Leise Menschen - starke Wirkung - Sylvia Löhken - E-Book + Hörbuch

Leise Menschen - starke Wirkung E-Book und Hörbuch

Sylvia Löhken

4,5

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Beschreibung

Ratgeberliteratur zum Thema Kommunikation und Umgang mit Menschen orientiert sich so gut wie immer an den "Extros", also an Menschen, die sich in ihrem Verhalten dynamisch, spontan und gern nach außen öffnen. Extrovertierte Menschen sind mit Blick auf die Gesamtbevölkerung jedoch keinesfalls in der Mehrheit, werden wegen ihrer offensiveren Kommunikation aber in der Regel stärker wahrgenommen. Das vorliegende Buch ist anders: Es will leise Menschen auf positive Weise mit sich selbst bekannt machen. Im Mittelpunkt stehen die Vorteile, die sie mit ihren Eigenschaften im Umgang mit sich selbst und anderen haben. Denn introvertierte Persönlichkeiten sind nicht defizitär, sondern sie haben schlicht andere Stärken und andere Bedürfnisse als extrovertierte Menschen.

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Seitenzahl: 307

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Zeit:7 Std. 39 min

Sprecher:Gabi Franke

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»… and we have just one world,but we live in different ones.«

Dire Straits, »Brothers in Arms«

Sylvia Löhken

Leise Menschen –starke Wirkung

Wie Sie Präsenz zeigenund Gehör finden

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lektorat: Friederike Mannsperger

Umschlaggestaltung: Martin Zech, Bremen | www.martinzech.de

Illustrationen: Dr. Michael Meinhard, Bonn | www.bosse-meinhard.de

Autorenfoto: Uwe Klössing, Berlin | www.hoffotografen.de

©2013 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2012 erschienenen Buchtitel “Leise Menschen - Starke Wirkung” von Sylvia Löhken, ©2012 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-327-1

ISBN epub: 978-3-86200-895-7

6. Auflage 2013

www.gabal-verlag.de

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

von Dr. Fleur Sakura Wöss

Einleitung

Extros und Intros: zwei Welten in einer

TEIL I

WER SIE SIND. WAS SIE KÖNNEN. WAS SIE BRAUCHEN.

1. Wieso leise?!

Was, bitte, ist ein leiser Mensch?

Extros und Intros: ihre Entdeckung und neue Erkenntnisse

Die richtige Dosis Menschen

Sind Sie ein leiser Mensch?

Die Extro-Intro-Tabelle

Das Wichtigste in Kurzform

2. Intro-Stärken: der geheime Schatz

Stärke 1: Vorsicht

Stärke 2: Substanz

Stärke 3: Konzentration

Stärke 4: Zuhören

Stärke 5: Ruhe

Stärke 6: Analytisches Denken

Stärke 7: Unabhängigkeit

Stärke 8: Beharrlichkeit

Stärke 9: Schreiben (statt Reden)

Stärke 10: Einfühlungsvermögen

Wo liegen Ihre Stärken?

Das Wichtigste in Kurzform

3. Intro-Bedürfnisse – Intro-Hürden

Hürde 1: Angst

Hürde 2: Kleinteiligkeit

Hürde 3: Überstimulation

Hürde 4: Passivität

Hürde 5: Flucht

Hürde 6: Verkopftheit

Hürde 7: Selbstverleugnung

Hürde 8: Fixierung

Hürde 9: Kontaktvermeidung

Hürde 10: Konfliktscheu

Wo liegen Ihre Hürden?

Das Wichtigste in Kurzform

TEIL II

WIE SIE PRIVAT GLÜCKLICH UND BERUFLICH ERFOLGREICH WERDEN

4. My home is my castle: den privaten Bereich gestalten

Der innere soziale Kreis

Einen Partner finden

Mit dem Partner leben

Als Intro-Single leben

Kinder begleiten

Das Wichtigste in Kurzform

5. Öffentlich-menschlich: den Arbeitsbereich gestalten

Leise Menschen in Teams

Intro-Führungsstrategien

Leistungen sichtbar machen

Kommunikationskanäle nutzen

Beruflich unterwegs

Das Wichtigste in Kurzform

TEIL III

WIE SIE PRÄSENZ ZEIGEN UND GEHÖR FINDEN

6. Mutproben: Kontakte aufbauen und pflegen

Kontakte pflegen: Netzwerken

Kontakte: starke Seiten leiser Menschen

Kontakte: auf Bedürfnisse achten

Kontakte in der Komfortzone: das Web 2.0

Das Wichtigste in Kurzform

7. Zwischen Mensch und Sache: Verhandeln

Die eigene Position klären

Phasen der Verhandlung

Intro-Stärken in der Verhandlung

Intro-Hürden in der Verhandlung

Das Wichtigste in Kurzform

8. Kaltes Wasser: einen Vortrag halten

Öffentlich auftreten – ein Entwicklungsprojekt

Wann ist ein Vortrag gelungen?

Chance und Schutz: die Vorbereitung!

Stärken im Vortrag nutzen

Schwierigkeiten im Vortrag überwinden

Das Wichtigste in Kurzform

9. Regeln des Rudels: in Meetings und Diskussionen auftreten

Das Plenum: 6 Regeln – und 6 Folgerungen für Intros

Diskussionsleitung: Meetings für Fortgeschrittene

Umgang mit schwierigen Situationen und Teilnehmern in Besprechungen

Das Wichtigste in Kurzform

Lizenz zum Leisesein:

Ausblick auf ein erfülltes introvertiertes Leben

Anhang

Zum Weiterlesen auf Papier

Zum Weiterlesen und Recherchieren auf dem Monitor

Danke!

Autorin

Vorwort

Dieses Buch ist einzigartig. Es handelt von den vernachlässigten 50 Prozent aller Menschen, von der Minderheit der leisen Menschen.

Ich habe die Autorin dieses Buches, Sylvia Löhken, in einer Vereinigung kennengelernt, in der es zum Berufsbild gehört, »laut« über sich selbst zu reden. Nach drei Tagen lautstarker Konferenz der German Speakers Association traf ich Sylvia am Ausgang. Ich war vollkommen geschafft. Nicht nur durch die »Überstimulation« – wie ich jetzt weiß –, sondern von der Übermacht der »Extros« auf einem Fleck. Meine Energie war nahe dem Nullpunkt. Sylvia verstand mich sofort, und ein, zwei Sätze von ihr genügten, mir das Gefühl zu geben, ich sei nicht allein in dieser weiten, egobesessenen Extro-Welt.

