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Der achtjährige Thommes staunt nicht schlecht, als er im Wäldchen am See, dem täglichen Treffpunkt mit seinem besten Freund Matthes, eines Nachmittags eine kleine Holzflöte entdeckt. Sie liegt auf dem Boden und öffnet ihm die Welt in das Abenteuer von Tschulkanien. Doch er bekommt die Aufgabe, die Melodien der Flöte zu finden und sie auf dem Instrument zu spielen. Er fragt sich gleich zu Anfang, was das Spielen auf der Flöte bewirkt. Findet er den Mut, sich als Finder der Flöte auf die Abenteuer einzulassen? Die Fantasywelt Tschulkanien ist in Gefahr, da der Kampfvogel Krabautz dem großen Wald alle Farben nehmen will. Wird es Thommes schaffen, die Tschulkanier zu retten? Kann sein bester Freund Matthes ihm helfen?
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2023
Tanja Rosenkranz
Abenteuer in Tschulkanien
Kinderbuch
© 2023 Tanja Rosenkranz
ISBN Softcover: 978-3-347-83684-6
ISBN E-Book: 978-3-347-83879-6
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, An der Strusbek 10,
22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
1. Wie das Abenteuer begann
Ich habe meinen Namen vergessen, so verwirrt bin ich. Ich kann es immer noch nicht glauben, was sich da ereignet hat.
Ist das wirklich mir passiert? Habe ich es tatsächlich auf dem Waldboden gefunden?
Ich schaue hinab und sehe den Beweis. In meiner Hand befindet sich die kleine Holzplatte mit Rundungen und Löchern. Ich betrachte den holzigen Gegenstand genauer, fahre mit den Fingern darüber. Dieses Holz könnte ein Musikinstrument sein, vielleicht eine Flöte. Ich schließe für einen Moment die Augen.
Dann erschrecke ich mich, als etwas ruft: "Aufwachen! Du aufwachen! Ich sein ein Tscho-Tscho und reden mit dir."
Vor mir steht ein kleiner Pilz. Sein Kopf leuchtet. Ich starre ihn an. Er hat einen gelben Kopf mit einer silbernen Hutschale darauf, seine Arme, Beine und der Hals sind orange und er trägt einen Panzer am Rücken, der an einen Marienkäfer erinnert. Er lächelt.
Dann lausche ich der Melodie, die er verbreitet:
„Ich Käfi, du lernen mich kennen jetzt. Ruhe du brauchen, das ist hier Gesetz."
„Hallo, Käfi. Ich bin Thommes ", flüstere ich.
Ich suche nach dem Handy und sende meinem besten Kumpel eine heimliche Sprachnachricht mit dem Gesang. Das muss er sich anhören, sonst wird er mir die Story nicht glauben. Ach, wahrscheinlich wird er sowieso denken, ich sei verrückt geworden.
Der Leuchtpilz tippt mich immerzu am Fußknöchel an. Da er so klein ist, ist selbst dies schwer für ihn.
Oh, wo bin ich da nur reingeraten? Ich sehe kleine leuchtende Pilze. So etwas gibt es doch gar nicht! Ich schätze, dass ich einfach nur träume. Oder ich werde langsam krank.
Da! Matthes hat mir eine WhatsApp geschrieben:
Ey, wie hast du das mit deiner Stimme gemacht? Ist das eine neue App oder so?
Mit zittriger Stimme flüstere ich eine Antwort auf:
„Ne, das muss ich dir persönlich erklären. Komm zum Wäldchen am See."
Dann ruft er an. Mein Klingelton macht mich rasig und das Wesen ebenso. Seine Melodie verstummt und es zittert am ganzen Körper.
„Es tut mir leid, es tut mir so leid, aber bitte sing weiter und hab keine Angst", bettele ich.
Ich nehme das Gespräch entgegen und flüstere: "Bist du wahnsinnig, mich anzurufen?"
„Was soll denn dieses Meckern?", brüllt Matthes aus meinem Handy.
„Hey, sprich leiser!", entfährt es mir.
Ich erkläre ihm, dass er zum Wäldchen am See kommen soll, doch er hat keine Zeit. Seine Oma ist da. Dann beenden wir das Gespräch.
