Abenteuer in Alex - Yennifer Woods - E-Book

Abenteuer in Alex E-Book

Yennifer Woods

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Beschreibung

Der Neuanfang für Tina und ihre Familie in Griechenland wird zu einem großen Abenteuer. Neue Freunde, eine neue Schule und ganz andere Bräuche und Sitten. Und dann ist da noch Niko, der Tina ganz schön den Kopf verdreht. Nikos Familie betreibt einen Gnadenhof für Pferde am Rande der Stadt. Dort kommt Tina endlich ihrem großen Traum näher, den Pferden. Aber auch zwischen Niko und Tina fängt es an zu knistern, bis plötzlich Fiona auftaucht. Auch sie ist ganz fasziniert von Niko und versucht alles, um ihn für sich zu gewinnen. Aber zum Glück ist da noch Maria, Nikos Schwester und Tinas Freundin, die Tina mit Rat und Tat zur Seite steht. Der Erlös aus dem Verkauf dieses Buches wird zu 100 % dem Tierschutz in Griechenland gespendet.

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Seitenzahl: 376

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Yennifer Woods

Abenteuer in Alex

Start in ein neues Leben

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Impressum neobooks

Kapitel 1

Es war ein stürmischer Abend im November, als meine Eltern ihre Entscheidung trafen. Es sollte mein größtes Abenteuer werden. Dieser Abend veränderte unser Leben. Heute weiß ich das, doch damals wollte ich es nicht wahrhaben.

Wir wohnten in einer kleinen ruhigen Stadt mitten im Herzen des Ruhrgebiets. Meine kleine Schwester Ellen, meine Eltern und ich. Eigentlich waren wir eine glückliche kleine Familie. Mein Vater war Architekt und meine Mutter Modedesignerin für Hochzeitskleider. Geldsorgen waren uns somit weitestgehend fremd. Deshalb konnte ich auch die Entscheidung, die meine Eltern an jenem schicksalhaften Abend trafen, nicht verstehen. Verzweifelt saß ich auf meinem Bett. Immer wieder hallten mir die Worte meines Vaters in den Ohren: - Wir ziehen nächsten Sommer für immer nach Griechenland. Es ist doch nur zu eurem Besten-.

Wie konnten meine Eltern nur der Auffassung sein, dass sie diese Entscheidung unseretwegen getroffen hatten.

Es fing schon einige Wochen vorher an. Ständig diese Kommentare über das Auswandern. Für immer nach Griechenland ziehen und so, hieß es. Anfangs hielt ich das alles nur für einen schlechten Scherz. Meine Eltern hatten diese „Auswanderungshirngespinste“ immer, wenn wir aus dem Urlaub kamen. Wir fuhren jedes Jahr in den Sommerferien nach Griechenland. Das hatte natürlich auch einen Grund. Meine Mutter war gebürtige Griechin. Oma und Opa wohnten in einem kleinen Dorf nahe der türkischen Grenze. Und so ergriffen wir jeden Sommer die Gelegenheit beim Schopf und verbrachten unsere Ferien dort, um dem grauen Stadtalltag für einige Wochen zu entkommen. Es war zwar immer sehr schön dort und wir hatten jede Menge Spaß, doch ich konnte mir einfach nicht vorstellen für immer dort zu leben. Oma und Opa waren die einzigen, die wir dort kannten. All unsere Verwandten und Freunde lebten in Deutschland. Ich war einfach nur fassungslos.

Die kommenden Wochen und Monate schienen nur so an mir vorbeizufliegen. Meine Eltern waren mit tausenden Dingen beschäftigt. Es mussten sämtliche Verträge gekündigt und der Umzug organisiert werden. Ein Lkw musste her, der unsere Möbel transportieren sollte. Dann noch die komplizierten Sachen mit dem Zoll. Damals war Griechenland noch kein EU- Mitgliedstaat und es herrschten strenge Zollvorschriften. Meine Schwester und ich durften das Schuljahr noch beenden und danach sollte es sofort losgehen. Ich erlebte diesen Zeitraum in einer Art Trance. Was war Traum und was war Wirklichkeit? Die Grenzen schienen ineinander zu fließen. Es spielte sich zwar alles direkt vor meinen Augen ab, dennoch war ich fest davon überzeugt, dass das alles einfach nicht der Wirklichkeit entsprach. Während dieses Zeitraums kommunizierten wir kaum miteinander. Meine Eltern waren zu sehr mit dem Umzug beschäftigt und mit meiner kleinen Schwester konnte und wollte ich einfach nicht reden. Noch bis heute haben wir uns nicht über damals unterhalten.

Der Termin der Abreise rückte unaufhaltsam immer näher und ich wurde immer aggressiver. Irgendwann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte zu meiner Mutter: »Ich werde nicht mitkommen, ich bleibe hier bei meinen Freunden. Ihr könnt von mir aus alleine dorthin ziehen«. Trotzig sah ich sie an. Meine Mutter blickte verwirrt auf mich herab. Mit so einem Ausbruch hatte sie nicht gerechnet. Es traf sie ganz unvorbereitet. Ich sah, wie sie etwas erwidern wollte. Aber sie tat es nicht. Sie drehte sich um und verließ das Zimmer. Abends saßen sie und mein Vater lange Zeit im Wohnzimmer und unterhielten sich. Irgendwann rief mein Vater nach mir. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend trat ich ein. Mein Vater sah mir direkt in die Augen, als er anfing.

»So, so du möchtest also nicht mitgehen. Mama und ich haben uns etwas überlegt. Wenn du möchtest, schicken wir dich hier in Deutschland auf ein Internat. Du hast eine Woche Zeit, um es dir zu überlegen«. Ich hatte das Gefühl, dass mir jeden Augenblick schwarz vor Augen werden würde. Übelkeit stieg in mir hoch. Ein großer Knoten verschnürte mir die Kehle. Krampfhaft versuchte ich meine Tränen zurückzuhalten. Nein, ich würde mir jetzt nicht die Blöße geben und vor meinen Eltern wie ein kleines Kind anfangen zu weinen. Schließlich fühlte ich mich mit meinen sechzehn Jahren schon zu alt für so etwas. Ich nickte nur und verließ fluchtartig das Wohnzimmer. Es blieb mir nichts anderes übrig als mich unter meiner Bettdecke zu verkriechen. Dort heulte ich mich in den Schlaf. Es war die schlimmste Nacht meines Lebens. Albträume quälten mich. Wie konnten meine Eltern nur so herzlos sein. Wollten sie mich wirklich in ein Internat abschieben? Ich wälzte mich die ganze Nacht lang hin und her. Als ich morgens erwachte, war mir eines klar. Bevor ich ganz allein auf ein Internat in eine wildfremde Stadt gehen würde, wo ich überhaupt niemanden kannte, zog ich es vor bei meiner Familie zu bleiben. Erst Jahre später wurde mir klar, dass meine Eltern mich niemals allein in ein Internat geschickt hätten. Sie kannten mich einfach zu gut und wussten, wie ich mich entscheiden würde, lange bevor ich es selber wusste.