Natürlich weiß ich schon seit Langem, dass ich eher zur introvertierten Spezies gehöre. Als Zen-Meditationslehrerin sind das Leise, die Stille und die innere Kraft mein Metier. Was für mich jedoch neu war, ist, wie weitreichend mein gesamtes Verhalten vom Typus des leisen Menschen geprägt ist. Leise Menschen denken anders, handeln anders und werden von »Extros« häufig unterschätzt, obwohl sie solide und intelligente, aber »leise« Arbeit leisten.

Die Fachliteratur der Selbsthilfebücher ist in unserer Kultur – angeführt von US-Autoren – jedoch ganz auf den Typus des erfolgreichen sich selbst behauptenden Extrovertierten ausgerichtet. Auf Extros, wie Sylvia Löhken sie nennt, die sich durchsetzen können, Selbst-PR-Spezialisten sind und gerne den Mund aufmachen. Solche Bücher nützen dem introvertierten Kommunikator ungefähr so viel, als ob ein Adler von Enten Unterricht im Schwimmen bekäme. Er wird niemals gut schwimmen lernen. In der Luft wäre der Adler der König, vorausgesetzt, er besinnt sich auf seine Stärke, das Fliegen. Genauso wenig profitieren leise Menschen von der Mehrzahl der Bücher über Kommunikation. Sie brauchen z. B. keine ellenlangen Kapitel darüber, wie notwendig es sei, Menschen zuzuhören. Im Gegenteil: Sie hören gut zu, wundern sich aber, dass ihnen nicht zugehört wird.

Hier hilft dieses Buch enorm. Es geht von den Stärken der leisen Menschen aus und gibt Tipps, sie richtig einzusetzen. Leise Menschen haben z. B. bei Verhandlungen sehr gute Karten, nur die meisten wissen nicht, wie und wann sie sie ausspielen können. Wie gehen leise Menschen an Meetings heran, wo das Gesetz des Lauten herrscht? Oder auch – wichtig für Führungskräfte und Teamleiter: Wie können Methoden wie Brainstorming an die Bedürfnisse der leisen Menschen angepasst werden, sodass das ganze Team doppelt von den Ideen der Anwesenden profitieren kann?

Dieses Buch ist nicht nur für die eine Hälfte der Menschheit geschrieben. Es ist auch für die Kolleginnen, Partner, Mütter, Väter und Vorgesetzten von leisen Menschen geschrieben. Zum Beispiel: Wie gehen Sie mit Ihrer leisen Partnerin um? Warum tickt sie anders, braucht Zeit nachzudenken, will nicht dauernd reden, hat ein großes Bedürfnis nach Alleinsein?

Sylvia Löhkens Buch gehört auf die ersten Plätze der Bestsellerlisten. Das wäre ein schönes lautes Zeichen für ein leises Buch.

Dr. Fleur Sakura Wöss

Leiterin des Daishin Zen-Meditationszentrums Wien,Vortrags-Coach und Autorin

EINLEITUNG

Extros und Intros: zwei Welten in einer

Ich heiße Sylvia Löhken. Ich bin eine introvertierte Kommunikatorin. Das ist vielleicht ungewohnt: Introvertiert – das klingt nach dem Nerd, der sich tagelang mit dem Computer verbarrikadiert und unrasiert bestellte Pizzas auf die Tastatur krümelt. Doch dieser Nerd ist nur ein (klischeehafter) Typus leiser Menschen. Es gibt viele von uns. Ich habe gern mit Menschen zu tun – sie sind mein Beruf und meine Berufung. Und dennoch brauche ich nach einem Tag voller Trubel und Begegnungen Zeit zum Alleinsein, um meine Batterien aufzuladen. Unabhängig von meiner Liebe zu dem, was ich tue, kann ich meine Energie nicht wie meine extrovertierten Kollegen aus der so lebendigen und spannenden Arbeit mit Seminarteilnehmern, Zuhörern und Coachees beziehen. Warum aber ist das Intro-Dasein ein Thema für ein Kommunikationsbuch? Das musste ich selbst auch erst herausfinden. Es begann wie folgt:

Für meinen Beruf sind Weiterbildungen eine Selbstverständlichkeit. Doch irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Kommunikationstrainings. Und dies nicht wegen des Inhalts: Das, was zwischen Menschen passiert, gehört zu den Dingen, die mich am meisten interessieren. Nein, ich fremdelte mit den Trainerinnen und Trainern – mit meinen eigenen Kollegen. Sie kamen mir oft zu laut und zu oberflächlich vor, und mir war klar: Das war erst einmal mein Problem. Also begann ich nachzudenken. (Introvertierte Personen denken gern und ständig nach.) Was konkret störte mich an meinen Kolleginnen und Kollegen? Die Menschen, die vorn standen, waren nicht besser oder schlechter als ich, wenn ich vorn stehe. Sie waren allerdings anders – auf eine Weise anders, dass ihr Verhalten oft an meinen Bedürfnissen vorbeiging. Viele etikettierten sich selbst als Elite: »Nummer 1«, »führend«, »Top-Wasauchimmer« – das fand und finde ich dick aufgetragen. In den Weiterbildungen selbst bekam ich oft Hinweise, die mir mein Anderssein bestätigten. Meine Bewegungen: ausladender, bitte! Mein Redestil: offensiver, bitte! Meine Vermittlung der Inhalte: mit mehr Energieeinsatz, bitte!

All dies stimmte mich unbehaglich. Weder große, ausladende Gesten noch offensive Verhandlungen noch Powerbekundungen im Vortrag hatte ich bisher mit meinem persönlichen Stil in Verbindung gebracht. Und bisher hatte mir das nicht geschadet. Im Gegenteil: Die »leisen« Klienten und Seminarteilnehmer (die mit den ruhigen, zurückgenommenen Bewegungen, dem kooperativen Stil und den weniger offensichtlichen Gefühlswelten) mochten meine Angebote sehr. Und ich sie: Meine Kunden waren meist sehr besonnen und logisch denkend. »Aha! Sie mögen die ruhigen Blauhirne!«, sagte mir mein (sehr extrovertierter) Coach, als ich ihr meine Lieblingskunden beschrieb. Sie hatte recht. Nach meinen eigenen Erfahrungen als Seminarteilnehmerin genoss ich die intensive Arbeit mit Menschen, die ähnlich tickten wie ich. Dabei erkannte ich: Für meine Lieblingskunden und mich gab es keine Kommunikationstrainings – also Trainings, die speziell auf die Stärken und die Bedürfnisse leiser Menschen zugeschnitten sind.

