Abenteuer Kinderbetreuung - Ulrike Töllner - E-Book

Abenteuer Kinderbetreuung E-Book

Ulrike Töllner

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Beschreibung

Dieses Buch soll Spaß und Mut machen, darf bereichern und bei Entscheidungen helfen. Die Angebote in der Kinderbetreuung scheinen bisweilen abenteuerlich, das Beste für sein Kind zu wollen ist das natürlichste Gefühl der Welt. Sachlich, liebevoll und bisweilen kritisch beschreibt die Autorin berufliche und private Erfahrungen - mitten aus einem mit Kinderlachen erfüllten Leben. "Ein humorvoll und klug geschriebener Expertinnen- Ratgeber, übersichtlich in drei Teile gegliedert: von der Schwangerschaft bis zur Einschulung, mit jeweils einem hilfreichen Q & A der wichtigsten Fragen aus dem Erzieherinnenalltag. Ein idealer Eltern- und Großeltern-Begleiter."

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Impressum

Originalausgabe

1. Auflage Dezember 2013©CINDIGObook, der Buchverlagder CINDIGOfilm GmbH, München & Berlin

ePub basiert auf Druck ISBN 978-3-944251-07-3Alle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Christine PaxmannLektorat: Nicole JoensAutorenportrait: Susanne JellSatz & Gestaltung: Philip Joens

Druck: freiburger grafische betriebe GmbH & Co KG

Made in GermanyISBN 978-3-944251-06-6

Mehr über unsere Filme, Musik und Bücher:http://www.cindigo.de

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AbenteuerKinderbetreuung

Literarisches Sachbuch

Ulrike Töllner

CINDIGO

Widmung

»Eine Gesellschaft offenbart sich nirgendwo deutlicher als in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern umgeht. Unser Erfolg muss am Glück und Wohlergehen unserer Kinder gemessen werden, die in einer jeden Gesellschaft zugleich die verwundbarsten Bürger und deren größter Reichtum sind.«

Nelson Mandela

Vorwort

Kinder verändern das Leben ihrer Eltern auf wundervolle Art und Weise und sind gleichzeitig eine große Herausforderung, vor allem in unserer schnelllebigen Zeit, oft vom maximalen Effizienzanspruch im Berufsleben geprägt. Nun ist jedes Neugeborene zwar ein Wunder, doch lässt sich deswegen unsere Zeit nicht verlangsamen und auch die beruflichen Ansprüche an die Eltern werden nicht unbedingt weniger – im Gegenteil.

Vor allem Mütter sollen heute so schnell wie möglich zurück in ihren Beruf. Die mehr oder weniger zwanzig Jahre einer Frau oder eines Mannes, wenn man sich zu mehreren Kindern und daher auch zu der mehrfachen Kinderbetreuung entschließt, haben wirtschaftliche Folgen. Ist erst spät wieder eine Vollzeitbeschäftigung möglich oder sogar nie, weil der Arbeitsmarkt an einem betreuenden Elternteil vorbeigaloppiert ist, kann man mit den gewollt kinderlosen Paaren finanziell fast nie mithalten.

Viele Eltern sehen daher in der deutschlandweit garantierten frühen Kinderbetreuung ein Geschenk. Doch ist sie das wirklich?

Wie sieht eine kompetente Kinderbetreuung heute aus? Welche Minimal-Kriterien sollten auf alle Fälle erfüllt sein? Die flächendeckende frühe Kinderbetreuung ist hierzulande ein Abenteuer in wenig erforschtem Terrain. Tun wir unseren Kindern wirklich etwas Gutes, wenn wir sie von der Krippe bis zum Hort viele Stunden am Tag in «fremde Hände» geben? Und was sind diese Erzieher und Erzieherinnen für Menschen? Worauf sollte man bei Betreuungseinrichtungen achten? Die Krippe oder doch lieber eine Tagesmutter? Wann ist das eigene Kind so weit? Wie geht es den Eltern dabei?

Viele dieser Fragen begegnen mir tagtäglich. Eltern suchen immer nach der besten Lösung für ihre Kinder, doch immer öfter drängt sich das Geldverdienen-Müssen in den Vordergrund. Was kann man dieser Entwicklung entgegensetzen?

In meinem Buch finden Sie fünfundzwanzig Jahre Erfahrung in der professionellen Kinderbetreuung mit vielen Beispielen und auch konkreten Tipps. Mein persönliches Leben als alleinerziehende Mutter eines Sohnes, der in diesem Schuljahr sein Abitur machen wird, ergänzt viele altbekannte, aber auch einige neue Wege in der Kinderbetreuung. Von Anfang an mit meinem Kind alleine, getragen von dem bescheidenen Gehalt einer Erzieherin, betrachte ich mich als eine sehr glückliche Mutter und bin jeden Tag aufs Neue dankbar für mein Kind. Daher ist meine feste Überzeugung: Eltern und Kinder, aber vor allem auch partizipierende Großeltern, Verwandte und liebe Freunde können gerade in unserer heutigen Zeit miteinander ein schönes und glückliches Groß-Familienleben führen, wenn sie bereit sind, einige Hürden unserer Zeit als positive Chancen zu nehmen und sich nicht zu sehr am finanziellen Wohlstand orientieren.

EINFÜHRUNG

Damals, als Frieda Kinder bekamFamilienpolitik heute, kritisch betrachtetKinder sind das größte Geschenk!

Damals, als Frieda Kinder bekam

Sie hieß Frieda. Frieda ist ein schöner Name, wie ich persönlich finde, und ich bringe ihn mit einer liebevollen Frau in Verbindung – meiner Großmutter. Sie war eine Seele von Mensch. Nie habe ich ein böses Wort von ihr gehört, immer fühlte ich mich von ihr umsorgt, beachtet und freute mich auf die Besuche in ihrer kleinen Wohnung. Auf meinen Großvater freute ich mich weniger. Er war oft streng, und ich hatte als Kind nicht verstanden, warum eine so liebevolle Frau mit einem so strengen Mann verheiratet war.

