A Heart of Wind and Earth - Laura Nick - E-Book
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A Heart of Wind and Earth E-Book

Laura Nick

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Beschreibung

Eine Insel voller Magie
Eine Prinzessin auf einer gefährlichen Mission
Ein Kommandant, der sie beschützen soll


Seit dem Angriff durch den Kraken stürzt sich Prinzessin Farina verbissen in ihr Kampftraining. Denn obwohl das Königreich Dumoth durch eine Mauer vor den Monstern geschützt sein sollte, brechen immer mehr der Kreaturen hindurch und hinterlassen eine Spur der Zerstörung. Farina will nicht länger tatenlos zusehen. Gegen den Willen ihrer Schwester, Königin Ainslie, reist sie an die Mauer, um zu helfen.

Dort trifft sie auf Kommandant Fynn Evans, der alles andere als begeistert ist, eine verwöhnte Prinzessin beschützen zu müssen. Farina ist jedoch ganz anders, als Fynn sie sich vorgestellt hat. Und je länger sie miteinander trainieren, desto größer wird die verbotene Anziehungskraft zwischen der Prinzessin und dem Soldaten.

Doch die Mauer ist in größerer Gefahr, als sie ahnen, und Farina und Fynn müssen ihre Streitigkeiten endgültig beilegen, um das Königreich Dumoth vor dem Untergang zu bewahren ...

ONE. Wir lieben Young Adult. Auch im eBook!

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Seitenzahl: 504

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Über dieses Buch

Titel

Playlist

Kapitel 1

    Farina

Kapitel 2

    Fynn

Kapitel 3

    Farina

Kapitel 4

    Fynn

Kapitel 5

    Farina

Kapitel 6

    Fynn

Kapitel 7

    Farina

Kapitel 8

    Farina

Kapitel 9

    Farina

    Fynn

Kapitel 10

    Farina

Kapitel 11

    Fynn

    Farina

Kapitel 12

    Farina

Kapitel 13

    Fynn

Kapitel 14

    Farina

Kapitel 15

    Fynn

    Farina

Kapitel 16

    Fynn

    Farina

Kapitel 17

    Farina

    Fynn

Kapitel 18

    Fynn

    Farina

Kapitel 19

    Fynn

Kapitel 20

    Farina

Kapitel 21

    Fynn

Kapitel 22

    Fynn

Kapitel 23

    Farina

Kapitel 24

    Farina

Kapitel 25

    Fynn

Kapitel 26

    Farina

Kapitel 27

    Fynn

Kapitel 28

    Farina

Kapitel 29

    Fynn

Kapitel 30

    Farina

Kapitel 31

    Fynn

Kapitel 32

    Farina

Kapitel 33

    Fynn

Kapitel 34

    Farina

Kapitel 35

    Fynn

Kapitel 36

    Farina

Kapitel 37

    Fynn

Kapitel 38

Ainslie

    Fynn

Kapitel 39

    Farina

Kapitel 40

    Fynn

    Farina

Epilog

    Farina

Danksagung

Über die Autorin

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Inhaltsbeginn

Impressum

Über dieses Buch

Eine Insel voller Magie

Eine Prinzessin auf einer gefährlichen Mission

Ein Kommandant, der sie beschützen soll

Seit dem Angriff durch den Kraken stürzt sich Prinzessin Farina verbissen in ihr Kampftraining. Denn obwohl das Königreich Dumoth durch eine Mauer vor den Monstern geschützt sein sollte, brechen immer mehr der Kreaturen hindurch und hinterlassen eine Spur der Zerstörung. Farina will nicht länger tatenlos zusehen. Gegen den Willen ihrer Schwester, Königin Ainslie, reist sie an die Mauer, um zu helfen.

Dort trifft sie auf Kommandant Fynn Evans, der alles andere als begeistert ist, eine verwöhnte Prinzessin beschützen zu müssen. Farina ist jedoch ganz anders, als Fynn sie sich vorgestellt hat. Und je länger sie miteinander trainieren, desto größer wird die verbotene Anziehungskraft zwischen der Prinzessin und dem Soldaten.

Doch die Mauer ist in größerer Gefahr, als sie ahnen, und Farina und Fynn müssen ihre Streitigkeiten endgültig beilegen, um das Königreich Dumoth vor dem Untergang zu bewahren ...

Laura Nick

Fesselnde Regency-Romantasy voller knisternder Gefühle und einer toughen Protagonistin

Playlist

Breathing Underwater – Hot milk

Pretty – Georgia Cavallo

Blind – Alex Sampson

Kryptonite (Reloaded) – Jeris Johnson

Pages – Martin Jensen

Love is a Weapon – Letdown

nameless – Stevie Howie

Kapitel 1

Das neue Land ist atemberaubend. Das umliegende Meer lässt mich glauben, dass es, abgesehen von uns, niemand anders auf dieser Welt gibt. Ein gleichzeitig befreiendes wie beängstigendes Gefühl.

- Auszug aus Amelia Darcys Tagebuch

   Farina

»Ihr sollt mich nicht streicheln, Prinzessin!«

Schweiß lief mir über die Stirn, kühlte die erhitzte Haut. Ich ließ das Schwert sinken und befahl die elementare Energie zurück, aus der ich die Klinge geformt hatte. Meine Arme waren wie Blei. »Ich hatte ... bestimmt nicht vor, Euch zu streicheln.«

»Wir sollten Schluss machen«, sagte Lord Brown und ließ sein Schwert ebenfalls sinken.

Unwillkürlich umfasste ich den Griff fester. »Nein«, widersprach ich und nahm wieder Kampfhaltung an, wie Vater es Ainslie und mir beigebracht hatte.

»Prinzessin, ich möchte Euch nicht zu nahe treten, aber Ihr seid erschöpft.«

Ich biss die Zähne zusammen. Es war offensichtlich. Aber ich wollte nicht aufhören. Wir trainierten seit dem ersten morgendlichen Sonnenstrahl, als der Frost noch auf dem Rasen geschlummert hatte. Inzwischen war von ihm nichts mehr zu sehen. »Bei einem Angriff würden die Monster auch nicht warten, bis ich mich erhole.«

»Hätte ich gewusst, worauf ich mich einlasse, hätte ich niemals zugestimmt, Euch im Kampf zu trainieren«, sagte Brown begleitet von einem Seufzen.

Doch ich bemerkte, wie er seine Haltung korrigierte. Selbst wenn sein Schwert nicht mit Magie angefüllt war, machte er sich bereit.

Ich zwang mich, den Griff um die Waffe zu lockern und die Kraft hineinzuleiten. Sofort wurde meine Haut von einem grünlichen Schimmern umhüllt. Die Magie formte sich durch den Waffengriff in eine Klinge, mit der die Wachleute an der Mauer regelmäßig kämpften. Waffen aus Metall gab es zwar ebenfalls, aber die meisten verließen sich gegen die Monster eher auf ihre Magie als auf ein Material, das manche der Gegner nicht einmal verletzte.

Von Vater hatte ich diese Art des Kampfes nie gelernt. Unsere Art war sonst intuitiv. Wir formten das Element, um es zu nutzen. Das Vorgehen an der Mauer hingegen empfand ich als ... schwieriger. Es erforderte mehr Konzentration und Fokus auf die Magie. Aber so wurde die eigene elementare Kraft gegen die Monster einsetzbar. »Und dennoch steht Ihr hier mit mir.«

Ein undeutliches Nuscheln kam über seine Lippen, von dem ich – wahrscheinlich glücklicherweise – kein einziges Wort deutlich verstand. »Was sagtet Ihr?« Der süßliche Ton meiner Stimme klang selbst in meinen eigenen Ohren fremd.

Brown hob das Schwert. Seine klaren Züge wurden von der grünlichen Farbe unseres Elementes erhellt. »Fangt an«, erwiderte er, wobei er mir eine Antwort schuldig blieb.

Mit den Fußballen stieß ich mich in seine Richtung und holte mit der grün leuchtenden Klinge aus. Unsere Schneiden trafen zischend aufeinander. Ich drückte mein Gewicht gegen seine, doch es reichte nicht, um die Abwehr zu durchbrechen. Mithilfe seiner Kraft brachte ich Abstand zwischen uns. Mir kam der Atem wieder in heftigen Stößen über die Lippen. Schweiß brannte in meinen Augen. Aber Brown erlaubte mir keine Pause. Genau so, wie ich es verlangt hatte.

Er hetzte hinter mir her. Benutzte sein Gewicht, seine Kraft und Größe, um mich zurückzudrängen.

Immer wieder wehrte ich die hagelnden Schläge ab. Nutzte die antrainierte Leichtfüßigkeit, um ihm auszuweichen. Dabei vibrierte jeder Aufprall seiner Klinge in meinem Schultergelenk. Mit einem weiteren Schritt prallte ich gegen die Schlosswand.

Browns Grinsen wurde siegessicher. »Ich möchte behaupten ...«

Bevor er ausredete, zog ich die Magie aus dem Schwert und machte einen Rollsprung zur Seite - so weit weg wie möglich. Heftig landete ich auf der festgetrampelten Erde. Für einen Moment wurde mir die Luft aus der Lunge gepresst. Hastig ging ich aufs Knie und brachte mich wieder in eine aufrechte Position.

»Ts«, hörte ich aus Browns Richtung.

