Abscheuliche Verbrechen im Orden der Schottischen Ritter - Gian di Pescator - E-Book

Abscheuliche Verbrechen im Orden der Schottischen Ritter E-Book

Gian di Pescator

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Beschreibung

Ziel von Gnom, dem Anführer der ›Oberen‹ ist es, den Orden der Schottischen Ritter zu zerstören und in eine Mafia-Organisation zu verwandeln. Der rasche Niedergang des Christlichen Ordens der wohltätigen Schottischen Ritter, ein Freimaurer-Hochgradorden, beginnt mit einem gebrochenen Versprechen, noch mehr, mit dem Bruch des maurerischen Ehrenworts, eines der höchsten Versprechen unter Brüdern in der Freimaurerei. Der Regiopal der Regio Laguna, eine charakterlich schwache Persönlichkeit, lässt sich von den drei bösen Gesellen kaufen, die Gnom von der Regio Genava auf ihn angesetzt hat. Dies, damit er ihren mafiösen Kandidaten als Nachfolger für den Großmeister wählen soll, statt des von allen Delegierten genehmigten, offiziellen und am besten geeigneten Kandidaten. Danach fällt dominoartig ein Regiopal nach dem anderen. Es sind einzig der Regiopal der Regio Brenodura und der amtierende Großmeister, die standhaft bleiben und sich nicht kaufen lassen. Dafür stehen sie auf der Todesliste … Ob Gnom sein Ziel erreicht? So folgen erzwungene Suizide, Morde und Mordversuche. Die Oberen betreiben Bordelle und Menschenhandel, begehen Steuerbetrug und Geldwäsche. Ein besonders arglistiger und hinterhältiger Schurke, Goebbel, der inkarnierte Mephisto, kopiert das mafiöse Geschäftsmodell der Oberen, indem er über Leichen gehend mit einer Onlineplattform für Pädophile massiv Geld verdient, um es ›regulär und legal‹ in Immobilien in Offshore-Ländern zu investieren beziehungsweise dort zu waschen. Er ist noch eine Stufe dreister und skrupelloser als seine Lehrmeister, die Oberen, und scheut sich nicht vor niederträchtigen Morden. Zudem will er die Provinz Helvetia zerstören um größenwahnsinnig eine deutsch sprechende Groß-Provinz D, A, CH zu gründen. Als der standhafte Großmeister der Provinz Helvetia die scheußlichen Verbrechen aufdeckt, versuchen sowohl die Oberen wie auch der Schurke unabhängig voneinander, ihn zu beseitigen. Ob ihnen das gelingt?

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Seitenzahl: 488

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Der Autor Gian di Pescator ist ein Investigativ-Journalist. Insbesondere die widersprüchliche Beurteilung der Johannismaurerei im Vergleich zu den Hochgradsystemen interessierte ihn. Daher befasste er sich intensiv mit verschiedenen Aspekten der Hochgradmaurerei. Bei seinen intensiven Recherchen hat er zudem unzählige Brüder aus der Johannismaurerei und verschiedenen Hochgradsystemen interviewt. Diese inspirierten ihn beim Schreiben dieses fiktiven Romans.

Gian di Pescator

Abscheuliche Verbrechen im Orden der Schottischen Ritter

Ein Freimaurer-Hochgradkrimi

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2025

Alle Personen sind fiktiv, ihre Handlungen und die darin vorkommenden Namen sind frei erfunden und fantasiegeschuldet. Jede Ähnlichkeit oder etwaige Übereinstimmung mit real existierenden Personen, deren Berufe oder Begebenheiten, wäre daher rein zufällig und unbeabsichtigt.

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Angaben nach GPSR:

www.engelsdorfer-verlag.de

Engelsdorfer Verlag Inh. Tino Hemmann

Schongauerstraße 25

04328 Leipzig

E-Mail: [email protected]

Copyright (2025) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Lektorat: Jonas Westhoff

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Alle Rechte beim Autor

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Prolog

1. Das Attentat

Nach dem Attentat

2. Die Spekulationen schießen ins Kraut

3. Die Medienkonferenz berichtet über das Opfer

4. Die Staatsanwaltschaft informiert

5. Medienberichte über das Opfer und die Freimaurerei

Rückblick auf die Zeit vor dem Attentat

6. Der Christliche Orden der wohltätigen Schottischen Ritter

7. Die Verweigerung

8. Die Konsequenzen

9. Die Nachfolger

10. Die wegweisende Besprechung beim Grillen

11. Das Abwenden vom Provinzipal und das Anbiedern bei den Oberen

12. Überraschender Auftritt von Brismo in Paris

13. Die fehlgeleitete, verräterische Mail

14. Die Konfrontationen mit den Oberen

15. Der Provinzipal bleibt wachsam

16. Der ‚bestbefähigte‘ Nachfolger wird kaltgestellt

17. Die drei bösen Gesellen, der erste Dominostein fällt

18. Die ‚tödliche‘ Entführung

19. Nun fallen alle weiteren Dominosteine

20. Nathan bezahlt seine Standhaftigkeit mit dem Tod

21. Die drei skrupellosen Schergen verschwören sich

22. Das Komplott gegen den Provinzipal Jonas Lévy

23. Goebbel wittert seine Chance

24. Der falsche Adressat und die Konsequenzen

25. Goebbels Dilemma

26. Die Vorbereitung des Attentats

Nach dem Attentat

27. Das Ablenkungsmanöver

28. Die Verhaftung des Täters

29. Goebbels Verhaftung

30. Die Bundesanwaltschaft informiert

31. Der Prozess

Nach der Verurteilung: Weiterführung der Ermittlungen gegen Goebbel

Goebbels Entlassung, erneute Festnahme und Verurteilung

32. Der Zerfall des Ordens

33. Der Fluch des Jaques de Molay und seine Erfüllung

Anhang

a) Der Christliche Orden der wohltätigen Schottischen Ritter

b) Johannismaurerei vs. Hochgradsysteme

Nota bene: Eine kurze Analyse der klassischen Hochgradsysteme in Europa

Epilog

Dank

Vorbemerkungen für Nicht-Freimaurer

Der folgende fiktive Krimi handelt von einem christlichen Orden im Umfeld der Freimaurerei. Es ist sinnvoll, sich vorgängig über den doch recht großen und signifikanten Unterschied zwischen der weltweit tätigen Johannismaurerei, auch blaue Freimaurerei genannt, mit den drei Graden Lehrling, Geselle und Meister und dem stark narzisstisch geprägten Christlichen Orden der wohltätigen Schottischen Ritter, einem System der Hochgrad-Freimaurerei (fünf Grade) mit Hang zum Personenkult zu informieren («Johannismaurerei vs. Hochgrad-Freimaurerei», siehe Anhang, Seite 337 ff.).

