A gnos ie II - Maria Wolke - E-Book

A gnos ie II E-Book

Maria Wolke

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Beschreibung

Zwei Geiste in einem Gehirn. Lange säuberlich voneinander getrennt. Zwei Personen in einem Körper. Unwissend voneinander. Was geschieht, wenn sich die Geiste beider Menschen mischen? Auf engstem Raum und ursprünglichster Basis neu anordnen. Durch einen Unfall mit Hirnverletzung, vielleicht? Übergreifender, überbordender Narbenbildung vielleicht. Daraus resultierender, neuer Vernetzung, zum Beispiel. Symptomatische Zysten, neuralgische Übersprünge, neue Weiterleitung, neue Signale, neues Feedback erlauben? Wenn sich ihre Persönlichkeiten, ihre Wünsche und Hoffnungen, eigene Lebenserfahrungen und -vorstellungen mischen? Durcheinander kommen. Das Eine das Andere aufhebt? Das Stärkere das Schwächere dominiert? Sich Träume, Trugbilder, Hoffnungen vermischen? Wachsen, Zusammenwachsen, Eins bilden? Sich zusammenfügt, was nicht zusammengehört.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Teil 2

Handbuch für Nebenbuhler

Dieses Buch widme ich einer sehr besonderen Frau.

Claudia Neudörfer

Sie ist da, für die sprachlosen, die unsichtbaren, die hilflosen.

Ohne Sie und Ihre wunderbare Buchhandlung „Wortwerke“ wäre diese Welt um vieles ärmer, kälter und einsamer.

Es ist schön, dass es Sie gibt!

Agnosie

Aus dem altgriechisch

a- : un-, nicht,

gnos : erkennen, wissen,

ie : ist

Der Ehrlichkeit halber muss ich gestehen, dass ich eigentlich nur des Stuhles wegen, der die Tür zu dieser Krankenhauskapelle aufhält und die Hälfte meiner Übungsstrecke Bett-Stuhl-Bett darstellt, hierher gefunden habe.

Er ist mein „Point of nichts-geht-mehr“. Halb-Marathon sozusagen.

Ich hatte mich, sobald ich zu ein paar Schritten mehr als Bett-Klo-Bett und dem schmerzfreien Knicken meiner Hüfte fähig war, hinein in diesen stillen Raum, in das ruhige Dämmerlicht der hintersten Sitzreihe verkrochen.

Hatte mich, zutiefst verstört über das impertinent-fröhliche Sonnenleuchten großer Buntglasfenster, über dieser elendigerbarmungslosen Kreuzigungsstrecke abgewendet; Hatte es hingenommen, um den mitleidsvollen Blicken der Neu-Besucher, der getuschelten Neugier selbst bedauernswerter Angehörigenkinder, ihrem ängstlichen Ausweichen, dem nervigen Ansporn der Krankenschwestern, dem überheblichen Grinsen der fast-Genesenen und dem der ersten, atemlosen, noch völlig unbedarften Tagesbesucher; Um dem allgemeinen, überall gegenwärtigen, verschämten Weg- oder Hinsehen zu entgehen.

Als ob ein Pissebeutel an der Tasche eines Morgenmantels und ein paar blutige Schläuche und Stöpsel; Ein sich auf Krücken dahin schleppender Mann, die Rüschen der weißen Embolie-Strümpfe in Badelatschen in einem Krankenhaus etwas Besonderes wäre; Jedenfalls hatte ich mir angewöhnt, wenn ich denn schon ab und an hier in seiner Kirche war, mit ihm zu reden, zu ihm zu sprechen und mir seine Antworten dazu zu denken, wobei ich allerdings das unumstößliche Gefühl habe, er hat mich zuerst angequatscht!

In den Nächten, in denen ich vermeintlich alleine gewesen war.

Diese halbwegs erträglichen, schmerzlosen Nächte, halbschlafend, halbwach, in denen ich Anwesenheit spürte. Anwesenheit wusste, wo doch niemand war. Leere Stühle, offene Türrahmen, erblichene Fensterbretter, die Spiegelung der kleinen Nachttischlampe im Fensterglas vor nachtschwarzem Himmel, misstrauisch musterte.

