Sie zu dieser Vermutung?“

„Mein lieber George, wenn jemand ein ganzes Schiff klaut, das mit Waffen aus dem Besitz der Vereinigten Staaten beladen ist, wird dieser Jemand genau wissen, worauf er sich einlässt. Er wird die Silhouette des Schiffes verändern, die Fracht umladen oder was weiß ich, er wird nur eines nicht tun – sich schnappen lassen, bevor er sein Ziel erreicht hat.“

Marple nickte. „Sie meinen also, es wird sich gar nicht auf hoher See befinden?“

„Genau das vermute ich. Sie haben viel zu schnell versucht, Peter Kennison loszuwerden. George, bringen Sie Ihre V-Leute zwischen Le Havre und Cherbourg auf Trab. Sie sollen in jedes Hafenbecken, in jede Flussmündung sehen.“

„Das ist bereits geschehen. Wir haben in der Normandie immer noch viele Männer, die gern für uns arbeiten. Wenn sich die 'Tiverton' in Sichtweite der Küste befindet, werden wir es bis morgen Mittag wissen.“

„Okay, George. Wie lange fährt man von hier bis Le Havre?“

„Es sind gut zweihundert Kilometer. Drei Stunden etwa. Wann soll ich Sie abholen?“

„Ich weiß noch nicht, ob ich Sie mitnehmen soll, George. Sie müssen zuerst Ihre Informationen abwarten, darüber wird es Mittag. Stellen Sie mir einen Wagen in die Hotelgarage. Einen schnellen französischen Wagen mit Autotelefon oder Funk. Den Schlüssel geben Sie beim Empfang ab.“

Marple nickte, und Travers goss jedem noch einen kleinen Schluck Bourbon nach. Er selbst musste einen klaren Kopf behalten, denn er wollte noch Smiths Telex entschlüsseln.

Er rollte den scharfen Alkohol im Mund, als das Telefon summte.

Travers warf Marple einen schnellen Blick zu. „Für Sie?“ Marple schüttelte den Kopf. Travers nahm den Hörer ab. „Hallo?“

„Bist du allein?“, fragte Jo Anne leise mit einer Stimme, in der pure Erotik knisterte. Und das am Telefon, dachte Travers seufzend.

„Nein“, antwortete er und grinste. „Wo steckst du? Etwa in Paris?“

„Das könnte dir wohl so passen! Meine Adresse lautet Hotel Cap Estel, Eze bord de mer, das liegt zwischen Nizza und Monte Carlo. Hast du etwa Sehnsucht? Ich nehme an, der gute George Marple stellt nur einen höchst unzureichenden Ersatz für mich dar!“ Jo Anne lachte leise.

„Okay, Baby, ich brauche dich. Komm nach Le Havre ...“

 

 

4

Ein scharfer Wind peitschte die Föhren hoch auf der Klippe und nahm den beiden Menschen, die sich dort oben aufhielten, den Atem. Die Strände unterhalb der Klippen waren verwaist. Sie trugen so schöne Namen wie Plage Fort Noyelle oder Plage St. Gabriel oder Stella Plage, Plage Bellevue, Parc les Pins. Auf den Strand gezogene Badeinseln, verlassene Strandhütten hinter Holzzäunen, gegen die die Wellen schäumten.

Travers deutete nach Norden, wo das Land sich wie ein falsch eingeschraubter Haken ins Meer stemmte. Der Haken bildete eine natürliche Bucht, geschützt von den steil aufragenden Klippen der Küste.

In dieser Bucht, tief verborgen im Innern des Hakens, lag das Schiff.

Es wurde langsam dunkel, und die Konturen verschwammen. Der hohe, schwarze Rumpf der 'Tiverton' mit den gelben und hellgrünen Aufbauten hob sich nur noch undeutlich gegen das nasse Grauweiß der Kreidefelsen ab.

„Und nun?“, fragte sie.

„Wir müssen an Bord“, antwortete er gepresst. Er starrte durch das starke Glas und versuchte zu ergründen, welches Geheimnis dieses Schiff bergen mochte. Neun Mann Besatzung hatte es gehabt. Und Peter Kennison.

Wo steckten die Besatzungsmitglieder?

Travers tastete den Klippenrand über der Bucht ab. Föhren, die sich im Wind bogen, hartes graugrünes Gras, Hügel, durch die das Weiß der Kalkfelsen brach. Weit im Hintergrund die Lichter einer kleinen Stadt, davor das nicht erkennbare Band der Straße, nur die Lichter der Fahrzeuge im Dämmerlicht.

Und eine Bewegung.

Da! Jetzt hatte er es! Etwas Glänzendes, wie ein Stück Glas.

Die Objektive eines starken Feldstechers!

Dort drüben, fast genau über dem Schiff – dem Totenschiff? – lag jemand und starrte herüber.

Travers flüsterte Jo Anne etwas zu, und sie kroch langsam zurück. Travers gab ihr zwei Minuten. Der Mann auf der anderen Seite der Bucht hatte auf jemanden gewartet. Jeder, der sich für das Schiff interessierte, würde genau dort aufkreuzen, wo er, Travers, jetzt lag. Und der Beobachtungsposten drüben musste ihn bemerken.

Hatte der Wächter drüben ihn und Jo Anne bemerkt?

Travers hob wieder den Feldstecher an die Augen. Er versuchte, sich das Gelände drüben einzuprägen. Der Regen und der Wechsel von Wärme und Kälte hatten tiefe Rillen in das Erdreich auf den Klippen gegraben. Bei Dunkelheit konnte man schnell in eine solche Rinne fallen. Andererseits war das derart gegliederte Gelände auch gut geeignet, um sich unbemerkt an den Wachtposten oberhalb der 'Tiverton' anzuschleichen.

Die Straße folgte dem Radius des Hakens, der landeinwärts zeigte, und als sie wieder nach Osten schwang, hielt Travers nach einem Versteck für den Wagen Ausschau. Er entschied sich für eine Schneise, die in einen dichten Kiefernwald auf der dem Meer und der Bucht abgewandten Seite der Straße stieß.

„Dort hinein“, sagte er, ohne den Blick von der Höhe über dem Felsen zu wenden, wo unter einem Strauch jemand lag und ihn erwartete. Ihn oder jemanden sonst, der sich für die 'Tiverton' interessierte.

Er stieß die Tür auf. Jo Anne hatte die automatische Innenbeleuchtung abgeschaltet. Sie dachte an alles. Wie ein Schatten verschmolz Travers mit der grauen feuchten Dunkelheit über der Klippe.

Er huschte geduckt über die Straße. Seine Füße versanken im Gras, strichen über kahle Flächen, wo der Kalkfelsen durchbrach. Er hörte das Knacken der Kiefernstämme und das Heulen des Windes, und aus der Tiefe brandete das Geräusch der Wellen herauf, die gegen die Steilküste anrannten. Die Lichter des Dorfes waren nicht mehr zu erkennen, seit der Regen heftiger geworden war.

Das Gelände auf der Klippe fiel gegen die Kante zur See hin leicht ab. Travers bemerkte das Gebüsch als dunklen Buckel, ziemlich nah an der Kante, näher, als es das Fernglas wiedergegeben hatte. Travers spürte, wie sich seine Kopfhaut zusammenzog.