Das Schuljahr neigte sich dem Ende zu und das hieß für uns Abschied nehmen. Ich weiß bis heute nicht, wie meine Familie den Abschied von unseren Verwandten und Freunden verkraftet hat, für mich war dies jedenfalls die schwerste Hürde. Meine Klassenkameraden hatten eine kleine Abschiedsparty organisiert die mich zu Tränen rührte. Viele meiner engeren Freundinnen hatten kleine Abschiedsgeschenke mitgebracht. Am meisten freute ich mich jedoch über eine kleine Karte, die von all meinen Mitschülern und meinem Klassenlehrer unterschrieben war. Dann war es soweit. Wir umarmten uns alle ein letztes Mal. Ich machte mich auf den Heimweg. Meine allerbeste Freundin Sandra brachte mich bis nach Hause. Dort angekommen ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Wir umarmten uns einmal, zweimal, dreimal; und wir gaben uns ein Versprechen. Unsere Freundschaft sollte trotz der großen Entfernung bestehen bleiben. Ich versprach, ihr so schnell wie möglich zu schreiben. Dann drehte sie sich um und ging nach Hause. Mit zitternder Hand schloss ich die Haustür auf. In meinem tiefsten Inneren verspürte ich eine Erleichterung. Es war sonderbar, aber ich fühlte mich erleichtert die Hürde des Abschiedsnehmens gemeistert zu haben.

Die letzte Nacht vor unserer Abreise verbrachten wir bei meiner Tante, da unsere Wohnung komplett ausgeräumt war. Ein Lkw hatte tags zuvor unserer ganzes Hab und Gut mitgenommen. Der letzte Morgen brach an und es sollte schon ganz früh losgehen. Unser Auto war fertig beladen. Freunde meiner Eltern und noch einige unserer Verwandten standen auf dem Hof bereit um uns zu verabschieden. Dann endlich fuhren wir los. Ich blickte mich nicht um. Ob ich jemals zurückkehren würde?

Kapitel 2

Die Fahrt war anstrengend, doch das kannten wir ja schon. Schließlich fuhren wir nicht das erste Mal mit dem Auto nach Griechenland. Nach drei Tagen waren wir endlich am Ziel. Ich weiß auch heute noch ganz genau was das erste war, das ich gesehen hatte, als wir die Einfahrt zu Omas Haus runterfuhren; das Gesicht meiner Lieblingscousine Evelyn. Sie erwartete mich schon sehnsüchtig. Wir hatten das gleiche Alter und fühlten uns wie Schwestern. Mit Evelyn konnte man Pferde stehlen. Mir war gleich viel wohler zumute. Die nächsten vier Wochen waren somit gerettet. Denn solange würde Evelyn mit ihrer Familie auch bei Oma Urlaub machen. Bei Oma und Opa war die Freude über das Wiedersehen und die Aussicht, dass wir für immer bleiben würden, natürlich riesengroß. Nach vielen Umarmungen und noch mehr Küssen (Küsschen links, Küsschen rechts ist in Griechenland Gang und Gebe) machten wir uns mit vereinten Kräften daran, unser Auto abzuladen. Oma hatte zum Glück zwei Häuser und so verteilten wir uns und unser Gepäck auf die verschiedenen Zimmer, die Oma für uns frei gehalten hatte. Der Lkw mit unseren Möbeln würde erst einige Tage später kommen, da er wegen der Zollkontrollen länger unterwegs war als ein Pkw. Aber was machte das schon. Wir hatten ja noch keine Wohnung, wo wir unsere Möbel unterstellen konnten. Meine Eltern waren nämlich nach dem Motto: „Es wird sich schon irgendetwas finden“ losgefahren. Heute muss ich eingestehen, dass es richtig mutig war, einfach so ins Blaue loszufahren.

An diesem Tag erholten wir uns noch ein wenig von der Anreise. Für meine Eltern hieß es tags darauf losfahren uns sich auf Haussuche begeben. Für Ellen und mich begangen hingegen unsere langersehnten Ferien. Schwimmen fahren, mit den anderen Jugendlichen aus dem Dorf rumhängen und mit Evelyn über Jungs quatschen. Es waren schöne vier Wochen. Irgendwann während dieser Zeit hatten meine Eltern endlich Glück mit ihrer Haussuche. Sie hatten ein Haus mit einem großen Grundstück direkt am Meer gefunden. Sie waren ganz aufgeregt als sie abends wiederkamen. Beide schwärmten von dem erstklassigen Ausblick aufs Meer und dem riesengroßen, von Olivenbäumen durchzogenem Grundstück.

»Es ist wunderschön, genau so wie wir es uns vorgestellt haben«, schwärmte Mami. Ihre Augen glänzten. Ich schaute sie zweifelnd an.

»Habe ich denn dann wenigstens mein eigenes Zimmer«, fragte ich sie.

»Aber natürlich, ihr bekommt jede euer eigenes großes Zimmer mit Blick aufs Meer«, erwiderte sie. >Na immerhin<, dachte ich und malte mir aus, wie ich mein erstes eigenes Zimmer einrichten würde.

Einige Tage später fuhren wir alle gemeinsam los, um unser neues Heim zu begutachten. Evelyn und ihre Familie waren leider schon wieder daheim in Deutschland, aber ich hatte versprochen, ihr alles genau zu beschreiben und Fotos zu schicken. Oma und Opa waren natürlich auch mit von der Partie. Der Weg führte uns erst einmal Richtung Alexandroupolis. Sie war die größte Stadt in dem Präfekt. Auf einem Schild kurz vor der Stadt stand: „Willkommen in Alexandroupolis, der ersten Stadt Richtung Europa“. Den Namen verdankte die Stadt Alexander dem Großen. Ich fand diesen Namen wunderschön und Alexander der Große war einer meiner Lieblingshelden aus der griechischen Geschichte. Also nannte ich die Stadt nur noch „Alex“. Das war kurz und kompakt und man brach sich beim Aussprechen des Namens auch nicht die Zunge.

Man hatte zwei Möglichkeiten um die Stadt zu durchqueren. Die eine Strecke führte durch das Zentrum und die andere über die Strandpromenade. Ich mochte die Fahrt über die Strandpromenade lieber, da man direkt am Meer entlang fuhr. Man hatte einen wunderbaren Ausblick. Also bat ich Papi, die Promenade entlang zufahren, was er gerne tat, da es dort keine Ampeln gab. Nachdem wir Alex hinter uns gelassen hatten führte uns unser Weg eine kurvige Küstenstraße entlang. Rings herum gab es fast nur noch Olivenbäume. Der Kontrast der silbrig- grün glänzenden Blätter der Bäume zum tiefblauen Meer war einfach umwerfend. Ab und zu sahen wir kleine Häuser inmitten der Bäume. Ich konnte es kaum noch erwarten unser Haus endlich zu sehen.