«Es ist unbestritten, dass durch die existierenden Hochgrade das im Freimaurertum ohnehin nie auszurottende ‘Menschlich-Allzumenschliche‘ nur vervielfacht wird, indem dem Spiele persönlicher Eitelkeit, dem Geltungsbedürfnis und dem Hängen an Äußerlichkeiten Tür und Tor geöffnet wird.»

Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932), Internationales Freimaurer-Lexikon.

Arkandisziplin

Unter Arkandisziplin (lat. arcanum, Geheimnis) versteht man die von Eingeweihten abgegebene formelle Verpflichtung, ein Geheimnis zu bewahren. Die Freimaurer berufen sich auf die sogenannte ‚Arkandisziplin‘, wonach die zum Bund der Freimaurer gehörigen und dort ausgesprochenen Sinnzusammenhänge nicht leichtfertig und zusammenhanglos jedem und jederzeit preisgegeben werden sollen. Dies betrifft heute nur noch einzelne Elemente in Ritualen, die ausschließlich mündlich in Instruktionen vermittelt und nicht geschrieben werden. Geläufige Gerüchte, wonach die Verletzung der Arkandisziplin innerhalb des Bundes der Freimaurer mit drakonischen Strafen belegt würde, sind haltlos.

Alle in diesem Roman erwähnten freimaurerischen Aussagen können jederzeit und von jedermann im Internet frei recherchiert werden und unterstehen nicht der Arkandisziplin.

Dieser Roman ist reine Fiktion

Die Organisation, die Handlungen und die Protagonisten sind frei erfunden, ebenso wie die erwähnten Logen. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte wurden aus rechtlichen Gründen Fantasienamen verwendet.

Man spricht sich in der Freimaurerei generell mit Bruder und dem Vornamen an, z. B. Bruder Dieter. In diesem Roman werden die narzisstischen und arglistigen Mitglieder des internationalen Christlichen Ordens der wohltätigen Schottischen Ritter hingegen bewusst nur mit dem Namen erwähnt, um das beschriebene, fiktive Hochgradsystem deutlich von der Johannisfreimaurerei zu unterscheiden.

Wichtig: Die Tätigkeiten der weltumspannenden Johannisfreimaurerei mit ihren humanitären Verdiensten bleiben unangetastet. Es findet ganz bewusst kein Bashing der Johannisfreimaurerei statt.

«Honi soit qui mal y pense.» (Verflucht sei, wer schlecht darüber denkt.)

Die Causa ‚Regio Genava‘ in ein paar Sätzen …

Ein wichtiger und entscheidender Auftrag für den Auslöser der Causa Regio Genava wurde auf Befehl der ‚Oberen‘ der Schottischen Ritter von drei bösen Gesellen ausgeführt, mit dem Ziel, den offiziellen Kandidaten für das Amt des Provinzipals, des Großmeisters, durch Intrigen zu behindern, um ihren ‚eigenen‘ mit Kontakten zur Mafia zu wählen. Weil ein charakterlich schwacher Regiopal sein maurerisches Ehrenwort – das höchste Gut im Orden – brach, ist dies gelungen.

Drei besonders kaltblütige und skrupellose Schergen, eine Steigerung der drei bösen Gesellen, hatten die Mafia-Politik der Oberen und die große Chance bezüglich Geld, Macht und Titel erkannt. Danach versuchte der Kopf der drei Schergen größenwahnsinnig, die Oberen mit seiner eigenen Vision und Politik zu übertreffen … So wurde der geldgierige und machtgeile Schurke zum mehrfachen Mörder …

Prolog

Die Nachfolger der von Frankreich nach Schottland geflüchteten Tempelritter führten von Schottland aus im Geheimen den christlichen Orden weiter unter dem Namen Christlicher Orden der wohltätigen Schottischen Ritter. Durch die Heirat des Großmeisters Henry George Sinclair, des Provinzipals von Schottland, des letzten Nachfahren vom Sinclair Clan, mit der adligen Tochter Marie Louise Elisabeth de Saussure von Genf fasste der christliche Orden erstmals Fuß auf dem Kontinent, genauer in Genf, und von da aus prosperierte er allmählich in ganz Europa und später auch in Übersee. Als Alleinerben des Sinclair Clans von der Rosslyn Chapel in Schottland war die Provinz Helvetia, geleitet vom Großmeister, dem Provinzipal, daher allein legitimiert, im Ausland neue Ordens-Provinzen zu gründen, die aus Regios bestehen, denen jeweils Regiopale vorstehen.

Zu den Zielen des Christlichen Ordens der wohltätigen Schottischen Ritter, weltweit auch unter dem Namen Schottische Ritter oder kurz Orden bekannt, gehören gemäß Verfassung von 1821 die Vervollkommnung des Menschen, Tapferkeit und Wohltätigkeit. Der Orden mit aktuell weltweit einundzwanzig Nationen (Provinzen) und die Regio Genava, die größte Regio der Provinz Helvetia mit Mitgliedern aus dreißig Nationen, repräsentieren traditionsgemäß die Internationalität dieser Hochgradorganisation.

***

Vor einem guten Jahrzehnt hatte die Staatsanwaltschaft Genf am zuständigen Strafgericht, dem Tribunal pénal, eine Klage gegen den Senat, die Exekutive der Provinz Helvetia mit Sitz in Genf eingereicht. Die Liste der mutmaßlichen Delikte ist lang. Drogenhandel, Entführung und Freiheitsberaubung und, und, und. Wie konnte es dazu kommen? Wer trägt die Schuld daran? Das Gericht verurteilte die Provinz Helvetia zu einer Geldstrafe von 60'000 Schweizer Franken sowie den Provinzipal – den Großmeister – und den Regiopal, den Leiter der Regio Genava, zu einer bedingten Gefängnisstrafe von je 20 Monaten. Der Provinzipal wurde unmittelbar nach der Urteilsverkündung auf Antrag der ‚Oberen‘ vom Kongress, der Legislative, als Mitglied ausgeschlossen mit der Begründung, dass er ‚seine formelle Macht sträflich missbraucht und die Sorgfaltspflicht verletzt‘ sowie ‚dem Renommee des Ordens massiv geschadet hätte‘.