Mit dem Buch, das Sie gerade lesen, will ich diese große Lücke schließen helfen – zusammen mit Seminaren, Vorträgen und Coachings, die auf introvertierte Persönlichkeiten zugeschnitten sind. Gute Kommunikation hat, das war (und ist) mein Ausgangspunkt, etwas mit Identität zu tun. Erst wenn ich mich selbst kenne und mit mir selbst gut umgehen kann, kann ich auch mit anderen erfolgreich umgehen: im Vortrag, beim Verhandeln, beim Netzwerken und auch im Privatleben. Was aber macht einen leisen Menschen aus? Da es ja für uns ganz normale (also weder schüchterne noch hochsensible) »Leise« nichts gab, packte ich mich an die eigene Nase und analysierte meine Kommunikationsgewohnheiten. Fündig wurde ich vor allem in der englischsprachigen Ratgeberliteratur und in der Psychologie. Außerdem schaute ich nun mit einem ganz speziellen Erkenntnisinteresse auf meine Kunden.

Das Ergebnis war spannend: Ich entdeckte zwei Bündel an Eigenschaften, die introvertierte Menschen in die Kommunikation mitbringen, sauber einteilbar in Stärken und Hürden. Nicht alle leisen Menschen haben all diese Eigenschaften – aber viele leise Menschen haben viele dieser Eigenschaften. Damit lässt sich arbeiten!

Wobei Stärken klare Vorteile sind, aber Hürden auf ihre Weise auch – denn wenn ich meine eigenen Hürden kenne, dann kenne ich meine Bedürfnisse besser als jemand, der sich um seine schwachen Seiten nicht kümmert. So hielt ich mich beispielsweise lange Zeit für unsozial, wenn ich während der Zeit, die ich mit Familie oder Freunden verbrachte, plötzlich das Bedürfnis verspürte, mich zurückzuziehen. Jetzt weiß ich: Der Rückzug ist ein ganz logisches Bedürfnis, das mir bei Erschöpfung hilft, meine Energie zurückzubekommen. Schwäche würde ich das nicht nennen – ebenso wenig wie ein extrovertierter Mensch schwach ist, weil er stärker als ein Intro auf die Rückbestätigung seiner Umgebung angewiesen ist.

Hiermit lade ich Sie herzlich ein: Lernen Sie Ihre Stärken und Ihre Hürden kennen. Begrüßen Sie beide als gute Freunde, die Sie im Leben begleiten. Dann können Sie eine Situation viel leichter so beeinflussen, dass sie für Sie »passt« und Ihnen eine gelungene Kommunikation ermöglicht.

Dabei eignen sich zwei Fragen besonders gut für die verschiedenen Arten des menschlichen Miteinanders:

1. Welche Stärken kann gerade ein leiser Mensch in dieser Situation nutzen?

2. Worauf sollte gerade ein leiser Mensch in dieser Situation achten?

In diesem Buch finden Sie die Antworten, die ich auf diese Fragen gefunden habe, und zwar so aufbereitet, dass Sie sie für Ihr eigenes Leben nutzen können.

Was Sie in diesem Buch finden – und wie Sie es lesen können

Die Antworten auf diese beiden Fragen sind auf den nachfolgenden Seiten auf die unterschiedlichsten Lebenslagen bezogen: auf berufliche und private Situationen, auf formelle und gerade nicht formelle Anlässe, auf Nähe und Distanz, auf Vortrag und Verhandlung. Wenn Sie sich, liebe Leserin und lieber Leser, zu den leisen Menschen zählen, so soll Ihnen dieses Buch dabei helfen, sich in einer oft viel zu lauten Welt gut einzurichten und in dem, was Ihnen wichtig ist, Erfolg zu haben. Alle Abschnitte sind aus der Perspektive introvertierter Menschen geschrieben.

Wenn Sie eher zu den extrovertierten Menschen gehören, dann werden Sie nach der Lektüre Ihre leisen Mitmenschen besser verstehen und ihre Stärken schätzen – egal, ob es Partner, Verwandte oder Freunde, Kolleginnen oder Chefs, Mitarbeiter oder Seminarteilnehmerinnen sind.

Und falls Sie sich nicht sicher sind, ob Sie denn nun ein leiser Mensch sind oder nicht, dann bringt Ihnen ein Test im ersten Kapitel Klarheit. Überhaupt ist dieses Buch so angelegt, dass Sie die Inhalte auf Ihre persönliche Situation beziehen können: Immer wieder werden Sie Fragen finden, die Ihnen weiterhelfen, wenn Sie sie für sich beantworten. Nehmen Sie die Gelegenheit wahr – auf diese Weise lernen Sie sich selbst gut kennen und profitieren davon in Ihrer Kommunikation mit anderen!

Das Buch ist so aufgebaut, wie Intros gern denken und kommunizieren: von innen nach außen. Es beginnt mit einem Blick auf die Persönlichkeit. In Teil I bekommen Sie eine Einführung und einen Überblick über die typischen Stärken und Hürden leiser Menschen – am besten, Sie lesen diesen Teil auch zu Beginn, damit Sie eine gute Grundlage bekommen. Teil II mit den Kapiteln 4 und 5zeigt ein Panorama für das private und das berufliche Umfeld – abgestimmt auf das, was leisen Menschen guttut und sie erfolgreich macht. Vor allem zeigt dieser Teil, wie Sie beide Umgebungen »intro-gerecht« gestalten können. In allen darauffolgenden Kapiteln, die Teil III des Buches bilden, erfahren Sie, wie Sie im Umgang mit anderen genau diese Stärken nutzen und Hürden überwinden. Dabei habe ich bewusst die Stärken und Hürden hervorgehoben, die für den Kontaktaufbau, in der Verhandlung, beim öffentlichen Auftreten und in Meetings am wichtigsten sind. Nach dem Test und einem Blick in die Übersicht am Ende von Kapitel 1 werden Sie gut einschätzen können, welche Ihrer persönlichen Eigenschaften in der jeweiligen Situation wichtig sind.

Sie werden in den verschiedenen Kapiteln auch einigen meiner leisen Seminarteilnehmer und Coachees begegnen, deren (anonymisierte) Geschichten veranschaulichen, wie Intros ihre Stärken in verschiedenen Situationen nutzen können. Ich hoffe, ihre Erfahrungen machen Ihnen beim Lesen Mut – und viel Lust darauf, Intro-Kommunikation auszuprobieren!

Leise Menschen bewegen die Welt!