Lautlos umrundete er das kleine Gehölz, um sich ihm dann von Westen her zu nähern. Ein Geräusch ließ ihn innehalten. Glas klirrte. Das Brechen von Zweigen und ein leiser, französisch ausgestoßener Fluch übertönte das Brausen des Windes.

Das Geräusch erstarb, nachdem der Mann dort in dem Buschwerk seine ungemütliche Stellung verändert hatte, und der Fluch wiederholte sich nicht.

Travers, der reglos stehengeblieben war, bewegte sich wieder vorwärts. Nass klebte das Haar an seinem Schädel, und kalt rann der Regen am Hals entlang und drang durch den Kragen. Er achtete nicht darauf. Er wollte gerade in das Gestrüpp eindringen, als er das Zischen von Reifen oben auf der Straße hörte.

Er drehte sich um. Lichter tanzten über die Straße. Wenn der Wagen einer Kurve folgte, strichen die grellen Kegel aufs Meer hinaus, wo sich ihr Schein im Dunst verlor. Sie kehrten zurück, rissen für einen Moment den nassglänzenden Lack des Wagens aus der Dunkelheit, den sein Fahrer hinter den Föhrenstämmen verborgen hatte.

Der Wagen oben auf der Straße verlangsamte seine Fahrt. Er verließ die Straße und holperte dann über den unebenen Boden auf die Klippe zu. Travers warf sich in eine mit Regenwasser gefüllte Mulde, als die Scheinwerfer herumschwenkten und ihr Licht ihn zu erfassen drohte.

Im Gebüsch wurde es lebendig. Der Wagen des Neuankömmlings rollte neben dem anderen Fahrzeug aus, die Scheinwerfer wurden abgeschaltet, die Tür wurde geöffnet, sie klappte ins Schloss. Dann ein leiser Ruf.

Travers hob den Kopf und stemmte sich in die Höhe.

Zu früh. Der Mann, der soeben aus dem Wagen gestiegen war, hielt einen starken Batteriescheinwerfer in der Hand, den er jetzt aufblitzen ließ.

Der Kegel traf Travers genau ins Gesicht. Das Licht erlosch sofort, doch der Mann, der die Lampe hielt, hatte Travers bemerkt, und jetzt schrie er etwas, das Travers nicht verstehen konnte.

Der Amerikaner warf sich in das Gebüsch, als der andere ihm schon die ersten Schüsse herüberschickte. Eine schnelle Salve aus einer automatischen Pistole.

Der Neuankömmling schrie dem Mann im Gestrüpp etwas zu. Travers hatte sich wieder zu Boden geworfen. Aus zwei Waffen wurde er jetzt unter Feuer genommen. Die Mündungsflammen waren nicht zu erkennen. Travers zog den Kopf zwischen die Schultern.

Was ging hier vor? Was bedeutete dieser Feuerzauber?

Er war dem Mann, der auf der Klippe über dem Frachter Wache geschoben hatte, sehr nahe. Der Kerl hatte sein Magazin leergeschossen. Travers hörte, wie die Gestalt vor ihm sich bewegte. Drei, vier Schritte entfernt. Dazwischen nur ein paar harte Zweige.

Auch der zuletzt Angekommene stellte jetzt das Feuer ein. Er rief etwas, und jetzt konnte Travers das raue Bretonisch verstehen.

„Drück endlich auf die Kiste! Und dann komm!“

Travers hechtete vor. Er spürte, wie der andere herumfuhr und sich dann duckte. Travers prallte auf einen Rücken, der sich unter seinem Gewicht krümmte. Er fühlte derben Stoff, der sich mit Feuchtigkeit vollgesogen hatte.

Der Mann versuchte, ihn abzuschütteln, dann warf er sich einfach zu Boden.

Hing über einem Kasten. Travers hörte das Schnarren einer Zahnstange.

Er kannte das Geräusch, und es ließ ihn innerlich gefrieren.

Im gleichen Moment explodierte die Welt.

Travers hatte gehört, wie die Zahnstange in den Batteriekasten gedrückt wurde. Die Spannung jagte durch das Zündkabel, brachte Zündkapseln zur Explosion.

Es war ein ohrenbetäubender Knall, der den hohen Kalkfelsen in seinem Innersten zu erschüttern schien. Der Boden unter Travers’ Körper bebte. Ein Instinkt, eine stets vorhandene Urangst befahl ihm, sich mit Händen und Füßen in den Boden zu wühlen, während um ihn herum die Hölle aufbrach.

Die Umgebung leuchtete grell auf. Das Wasser in der Luft nahm die orangefarbenen Flammen auf, zerstrahlte sie in Milliarden winziger Lichter, die überall waren. Darunter blitzten bläuliche Flammen, sie schossen mit Gebrüll aus dem berstenden Schiffsrumpf, und mit unvorstellbarer Wucht schleuderten sie zolldicke Stahlplatten, Masten, Teile der Decksaufbauten und ganze Stahltreppen in die Luft.

Immer noch bewegte sich der Felsen, während das Surren der durch die Luft wirbelnden Brocken anschwoll. Travers spürte, wie nur wenige Zoll vor seiner ausgestreckten rechten Hand, deren Finger sich in den aufgeweichten Boden gewühlt hatten, ein langer klaffender Spalt entstand. Wenn der Explosionsknall seine Trommelfelle nicht betäubt hätte, hätte er das Schmatzen hören müssen, mit dem ein gut zehn Meter breiter Streifen der Klippe einfach abbrach.

Travers schob sich zurück. Seine Hand stieß gegen Stoff, gegen ein Bein, das bei der Berührung zuckte. Travers packte zu. Das andere Bein begann sich zu bewegen, der Fuß stieß gegen Travers’ Hand und schrammte über den Handrücken. Travers musste loslassen, und als er wieder zupacken wollte, griff er ins Leere.

Der Mann war nicht mehr da Das Gras war verschwunden, und vor Travers’ tastenden Fingern war nur noch Leere.

Immer noch schienen die in der Luft schwebenden Wassertropfen die Flammen festzuhalten. Jetzt schoss eine hohe, grellrot angestrahlte Wasserfontäne fast klippenhoch auf. Das Donnern füllte die Luft, es erschütterte den Boden, Trümmer des auseinandergerissenen Schiffes prasselten jetzt herab. Eine Handbreite neben Travers‘ Kopf schlug eine Stahlplatte tief in den Boden und blieb vibrierend aufrecht stecken.

Travers kroch zurück, wobei er seinen Kopf zu schützen suchte. Ein schwerer Bolzen traf zwischen seine Schulterblätter, ein langer Metallsplitter bohrte sich in seinen Oberschenkel.

Er hatte sich umgedreht und sah nach vorn. Zu den Föhren, deren Stämme sich unter dem Druck des Windes und dem der Detonation neigten.

Er sah im langsam schwächer werdenden rötlichen Widerschein der Flammen einen Wagen, der zurückgestoßen wurde, der hastig wendete und dann davonjagte auf das weiter nördlich gelegene Dorf zu.

Ein großes Stück der Decksverkleidung senkte sich herab wie ein gewaltiger schwarzer Vogel. Travers hörte das Pfeifen der Luft wie einen Flügelschlag, und er sah die große dunkle Platte, die den Himmel zu verdunkeln schien.