Wie von selbst glitt die elementare Kraft zurück in den Griff. Hektisch klopfte mir der Puls gegen die Venen. »So leicht bekommt Ihr mich nicht.«

Ich wechselte in Angriffsposition und stürmte auf Brown zu - der das anscheinend erwartet hatte. Unsere Schwerter glitten kreischend übereinander, als er die letzte Distanz überbrückte und die Lücke schloss. Er machte einen Ausfallschritt zur Seite. Dabei rutschte seine Klinge an mir hinunter und presste sich dann gegen meine ungeschützte Hüfte.

»Ihr seid tot.«

Nach Atem ringend stand ich wie eine Statue da. Ehe der Frust überhandnahm. »Verflucht!« Mit Wucht warf ich den Griff auf den Boden und sank an Ort und Stelle zusammen. Ich verbarg das Gesicht zwischen den Händen und stürzte die Ellenbogen auf die Knie.

»Prinzessin ...«

»Nein«, unterbrach ich Brown. »Spart Euch die Worte.«

Noch immer versteckte ich mich hinter den Fingern. Bewusst holte ich tief Luft und stieß sie wieder aus. Tränen standen in meinen Augen. Und auch wenn zwischen Lord Brown und mir ein gewisses Maß an Freundschaft herrschte, wollte ich ihm diese Gefühle nicht zeigen. Dieses Gewirr aus Angst und Verzweiflung, das seit knapp einem Jahr unaufhörlich in mir wucherte.

Der Samen war beim Anblick des monströsen Kraken in mir geweckt worden. Und während des Kampfes gegen ihn hatte er Wurzeln geschlagen. Dessen erste Saat aufgegangen war und bereits Blüten trieb, als Ainslie, meine Schwester und Königin, reglos und totenblass aus dem Meer geborgen worden war. Das Bild, wie sie puppengleich in Ardans Armen lag, verfolgte mich in die schlimmste Sorte der Albträume.

Erneut holte ich tief Luft. Straffte die Schultern und schaffte es, die Hände vom Gesicht zu nehmen.

Lord Browns Blick ruhte abwartend auf mir.

»Es geht mir gut«, beharrte ich.

»Natürlich.« Die Ironie war deutlich herauszuhören. »Ginge es Euch gut, Prinzessin, würdet Ihr mich nicht seit zwei Monaten täglich aus der morgendlichen Umarmung meiner Frau zerren - und das vor dem Morgengrauen.«

»Wenn Ihr nicht mehr wollt, kann ich auch einen anderen fragen, ob er mich lehrt, gegen Monster zu kämpfen. Lord Birmingh wäre sicherlich angetan von dieser Idee.«

Lord Brown stieß ein kurzes Lachen hervor. »Ihr wisst genauso gut wie ich, dass Birmingh eher der Theorie zugetan ist. Deswegen seid Ihr auch zu mir gekommen. Und weil ich im Gegensatz zu unserem gemeinsamen Freund im Schloss wohne.«

»Würde ich fragen, würde er kommen.«

»Natürlich würde er das.« Mit einem ungalanten Seufzen ließ sich Brown ebenfalls auf den Boden plumpsen. Dabei streckte er die langen Beine von sich. »Das ändert aber nichts daran, dass er Euch nicht weiterhelfen kann. Genauso wenig wie ich, wenn Ihr nicht ehrlich seid. Und wenn schon nicht zu mir, dann zumindest gegenüber Euch selbst - oder Eurer Schwester.«

Unwillkürlich grub ich die Fingernägel in meine Handballen. »Ich weiß nicht, was Ihr meint.«

»Warum wollt Ihr so verbissen lernen, gegen Monster zu kämpfen?«

»Ihr wisst doch, was da draußen vor sich geht! Wie sollte ich da nicht lernen wollen zu kämpfen?«

»Königin Ainslie tut alles, um die Städte und Dörfer zu beschützen. Die Monster werden nicht bis zur Hauptstadt kommen.«

Ich würde nicht wagen zu sagen, dass Ainslie nicht genügend dahingehend tat. Mir war bewusst, wie viel ihrer Zeit sie damit vertat, sich Lösungen zu überlegen. Für alle da zu sein und die Bedürftigen zu unterstützen. »Sie waren es schon«, erinnerte ich ihn. »Oder habt Ihr den Kampf gegen den Kraken bereits vergessen?«

In seine Augen trat ein Ausdruck, den ich selbst nur zu gut aus dem Spiegel kannte. »Sicherlich nicht«, sagte er.

»Wie könnt Ihr Euch dann so sicher sein, dass sie es nicht ein weiteres Mal hierher schaffen?«

»Weil ich den Leuten an der Mauer vertraue. Letztes Mal wussten sie nichts von einem Leck. Nun sind sie aufmerksamer.«

Ich wünschte, Browns Sicherheit wäre ansteckend. Doch in mir wucherten Szenarien, die mit Angst gefüttert wurden. Und die einzige Chance, endlich wieder Herrscherin über die eigenen Gedanken zu werden, war zu lernen, wie ich im Notfall selbst das Schwert führte. Damit ich nicht erneut zur Salzsäule erstarrte und zusehen musste, wie Ainslie ...

Lord Brown legte seine Hand auf meine Schulter und drückte sie. »Ich vertraue auf die Leute an der Mauer. Auf unsere Königin. Und auf mich. Ich bin mir sicher, hier den sichersten Ort für meine kleine Familie gefunden zu haben. Und ich bin froh, dass Ainslie und Ardan uns gewähren hierzubleiben.« Er stützte sich auf mir ab, während er aufstand. »Für heute ist das Training vorbei.«

Widerwillig ließ ich ihn ziehen. Alles in mir drängte danach weiterzumachen, bis mein Körper sich keinen Zentimeter mehr rühren konnte. Wobei das nicht allzu lange dauern dürfte.

Ich fuhr mir durch die verschwitzten Haare. Erst jetzt bemerkte ich das Zittern der Muskeln. Das flaue Gefühl in der Magengegend und das Brennen meiner Lunge. Ich legte den Kopf in den Nacken und starrte in den Himmel. Dunkle Wolken zogen übers Firmament. Der Wind brachte eine Meeresnote mit sich, und ich sog den beruhigenden Duft nach Heimat tief ein.

Ein Jahr ... Fast genau auf den Tag war es ein Jahr her, dass dieser Krake im Meer vor dem Schloss aufgetaucht war. In der ersten Zeit danach hatte ich versucht zu vergessen. Zu verdrängen, was geschehen war. Meine Gefühle beiseitezuschieben. Aber es gelang mir nicht. Egal, wie sehr ich mich anstrengte. Die gesamte Zeit lauerte die Angst in meinem Nacken. In jeder Minute, in der ich nicht die Kontrolle über meine Gedanken besaß, tauchten die Bilder erneut auf und liefen wie in Zeitlupe vor meinem geistigen Auge wieder ab. Nur dass in manchen Schreckensszenarien Ainslie nicht mehr aufwachte. Dass die Herrschaften, die alle wegen dieses Wettbewerbs auf dem Schloss gewesen waren, starben. Dass ihre Körper nie aus den unendlichen Weiten des Meeres geborgen wurden.

Heftig schüttelte ich den Kopf, als ich bemerkte, dass sich all diese Überlegungen in einen Gedankenstrudel wandelten, der mich in eine unergründliche Tiefe ziehen würde.

Mit zittrigen Knien stand ich auf, klaubte den Griff vom Boden und bewegte mich in Richtung der Ställe. Emira würde mir dabei helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Zumindest bis Sofia mir mitteilte, dass neue Botschaft von der Mauer gekommen war.

Die bunten Blätter der Bäume raschelten im barschen Wind, der über mich hinwegfegte. Der Wald zwischen Schloss und Stall war für mich eine winzige Oase der Ruhe. Emira und ich liebten es, hier auszureiten. Die Stille zu genießen und die Vorstellung, dass wir weit weg von der Hauptstadt waren.

Im Stall bemerkte mich meine rastlose Stute sofort. Sie reckte den Kopf in Richtung Ausgang, als hätte sie nur auf mich gewartet, damit sie endlich ihren Auslauf bekam. Sie wieherte, und ich bildete mir ein, dass ein anklagender Laut darin zu hören war.

Ihre Reaktion zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Etwas, was mir nur noch selten passierte – und ich hasste, dass es so war. »Hallo, meine Schöne«, murmelte ich und kraulte ihr die samtige Schnauze, die sie verlangend in meine Richtung hielt. »Ist ja gut. Ich weiß genau, was du willst, du kleines Luder.«

Mit den Jahren hatte ich mir angewöhnt, spezielle Leckereien für die Pferde bei mir zu haben, die ich gemeinsam mit der Küchenmagd ausgearbeitet hatte. Ich zog ein paar davon hervor und hielt sie ihr unter die Nase. Sofort presste sie ihre Schnauze gegen meine Hand und leckte mit ihrer Zunge darüber, um ja keinen Krümel zurückzulassen.

Ich streichelte über ihren Kopf. »Was hältst du von einem kleinen Ausritt, meine Schöne?«

***

Wir kehrten erst zurück, als die Sonne ihren Zenit erreicht hatte. Und somit zum perfekten Zeitpunkt. Meine Zofe, die ich eher als Freundin betiteln würde, trat aus dem Wald, auf der Stirn die Steilfalte, die ihre Sorge ausdrückte und die seit einigen Monaten nicht mehr verschwand. Egal, wie häufig ich ihr auch beteuerte, dass es mir gut ging. »Prinzessin ...« Mehr brauchte Sofia nicht zu sagen.