Viele berühmte Persönlichkeiten waren oder sind nach den Eigenschaften, die über sie berichtet werden, leise Menschen. Sehen Sie einmal auf diese illustre Liste:

Prominente introvertierte Persönlichkeiten: eine Galerie

Ilse Aichinger, Schriftstellerin, Österreich

Woody Allen, Regisseur, Autor, Schauspieler und Musiker, USA

Lance Armstrong, Radrennprofi, siebenmaliger Gewinner der Tour de France, USA

Julian Assange, Journalist und Sprecher von WikiLeaks, Australien

Brenda Barnes, Präsidentin, Vorstandsvorsitzende des Konsumgüterherstellers Sara Lee, USA

Ingrid Bergman, Schauspielerin, Schweden

Warren Buffet, Großinvestor und Unternehmer, USA

Cacau, deutscher Fußballnationalspieler brasilianischer Herkunft

Frédéric Chopin, Komponist und Pianist, Polen

Marie Curie, Chemikerin und Physikerin, Nobelpreise für Physik und Chemie, Polen

Charles Darwin, Naturforscher und Begründer der Evolutionstheorie, Vereinigtes Königreich

Bob Dylan, Musiker, Dichter und Maler, USA

Clint Eastwood, Schauspieler, USA

Albert Einstein, Physiker, Nobelpreis für Physik, Deutschland

Mohandas Karamchand Gandhi, genannt Mahatma Gandhi, geistiger Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung

Bill Gates, Gründer von Microsoft, USA

Sir Alfred Hitchcock, Regisseur, Vereinigtes Königreich

Michael Jackson, Musiker, USA

Günther Jauch, TV-Moderator, Journalist und Produzent, Deutschland

Franz Kafka, deutschsprachiger Schriftsteller aus Prag

Immanuel Kant, Philosoph der Aufklärung, Deutschland

Avril Lavigne, Sängerin und Songschreiberin, Kanada

Loriot (eigentlich: Vicco von Bülow), Humorist, Deutschland

Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

Sir Isaac Newton, Physiker, Mathematiker, Philosoph und Theologe, Vereinigtes Königreich

Barack Obama, Präsident der USA

Michelle Pfeiffer, Schauspielerin, USA

Claudia Schiffer, Model, Deutschland

George Soros, Investor und Stiftungsgründer, Ungarn / USA

Steven Spielberg, Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, USA

Gabriele Strehle, Modeschöpferin (Strenesse), Deutschland

Tilda Swinton, Schauspielerin, Vereinigtes Königreich

Mutter Theresa, Ordensfrau, Friedensnobelpreisträgerin, Albanien / Indien

Charles Mountbatten-Windsor, Prince of Wales, Duke of Cornwall, Thronfolger des Vereinigten Königreichs

Mark Zuckerberg, Informatiker, Gründer von Facebook, USA

Sie sehen: Viele der erfolgreichsten, mächtigsten, begabtesten, innovativsten, mutigsten, klügsten und interessantesten Menschen auf diesem Planeten sind leise Persönlichkeiten. Sie sind weder besser als Extros noch sind sie – wie sie selbst oft denken – schlechter. Was sie erfolgreich macht, ist vor allem eines: Sie sind sich selbst treu geblieben, mit ihrer Introversion und allen weiteren Eigenschaften. Das ist ein wunderbares Erfolgsrezept, das ich Ihnen hiermit herzlich empfehle: Bleiben Sie sich als Intro treu, tun Sie, was zu Ihnen und Ihren Bedürfnissen passt. Wie die Menschen in der Galerie werden Sie mit Ihren Stärken die Welt auf leise Weise ändern. Wie Dolly Parton einst sagte:

»Find out who you are – and do it on purpose!«

PS: Ein Wort an die Fachleute: In der akademischen Literatur wird eher von Extraversion als von Extroversion gesprochen. Ich schließe mich der gängigen Umgangssprache an und wähle die letztere Variante. Das erspart mir unter anderem das Nachdenken darüber, ob ich als Kurzbezeichnung »Intros«, aber »Extras« schreiben müsste.

TEIL I

Wer Sie sind.Was Sie können.Was Sie brauchen.

1. Wieso leise?!

Jonas studiert Ingenieurwissenschaften an einer Technischen Hochschule mit einem sehr guten Ruf. Er hat zwei Freunde, mit denen er sich gern trifft – etwa, um ins Kino zu gehen oder Sport zu treiben. Auch im Web 2.0 ist er aktiv und hält über Facebook und Twitter Kontakt zu Schulfreunden und Bekannten aus diversen Praktika. Gerade ist er Praktikant bei einem der bekanntesten deutschen Automobilhersteller. In Sachen Liebe und Romanze ist Jonas weniger erfolgreich: An der Hochschule ist der Frauenanteil niedrig, und Jonas geht so gut wie nie zu Partys oder Konzerten – die Lautstärke und die Menschenmengen findet er schlicht anstrengend. Inzwischen überlegt er, ob er über eine Dating-Website Kontakt zu passenden Frauen suchen soll.

Im Studium kommt Jonas gut voran; er hat bis jetzt alle Scheine bestanden und bereitet sich systematisch auf Klausuren vor. Unangenehm sind ihm Referate vor großen Seminargruppen – und vor mündlichen Prüfungen graut ihm. In seiner Freizeit läuft Jonas gern. Manchmal findet er beim Joggen Ideen für sein zweites Hobby: Er fotografiert Motive, in denen sich Landschaft und Technik zu etwas Neuem verbinden, z. B. Brücken und Industriegebäude.

Was, bitte, ist ein leiser Mensch?

Intro- und Extroversion

Menschen lassen sich in extrovertierte und introvertierte Persönlichkeiten unterteilen. Fast jeder kann sich unter diesen Begriffen etwas vorstellen und verbindet bestimmte Eigenschaften mit ihnen. Beim genaueren Hinsehen – sei es ins wirkliche Leben oder in die Literatur – wird die Abgrenzung von extrovertiert und introvertiert schnell unscharf. Denn es gibt bei den Erscheinungsformen und in der Bestimmung der Intro- bzw. Extroversion große Bewegungsspielräume.