Heute weiß ich: Meine Großmutter hatte es gut. Mein Großvater liebte und achtete sie sehr, und sie liebte ihn auch. Sie lernten sich in dem Friseursalon, in dem meine Großmutter ihre Ausbildung machte, kennen. Die Geschichte hatte einen gewissen Charme. Bei einer Maniküre, die mein Großvater sich immer mal wieder gönnte, verliebten sie sich ineinander. Es war ein langsames und unbeschwertes Kennenlernen, denn es dauerte einige Zeit, bis mein Urgroßvater den Kavalier seiner Tochter zur Seite nahm. Mit einem Schmunzeln im Gesicht, doch einem Blick, der wohl keine Fragen offen ließ, sagte der stattliche Mann: «Meine Tochter ist nicht zum Tändeln da.» Somit gab er meinem späteren Großvater zu verstehen, dass es an der Zeit wäre, seiner Frieda einen Heiratsantrag zu machen. Achtundfünfzig Jahre waren sie verheiratet.

Ich weiß nicht viel über die Ehe meiner Großeltern. Doch, dass sie sich aus freien Stücken füreinander entscheiden konnten, war das erste gemeinsame Geschenk, das ihnen das Leben gemacht hatte. In den Jahrzehnten davor hatten Mann und Frau oft keine Wahl, da gesellschaftliches Ansehen oder wirtschaftliche Interessen der Familien für eine Verbindung in Form der Ehe häufig im Vordergrund standen. Meine Großeltern hatten Glück, man könnte es auch Freiheit nennen. Und jedes der vier Kinder, die ihnen im Laufe der Jahre geschenkt wurden, war eine weitere Bestätigung ihres gemeinsamen Glücks.

Familienpolitik heute, kritisch betrachtet

Warum erzähle ich von meiner Großmutter?

Oft fehlen mir Vorbilder, wenn ich mit Eltern über ihre Zweifel bezüglich früher Kinderbetreuung rede. Geld scheint eine immense Rolle zu spielen, auch das Mithalten im Job mit anderen. Der Dauerlauf im Hamsterrad der Zwänge. Vieles ist nachvollziehbar, manches vielleicht auch zu bedenken, gerade wenn es um das längerfristige Absichern eines Familieneinkommens geht. Doch es gibt auch finanzielle Maßstäbe und Ansprüche, die ich gerade bei jungen Familien für unnötig belastend halte. Die Zeit, in der beide Eltern wieder in Vollzeit beruflich engagiert sein können, ist gerade bei den vielen Ein-Kind-Familien absehbar. Warum nicht das Neugeborene in einer Familie erst einmal genießen?

Gerne tauche ich ab und zu in das vergangene Jahrtausend ab, um nachzusehen, ob wir vielleicht alle etwas Wesentliches verloren haben im immer schneller werdenden Galopp ums Lebensglück. Manchmal scheint es mir wie ein Wettkampf, den keiner von uns gewinnen kann, am allerwenigsten unsere Kinder. Stellte damals die Familie vielleicht einfach einen größeren Wert dar?

Nicht, dass ich die Historie der Frau und Mutter vergangener Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte glorifizieren möchte, dazu hat sie zu viele dunkle Ecken. War damals das Muttersein ein erwartetes, erstrebenswertes und gesellschaftlich anerkanntes Lebensmodell, so hat die Frau heute, eigentlich seitdem es die Pille gibt, ausreichend Zeit, sich über eigene Kinder Gedanken zu machen, ihre Wünsche und Vorstellungen abzuwägen und die wirtschaftlichen Aspekte schon im Vorfeld weitgehend zu durchdenken und zu planen.

Aber hat sich wirklich so viel verändert? Ist das Kinder- Bekommen in unserem Deutschland von heute, in dem laut unserer derzeitigen Regierung angeblich jedes Kind willkommen, ja sogar mehr als erwünscht ist, für Eltern wirklich leichter, sicherer und mit weniger Risiken verbunden als früher? Können die meisten jungen Familien den mehr oder weniger sinnvollen Anforderungen, ein Kind gesund und möglichst früh optimal gefördert großzuziehen, überhaupt gerecht werden?

Je länger ich in meinem Beruf Ansprechpartnerin für Eltern bin, egal ob diese in einer Partnerschaft oder getrennt leben, desto verunsicherter bin auch ich. Worum geht es in der Betreuungsdebatte? Ist es die berufliche und damit finanzielle Chancengleichheit für Frauen? Wer sagt denn, dass eine weitgehend entspannte Mutter, die nicht so schnell wieder arbeitet, nicht sehr viel besser für den Erhalt einer Familie ist? Handelt sie dadurch nicht auch im Sinne der Gesundheit und individuellen Förderung ihrer Kinder und unserer Gesellschaft?

Wenn es hier um das Wohl von Frauen geht, warum kümmert man sich nicht vorrangig um das Wohlergehen von berufstätigen Müttern, insbesondere derer, die ihre Kinder allein großziehen und finanziell meistens keine großen Sprünge machen können? Warum entlastet man sie nicht zunächst steuerlich? Warum sichert man die Altersversorgung von Müttern nicht? Warum werden Unterhaltskosten für Kinder immer noch so niedrig angesetzt, dass viele Alleinerziehende trotz Vollzeitbeschäftigung am Ende des Monats vor einem gesperrten Konto stehen? Ich weiß aus Erfahrung, dass es Vätern oft nicht besser geht, dass sie gern den vollen Unterhalt für ihr Kind zahlen würden, es aus wirtschaftlichen Gründen aber nicht können.

Ich arbeite in München, in einer der reicheren Städte Deutschlands. Selbst in unserer Stadt gibt es Kinderarmut. Viele Kinder bekommen zuhause inzwischen weder ein Frühstück noch ein Mittagessen und werden viel zu oft alleine gelassen, weil die Eltern zu nicht kindgerechten Zeiten den Lebensunterhalt verdienen müssen. Selbst einige Münchner Wohltätigkeitsorganisationen schlagen Alarm. Es kann in der Familienpolitik also nicht vorrangig um das Wohl von betreuenden Eltern und Kindern gehen.

Warum also diese intensive Betreuungsdebatte, dazu die vielen Milliarden, die in die Fremdbetreuung unserer Kleinsten gesteckt werden? In Fachgremien, aber auch in der Presse, wird kritisch hinterfragt, was die Regierenden eigentlich vorhaben. Es wird sogar angedeutet, dass die Kinder oft besser in einer Betreuung aufgehoben seien, da junge Mütter lieber arbeiten als ihre Kinder selbst zu betreuen. Ich möchte hier weder die «Herdprämie» als ein zu bevorzugendes Modell anpreisen, noch die Möglichkeit einer Klage als Durchsetzung des Rechtsanspruches auf einen Krippenplatz verurteilen. Ich möchte auch nicht diejenigen Mütter, die ihre Kinder und ihren Beruf lieben und aufgrund dessen arbeiten gehen wollen, anprangern, denn ungefähr neunzig Prozent der Mütter in unserem Kindergarten gehen arbeiten. Bei knapp hundert Kindern in der Einrichtung ist das ganz schön viel.