Der äußerst brutale und skrupellose Kokain-Lieferant, der Belgier Jan B., Mitglied der Provinz Belgya, der gute Kontakte zu Südamerika hatte, wurde zu vier Jahren Knast verurteilt. Bei einem Streit hatte er einem Konkurrenten mit einer Gartenschere den Daumen der rechten Hand abgeschnitten. Deshalb wurde er bei den Fahndern nur der ‚Daumenschneider‘ genannt.

Die kriminellen Verfehlungen des Regiopals der Regio Genava, der als Haupttäter verurteilt wurde, wurden von der Regio Genava nicht geahndet. Die meisten Mitglieder jedoch wussten, dass der Provinzipal ein Bauernopfer war und dass er nicht nur von den kriminellen Aktivitäten, sondern auch von den moralischen und ethischen Verfehlungen des Regiopals und von den ‚Oberen‘ und den ‚Hintermännern‘ der Regio Genava nichts hatten wissen können. Die Oberen waren die wahren Strippenzieher, die Hintermänner und vereinzelte ‚Aufsteiger‘ waren dagegen unterwürfige, geradezu devote ‚Soldaten‘. Die Mitglieder des Ordens sind Suchende. Daher sind sie offenbar für alle möglichen Botschaften viel empfänglicher, leider auch für destruktive. Die Provinz Helvetia lebt nicht nur in einer unbewältigten Vergangenheit, sondern auch in einer unbewältigten Gegenwart.

***

Die Provinz Helvetia und die Regio Genava wurden in der Folge vom Provinzipalrat, der Konferenz der Provinzipale, und von allen europäischen Hochgradorganisationen als irregulär erklärt. Erst vor fünf Jahren haben diese Organe der Provinz Helvetia und der Regio Genava die Regularität wieder zugestanden.

***

Die Nachfolger des Provinzipals der Provinz Helvetia waren in der Folge allesamt von der Regio Genava ausgesuchte, unkritische und angepasste ‚Verwalter‘, die die Provinz Helvetia ohne jegliches persönliche Engagement leiteten. Viele Mitglieder der Provinz Helvetia gewannen allmählich den Eindruck, dass nicht etwa die gewählten Provinzipale die Provinz führten, sondern vielmehr ein kleiner Kreis von Oberen und Hintermännern, die ausschließlich aus der Regio Genava stammten. Ganz abgesehen davon, dass dadurch die Provinz Helvetia und der Christliche Orden der Schottischen Ritter generell nicht mehr die notwendigen Impulse zur Entwicklung erfuhren wie es beispielsweise ausländische – vor allem überseeische – Provinzen zur gleichen Zeit erfolgreich taten, waren es in der Provinz Helvetia nur wenige Obere und Hintermänner der Regio Genava, einem Biotop von Tricksern und Kriminellen, die das Sagen nach den Methoden der Mafia hatten.

In diesem Umfeld interessierte sich niemand für die Nachfolge für das vier Jahre dauernde, anspruchsvolle Amt des Großmeisters, des Provinzipals der Provinz Helvetia. Im Orden der Schottischen Ritter gilt ein ungeschriebenes Gesetz, wonach man ein Amt auch widerwillig übernehmen sollte, einfach deshalb, damit ‚es weitergeht‘, damit die Provinz Helvetia weiter existieren und Patente vergeben kann für die Neugründung von Provinzen in allen Kontinenten.

Dieses Dilemma bestand schon immer. Einerseits verlangte das Anforderungsprofil einen in vielen Ordens-Funktionen erfahrenen, mehrsprachigen Ritter mit Management- und Leadershipfähigkeiten und andererseits sollte er das ‚Potenzial‘ haben, um sich – nach dem erklärten Willen der ‚Oberen‘ – im Amt ‚verbiegen‘ lassen zu können, also ‚moralisch flexibel sein‘ und als serviler Soldat zu dienen. Hinzu kommt, dass die Personaldecke mit diesem Anforderungsprofil für Provinzipale in den Regios – insbesondere für die ordensmäßigen Belange – sowieso dünn ist und kompetente Mitglieder in der heutigen Zeit in ihrer profanen Berufstätigkeit zu mehr als 100 Prozent gefordert sind. Nach ‚erfolgreicher‘ Amtsführung gemäß der Politik der Oberen – nicht gemäß Verfassung – stünde ihm als Lohn für getreue und devote Amtsführung ein ‚lukrativer Platz‘ bei den Hintermännern oder gar bei den Oberen in Aussicht.

Dass ein seriöser Ordensbruder einen solchen Spagat nicht mitmacht, liegt auf der Hand. Erfüllt er nur den ersten Teil des Anforderungsprofils, muss es zwangsläufig zu einem ernsten, wenn nicht gar ‚tödlichen‘ Konflikt kommen.

***

Jonas Lévy ist ein engagierter Freimaurer und trat mit großer Begeisterung dem Christlichen Orden der wohltätigen Schottischen Ritter bei, in der Hoffnung und mit dem Ziel, dass er sich maurerisch und als Mensch weiterentwickeln könnte. Nach den ersten Erfahrungen in diesem Orden war er ernüchtert und empfand keinerlei Euphorie mehr. Nicht etwa, weil sein Interesse an der Freimaurerei erloschen wäre. Sondern einfach, weil vieles in diesem Orden nicht mehr stimmte und verlogen war.