Ich lag in diesem hohen Bett, und der Gedanke, dass hier drin schon wer-weiß-wie-viele gestorben waren, trieb mich unaufhaltsam daraus heraus, machte mich mit jeder Stunde unruhiger, gieriger auf eine schnelle Heilung, ein eiliges Verlassen; Auf die Suhle meiner eigenen Matratze, die Stille meiner Räume, das Zwitschern der Vögel in meinen Bäumen, auf das Klappern des Briefkastendeckels und dem „Pong“ der Morgenzeitung an Tür und Fußabtreter.

Lag dort und wartete auf das erste Scharren des Kapellenstuhles, den Beginn des neuen Tages, den leisen Hauch, den das Öffnen der Kapellentür auf dem Trennungsvorhang rings um mein Bett tat.

Dem ersten „Ting“ eines Fahrstuhles, weit entfernt. Dem ersten „Qui-i-i-i-iek“ einer nahen Abteilungstür. Lauschte auf den beruhigenden Tages-Klang der Schritte, nach der ängstigenden Stille der Nacht. Schwester Anne, Schwester Doris, Doktor Peters.

Und! Endlich! Sonja!

Der beruhigende Griff ihrer Hand, ihre auf meiner, den ich anfangs genoss ohne die trockenen Augen zu öffnen, ohne Wach-Sein zu zeigen, und doch hoch konzentriert auf ihr leises atmen, neben dem rhythmischen Tocken der Geräte, lauschte ich auf ihr Bitten, Gänsehaut treibend in mein Ohr gehaucht, ihr leises Schluchzen und Schnucken. Ihren abendlichen Abschiedskuss auf meiner Stirn.

Ließ mir ihr Streicheln über den Unterarm gefallen. Lag dort und sog gierig ihre Kraft in mich auf. Ohne Skrupel und Gewissensbisse.

Zumindest bis jetzt.

Meine Gedanken drehten sich, wie die Seiten eines Zauberwürfels. Hatte ich die Felder einer Farbe zusammen, herrschte auf den anderen fünf Anarchie und Chaos, bis ich mich endlich entschloss „Fünfe gerade“ sein zu lassen.

Lag in diesem Bett, dem Schützengraben meines Lebens, mit meiner eigenen Schwäche besudelt, das Gesicht weinend in die Kissen

gedrückt, während mir Gedankengranaten erbarmungslos um die Ohren heulten, Erinnerungs-Splitter links und rechts neben mir, dem Wimmernden, einschlugen und mich, unter dem niederprasselnden Dreck der Vergangenheit unermüdlich begruben, je weniger der tröstenden Medikamente in meine Venen floss; Bat, betete und bettelte, tränen- und rotzfließend, nicht wissend, ob ich denn überhaupt wissen wollte; ob ich nicht, wenig vorher, um die Gnade des Vergessens gebettelt hatte. Beruhigte meinen unnützen, leeren Geist damit, der nicht viel mehr hergab, als meinen Namen, Sonjas Gesicht und das aufdringliche Gefühl des betrogen-seins.

Sie hatte mich verraten! Sie war davon gegangen und hatte mich alleine gelassen. Sie, der ich am meisten vertraut hatte, hatte mich preisgegeben. Den Wölfen der Justiz. Den Kakerlaken der Gesellschaft. Den gelben Hunden der Presse. Nicht in Not. Nein, absichtlich! Mit bestem Wissen und Willen. Mit Plan!

Schonungslos. Erbarmungslos.

Die Frau, die ich geliebt hatte. Die mich für einen anderen, einen billigen Schmierfinken, verlassen hatte. Vielleicht ein Kind mit ihm hatte und mich gleich darauf mit dem nächsten Besten, ihrem schmierigen Barista betrog. Dieselbe Frau, die jetzt ängstlich bittend in mein Ohr flüsterte. Deren Tränen mein Gesicht benetzten.

Aufhören! Es soll aufhören!