Faktor Persönlichkeit

Die Eigenschaft ist erstens persönlichkeitsabhängig. Wir werden mit einer Tendenz zu Intro- oder Extroversion geboren – und damit auch mit bestimmten Merkmalen und Bedürfnissen, die uns prägen. Schon bei Kindern treten Intro- und Extro-Eigenschaften deutlich zutage. Die Begriffe lassen sich klarer verstehen, wenn man sie nicht als Gegensätze sieht, sondern als äußerste Punkte eines Kontinuums. Jeder Mensch verfügt sowohl über introvertierte als auch extrovertierte Eigenschaften. Und jeder wird außerdem mit einem Bewegungsspielraum geboren, einer Art Komfortzone auf dem Intro-Extro-Kontinuum, in deren Rahmen er sich wohlfühlt. Die meisten Menschen befinden sich dabei in einem gemäßigten mittleren Bereich, allerdings mit einer Tendenz zur Intro- oder zur Extro-Seite. Alle Bandbreiten sind gesund – nur äußerste Extreme können Probleme bekommen. Davon betroffen sind Menschen, die ganz am Ende des Kontinuums angesiedelt sind, unabhängig davon, ob es sich um das Intro- oder das Extro-Ende handelt. Ganz und gar ungesund ist es allerdings, ständig außerhalb der persönlichen Komfortzone zu leben. Wird ein akustisch empfindlicher Intro wie Jonas z. B. dauerhaft einem hohen Geräuschpegel ausgesetzt, so kostet ihn das viel Energie – und gleichzeitig ist es ihm unmöglich, neue Energie zu tanken. Wenn er ständig gezwungen wäre, Autos zu verkaufen anstatt in der Verwaltung des Unternehmens sein Praktikum zu machen, wäre er auf Dauer unglücklich und ausgelaugt. Im Extremfall kann ein Leben mit zu viel Anteil außerhalb der eigenen Komfortzone tatsächlich krank machen.

Faktor Situation

Intro- und Extroversion sind zweitens situationsabhängig: also wie Ausrichtungen einer Schiene, die jeder Mensch zur Verfügung hat, um sich je nach Lage eher nach außen oder eher nach innen zu wenden. Wir Menschen sind wunderbar anpassungsfähig – die Fähigkeit, unser Denken und Handeln je nach Situation flexibel zu verändern, macht uns gerade aus. Wir können uns im Prinzip an jedem Punkt unseres Lebens so oder eben auch anders verhalten. Das hat nichts mit Intro- oder Extroversion zu tun, sondern mit Intelligenz oder auch Disziplin – etwa, wenn wir uns bewusst für ein Verhalten entscheiden, das ganz anders wäre, wenn wir impulsiv handeln würden. Und auch die Rolle, die wir in einer Situation einnehmen, prägt unsere Entscheidung darüber, wie wir kommunizieren. Dann können ganz andere Fragen unser Verhalten bestimmen: Sind wir im Verhältnis zu anderen stark oder schwach? Was wird von uns erwartet? Wie wollen wir uns darstellen?

Deshalb wird Jonas auf dem Geburtstag seiner Mutter im Familienkreis mit seinen jüngeren Cousins fröhlich und als cooles älteres Rollenvorbild plaudern. Seinen alten Tanten wird er höflich begegnen und geduldig Fragen beantworten. Am Messestand seiner Praktikantenfirma wird er eher zurückhaltend sein, wenn es darum geht, in Kontakt mit lauter Unbekannten zu kommen. Doch er wird sich auch anstrengen, genau dies zu tun – schließlich ist das seine professionelle Aufgabe. Selbst eine ausgeprägte Extro-Persönlichkeit wie Anke Engelke hat mit Sicherheit Momente, die ihr die Sprache rauben oder in denen sie sich bewusst zurückhält. Viele Extros, die ich kenne, genießen (und brauchen sogar!) Momente der Stille in turbulenten Zeiten. Insgesamt ist diese Flexibilität ein Glück: Denn die Intro-Extro-Schiene gibt uns Bewegungsfreiheit und einen Reichtum an Handlungsmöglichkeiten.

Faktor Kultur

Drittens fordert die Kultur, die uns umgibt, mehr oder weniger Anpassungsfähigkeit in Richtung Intro- oder Extroversion. In einem Land wie Japan werden Stille, Alleinsein und Besinnung geschätzt. Gemeinsames Schweigen gehört in einem normalen Gespräch unter Bekannten dazu. Intros aus anderen Ländern finden diese Erfahrung sehr angenehm. In den USA, einer klassischen »Extro-Kultur«, wird dagegen ein Schweigen beider Gesprächspartner meist als peinlich oder zumindest unangenehm empfunden. Es gilt als normal, sowohl im Privatleben als auch im Beruf ständig Zeit in Gruppen zu verbringen. Ein Intro wird sich deshalb in den USA (oder auch bei uns in Deutschland und anderen europäischen Ländern) stärker mit extrovertierten Verhaltensweisen an seine Umwelt anpassen müssen als in Japan, wo er eine »intro-freundliche« Kultur vorfindet.

Faktor Lebenslauf

Nicht zuletzt gibt es viertens auch im Verlauf eines Lebens Verschiebungen. Mit dem Älterwerden entwickeln sich die meisten Menschen in die Mitte des Kontinuums, werden also »gemäßigter« in ihrer Intro- oder Extro-Ausprägung. In der zweiten Lebenshälfte wird die Introversion für extrovertierte Menschen damit zugänglicher und hat einen besonderen Wert: Sie hilft, über sich selbst und das eigene Leben zu reflektieren, über Werte und Sinn nachzudenken.

Trotz der Abhängigkeit von Situation, Kultur und sogar Lebensalter ist die Introversion bzw. Extroversion ein relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das sich an bestimmten Eigenschaften und Neigungen zeigt. Vor allem die Antwort auf eine Schlüsselfrage ist entscheidend:

Die Intro- / Extro-Schlüsselfrage: Woher kommt die Energie?

Wie also verhält sich ein Mensch, wenn er gestresst und / oder erschöpft ist und seine Batterien wieder aufladen will?

Energiequellen von Extros und Intros

Grundsätzlich gibt es auf diese Frage zwei Antworten: Entweder holt dieser Mensch seine Energie aus dem Austausch mit anderen. Mein Mann ist solch ein Mensch: Nach einem anstrengenden Tag findet er es entspannend, mit Freunden auszugehen, in seiner Fußballmannschaft zu spielen oder an einem Clubtreffen teilzunehmen. Wer das tut, ist in seiner Ausrichtung eher extrovertiert. Oder dieser Mensch »macht zu« und regeneriert sich möglichst allein, möglichst reizarm und ohne viele Worte. Dazu gehöre ich. Nach einem Seminartag genieße ich es, allein im Hotelzimmer zu sitzen und zu lesen. Ohne ein Wort. Oder ich treffe eine gute Freundin und regeneriere mich bei einem entspannten Gespräch zu zweit. Nach drei Tagen Seminar brauche ich einen halben Tag für mich, bis wieder alle Batterien geladen sind. Sie ahnen schon: Wer sich so erholt, gehört eher zur introvertierten Seite.