Ich nickte und ritt Emira in die Stallgasse. Ausnahmsweise überließ ich das Absatteln und die Säuberung einem Stallmädchen, das mir entgegenlief. Normalerweise liebte ich die Arbeiten mit dem Pferd, vor allem nach einem fordernden Ritt. Aber heute würde ich keinen Kopf dafür haben. Einmal in der Woche kam ein Rabe von der Mauer, um den Bericht des Offiziers zu bringen und um Anordnungen der Königin mitzunehmen.

Ich eilte mit großen Schritten zurück ins Schloss. Ohne mich anzukündigen, betrat ich das ehemalige Schreibzimmer meines Vaters, an dessen Schreibtisch nun Ainslie über einem Papier brütete.

»Klopfen ist wohl nur noch eine überholte Geste?«, fragte sie, ohne von dem Schreiben aufzusehen.

»Was steht drin?«

Seufzend sah sie auf und musterte mich aus ihren blauen Augen. Dunkle Ringe ruhten unter ihnen, die verdeutlichten, wie sehr die aktuelle Lage sie mitnahm. »Farina ...«

»Wag es nicht, mich so anzusehen! Ich habe gesagt, dass ich dich unterstützen werde und ...«

Sie legte das Schreiben auf den Tisch, stand auf und kam zu mir. Ihre behandschuhten Finger griffen nach meinen und drückten sie. »Ich merke, dass dich etwas mitnimmt.«

»Hat Brown dich darauf angesprochen?«

Sie versuchte nicht einmal, unschuldig auszusehen. »Vielleicht wäre es besser, wenn ich dir eine Weile nicht erzähle, was an der Mauer passiert.«

»Und mich damit in Unwissenheit schmoren lassen?«

»Möglicherweise hilft es dir, auf andere Gedanken zu kommen.«

»Wie sieht es an der Mauer aus?«, fragte ich.

»Farina ...«

»Nein. Ich will es wissen. Ansonsten würde ich die Antwort meiner Fantasie überlassen, und du weißt, was dabei herauskommt, wird wahrscheinlich schlimmer sein, als es eigentlich ist.«

Für eine hauchzarte Sekunde traten Zweifel in ihre Mimik, als glaubte sie nicht daran, dass ich ein entsetzlicheres Szenario erstellen konnte. Doch es war so schnell verschwunden, dass ich nicht mit Sicherheit ausschließen konnte, mir diesen Ausdruck nur eingebildet zu haben.

Ainslie seufzte erneut und fuhr sich durch die frisierten Haare. Der Rotstich trat deutlicher in ihrem braunen Schopf zum Vorschein als bei mir. Und ich beneidete sie dafür. Sie war schon immer Vater ähnlicher gewesen als ich, und wenn ich sie so ansah, dann erinnerte sie mich in vielerlei Hinsicht an ihn. Selbst die steile Sorgenfalte zwischen ihren Augenbrauen war genau wie seine.

»Während eines Kampfes, um ein Dorf an der Mauer zu schützen, wurden viele der Wachleute verletzt. Sie konnten die Bewohnenden allesamt retten, aber das Dorf ist vollends zerstört. Offizier Wales sagt, es seien keine weiteren Maßnahmen nötig und alles sei unter Kontrolle.«

In ihrem Ton klang eine versteckte Verzweiflung mit. Ainslie wollte, dass es dem Land gut ging. Sie würde dafür alles tun. Ich wusste, dass sie dem Offizier ihre Hilfe angeboten hatte – und er diese ausschlug. Nur warum? Die Wächtere würden davon profitieren, und im Kampf müsste jedes Mittel recht sein. »Glaubst du, er lügt dich an?«

Ohne eine Antwort zu geben, drehte Ainslie sich zum Fenster und starrte hinaus in den Garten.

Leise folgte ich ihr und entdeckte Mutter, die mit Leopold und Darleen draußen spielte. Nach der Geburt ihres jüngsten Kindes hatte sie die Trauer um Vater ein Stück weit losgelassen. Einmal hatte sie gesagt, dass sich ihr Sohn für sie wie ein letztes Geschenk von Vater anfühlte. Ich verstand den Gedankengang. Nach fünf Mädchen war mit Leopold ein Junge in die Familie gekommen, und wenn die Anzeichen sich bewahrheiteten, würde er mit Ainslie das einzige Kind sein, das Vaters elementare Macht in sich trug.

Eine Idee formte sich in meinem Kopf, von der ich mir sicher war, dass Ainslie sie hassen würde. »Lass mich an die Mauer.«

Sie riss die Augen auf. »Bist du wahnsinnig?«

»Warum nicht? Ich kann eine Hilfe sein! Außerdem würde ich dir sagen, was die Leute dort brauchen. Ich werde dir nichts verheimlichen oder dich in einer trügerischen Sicherheit wiegen.«

»Vergiss es!«, fuhr Ainslie mich an. »Ich werde nicht den Schutz meiner Schwester aufs Spiel setzen!«

»Es läuft doch auf dasselbe hinaus! Wenn der Offizier dir Informationen vorenthält, sind wir alle in Gefahr.«

Ainslie presste die Lippen fest aufeinander, sodass sie nur noch ein schmaler Strich waren. In ihren Augen funkelte die Sorge. Sie wollte es nicht zeigen, das war ihr deutlich anzusehen, aber dass der Offizier anscheinend etwas verheimlichte, beunruhigte sie. »Nein. Wir finden eine andere Lösung.« Sie umklammerte das Fensterbrett und starrte wieder konzentriert nach draußen, als befände sich dort die Antwort. Dabei stand ich direkt neben ihr. »Es wird alles gut werden Farina, du wirst sehen.«

Ihre Ausdrucksweise jagte mir einen Schauer den Nacken hinunter. Es wird alles gut werden. Wie oft hatte ich die Worte schon gehört? Unzählige Male. Und mit der Zeit hatten sie einen faden Beigeschmack erhalten. »Das ist eine Lüge«, warf ich Ainslie vor.

»Nein, ist es nicht.«

»Doch. Seit einem Jahr werden diese Worte von allen möglichen Leuten wiederholt, und dabei ist jedem von uns klar, dass eben nichts mehr gut werden wird.«

Ainslie schaute zu mir. Ihr Blick war undurchdringlich geworden, als hätte sie eine Mauer hochgezogen. Wie sehr ich diesen Ausdruck an ihr hasste!

»Es wird alles wieder gut werden! Und ich werde nicht müde, die Worte zu wiederholen. Denn es ist keine Lüge. Es ist Hoffnung, Farina. Hoffnung, die wir dringend benötigen, wenn wir diesen Kampf überleben wollen.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Lass mich an die Mauer gehen, Annie. Das Vertrauen in die Wachleute dort wird jeden Tag geringer, an dem weitere Monster durch irgendwelche Lecks gelangen. Die Leute haben Angst – und momentan fühlt es sich an, als hätten sie diese zu Recht. Es muss etwas passieren. Lass mich dir und unserem Land helfen, indem ich deine Augen und Ohren dort bin.«

»Nur über meine Leiche gehst du direkt ins Gefahrengebiet!«

»Ich übe regelmäßig mit Brown. Ich bin nicht schutzlos!«

»Das sage ich gar nicht. Aber du bist meine kleine Schwester!« Ihre Wangen färbten sich rot. Sie würde nicht von ihrem Standpunkt weichen.

Doch sie war nicht die Einzige in unserer Familie, die Sturheit geerbt hatte. »Du brauchst mich.«

Sie griff nach meinen Händen, umklammerte die Finger beinahe zu fest. »Genau. Hier. An meiner Seite. Und nicht Hunderte Kilometer entfernt, umzingelt von Monstern.«

»Annie ...«

Ruckartig ließ sie mich los und wandte sich halb ab. »Nein. Das ist mein letztes Wort.«

»Natürlich, meine Königin.« Schnippisch verbeugte ich mich tief vor ihr. »Euer Wort ist mein Befehl.«

Sie sah über ihre Schulter zu mir, Reue auf den zarten Gesichtszügen, die mich an Vater erinnerten. »Farina ...«

Ohne sie aussprechen zu lassen, zog ich die Tür der Schreibstube hinter mir zu und ließ Annie mit den Überresten des Streits zurück. Ich hatte meine Entscheidung getroffen. Ob sie diese guthieß oder nicht: Sobald ich sie ausgesprochen hatte, hatte ich gewusst, dass diese Maßnahme nötig war. Es würde Annie helfen, wenn ich an die Mauer ginge. Und mir würde die drohende Anwesenheit der Monster die Möglichkeit geben, die wuchernde Angst in mir zum Verstummen zu bringen. Vielleicht fasste ich dadurch das gleiche Urvertrauen, das Brown in unsere Wachleute legte. An diesem Morgen erst hatte er gefragt, wofür ich kämpfte. Exakt das war der Grund: Ich wollte eine Hilfe sein. Wollte mich nicht mehr so nutzlos und ... verängstigt fühlen. Ich wollte etwas tun. Etwas anderes, als in meinem Zimmer auf den Ansturm der Monster zu warten.

»Was habt Ihr vor, Prinzessin?«, erkundigte sich Sofia, die mir auf dem Gang entgegenkam und meinen Gesichtsausdruck offenbar richtig gedeutet hatte.

Zum ersten Mal seit einem Jahr empfand ich nicht nur Angst. Stattdessen wurden die Ranken der Furcht ummantelt von der Überzeugung, die mich drängte, die schützenden Schlossmauern zu verlassen. Mich nicht mehr vor den Schrecken zu verstecken, die mir seit einem Jahr den Atem raubten. »Etwas, was meine Schwester absolut nicht gutheißen wird.«

Kapitel 2

Es war ein Irrglauben, dass wir hier allein seien. Sie haben uns beobachtet. Ehe sie uns überfallen und viel zu viele Leben geraubt haben. Aber keiner von uns hat gewusst, wie ein Schwert zu schwingen ist. Oder nur, wie ein Bogen funktioniert. Wir sind auf uns gestellt.