So hatten die Oberen, ein limitierter Kreis von ‚moralisch anpassungsfähigen‘ Alt-Provinzipalen, Alt-Regiopalen und Ehrenmitgliedern ausschließlich aus der Regio Genava, einen aus ihrer Sicht ‚geeigneten‘ und unbescholtenen Bruder mit reiner Weste gesucht und während mehr als zwei Jahren bearbeitet, um ihn für das Amt als Provinzipal der Provinz Helvetia wählen lassen zu können … dies in der Hoffnung, dass sie einmal mehr – wie seit Jahren – eine unkritische Marionette manipulieren könnten … Doch manchmal kommt es im Leben ganz anders …

1DasAttentat

Geschäftsstraße 12, 8001 Zürich, Freitag, 29.5.2019, 17.42 Uhr

Dumpfe Schüsse erschrecken unerwartet die Passanten im geschäftigen Feierabendverkehr der belebten Bahnhofstrasse und Shopping-Meile in Zürich. Ein Mann fällt von Schüssen getroffen auf den Asphalt des Trottoirs. Abgefeuert aus nächster Nähe, in den Rücken, wie von den unmittelbar danebenstehenden Passanten sofort erkannt wird. In ihren Gesichtern sind Bestürzung und Angst zu lesen. Sie sind geschockt und wie gelähmt. Auf dem Trottoir haben sich Neugierige versammelt, drängeln und glotzen. «Ich bin fassungslos», sagt die modern gekleidete Ladenbesitzerin eines benachbarten Geschäftes ganz leise. «Eine Schießerei wie im Wilden Westen in der friedlichen Einkaufsstraße», bemerkt eine Passantin ängstlich. «Das ist eine versuchte Hinrichtung in aller Öffentlichkeit», brachte es ein News-Scout reißerisch auf den Punkt.

Der Täter kann in der dichten Fußgängermenge unerkannt flüchten. Ein Schuss hatte offenbar die rechte Schulter des Opfers zertrümmert. Diese war blutüberströmt und sah furchtbar aus.

«Hoffentlich überlebt er bei so viel Blutverlust», sagte ein Passant, zeigte demonstrativ auf die Blutlache auf dem Trottoir und ging dann zielstrebig weiter.

«Wie feige, einem Menschen in den Rücken zu schießen!», empörte sich gestikulierend eine jugendliche Bankangestellte mit Kurzhaarfrisur in einem dunkelblauen Hosenanzug.

Noch bevor die Polizei den Tatort für die Spurensicherung hermetisch mit rot-weißem Polizeiband abriegeln konnte, heulten schon die Sirenen der Ambulanz auf, die ein Passant umgehend mit der Notfall-Nummer 144 alarmiert hatte. Danach erfolgte das routinemäßige Programm der Stadtpolizei Zürich: Spurensicherung, Beweisaufnahmen und Aufnehmen der Personalien von Zeugen. Für eine umfassende fotografische, maßliche und materielle Beweissicherung wurde die Kriminaltechnische Abteilung der Kantonspolizei Zürich aufgeboten sowie Spezialisten des Forensischen Instituts Zürich beigezogen, die mit ihren faserfreien weißen Overalls und mit Latexhandschuhen sofort ihre Arbeit aufnahmen. Ein Spezialist der digitalen Forensik ließ eine Drohne über das erweiterte Areal des Tatorts kreisen, in der Hoffnung, auf diese Weise etwas über die Fluchtrichtung des Täters zu erfahren. Eine Tatwaffe konnte am Tatort nicht sichergestellt werden, lediglich drei Patronenhülsen, die von den Ermittlern nach dem Markieren der Fundstelle sofort in einen durchsichtigen Beweismittelbeutel gelegt wurden.

Schon hatten erste Leserreporter mit dem Smartphone Fotos geschossen und sie per SMS an die Boulevardmedien verschickt. Ein sportlicher Rettungssanitäter mit Scankamera am Helm versuchte das Opfer noch am Tatort zu reanimieren und die junge, schlanke Notfallärztin mit Kurzhaarschnitt unternahm weitere lebensrettende Maßnahmen. Der Rettungssanitäter hatte unmittelbar nach dem Verlassen des Rettungswagens die Scankamera am Helm eingeschaltet, da er der erste ist, der den Tatort verändert und gleichzeitig die Situation digital konservieren kann.

Erste Augenzeugen machten gegenüber der sofort herbeigeeilten Polizei unterschiedliche Angaben. Eine Passantin, Mitte dreißig, wollte fünf Schüsse gehört haben, ein anderer Passant hingegen nur drei. Ein junger Mann mit Rasta-Frisur gab an, einen auffälligen Mann unmittelbar vorher im Eingangsbereich des Gebäudes Nr. 10 der Bahnhofstrasse wartend gesehen haben, wie er konzentriert eine Papiertasche in der Hand hielt. Dieser Mann sei größer gewesen als er selbst, also über 1,80 Meter groß und von schlanker Statur mit braunem Teint. Er trug eine schwarze Jacke, dunkle Hose und weiße Turnschuhe. Da sich sofort eine Ansammlung von Passanten gebildet hatte, hatte sich niemand um den Schützen gekümmert. Dieser nutzte die große Hektik der Geschockten und der Gaffer aus, um sich möglichst unauffällig vom Tatort zu entfernen. Ein später zum Tatort erschienener Passant sagte aus, dass er gesehen habe, wie kurz nach den Schüssen ein Fahrer mit einer Papiertasche auf einem schwarzen E-Scooter vermutlich der Marke BIRD verkehrswidrig die Tramlinien überquerte und beinahe mit einem entgegenfahrenden Tram der Linie 13 kollidiert wäre. Ansonsten erhielt die Polizei keine konkreten Angaben, in welche Richtung der mutmaßliche Attentäter geflüchtet sein könnte. Trotz einer umgehend eingeleiteten großräumigen Fahndung, dem letzten Mittel der Polizei, konnte sie den mutmaßlichen Täter bisher noch nicht festnehmen.

Das Entsetzen angesichts der blutigen Tat in aller Öffentlichkeit war groß, weit über den Großraum Zürich hinaus. Sofort begannen Spekulationen darüber, was für ein schamloser Feigling das sein müsste, der einen Menschen in den Rücken schießt und nicht mal die Courage hat, einem mutmaßlichen Kontrahenten in die Augen zu schauen. War da die Mafia im Spiel oder fand hier ein Mordanschlag statt?