Zu viel Stimulation wirkt auf Intros energiezehrend. Das kann im Beruf eine Aufgabe mit vielen unterschiedlichen Dingen sein, die gleichzeitig zu berücksichtigen sind. Im Privatleben ist es beispielsweise eine Party mit unbekannten Menschen und lauter Musik – eine Situation, die schon junge Intros wie Jonas als anstrengend empfinden. Eine Überstimulation bewirkt bei Intros auch, dass sie ein Bedürfnis nach Rückzug verspüren. Extros dagegen mögen Stimulation, weil sie Energie liefert. Sie suchen deshalb oft Abwechslung, wenn sie auf sich allein zurückgeworfen sind und zu wenig neue Eindrücke bekommen: So suchen sie in Bibliotheken, Krankenhäusern oder Firmen mit Einzelbüros gern Räume auf, in denen soziale Kontakte zwischendurch möglich sind – Cafeterien, Sitzecken, Teeküchen und alle Bereiche, in denen Telefonieren oder elektronische Kommunikation leicht möglich sind. In einem Einzelbüro können Telefon und Computer für ausgeprägte Extros zur Rettung werden, weil sie den Kontakt zur Außenwelt sichern.

Bedürfnis nach Ruhe

Dies heißt nicht, dass nicht auch Extros Rückzugsbedarf haben und stille Momente brauchen. Intros allerdings sind existenziell auf »Allein-Zeit« angewiesen, um sich nach Belastungen und nach sozialen Begegnungen regenerieren zu können. Ohne Ruhe werden sie reizbar und erschöpft. Intros brauchen auch im Schnitt eine längere reizarme Zeit, bevor sie sich wieder ins Getümmel des Alltags stürzen. Ein dreiwöchiger Urlaub in der schwedischen Waldeinsamkeit ist eher eine Intro- als eine Extro-Traumvision.

Die Frage an Sie:

Gleich werden Sie testen können, ob Sie zu den Intros oder zu den Extros gehören. Wie schätzen Sie sich vorläufig ein?

Ich bin eher Intro.

Ich bin eher Extro.

Beide Seiten sind bei mir etwa gleich ausgeprägt.

Keiner dieser beiden Typen ist besser oder schlechter. Sie beschreiben einfach nur, wo die eigenen Neigungen und Bedürfnisse verortet sind. Je besser Sie wissen, was Sie brauchen, um so eher können Sie »artgerecht« leben und das tun, was Ihnen wichtig ist. Dazu gehört vor allem eines: die Zeit allein und die Zeit mit anderen so zu gewichten, dass beide Bereiche für Sie die richtige Dosis sind. Lernen Sie, systematisch die Frage zu stellen: Was brauche ich gerade? Sie werden merken: Sie kennen die Antwort fast immer.

Die Frage für artgerechtes Leben: Was brauche ich gerade?

Windräder und Akkus

Ein Vergleich aus einem ganz anderen Bereich der Energiegewinnung zeigt den Unterschied noch klarer: Ein extrovertierter Mensch erzeugt seine Energie wie ein Windrad – er braucht erstens Impulse von außen, um sie herzustellen, und zweitens muss er in diesem Prozess selbst in Aktion sein und sich dynamisch »drehen«. Ein Intro dagegen ist wie ein Akku: Er lädt sich im Ruhezustand ohne jeden »Wind von außen« auf und verzichtet in dieser Phase am liebsten auf Aktivitäten. Intros brauchen als »Akkus« dabei mehr Zeit, bis sie ihre Energie zurückhaben.

Extro- und Intro-Gehirne

Hirnforscher können heute nachweisen, dass introvertierte Menschen mit ihrer Hirnaktivität mehr Energie als extrovertierte Personen aufwenden. Bei ihnen lässt sich im Vergleich eine höhere Dosis elektrischer Aktivität messen – und zwar ständig, nicht nur bei besonderen mentalen Herausforderungen. Dieser höhere Energieaufwand lässt sich vor allem im frontalen Kortex nachweisen: dort, wo die Auseinandersetzung mit inneren Vorgängen stattfindet. In diesem Bereich des Gehirns sind Lernen, Entscheiden, Erinnern und Problemlösen angesiedelt. Intros verbrauchen also für die Verarbeitung von Eindrücken mehr Energie und leeren damit schneller ihre Akkus als Extros, die ja als »Windräder« während der Energieinvestition auch noch »nachladen« können. Für Intros ist es deshalb besonders wichtig, ökonomisch mit ihrer inneren Kraft umzugehen.

Intro-Hirne sind leichter überstimuliert

Auch auf Reize von außen sprechen Intro-Hirne intensiver an als Extro-Hirne: Sie reagieren empfindlicher auf Umweltreize, sind leichter überstimuliert und brauchen deutlich mehr Energie, um Eindrücke zu verarbeiten. Dies bedeutet z. B., dass schon ein geringer Lärmpegel einen Intro wie Jonas bei einer mentalen Aktivität wie z. B. Lernen beeinträchtigen kann. Sein Extro-Kommilitone kann dagegen mit mäßigem Hintergrundlärm (Radio!) vielleicht sogar leichter lernen als in völliger Stille.

Dies bedeutet nicht, dass ein extrovertierter Mensch »lebendiger« ist als ein introvertierter. Umgekehrt sind Introvertierte nicht »qua Bauart« ruhiger als Extrovertierte. Selbst das Etikett »schüchtern« hat mit Introversion nichts zu tun. Schüchterne Menschen haben vor allem eines: Angst vor sozialen Kontakten. Sie fühlen sich Begegnungen mit anderen oft nicht gewachsen. Angst aber hat mit dem Intro-Extro-Kontinuum nichts zu tun: Sie kann beide Typen »heimsuchen«.

Introvertiert bedeutet etwas ganz anderes als schüchtern oder hochsensibel.

Auch die Eigenschaft »hochsensibel« ist etwas anderes als Introversion. Sie bezeichnet eine außerordentliche Empfindlichkeit des Nervensystems auf äußere Einflüsse, die besonders schnell zu Reizüberflutung führt, aber auch ein besonderes Einfühlungsvermögen mit sich bringen kann. Obwohl relativ viele hochsensible Personen introvertiert sind, gilt auch: 30 Prozent von ihnen gehören, wie die Psychologin Elaine Aron belegt, zur extrovertierten Seite. Sie finden Arons Website und einen Test, der Ihnen eine persönliche Einschätzung ermöglicht, im Anhang.