Nach ungefähr einer Stunde Autofahrt waren wir am Ziel. »Da sind wir«, sagte Papi aufgeregt. Er sah uns viel versprechend an und wartete gespannt auf unsere Reaktionen. Neugierig schaute ich aus dem Fenster. Was ich dort sah verschlug mir die Sprache. Nie zuvor hatte ich so etwas Schönes gesehen. Inmitten der Olivenbäume lag es vor uns; ein wunderschönes altes Herrenhaus. Meine Hände tasteten aufgeregt nach dem Türgriff. Das musste ich mir aus der Nähe ansehen.

Das Haus erstreckte sich über zwei Stockwerke und hatte eine L- Form. Wilder Efeu rankte an der Ostseite des Hauses und ein Rosenspalier mit roten Rosen umrahmte die große hölzerne Eingangstür. Durch die geschlossenen Fensterläden sah das Haus aus, als schliefe es. Die Einfahrt und der Weg bis zur Haustür waren mit großen alten Steinen gepflastert, zwischen denen das Unkraut wucherte. Mami war gerade dabei die Haustür aufzuschließen.

»Nun kommt endlich oder wollt ihr es euch denn nicht ansehen«, rief sie uns zu. Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und drängten hinein. Wir betraten einen großen Flur, der mehr an eine vornehme Empfangshalle als an einen Flur erinnerte. Auf der linken Seite ging es in die Küche. Sie war geräumig und rustikal eingerichtet. Eine richtige Wohnküche. Ich wusste, Mami hatte schon immer von so einer tollen Küche geträumt. Was mir sehr gut gefiel, war, dass man durch die Küche in den Garten gelangte und von dort aus auf eine riesige Sonnenterasse, welche direkt vor dem Wohnzimmer lag. Der Wohn- und Essbereich erstreckte sich zu unserer rechten Seite. Es war ein einziger Raum und er war einfach nur riesig. Es erinnerte mich mehr an eine Halle als an ein Wohnzimmer. Kein Vergleich zu unserer Wohnung in Deutschland. Beeindruckend war der große steinerne Kamin in einer Ecke des Zimmers. Aber am allerschönsten war der Ausblick, der sich vor uns auftat. Man konnte direkt aufs Meer hinaus sehen, da die ganze Südseite des Wohnzimmers mit einer Fensterfront versehen war. Es waren keine Fenster, sondern Schiebetüren wie sich herausstellte, als Papi anfing daran rumzuzerren, um sie zu öffnen.

»Müssten dringend mal geschmiert werden«, murmelte er. Endlich gab die Schiebetür nach und wir traten hinaus auf die riesige Sonnenterasse. Von hieraus konnte man sehen, dass das Grundstück direkt bis an den Strand reichte. Ich war einfach nur überwältigt.

»Wollt ihr nicht endlich eure Zimmer sehen«, rief Mami uns zu. Daran hatten wir schon fast gar nicht mehr gedacht, so beeindruckt waren wir von der schönen Aussicht. Also liefen wir wieder hinein und machten uns auf in den ersten Stock. Dort gab es vier Schlafzimmer und ein Badezimmer. Zwei der Zimmer hatten Meerblick. Mami und Papi überließen Ellen und mir breitwillig diese Zimmer und nahmen Vorlieb mit dem dritten, was auf die Einfahrt und die Olivenbäume schaute. Das vierte Zimmer wollten wir als Gästezimmer nutzen. Unsere Zimmer waren gleichgroß und auch sonst gab es keinen Unterschied, denn sonst wäre ein Streit zwischen Ellen und mir vorprogrammiert. Also entschieden wir uns jede für eins und sahen uns um. Die Räume waren hell und freundlich und besaßen jeweils einen eigenen Balkon. Ich war begeistert; ein eigener Balkon, ganz für mich allein. Das musste ein Traum sein.

In der zweiten Etage gab es noch zwei kleinere Zimmer. Aus dem einen wollte Mami ihr Atelier machen und das andere sollte Papis Arbeitszimmer werden. Dieses Haus war einfach wie geschaffen für uns. Die Suche hatte sich gelohnt. Was mir persönlich auch besonders gut gefiel war, dass der ganze untere Bereich keine Türen besaß. An Stelle von Türen waren überall Rundbögen eingebaut, was dem Haus natürlich noch mehr Helligkeit und Harmonie schenkte.

Opa stellte die Frage, die mich auch schon beschäftigt hatte.

»Das Haus war doch sicher sehr teuer. Könnt ihr es euch denn leisten? «. Neugierig beobachtete ich Papis Reaktion.

»Wir hatten ziemliches Glück gehabt. Die Besitzerin ist seit kurzer Zeit Witwe und wollte hier nicht mehr alleine wohnen bleiben. Alles erinnert sie an ihren Mann. Da sie keine Kinder hat, entschloss sie sich, es zu verkaufen. Und so weit außerhalb von der Stadt ist es schwer einen Käufer zu finden«, erwiderte er. Dabei schien er etwas nachdenklich zu sein.

Nachdem wir alles abgeschlossen hatten, machten wir uns auf den Heimweg. Schließlich gab es viel zutun. Wir mussten noch einmal einen Lkw finden der unsere Möbel bei Oma abholte und sie in unser neues Heim brachte.

Unser Umzug verlief zum größten Teil problemlos. Da wir keinen großen Lastwagen gefunden hatten, mussten wir einen kleineren mieten, der die Strecke dann zweimal fahren musste um alle Möbel zu transportieren.

Kapitel 3

Am nächsten Tag ging es schon früh morgens los. Oma und Opa waren ein bisschen traurig, als wir uns verabschiedeten um endlich in unser neues Reich zu ziehen. Sie hatten sich schon daran gewöhnt uns um sich zu haben. Aber diesmal war es kein Abschied für ein Jahr. Wir wohnten jetzt schließlich nur ca. einhundert Kilometer auseinander. Wir versprachen, sie so schnell wie möglich zu besuchen. Ellen und ich freuten uns riesig und auch unseren Eltern sah man die Freude an. Endlich fing unser neuer Lebensabschnitt so richtig an. Die Möbel waren schon am Vortag eingetroffen, mussten jedoch noch aufgestellt und montiert werden. Das hatte Papi nicht mehr geschafft. Es war ja auch einfach zu viel, um es an einem Tag schaffen zu können. Nach etwa einer Stunde waren wir am Ziel. Mami stieg aus, um das große schmiedeeiserne Tor zu öffnen. Dann fuhren wir die lange Einfahrt hinunter zum Haus. Das Tor ließen wir vorsorglich offen, denn Mami und Papi warteten noch auf Jianni, einen Freund der in Alex wohnte. Er hatte Papi versprochen beim Möbelaufbau zu helfen.

Kaum hatte Papi die Handbremse angezogen, erteilte er auch schon die ersten Anweisungen.