Ich wende mich wieder Käfi zu.
„Hilfe", brummt er.
Du brauchst Hilfe?", frage ich.
Er nickt und summt dann wieder.
„Ohrenpfad, Ohrenpfad", singt Käfi.
„Was ist das?", frage ich.
Doch der kleine Pilz gibt mir keine Antwort, denn jetzt klingelt wieder mein Mobiltelefon.
Plötzlich rennt er im Kreis, blinkt unruhig und wild.
Ich komme mit dem Staunen nicht hinterher.
„Bleib stehen!", fordere ich.
Doch er hört nicht auf mich. Dann verschwindet Käfi im Wald.
„Kleiner Leuchtpilz, wo willst du denn hin?", rufe ich hinterher.
Doch er bleibt verschwunden. Ich beginne im Dickicht nach ihm zu suchen, finde ihn aber nicht. Als ich an einem stacheligen Busch hängen bleibe, erschrecke ich mich. Ich löse meine Kleidung von den Stacheln, um sie nicht zu zerreißen. Immer wieder lasse ich meinen Blick schweifen, denn der kleine Pilz geht mir nicht aus dem Kopf.
Käfi, Gweih, Fühli
2. Das Geheimnis des Schatzes
„Ohrenpfad, Ohrenpfad ", schallt es durch meinen Kopf.
Ich stelle das Handy auf Vibration ein, damit es den kleinen Pilz nicht wieder erschreckt, falls ich ihn wiederfinde. Ich mache mich weiterhin auf die Suche.
Zuerst hebe ich alle Blätter hoch und schaue darunter, ob sich Käfi dort versteckt hat. Doch meine Hoffnung lässt nach. Leider bleibe ich erfolglos.
Ich sehe einen kleinen Erdhügel, der aussieht, als ob ein Maulwurf am Werk gewesen ist. Doch ich habe die Vermutung, dass Käfi hier gegraben hat. Also beginne ich selbst in dem Erdhaufen zu buddeln. Als ich ihn abgehoben habe, entdecke ich einige Glaskugeln. Ich betrachte sie genauer. Das sind Murmeln. Ich hebe sie auf und stecke sie in die Hosentasche. Wer weiß, vielleicht kann ich sie später noch gebrauchen.
Dann höre ich ein leises Weinen.
Wo kommt das her?
Unter dem Dickicht leuchten zwei Augen hervor.
„Käfi!", rufe ich erfreut, „endlich habe ich dich gefunden. "
„Käfi trauriger Pilz."
„Warum bist du traurig?"
"Käfi seinen Schatz verloren."
"Du hast einen Schatz?"
"Jeder Tscho-Tscho einen Schatz besitzen. Ich traurig, ich verloren meinen Schatz."
„Wie sieht er denn aus, dein Schatz?", frage ich, natürlich mit dem Hintergedanken, dass ich ihm den Schatz gestohlen haben könnte. Vielleicht sind ja die Murmeln sein Geheimnis.
„Käfi nicht verraten können seinen Schatz. Das sein Käfis Geheimnis."
Na, dann kann ich ihm auch nicht helfen. Aber mein schlechtes Gewissen lässt mich in meiner Hosentasche kramen und eine der Murmeln hervorholen.
Seine Augen leuchten auf wie zwei Blitze. Ein fiepender Ton kommt aus ihm heraus.
„Meine!", schreit er in einem hohen Ton.
Ich überreiche ihm die eine Glaskugel und er holt eine weitere aus einem Säckchen hervor, das er vom Rücken abnimmt und aufschnürt. Dann zieht er noch eine große Kugel hervor.
„Du spielen mit mir."
„Was spielen wir denn?"
„Zauberball wir spielen", erklärt Käfi.
Er erklärt mir die Spielregeln und wir beginnen mit dem Spiel. Es geht darum, mit einem Wurf immer möglich nah an die große Kugel heran zu werfen. Ich scheine dafür kein Talent zu haben. Käfis Kugel hingegen rollt sehr nahe an die große Kugel heran.
„Ich bekommen den Gewinn, ich besser geworfen haben als du."