Extros und Intros:ihre Entdeckung und neue Erkenntnisse

Freud und Jung

Vor rund 100 Jahren entwickelte Sigmund Freud (ein Extro) die moderne Psychoanalyse. Für ihn war die Sexualität die treibende Kraft im Unterbewussten des Menschen. Sein jüngerer Kollege und Ansprechpartner Carl Gustav Jung (ein Intro) stand dieser These kritisch gegenüber. Er entwickelte ein umfassenderes Modell vom Unterbewussten, das neben der Sexualität auch andere Inhalte beherbergte. Die unterschiedlichen theoretischen Grundannahmen wirkten sich auf das Verhältnis der beiden Wissenschaftler wenig fruchtbar aus. Sie trennten ihre Arbeit und betrieben ihre Forschungsarbeiten unabhängig voneinander.

Jung definierte 1921 mit seiner Arbeit Psychologische Typen erstmals Introversion und Extroversion als Merkmale, die eine Persönlichkeit wesentlich prägen. Er unterschied vier Funktionen (Denken, Fühlen, Intuition und Empfinden), die sowohl intro als auch extrovertierte Menschen weiter in ihrer Persönlichkeit prägen. Jungs Unterscheidung zwischen introvertiert und extrovertiert findet sich in allen wichtigen Persönlichkeitstypologien wieder. Am engsten lehnen sich der vor allem in den USA verbreitete Myers-Briggs Type Indicator sowie der Insights-Test an die ursprünglichen Klassifizierungen an, weil sie die vier Funktionen berücksichtigen, die Jung definierte. Aber auch Methoden wie der »Big Five«-Test, das Reiss-Profil, die Alpha-Plus- und die Structogram-Analyse verwenden »introvertiert« und »extrovertiert« als Merkmale. Sie sind allerdings nicht einheitlich definiert und heißen auch nicht immer genau so. Der »Big Five«-Test fasst die Merkmale »introvertiert« und »extrovertiert«« interessanterweise unter dem Oberbegriff »Extroversion« zusammen – das ist logisch so, als sei »Frau« der Oberbegriff für Mann und Frau.

Neue Ansätze

Marti Olsen Laney (2002) verweist in ihrem Buch The Introvert Advantage darauf, dass Freud nach seinem Zwist mit Jung das Konzept der Introversion in seinen Schriften zum Narzissmus negativ darstellte, während er die Extroversion als gesund und positiv beurteilte. Sollte das negative Image, das die Introversion noch heute hat (und die in manchen der erwähnten Tests durchscheint), auf den Konflikt eines extrovertierten Wissenschaftlers mit einem introvertierten Kollegen zurückzuführen sein?

Wolfgang Roth (2003) sieht einen anderen Zusammenhang: Seiner Meinung nach versuchte Jung mit der Klassifikation von Persönlichkeitsmerkmalen, das Zerwürfnis mit dem extrovertierten Sigmund Freud zu erklären, das ihn lange Zeit beschäftigte und belastete.

Wichtig aber ist eines: Jung bewertete Menschen nicht nach dem Grad ihrer Introversion oder Extroversion. Für ihn waren beide Ausprägungen mit ihren Eigenheiten wichtig und wertvoll. Aus Jungs Sicht ergänzen Intros und Extros einander und können sich gegenseitig helfen, ihre Perspektiven zu erweitern und neue Blickwinkel zu nutzen. So kann in einem Projekt die Extro-Kollegin leicht zusätzliche Hilfe innerhalb der Firma organisieren, während der Intro-Kollege dafür sorgt, dass neue Weichenstellungen gründlich überprüft werden. Ein Intro-Vater kann der heranwachsenden Extro-Tochter behutsam Grenzen setzen, die bei einer Extro-Extro-Kommunikation leicht zu Konflikten führen könnten.

Bedeutung der Hirnphysiologie

Die Wissenschaft hat inzwischen Fortschritte gemacht. Für die Intro-Extro-Thematik ist dabei besonders ein Bereich spannend: die Hirnphysiologie. Dies ist kein medizinisches Werk – doch die Erkenntnisse aus dem naturwissenschaftlichen Bereich sind eine spannende Geschichte für sich. Studien seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts belegen in verschiedenen Bereichen des zentralen Nervensystems, dass das Intro-Extro-Kontinuum nicht nur eine psychologische Annahme, sondern auch eine biologische Realität ist. Dies bedeutet: Unsere Persönlichkeit und unser Handeln entsprechen physiologischen Gegebenheiten im Hirn. Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass wir auf eine bestimmte Weise kommunizieren oder handeln müssen. Die physiologischen Merkmale lassen lediglich Rückschlüsse auf unsere Stärken und Neigungen zu.

Hier die wichtigsten Erkenntnisse in Kurzform:

Intro-Hirne und Extro-Hirne sind unterschiedlich!

1. Im frontalen Kortex introvertierter Versuchspersonen lässt sich im Vergleich zu extrovertierten Probanden eine höhere elektrische Aktivität nachweisen. In diesem Bereich findet die Auseinandersetzung mit inneren Vorgängen statt. Dort sind Lernen, Entscheiden, Erinnern und Problemlösen angesiedelt (Roming 2011).

2. Die amerikanische Ärztin Debra Johnson konnte 1999 nachweisen, dass Introversion im erwähnten frontalen Bereich mit einem erhöhten Blutfluss verbunden ist. Sie zeigte außerdem, dass Unterschiede zwischen Intros und Extros dadurch zustande kommen, dass ihr Blut im Hirn unterschiedliche Wege geht. Intros haben buchstäblich eine »längere Leitung« – Reize legen auf den Nervenbahnen einen längeren Weg zurück als in Extro-Hirnen. Darin liegt der Grund, dass leise Menschen manchmal eine längere Zeit zum Nachdenken oder Reagieren benötigen.

3. In den Hirnen von Intros und Extros dominieren unterschiedliche Neurotransmitter. Dies sind Botenstoffe, die die Aktivitäten in der Großhirnrinde beeinflussen und uns unter anderem Zufriedenheit und Wohlsein vermitteln (Roth 2007). Die Wege, die Neurotransmitter zurücklegen, werden von wiederholtem Handeln gebahnt und prägen alles, was wir aus Gewohnheit tun. Jeder Mensch verfügt über einen individuellen »Spiegel« an verschiedenen Neurotransmittern, der genetisch bestimmt ist. Extros zeigen deutlich mehr Aktivitäten in den Bahnen des Neurotransmitters Dopamin, während Intros über mehr Acetylcholin verfügen (Olsen Laney 2002).