Unmittelbar nach dem Attentat nahm die Kantonspolizei Zürich die Ermittlungen zum Tötungsversuch auf und die Staatsanwaltschaft Zürich hat eine Strafuntersuchung gegen den mutmaßlichen Täter eingeleitet. In den ersten zwei Wochen ermittelte die Polizei erfolglos. Deshalb wurde eine Belohnung von 25‘000 Schweizer Franken ausgesetzt allein für Hinweise, die zur Klärung des Attentats beitragen. «Der Betrag entspricht der Bedeutung dieses Verbrechens», sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Allein die ungewöhnlich große Anzeige kostete – wie man bei den Insertionskosten nachlesen konnte – stolze 12'500 Schweizer Franken. Offenbar wollte die Staatsanwaltschaft den mysteriösen Mordanschlag und die Hintergründe möglichst schnell aufklären. «Wir sind sicher, dass irgendjemand irgendwann eine Beobachtung gemacht hat, die uns entscheidend weiterbringen wird», ergänzte der Sprecher. Die Polizei wusste aus Erfahrung und hoffte, dass bei einem solchen Geldbetrag jemand sein Schweigen brechen könnte.

Nach dem Attentat

2DieSpekulationen schießen insKraut

30.5.2019, einen Tag nach dem Attentat

Bereits in der Abend-Nachrichtensendung «10 vor 10» des Schweizer Fernsehens SRF 1 wurde der Name des prominenten Opfers bekanntgegeben. Weil es sich um die in der Wirtschaft und Politik im Raum Zürich bekannte und angesehene Persönlichkeit J. L. handelt, ist der Name rasch durchgesickert. Er war bekannt für seine Management-Seminare, in denen wenig doziert und viel debattiert wurde, mit großem praktischen Nutzen für die Teilnehmenden. Eine seiner häufigen Aussagen lautete: «Wer lernt, die richtigen Fragen zu stellen, wird automatisch zur richtigen Antwort finden.» Er war ein Mensch, der stets über den Zaun seines Schrebergartens hinausblickte. Auf Anfrage der Polizei hatten Angehörige des Opfers die Identität bestätigt. «Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun», erklärten sie.

Das Attentat wirft in der ganzen Schweiz hohe Wellen und löst ein großes Medienecho aus. War es ein Versehen? Wer könnte das Attentat begangen haben? Was ist das mögliche Motiv des Täters – das ist die Schlüsselfrage bei jedem Attentat oder Mordversuch. Wer könnte darin verwickelt sein? Viele Zuschauerinnen und Zuschauer waren geschockt über die Art des Mordanschlages, denn dem Opfer wurde feige von hinten in den Rücken geschossen. Entsprechend groß waren das Aufsehen und die Bestürzung über die Art des Attentats. Das löste in den Medien einen Shit-Storm der Empörung aus, es wurde von einer Mafiamethode gesprochen. Noch aber hielten sich Staatsanwaltschaft und Polizei nach der Tat mit Informationen zurück. Die Medien sollten nichts über die näheren Umstände der Tat erfahren, denn sonst würde möglicherweise Täterwissen bekannt werden. Deshalb wird explizites Täterwissen nicht in den Medien verbreitet, um Geständnisse auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen zu können. Abgesehen von der Tatsache, dass die Polizei unter Druck geraten könnte und Spekulationen in den sozialen Medien Tür und Tor geöffnet würde.

«Feiges Attentat an der Geschäftsstraße in Zürich.»

«Die Shopping-Meile ist geschockt!»

«Bekannte Zürcher Persönlichkeit durch Schüsse in den Rücken schwer verletzt.»

«Wir sind empört!»

«Welcher Mafioso schießt einem Menschen in den Rücken?»

«Nur ein kaltblütiger Feigling schießt in den Rücken!»

«Das Opfer schwebt in Lebensgefahr.»

«Wir hoffen!»

«Gerechte Strafe dem Attentäter!»

«Waren Hintermänner am Werk?»

Dies sind nur einige der knackigen Schlagzeilen, die nach der Tat in den Printmedien zu lesen waren. Das Fernsehen zeigte Bilder vom Tatort und von den Trauerkarten der Anteilnahme. Auf einer Karte stand: «Ich wünsche dir einen starken Schutzengel, der Schöpfer wird dir beistehen!» Auf einer anderen: «Alles Gute, edler Mensch!» Auf einer weiteren: «Ich kann es nicht glauben, ich bin schockiert!»

Menschen legten noch am Freitagabend am Tatort unmittelbar nach dem Attentat farbige Blumen nieder und zündeten ‚Kerzen der Hoffnung‘ an, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete. Dies bezeugte das große Mitgefühl der Menschen. Das Interesse und die Anteilnahme an diesem scheußlichen Verbrechen waren überwältigend.

«Ich kenne J. L. persönlich und möchte mit einem kleinen Strauß von ein paar Rosen, Lorbeer, Chrysanthemen und Schleierkraut dem vorbildlichen Menschen und engagierten Tierfreund symbolisch meine tiefsten Gefühle der Hoffnung mitteilen, sodass er dieses abartige Verbrechen überlebt», teilte eine modisch gekleidete, geschockte und nachdenkliche Frau einem Journalisten unter Tränen mit.

Rasch machten erste Gerüchte in den Boulevardmedien Blick, Blick TV und 20 Minuten die Runde, Schlagworte wie ‚Verschwörungstheorien‘, ‚Mafia-Methode‘ und ‚Freimaurer‘ fielen dabei. Dies nicht zuletzt daher, weil das Opfer, J. L. vor kurzem auf Anfrage einer Freimaurer-Loge auf dem Lindenhof, CH-8001 Zürich – wie das immer auch Nicht-Freimaurer tun – an einer öffentlichen Veranstaltung vor Vertretern aus Politik und Wirtschaft einen aufsehenerregenden Vortrag hielt mit dem Titel ‚Ethik und Nachhaltigkeit im Management‘.

***

Auf dem Lindenhof, einem Hügel mitten in der Stadt und in schönster Lage in Zürich mit Aussicht auf die Altstadt und die Limmat, arbeiten zehn Freimaurer-Logen, drei Hoch- und Nebengradlogen sowie eine Frauenloge.