Travers keuchte angestrengt. Er presste sich mit dem Rücken gegen den dicksten Stamm, er drückte den Kopf an das rissige Holz, und dann hörte er, wie der Stahl den Wagen, der zurückgeblieben war, unter sich zermalmte wie eine Schrottpresse.

Das Zittern des Bodens hatte nachgelassen, Dunkelheit umhüllte ihn von neuem. Nur das Prasseln der herabstürzenden Eisenteile und der harte Herzschlag in Travers’ Brust erinnerten ihn daran, dass hier unvorstellbare Gewalten getobt hatten.

„Cal!“

Er hörte Jo Annes Stimme nicht.

„Cal!“

Der Ruf klang drängend. Travers schluckte, um die Ohren und den Gehörgang freizubekommen.

„Cal! Cal! So antworte doch!“

Travers schob sich am Stamm der Kiefer hinauf. Er wandte den Kopf. Dort hatte jemand seinen Namen gerufen.

„Jo Anne!“, brüllte er und wollte losrasen, weg von diesem Ort des Schreckens.

Er brach zusammen. Das rechte Bein knickte einfach unter ihm weg, und er schlug lang ins Gras. Nah an seinem Gesicht zischte etwas. Er spürte die Hitze eines Metallstücks, das sich eben dort in den Boden gebohrt hatte.

Da war Jo Anne neben ihm. Ihre kühle Hand strich durch sein Gesicht, Finger tasteten ihn ab, schnell und geschickt. Die Finger entdeckten den langen Metallsplitter, der wie ein Nagel aus seinem Fleisch ragte. Nachdem Jo Anne seinen Körper abgetastet und keine weiteren Verletzungen entdeckt hatte, ergriff sie seinen rechten Arm.

„Steh auf. Du kannst gehen. Wir müssen hier weg ...“

Travers stützte sich auf Jo Annes Schulter. Er hatte kein Gefühl im rechten Bein. Er schleifte es nach wie ein totes Stück Holz.

Jo Anne stieß ihn auf die Rückbank und schmetterte die Tür ins Schloss. Dann warf sie sich hinter das Lenkrad. Der Motor schnarrte leise, als sich der Wagen sanft in Bewegung setzte und mit der Nacht verschmolz.

 

 

5

Jo Anne hatte beinahe instinktiv die Straße nach Cherbourg angesteuert. Diese große Hafenstadt lag näher am Explosionsherd als Le Havre. Sie würden sie eher erreichen und deshalb auch sicherer den Kontrollen entgehen, die unweigerlich bald beginnen würden.

Travers’ Herzschlag beruhigte sich langsam, und auch das keuchende Atemholen ließ bald nach. Er richtete sich hinter Jo Annes Sitz auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Er brauchte den Kontakt zu einem Menschen. Er hatte sich inmitten eines Infernos befunden, das nicht menschlich gewesen war.

„Hast du den anderen Wagen gesehen?“, fragte er. Seine Stimme klang belegt, leise und flach. Er räusperte sich. „Nach der Explosion, meine ich.“

Jo Anne nickte. Ihr Kupferhaar fiel über seine Hand. Das Kopftuch hatte sie verloren. „Aber ich habe nicht viel erkennen können. Ein Simca Chrysler, hellrot, wenn die Flammen die Farbe nicht zu sehr verfälscht haben.“ Sie wartete, doch als Travers nichts weiter sagte, fragte sie: „Was war los?“

„Sie haben eine Show veranstaltet. Eigens für uns.“

„Wie kommst du darauf?“

Travers blickte an Jo Annes Kopf vorbei. Die Lichter eines Dorfes jagten vorbei. Menschen standen auf dem kleinen Platz vor der niedrigen Kapelle, Travers erhaschte einen Blick auf ein Gebäude, dessen Tor soeben geöffnet wurde. Rot blinkte der Lack eines Feuerwehrwagens. Dann waren sie hindurch. Noch zwanzig Kilometer bis Cherbourg.

„Sie haben auf der Klippe darauf gewartet, dass jemand das Schiff entdeckte. Leute wie wir. Wir sollten sehen, dass es existierte, und dann wumm, perdu, wie der Franzose sagt.“ Travers stöhnte, als er sein Bein anders legte. Das Autotelefon meldete sich schnarrend. Travers beugte sich vor und nahm den Hörer, der auf der Konsole zwischen den beiden Vordersitzen in seiner Halterung steckte. Er nannte die Nummer des Wagens.

„Ja“, bestätigte Marple nur. „Wir haben eben einen seltsamen Anruf bekommen. Da übernimmt eine Organisation für Sozialistischen Fortschritt die Verantwortung für einen Anschlag auf einen illegalen Waffentransport. Es kann nur die 'Tiverton' damit gemeint sein ...“

„Die 'Tiverton' ist eben in die Luft geflogen“, sagte Travers. Er berichtete in groben Zügen, was auf der Klippe von des Sabris geschehen war.

Marple schwieg einen Moment, während er versuchte, mehrere Ereignisse in Übereinstimmung miteinander zu bringen.

„Der Anrufer sagte, man werde von jetzt an nicht mehr zulassen, dass Waffen nach Afrika gebracht werden, wo sie nur dazu dienten, die imperialistische Gewalt und Terrorherrschaft aufrechtzuerhalten. Travers, was mich bestürzt ist der Umstand, dass der Anrufer genau wusste, an wen er sich zu wenden hatte.“ Schließlich fragte der CIA Mann: „Was glauben Sie?“

„Ich glaube, dass ich verschaukelt werden soll“, antwortete Travers. Er rieb sein schmerzendes Bein. Das Blut hatte den Stoff der Hose mit der Haut verklebt.

„Verschaukelt?“, fragte Marple betroffen. „Von wem?“

„Von denen, die das Schiff in die Luft gejagt haben. Und von Ihnen.“

„Von mir?“, rief Marple. Selbst durch den Hörer des Autotelefons war zu erkennen, dass Marple verletzt war.

„Nicht von Ihnen persönlich. Von Ihrem Verein. Jemand spielt falsch. Oder nicht offen. Was auf dasselbe herauskommt.“

„Und der Anruf? Was hat der zu bedeuten? Wie passt der ins Bild?“

„Die Explosion war eine Show, ein Bluff, eigens für uns inszeniert. Marple, ich will, dass der Explosionsort und die Überreste des Schiffes genau untersucht werden. Aber nicht von unseren Leuten. Es müssen Franzosen sein.“

„Ich werde meine Beziehungen zum Deuxième Bureau spielen lassen. Sie werden schnellstens eine Gruppe Experten in Marsch setzen. Worauf sollen sie achten?“

„Auf alles. Wie viele Waffen waren an Bord? Was für Waffen? Ich möchte, dass der Teil des Rumpfes, auf den der Name 'Tiverton' gemalt war, erkennungsdienstlich behandelt wird ...“

„Sie glauben, dass es gar nicht die 'Tiverton' war?“

„Ich weiß es nicht, Marple, aber ich will es wissen. Dann wünsche ich eine Aufstellung aller Schwesterschiffe der 'Tiverton' mit Namen, Heimathafen und Angabe der Positionen, die sie in den letzten drei Tagen eingenommen haben.“

„Das kann nicht so schwer sein“, meinte Marple.