Deutschlandweit leisten Mütter mit Hingabe und Freude an ihrem Beruf viel, tragen damit auch zum Familieneinkommen bei und sind ihren Kindern trotzdem nah. Oft sind Mütter aber auch hoffnungslos überfordert, und es gibt einen bedenklichen Grund, warum Mütter, die ihre Kinder in den ersten Jahren lieber selber großziehen würden, trotzdem arbeiten gehen. Es ist die Angst vieler Frauen und auch einiger weniger, über längere Zeit betreuender Männer, vor der finanziellen Benachteiligung durch die Kinderbetreuung. Nicht selten bedeuten Kinder langfristige berufliche und finanzielle Nachteile. Davon redet man in Deutschland nicht gern. Man sollte aber auch über diese Ängste reden, da sie unsere Kinder unmittelbar betreffen. Gestresste Eltern, die voller Sorge in die Zukunft blicken, sind auf Dauer schwierig für jede Kinderseele. Als Triebfeder für eine positive gesellschaftliche Veränderung zum Wohl der Familie sind die Gespräche mit den jungen Eltern von heute überaus wertvoll. Diese Elternängste und Kinderreaktionen auf gestresste Eltern sind ein Beweggrund für mein Buch. Vielleicht geht es einfach nur darum, sich auf das Wesentliche zu besinnen, also ein klein wenig mehr von Friedas Selbstverständnis zurückzuerobern. Dann folgt vielleicht das tiefe Vertrauen, das auch dieser Kinder- und Elterngeneration ein erfüllendes Familienleben gelingen wird.

Kinder sind das größte Geschenk!

Etwas Entscheidendes falsch zu machen, war eine Sorge, die mich über achtzehn Jahre Mutterschaft begleitete. Oft ging es darum, gegen Vorurteile anzukämpfen: Kinder von Alleinerziehenden seien benachteiligt, in Vollzeit berufstätige Mütter seien ohnehin permanent überfordert, noch dazu durch ein Einzelkind.

Tatsächlich musste ich mich von Anfang an einigen Herausforderungen stellen. Wie würde es mir gelingen, meinen Beruf auszuüben und gleichzeitig mein eigenes Kind unbeschwert und glücklich aufwachsen zu lassen? Ich bin mit der Betreuungsfrage aus Notwendigkeit bestens vertraut.

Ich weiß genau, wovon die Mütter reden. Wie soll es gehen? Ist es ein guter Weg? Ab welchem Alter kann ich mein Kind in fremde Hände geben? All diese Fragen stellten sich mir auch, als ich, nicht nur aus wirtschaftlichen Zwängen heraus, sondern auch, weil ich ahnte, dass ich während meiner Arbeitszeit die «Alleinsamkeit» mit meinem Sohn nicht so sehr spürte, ihn im Alter von sieben Monaten zum ersten Mal zu seiner Tagesmutter brachte. Ich war im Zwiespalt. Einerseits musste ich wieder arbeiten, weil die Sozialhilfe und der minimale Unterhalt seitens des Vaters für sein Kind die alltäglichen Kosten nicht decken konnten, andererseits wollte ich gern die Zeit mit meinem Sohn genießen. Ich wusste aber, dass mein sicherer Arbeitsplatz Vorrang haben musste, mein Verdienst sollte die Existenz für mein Kind und mich langfristig sichern. Von staatlicher Hilfe zu leben war auf Dauer keine Option für mich, außerdem liebte ich meinen Beruf. In meinem Fall ging die Erstbetreuung meines entzückenden Söhnchens durch eine Tagesmutter anfangs nicht gut, aber davon später mehr.

Zurück zu dem Grundproblem in unserer Gesellschaft: nicht das Betreuungsproblem, sondern die Einstellung der Regierenden empfinde ich als problematisch, vor allem in der Familienpolitik. Die frühe Kinderbetreuung durch einen Vater oder eine Mutter ist ein Beruf, der anerkannt und entlohnt werden sollte, spätestens bei den Rentenansprüchen, jedoch am besten bereits während der Erziehungsjahre.

Gerne können Mütter und Väter berufstätig sein, auch in Vollzeit, jedoch sollten sie in Freiheit wählen dürfen. Die oft entstehende Doppelbelastung ist nicht das richtige Anfangsmodell für jede Familie und sollte auch nicht erwartet werden.

Grundsätzlich müssten alle Berufe, die mit der Betreuung von Kindern zu tun haben, sei es die Mutterschaft, die Betreuung in der Krippe, im Kindergarten und später in Schule und Hort angemessen entlohnt werden. Das bekommen andere Länder auch hin, ein Blick nach Skandinavien genügt.

Sollte sich eine Regierung dagegen entscheiden, so wie die unsere, könnten die alten Gesetze zurückkehren, in denen Kinder später vorrangig ihre Eltern im Alter finanziell unterstützen und erst in zweiter Linie Steuern an den Staat zahlen. Beides zugleich sollte ein Staat nicht von betreuenden Müttern und Vätern verlangen, wenn ein Land in Zukunft noch eine Geburtenrate haben will, in der auch der Nachwuchs von sehr gut ausgebildeten Eltern eine maßgebliche Rolle spielen soll. Das ist eine einfache Rechenaufgabe, und viele Akademiker verweigern sich aus diesen Gründen, eigene Kinder in ihre Lebensplanung mit einzubeziehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Eltern in Deutschland sowohl die finanzielle Last als auch die Kinderbetreuung alleine tragen müssen. Die Statistik der letzten Jahre besagt, dass die von einem Elternteil zu versorgenden Kinder stark benachteiligt sind. Nur knapp ein Drittel erhält den Kindesunterhalt bis zum achtzehnten Lebensjahr. Viele wachsen mit einer starken finanziellen Unsicherheit auf, die oft schon in jungen Jahren belastet, weil ihre Mütter oder ihre Väter es alleine oft nicht schaffen und sich von der Politik und auch der Gesellschaft alleingelassen fühlen.