»Es ist wichtig, dass wir als erstes unsere Schlafplätze herrichten. Alles andere eilt nicht ganz so sehr. Also zack, zack, schnappt euch jede erst mal einen Koffer und dann ab noch oben«. Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Voll bepackt mit Gepäckstücken machten wir uns auf den Weg in die erste Etage. Mir fiel ein, dass Ellen und ich ja keine Betten hatten. Unser altes Etagenbett hatte ausgedient und war gar nicht erst aufgeladen worden, sondern auf dem Sperrmüll gelandet.

»Papi sag mal bitte, worauf werden Ellen und ich eigentlich schlafen?«, fragte ich stirnrunzelnd.

»Mach dir mal keine Sorgen, Mami und ich haben noch zwei Klappbetten gekauft. Damit müsste es vorübergehend gehen«, erwiderte Papi. Ich nickte zufrieden. Während Mami anfing in der Küche zu werkeln, gab Papi schon die nächsten Anweisungen.

»Tina, wenn ihr die Koffer abgestellt habt und das Auto soweit leer ist, dann tragt doch bitte mit Ellen erst einmal die Klappbetten nach oben in eure Zimmer, die sind ja nicht so schwer. Ach ja die stehen unten im Wohnzimmer«.

Ellen und ich schleppten wie die Möbelpacker eine Tasche nach der anderen nach oben. Danach schnappten wir uns die Klappbetten, die noch in Folie eingeschweißt waren. Nachdem wir auch diese nach oben getragen und von der Folie befreit hatten, liefen wir nach unten in die Küche. Wir hatten einen Riesendurst. Kein Wunder, es waren ja auch fast fünfunddreißig Grad draußen. Gut, dass der Kühlschrank schon seit dem Vortag eingeschaltet war. Somit war wenigstens für kalte Getränke gesorgt. Und noch besser war, dass wir uns vom Bäcker schon Brötchen und gefüllte Croissants geholt hatten. Darüber fielen wir gleich her, denn so eine Schlepperei machte ganz schön hungrig. Während wir es uns auf den Umzugskartons gemütlich gemacht hatten und unser verspätetes Frühstück genossen, machte Mami eine Entdeckung.

»Herrje, ich glaube wir haben Mäuse. Schau mal Franz, hier ist alles voller Mäusekot«. Papi sah sich die fest eingebauten Küchenschränke von innen an.

»Auweia, ich glaube wir brauchen eine Katze«. Schon sprangen Ellen und ich von unseren Kartons.

»Au ja, wann holst du sie Papi? «, rief ich aufgeregt.

»Na nun mal schön eins nach dem anderen. Erst müssen wir uns mal richtig einquartieren, bevor wir uns ein Tier ins Haus holen. Sonst artet es für uns alle nur in Stress aus«, erwiderte Papi gelassen. Ich ließ nicht locker.

»Papi, dass müssen wir so schnell wie möglich erledigen, sonst knabbern die Mäuse noch unsere ganzen Vorräte an. Und außerdem brauchen wir unbedingt auch einen Wachhund«, sprudelte es aus mir heraus.

«Wir wohnen doch so einsam hier. Da ist es unumgänglich sich einen Hund anzuschaffen«, schlussfolgerte ich und sah ihn mit meinen großen kornblumenblauen Augen flehend an. Papi sah Mami nur an und lachte. Ich sah es an seinem Blick, er freute sich wie ein kleiner Junge.

»Nun mal langsam, Tina. Erst müssen wir ja einen Hund finden, der zu uns passt. Alles Weitere sehen wir dann schon«, sagte er augenzwinkernd.

Also eins musste ich meiner Familie schon lassen, sie waren einfach alle super Tierlieb, genau wie ich. Daher konnte ich Leute, die sich vor Tieren ekeln oder Tiere quälen, einfach nicht ausstehen. In Deutschland hatten wir nie die Möglichkeit gehabt ein Haustier zu halten. Meine Eltern waren beide berufstätig und so war den ganzen Tag niemand zuhause. Und außerdem waren wir alle der Meinung, dass ein Hund in einer kleinen Wohnung ohne Garten einfach nicht glücklich sein konnte. Aber nun gab es die besten Voraussetzungen für Haustiere. Ein großes Haus und ein riesiges Grundstück, welches noch so manche Überraschung verbarg.

Nach unserer verspäteten Mittagspause ging es weiter. Mittlerweile war auch Jianni angekommen und mit Papi dabei, die schweren Schlafzimmermöbel nach oben zu tragen. Ellen und ich halfen Mami beim Sortieren der Kartons. Es waren einfach unendlich viele. Zunächst einmal trennten wir die Kartons mit den Kleidungsstücken von den anderen. Diese wollten wir nach oben tragen sobald Papi und Jianni die Kleiderschränke aufgebaut hatten. Nur gut, dass wir die Kartons alle gut beschriftet hatten. Wir kamen gut voran. Die Kartons mit den Küchenutensilien schleppten wir mit vereinten Kräften in die Küche, wo Mami anfing eine Kiste nach der anderen zu sortieren. Mittlerweile war es früher Nachmittag.

»Habt ihr denn noch keinen Hunger«, fragte Papi von oben. Großartige Idee, dachte ich. Mein Magen knurrte schon seit geraumer Zeit.

»Was gibt es denn? « fragte Ellen neugierig.

»Ich habe gedacht ich fahre ins nächste Dorf und hole uns ein paar Suvlaki (das sind Fleischspieße, echt lecker!) und Pommes«, erwiderte Papi.

»Gute Idee, ich bin am verhungern. Bitte beeil dich«, meldete sich nun auch Mami zu Wort.

Ellen wollte unbedingt mit Papi fahren. So saß ich allein da und hatte für den Moment nichts zutun. Also beschloss ich, mir das Grundstück ein bisschen näher anzusehen.