„Die Leute, die das Wrack untersuchen, sollen auf Leichen achten. Wenn sich Menschen, ob lebendig oder bereits tot, an Bord aufgehalten haben, wird nicht mehr viel von ihnen übrig sein. Aber ich will wissen, ob Menschen an Bord gewesen sind.“

„Okay. Noch etwas?“

„Ja. Eine Schnellanalyse des verwendeten Sprengstoffes. Meiner Ansicht nach sind mehrere verschiedene Detonationsstoffe beteiligt gewesen ...“

„Was schließen Sie daraus?“

„Wieviel Munition wurde in Le Havre an Bord gebracht?“, fragte Travers. „Wie viele Sorten und so weiter. Ich will wissen, ob die Fracht in die Luft gejagt wurde oder ob es fremder Sprengstoff war oder beides.“ Er hatte das Verzeichnis über Art, Umfang und Menge der für die angolanischen Freiheitskämpfer bestimmten Waffen zwar von Marple bekommen, doch die Aufstellung befand sich in seinem Hotelzimmer in Le Havre. Außerdem war er kein Experte. Er wusste nicht, ob Gewehrgranaten rot oder blau aufflammten, wenn sie detonierten.

„Ich werde mich darum kümmern“, versprach Marple. „Was noch?“

„Stellen Sie eine Liste zusammen mit allen Befreiungs-, Terror- und sonstigen Gruppen und Organisationen, die zurzeit besonders aktiv sind und die von anerkannten Staaten unterstützt werden.“

„Die Organisation für Sozialistischen Fortschritt kennen wir noch nicht“, sagte Marple.

„Vergessen wir die. Uns interessieren nur solche Gruppen, die Kontakt zu anerkannten Staaten haben.“ Und Zugang zu deren Einrichtungen, fügte Travers in Gedanken hinzu. Wie dem Militär und dem Geheimdienst.

Marple verstand. „Wird erledigt.“ Travers blickte auf, als Jo Anne vor einer roten Ampel hielt. Sie hatten den ersten Vorort Cherbourgs erreicht.

„Marple, ich brauche hier einen Mann, der etwas für mich erledigen kann. Und ich brauche einen Arzt, der keine Fragen stellt.“

„Einen Moment. Ich muss in die Liste sehen...“

„Ist es so schlimm?“, fragte Jo Anne. Er sah ihre sanften Augen kurz im Rückspiegel, ehe sie wieder behutsam anfuhr und den Schildern folgte, die sie in die Innenstadt wiesen.

„Ich brauche das Bein noch“, gab Travers zurück.

Marple meldete sich wieder. „Wenden Sie sich an Dr. Marcel Pouilly in der Rue Massillon. Das muss in der Nähe des Fährhafens sein. Benutzen Sie den Code Delta Echo. Benutzen Sie diesen Code auch, wenn Sie folgende Telefonnummer anrufen.“

Travers prägte sich die Zahlenfolge ein. Er hatte den Mann nicht vergessen, der kurz vor der Explosion auf der Klippe erschienen war, vermutlich mit der Absicht, seinen Kumpel abzulösen. Jo Anne hatte seinen Wagen als einen hellroten Simca Chrysler erkannt.

„Das war’s“, sagte Travers abschließend.

„Bis dann ... Travers?“

„Ja?“

„Wer, glauben Sie, spielt falsch? Wir? Ich meine, mein Haufen?“

„Halten Sie es für ausgeschlossen?“

„Das ist es ja eben – nein. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“

Travers drückte den Hörer in die Halterung und lehnte sich zurück.

„Zu den Englandfähren“, sagte er. „Rue Massillon, Dr. Pouilly ...“ Noch einmal nahm er den Hörer auf und ließ sich von der Sondervermittlung der französischen Post mit der Nummer verbinden, die Marple ihm genannt hatte. Er hatte keine Minute Zeit zu verlieren.

 

 

6

Er war unter alte Kämpfer geraten. Travers hatte den Eindruck, als wollte man ihn weiterreichen und ihn beim nächsten Veteranentreffen der Résistance den anderen vorstellen.

Zuerst der Doc, der während der ersten Tage der Invasion – zwischen dem Morgen des 6. Juni 1944 und dem elften desselben Monats – mit den Amerikanern nach Süden und Osten gestürmt war.

Dr. Pouilly war ein alter Mann, aber er verstand etwas von Wunden und davon, einen Verletzten wieder so herzustellen, dass er einigermaßen einsatzfähig blieb.

Dann Henri Fossier. Er war vom selben Schlag. Travers traf ihn kurz nach Mitternacht in der Bar des Hotels Beau Rivage, in das er sich zurückgezogen hatte, um die Entwicklung der nächsten Stunden abzuwarten.

Fossier schob sich mit Verschwörermiene an der gepolsterten Theke entlang. Er drehte seine schwarze Baskenmütze in der Hand, während er die wasserhellen Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkniff. Er war ein kleiner, früh gealterter gebeugter Mann, mit einem verwitterten Gesicht. Hose und Jacke schlotterten viel zu weit um seinen abgemagerten Körper.

Travers deutete auf den Stuhl neben sich. Er schüttelte dem Mann die Hand, ohne sich dabei zu erheben. Fossier schielte auf Travers’ verletztes rechtes Bein, und Travers verfluchte den Arzt, der wahrscheinlich nichts Eiligeres zu tun gehabt hatte, seinen alten Kombattanten mitzuteilen, dass die Amerikaner wieder in der Stadt waren.

Jo Anne saß in der Halle des Hotels, hinter einem Gummibaum und einer französischen Zeitung verschanzt. Zur Sicherheit. Denn die Geheimhaltungsdecke hier würde Löcher aufweisen so groß wie Wagenräder.

Travers nickte dem Mann zu. „Nennen Sie mich Chuck“, sagte er. „Möchten Sie etwas trinken?“

Fossier nickte. „Einen Absinth, wenn es nichts ausmacht, bitte.“ Er hatte eine leise, angenehme Stimme.

Travers schnippte mit den Fingern. Er bestellte eine Flasche Absinth mit Wasser und Eis, für sich noch einen Bourbon und eine Tasse Espresso. Sie warteten, bis die Getränke vor ihnen auf dem kleinen runden Tisch standen, dann bot Travers Zigaretten an. Fossier nahm eine, doch offenbar nur aus Höflichkeit oder um der Erinnerung willen, denn er hustete schon nach dem ersten Zug und hielt das glimmende Stäbchen dann nur noch zwischen den Fingern.

„Haben Sie schon etwas herausgefunden?“, fragte Travers.

Fossier nickte. „Ich war bei den Falaises des Sabris“, begann er. „Ich habe mir den zertrümmerten Wagen angesehen und mir die Zulassungsnummer notiert. Ich kenne jemanden in der Zulassungsstelle hier in Cherbourg. Denn der Wagen, ein Fiat, war hier zugelassen. Die Zahl 50 im Kennzeichen deutet auf unser Departement hin, die Manche. Ja, und der Besitzer des Fiats wohnt … wohnte sogar in Cherbourg selbst.“ Fossier nippte an seinem Absinth.

Travers lauschte, ohne den Bericht des Mannes zu unterbrechen. Er spürte, dass er den kleinen mageren Burschen unterschätzt hatte.