Doch nicht nur bei diesen knapp drei Millionen Alleinerziehenden geht die Angst um. Bei vielen jungen Eltern spielen die Sorge um den Arbeitsplatz und die dauerhafte finanzielle Versorgung des Nachwuchses eine große Rolle. Zum Wohl der Kinder plädiere ich dringend für mehr elterliches Selbstvertrauen. Weiterhin ist das aktive Miteinbeziehen der Großeltern, Verwandten und liebevollen Freunden ein notwendiger Lernschritt, wenn es um das Wohl unserer Kinder geht. Weiter geht es mit den Kollegen und Kolleginnen und auch gerne den Arbeitsgebern. Beziehen Sie ihre Umgebung mit ein, sei es durch Einladungen oder indem sie mehr Betriebsfeiern mit Partnern und Kindern anregen. Nur nicht unsichtbar werden als junge Familie. Kinder sind unser größter gesellschaftlicher Reichtum, doch ab und zu muss man andere Menschen daran erinnern.

Selbstvertrauen zu bekommen ist oft leichter gesagt als getan. Man ist jung, genießt mit wachsendem Selbstbewusstsein und -vertrauen das Leben und ist mit sich und seiner beruflichen Laufbahn zufrieden. Dann kommt ein Kind. Es ist wie ein Wunder, das größte Geschenk, das einem je gemacht wurde, trotzdem bewegen sich die meisten Eltern zunächst auf unsicherem Terrain. Man kann ja so viel falsch machen. Oder etwa nicht?

Ja, Kinder sind ein Segen, das spürte ich nicht nur durch die Zuneigung meiner Großmutter Frieda. Mein ganzes Berufsleben hindurch erlebte ich Kinder als Bereicherung. Jedes einzelne von ihnen, das mich morgens im Kindergarten oder in unserer Krippe vertrauensvoll ansieht und einfach nur auf einen schönen Kindertag hofft, ist ein Himmelsgeschenk und gleichzeitig eine Aufgabe an uns alle.

TEIL EINS

Schwangerschaft und Geburt

Selbstvertrauen, schon vor der GeburtFrisch auf der Welt, auch Eltern werden geboren Von den alten Griechen und Rudolf SteinerWeisheit in Rhythmus und HerzschlagDie Geburt, ein Tor ohne Umkehr?Versorgen oder Umsorgen?Jedes Neugeborene hat seinen eigenen BeatWenn aus Eltern Singvögel werdenRhythmus für die OrganentwicklungBabys, Flüsse und die Weisheit der NaturZweifel am Familienglück, Sehnsucht nach Freiheit, Schlafdefizit und gestresste Babys

Q & A

Zehn häufige Fragen zu Schwangerschaft und Geburt

„Jedes Kind ist ein Zeichen der Hoffnung für diese Welt“

aus Kamerun

Selbstvertrauen, schon vor der Geburt

Wie viel Zeit möchte ich als Vater oder Mutter wirklich mit meinem Baby verbringen? Ist das mittlerweile von der Gesellschaft fast schon erwartete Weggeben von Kindern unter einem Jahr in fremde Hände der richtige Weg für jede Familie? Das darf und soll jeder für sich selbst entscheiden und zwar im Idealfall ohne allzu viel Druck.

Fremdbetreuung, noch bevor die Kleinen verbal ihre Wünsche und Nöte äußern können, lässt viele Eltern zögern, weswegen man sich die Zeit nehmen sollte, um mit anderen Eltern zu sprechen und auch mit den Großeltern Erfahrungen auszutauschen.

Was früher keiner Frage bedurfte, die Nähe der Kinder zu der Mutter in den ersten Lebensjahren, wird von Seiten der Politik in Frage gestellt. Von Frauen in Lebenspartnerschaften wird heutzutage meistens genauso viel beruflicher Einsatz verlangt wie von den Männern, gerade, wenn sie Mütter geworden sind. Sonst droht im Trennungsfall die Armut. Muss dieser Druck sein?

In unserer Kultur gibt es keine arrangierten Ehen mehr, jeder hat die freie Wahl. Bereits die heutigen Großmütter und sogar Ur-Großmütter, viele von ihnen geschieden in der ersten großen Scheidungswelle der sechziger Jahre, haben für ein besseres Frauen-, aber vor allem Mütterleben in Deutschland gekämpft. In den letzten drei Generationen ist es nicht gelungen, eine angemessene Rente für Mütter durchzusetzen. Das ist leider das traurigen Faktum.

Frauen, ganz besonders den mehrfachen Müttern, steht auch heute im Durchschnitt die Hälfte von dem Geld zur Verfügung, das die berufstätigen Männer monatlich auf ihre Konten überwiesen bekommen, obwohl sie meistens genauso hart gearbeitet haben.

Heute sind aber auch Väter sehr viel stärker gefordert, da sie mehr Kinderbetreuung übernehmen müssen, um ihren Frauen ein erfolgreiches Berufsleben zu ermöglichen. Doch ist das überhaupt möglich? Wie sollen heutige Väter eine vollwertige Bezugsperson für ihre Kinder sein und gleichzeitig mit kinderlosen Kollegen mithalten, sofern sie nicht eine Partnerin haben, die ihnen den Rücken frei hält?

Heute haben wir als Paar die Wahl. Wir können heiraten, nicht heiraten und trotzdem zusammen leben. Wir können Kinder bekommen oder eben nicht, Kinder allein großziehen und trotzdem ein «anerkanntes Mitglied der Gesellschaft» sein. Und alles das soll und muss von der Gesellschaft akzeptiert, respektiert, verstanden – und bisweilen sogar finanziell getragen werden. Niemand sollte sich für sein Lebensmodell rechtfertigen oder gar schämen müssen. Rein finanziell gesehen bedeuten Kinder in Deutschland immer noch einen erheblichen Nachteil in einer wirtschaftlichen Lebensbilanz, das zeigt die Statistik leider deutlich. Wo aber liegen die Vorteile? Machen Kinder glücklich?

Die Freude über die seltener gewordenen Kinder in unserer heutigen Gesellschaft unterscheidet sich zu den damaligen Verhältnissen vielleicht in dem Punkt, dass man sich in jedem Alter, in jeder Lebensphase offen und herzlich über das ungeborene Leben freuen darf und auch sollte. Wenn ein Kind heutzutage geboren wird, zeigt das meistens auch den Mut der Eltern. Man traut sich das zu und hat auch ein gewisses Vertrauen in die Zukunft.