- Auszug aus Amelia Darcys Tagebuch

   Fynn

Ich starrte den Brief in meiner Hand fassungslos an. Zwar hatte Offizier Wales noch nicht verkündet, warum wir hier waren, aber die Zeilen ließen mich zweifelsfrei deuten, weswegen. »Es gibt mit Sicherheit passendere Leute, die dieser Aufgabe gewachsen wären. In wenigen Tagen werde ich wieder mit meiner Truppe ...«

»Heiler Varus hat dazu eine andere Meinung«, unterbrach mich der Offizier, und zum ersten Mal, seit wir in dem Schreibzimmer angekommen waren, hob er den Blick von seinen Unterlagen.

In den stahlblauen Augen war keinerlei Gnade zu entdecken. Ich wusste, was das verhieß. Mein Widerspruch würde keinen Unterschied machen. Ich presste die Lippen zusammen. Bereit, deswegen aufzugeben, war ich noch lange nicht. »Mit Verlaub. Die Königin hat geschrieben, dass ihre Schwester im Verlauf der nächsten Tage ankommen würde. Bis dahin werde ich vollständig genesen und wieder einsatzfähig sein.«

»Also kann ich davon ausgehen, dass die Heiltruppe mich belügt?«

»Heiler Varus lügt nicht. Aber er unterschätzt meinen Willen, dem Land zu Diensten zu sein – indem ich gegen die Monster kämpfe. Dafür wurde ich zum Wächter. Nicht, um auf eine Prinzessin aufzupassen, die einen Tapetenwechsel nötig hat.«

Der alte Mann, der meine Ausbildung geleitet hatte, verharrte in seiner Position. Seine Finger zu einem Dreieck geformt, hielt er mich im Blick. »Ihr solltet vielleicht darüber nachdenken, wie Ihr über die Königsfamilie sprecht, Kommandant. Ich halte mich an die Berichte des Heilers, und laut diesem werdet Ihr mit Eurer Truppe noch länger in der Festung verbleiben. Dementsprechend erhaltet Ihr die Aufgabe, die ankommende Prinzessin zu beschützen.«

Die Wut kochte heftig in mir hoch. Ich bemühte mich darum, sie beiseitezuschieben. »Es gibt genügend andere Leute, die besser mit dem Schutz der Prinzessin ...«

»Nein.« Erneut fuhr er mir über den Mund.

Ich hasste es. Dieser Bastard kannte mich zu gut, nachdem er mich unter seine Fittiche genommen hatte, als ich frisch von der Akademie hergekommen war.

»Natürlich werden wir uns um die Prinzessin kümmern. Ihr wird keinerlei Leid in unserer Gegenwart widerfahren, nicht wahr, Kommandant Evans?«, mischte sich Skylar ein.

Hen legte den Arm um meine Schultern. Ich widerstand dem Drang, mich aus der Umarmung zu befreien.

»Wie schön, dass wir das geklärt haben. Ich bin mir sicher, dass Ihr auf der Krankenstation vorbeischauen solltet«, bemerkte Offizier Wales mit einem vielsagenden Deuten auf meinen vom Hemd verborgenen Oberkörper, um den sich ein fester Verband zog.

Stumm nickte ich, um nicht etwas Falsches zu sagen, was mich meiner Position oder der Möglichkeit beraubte, die Prinzessin zu einem späteren Zeitpunkt wieder loszuwerden. Ich drehte mich mit Skylar im Gefolge in Richtung des Ausgangs. Abby und Dimitri standen an der Wand. Ihre Rüstungen blitzten wieder vor Sauberkeit. Neben den Griffen ihrer elementaren Waffen trugen sie metallene Klingen an ihrem Körper, die glänzten. Alle Spuren des letzten Kampfes waren getilgt. Sie öffneten die Tür, ließen mich zuerst auf den Flur treten, ehe sie sich anschlossen.

»Das wird spaßig«, sagte Dimitri und durchbrach damit als Erster die angespannte Stille, die allein von mir ausging.

Ich versteifte mich bei seinen Worten. Spaßig? Mein Leben hatte ich nicht der Mauer gewidmet, um mit einer Prinzessin eine spaßige Zeit zu verbringen. Ohne auf Dimitris Einwand einzugehen, ging ich in Richtung Krankenstation. Heiler Varus musste Offizier Wales mitteilen, dass ich einsatzfähig war. So eine Schramme würde mich nicht daran hindern, meinen Dienst wieder aufzunehmen.

Wie Schatten folgte mir die Truppe. Dabei war es nicht nötig, dass sie mich zum Gespräch mit dem Offizier, geschweige denn zu Heiler Varus begleiteten. Ich stieß ein Seufzen aus. »Wollt ihr wirklich auf diese Göre aufpassen?«

»Es ist ein Befehl, Fynn«, warf Abby ein.

»Abgesehen davon.«

Die drei tauschten einen Blick, ehe Dimitri einen Schritt vortrat, als wollte er sich zum Tribut anbieten. »Fakt ist, dass du noch nicht wieder auf dem Damm bist. Wir wählen lieber das Dasein als Aufpasser, ehe wir noch einen aus unserer Truppe verlieren.«

Ein scharfer Schmerz nistete sich in meiner Brust ein. »Tristan kannte die Risiken. Ebenso wie ich.«

»Du solltest auch die Risiken kennen, wenn du ein Esel bist«, mischte Skylar sich ein. »Du warst quasi tot!«

Abby zog den Kopf ein. In unserem Trupp war sie der ruhende Pol, dennoch verstand sie es, ihre Meinung durchzusetzen. Ohne sie wären wir uns wahrscheinlich schon mindestens einmal an die Gurgel gegangen. »Wir hätten beinahe euch zwei verloren, Tristan und dich. Wir kennen die Risiken, deswegen liegt es in unserem Ermessen, wozu wir bereit sind und wozu nicht. Keiner von uns will riskieren, dich nur wegen deiner Einfältigkeit zu verlieren.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Sorge war mir zu viel. »Ihr übertreibt«, grummelte ich und wandte mich wieder ab, um nicht ihre Gesichter sehen zu müssen.

Heiler Varus hatte mir erzählt, wie knapp es gewesen war. Gemeinsam mit drei anderen aus seiner Einheit hatte er in meinen Innereien gewühlt und sie wieder zusammengeflickt, nachdem mich ein verdammter Hornsäbel mit den Krallen erwischt hatte.

»Natürlich, wir übertreiben. Geh zu Varus und trag ihm dein Anliegen vor«, meinte Dimitri. Die unverhohlene Schadenfreude blieb mir nicht verborgen.

Die Schritte der anderen waren deutlich hinter mir auf dem Steinboden zu vernehmen. Safe Haven war die Hochburg an der westlichen Seite der Mauer und als Stützpunkt der Wachleute erbaut worden. Neben Safe Haven gab es noch die Akademiefestung, die auf einer kleineren Insel südlich vor Dumoth stationiert war - dort wurden kommende Generationen der Wächtere ausgebildet -, sowie die Gebirgsfestung auf der westlichen Seite.

Die Krankenstation lag im Westflügel von Safe Haven. Im Osten befanden sich die Schlafzimmer. Eine Einheit bekam ein Zimmer zugeteilt. Zwar erhielten Kommandanten einen weiteren Schlafbereich, aber ich hatte mich dagegen entschieden, abseits meiner Truppe zu sein. Das gab uns den Vorteil, dass wir keinerlei Scham voreinander besaßen. Wie ein Uhrwerk harmonierten wir miteinander. Und mit Tristan hatte es perfekt funktioniert.

Nach drei Wochen war es zu frisch, als dass wir jemand Neues zugeteilt bekommen sollten. Wegen des Mangels an Freiwilligen, die ihr Leben an der Mauer verbringen wollten, würde es gar nicht dazu kommen. Stattdessen wurde uns jetzt eine nichtsnutzige Prinzessin aufs Auge gedrückt.

Durch die trüben Fenster fiel das Licht der Mittagssonne. Weiße Wolken verdeckten den Himmel. In der Ferne konnte ich das sanfte, bläuliche Schimmern des Azuhl Forest ausmachen. Die Gemächer der Heilenden waren erstaunlich leer. Dabei war der letzte Angriff gerade eine Woche her – an dem wir nicht beteiligt gewesen waren.

Heiler Varus saß hinter einem Schreibtisch und notierte sich etwas, als wir über die Schwelle traten. Der Geruch von Alkohol hing in der Luft, der zum Reinigen von Wunden, Oberflächen und Gerätschaften diente. »Kommandant Evans, wie schön, Sie wieder auf den Beinen zu sehen.«

»Wäre noch viel schöner, wenn ich mich wieder auf dem Schlachtfeld befände«, merkte ich an.

Heiler Varus gab einen tadelnden Schnalzlaut von sich, ehe er mir bedeutete, auf einem der Betten Platz zu nehmen. »Lohnt es sich, Euch zu fragen, welche Beschwerden Ihr habt?«, erkundigte er sich freundlich.