„Der Besitzer des Wagens heißt ... hieß Robert Blanche. Seine Leiche wurde am Fuß der Felsen gefunden. Er war ein stadtbekannter Ganove. Ziemlich harter Brocken ... Ich war eben in seiner Stammkneipe. Er hat ... hatte einen, sagen wir einmal, Freund, der einen roten Simca Chrysler fährt: Der Mann heißt Antoine Meric. Er ist sonst auch ständig im Poisson Volant anzutreffen, aber heute hat ihn dort noch niemand gesehen.“ Fossier versenkte seine Hand in der Jackentasche und förderte einen Zettel hervor, den er Travers zuschob.

Travers warf einen Blick darauf. In sauberer Handschrift war dort die Adresse des Antoine Meric notiert. Travers nickte anerkennend.

„Ich danke Ihnen“, sagte er aufrichtig. „Sie haben mir sehr geholfen.“

„Ich habe es gern getan.“ Fossier erhob sich, und auch Travers richtete sich auf, obwohl in der Beinwunde ein dumpfer Schmerz pochte.

„Darf ich Ihnen die Unkosten ersetzen?“, fragte er.

Fossier schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Auch wenn Sie das Geld von jemandem zurückbekommen – nein, danke.“

Travers lächelte und drückte dem Mann die Hand. Er sah ihm nach, bis er die Hotelhalle durchquert und auf der dunklen Straße verschwunden war. Er begegnete Jo Annes fragendem Blick und schüttelte unmerklich den Kopf.

Er setzte sich wieder, trank den Bourbon und den Kaffee aus, und dabei studierte er die Adresse, die Fossier ihm aufgeschrieben hatte. Unter der Bezeichnung der Straße stand eine Erläuterung. Nebenstraße des Quai d’Anglais, am Hotel Littry.

Er wusste, wo der Quai d’Anglais lag, er hatte das Straßenschild während der Fahrt durch die Stadt gesehen. Travers bezahlte die Rechnung, dann zündete er sich eine Zigarette an und schlenderte in die Halle hinüber. Den zusammengeknüllten Zettel mit der Adresse des Antoine Meric, der einen roten Simca Chrysler besaß, hielt er in der hohlen rechten Hand.

Vor Jo Anne blieb er stehen. Er bückte sich und drückte seine Zigarette in dem Standaschenbecher neben ihrem Sessel aus. Als er sich aufrichtete, ließ er den kleinen Zettel in ihren Schoss fallen.

„Komm mit dem Wagen nach“, sagte er leise. „In dreißig Minuten.“

Er ging nach draußen, wo ein feuchtkalter Wind von der See hereinblies. Die Gummijacke lag im Wagen. Er trug nur sein Jackett und ein dünnes Hemd darunter. Rasch schritt er aus, auf den Quai d’Anglais zu.

 

 

7

Hinter den Fenstern des Hotels Littry war es dunkel, nur durch das Glas der Eingangstür schimmerte noch das Licht einer Lampe über der Rezeption. Travers tauchte neben dem Haus in die Dunkelheit einer schmalen Gasse, in der es nach Katzendreck, Abfällen und Öl roch.

Der Öldunst drang aus dem Lichtschacht eines schmalbrüstigen Hauses. Travers blieb stehen. Unter seinen Füßen bullerte der Brenner einer Ölheizung. Der Boden vibrierte leicht und erinnerte ihn daran, was erst vor wenigen Stunden geschehen war.

War der Tod des Mannes, der die Explosion ausgelöst hatte, vorgesehen gewesen? Oder hatte es sich um einen Unfall gehandelt, weil sich irgendjemand ganz verdammt verrechnet hatte, als er den Kahn mit Sprengstoff vollpackte? Jemand hatte zwei einheimischen Strolchen einen Auftrag gegeben. Einen recht einfachen Auftrag. Aufzupassen, ob jemand kam und sich für das Schiff interessierte. Wenn ja, sollte er die Sprengung auslösen.

Doch warum diese Reihenfolge? Warum warten, bis man die 'Tiverton' entdeckte?

Nach einigem Nachdenken glaubte Travers, die Antwort auf diese Frage gefunden zu haben, auch wenn die Antwort weitere und schwierigere Fragen nach sich zog.

Man kann einen ausgewachsenen Frachter nicht einfach verschwinden lassen. Man musste damit rechnen, dass er eines Tages aufgestöbert wird. Und dann würde es Spuren geben.

Fingerabdrücke oder Inhalt der Öltanks würden den Experten Fragen beantworten. Die Vorräte der Kombüse würden den Fahndern ebenso Auskunft über die Menschen geben, die das Schiff während der letzten Zeit benutzt hatten wie der Inhalt der Abfalleimer. Deshalb hatte man sich zu einer radikalen Beseitigung aller Spuren entschlossen, doch erst so spät wie möglich. Erst dann, wenn das Schiff bereits entdeckt war. Denn die Behörden sollten so lange wie möglich nach der verschwundenen 'Tiverton' suchen, wie es irgend möglich war.

Damit ein anderes Schiff in Ruhe die Waffen an einen anderen Krisenplatz transportieren konnte? Um eine Krise anzuheizen? Oder um die Außenpolitik der Vereinigten Staaten zu stören?

Der Umstand, dass man zwei kleine Gangster aus der nächstgelegenen Hafenstadt mit dem Job, die 'Tiverton' zu versenken, betraut hatte, bestätigte nur Travers’ Annahme, dass es noch ein Schiff geben musste.

Er blieb stehen. Ein feiner Sprühregen rieselte vom nachtdunklen Himmel. Über den Kai torkelte ein Betrunkener. Irgendwo rauschte ein Auto durch eine Pfütze.

Travers zählte die Häuser ab, da die Hausnummern nicht zu erkennen waren. Es musste das siebente Haus hinter dem Hotel Littry sein, in dem Antoine Meric wohnte. Travers ertastete eine breitere Durchfahrt. Er schlüpfte hinein, und der Regen riss ab.

Es stank nach faulendem Fleisch und alten Knochen. Travers hob den Kopf. Über der Gasse baumelte ein altes Blechschild, und schwach erkannte er den Kopf eines Stiers. In dem Haus war eine Metzgerei untergebracht.

Hinter Travers gähnte ein Hof. Er tauchte tiefer in die Durchfahrt hinein. Der Hof war rechteckig, und die Rückfronten mehrerer Häuser bildeten die Begrenzungen. In einigen Fenstern schimmerte Licht, dessen Widerschein über die Dächer und über die Motorhauben mehrerer Wagen fiel.

Rasch ging Travers an den Fahrzeugen vorbei. Er legte eine Hand auf jeden Kühler. Nur die Motorhaube eines kleinen Renault Lieferwagens war noch warm. Einen roten Simca Chrysler konnte er nicht entdecken.

War Antoine Meric abgehauen, als die Welt um ihn herum zu versinken schien? Oder war er zu jemandem gefahren. um zu kassieren?

Travers fuhr herum. Motorgeräusch kam rasch näher.

Jo Anne im Citroёn?

Er hob das linke Handgelenk an die Augen. Die halbe Stunde war noch nicht um.

Travers duckte sich hinter den Renault. Er prüfte den Sitz seiner Pistole. Sein Jackett war mittlerweile durchweicht.

Die Durchfahrt mit dem runden Bogen leuchtete auf wie eine Bühne, wenn der Beleuchter die Scheinwerfer einschaltet. Der Fahrer schaltete zurück, das Licht wurde heller. Langsam bog ein Wagen in die Durchfahrt ein.