Was aber braucht ein Kind außer der Freude der Eltern über seine Ankunft auf der Welt? Braucht es wirklich jede Form der ärztlichen Vorsorge? Sollen wir uns in der Tat «vorher Sorgen machen»? Oder reicht es, das Kind in sich wachsen und ruhen zu lassen, bis es reif genug ist, auf die Welt zu kommen? Ich persönlich bin von der ärztlichen Fürsorge und der Notwendigkeit der einzelnen Untersuchungen in der Schwangerschaft vollkommen überzeugt. Wie glücklich war ich, als ich in großen Abständen mein Kind auf dem Ultraschall fröhlich zappelnd auf dem Bildschirm sah und der Arzt mir jedes Mal bestätigte, dass alles in bester Ordnung war. Weder der Arzt noch ich kamen auf die Idee, mir für mein ungeborenes Kind Nahrungsergänzungsmittel oder sonstige «Extras» zu verabreichen. Ich weiß auch nicht, ob es vor neunzehn Jahren schon den «großen Ultraschall» gab, auf dem das Kind in 3D zu sehen ist. Faszinierende Bilder habe ich später von den ungeborenen Kindern einiger Freundinnen gesehen – alle kerngesund, Gott sei Dank. Aber der Weg der Freundinnen zu diesen Terminen war auch oft gepflastert mit Sorge und dem bangen Hoffen, ob wirklich alles in Ordnung sei. Auch die vergessene Einnahme der verschriebenen Mittel bereitete manchen ein ungutes Gefühl. Ihre Gedanken kreisten um alle möglichen Versäumnisse. Hat der Ausdruck «Vorsorge» wirklich seine Berechtigung? Überlegen Sie sich, was Sie an medizinischer Begleitung wirklich in Anspruch nehmen wollen, doch vor allem freuen und entspannen Sie sich so viel wie möglich und lassen Sie Ihr Umfeld ausgiebig an Ihrer Freude teilhaben.

Es ist mir bewusst, dass ich an dieser Stelle vielleicht ärztliche Kompetenzen untergrabe und die Medizin in bestimmten Bereichen in Frage stelle. Ich bin von der heutigen Medizin auf alle Fälle überzeugt. Trotzdem möchte ich erreichen, dass jede werdende Mutter und jeder werdende Vater sich Fragen nach dem Sinn und der Notwendigkeit einzelner Maßnahmen stellt. Ich habe im Laufe der Jahre viele Schwangere erlebt, und jede hatte für sich und für ihr ungeborenes Kind meistens das richtige Gefühl. Sei es, dass eine Mutter wusste: alles ist gut. Oder auch, dass sie unbedingt medizinische Untersuchungen wollte, da sich etwas nicht ganz richtig anfühlte. In den meisten Fällen lagen die werdenden Mütter richtig. Auf jeden Fall sollte man sich ärztlich beraten lassen, nur darf man es als ärztliches Angebot sehen und abwägen. Welche Untersuchungen möchte man in der Schwangerschaft machen?

Und ergänzende Nahrungsmittel? Meine waren Kieselerde und kiloweise Lakritze, vielleicht eine etwas eigenwillige Kombination, doch haben sie keine negativen Nebenwirkungen gezeigt.

Wichtig ist, dass das Gespür einer Mutter für sich selbst in der Vielfalt der medizinischen Möglichkeiten nicht verloren geht. Das ungeborene Kind braucht in der Zeit seines Wachsens und Werdens vor allem eine entspannte, gut für sich sorgende und glückliche Mutter und ein liebevolles Umfeld. Dass dies oft den Umständen entsprechend nicht möglich ist, ist mir bewusst.

Mein Sohn und ich waren ab dem vierten Schwangerschaftsmonat auf uns allein gestellt, was ich meinem ungeborenen Kind auch unverblümt mitteilte. Er hat sich bestimmt immer gefragt, von wem seine Mutter eigentlich sprach, denn die Stimme seines Vaters hat er in der Schwangerschaft nie gehört.

Es sollte drei Jahre dauern, bis mein Sohn seinen Vater leibhaftig sah und mit ihm sprechen konnte. Obwohl diese Zeit gefühlsmäßig oft belastet war, hat mich mein jugendlicher Leichtsinn vor emotionalen Katastrophen bewahrt. Ich war Mitte zwanzig, von einem unerschütterlichen Optimismus beflügelt und habe mich riesig auf mein Kind gefreut. Ich versprach meinem Sohn, meine Sache als Mutter gut zu machen, und ich glaube, mit Hilfe von lieben Verwandten und Freunden ist es mir auch gut gelungen.

Von Ärzten sah ich in meiner Schwangerschaft so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Ich fühlte mich in meinem Freundeskreis und im Kollegium der Lehrer an meinem Arbeitsplatz in der Schule bestens beraten und getragen. Im vertrauten Umfeld stellte ich mich durch Gespräche und die gemeinsame Freude auf mein neues Leben zu zweit ein. Diese wunderbare Freude auf das eigene Kind sollten sich Eltern unbedingt bewahren.

Frisch auf der Welt, auch Eltern werden geboren

Ein Kind kommt schutzlos und hilfebedürftig auf die Welt. Es liegt, im besten Fall rosig und noch etwas verschmiert, auf dem Bauch der Mutter, nachdem es sich stundenlang durch den Geburtskanal gequält hat. Nun stellt es uns allein durch sein Dasein vom ersten eigenen Atemzug an die Frage: Was jetzt?

Ein Neugeborenes rechnet mit Sicherheit nicht damit, dass, nachdem es vielleicht die ersten zaghaften Züge an der Brust seiner Mutter versucht hat, zunächst gewogen, gemessen, untersucht und sogar gepikst wird. Durch die erste Blutuntersuchung können einige medizinische Eventualitäten ausgeschlossen werden, aber so hat sich Ihr Kind sein Ankommen auf der Welt bestimmt nicht vorgestellt.