Neugierig beobachte ich, was er aus dem Beutel hervorholt und bin erstaunt: Er legt zwei weitere Kugeln vor sich, die lila blinken.
„Hey, ich will auch so welche haben. "
Käfi schüttelt den Kopf: „Nur wenn gewinnen, du bekommen lila Blinkkugeln."
Ich wüsste gerne, was die Blinkkugeln können, traue mich aber nicht zu fragen. Das werde ich schon noch herausfinden.
3. Das abgerissene Ohr und die Flöte
Das Vibrieren meines Handys beunruhigt Käfi aber plötzlich. Er macht es dem Mobiltelefon gleich, vibriert am ganzen Körper. Ich beginne ihn zu streicheln. Er gibt ein Geräusch von sich, das dem Schnurren einer Katze gleicht.
Plötzlich schreit Käfi auf und rennt kreischend im Kreis um einen Baum herum. Er gibt wehleidige Töne von sich. Die Geräusche machen mich unsicher und bescheren mir ein Pfeifen im Ohr und Gänsehaut. Das Vibrieren meines Handys scheint seinen ganzen Körper zu vereinnahmen.
Ich drücke den Anruf weg. Was möchte denn Matthes von mir? Ich denke, seine Oma ist bei ihm. Ich stelle das Handy auf geräuschlos und rufe ihn zurück.
„Jetzt bin ich doch neugierig", sagt er, so ganz ohne Begrüßung.
„Ich erkläre es dir morgen früh."
„In der Schule haben wir doch keine Zeit dafür."
„Aber davor, auf dem Schulweg."
„Ich bin aber jetzt gespannt, was da im Wäldchen bei dir vor sich geht."
„Ja, dann komm hier hin und schau es dir an."
„Ja gut, ich lasse mir was einfallen, was ich Oma sage. Bis gleich."
Als ich das Gespräch beende, sehe ich, dass Käfi um mich herum hüpft.
„Du pusten!", kreischt der Pilz.
„Und was passiert, wenn ich da rein puste?"
Ich lasse die Flöte durch meine Hand gleiten und schaue in die Löcher hinein, taste sie ab.
„Du abwarten. Du ungeduldig. Ausprobieren."
Ob ich mich trauen soll, es wirklich einfach ausprobiere? Wer weiß, was das Spielen der Flöte bewirkt.
Ich entscheide mich erst einmal dagegen. Ich werde warten bis Matthes hier ist. Das ist mir sicherer.
Doch Matthes kommt nicht. Weil ich selbst das Vibrieren am Handy jetzt ausgeschaltet habe, habe ich Angst, eine Nachricht von meinem Besten zu verpassen. Also starre ich immer wieder auf das Mobiltelefon.
Dann erscheint auf einmal ein anderes Wesen mit fünf Ohren. Es verneigt sich vor mir. Es leuchtet in einem grellen Pink am ganzen Körper. Dann fährt eine riesige Zunge aus seinem Mund und es beginnt sich damit die Ohren zu putzen. Ich finde das eklig und wende mich von ihm ab und wieder dem Pilz zu, der mir sehr viel sympathischer ist.
Ich flüstere: „Wer ist das? Kennst du den?"
Doch Käfi antwortet mir nicht.
Ich scheine mit meiner Sprache hier nicht anzukommen. Der Pilz ignoriert mich komplett. Ich überlege, wie ich seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen kann. Dann summe ich das Lied Hänschen klein. Der Pilz erstarrt, glotzt mich an.
Er summt mir nach. Das klingt so toll und fühlt sich einfach wunderbar an. Wir haben eine gemeinsame Sprache gefunden, die Musik.
Käfi singt: „Pinker Ohrenflügel bringt dir die Kiste mit der Melodie."
„Ah, so ist das. Ist das seltsame Wesen dir also doch bekannt.“
Ich freue mich, eine Art der Kommunikation mit Käfi gefunden zu haben.
Also gehe ich auf den pinken Ohrenflügel zu. Er weicht zurück. Ich ducke mich und versuche es erneut.
„Ich soll Käfi die Kiste mit der Melodie bringen", erkläre ich.
„Kiste. Du brauchen die Melodie", antwortet mir der pinke Ohrenflügel.