Die Lichtkegel strichen über schwarzrote Mauern, über Kisten, aufgebockte Autowracks. Der Fahrer blendete ab. Travers bewegte sich nicht.

Der Fahrer rangierte seinen Wagen herum und stieß dann zurück, so dass die Schnauze genau auf die Durchfahrt zur Gasse gerichtet war. Die Lichter erloschen, der Motor wurde abgestellt.

Travers hob den Kopf. Die Innenbeleuchtung erhellte die Polster eines neueren Wagens und die breiten Schultern eines stiernackigen Mannes, der eine Parka und eine flache Kappe trug. Der Mann warf die Tür ins Schloss.

Travers starrte auf den Wagen, bis er sicher war, die rote Farbe erkannt zu haben. Ob es sich bei dem Wagen um einen Simca Chrysler handelte, vermochte er nicht sicher zu sagen.

Geräuschlos folgte er dem Mann, dessen Schritte auf dem mit Asche bestreuten Boden knirschten. Der Mann blieb stehen. Schlüssel klirrten.

Travers huschte bis zu einer Wand. Mit ausgestreckter Hand strich er daran entlang. Mit der Rechten zog er die MK IV.

Ein Schlüssel wurde in ein Schloss geschoben. Ganz nah. Travers stieß die Hand vor. Die Mündung der Waffe bohrte sich in die Seite eines Menschen.

„Wenn du ganz still bleibst, geschieht dir nichts“, hauchte Travers. „Nur ein paar ganz einfache Fragen, dann gehe ich wieder.“ Langsam spannte er den Abzug, bis der Hammer knackend einrastete. Die MK IV verfügt über einen Spannabzug, der ein Spannen des Verschlusses mit dem Schlitten überflüssig macht.

Der Mann kannte das Geräusch. Durch das Metall der Waffe hindurch spürte Travers, wie sich die Haltung des Burschen versteifte.

„Wie heißt du?“, fragte er leise.

„Antoine ...“

„Schließ auf. Wir wollen im Flur miteinander sprechen. Oder können wir in deine Wohnung gehen?“

„Ich habe ein Zimmer ... Aber was willst du? Worüber willst du mit mir sprechen?“

„Über Robert!“

„Uber welchen Robert?“

„Über den, der heute über die Falaise des Sabris gerutscht ist. Nun mach schon!“

Antoine stieß die Tür auf. Der Geruch nach Blut und frischem Fleisch verstärkte sich.

„Kein Licht“, befahl Travers. Er legte dem Mann eine Hand auf die Schulter, dabei tastete er über die Jacke des anderen und entdeckte den Umriss eines Revolvers, der in der inneren Brusttasche stecken musste.

Die Stufen der steilen Holzstiege knackten unter dem Gewicht der beiden Männer.

Antoine fand sich in der Finsternis mühelos zurecht. Er ging über einen engen Flur im ersten Obergeschoss. Am Ende des Ganges, neben einem Fenster, das zum Hof hinausging, blieb er stehen und wandte sich um. Wieder klirrte ein Schlüssel, ein Schloss schabte, dann quietschten die ungeölten Scharniere.

Travers blickte dem Franzosen über die Schulter. Die Umrisse zweier bis zum Boden reichender Fenster, davor ein altmodisches Ornamentgitter. Eins der Fenster war nur angelehnt. Die Gardine bauschte sich im Wind.

Antoine machte einen Schritt in das Zimmer hinein.

Der Hieb kam aus dem Dunkeln hinter der Tür. Ein Arm, darin ein länglicher Gegenstand, der am Ende eine Verdickung aufwies.

Das bleierne Ende des Totschlägers traf die Stelle hinter dem rechten Ohr des französischen Gangsters. Es knackte, und ohne einen Laut brach Antoine zusammen. Er fiel nach vorn, die Knie knickten ein. Er prallte mit dem Gesicht auf den Boden.

Travers blieb stehen, ohne sich zu bewegen. Sie hatten ihn nicht bemerkt. Er schob lediglich seinen rechten Fuß vor.

Ein Mann trat hinter der Tür hervor. Er wollte die Tür ins Schloss werfen. Das Holz prallte gegen Travers‘ Fuß.

Der Mann reagierte sofort.

Er wirbelte herum, und in seiner Hand blitzte es auf.

Travers keuchte überrascht, und ohne zu zögern ließ er sich zu Boden fallen.

Keine Sekunde zu früh. Er hörte das feine Zischen, mit dem der tödliche Giftstrahl aus einer Düse gepresst wurde, und er glaubte, den süßlichen schweren Geruch wahrzunehmen, der langsam auf ihn niedersank.

Cyanidgas, dachte er. Er presste eine Hand vor seinen Mund und rollte sich auf den Rücken.

Der Mann, der versucht hatte, ihn zu töten, sprang über ihn hinweg. Travers stieß dem Mann die Hand mit der Pistole zwischen die Beine. Er spürte den Widerstand, und dann verfing sich ein Fuß hinter Travers’ Hüfte, und der Mann stolperte.

Travers richtete sich auf. Mit dem Schwung des rechten Armes riss er das Bein des anderen in die Höhe. Der Kerl wurde nach vorn geschleudert und prallte mit dem Schädel gegen den Türrahmen. Das Holz erzitterte, der Mann stöhnte und rutschte dann an der Wand zu Boden.

Travers zog sich bis zum Fenster zurück. Er benutzte den Handrücken, als er den einen Flügel weiter öffnete und tief die frische, feuchte Regenluft in seine Lungen sog.

Er wollte sich gerade abwenden, als er den dünnen Lichtstrahl aufblitzen sah. Ganz kurz nur. Das punktförmige Licht stach in die Finsternis, prallte auf den roten Lack des Simca Chrysler und erlosch wieder.

Jo Anne war da.

Travers lächelte, doch das Lächeln gefror, als er hörte, wie eine Wagentür geöffnet wurde, und eine Stimme, kalt und fremd, an Travers’ Ohr drang. Gleichzeitig flammte eine Taschenlampe auf, deren greller Kegel Jo Anne blendete.

„He, Puppe, komm mal her!“

Der Kerl war aus dem Renault gestiegen, aus dem kleinen Lieferwagen, dessen Motorhaube als einzige noch warm gewesen war, als Travers seine Hand auf das Blech gelegt hatte.

Schwach konnte er den Umriss eines großen schlanken Mannes erkennen, der sich jetzt auf Jo Anne zuschob. Jo Anne hatte den Blick gesenkt. Ihre Arme hingen locker herab.

Der Mann blickte nicht nach oben, wo er seinen Komplizen bei einem schmutzigen Geschäft wähnte. Unendlich langsam öffnete Travers den Fensterflügel. Immer noch hing der schwere süßliche Geruch von Cyanidgas in der Luft. Travers wusste, dass er es jetzt mit Profis zu tun hatte. Er konnte es nicht einmal riskieren, den Mann, der sich jetzt Jo Anne näherte, mit einem gezielten Schuss außer Gefecht zu setzen. Vielleicht hatte auch dieser Mann eine unauffällige Vorrichtung zum Abschießen des tödlichen Giftnebels in der Hand, eine Zigarettendose oder einen Füllhalter zum Beispiel, die er selbst im Sterben noch benutzen konnte.