Sie sind mir alle zuwider, die, die mir bei meinen Übungsmärschen in diesem Flur entgegenkommen. Nicht das was sie im Einzelnen sind; Bekümmerte Mütter, besorgte Ehefrauen, weinende Angehörige, oder eilig hastende Zeitklauber, über die Tatsache des Krankseins grundsätzlich empörte Mitbürger, sondern das, was sie darstellen, denn sie sind Grenzgänger!

Taumelnd zwischen einer mühsam aufrecht erhaltenen, rosa gestalteten Normalität und der traurigen, Blut-roten, Hämatomblauen, Hämolyse-grünen, Tod-grauen Realität, sind sie es, die aus mir „einen auf der falschen Seite“ machen!

Es stellt sich mir die Frage, ob ich wohl schon vor meinem Unfall so gewesen war. Ob ich immer schon so präzise sarkastisch gedacht hatte. Ob er mich verändert hatte, ohne dass ich es würde bemerken können. Ob es diese Erkenntnis war, die diese tiefe Einsamkeit in mir schuf. Diesen Raum der Leere in mir, den ich zuvor sicher immer genossen hatte, glaube ich, der mich jetzt aber zutiefst bekümmerte.

Hunderte von Krähen flogen über meinen Kopf hinweg.

In Orkanböen tingelnde Schwärme, deren Anführer ihre Befehle, für die Mitfliegenden hinter sich gegen das Sturmheulen überlaut krächzten, zogen dem nahenden Unwetter davon, heute keinen Sinn erübrigend für den gehandicapten, kranken, dummen Nicht-Flieger, auf der Bank des Krankenhausparks unter sich.

Keine Zeit heute, für ein freundlich gekrächztes „hallo“, einen kurzen Scherz, oder eine andere, gnädige Bespaßung, flogen sie hastend dem selektiven Tod davon, lange gefolgt von meinen Gedanken.

Alles wäre möglich! Ein jedes Ding wäre zu ändern. Nur meinen Gedanken konnte ich nicht befehlen. Und nicht meinen Gefühlen, die solch tiefe Stiche in mein Denken bohrten, dass es mir die Tränen in die Augen trieb.

Morgen werde ich nach Hause gehen. Zurück zu meinem Meer.

Und ich werde beginnen zu schreiben. Ein neues Buch. Irgendetwas das mir gerade einfiel, Hauptsache es würde mich ablenken.

Nur noch heute muss ich die Augen geschlossen halten, wenn sie an meinem Bett sitzt, neben mir flüstert, Blumen bringt, Obst, stechenden Verrat in mein Ohr haucht.

Vielleicht beginne ich morgen auch ein anderes Leben.

Mich möglichst unsichtbar machend schleiche ich über den mittäglich lärmenden Krankenhausflur, zurück zum Eingang.

Ich, die tolle Frau Hansen, atme nicht, streife nahe der Wand, sehe nicht links noch rechts, halte den Kopf dabei gesenkt, hängend, wie Geistes-abwesend, aus Angst jemand könnte es bemerken. Man könnte es mir ansehen, dass, was ich selbst noch nicht einordnen kann.

Meinen Blick, sonst Hansen-stolz-strahlend den der Anderen suchend, heute möglichst lapidar. Meinen Geist völlig profanen Dingen zugewendet, versuche ich krampfhaft, mich mit der Farbe an den Wänden, den hässlich gerahmten Kalenderbildern, dem Material der Anstoßhölzer und dem Nachdenken über ihre Anbringungshöhe; Mich mit dem Übelkeit erregenden Seife-Fleisch-Eisen-Duft aus den sterilen Essensbehältern auf dem Flur abzulenken, nur um nicht in Tränen auszubrechen.

Umgehe, mit gesenktem Blick, die Schuhe derer; Versuche, möglichst viel Ablehnung ausstrahlend, Abstand zu halten zu denen, die mich vielleicht ansprechen möchten, mich nach ihm fragen, mich um sein Autogramm bitten, oder, wesentlich schlimmer, sich gar nach meinem Befinden erkundigen wollten. Verständnis und Beistand bekunden. Versuche, sie mit allen Tricks nicht wahrzunehmen, war ich mir doch meiner selbst nicht sicher.