Wir wissen nicht viel über das Gefühlsleben eines Neugeborenen, können uns aber vorstellen, in was für ein kurzes Gefühlschaos das Baby geraten muss, nachdem es neun Monate das Rundum-Sorglos-Paket genießen durfte. Und dann gleich das! Es ist zum Glück nur ein vergleichsweise kurzer Moment. Dann darf das Baby wieder zur Mutter, und beide können sich in Ruhe kennen lernen. Es riecht den Duft der Mutter und spürt die Wärme ihrer Haut, hört ihre Stimme aus einer neuen Perspektive und fühlt sich in ihren Armen beschützt.

Vielleicht ist es aber auch der Vater, den das Kind zuerst kennen lernen darf. Nach einer Geburt oder vor allem auch nach einem Kaiserschnitt müssen Frauen noch ärztlich versorgt werden und überlassen das Kind sehr gerne dem Vater, froh und dankbar, dass er bei der Geburt dabei war. Das Kind riecht dann seinen Duft, hört seine Stimme und spürt den Rhythmus seines Atems. Für alle Väter, die ich kenne, war das ein unglaublich emotionales Erlebnis. Man kann in so einem ergreifenden Moment keine großen theoretischen Beschlüsse fassen, was man dem Kind nun alles Gutes angedeihen lassen möchte. Mutter und Vater wollen meistens nur eines: ihr Kind in jedem Fall beschützen.

Mit dem ersten Atemzug des Kindes beginnt das wirkliche, wunderbare, abenteuerliche und von allen Höhen und Tiefen gebeutelte Elternsein. Und Sätze wie «Na ja, in achtzehn Jahren habt ihr`s dann rum…» können Sie getrost gleich wieder vergessen.

Nichts ist vorbei – einmal Eltern, immer Eltern. Dieser Satz stimmt.

Auch andere Sätze haben sich über die Jahre mit dem Heranwachsen meines Sohnes bewahrheitet: «Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen». Ein hervorragender Satz! Ich habe ihn bereits gehasst, bevor ich selber Mutter geworden bin. Sollten die doch alle weg bleiben mit ihren Weisheiten!

Jetzt, neunzehn Jahre später, kann ich dem Satz mit einer Einschränkung zustimmen: auch kleine Kinder können einem große Sorgen bereiten. Steht man als Eltern einem schlimmen Geschehen, das einem noch sehr kleinen Kind widerfährt, ohnmächtig gegenüber, verändert sich oft auch das eigene Leben für immer. Aber das wäre ein eigenes Buch.

Mein zweiter Lieblingssatz: «Man wächst mit seinen Aufgaben», gern von erfahrenen Müttern und Vätern, Großmüttern und Tanten zitiert, stellte sich sehr schnell als wahr heraus. Er gilt jedoch nicht nur für Eltern, sondern für alle Menschen, die sich ihren Aufgaben im Leben BEWUSST stellen.

Vielleicht denken Sie jetzt: «Diese Frau hat gut reden, denn sie hat es schon hinter sich…». Sie dürfen und müssen sogar so denken. Ohne ein gesundes Misstrauen und einem kritischen Blick den erfahreneren und daher angeblich «altersweisen» Menschen gegenüber kann das eigene Bewusstsein für die notwendigen Entwicklungen in Ihrem Eltern-Leben vielleicht nicht so stark werden, wie es sein könnte. Entwicklung ist immer dynamisch und gleicht einer Spirale und keinem Kreis. Jede Generation darf, soll und wird etwas Bereicherndes hinzufügen, um die Nachfolgenden mit neuer Erkenntnis zu befruchten.

«Ein Kind ist kein Kind» gehört meines Erachtens in die Kategorie «nicht nachgedacht». Ein Kind ist sehr wohl ein Kind. Vielleicht nicht vergleichbar mit vier oder fünf Kindern, dennoch hat auch dieses eine Kind Bedürfnisse und verlangt eine komplette Lebensumstellung der Eltern.

Gibt es auch Weisheiten, die Sie in Bezug auf das Großziehen von Kindern und die Herausforderungen der Elternschaft verinnerlicht haben? Vielleicht überprüfen Sie diese und misten einfach aus. Sie sind oder werden jetzt Eltern, alles darf brandneu sein in Ihrer Elterngeneration, auch Ihre eigene Einstellung.

«Ich will nie so werden wie meine Mutter oder mein Vater». Ein Satz, den Sie sicher auch des Öfteren gehört haben.

Es gibt durchaus Beziehungen zwischen werdenden Eltern und den werdenden Großeltern, die empfindlich belastet sind. Vielleicht ergibt sich durch ein Enkelkind die Möglichkeit, Belastendes aufzuarbeiten. Manche künftigen Großeltern haben ihrem Kind die ganze Liebe gegeben, die sie in sich trugen und alles Menschenmögliche getan, damit es eine gute Kindheit hatte, zumindest in ihren eigenen Augen. Es gibt jedoch keine Garantie dafür, dass einem ein Kind bis in alle Ewigkeit dafür dankbar ist, denn vielleicht fühlte sich das jetzt erwachsene Kind durch die elterliche Fürsorge erdrückt oder in seiner Entwicklung nicht ernst genommen. Anhand eines Enkelkindes kann man auch das eigene Elterndasein noch einmal Revue passieren lassen. Wurde die nun junge Mutter damals vielleicht durch einen selbst zur Unmündigkeit erzogen? Was wünscht man sich für die neue Generation, gerade erst geboren?

Vielleicht werden die heute neu geborenen Töchter weder wie ihre Mütter noch wie ihre Großmütter. Vielleicht erzieht man schon heute die Kinder in vielen Bereichen anders. Dennoch können junge Eltern auch viel von der Großelterngeneration lernen. Leise spinnt sich ein unsichtbarer, von Zeit zu Zeit spürbar werdender roter Faden durch die Biographien von Großeltern, Eltern und Kindern, sei es auch nur in Gestik, Mimik oder anderen kleinen alltäglichen Handlungen. Meist sind es aber die nicht biographisch anerkannten und auch nicht ausgesprochenen Dinge, die im Laufe der Zeit diesen roten Faden sichtbar werden lassen.

Haben die heutigen jungen Frauen und Männer, die mit ihrem ersten Kind als neue Elterngeneration geboren wurden, viel Kritik und emotionale Kälte von Seiten ihrer Eltern erfahren, können dennoch sehr liebesfähige und verständnisvolle Eltern aus ihnen werden. Das habe ich mehr als einmal erleben dürfen.