Travers schob sich gegen das nasse und vom salzhaltigen Regen glitschige Geländer, das außen vor dem Fenster angebracht war. Das Fenster war sehr schmal, kaum schulterbreit. Travers schob die Pistole in das Halfter zurück. Mit beiden Fäusten packte er das Gitter, er spannte die Muskeln. Und er hoffte, dass er sich auf sein rechtes Bein verlassen konnte.

Der Mann schaltete den Handscheinwerfer nicht aus. Einen Schritt vor Jo Anne blieb er stehen. Ihr Gesicht war weiß und nass, und selbst die blassrosa Lippen hoben sich in dem grellen Licht kaum gegen die Haut des Gesichts ab.

Travers schätzte die Entfernung, dann sprang er.

Er bekam den rechten Fuß gerade eben hoch genug, um über das Geländer zu flanken. Die Sohle schrammte leise über das rostige Eisen.

Dieses leise Geräusch genügte, um den Mann unten herumfahren zu lassen.

Der Lichtkegel seiner Lampe schoss an Travers vorbei.

Travers flog durch die Luft. Er hatte seine Arme ausgebreitet und die Knie leicht angewinkelt. Der andere sah ihn kommen und wollte ausweichen. Jo Anne trat ihn vor das Schienbein.

Da krachte Travers auf den Mann und riss ihn zu Boden. In seinem Oberschenkel explodierte eine kleine Wasserstoffbombe, die ihre versengenden Strahlen in den Unterleib schickte.

Travers stemmte das Knie auf einen Oberarm. Mit der linken Hand fuhr er um den Hals seines Opfers herum, und mit einem heftigen Ruck riss er dessen Kopf in den Nacken.

„Keine falsche Bewegung“, sagte er dicht am Ohr des Mannes, das unter glattem schwarzem Haar verborgen war.

Die Lampe war dem Burschen aus der Hand gefallen und über den Hof gerollt. Jo Anne hatte sie aufgehoben.

Sie leuchtete Travers kurz an, und als sie feststellte, dass er die Situation beherrschte, knipste sie das Licht aus.

Was nun, dachte Travers. Er fühlte sich jedoch keineswegs ratlos. Hier hatten sie offenbar niemanden geweckt oder auf andere Weise auf sich aufmerksam gemacht. Sie hatten noch ein paar Minuten Zeit.

Travers schob seine freie Hand seitlich über die Schulter seines Opfers. Ein oft geübter Griff – dann spürte er, wie die Gestalt unter ihm erschlaffte. Langsam richtete Travers sich auf. Er hatte diesen Griff anwenden müssen, da er noch einmal in das Zimmer des Antoine Meric hinauf wollte.

„Du kannst ihn filzen“, sagte er zu Jo Anne, „aber sei vorsichtig! Sein Partner hatte eine Cyanidspritze bei sich!“

Lautlos drang er noch einmal in das Haus ein. Der Mörder lag noch neben der Tür, so wie er zusammengesunken war. Travers schob dessen Beine aus dem Türrahmen, dann zog er die Tür ins Schloss, und nachdem er die Vorhänge vor die beiden Fenster gezogen hatte, schaltete er das Deckenlicht ein.

Der Raum war karg möbliert. Ein altertümliches Bettgestell aus blind gewordenem Messing, eine Kommode, ein Schrank und ein mehrfach gesprungenes Waschbecken.

Travers kniete neben Antoine, dem französischen Gangster, nieder. Er drehte den Mann auf den Rücken.

Das Gesicht war schlaff und blass, die Augen hatten sich nach oben verdreht und zeigten das Weiße.

Antoine Meric hatte seinen Partner nur um wenige Stunden überlebt. Ihr Tod war programmiert gewesen. Unvermeidlich. Aus der Sicht derjenigen, die an den Fäden zogen.

Travers glitt zu dem Mann, der Antoine erschlagen hatte. Der Kopf war ihm auf die Brust gesunken. Als Travers seine Hand in das glatte schwarze Haar schob und den Kopf anhob, bemerkte er die Symptome, die ihm einen Schauer über den Rücken jagten.

Das Gesicht und der Nacken hatten sich rosa verfärbt, die Lippen waren tiefblau angelaufen. Aus den verkrampften Fingern klirrte ein verchromtes Zigarettenetui auf die Dielenbretter. Aus der Seite des Etuis ragte noch die Düse heraus, die das Gift versprüht hatte.

Der Mörder war in seine eigene tödliche Waffe gefallen und darin umgekommen.

Travers durchsuchte die Taschen des anderen, und er stopfte alles, was er fand, in seine eigenen. Dann tastete er das Gesicht dieses Mörders ab.

Die Nase war schmal, und hinter den steifen und im Todeskampf hochgezogenen Lippen erkannte er kräftige weiße Zähne. Er schätzte das Alter des Toten auf Mitte Zwanzig. Zu Lebzeiten musste er eine dunkle, vielleicht olivfarbene Haut gehabt haben. Die Hände waren auffallend schlank und sehnig. Er war ein arabischer Typ, Berber vielleicht, doch dieser Menschenschlag war in Frankreich recht häufig anzutreffen.

Travers schaltete das Licht wieder aus, und ohne ein Geräusch zu erzeugen, bewegte er sich über die Treppe abwärts, wo Jo Anne neben dem bewusstlosen Kerl kauerte, nass wie eine Katze und mürrisch wie ein Hund, dem ein anderer das Futter weggefressen hat.

„Wo steht der Wagen?“, fragte Travers.

„Am Kai. Du willst ihn doch nicht etwa dort hinschleppen?“

„Nein ...“ Travers öffnete die hintere Tür des Renaults. „Pack mal mit an. Mein Bein ...“ Gemeinsam hoben sie den Bewusstlosen auf die Ladefläche. Travers schloss die Tür, dann bedeutete er Jo Anne, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen, während er selbst sich hinter das Lenkrad schob.

Der Motor sprang sofort an. Travers stieß den Wagen vom Hof, er ließ ihn zum Kai rollen und stellte ihn dann neben dem Citroёn ab. Eine einsame Bogenlampe warf einen hellen Kreis auf das nasse Kopfsteinpflaster.

Travers stellte den Motor ab und schaltete die Scheinwerfer und die Scheibenwischer aus. Der feine Regen überzog die Scheiben mit einem Wasserfilm, der sie sofort undurchsichtig machte, nachdem die Scheibenwischer ihren Dienst eingestellt hatten, und das Glas beschlug von innen. Jo Anne wischte das Ausstellfenster an ihrer Seite ab und spähte hinaus. Kein Mensch schien mehr unterwegs zu sein.

„Was hatte er bei sich?“ Travers rutschte zur Seite und lud alles aus seinen Taschen, was er dem Toten aus Antoines Zimmer abgenommen hatte. Auch Jo Anne breitete ihre Beute neben sich auf dem Sitz aus.

In den wenigen Besitztümern beider Männer befanden sich längliche Schlüssel, die mit einem Messinganhänger versehen waren. Auf den Anhängern prangten Zahlen unter einem Segelschiff, und das Ganze wurde von einem verschnörkelten Schriftzug umrahmt. Hotel de la Marine. Keine Ortsangabe. Travers steckte den Schlüssel des Toten ein. Den anderen schob er in die Tasche des bewusstlosen Mannes zurück, der sich zu bewegen begann und röchelnde Laute von sich gab. Travers gab ihm auch eine dünne Rolle mit Francnoten zurück, das Kleingeld und einen Schlüsselbund, nachdem er die daranhängenden Schlüssel einer schnellen Prüfung unterzogen hatte.