„Ja, nicht eilig. Du brauchen Zeit und einen Plan du brauchen noch", gibt Käfi zu bedenken.
Ich kann es nicht aushalten, als sich der pinke Ohrenflügel mit einer Handbewegung eines seiner fünf Ohren abreißt.
Also entfährt es mir: „Ah, was machst du?"
„Kein Problem. Du brauchen ein Ohr."
„Was? Das ist ja furchtbar!"
„Nein, nicht furchtbar. Heilen das wieder. "
Ich schimpfe: „Heilen, du bist ja vielleicht krass drauf. Du kannst dir doch nicht einfach ein Ohr abreißen! Das tut doch weh."
„Keine Angst, ich keine Schmerzen."
„Aber…", beginne ich.
Doch der Pinke Ohrenflügel unterbricht mich.
Er reicht mir das abgerissene Ohr und erklärt: „Du jetzt nicht denken. Du handeln. Nehmen Ohr und suchen die Kiste."
Ich schweige und starre auf das Ohr. Es leuchtet.
„Du denken daran", wendet sich der pinke Ohrenflügel an mich, „das Leuchten des fünften Ohres zeigen dir den Weg zu der Kiste mit der Melodie.“
Ich nicke und drehe mich um, ekele mich aber immer noch vor dem abgerissenen Ohr und halte es etwas von mir weg.
Das abgerissene Ohr
4. Das geheimnisvolle Funkeln
Dann entdecke ich Matthes.
„Gut, dass du da bist", bin ich erleichtert. Ich halte noch immer das leuchtende Ohr in meiner rechten Hand, in der Linken mein Handy.
„Mach du mal ein Bild, bitte. Ich schaffe mit dem Ohr in der anderen Hand kein Selfie“, bitte ich Matthes.
Der flüstert: „Klar, kein Problem. Man, was ist hier los? Ich glaube, ich träume.“
„Deswegen sollst du ja ein Foto von mir und dem Ohr machen.“
Es blitzt.
Plötzlich schreit Käfi dazwischen: „Du nicht benutzen diese Blitzmaschine!“
„Was“, fährt Matthes zusammen.
„Er meint das Handy“, verstehe ich.
„Sollen wir also keine Fotos mit Blitz machen?“
„Anscheinend“, stimme ich zu.
Matthes zuckt die Achseln: „Aber es ist schon ein bisschen dunkel.“
Jetzt zucke auch ich die Achseln.
„Ich brauche den Blitz“, erklärt Matthes Käfi.
„Was du brauchen, bestimmen der Wald und seine Bewohner. Du nicht brauchen dieses Blitzdings und du nicht diskutieren mit Käfi. Käfi sonst werden böse.“
„Uhhh, Käfi wird böse“, wiederholt Matthes grinsend.
Ich flitze mit dem leuchtenden Ohr des Pinken Ohrenflügels los und kann mich kaum halten, weil der Boden sehr steinig ist.
„Nun lass ihn doch, wenn er kein Foto möchte", mische ich mich ein.
„Du hast doch gesagt, ich soll", beginnt Matthes.
Ich plappere ihm dazwischen: „Jetzt aber nicht mehr."
Er murmelt: „Du weißt auch nicht mehr, was du willst."
„Komm, hilf mir lieber", reiche ich Matthes das Ohr.
„Igitt, ne, das fasse ich nicht an. Da ist immer noch Blut dran."
"Nun hab dich nicht so."
So laufen wir den von dem abgerissenen Ohr vorgeschlagenen Weg entlang und somit von Lichtung zu Lichtung bis tief in den Wald hinein. Plötzlich entfährt es Matthes: „Thommes schau mal!"
Ich drehe mich zu ihm um und sehe es jetzt auch: in einem nebligen Waldstück funkeln Glühwürmchen.
„Guck mal, sie tanzen", flüstert Matthes.
Dann höre ich eine berauschende, sanfte Musik.
„Hörst du auch dieses Lied?", flüstere ich zurück.
Matthes murmelt: „Das ist schon seltsam, aber ich kann es auch hören und siehst du auch, dass die Glühwürmchen genau zu der Musik funkeln ?"
Ich nicke.