Ich will Sie als Eltern jedoch nicht unnötig tief in die eigene Biographie-Arbeit entführen, sondern Ihnen vor allem die Entwicklungsstufen des Kindes und die Möglichkeiten der Betreuung in den ersten Lebensjahren nahe bringen. Doch möchte ich Sie ermutigen, sich auch ein wenig mit Ihrer Geburt als Eltern zu befassen. Es ist ein Grund zum Feiern! Es ist Ihre ganz persönliche Neuorientierung als Mensch. Dieser unglaubliche Moment, in dem ein kleines Wesen zum ersten Mal vertrauensvoll in Ihren Armen liegt und Sie auffordert: Traut euch, Eltern, werdet geboren … Sie werden ihn nie wieder vergessen, diesen Ritterschlag des bedingungslosen Vertrauens.

Wie gesagt, das kleine Kind kommt hilfebedürftig auf die Welt. Aber was braucht es anderes, als geliebt und beschützt, versorgt, gefüttert, gewickelt und gewiegt zu werden? Es braucht Eltern, die mit ihren Kind wachsen wollen. Wie genau wächst man mit seinem Kind, mit Kindern überhaupt?

In Elterngesprächen kommen oft neue Fragen auf, viele davon für mich neu und bereichernd. Ich freue mich immer über das Interesse, das bei Eltern, die noch nie mit der Waldorfpädagogik in Berührung gekommen sind, entstehen kann, denn ich selbst wurde als drittes und jüngstes Kind in eine antroposophische Wiege hineingeboren. Ich besuchte einen Waldorfkindergarten und später eine Waldorfschule. Die Antroposophie ist in meiner Arbeit so gegenwärtig wie die Leichtigkeit der Kinder. Wären meine Kindheit und Jugend nicht von der Waldorfpädagogik geprägt, würde ich wahrscheinlich heute überhaupt nicht mit Kindern arbeiten. Weder die politische, noch die gesellschaftliche Wertschätzung oder gar das Gehalt einer Erzieherin hätten mich in diesen Beruf locken können. Doch wie schade wäre das gewesen!

Ich bin dankbar – jeden Tag – für das Geschenk vieler bereichernder Stunden mit unseren Kleinsten. Durch meine Arbeit mit den Kindern wachse auch ich, denn jedes Kind offenbart auf einzigartige Weise ein klein wenig unbekannte Zukunft und damit natürlich auch eine neue Elterngeneration.

Von den alten Griechen und Rudolf Steiner

Einige Menschen misstrauen dem Wort Antroposophie, obwohl sie nicht wissen, was es genau bedeutet. Es setzt sich aus dem Griechischen Antropo, der Mensch, und Sophie, die Weisheit, zusammen und bedeutet Weisheit am oder vom Menschen.

Rudolf Steiner, der Begründer der Antroposophie, übrigens weder ein Guru noch fanatischer Bekehrer, sondern ein Mann, der sich als Forschender verstand, hat in seinem lebenslangen Studium in vielen Bereichen vor allem altes Wissen erweitert. Er hat die Entwicklung des Menschen, von pädagogischen und philosophischen Größen vergangener Jahrhunderte studiert und mit eigenen Beobachtungen und seiner Philosophie vereint. So ist die Antroposophie entstanden, die sich auch heute noch beständig weiterentwickelt, vor allem im Bereich der angewandten Pädagogik.

Manchmal höre ich Menschen sagen: «Schön und gut, aber das Ganze ist hundert Jahre her und hat für uns heute keine Bedeutung mehr.» Das stimmt nicht ganz. Wenn man die Aussagen Rudolf Steiners mit den Schriften einiger heutiger Pädagogen und Wissenschaftler vergleicht, so ist lediglich die Wortwahl eine andere, der Inhalt ist zum großen Teil der gleiche. Die weltweit über tausend erfolgreich gegründeten Waldorfschulen und bald zweitausend Waldorfkindergärten zeigen, dass die Antroposophie, aber vor allem die daraus entstandene Pädagogik großen Zuspruch findet, unabhängig von Religion und Kulturkreis. Die Waldorfpädagogik gehört nicht ins letzte Jahrhundert, sondern durchaus ins Hier und Jetzt, da sie die Bedürfnisse von Kindern und ihren Eltern ernst nimmt.

Afrika, Asien, Australien, Neuseeland und sogar die Fidschi-Inseln gründeten über die Jahrzehnte waldorfpädagogische Einrichtungen, Amerika und Kanada ebenfalls, so auch Indien und Japan. Auch auf Hawaii gibt es Waldorfschulen und -kindergärten.

In Europa ist die Zahl der Waldorfschulen bis heute auf rund siebenhundertdreißig gestiegen, und ungefähr sechshundert Waldorfkindergärten wurden gegründet.

Es gibt zusätzlich zahlreiche heilpädagogische Waldorfschulen und Kindertageseinrichtungen, weiterhin Internate, Kurhotels für Reha-Patienten, Altenheime, Krankenhäuser und vieles mehr.

Die Waldorfpädagogik hinterlässt überwiegend positive Spuren. Das zeigen die rund siebzig Prozent der Eltern, die ihre Kinder jährlich als ehemalige Waldorfschüler und Kindergartenkinder bei uns anmelden. Oft in dritter oder vierter Generation von Waldorf geprägt, möchten sie das, was ihnen selbst positiv in Erinnerung geblieben ist, an ihre Kinder weitergeben.

Um an dieser Stelle wirklich keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Niemand, der sich für die Antroposophie interessiert oder sie für sich als Weg oder Teil seines Weges wählt, wird darin «verhaftet». Antroposophie ist eine Philosophie der Freiheit und sollte als solche gelebt und vor allem verstanden werden.

Da mein Werdegang und meine Berufswahl nicht von der Antroposophie zu trennen sind, werde ich im weiteren Buch nicht mehr explizit darauf hinweisen. Sollten Sie noch nie in Ihrem Leben mit der Waldorfpädagogik in Berührung gekommen sein, sei es im Bereich der Heilpädagogik, der Kindergärten, Schulen oder auch Altenheime, möchte ich Sie einfach nur einladen. Seien Sie neugierig und kritisch. Vielleicht entsteht Interesse in Ihnen.