»Mami, ich schau mich mal draußen ein wenig um«, rief ich ihr zu. Eine Antwort bekam ich nicht, da Mami sich gerade mit Jianni unterhielt. Ich ging durchs Wohnzimmer und öffnete eine der Schiebetüren, die wegen der Mittagshitze geschlossen waren. Dann trat ich auf die riesige Terrasse. So auf den zweiten Blick machte alles einen ziemlich verwahrlosten Eindruck. Kein Wunder, hier hatte ja auch seit einiger Zeit niemand mehr gewohnt. Blumentöpfe mit vertrockneten Pflanzen standen traurig in den Winkeln der Terrasse. Einige Steinplatten mussten dringend ausgewechselt werden, sie waren ziemlich ramponiert. Auch an der Fassade bröckelte es hier und dort. Okay, das Haus war schon sehr alt. Überall auf dem Grundstück wucherte Unkraut. Ich wusste, dass ich mich vor Schlangen in Acht nehmen musste. In dieser Gegend gab es viele Kreuzottern. Angst hatte ich keine. Papi hatte mal erzählt, dass Schlangen viel mehr Angst vor Menschen hatten und dass sie bei lauten Geräuschen schnell das Weite suchten. Von der Terrasse führten drei kleine Treppenstufen hinunter in den Garten. Links herum ging es zur Küche. Ich beschloss jedoch, dass Grundstück zu erkunden, Schlangen hin oder her. Also stieg ich die flachen Treppenstufen hinab. Auch hier standen überall dicht an dicht Olivenbäume. Erst mal wollte ich wissen, ob das Grundstück wirklich bis zum Strand führte. Da unser Haus auf einem Hang lag, war das Grundstück recht abschüssig. Nach einem ganzen Stück kam ich tatsächlich unten am Strand an. Ich traute meinen Augen kaum. Das war ja einfach unglaublich. Ein Strand ganz für uns allein. Es war einfach unbeschreiblich schön. Vor mir erstreckte sich eine kleine Bucht, die ringsherum von roten Felsen eingefasst war. Der Kontrast der roten Felsen zum weißen Strand und zum azurblauen Meer war einfach wunderschön. Das würde mir keiner meiner Freunde in Deutschland glauben. Schwimmen wäre jetzt göttlich, dachte ich und wollte zurück zum Haus um meinen Bikini zu holen. Aber vorher wollte ich noch den Rundgang beenden. Ich ging bis zu den Felsen auf meiner rechten Seite, Richtung Westen und dort angekommen sah ich auch den Zaun der unser Grundstück von dem des Nachbarn trennte. Ich beschloss erst einmal am Zaun entlang zu gehen. Nach circa zweihundert Metern traf ich auf einen kleinen alten Stall, der schon ziemlich baufällig war. Hatte die Vorbesitzerin etwa hier Tiere gehalten? Wohl nicht, denn der Stall sah wirklich schon sehr alt aus. >Das ist ja interessant, ob Mami und Papi wohl wussten, dass sich auf unserem Grundstück auch ein Stall befindet<, dachte ich und beschloss meine Entdeckungstour erst mal zu beenden und ihnen von dem Stall und dem tollen Strand zu erzählen. Kurz vor der Terrasse entdeckte ich jedoch noch etwas zwischen den Bäumen. Es war ein kleiner Springbrunnen, der von Unkraut und Gestrüpp überwuchert war. Mir wurde langsam klar, dass noch sehr viel Arbeit vor uns lag, um das Grundstück und das Haus wohnlich zu gestalten.

Als ich gerade die Treppen hinaufsteigen wollte, hörte ich Mami rufen: »Tina, wo steckst du? Das Essen wird kalt«. »Komme schon«, erwiderte ich.

»Na warst du am Strand«, wollte Papi wissen.

»Ja, und ich habe einen alten Stall und einen antiken Springbrunnen entdeckt«, erzählte ich.

»Nun ja, das hatte Frau Tsouka, die Vorbesitzerin uns auch erzählt. Aber er soll sehr baufällig sein. Vielleicht müssen wir ihn wegen Einsturzgefahr auch abreißen lassen. Denn mit einem Stall können wir nun wirklich nichts anfangen«, meinte Papi.

»Und was den Brunnen betrifft«, fügte Papi hinzu, »den säubern wir und versuchen ihn wieder in Gang zu bringen. Aber nun wird erst einmal gegessen«. Das ließ ich mit natürlich nicht zweimal sagen. Die Suvlaki schmeckten hervorragend. Nach dem Essen mussten wir uns weiter um unseren Umzug kümmern. Papi und Jianni hatten die Kleiderschränke in unseren Zimmern aufgestellt und Ellen und ich fingen an Kleiderkartons auszupacken. Mami wuselte weiter in der Küche herum und Papi war dabei, den großen Schlafzimmerschrank zusammenzubauen. Mir war nur noch heiß und plötzlich fiel mir wieder ein, dass ich doch eigentlich schwimmen wollte. »Was haltet ihr von einer Abkühlung im Meer«, rief ich in den großen Flur. Papi steckte den Kopf durch die Schlafzimmertür: »Das ist eine Spitzenidee. Sag Mami Bescheid, ich weiß nämlich nicht, wo sie meine Badehose versteckt hat«. Ellen hatte ihren Bikini schon in der Hand und wollte sich umziehen.

»Das wir nicht früher auf die Idee gekommen sind. Schließlich wohnen wir jetzt direkt am Meer. Und der Umzugsstress läuft uns auch nicht davon«, murmelte Papi. Auch Mami war von meiner Idee begeistert und so liefen wir alle nach ein paar Minuten runter zum Strand. Jianni hatte keine Badehose dabei, wollte es sich aber mit einem Bierchen gemütlich machen, solange wir beim schwimmen waren. Die Sonne stand nicht mehr so hoch am Himmel, da es schon spät am Nachmittag war. Aber das Wasser war wunderbar warm und klar. Man konnte ein paar kleine Fischerboote beobachten, die auf See gefahren waren. Ich ließ mir von Papi erklären, dass im nächsten Dorf, das Makri hieß, ein kleiner Hafen lag. Von dort aus fuhren die Boote los.

Nachdem wir uns erfrischt hatten, ging es wieder zurück zum Haus. Beschwingt machten wir uns wieder an unsere Arbeit und ehe wir uns versahen war es auch schon dunkel. Jianni verabschiedete sich und versprach am nächsten Morgen wiederzukommen, denn es gab noch viel zutun. Wir bedankten uns und sahen ihm nach, wie er die lange Einfahrt hinauffuhr. »So, lasst uns schlafen gehen, es war ein langer Tag. Ihr seit doch sicher alle müde«, sagte Papi. Das waren wir auch. Ellen und ich wünschten Mami und Papi eine Gute Nacht im neuen Haus und dann stiegen wir die Treppen hinauf in unsere neuen Zimmer. Es war für uns das erste mal, dass wir in getrennten Zimmern schlafen würden.

»Tina, was hältst du davon, wenn wir die Türen auflassen«, fragte Ellen mich leise.

»Na klar«, antwortete ich, denn auch mir war es nicht geheuer. In einem so großen Haus hatten wir noch nie geschlafen. Alles war so ungewohnt. So still. Nicht so wie in der Stadt.

»Ach, und wenn du nicht schlafen kannst, komm einfach in mein Zimmer«, bot ich Ellen noch an.

»Gerne«, erwiderte sie.

Ich zog mich um und legte mich in mein Bett. Eine ganze Weile lauschte ich den ungewohnten Geräuschen. Man hörte hier keine Autos, sondern das Zirpen der Grillen und die Schreie der Käuzchen. Und den Wind, der die Olivenbäume sanft hin und her wiegte. In weiter Ferne erklang das Bellen eines Hundes. Irgendwann schlief ich ein.