Ich zog das Hemd über den Kopf, wobei ich das Gesicht hinter dem Stoff zu einer Grimasse verzog. Die Krallen des Monsters hatten die Seite tief getroffen. Wenn ich den Erzählungen meiner Einheit vertrauen durfte – und ich vertraute meinen Leuten über alles –, dann hatte mich das Vieh komplett aufgespießt, um mich im hohen Bogen von sich zu schleudern. Begleitet von einem Atemzug, um die Grimasse zu verscheuchen, senkte ich das Hemd und ließ den Heiler den Verband abnehmen.

»Ich würde Euch darum bitten, Eure Einschätzung zu meiner Heilung zu überdenken. Der Offizier ist nicht gewillt, uns einzusetzen. Dabei geht es mir gut.«

Heiler Varus ignorierte mich – wie so häufig. Der Mann war ein Wunder, was die Medizin anging. Nur war er leider ebenso stur wie eine Felswand. »Was könnt ihr mir zu seiner Genesung mitteilen?«

Ich sah nicht zu der Wunde. Spürte aber, wie der Mann die Wundränder abtastete, was sich anfühlte, als würde er mit einem Spieß in sie hineinfahren.

»Er hat noch Schmerzen – auch wenn er sie nicht zeigt«, teilte Abby ihm freimütig mit. »Zwar versucht er sich bereits wieder im Training, aber die linke Seite ist zu geschwächt. Seine Schwertbewegungen sind träge und bei Weitem noch nicht wiederhergestellt.«

»Mir geht es gut«, wiederholte ich mit Nachdruck und warf Abbs einen finsteren Blick zu.

»Klar. Und die Königin ist meine Mutter«, erwiderte Skylar.

»Ich bezweifle, dass die Königin alt genug ist, um dich auf die Welt gebracht zu haben«, murmelte ich.

Die Mimik des Heilers hellte sich deutlich auf. »Ihr könnt froh über die Treue Eurer Einheit sein.«

»Das bin ich. Es ändert nur nichts daran, dass ich – wir – auf dem Schlachtfeld gebraucht werden.«

»Das kann warten. Die Monster laufen nicht weg.«

»Genau das ist das Problem mit den Biestern«, zischte ich. »Momentan scheinen sie aus dem Boden zu sprießen wie Unkraut.«

Heiler Varus erhob sich. »Ich werde meine Einschätzung gegenüber Offizier Wales nicht ändern. Ihr dürft aber anfangen, Eure Muskelstärke wiederherzustellen.«

»Wie stellen wir das am besten an, ohne die Wundnähte zu überlasten?«, fragte Abby.

Mich würde nicht wundern, wenn sie aus einer ihrer Taschen Notizbuch und Stift zücken würde, um übereifrig mitzuschreiben.

»Dehnübungen sollten zunächst ausreichen«, antwortete Heiler Varus. »Ein paar Bewegungsabläufe mit dem Schwert sind auch in Ordnung.«

»Gut. Wir werden darauf achten, dass der Kleine nichts anderes macht«, meinte Skylar mit einem überheblichen Grinsen, das ich zu gern aus hens Gesicht gewischt hätte.

»Ich bin immer noch euer Kommandant.«

»Aber momentan liegt dein Wohlergehen in unserer Obhut«, warf Abby ein. »Und damit du uns erhalten bleibst, hören wir auf das, was der Heiler sagt.«

Ich bemühte mich, Verständnis aufzubringen. Und zum Teil gelang es mir. Wenn es sich um einen von ihnen handeln würde, lägen die Fakten anders. Doch das war nicht der Fall – und mir ging es gut. Irgendwas geschah mit den Monstern, etwas, was in den letzten Jahren nicht so gewesen war. Und ich wollte herausfinden, was da passierte. Nur würde ich nicht im Inneren der Festung auf die Antworten stoßen. Die lagen außerhalb der schützenden Mauer.

Sehnsuchtsvoll blickte ich aus dem Fenster der Krankenstation. Die Sonne beschien das Meer, das nur aus den höher gelegenen Stockwerken der Festungsanlage zu sehen war. Dazwischen schien schneebedeckte Leere zu sein. Dabei war es ein Wald, der komplett vom Winter überrollt worden war. Lange würde es nicht mehr dauern, bis der Schnee die Festung erreichte.

»Dann lasst uns zum Kampfplatz gehen«, sagte ich und zog mir das Hemd wieder über den Kopf. Sollte die Prinzessin doch kommen. Und sollte Wales sie mir ruhig als Schützling zuweisen. Sobald ich wieder die Erlaubnis von Varus hatte, würde die Festung nur noch meine Rückansicht genießen. Die Monster zu vernichten und zurück auf ihren Platz zu verweisen, war wichtiger als der Hals einer Prinzessin.

Kapitel 3

Wir brauchen Hilfe. Mächtige Hilfe, wenn wir hier überleben wollen. Sie haben nun schon einige von uns ins ewige Nichts gezerrt. Angst ist zu einem ständigen Begleiter geworden.

- Auszug aus Amelia Darcys Tagebuch

   Farina

Der Geruch von Schnee lag in der Luft. Eisiger Wind schlug mir ins Gesicht, sodass ich den Schal über die Wangen zog. Die Reise vom Schloss bis zur Mauer dauerte eine Woche. In dieser Zeit hatte der Winter Einzug gehalten. Zumindest in der nordwestlichen Region von Dumoth. Emira und ich hatten uns an den Wirtshäusern orientiert, um den sicheren Weg im Auge zu behalten, damit wir bei Safe Haven ankamen. Der einzigen Landfeste, die an unserer Seite der Mauer existierte und Stützpunkt der Wachleute war.

Ich warf einen Blick zurück. Sofia war zurückgeblieben. Zwar hatte sie zunächst heftig widersprochen, aber sie war untrainiert, und ich bezweifelte, dass sie im Kampf gegen die Monster eine Hilfe war. Im Gegensatz zu ihr hatte ich halbwegs eine Ausbildung genossen, wobei die bei Weitem nicht genügte, um an eine ausgebildete Mauerwache heranzureichen.

Annie wusste bestimmt, wohin ich mich auf den Weg gemacht hatte. Ich war mir sogar sicher, dass sie ebenso gehändelt hätte wie ich, wären unsere Rollen vertauscht. Vielleicht verstand sie nun auch, weshalb es so wichtig war ... Ein Kloß setzte sich in meine Kehle, und ich wünschte mir, noch einmal mit ihr zu reden. Es würde mich nicht von dem Vorhaben abbringen, auf gar keinen Fall. Dass wir im Streit auseinandergegangen waren, war nicht optimal gewesen, und ich fühlte mich deswegen elend.

Emira schnaubte und zog meine Aufmerksamkeit wieder auf den vor mir liegenden Pfad. Was den Blick direkt auf das monumentale Bauwerk lenkte, das sich seit einigen Tagen am Firmament abzeichnete.

Die Mauer war ein kolossales Gebilde. Stein für Stein hatten unsere Vorfahren übereinandergesetzt und jeden von ihnen mit der Kraft der Elemente gefüttert, wodurch dieser Wall in den buntesten Farbtönen schillerte.

Violett für die Luft. Grün für die Erde. Blau für das Wasser. Rot für das Feuer.

All die Farben wirbelten wie eine zweite, glattere Version der Mauer um den Stein. Die Magie war wie eine Schutzschicht, die den Stein vor Angriffen der Monster bewahren sollte. Ich wusste, dass es jedes halbe Jahr eine Feierlichkeit an den drei Stützpunkten der Mauer gab, bei der die Wachleute und andere Magiebegabte ihre eigene elementare Kraft in das Gebilde fließen ließen, um sie zu stärken. Es war schon aus der Ferne ein fesselnder Anblick. Nicht auszudenken, wie es wirken würde, wenn ich endlich angekommen war.

Der Wald, durch den ich den vergangenen Tag geritten war, wurde seichter und offenbarte eine nackte Grasfläche, die geradewegs zur Mauer führte. Als wollten die Wachleute sichergehen, dass sich von dieser Seite aus kein Feind näherte. Ich presste die Lippen aufeinander und trieb Emira ein letztes Mal an, bis mein Blick von rechts abgelenkt wurde.

Ich lehnte mich im Sattel zurück, wodurch Emira langsamer wurde. Der Anblick brannte sich in meine Netzhaut. So etwas hatte ich nie zuvor im Leben gesehen. Vor mir waren die Überreste eines Dorfes – kaum noch als solches zu erkennen. Wände waren anscheinend willkürlich in sich zusammengefallen. Steine waren über den gesamten Platz verstreut worden. Die Abgrenzungen der einzelnen Häuser waren kaum zu unterscheiden.

Mit stockenden Schritten trottete Emira in das Zentrum der Zerstörung. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Von den Ausmaßen der Vernichtung hätte eine Urgewalt wie ein Sturm oder ein Erdbeben schuld sein können. Doch dafür war es zu begrenzt. Im Wald wären dann ebenfalls Spuren davon. Das alles war auf die Kräfte eines Monsters zurückzuführen.

Der Gedanke bereitete mir Übelkeit. Wie sollten wir solch einer Macht gegenübertreten? Browns Worte kamen mir in Erinnerung. Könnte er das hier sehen, wäre er dann noch so überzeugt vom Schutz durch die Wachleute? Oder würde er mir zustimmen?

Aus der Nähe war der Schaden umfassender. Überwältigender. Ich konnte nur starren. Mein Kopf war wie leer gefegt. Einzig das Rasen meines Herzens hallte in meinem Inneren. Die Pflanze der Angst bekam eine weitere Blüte. Selbst das Atmen schien mit einer gewissen Schwere einherzugehen.