„Siehst du das auch?", fragt er diesmal etwas lauter.
Jetzt fällt mir auf, dass Matthes mein Nicken gar nicht hat sehen können. Es ist mittlerweile zu dunkel und der Nebel scheint sich immer mehr der Lichtung zu nähern, auf der wir jetzt stehen. Das leuchtende Ohr pulsiert jetzt, ebenfalls im Takt der Musik, die wir im Wald hören.
„Was ist das für ein Instrument?", fragt Matthes.
„Ich weiß es auch nicht", gestehe ich.
Dann wackeln die Bäume und ein Rauschen fährt durch den Wald.
Breite goldene Flügel schlagen vor uns auf, so dass wir uns erschrecken. Was ist das? Ein Tier vielleicht?
„Hallo", schreit es zwischen den Flügeln hervor.
„Wer bist du?", bringt Matthes zaghaft heraus, während es mir komplett die Sprache verschlagen hat.
„Ich bin die König der Finsternis, eine goldene Violetteule," blubbert das Tier.
Wir sehen zwei riesige Augen mit buschigen Augenbrauen und das Federkleid sieht aus wie ein lilafarbener Frack.
„Eine Eule!", sagt Matthes was ich denke.
Die Eule richtet sich auf dem Platz, eines Astes, den sie eingenommen hat, dann schaut sie auf uns herab und singt: „Bin ein Käuzlein kleine, sitz so ganz alleine, den lieben langen Tag, weil mich keiner mag."
„Hallo Eule, wie heißt du denn?", frage ich mutig.
„Nerwitz, ich heiße Nervitz", antwortet die Eule.
„Hallo Nervitz. Was ist das für ein Instrument, das da im Wald spielt?", möchte Matthes wissen.
„Das ist die Harfe der Weisheit."
„Wow, das klingt ja klasse."
„Ja, ist es auch."
„Was weiß sie denn, die Harfe der Weisheit?"
„Die Harfe der Weisheit kennt die Musik des Lebens," erklärt Nervitz.
„Ach, deswegen tanzen die Glühwürmchen auch zu ihrer Melodie“, versteht Matthes.
Der Nebel kommt immer näher und nimmt unsere Lichtung ein.
„Die Musik des Lebens ist wichtig", beginnt Nerwitz, "wenn sie nicht mehr spielt, geht der Rhythmus des Lebens verloren."
„Der Rhythmus des Lebens?", frage ich.
„Ja, der Takt zu dem unser aller Herzen schlagen."
„Also leben wir durch die Musik?"
„Die Musik fließt wie Strom durch den Körper aller Lebewesen. Sie ist das Lebenselixier."
„Was ist ein Elixier", überlegt Matthes.
„Elixier ist der Lebenssaft, ein Zaubertrank für die Seele.“
„Kann ich auch so ein Elixier bekommen?", hakt Matthes nach.
Nerwitz, die Eule
5. Die Melodie des Lebens
Dann schreit etwas von weiter her.
„Komm, lass uns verschwinden", flüstert Matthes.
Auch mir ist die Situation äußerst unangenehm, doch gerade deshalb fühle ich mich wie versteinert, auf dem Stück Erdboden festgewachsen auf dem ich stehe. Die Eule hat ihre Flügel jetzt geschlossen.
„Thommes?"
Ich bringe nur ein leises Brummen hervor, dann hauche ich: „Da hat jemand nach Hilfe gerufen."
„Ja, ich sag doch, lass uns abhauen, solange es noch geht."
Plötzlich fällt mir das leuchtende Ohr auf den Waldboden. Als ich mich bücke, um es aufzuheben, glaube ich zu sehen, dass es sich fortbewegt.
Ich tippe Matthes auf die Schulter und zeige auf das sich langsam von mir entfernende Ohr.
„Ach, du lieber Himmel!", entfährt es ihm.
„Ach, du lieber Himmel!", schallt es aus dem Wald.
„Komm, nimm dein Ohr, Thommes und lass uns verziehen. Hier stimmt irgendetwas gewaltig nicht."
Doch so einfach ist das nur gesagt.
Wieder bewegt sich das abgerissene Ohr von mir fort, als ich danach greifen will.