Der Lindenhof bildet den ältesten Kern der Stadt Zürich. Eine erste Besiedlung des Hügelzugs wird spätestens 1500 v. Chr. vermutet; eine keltische Siedlung am Lindenhof ist für das 1. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen. Bereits in der frühgeschichtlichen Entwicklung der Stadt in der Zeit der Römer diente dieser hügelige Teil auf der linken Seite der Limmat als Stellung für ein Kastell. So fand man 1747 am heutigen Lindenhof einen römischen Grabstein mit der bisher ältesten Nennung der Stadt. Die auf das 2. Jahrhundert datierte Bezeichnung STAtionis TURICensis weist auf eine römische Zollstation mit dem Namen Turicum hin. Wahrscheinlich diente der Ort der Befestigung der Rheingrenze durch Kaiser Valentinian I. Während der Einwanderung der Alemannen zu Beginn des 5. Jahrhunderts blieb das Kastell auf dem Lindenhof bestehen.

Im Frühmittelalter stand auf dem Hügel erst eine karolingische, dann eine ottonische Pfalz. Die Gebäude wurden wohl nach dem Aussterben der Grafen von Zähringen abgetragen. Herzog Albrecht I. von Habsburg, Stadtherr von Winterthur, versuchte deshalb Zürich einzunehmen und zog mit einem Heer vor die Stadtmauern. In dieser verzweifelten Situation hätten sich die Zürcherinnen der Überlieferung zufolge als Krieger verkleidet und seien mit langen Spießen auf den Lindenhof gezogen. Die Belagerer glaubten, ein starkes Heer sei in die Stadt gelangt und hoben die Belagerung auf. Die Brunnenfigur des Lindenhofbrunnens erinnert an die heldenhaften Zürcherinnen, die sich als Krieger verkleidet hatten und so den Belagerern ein großes Heer vortäuschten.

Bis in die frühe Neuzeit diente der Platz den Zürchern für Versammlungen. 1798 wurde auf dem Lindenhof beispielsweise der Eid auf die helvetische Verfassung geschworen. Bis heute ist der Platz mit Linden bepflanzt. An seinem südlichen Ende steht das Logengebäude. Neben dem Haus führt unter einer Abdeckung eine Treppe in den Untergrund, wo Reste von Bauten aus vier Bauepochen besichtigt werden können.

***

In seinem gut strukturierten und visualisierten Vortrag zeigte J. L. wegweisende Maßnahmen auf und plausibilisierte Modellrechnungen, um künftig in der Wirtschaft mit einem Nullwachstum den Planeten vor der Kollaboration retten zu können. Kriege würden künftig um Ressourcen wie sauberes Wasser und saubere Luft geführt. Weil es dabei ums nackte Überleben der gesamten Menschheit dieses Planeten geht, werden Religionskriege unbedeutender werden, weil dadurch die Menschheit gezwungen wird, endlich das Gemeinsame zu leben und nicht mehr das Trennende. Wenigstens ein kleiner Fortschritt!

«Ich bin kein ‚Grüner‘, sondern verantwortlicher Unternehmer, der jedoch die viel proklamierte und mittlerweile abgegriffene Worthülse ‚Nachhaltigkeit‘ ernst nimmt und versucht, sie vorzuleben», so J. L. «Die Friedensbemühungen müssen weiterhin mit großem Einsatz vorangetrieben werden. Denn Frieden ist kein Urzustand, sondern eine Errungenschaft, dies kommt praktisch einem Naturgesetz gleich. Aber die Unfähigkeit zu nachhaltigem Denken und Handeln scheint in der Natur des Menschen zu liegen. Ideologien und links-grüne Fantastereien reichen nicht, es gehe nur mit finanzierbaren Projekten, die von einer demokratischen Mehrheit getragen werden. Qualität statt Quantität und ressourcenschonendes Wirtschaften.»

Er konnte auf wissenschaftlicher Basis und mittels faktenbasierter Algorithmen – das war neu – belegen und glaubhaft überzeugen, dass es funktioniert. Die ersten Pilotprojekte haben das bestätigt und die Erwartungen bei weitem übertroffen. So zeigte er an einem Beispiel der Kommunikation konkret auf, dass die Natur in Millionen von Jahren elegante Lösungen gefunden hat, die viel weniger Ressourcen verbrauchen und zu besseren Entscheidungen führen. Seine Demut gegenüber der Natur war greifbar spürbar.

Er rief leidenschaftlich zu einem Umdenken auf: «Metanoia, ändert euren Sinn! Taten statt Worte, handeln statt Reden!» Am Schluss des informativen Vortrages erntete er eine minutenlange Standing Ovation. Der Präsident des Wirtschaftsverbandes der Stadt Zürich, Dr. Thomas Bluntschli, überreichte ihm drei Flaschen edlen Rotwein Grand Cru Saint Emilion AOC 2018 - Château Chante Alouette, 7.5 dl, 14 % und sieben dunkelrote Baccararosen mit Schleierkraut. «Diese seien für seine Frau gedacht, damit er sein schlechtes Gewissen durch die vielen Abwesenheiten von zu Hause etwas besänftigen könne», bemerkte der Präsident mit einem schelmischen Augenzwinkern.

***

«Schänden die Freimaurer immer noch Jungfrauen und opfern sie kleine Kinder?», wie manche Menschen behaupten. «Sollte dieser Mann ein Verschwörungstheoretiker sein? Ist er Mitglied in einer Freimaurer-Loge? Ist er jemand, der Suizid begehen sollte, weil er durch Misswirtschaft dreimal Konkurs erlitten oder eine Firma an die Wand gefahren hat, und das nicht getan hat? Hat er sein Aufnahmegesuch mit seinem eigenem Blut unterschrieben? Musste er sterben, damit ein anderer als Freimaurer aufgenommen werden konnte? Ist er an einer internationalen Konspiration beteiligt? Oder strebt er mit seinen Brüdern und den Juden die Weltherrschaft an?»