„Ist das alles?“, fragte er dann. „Keine Brieftasche? Keine Papiere?“

„Nur noch diesen Kugelschreiber und das Feuerzeug. Aber keine Zigaretten ...“

Travers untersuchte das Feuerzeug und das Schreibgerät. Er konnte nichts Auffälliges an diesen beiden Gebrauchsgegenständen entdecken, dennoch steckte er sie ein. Wenn er die Gelegenheit dazu bekam, würde er sie den Experten für eine genaue Untersuchung überlassen. Vielleicht war der Gegenseite eine sensationelle Neuentwicklung gelungen. Nur eins würde er nicht mit den Beutestücken tun – sich eine Zigarette mit dem Feuerzeug anzünden oder mit dem Kugelschreiber schreiben.

„Wir steigen um“, sagte er dann.

Sie liefen zum Citroёn. Travers überließ Jo Anne den Platz am Steuer.

„Wohin?“, fragte sie.

Travers wusste, dass er aus dem überlebenden Agenten nichts herausbekommen konnte – außer mit Penthotal. Der Mann war ein Profi. Deshalb hatte Travers den Hotelschlüssel eingesteckt, der dem Toten gehört hatte. Irgendwo hatten die Kerle ihre Papiere oder andere Dinge zurückgelassen, die einem aufmerksamen Betrachter Rückschlüsse auf ihre Aufgabe oder auf die Hintermänner erlauben würden. Irgendwo. Entweder in ihrem Hotel, oder in ihrem Wagen. Travers hatte den Wagenschlüssel am Schlüsselbund des Bewusstlosen bemerkt. Der Schlüssel gehörte zu einem BMW. Die Kerle hatten für die Fahrt zum Tatort einen alten Renault benutzt, den sie vielleicht gestohlen hatten, weil sie die Leiche des erschlagenen französischen Gangsters nach vollbrachter Tat beseitigen mussten. Ein erschlagener Ganove, dessen Leiche im Hafen gebunden wurde, würde niemanden ans Nachdenken bringen.

„Wohin?“, wiederholte Jo Anne ihre Frage.

„Hast du ein Hotel bemerkt, das de la Marine heißt?“, fragte er. Er zog den Hotelführer aus dem Handschuhfach, nachdem Jo Anne den Kopf geschüttelt hatte. Er suchte unter Cherbourg nach einem Hotel dieses Namens, konnte jedoch keins finden. Es gab jeweils ein Hotel de la Marine in Arromanches, in Deauvile und in einigen anderen Orten an der Küste.

„Vergiss es“, sagte er zu Jo Anne. Selbst wenn er herumtelefonierte, um herauszufinden, wo die Kerle abgestiegen waren, konnte er nicht viel erreichen, wenn er keinen Verdacht oder unnötige Aufmerksamkeit erregen wollte. Denn er kannte die Namen der Männer nicht.

Jo Anne spähte über den Kai zu dem Renault hinüber, der einsam unter der einzelnen Laterne stand. „Sie werden irgendwo einen Wagen haben“, vermutete sie.

„Einen BMW“, bestätigte Travers. „Fahr einmal den Kai auf und ab. Vielleicht entdecken wir ihn.“

Jo Anne blinzelte ihn an, als sie den Zündschlüssel drehte. „Welche Farbe?“ Ihre Smaragdaugen begannen zu funkeln.

Travers grinste zufrieden. Sie waren noch einmal davongekommen, und sie hatten einen Zipfel der Decke angehoben, die das Geheimnis bedeckte.

 

 

8

Sie konnten keinen BMW entdecken. Aber als sie zum drittenmal den Weg eines Streifenwagens gekreuzt hatten, hielt Travers es für besser, die auffällige Herumfahrerei zu beenden.

„Halte am anderen Ende an“, sagte er. „Lassen wir uns von unserem Freund führen, wenn er wieder in der Lage ist, zu fahren.“

Jo Anne drehte die Limousine und stellte sie hinter einem Kran ab, mit dessen Hilfe die Fischerboote entladen wurden. Die Schatten in diesem Teil des Hafens waren tief und schwarz. Jo Anne stellte den Motor aus und schaltete auch die Scheinwerfer und den Scheibenwischer ab.

Der Renault stand scheinbar verlassen unter der Laterne. Travers lehnte sich zurück und schnippte eine Zigarette aus der Packung.

„Im Ablagefach liegt etwas für dich“, sagte Jo Anne mit dunkler Stimme.

Travers tastete unter dem Armaturenbrett herum, bis seine Finger gegen das glatte Glas einer Flasche stießen.

„Bourbon“, sagte er, als er den Korken abzog. Er hielt Jo Anne die Flasche hin, doch sie schüttelte nur stumm den Kopf. Er nahm einen kräftigen Schluck. Belebende Wärme breitete sich in seinem Inneren aus. „Unsere erste Nacht hatte ich mir allerdings anders vorgestellt“, murmelte er.

„Wenn ich deine behaglichen Schmatzgeräusche richtig beurteile, scheinst du dich auch so wohlzufühlen“, meinte Jo Anne spöttisch.

„Ich beschwere mich ja gar nicht“, entgegnete Travers. „Stell lieber mal die Scheibenwischer an!“

Er beugte sich vor. Die großen Wischerblätter schnitten ein klares Sichtfeld aus der Scheibe. Travers spähte durch das Stahlgerüst des kleinen Krans zu dem Renault hinüber Der Wagen stieß zurück. Haarscharf vor der Kante des Hafenbeckens blieb er stehen. Der Fahrer hatte die Scheinwerfer noch nicht eingeschaltet. Im Stand drehte er jetzt die Vorderräder herum, etwas mühsam, wie es Travers schien. Dann flammten die Lichter auf, und schwerfällig setzte sich das Fahrzeug in Bewegung.

„Unser Freund ist wieder im Einsatz“, verkündete Travers. „Er fühlt sich miserabel, und er möchte am liebsten kotzen, aber er wird auch Angst haben und vorsichtig sein. Sieh zu, dass er dich nicht bemerkt.“

Jo Anne drehte den Starterschlüssel. „Wenn er etwas bemerkt, so bemerkt er uns. Vergiss das nicht. Oder willst du fahren?“

„He! Warum so kratzbürstig?“ Travers setzte noch einmal die Flasche an die Lippen, ehe er sie verkorkte und ins Ablagefach schob.

Jo Anne wartete, bis der Renault vom Kai rechts abbog und den Weg in die Innenstadt einschlug. Der Wagen schlingerte wie ein führerloses Boot bei schwerer See. Der erste Polizist würde den Fahrer wegen Verdachts auf Trunkenheit am Steuer anhalten. Travers wusste jedoch, dass sich der Mann von dem betäubenden Griff jetzt sehr rasch erholen würde. Vielleicht schneller, als es Travers recht sein konnte.

Der Citroёn rollte über den Kai. Erst als der Renault nicht mehr zu sehen war, schaltete Jo Anne die Scheinwerfer an. Sie drückte das Gaspedal nieder und zog den schweren Wagen in die Straße, die auch der Fahrer des Renaults gewählt hatte.