4. Diese beiden Neurotransmitter haben ganz unterschiedliche Wirkungen: Dopamin sorgt für motorischen Antrieb, Neugier, für die Suche nach Abwechslung und die Erwartung einer Belohnung. Acetylcholin ist dagegen besonders für Konzentration, Gedächtnis und Lernen wichtig (Roth 2007). Susan Cain bringt die Folgen dieses neurobiologischen Unterschiedes auf den Punkt: Sie bezeichnet Extros als belohnungsorientiert und Intros als sicherheitsorientiert (Cain 2011).

Das hat Folgen in der Kommunikation: Extrovertierte Menschen neigen mit ihrer biologischen Ausstattung stärker zu Freude, Aufregung, Überschwang und sogar zu Euphorie. Extros sind auch eher bereit, Risiken einzugehen: Sie haben z. B. mehr Konflikte, neigen in Verhandlungen eher zu gewagten Aktionen und fühlen sich auch vor einem größeren Publikum meist wohler. Intros dagegen haben weniger häufig und intensiv euphorische Gefühle. Dafür legen sie Wert auf genaues Hinsehen und Hinhören, bevor sie handeln. Sie meiden Konflikte gern und sind selbst selten offensiv. Es gibt sogar Studien, die behaupten, Intros seien treuer als Extros …

5. Die Neurotransmitter stehen in einem größeren Zusammenhang. In unserem vegetativen Nervensystem (also in dem Teil, in dem alles »automatisch« abläuft) gibt es zwei »Gegenspieler«. Der Sympathikus sorgt dafür, dass der Körper etwas leistet; er bereitet ihn auf Angriff, Flucht oder besondere Anstrengungen in Kontakt mit der Außenwelt vor. Zur Erregungsübertragung nutzt der Sympathikus den »Extro-Transmitter« Dopamin. Der Parasympathikus (oder Ruhenerv) sorgt dagegen für das genaue Gegenteil: für Ruhe, Erholung und Schonung. Er senkt den Herzschlag und fördert die Verdauung. Zur Erregungsübertragung nutzt der Parasympathikus den »Intro-Transmitter« Acetylcholin.

6. Marti Olsen Laney (2002) zieht aus diesen Zusammenhängen (und einigen weiteren Studien) den Schluss, dass Intros und Extros sich biologisch vor allem durch die unterschiedliche Ausprägung des vegetativen Nervensystems unterscheiden: Extros werden von den Aktivitäten des Sympathikus, Intros von den Aktivitäten des Parasympathikus geprägt. Extros scheinen außerdem (so Debrah Johnson in der erwähnten Forschungsarbeit 1999) auf mehr Stimulation durch die Außenwelt angewiesen zu sein als Intros, weil sie sich innerlich nicht in gleicher Intensität stimulieren können. Äußere Ruhe und Innehalten sind für Extros deshalb eine Herausforderung. Die Wissenschaftler Dean Hamer und Peter Copeland konnten zeigen, dass für Extros die Abwesenheit äußerer Reize (z. B. Routinetätigkeiten, wenig aktive Menschen, starre Rituale) mit einer Unterstimulation verbunden ist (Hamer / Copeland 1998). Extros werden entsprechend leicht unruhig oder gelangweilt, wenn eine reizarme Phase zu lange anhält: Sie sind auf Dopaminentzug.

7. Damit wird biologisch erklärbar, warum Extros ihre Energie aus aktivem, nach außen gerichteten Verhalten beziehen, während Intros in der Ruhe ihre Kraft finden: Die beiden Möglichkeiten der Energiegewinnung entsprechen den Verhältnissen in den unterschiedlich ausgestatteten vegetativen Nervensystemen.

Komfortzone als natürliches Biotop

Soweit die wissenschaftliche Basis für unsere Unterscheidung. Vor diesem Hintergrund lässt sich noch besser verstehen, warum es so gesund ist, wenn wir uns möglichst oft innerhalb der Komfortzone auf dem Intro-Extro-Kontinuum bewegen: Sie ist so etwas wie unser natürliches Biotop, für das wir optimal ausgestattet sind – und in dem wir unser Leben am leichtesten und angenehmsten gestalten können.

Gibt es mehr Intros oder mehr Extros?

Doch nicht auf alle Fragen zu Intros und Extros lassen sich genaue wissenschaftliche Antworten finden. Dies zeigt sich an einer interessanten Frage, die je nach Blickwinkel sehr unterschiedliche Antworten findet: Sind introvertierte Menschen im Vergleich zu extrovertierten in der Minderheit?

Intros sind oft weniger sichtbar – aber sie sind überall.

Da Extros stärker sicht- und hörbar kommunizieren, können sie in Gruppen leicht wie eine Mehrheit wirken, während Intros im Vergleich oft weniger wahrgenommen werden. Marti Olsen Laney zitiert in ihrem Buch Autoren wie Kroeger und Thuesen, die davon ausgehen, dass 75 Prozent der Bevölkerung extrovertiert sind, während Susan Cains Schätzung bei 30 bis 70 Prozent extrovertierter Personen liegt. Laurie Helgoe (2008) und Devora Zack (2012) gehen dagegen in ihren Intro-Studien von einem ausgeglichenen 50:50-Verhältnis in der Verteilung introvertierter und extrovertierter Personen aus, ebenso die Literatur über den Myers-Briggs Type Indicator.

Das tatsächliche Zahlenverhältnis lässt sich wohl nicht ermitteln. Sicher ist aber: Es gibt viele, sehr viele introvertierte Menschen. Im nächsten Abschnitt geht es um eine Frage, die für das Kernthema dieses Buches, die Kommunikation, wichtiger ist als jedes Zahlenverhältnis: Wie stehen Intros zu ihren Mitmenschen?

Die richtige Dosis Menschen

Sind Intros unsozial?

Leise Menschen, die im sozialen Miteinander zurückhaltend sind, gelten leicht als »unsozial«. Zu Unrecht. Introversion und Eigenschaften wie Freundlichkeit oder Interesse an den Mitmenschen sind ganz unterschiedliche Bereiche der Persönlichkeit. Natürlich gibt es den weltabgewandten Nerd, der seine wesentlichen sozialen Kontakte über das Internet pflegt. Ebenso gibt es aber auch die introvertierte Kommunikationsexpertin (wie z. B. Anne, der Sie in Kapitel 6