Am nächsten Morgen erwachte ich, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Wie spät mochte es wohl sein. Zu dumm, ich wusste nicht, wo ich meine Uhr gelassen hatte. Komischerweise war meine Zimmertür geschlossen, obwohl ich sie doch vorsorglich aufgelassen hatte. Ich schlenderte ins Badezimmer. Das Schlafzimmer meiner Eltern, genau wie das von Ellen, war verlassen. Typisch, dachte ich. In meiner Familie galt ich als Langschläferin und da war auch was dran. Ich schlief morgens gerne etwas länger. Im Gegensatz zur übrigen Familie. Die waren alle Frühaufsteher.

Das Badezimmer hatte dringend eine Renovierung nötig. Die sanitären Anlagen waren alt und man konnte noch so viel scheuern, man bekam sie nicht mehr richtig sauber. Doch Papi sagte, dafür fehle momentan das Geld. Wir müssten für einige Zeit eben das Beste draus machen. Nachdem ich mich gewaschen hatte stieg ich die Treppen hinab und ging in die Küche. Mami war dabei Kaffee zu kochen.

»Guten Morgen mein Schatz. Möchtest du einen kalten Kakao oder lieber Orangensaft? «, fragte Mami mich.

»Guten Morgen Mami«, murmelte ich noch etwas verschlafen. »Saft wäre Klasse. Wo sind denn Papi und Ellen? « fragte ich. »Ach, die sind zum Bäcker gefahren, um Frühstück zu holen«, erwiderte Mami. Unsere Küche stand immer noch voller Umzugskartons.

»Was steht denn heute auf dem Programm? «, fragte ich Mami neugierig.

»Ich weiß momentan auch nicht wo mir der Kopf steht. Wichtig ist die Küche«.

»Mami, was würdest du davon halten, wenn wir erst einmal schön gemütlich draußen auf der Terrasse frühstücken«, schlug ich vor.

»Wie sollen wir das denn machen, wir haben doch noch keine Gartenmöbel«, meinte Mami.

»Pass auf, wir nehmen einen großen leeren Karton, den wir umdrehen, als Tisch. Und dann noch unsere Klappstühle hier aus der Küche. So müsste es eigentlich gehen«.

»Gute Idee«, staunte Mami bewundernd. Und so schleppte ich einen großen leeren Karton nach draußen und Mami kam mit den Stühlen hinterher. Als Papi und Ellen kamen saßen wir mit unseren Getränken bereits draußen.

»Frühstück auf der Sonnenterrasse, das ist ja prima«, freute sich auch Papi. Und so saßen wir alle beisammen und genossen unser erstes Frühstück auf der tollen Terrasse.

Nach dem Frühstück halfen Ellen und ich Mami in der Küche. Papi hatte die Türen der Einbauschränke abmontiert um sie zu lackieren. Und wir waren dabei sämtliche Küchenschränke von innen sauber zu scheuern. Mami hatte sich die oberen Schränke vorgenommen und wir krochen auf den Knien herum, um die unteren zu säubern. Mit dieser Aufgabe waren wir den halben Tag beschäftigt, denn die Küche war riesig.

Gegen Mittag bestellten wir uns Pizza und genossen die Pause. Die Küchenschränke waren soweit sauber, nur die lackierten Schranktüren mussten noch trocknen. Mami und Papi wollten später in die Stadt fahren, um sich noch Möbel anzuschauen, die uns fehlten. Ellen und ich hatten die Wahl; entweder mitfahren oder es uns gemütlich machen. Wir beschlossen natürlich zuhause zu bleiben. Schließlich musste man doch das schöne Wetter ausnutzen. Wir wollten viel lieber schwimmen gehen.

Nachdem Mami und Papi losgefahren waren, machten wir uns auf den Weg zum Strand. Lange blieben wir jedoch nicht, da es doch ziemlich langweilig war nur so zu zweit.

»Und was machen wir jetzt«, fragte Ellen mich träge.

»Was hältst du davon, wenn wir unsere Fahrräder holen und ein bisschen die Gegend auskundschaften«, antwortete ich. Ellen war natürlich mit meiner Idee einverstanden.

Wir wollten ins nächste Dorf, das Makri hieß, fahren und uns dort mal ein wenig umschauen. Nachdem wir uns umgezogen hatten, radelten wir los. Die Straße dahin war sehr eng und kurvig und wir waren froh, als wir endlich die ersten Häuser sahen. Strahlend weiß mit roten Dächern lagen sie an einem Hügel. Eigentlich kannten wir das Dorf ja schon dadurch, dass wir immer mit dem Auto durchfahren mussten, um nach Hause zu kommen. Aber so mit dem Rad war das etwas ganz anderes. Es war früher Nachmittag als wir auf den Dorfplatz fuhren. Die Cafés, die die Platia (den Dorfplatz) umrundeten waren nur spärlich gefüllt. Um diese Uhrzeit hielten die meistens Einheimischen wegen der großen Hitze ihren Mittagsschlaf. Die wenigen, die der Hitze trotzten und ihren Frappé (kalter Kaffee, das Kultgetränk schlechthin in Griechenland)oder ihren Ouzo genossen, starrten uns an. Neue Gesichter in unserem kleinen Dorf, schienen sie wohl zu denken. Ellen und ich sahen auch eher wie die Kinder von Touristen aus, so blond und blauäugig wie wir waren. Wir nahmen Kurs auf einen kleinen Kiosk am Rande des Dorfplatzes und holten uns erst einmal ein Eis. Damit setzten wir uns auf eine Bank unter einer großen Pappel.

»Welche Richtung wollen wir einschlagen«, fragte Ellen mich. Es gab drei Richtungen. Eine Straße führte in Richtung Alex, die andere zum Hafen und die dritte wieder zurück nach Hause.

»Wie wäre es wenn wir mal runter zum Hafen fahren«, schlug ich vor. Ellen war mit meinem Vorschlag einverstanden und so fuhren wir weiter, nachdem wir unser Eis gegessen hatten.

Die Straße zum Hafen ging steil bergab. Es machte richtig Spaß mit dem Fahrrad dort hinunter zu fahren. Nach etwa zehn Minuten hatten wir unser Ziel erreicht. Der kleine Hafen erstreckte sich malerisch vor uns. Er lag in einer kleinen Bucht, die umgeben von Felsen war. Die Kaimauer schützte die bunten Boote vor dem offenen Meer. Hier herrschte trotz der großen Hitze ein reges Treiben. Männer liefen geschäftig hin und her und ab und zu fuhr eins von diesen kleinen lustigen bunten Booten an der Kaimauer entlang aufs offene Meer hinaus. Die Sonne stand noch sehr hoch am Himmel und das Meer glänzte azurblau. Nachdem wir uns gründlich umgesehen hatten, entschlossen wir uns wieder heimzufahren. Wir wollten zu Hause sein, bevor Mami und Papi wieder kamen. Schließlich hatten wir ihnen versprochen, uns noch ein bisschen um unsere Zimmer zu kümmern.