Oh! Ja! Jetzt! Doch! Im Gegenteil, bin ich mir sogar ganz sicher; Dass ich den Kopf in den Nacken legen würde, meine Kehle lang machen und den Schmerz aus meinem Innersten hinaus treiben würde; Ich ihn, aus meinem Tiefsten, dem ungerechten Himmel, Zähne fletschend und Spuckefäden flirrend, entgegen brüllen würde.

Dass er sich über meine Stimmbänder hinaus drängen würde.

Ich ihn hinaus -jammern, -weinen und -schluchzen würde. Ich mich schmerzwindend wälzen würde, bis er aus mir heraus wäre.

Dass ich auch den kleinsten Rest davon aus mir hinaus-würgen, -stöhnen und -japsen würde.

Hoch dramatisch, gerne geknipst und hervorragend passend für jedes Titelblatt. Verzweifelt unaufgeregte Normalität verströmend, gehe ich Schritt um Schritt an den Töpfe- und Deckel klappernden Schwestern vorbei, halte den Kopf dabei gedemütigt gesenkt.

Mache mich unsichtbar, unauffällig und bin dankbar für jede von mir ablenkende Unruhe.

Sein Krankenzimmer, sein Schrank, sein Bett waren leer und mit ihm nun also mein Dasein, mein Leben und mein Herz.

Umgestülpt, ausgeschüttelt, ausgewischt.

Aber ich kannte ihn doch! Wusste doch ganz genau wohin er gehen würde, was er tun würde, wie handeln.

Meine Füße trugen mich stundenlang unter einem bleiernen Himmel fort. Der leise zunehmenden, traurigen Verwahrlosung völlig achtlos fort, in unbekannte Stadtteile.

Gut! Wenn er denn unbedingt gehen wollte, mehr Raum bräuchte um über alles nachzudenken, dann ist es eben so.

Überhaupt macht es sowieso keinen Unterschied für mich!

Ob er „schreibt“ oder „sich erholt“. Zu „Verlagen fährt“, oder zu angeblichen Lesungen, ist für mich nur eine Nuance.

Wäre da nicht der Faktor „Zeit“. Eine Tatsache, die mich sein Unfall lehrte. Nämlich, dass uns vielleicht nur noch sehr wenig davon bliebe. Und wir, ich, sie besser nützen sollten. Ab hier. Am besten ab jetzt und sofort.

Lange konnte ich mich sowieso nicht mehr verstecken, sondern musste Konsequenzen ziehen, dabei die Konsequenzen der Konsequenzen überdenken.

Meine Zeit läuft aus. Auch für mich, die Dumme, Unscheinbare, Unwichtige .Die Zeit für meine Lebensträume, Ziele und Wünsche.

Und um Zeit erfüllend zu nutzen, braucht man nur ein Einziges.

Geld! Und das war für mich leicht zu haben!

Ich verdiente gut, hatte Befugnis über drei Konten, Häuser zu verkaufen, Buch- und Filmrechte.

Ich hatte auch studiert und war der deutschen Sprache mächtig, hatte dabei immer schon mehr Phantasie gehabt als er, dazu kannte ich doch alle seine Helden und seine Gedankengänge. Seine neuen Ideen. Waren die meisten doch von mir.

Kannte den Usus, wusste die Wege seiner Verlage und kannte alle Verleger, Sekretärinnen und Bürodamen, alle Lektoren, Korrektoren, Layouter. Die meisten sogar persönlich!

Wer würde zweifeln, wenn ein neuer Hansen erschiene?

Einer der gereifter, menschlicher, lebensnäher wäre.

Und wem wäre es ganz egal, wie der Verlag die Änderungen nennen würde?

MIR!

Scheiß´ auf Hansen und auf Peter, denn wo waren sie, wenn ich sie brauchte?

Wo war er heute?

Wo, als Elke ihn brauchte?

Wohin waren sie wohl dieses Mal verschwunden?

Scheiß´ auf alle Männer!