Es ist, wie Albert Einstein sagte, nach wie vor leichter, ein Atom zu zertrümmern, als Vorurteile abzubauen. Die vorherrschende Desinformation über die Freimaurerei lässt sich, wie die Praxis zeigt, nicht bekämpfen. Das gleiche gilt für Verschwörungstheorien, die ordentlich Aufwind haben. Es gibt in der Gesellschaft leider eine zunehmende Bereitschaft, Verschwörungstheorien anzuhängen, die sich aufklärerisch geben und vorgeben, die ungeschönte Wahrheit über Dinge zu sagen, welche die Medien verschweigen würden. Die zunehmende Komplexität der Welt hat diese Bereitschaft verstärkt. Verschwörungstheorien und konspiratives Gedankengut sind umso attraktiver, je allumfassender sie sind und wenn sie ein einfaches Welterklärungsmodell liefern. Auf den einschlägigen Seiten fehlt ein korrektes Impressum, gleichzeitig wird aber um Spenden gebeten. Mittlerweile ist es salonfähig geworden zu sagen, die Experten seien verlogen. Dieses Expertenmisstrauen und das Gerede von postfaktischem Zeitalter oder alternativen Fakten schafft eine Grundstimmung, die dazu führt, dass sich Leute ihre eigene Position schnitzen auf der Basis irgendwelcher abstruser Ideen und Faktenfreiheit mit Meinungsfreiheit verwechseln. Das aber ist Glauben und nicht Wissen. Fakten spielen bei Verschwörungsgläubigen und selbsternannten ‚Gläubigen‘ nur eine untergeordnete Rolle. Sie akzeptieren ausschließlich ihre eigene Wahrheit. Wie kann man nur Fakten ignorieren? Wer Fakten leugnet, leugnet die Realität. Sind wir wieder so weit, dass Realitätsverweigerer und Fanatiker versuchen mit Hasskommentaren zu beweisen, dass die Erde halt doch flach ist? Grenzt das nicht eher an Dummheit? Aber vor allem: Dummen Leuten darf man nicht so viel Raum und vor allem nicht zu viel Macht geben, sonst kann es gefährlich werden. Wenn sie sich selbst schaden, ist das in einer freien Gesellschaft legitim. Aber wenn sie anderen schaden, indem sie die Fakten ignorieren, darf man das nicht einfach gelassen hinnehmen. Das wäre dumm, aber Dummheit hat heutzutage leider Hochkonjunktur! Ist dies das Resultat einer ungenügenden Kommunikations- und Dialogfähigkeit? Seit Descartes wissen wir, dass die Vernunft die Grundlage der Kommunikation ist. Ohne Vernunft bleibt nur die Ausflucht zur Beleidigung, Ausgrenzung und Verspottung. Das passiert heute – und das ist gefährlich. Denn ohne Dialog können faktenwidrige Aussagen nicht verhindert werden.

Es erstaunt immer wieder, in wie vielen Bereichen sich Menschen Wissen und Fähigkeiten zuschreiben, die sie gar nicht haben. Charles Bukowski formulierte es so: «Das Problem ist, dass intelligente Menschen voller Zweifel sind, während die Dummen voller Vertrauen sind.» Die Dummheit hat aufgehört, sich zu schämen. Es ist leider folgendermaßen: «Dumme Menschen haben schon mehr Schaden angerichtet als Waffen.» Ebenfalls von Albert Einstein stammt die viel zitierte Bemerkung, dass es nur etwas gebe, was noch unendlicher sei als das Universum: die menschliche Dummheit. Es gibt aber noch die Schlauen. Schlauheit ist sehr effektiv und schnell, weil sie keiner weiteren Reflexion bedarf, was bloß die egoistischen Ziele beeinträchtigen würde. Weil sie so alle tieferen Einsichten verhindert, ist sie das Äquivalent der Dummheit – gegen alle Intelligenz. «Die Einsicht kommt, wenn überhaupt, im Tempo einer Wanderdüne.»

Die Freimaurerei hat ihre gesellschaftspolitischen Wurzeln in der Aufklärung. Sie vertritt den Standpunkt, dass der Mensch vernunftbegabt ist und sich ausreichend Kompetenzen aneignen kann, um vernünftige Entscheidungen treffen zu können. Seit Immanuel Kant sollte daher die ganze Welt aufgeklärt sein. Schön wär’s! Aber Missbrauch hat es immer gegeben … sowohl in der profanen Welt wie auch in der Freimaurerei und im christlichen Orden. Freimaurer sind nicht per se bessere Menschen.

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Dass er Mitglied einer Freimaurer-Loge ist oder gar in einer Hochgradorganisation aktiv sein könnte, wurde bisher weder erwähnt noch aufgespürt … Vermutlich ist dies jedoch nur eine Frage der Zeit. Denn die Provinz Helvetia im Christlichen Orden der Schottischen Ritter mit Sitz in Genf ist rechtlich ein Verein, was bedeutet, es dürfen Mitgliederverzeichnisse von der Behörde eingesehen werden. Die Provinz Helvetia hat eine informative Homepage www.schottische-ritter.com und die Adresse steht im öffentlichen Telefonverzeichnis. Zudem verfügt die Provinz Helvetia wie auch die Regio Genava mit Sitz in Genf regelmäßig über Einkommen von Spenden, kleinen und großen Legaten und ist demzufolge steuerpflichtig. Niemand käme auf den Gedanken, dass es sich beim Opfer sogar um den Großmeister eines Hochgradordens handeln könnte. Wehe, wenn ein Journalist gar die verrückte Idee hätte, bei der national tätigen Provinz Helvetia in Genf zu recherchieren … dann könnten sich Vorurteile eventuell schnell bestätigen.

Doch Mord, das widerspricht jeder Ethik der Johannisfreimaurerei. Aber gilt das auch im Orden der Schottischen Ritter?

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In der Zwischenzeit recherchierten die Journalisten auf Hochtouren. Die Mitgliedschaft des Opfers in der Schweizer Freimaurer-Johannisloge Templum Unitatis (Tempel zur Eintracht) wurde vom Stuhlmeister dieser Loge in Absprache mit seiner Frau bestätigt. Bisher unerwähnt blieb, dass das Opfer auch Mitglied in einer Hochgradorganisation wie dem Orden der Schottischen Ritter ist.

3DieMedienkonferenz berichtet über dasOpfer

31.5.2019, zwei Tage nach dem Attentat

Anwesend waren Journalistinnen und Journalisten der Printmedien: 20 Minuten, Blick, Tages-Anzeiger, Neue Zürcher Zeitung, Die Weltwoche.

Die Kantonspolizei Zürich informierte am Samstagmorgen, den 31.5.2020 um 10.00 Uhr im Zuge einer kurzfristig angesagten Medienkonferenz die Presse und Onlinemedien. Gemäß den Aussagen des Pressesprechers der Polizei des Kantons Zürich «handelt es sich beim Opfer um Jonas Lévy. Der 63-jährige Mann, eine weit über den Raum Zürich hinaus bekannte Persönlichkeit, ein Unternehmer und professioneller Verwaltungsrat von Start-up Unternehmen, hat sein Büro an der Geschäftsstraße 12. Ihm wurde unmittelbar nach dem Verlassen des Gebäudes aus kurzer Distanz von hinten mit drei Schüssen aus einer Pistole mit Schalldämpfer direkt in den Rücken geschossen.»