Der Rückweg war nicht so toll, da wir den ganzen Weg vom Hafen bis zum Dorfplatz gegen die Steigung ankämpfen mussten. Wir waren blitzschnell nass geschwitzt. Zum Glück stand auf der Platia ein kleiner Brunnen. Dort hielten wir noch mal an um uns zu erfrischen. Dann ging es zurück nach Hause. Wir fuhren wieder an den unzähligen Olivenbäumen entlang, die links und rechts die Straße säumten. Kurz vor unserer Hofeinfahrt stutzte ich. Da lag eine große weiße Plastiktüte auf der Straße. Wer hatte denn hier wieder seinen Müll entsorgt, dachte ich verärgert. Wenn wir alle eines nicht leiden konnten, dann war das Umweltverschmutzung. Wir wurden schon von klein auf von unseren Eltern angehalten, die Umwelt sauber zu halten und unseren Müll richtig zu entsorgen. Ich beschloss, die Tüte in unsere Mülltonne zu befördern. Also stieg ich ab, stellte mein Fahrrad an einen Baum und ging auf die Tüte zu. Plötzlich hielt ich inne.

»Ellen, die Tüte hat sich bewegt«, rief ich meiner Schwester zu.

»Das hab` ich auch gesehen. Was könnte das nur sein«, erwiderte sie. Und wieder raschelte die Tüte.

»Vielleicht ist es eine Schlange«, sagte Ellen ängstlich.

»Ach quatsch, wer packt denn eine Schlange in eine Plastiktüte«, entgegnete ich ihr. Irgendwie musste ich die Tüte von der Straße bekommen, bevor das nächste Auto kam. Beherzt griff ich zu. Wieder dieses Rascheln. Vorsichtig legte ich die Tüte am Fahrbahnrand wieder ab und begann sie zu öffnen. Sie war ziemlich gut verknotet. Ich zog und zerrte an dem Plastik und endlich gab der Knoten nach. Was wir dann sahen, verschlug uns die Sprache. Drei kleine Katzenbabys sahen uns total verängstigt an. Sie waren noch ganz winzig. Wir waren einfach nur sprachlos.

»Los Ellen, fahr schnell vor und öffne das Tor. Ich nehme die Kätzchen«, bat ich Ellen. Sie flitzte los. Mein Fahrrad würde ich später holen. Erst mussten wir diese kleinen Kätzchen hier versorgen. Vorsichtig griff ich nach der Tüte. Die kleinen Geschöpfe fingen an zu fauchen. Doch das beeindruckte mich wenig. Schließlich waren sie total verängstigt.

Ellen kam mir schon mit einem kleinen Karton entgegen, in den sie ein altes Tuch gelegt hatte. Prima Idee, dachte ich und vorsichtig legte ich die Kätzchen dort hinein. Die armen kleinen drängten sich verängstigt aneinander und sahen uns mit großen hellblau schimmernden Augen an. Eins war ganz schwarz, das zweite schwarz- weiß und das dritte grau- weiß. Wie herzlos mussten diese Menschen nur sein, die so etwas tun konnten. Ich war einfach nur wütend.

»Du Tina, was geben wir den kleinen denn zu fressen?«

»Ich weiß auch nicht so genau. Es ist besser, wenn wir auf Mami und Papi warten«, entgegnete ich. Sie nickte.

Mami und Papi ließen auch nicht mehr lange auf sich warten. Wir empfingen sie schon an der Haustür. Aufgeregt erzählten wir ihnen von unserem Fund. Dann zogen wir sie zu den Karton. Auch unsere Eltern waren fassungslos. Nachdenklich sah sich Papi die kleinen Kätzchen an. Er sprach laut aus, was ich auch schon gedacht hatte.

»Hoffentlich bekommen wir sie durch. Sie scheinen noch sehr klein zu sein. Wenn sie nicht selbstständig fressen können, haben wir ein Problem. Habt ihr schon ausprobiert, sie zu füttern?«

»Nein, wir wussten nicht wie«, antwortete ich. Wir hatten schließlich noch nie Kätzchen gehabt. Zum Glück wusste Mami Rat.

»Wir probieren es erst mal mit Milch«, schlug sie vor. Dann lief sie in die Küche.

»Papi können wir sie behalten?«, flehten Ellen und ich fast gleichzeitig. Papi grinste nur.

»Wir wollten uns doch sowieso Katzen zulegen, schon allein wegen der Mäuse«, meinte er. Die Zuversicht die Papi ausstrahlte, ließ uns hoffen, dass es die Kätzchen doch schaffen würden. Und da kam auch Mami mit einem Schälchen Milch aus der Küche. Vorsichtig stellte sie es im Karton ab. Die Kätzchen fingen schon wieder an zu fauchen. Doch auch Mami ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie tunkte ihren Finger in die Milch und ließ die Kätzchen daran schnuppern. Und dann, ganz vorsichtig fing das erste an, Mami den Finger abzuschlecken. Auch bei den anderen beiden klappte es. Langsam setzte Mami das erste Kätzchen direkt vor das Schälchen mit der Milch. Und siehe da, es fing an zu trinken. »Na also«, freute sich Mami.

»Und morgen holen wir Katzenfutter«, fügte sie lachend hinzu- Die Erleichterung war ihr ins Gesicht geschrieben.

Kapitel 4

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Schließlich gab es an allen Ecken und Enden etwas zutun und so packten wir alle mit an. Auch Oma war für ein paar Tage zu uns gekommen, um Mami zu helfen das große Haus gründlich zu putzen. Sie war uns wirklich eine große Hilfe. Langsam aber sicher wurde es richtig gemütlich in dem riesigen Haus. Gardinen umrahmten die vorher so trostlos wirkenden Fenster, die jetzt geputzt waren. Die schönen, alten Terrakottafliesen leuchteten rötlich und im großen Hausflur hatten wir tolle Läufer ausgelegt, die Oma selbst gewebt hatte. Das Wohnzimmer war auch nicht mehr wieder zu erkennen. Nachdem Papi dem Raum einen neuen Anstrich verpasst hatte und Oma zusammen mit Mami alles blitzblank geputzt hatten, wurden unsere Möbel aufgestellt. Den Ehrenplatz neben dem Kamin bekamen unsere drei Kätzchen in ihrem neuen Katzenkorb, den Mami noch in der Stadt ergattern konnte. Es waren zwei Katzen und ein Kater, wie wir festgestellt hatten. Der Kater war pechschwarz, den nannten wir Toni. Das schwarz- weiße Kätzchen bekam den Namen Mausi und das grau- weiße den Namen Morgana. Der Kamin stand direkt neben der Terrassentür und so konnten die kleinen Kätzchen tagsüber auf der Terrasse spielen, denn die Türen waren den ganzen Tag weit auf.