Das war die Kraft eines Monsters. Ich ließ den Blick schweifen. An einer Hausmauer, die eben noch von Schutt in einer aufrechten Position gehalten wurde, entdeckte ich Kratzer, die so lang waren, dass es mir nicht möglich wäre, die jeweiligen Enden gleichzeitig zu berühren. »Verflucht.«

Meine Finger zitterten um die ledernen Zügel. Emira spürte meine Angst und wurde unruhig. Ich streichelte über ihren warmen Hals und gab gurrende Laute von mir. »Shhh. Alles ist gut, Süße.« Mir war nicht gänzlich bewusst, ob ich die Stute oder mich selbst mit den Worten besänftigen wollte. »Wir werden das aufhalten«, sagte ich. Wobei meine Stimme nicht einmal ansatzweise so kräftig klang wie sonst. Vielleicht, weil ich selbst nicht wusste, wie wir solch eine Urgewalt stoppen sollten. Im Gegensatz zu dem Monster, das für diese Zerstörung verantwortlich war, waren wir winzig. Ein Reiskorn im Angesicht eines Kochtopfs.

Ich ließ die elementare Kraft von mir in den Boden fließen. Verband mich mit der Erde. Bisher konnte ich nur auf Ainslies Erfahrungen zurückgreifen, was das Erspüren von Monstern anging. Abgesehen von der Atmosphäre des Ortes fühlte sich nichts falsch an. Die Erde schien friedlich zu sein, was mich erleichterte. Anscheinend waren die Wächtere hier gewesen – oder das Monster war nach getaner Arbeit fortgegangen.

Mein Blick richtete sich wieder auf die Mauer. Es hätte dahinter bleiben müssen. Wie war es durchgebrochen? Ich sah von Norden nach Süden, untersuchte dieses kolossale Gebilde auf ein Loch. Eine Lücke, durch die das Monster hätte schlüpfen können ... Aber auf die Entfernung entdeckte ich nichts.

Ich holte tief Luft und brachte Emira dazu, sich in Richtung Mauer zu wenden.

Ainslie hatte mir von der Zerstörungswut der Wesen erzählt, hatte die Liste der Verwundungen der Wachleute vorgelesen und mich nicht geschont. Doch das alles auf Papier zu lesen und es in echt zu sehen ... Das war ein himmelweiter Unterschied.

Ich schluckte schwer in dem Bemühen, die Sorgen hinunterzuspülen. Genau deswegen war ich auf dem Weg zur Mauer. Um herauszufinden, ob wir fähig genug waren. Und um ein Teil von diesem Mahlwerk zu werden, das sich gegen die Monster erhob, um die Menschheit zu schützen.

***

Die Sonne versank bereits hinter dem Horizont, als ich mein Ziel erreichte. Das Tor zu Safe Haven inmitten der Mauer – der Grenze zwischen unserem und dem Wilden Land – war leicht zu übersehen. Dass ich es dennoch bemerkte, lag daran, dass mein bereister Weg mich geradewegs dorthin führte. Die mächtigen Tore verschmolzen geradezu mit dem Rest des Gebildes.

Die schillernde Magie ließ die Mauer wie einen Fluss wirken. Es war atemberaubend. Die Farben der Elemente flossen um den Wall, schienen ihn zu liebkosen wie einen Geliebten. Ich blieb vor den zwei imposanten Eisentoren stehen, die den Weg nach Safe Haven versperrten.

Eine Türklappe, die in dem monumentalen Bauwerk winzig wirkte, wurde geöffnet, und ein einziger Mann trat heraus. »Was ist Euer Begehr?«

Ich stieg von Emira ab und zog die Zügel über ihren Kopf, um sie zu führen. »Ich bin Prinzessin Farina. Königin Ainslie schickt mich.« Obwohl dies nicht ganz die Wahrheit war, glitten die Worte mühelos aus mir heraus. Würde Mutter wissen, wie leicht, würde sie mir die Ohren lang ziehen.

Kurz betrachtete der Mann mein Auftreten. »Kommt herein.«

Sie öffneten nicht die gigantischen Tore, um mich einzulassen. Stattdessen folgte ich dem Wachmann durch die Türklappe in einen ausladenden Hof, der umringt von dichtem Mauerwerk war, das ebenso schillerte wie die Mauer selbst.

Ich musste den Kopf in den Nacken legen, um zur obersten Zinne von Safe Haven zu schauen. Im Hof befanden sich Stände mit den unterschiedlichsten Waren. Ein Händler prahlte mit seinem leichten Schuhwerk, das aus dem Leder von Langohren gemacht worden war. Ein anderer versprach die größten Köstlichkeiten an seinem Stand. Was mein Magen sofort zur Aufforderung nahm zu knurren. Es war Tage her, seit ich zuletzt etwas Anständiges zu essen zu mir genommen hatte.

Nur einen Steinwurf entfernt von dem winzigen Marktplatz entdeckte ich Gärten, in denen hochgewachsene Bäume standen und zu deren Wurzeln Getreide aus der Erde spross. Neben den Wachleuten lebten auch Landwirte, Handwerker und andere Menschen hier, die etwas zum Leben an der Mauer beitrugen. Wobei Vater erzählt hatte, dass alle von ihnen eine Ausbildung zur Mauerwache erhalten hatten. Ob sie nun Magie in sich trugen oder nicht.

Mein Herz machte einen aufgeregten Sprung. Ich war endlich da. Und gleichzeitig mit der Erleichterung, regte sich ein unwohles Gefühl in der Magengegend, das nicht vom Hunger kam. Genau hier war der Dreh- und Angelpunkt für die Kämpfe gegen die Monster. Von hier aus wurde alles organisiert. Hier war ich mitten im Geschehen.

»Ich kümmere mich um Eurer Pferd.« Ein hagerer Mann mit Schnauzbart und einem freundlichen Gesicht kam auf mich zu und griff nach den Zügeln.

»Danke. Wo kann ich sie nachher finden?«

Der Mann deutete auf ein Schiebetor, das in den Tiefen der Mauer verschwand. »Die Stallungen sind dort.«

Nickend strich ich über Emiras Fell. Sie schnaubte beruhigend, als erfasste sie meine Unruhe.

»Folgt mir bitte, Prinzessin.« Die Wache deutete auf die Festung.

Mein Hals schnürte sich zu. Die Nervosität fraß sich durch die Nervenbahnen und ließ mich zu einem kribbeligen Bündel werden. Ich hatte keine Ahnung, wann zuletzt solche Gefühle in mir rumort hatten. Ich holte tief Luft in der Hoffnung, meinen rasenden Puls zu beruhigen – vergeblich.

Ich konnte nur hoffen, dass Ainslie keinen Brief an den Offizier geschickt hatte, in dem sie schilderte, wie unreif ihre jüngere Schwester war, und die Anweisung gab, mich wieder nach Hause zu schicken.

Meine Begleitung ging voran durch eine große Flügeltür. Zum ersten Mal betrat ich die Hallen von Safe Haven. Die Wände waren aus grobem Stein. Trübe Fenster ließen dämmriges Licht in die Gänge und beleuchteten nur unzureichend die Teppiche, die an den Wänden hingen und anscheinend eine Geschichte erzählten. Mir wurde die Möglichkeit verwehrt, mich in ihrem Anblick zu verlieren. Die Wache legte einen eiligen Schritt vor. Ging mit mir eine Treppe hinauf. Ein schmaler Flur, an dessen Seiten Türen abgingen, erwartete uns.

Mein Herz raste. Ich fuhr mir mit der Zunge über die spröden Lippen. Nur wenige Augenblicke, ehe ich Offizier Wales gegenüberstehen würde. Ich atmete erneut tief ein, zwang den Puls zur Ruhe.

Der Mann blieb vor einer Tür stehen und klopfte. Ein barsches »Herein« erklang zur Antwort.

»Prinzessin Farina ist angekommen, Offizier Wales«, erklärte er beim Öffnen und ließ mir den Vortritt.

Ohne Scheu trat ich ins Schreibzimmer und blieb mitten im Raum vor einem massiven Schreibtisch stehen.

Wales' weiße Haare bildeten einen Kranz um seinen spitzen Schädel. Braune Augen taxierten mich, in denen kein Alter zu erkennen war.

»Eure Schwester hat mich über Euer Kommen informiert, Prinzessin Farina. Was verschafft Safe Haven die Ehre des königlichen Besuchs? Ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals vorgekommen ist, nachdem die erste Königin Amelia die Mauer hat errichten lassen.«

Wie von selbst verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln. »Ich bin nur hier, um Unterstützung anzubieten. Soweit es mir möglich ist.«

Wales trommelte mit den Fingern auf den massiven Schreibtisch. Sein Blick ruhte weiterhin auf mir.

Ich verschränkte die Hände ineinander und erwiderte das Starren.

»Eure Unterstützung also?«, fragte er nach.

»Nur das. Uns alle beunruhigen diese Zeiten. Die Monster ... Noch nie haben sie solch ein bestrebendes Verhalten an den Tag gelegt. Noch nie waren sie so ...« Ich sah mich in dem Schreibzimmer um, als suchte ich nach den richtigen Worten. »Unbeständig.«

»Natürlich nehmen wir die Hilfe des Königshauses gern an.« Er nickte in Richtung Tür. »Das ist Kommandant Evans mit seiner Truppe. Er und seine Leute werden sich um Euch kümmern, solange Ihr an der Mauer verweilt. Wisst Ihr bereits, wie lange das sein wird?«

Ich drehte mich zu dem jungen Mann um, der soeben den Raum betreten hatte, als hätte er nur auf Wales' Zeichen gewartet. »Bisher habe ich noch nicht entschieden, wie lang mein Aufenthalt hier sein wird. Ich danke Euch für die Möglichkeit, mit einem Trupp zusammenzuarbeiten.«

Wobei Evans eher aussah, als wollte er mich nehmen und aus dem nächsten Fenster werfen. Seine vollen Lippen waren zusammengepresst, die Kiefer hart aufeinandergepresst. Hinter ihm kamen drei weitere Leute zum Vorschein, die freundlicher aussahen. Sie schenkten mir sogar ein zögerliches Lächeln, das ich gern erwiderte.