Das neue Leben des Peter Schmitt gestaltet sich durchaus nicht unangenehm!

Die langen grauen Haare, die mir zusammen mit den neuen Falten und den neuen Narben gewachsen waren, würde ich vorerst so lassen. Vielleicht wäre ein „Künstlerschwänzchen“ ja eine gelungene Angleichung? Meiner Meinung nach jedenfalls gut passend zu meiner Nah-Tod-Erfahrung und meinem „Leben danach“, das ich nur zu gerne annahm, und dem ich heute, nach einer durchwachten Nacht voller Neu-Anfangs-Ideen, entgegen krückte! Mir durchaus-und-vollends-bewusst über-enthusiastisch.

Der Geldautomat im Foyer der Klinik spuckt viele Scheine aus und bevor ich meine Krücken in das Taxi am Haupttor steche, lasse ich diese, sicher schweineteure, edel-lederne Reisetasche mit den Nach-hause-geh´-Klamotten, gestern von Sonja gebracht, dem Obdachlosen, der erwartungsvoll in einer windgeschützten Ecke des Klinikeingangs vor seinem Becher sitzt, von meiner Schulter vor seine Füße gleiten, „ … ich hoffe es passt!“

Das läuft ja besser als gedacht!

„In die nächste Stadt und dort in ein gutes Hotel!“

Das Taxameter schnurrt und die Fahrerin raunzt „16 für 12“ in ein Mikro, bis es „… 12 hört…“ knackt. „… 16 fährt Überland!“

„Überland“! Dort wird mich Sonja niemals finden!

So also beginnt man ein neues Leben!

Das Hotel in „Überland“ hat einen warmen Pool und einen Wellnessbereich, den ich gerne und ausgiebig nutze. Stuhl und Bett richtig für meine Beine-hoch-Reha-Gymnastik und einen Taxistand nahe dem Eingang, von wo aus mich „23“ oder „31“ öfter in den nächsten Elektro- Großmarkt fährt, Laptop, Software, Drucker und Papier besorgen und auch in das überraschend stille Bistro, zwischen diesem Elektro- und dem Bau-Großmarkt nebenan, indem ich gerne und lange sitze und den Einkäufern, kritisch in den Gängen, seufzend an den Kassen und Kleinwagen-resignierend auf den Parkplätzen zuschaue, meine daraus resultierenden Gedanken, für einen neuen Roman, in mein nagelneues Kinder-Notizbuch, frisch aus der Quengel-Zone der Baumarktkasse schreibe.

„Hendrik Hansen seit Wochen vermisst!“

Die Schlagzeile der Regenbogenpresse lässt mich still grinsen.

Ich hatte einige Erzeugnisse der Yellow Press zusammen mit dem Ringbuch gekauft, zum dahinter-verschwinden, vor den neugierigen Blicken der Dame von der Bistrotheke.

Ist schon klar, alle Männer über vierzig sehen irgendwie gleich aus.

Graues Haar, haarige Ohren, Jeans und Shirt, meistens nur zu unterscheiden an der Größe der Bierplautze; Aber dieser Hansen! Wenn dieser Hansen auf der Frontseite nur etwas grauer wäre, mehr Falten und Narben hätte, würde er mir wahrscheinlich ähnlich sehen. Aber so war an ein Erkennen, fälschlich oder nicht, garnicht zu denken, oder doch?

Der Fremde, braungebrannt wie Grillgeflügel, hält vor meinem Tisch. Den Einkaufswagen voller Malerartikel, grinst er erst freudig überrascht, nach ein paar peinlichen Sekunden schmerzhaft gequält.

„Ich bin Kommissar Lemrich! … Erinnern Sie sich nicht an mich?“

„Es tut mir leid, Herr Lemrich! … Ich hatte einen schlimmen Autounfall und erinnere mich nur noch an wenige Dinge aus meinem alten Leben!“

„Das ist ja furchtbar! … Und nun haben Sie ein Neues begonnen?“

„Ob ich will oder nicht. … Ich musste ja!“

Er kramt in seiner Börse, dann schiebt er mir seine Visitenkarte über den Tisch.