Ich trete mit dem Fuss auf das Ohr und es vibriert unter mir.
"Es will fliehen", bringe ich hervor.
„Lass es laufen, dieses seltsame Ohr.“
Ich schüttele den Kopf: „Das kann ich nicht, ich brauche es noch.“
„Wozu?“
„Es führt mich zu der Kiste mit den Melodien.“
„Die Melodie spielt da hinten im tiefen Wald bei den Glühwürmchen.“
„Nein, da sind andere Melodien gemeint.“
„Welche denn?“, möchte Matthes wissen.
Ich erkläre ihm, dass es sich meiner Meinung nach um die Melodien handeln muss, die auf der Flöte gespielt werden sollen. Dann krame ich die Holzflöte hervor.
„Was ist denn das für eine Pfeife?“
„Die habe ich heute im Wäldchen am See gefunden.“
„Wirf sie weg. Die bringt bestimmt Unglück.“
„Kinder“, mischt sich die Eule ein, „ich kann euch jetzt verraten, welche Melodien das sind, nach denen ihr sucht.“
„Welche denn? Los, sag schon, Nerwitz“, bettelt Matthes.
„Bitte sag es uns“, klinke auch ich mich ein.
„Na gut, aber ihr dürft mit keinem der Tiere aus dem Wald darüber sprechen, sonst funktioniert die Melodie nicht mehr.“
„Natürlich nicht“, versichere ich.
Dann schaut sie mit ihren rot funkelnden Augen Matthes an: „Und du?“
„Versprochen, wir behalten es für uns.“
„Also, das ist die Melodie des Lebens und sie funktioniert nur, solange man sie nicht zu erklären versucht. Sie ist ein Rätsel und ein Stückweit muss sie es auch bleiben.“
Wir nicken und die goldene Violetteule öffnet ihr Federkleid. Dann steckt sie ihren Kopf ins Gefieder: „Wartet, ich habe es gleich gefunden, ein gepflegtes Federkleid verliert nichts. Im Tausch dazu bekomme ich euer leuchtendes Ohr.“
Ich gebe der Eule das Ohr.
„Sie hat das, was wir suchen. Ich hatte es gehofft, deswegen pulsiert das Ohr auch die ganze Zeit“, freue ich mich.
Sie zieht einen Papierfetzen hervor und lässt ihn fallen.
„Fang es auf, darauf steht das Rätsel, das es zu lösen gilt.“
Gesagt getan, fange ich den Zettel auf, dann verschwindet die goldene Violetteule im Nebel.
„Die war aber jetzt schnell weg“, bedenkt Matthes.
Ich flüstere: „Irgendwie traue ich ihr auch nicht. Komm schnell hinterher.“
„Lass uns zuerst den Zettel von Nerwitz lesen“, bittet Matthes.
„Na gut“, gebe ich nach und lese:
„Suche das Licht und fürchte dich nicht.
Licht entsteht durch kleines Funkeln
und rettet dich aus dem Dunkeln.
Die Kiste der Musik ist dir nicht mehr fern,
ich helfe dir mit diesen Zeilen gern.“
„Was sollen wir mit dem Aufsatz?“, fragt Matthes.
„Das ist eine gute Frage, schnell hinter Nerwitz her. Wie gesagt ich traue ihm nicht.“
„Doch, ich glaube, ich weiß, was gemeint ist“, plappert Matthes aufgeregt drauf los.
„Es ist genauso, wie ich es gesagt habe.“
Ich verstehe nicht, was er meint, versuche mich zu erinnern, was er meinen könnte.
Matthes holt tief Luft: „Die Melodie spielt da hinten, tief im Wald bei den Glühwürmchen.“
Stimmt, ich erinnere mich. Das hat er heute schon einmal gesagt. Er könnte tatsächlich Recht haben mit seiner Vermutung. Er geht vor, greift nach meiner Hand und zieht mich in den Nebel hinein. Es dauert nicht lange und das geheimnisvolle Funkeln der Glühwürmchen befindet sich genau um uns herum.
„Jetzt sind wir mittendrin“, stelle ich fest.
„Wir müssen da hin, wo es am hellsten leuchtet“, kombiniert Matthes.