»Dann entlasse ich Euch nun in die Obhut des Trupps. Sie werden Euch Euer Zimmer zeigen. Mögen die Elemente bei Euch sein, Prinzessin Farina.«

»Mögen die Elemente bei Euch sein«, wiederholte ich und wandte mich dem Trupp zu. »Bevor ihr mir das Zimmer zeigt, würde ich gern noch einmal zu meiner Stute.«

Die Kiefer des Kommandanten schienen deutlicher hervorzutreten, falls das überhaupt möglich war, die dichten Augenbrauen finster zusammengezogen. Was die Helligkeit seiner grünen Augen hervorhob. Er wirkte absolut nicht begeistert von seiner Aufgabe. »Natürlich, folgt mir, Prinzessin.«

Ohne abzuwarten, marschierte er vor. Ich beeilte mich hinterherzukommen. Ein Mitglied blieb auf meiner Höhe, hob die Hand und hielt sie mir hin. »Ich bin Skylar. In dem Trupp bin ich die älteste Wache und nonbinär. Wie kommt es, dass das Schloss eine seiner Prinzessinnen losschickt?«

»Skylar!«, mischte sich die einzige Frau der Einheit ein. Sie fuhr sich über die Stirn. »Entschuldigt, Prinzessin. Skylar besitzt ungefähr die Feinfühligkeit eines Krallentiers. Ich bin Abby, freut mich, Euch kennenzulernen.«

Ich nahm die angebotene Hand und schüttelte sie. »Die Frage ist wohl nur natürlich, wenn wir bedenken, dass es dem Königshaus aus Sicherheitsgründen sonst untersagt ist, an die Mauer zu kommen«, warf ich ein. »Die momentanen Gegebenheiten lassen uns keine Ruhe, weswegen ich hier sein wollte.«

»Um uns eine Last am Bein zu sein?«, erkundigte sich Kommandant Evans von vorn.

Abby neben mir zog heftig die Luft ein.

»Eher würde ich sagen, dass ich in der Hoffnung hergekommen bin, helfen zu können. Unser Vater hat uns im Kampf trainiert. Ebenso habe ich die letzten Monate mit einem Veteranen meine Fähigkeiten geschliffen. Sie mögen nicht perfekt sein, aber ich bezweifle, dass ich eine Last sein werde.« Meine Stimme klang selbstsicherer, als ich mich in diesem Moment fühlte.

Kommandant Evans führte uns mit strammen Schritt den Weg zurück, den die Wache vorhin genommen hatte. Frostiger Wind begrüßte uns, als wir den Marktplatz überquerten und auf die Stalltüren zuhielten.

»Hier wären wir. Die Schlafgemächer für Euer edles Ross.« Er zog das Rolltor auf und verbeugte sich spöttisch.

Wut rumorte in meinem Inneren, doch ich bemühte mich, sie nicht nach außen zu zeigen.

»Fynn!«, zischte der Letzte der Gruppe, der bisher noch nichts gesagt hatte.

Evans schenkte seiner Truppe keinen einzigen Blick, als ich an ihm vorbei in den Stall ging.

»Zu freundlich von Euch«, erwiderte ich süßlich. Es war deutlich, dass Kommandant Evans keinerlei Lust auf meine Anwesenheit in der Festung hatte.

»Wir werden hier warten, während Ihr Euch mit dem Stall vertraut macht«, murmelte er.

Ich ignorierte ihn und ging tiefer in die Stallgasse hinein. Hunderte Pferde waren zu sehen, die gemütlich in ihren Boxen vor sich hin kauten. Das Geräusch war beruhigend, und ein klein wenig fühlte es sich nach zu Hause an.

Der hagere Mann mit dem Schnauzbart von vorhin, der mir Emira abgenommen hatte, kam aus einer der Boxen. In seiner groben Winterkleidung steckten Strohhalme. »Ihr wollt nach Eurer Stute sehen?«, fragte er, wobei er auf einem Halm kaute.

»Genau. Emira hat die letzte Woche wirklich hart gearbeitet, und ich dachte, dass sie etwas hiervon verdient hat«, sagte ich und schenkte dem Mann ein Lächeln, während ich die Leckerchen aus meiner Hosentasche holte.

»Folgt mir.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging die Stallgasse entlang. »Ich bin übrigens Bernd, der Stallmeister.«

»Freut mich. Farina.«

Es schien, als wäre der Stall wie ein Flur angelegt, der sich komplett unter der Festung hindurchschlängelte. Bernd führte mich die Gasse entlang, bis ich Emira entdeckte. Sie streckte bereits neugierig den Hals über die Boxentür.

Mit wenigen Schritten hatte ich den Stallmeister überholt und schloss die Stute in die Arme. »Hallo, meine Schöne«, gurrte ich und streichelte ihr über die schmale Blesse auf ihrer Stirn. Fordernd drückte sie ihre Schnauze an meine Hüfte. Sie wusste genau, was sich in der Hosentasche verbarg.

Lachend holte ich Leckerchen heraus und hielt sie ihr hin. »Gieriges Biest«, murmelte ich und liebkoste meine engste Freundin.

»Farina also. Wie die Prinzessin?«, erkundigte sich Bernd und ließ sich lässig neben mir gegen die Box sinken.

»Exakt wie Prinzessin Farina.«

Bernds Augen wurden riesengroß. Hastig ging er auf die Knie, um sich zu verbeugen. »Prinzessin!«, rief er aus und legte die Hand auf sein Herz.

Ich ließ Emira los und ging zu ihm. »Bitte, steht wieder auf. Es ist mir eine Ehre, hier zu sein. Ich ... Ich möchte kein großes Getöse um meine Person. Bitte«, fügte ich hinzu und legte etwas mehr Freundlichkeit ins Lächeln.

Bernd sah mich einen Moment an, ehe er eilig nickte. »Natürlich, Prinzessin. Emira wird die beste Versorgung bekommen.«

»Nichts anderes hatte ich erwartet. Ich danke Euch.«

Kapitel 4

Wir lernen zu trainieren. Es gibt nur wenige Kundige, die sich nach neuem Land auf die Suche gemacht haben. Sie bringen uns bei, die Monster zu bekämpfen.

- Auszug aus Amelia Darcys Tagebuch

   Fynn

»Was zum Henker stimmt mit dir nicht?«, fuhr Abby mich an, als Prinzessin Farina hinter der Stalltür verschwunden war.

»Ich sehe das hier halt als Verschwendung von Ressourcen.«

Skylar, Dimitri und Abby tauschten einen Blick, der deutlich die Frage in sich trug, ob ich noch bei Trost war.

»Sie ist die verdammte Prinzessin!«, zischte Skylar. »Was glaubst du, was passiert, wenn sie der Königin steckt, dass ein Kommandant sie wie Dreck behandelt?«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie behindert uns.«

»Du bist noch verletzt!« Abby rieb sich erneut die Stirn. Ein Tic, den sie in der letzten Zeit zu entwickeln schien. »Sie behindert uns nicht, weil wir ohnehin auf deine Genesung warten. Außerdem ...« Sie holte tief Luft. »... vergisst du, dass unsere Einheit in der Trauerphase steckt. Wir sind so oder so noch beurlaubt. Bist du auch nur bisher ein einziges Mal zu ihm gegangen?«

»Mir. Geht. Es. Gut«, wiederholte ich meine Worte. Und überging dabei geflissentlich ihre Frage.

»Sicher. Und ich bin ein Krallenmonster«, murmelte Skylar. Hen strich sich über die dunkelblau gefärbten Haare, die wild in alle Richtungen abstanden. Sky war die einzige Person in Safe Haven, die immer wieder Haarfarben ausprobierte, als wären es neue Hemden.

»Die anderen haben recht, Fynn«, mischte sich Dimitri ein. »Bekomm deinen Frust in den Griff, und lass ihn nicht an der Prinzessin aus. Sie kann nichts dafür, dass wir hier feststecken. Sondern die Monster. Sie sind schuld daran, dass du verletzt wurdest. Dass Tris...«

»Schön. Meinetwegen. Dann versuche ich eben, nett zu sein«, unterbrach ich ihn, bevor er den Namen unseres Mitglieds gänzlich aussprach.

»Ob er daran sterben wird?« Skylars Blick lag fragend auf mir, als wäre ich das Objekt irgendeiner Studie.

»Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, schon«, vermutete Dimitri.

Abby stieß ein Seufzen hervor. »Leute ...«

»Ihr seht, dass ich vor euch stehe, oder? Ich bin hier. Und mir geht es gut.« Ich liebte diese Einheit. Selbst wenn die drei mir an manchen Tagen auf den Keks gingen. Meistens liebte ich sie dann sogar besonders.

»Fynn ...«, versuchte Abby es erneut, doch mit einer einzigen Handbewegung hielt ich sie davon ab, irgendwas zu sagen.