Der erste Schultag rückte immer näher und je näher er kam, desto mulmiger wurde mir. Bis jetzt hatte ich die Gedanken rund um das Thema Schule verdrängt, doch Papi erinnerte uns daran, dass wir uns noch bis zum Ende der Woche anmelden mussten. Ellen hatte es gut, denn sie durfte die Grundschule in Chili besuchen, ein Dorf, das vor Alex lag. Ich musste aufs Gymnasium und das war in der Stadt. Also konnten wir nicht zusammen sein, was uns den Anfang bestimmt noch erschweren würde.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit Mami zur Schulanmeldung. Ich wäre natürlich am liebsten im Bett geblieben, doch ich hatte keine Chance. Mami scheuchte uns herum, damit wir uns beeilten, um nicht zu spät zu kommen. Als erstes hielten wir in Chili, wo Ellen zur Schule gehen würde, da es direkt auf unserem Weg lag. Mami erkundigte sich nach dem Schulbüro und ehe wir uns versahen, hatten wir es auch schon gefunden.

Der Direktor war sehr nett und unterhielt sich lange mit Mami. Irgendwann waren sie fertig und Mami verabschiedete sich. Wir taten es ihr gleich und machten uns auf den Weg nach Alex. Das Gymnasium fanden wir auf Anhieb, da Mami eine gute Wegbeschreibung von Jianni bekommen hatte. Mami parkte das Auto und wir stiegen aus. Hier sah alles schon ganz anders aus. Während die Grundschule in Chili klein und übersichtlich war, erstreckten sich hier vor unseren Augen vier riesige Gebäude.

»Und wie sollen wir hier das Büro finden?«, fragte ich Mami resigniert.

»Wir müssen in das Gebäude Nummer vier, ich habe den Direktor in Chili gefragt«, antwortete sie mir. Und so trabten wir los und überquerten den großen Schulhof. Natürlich mussten wir in das Gebäude, das sich am anderen Ende des Schulhofs befand. Zum Glück gab es in dem Gebäude Schilder, die einem den Weg zur Anmeldung wiesen und so brauchten wir niemanden zu fragen. Hier ging alles sehr anonym zu. Während der Direktor der Grundschule sich ausgiebig Zeit für uns genommen hatte, hieß es hier nur Anmeldungsformular ausfüllen, unterschreiben, abstempeln lassen und fertig. Wir erfuhren noch den genauen Termin für den ersten Schultag und dann hatten wir es geschafft.

»Das ging ja schneller als ich gedacht hätte«, sagte Mami, »und jetzt haben wir noch genug Zeit um euch etwas Schönes für den ersten Schultag zu kaufen«, fügte sie hinzu. Und so stürmten wir die Geschäfte und fuhren gegen Mittag gut gelaunt und mit reichlich Tüten bepackt nach Hause.

Ich hatte noch zwei Wochen Schonfrist bis die Schule anfangen würde und die wollte ich voll und ganz ausnutzen. »Ellen, kommst du mit schwimmen?« fragte ich meine kleine Schwester.

»Ich habe mir gedacht wir fahren heute mal nach Agia Paraskevi«, fügte ich hinzu.

»Nein, ich fahre mit Mami einkaufen«, erwiderte Ellen.

>Na schön, dann fahre ich eben allein<, dachte ich brummig. Mami hatte natürlich nichts dagegen und so schnappte ich mir mein Fahrrad und machte mich auf den Weg.

Agia Paraskevi war ein beliebter Badestrand und lag bei uns in der Nähe. Wir hatten zwar auch einen Strand direkt vor unserer Haustür, aber heute wollte ich endlich mal unter Menschen kommen. Auf die Dauer machte es nämlich auch keinen Spaß immer nur allein am Strand zu liegen. Nach etwa zwanzig Minuten war ich am Ziel. Mein Fahrrad stellte ich an einem Olivenbaum ab und machte mich auf den Weg um einen schönen Platz zu ergattern. Wie ich feststellte brauchte ich mir um einen schönen Liegeplatz keine Sorgen zu machen. Der Strand war fast leer. Nur hier und da ein Sonnenschirm. Und zu meinem Leidwesen hauptsächlich ältere Menschen. >Na prima<, dachte ich nur. Missmutig stapfte ich durch den Sand und steuerte einen Platz direkt am Wasser an, um mein Handtuch auszubreiten. Da hörte ich ein Geräusch, welches ich hier am allerwenigsten erwartet hätte. Pferdegewieher. Erstaunt sah ich mich um. Einige Meter hinter mir war ein kleines Pferd, oder war es ein Pony, an einem Olivenbaum angebunden. Es war rötlichbraun und hatte eine weiße Blesse und vier weiße Fesseln. Seine Farbe erinnerte mich an reife Kastanien. Es scharrte mit dem linken Vorderhuf und nickte aufgeregt mit dem Kopf. Pferde hatten mich schon immer fasziniert. Leider war es mir bis jetzt nicht vergönnt gewesen, Reiten zu lernen. Meine Mutter fand, dass Reiten viel zu gefährlich sei. Man könnte vom Pferd stürzen und sich den Hals brechen, sagte sie immer. Ich legte meine Strandtasche ab und ging ein paar Schritte auf das Pferd zu.

>Wer hatte es nur hier angebunden?< Ich sah weit und breit kein Haus und auch keine Koppeln. Merkwürdig, dachte ich. Mittlerweile hatte ich mich dem Pferd bis auf ein paar Meter genähert. Weiter traute ich mich jedoch nicht. Ich mochte Pferde zwar, doch sie waren mir auch ein bisschen unheimlich. Ich hatte bis jetzt noch nie nähere Bekanntschaft mit einem Pferd gemacht. Leise sprach ich mit dem Tier. Es sah mich mit großen sanften braunen Augen an. Ich war mir nicht sicher ob ich es streicheln sollte. Während ich so da stand und selbst nicht wusste, was ich machen sollte, fing das Pferd plötzlich laut an zu wiehern und tänzelte aufgeregt herum. Ich erschrak und sprang zurück. Dabei stieß ich mit jemandem zusammen, der hinter mir stand und ehe ich mich versah, lag ich auch schon auf dem steinigen Boden.

»Hoppla, ich wollte dich nicht erschrecken. Ist alles in Ordnung? «, hörte ich eine Stimme fragen. Völlig verdutzt sah ich auf. Vor mir stand ein Junge in dunkelblauen Badeshorts. Er war ziemlich groß und braun gebrannt. Seine schwarzen Haare waren ganz nass und ein weißes Handtuch lag über seinen Schultern. Er hatte markante Gesichtszüge und Augen so blau wie das Meer. Ich starrte ihn an. Diese Augen verschlugen mir die Sprache.

»Are you okay?« fragte er mich auf Englisch. Endlich kam ich zu mir.

»Jaja, alles in Ordnung«, stammelte ich mit hochrotem Kopf. »Oh, du bist ja doch keine Touristin. Erst dachte ich, du verstehst mich nicht. Komm, ich helfe dir hoch«.

Er reichte mir seine Hand. Ich ergriff sie nach einem winzigen Zögern und er zog mich schwungvoll hoch.