Weisheit in Rhythmus und Herzschlag

In der Entwicklung des Kindes spielt der Rhythmus eine bedeutende Rolle, so habe ich es während meiner Ausbildung gelernt aber auch beim eigenen Kind erfahren. Schon bevor ein Kind überhaupt geboren ist, spielt sich sein Wachsen und Werden im Rhythmus ab. Als erstes nimmt es den Herzschlag der Mutter wahr. Ist sie entspannt und gelöst, so schlägt ihr Herz in einer wohltuenden Gleichmäßigkeit. Ist die Mutter in Bewegung oder freudiger, manchmal auch weniger freudiger Aufregung, so schlägt ihr Herz natürlich schneller. Aber immer noch ist es im Rhythmus.

Dieser mütterliche Rhythmus begleitet das Kind bis zu seiner Geburt. Es kennt, neben der Wärme und Feuchtigkeit des Fruchtwassers, der Stimme der Mutter, entfernten Geräuschen und unterschiedlichen Lichtverhältnissen von Außen vor allem Rhythmus.

So wie das Herz der Mutter im Rhythmus schlägt, ist auch ihre Atmung von einem bestimmten Rhythmus geprägt. Oft ist es uns Erwachsenen gar nicht bewusst, dass wir atmen oder wie wir atmen. Wir tun es, es passiert einfach und das ist gut so. Denn müssten wir ständig über die Gleichmäßigkeit unseres Atmens nachdenken, wäre unser Leben ungleich schwerer.

Erst wenn wir vielleicht ernsthaft erkrankt sind, wird uns die Lebensnotwendigkeit des gleichmäßigen Atmens in ihrem ganzen Ausmaß bewusst. Ein gesunder Mensch atmet regelmäßig, von kleineren Abweichungen wie einem tiefen Seufzer oder einem kurzen, angespannten Aussetzen des Luftholens einmal abgesehen. Der Rhythmus des Atmens ist tief in unser Unterbewusstsein abgetaucht. Wir beginnen mit dem Atmen gleich nach der Geburt und hören erst in unserer Todesstunde wieder damit auf. Es ist gut, dass das Bewusstsein für das Atmen in unserem Unterbewusstsein existiert, da kein Mensch sich achtzig oder mehr Jahre rund um die Uhr um seine Atmung kümmern könnte.

Herzschlag und Atmung, beides passiert gleichmäßig. Es gibt aber noch eine dritte, unbemerkt aktive Gleichmäßigkeit in unserem Körper: den Blutkreislauf. Der wiederum wird bestimmt von der Aktivität des Herzens. Die Herzklappen öffnen und schließen sich, je nach Bewegung oder Ruhephase mal langsamer, mal schneller. Das Herz pumpt das Blut durch unseren Körper, was mit einem für uns unhörbaren und nicht spürbaren Rauschen einhergeht. Das ungeborene Kind jedoch nimmt nach wenigen Wochen neben dem vertrauten Herzschlag auch das Rauschen des Blutes durch den Körper der Mutter wahr. Diese Wahrnehmungen geben dem ungeborenen Kind das Gefühl der Beständigkeit, der Sicherheit und des Geborgenseins.

Dies alles geschieht als innere, unbewusste Aktivität. Es gibt aber auch die äußeren, mehr oder weniger bewussten Aktivitäten, die den Menschen in seinem Leben begleiten.

Zum einen das Gehen. Ein gesunder Mensch bewegt seine Beine beim Gehen wie selbstverständlich. Er hat ein Ziel, und dieses Ziel erreicht er durch das Heben, Tragen und wieder Aufstellen eines Fußes nach dem anderen im rhythmischen Lauf. Das Gehen geschieht zwar bewusst, aber unsere Gedanken sind auf unser Ziel oder, zum Beispiel beim Spazierengehen, auf andere Dinge gerichtet – weniger auf das Gehen an sich. Erst wenn unsere Füße oder die Beine nach stundenlangem Laufen müde werden oder sich durch leichte Schmerzen und Schwere melden, richtet sich unser Bewusstsein auf Füße oder Beine. Dann möchten wir uns irgendwo niederlassen, die Beine hochlegen und einfach nur ausruhen.

Wenn die werdende Mutter also geht, egal, ob sie einen Spaziergang oder Stadtbummel macht, ob sie telefonierend durch die Wohnung spaziert oder zu einem Lied tanzt – in diesem Moment gibt sie ihrem ungeborenen Kind einen Rhythmus von Außen. Und in diesem Rhythmus wird das Kind im Mutterleib geschaukelt. Solange es der Mutter bei der jeweiligen Aktivität gut geht und sie weder Druck noch Schmerzen in ihrem Bauch empfindet, geht es auch ihrem Kind gut. Frau kann also auf einer Party noch im neunten Schwangerschaftsmonat das Tanzbein schwingen, nur sollten die Aktivitäten nicht zu anstrengend werden.

Ich selbst habe wenige Wochen vor der Geburt noch mit Hingabe gefeiert, frage mich aber gelegentlich, ob das wohl der Grund ist, warum mein Sohn sein zukünftiges Berufsleben ausgerechnet im Eventbereich sieht und er so leidenschaftlich gerne feiert.

Das ungeborene Kind fühlt sich durch den inneren und auch den äußeren Rhythmus geborgen und sicher. Der Herzschlag, die Atmung und der Blutkreislauf, sowie auch die Stimme der Mutter, die das Kind im weiteren Verlauf der Schwangerschaft immer differenzierter wahrnehmen kann, vermitteln ein Gefühl von Vertrautheit.

Die Stimme der Mutter spielt dabei eine große Rolle. Das Kind wächst im Mutterleib, und der Bauch wird immer fühl- und sichtbarer. Wie von selbst legen sich die Hände der Mutter um ihren gewölbten Leib und oft spricht sie mit ihrem Kind. Meistens wiegt sie ihre Hüften und somit den Bauch hin und her, streicht mit der einen Hand behutsam über die Rundung und erzählt, was sie bewegt. Vielleicht singt oder summt sie, und die Kombination der rhythmischen Bewegung mit dem Klang der mütterlichen Stimme registriert das Ungeborene als Zuwendung und beruhigenden Trost.

Solche vertrauten Momente zwischen einer werdenden Mutter und ihrem Kind entstehen ganz natürlich. Oder kennen Sie eine Schwangere, die sagt «von siebzehn bis achtzehn Uhr streichle ich über meinen Bauch und singe meinem Kind etwas vor»?