In den letzten Jahren waren sie wie eine Familie für mich geworden, eine, die freigiebig mit ihrer Liebe war. Und manchmal kam mir das Gefühl, dass ich ihrer nicht würdig war. Dennoch hieß ich ihre Sorge nicht gut. Es fühlte sich an, als hielten sie mich für unfähig. Für ungenügend. Eine Regung, die ich nie wieder empfinden wollte. Nicht, nachdem ich mich so viele Jahre unter dem Joch meiner Verwandten exakt so gefühlt hatte. Und vor allem wollte ich mich nicht bei dem einzigen Weg, den ich mir hatte selbst aussuchen können, so fühlen, als hätte ich versagt. Ich holte tief Luft und lehnte mich an die Stalltür.

Während sie sich darüber unterhielten, was genau die Prinzessin hier tat, steckte in ihren Blicken, die immer wieder in meine Richtung huschten, nach wie vor ein hauchfeiner Zweifel. Schon in den vergangenen Tagen, nachdem Wales uns von der Ankunft der Prinzessin berichtet hatte, war die Einheit in ihren Spekulationen aufgegangen. Ich lauschte ihrem Gespräch. Dabei überlegte ich, welche Möglichkeit wohl die geeignetste war, um diese Prinzessin loszuwerden. Es führte kein Weg daran vorbei, dass ich Wales und Varus beweisen musste, dass ich wieder bereit war, die Mauer mit meiner gesamten Kraft zu verteidigen.

Es dauerte länger, als ich dachte, bis die junge Frau aus dem Stall trat. Ihre Wangen waren schmutzverschmiert. In ihrem Haar steckte ein Strohhalm, und für einen Moment war ich versucht, ihn herauszuziehen.

»Danke, dass ihr gewartet habt«, sagte sie.

»Uns wurde von Offizier Wales befohlen, auf Euch achtzugeben, Prinzessin«, erwiderte ich, darum bemüht, die Wut aus meiner Stimme zu verbannen.

»Könnten wir vielleicht die Prinzessin-Sache vergessen?« Sie schien nicht zu wagen, einen von uns bei der Frage anzusehen.

»Die Prinzessin-Sache vergessen? Warum?« Skylar musterte sie voller Neugier. Hen war die älteste Person in der Einheit. Mit vierundzwanzig Jahren wäre es längst möglich gewesen, zurück nach Hause zu gehen. Aber soweit ich hen verstanden hatte, gab es dort nichts, was einer Rückkehr würdig war.

Sie verlagerte ihr Gewicht von einem aufs andere Bein, als wäre ihr die Frage unangenehm. »Ich bin hier, um zu helfen. Und das nicht wegen meiner Verbindungen, sondern wegen meiner Taten. Dafür wäre ich gern einfach nur Farina.«

Verwirrt musterte ich die Frau vor mir.

»Klingt gut für mich, ›Einfach-nur-Farina‹«, meinte Skylar, schlang den Arm um ihre Schultern.

Unter der Umarmung schien die Prinzessin erleichtert aufzuatmen. Ich war von ihrem Gehabe nicht überzeugt. Wahrscheinlich bloß eine Taktik, sich bei uns einzuschmeicheln, um uns interne Informationen zu entlocken. »Wie sollen wir das denn hinbekommen? Ich meine, Offizier Wales hat uns abkommandiert, damit wir Eure Wachhunde werden.«

Über Skylars Schulter sah die Prinzessin zurück zu mir. »Wie wäre es, wenn ihr einfach so tut, als wäre ich eine neue Rekrutin?«

Ich stieß die Luft aus.

»Das sollten wir hinbekommen«, ging Abby dazwischen, bevor ich nur ein Wort von mir geben konnte.

»Das gemeinsame Einheitstraining beginnt morgen früh bei Sonnenaufgang«, sagte Dimitri mit seiner eigentümlichen Ruhe.

Prinzessin Farina strahlte geradezu. »Danke! Ich werde da sein. Vorausgesetzt, ich komme bald in ein Bett.« Wie aufs Stichwort musste sie ein Gähnen unterdrücken.

»Ich zeige Euch das Zimmer«, erklärte ich.

»Wir sollten Euch wohl dorthin begleiten«, gab Abby vorsichtig zu bedenken.

»Nein. Ich nehme an, Prinzessin Farina und ich werden allein zurechtkommen. Geht schon mal in die Waffenkammer vor, um ihr Sachen für den morgigen Tag zu holen«, widersprach ich.

Die drei wechselten einen besorgten Blick.

»Fynn ...«, murmelte Abby.

»Geht«, sagte ich und deutete in Richtung der Kammer.

Nur widerspenstig ließen die anderen die Prinzessin und mich allein.

Ohne noch einmal nach hinten zu schauen, lief ich vor.

Wir überquerten erneut den Marktplatz, auf dem es leerer geworden war. Sobald die Sonne in Richtung Westen verschwand, wurden die Stände geräumt. Zur Nachtzeit erhöhten sich die Patrouillen. Einige der Monster besaßen denselben Tag-und-Nacht-Rhythmus wie wir. Aber andere waren Wesen der Nacht, darunter Flughörnchen. Kreaturen, die an ihren ledrigen Flügeln Krallen hatten, an denen Gift herabtropfte. Der winzigste Hautkontakt genügte, um elendig daran zu sterben.

»Wenn ich die Reaktion Eurer Einheit bewerten müsste, Kommandant Evans, würde ich davon ausgehen, sie hätten Angst, mich mit Euch allein zu lassen«, urteilte die Prinzessin.

Ich wusste nicht, ob ich es mir nicht nur einbildete, dass eine leichte, humorvolle Note ihre Worte begleitete. Die Prinzessin war dicht hinter mir. Mit ihren langen Beinen war es anscheinend eine Leichtigkeit für sie, mir zu folgen. »Ich werde Euch nichts antun, falls es das ist, was Ihr befürchtet«, sagte ich.

»So dumm hatte ich Euch auch nicht eingeschätzt.«

Ich hielt den Blick geradeaus gerichtet und stieg eine Außentreppe nach oben. Die Stufen der Festung waren von Tausenden Schuhsohlen glatt gerieben worden, sodass Feuchtigkeit darauf schnell zu einem Todesurteil werden konnte.

»Aber es ist offensichtlich, dass Ihr ein Problem mit mir habt«, erwiderte sie. »Ich meine, deutlicher könntet Ihr es nur zeigen, wenn Ihr mich anspucken würdet.«

»Ihr seid ebenfalls nicht dumm«, murmelte ich.

»Aus Eurem Mund kann ich das sicherlich als Kompliment auffassen.«

»Sicher.«

»Also?«, fragte sie.

»Also, was?«

»Warum habt Ihr solch ein Problem mit mir?«

Ich blieb auf der Stufe stehen und drehte mich zu ihr. Überrascht weiteten sich ihre Augen. Sie versuchte zu stoppen, ehe sie mit mir kollidierte, doch sie verlor das Gleichgewicht. Rudernd holte sie mit ihren Armen aus. Ihr Oberkörper lehnte sich gefährlich nach hinten. Bevor ich darüber nachdachte, umfasste ich ihre Taille, zog sie dicht an meinen Körper und presste uns zusammen gegen die Mauer, damit wir nicht beide in die Tiefe fielen.

Unsere Oberkörper drängten sich aneinander. Ich spürte ihre heftigen Atemzüge, als sich ihre Brüste gegen meinen Brustkorb pressten. Meine eine Hand ruhte direkt über ihrem Kopf, Halt suchend an die frostige Mauer gelehnt, während die andere um ihre Taille lag. Ein eigentümliches Gefühl fuhr durch mich hindurch. Ich sah zur Prinzessin. Das Blau ihrer Augen erinnerten an den Azuhl Forest, dessen fluoreszierende Farben immer schon eine irritierende Wirkung auf mich besessen hatten. Für eine einzige Sekunde ließ ich zu, in ihrem Blick verloren zu gehen. Ich beugte mich tiefer zu ihr. Sog den Duft nach Stroh, Pferd und ihrer eigenen Note ein.

Ihre vollen Lippen öffneten sich einen Spalt, und es wirkte unendlich verführerisch, sie mit einem Kuss zu verschließen. »Ihr habt mich gerettet«, keuchte sie.

Ihre Worte schafften es, den Dunst aufzureißen, in dem ich gefangen war. Vorsichtig, um nicht selbst auf der rutschigen Treppe das Gleichgewicht zu verlieren, lehnte ich mich zurück. Brachte den dringend benötigten Abstand zwischen uns und holte tief Luft, um die Überreste ihrer persönlichen Duftnote aus der Nase zu vertreiben. »Wie sollte es auf meinen Offizier wirken, wenn ich die Prinzessin bereits am ersten Abend verlöre?«

Ich drehte mich um, in dem Versuch, den Anschein zu erwecken, es wäre nichts gewesen, und um endlich die Prinzessin abzuliefern und sie weit hinter mir zu lassen. So was war mir noch nie gegenüber einer Frau passiert. Es war nicht so, dass es an der Mauer nicht genügend Möglichkeiten gäbe, die ich nicht unbedingt ungenutzt gelassen hatte. Aber das hier war neu. »Ihr solltet bei den Stufen aufpassen. Sie können glatt sein«, sagte ich über die Schulter.

Überraschenderweise stieß sie ein Lachen aus. Ein Ton, der sich in meine Brust fraß und dort eine eigentümliche Wärme entfaltete. »Kommandant Evans, dieser Hinweis kommt ein klein wenig zu spät.«

Das perlende Geräusch war ansteckend. Ohne mein Zutun hoben sich meine Mundwinkel zu einem Lächeln. »Dann wisst Ihr es jetzt für später.«

»Absolut.«