Der Täter zeigte damit seine enorme Kaltblütigkeit. Das schwerverletzte Opfer wurde unmittelbar nach dem Attentat mit der Notfall-Ambulanz ins Universitätsspital Zürich gefahren. Noch während dem Transport wurden lebensrettende Maßnahmen durchgeführt. Wie die Polizei weiter ausführte, «wollte er das vor dem Gebäude der Geschäftsstraße 12 bereitgestellte Fahrrad behändigen, um wegzufahren. Der Fahrradrucksack der Marke Mammut gefüllt mit Dokumenten und der Fahrradhelm retteten dem Opfer das Leben. Denn ein Projektil blieb im Rucksack stecken, das zweite durchschlug die rechte Schulter und das dritte Projektil wurde vom Fahrradhelm mit urbanem Design der Marke Smart-Helm Livall ins Hirn abgelenkt. Die Hirnverletzung ist so schwer, dass er nach wie vor in Lebensgefahr schwebt. Es ist gar möglich, dass sein Gehirn lebenslang geschädigt bleibe.

Keiner der am Tatort befragten Passanten konnte eine aussagekräftige Beschreibung des mutmaßlichen Täters abgegeben. Er trug vermutlich eine verspiegelte Sonnenbrille und eine schwarze Basketball-Mütze mit den Buchstaben ‚NY‘. Einem Passanten ist aufgefallen, dass ein Fahrer eines schwarzen E-Scooters vermutlich der Marke BIRD mit einer Migros-Einkaufstasche aus Papier unmittelbar nach den drei Schüssen in der Nähe des Tatortes verkehrswidrig die Tramschienen überquerte. Ein anderer will gehört haben, wie das Opfer noch einen unverständlichen Namen murmelte.» Die Experten der Stadtpolizei Zürich äußerten, «dass vieles daraufhin deute, dass das Attentat hektisch und ohne allzu große Vorbereitung durchgeführt worden sei und dass der Täter vermutlich überstürzt gehandelt habe.»

Über diese Mutmaßungen wollte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen keine weiteren Ausführungen machen, weil es sich um Täterwissen handle. Weiter vermutet die Polizei, «dass – wie Augenzeugen ausführten – sich der Täter möglichst unauffällig, also an den Langsamverkehr von Fußgängern und Fahrradfahrern anpassend, vom Tatort entfernt haben könnte und dann ein paar Straßen weiter unauffällig und unbemerkt auf ein anderes Verkehrsmittel umgestiegen sein könnte, um sich großflächig vom Tatort zu entfernen. Aber obwohl die Stadtpolizei Zürich in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei alle Ausfahrtstraßen aus der Stadt unmittelbar nach dem Attentat großräumig kontrollierte und abriegelte, konnte der Täter nicht gefasst werden. Nach wie vor ist das Motiv der Tat unbekannt.» Recherchen der Boulevard-Zeitungen Blick und 20 Minuten, des Tages Anzeigers und der Weltwoche sowie einer schweizerischen Journalistengruppe zeigen, dass es mit einem Auftragsmord in der Freimaurerei zu tun haben könnte.

Aus Sicherheitsgründen wurde das Opfer inzwischen vom Universitätsspital in ein anderes Spital verlegt und dort wird das Opfer von der Polizei rund um die Uhr bewacht. Dies erfolgte, nachdem der Zustand des Opfers stabil war und es in ein Wachkoma versetzt werden konnte.

Die neusten Recherchen von politisch links- bis rechtsstehenden Medienschaffenden befeuerten das Interesse der Journalisten an der Medienkonferenz der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Dies insbesondere, weil das Opfer Freimaurer ist. Daher stellten sie Fragen wie:

«Wer hat da die Hände im Spiel?»

«Wusste J. L. zu viel?»

«Welche Rolle spielte Jonas Lévy in der Freimaurerei?»

«Sollte er sterben, weil er zu viel wusste?»

«War das Opfer ein Verschwörungstheoretiker?»

«Rache unter Freimaurern?»

«Krieg zwischen Freimaurer-Logen?»

«Könnte es ein Beziehungsdelikt sein?»

«Hat das Opfer Dreck am Stecken?»

«Sollte es eine ‚ernsthafte‘ Warnung, eine letzte Chance sein?»

«Hatte das Opfer den Selbstmord verweigert und sollte er darum ermordet werden?»

«Wollte man das Opfer ‚nur‘ einschüchtern?»

«Haben die drei Schüsse in einem Dreieck eine rituelle Bedeutung?»

«Gibt es konkrete Hinweise auf einen rituellen Mordversuch?»

«Auch im 21. Jahrhundert gibt es noch Geheimnisse in der Freimaurerei.»

«Gibt es einen Zusammenhang mit dem aktuellen Finanzskandal in einer Großbank?»

«War der bisher unbescholtene J. L. in illegale, gar kriminelle Geschäfte involviert?»

Alle diese Fragen lägen ausschließlich im Bereich der Spekulationen, auf die es bis heute keine konkreten Anhaltspunkte gäbe, entspannte der Pressesprecher die Fragerunde. Auf die tendenziöse Frage, ob das Opfer in seinem lebensbedrohlichen Zustand noch einen Namen oder einen Hinweis abgegeben habe, gab der Sprecher der Polizei keine Antwort, das heißt, weder verneinte er sie noch bejahte er sie, was logischerweise wieder Raum für Spekulationen bot. Die Zürcher Kantonspolizei und die Zürcher Staatsanwaltschaft versicherten, dass sie in alle Richtungen untersuchen und nach Vorliegen von konkreten Ergebnissen informieren würden. Sie gab aber auch unumwunden zu, dass sie im Moment keine konkrete Spur hätten und die Ermittlungen bisher eher einem Stochern im Nebel glichen.

4DieStaatsanwaltschaft informiert

6.6.2019, eine Woche nach dem Attentat

Milchstraße 14/16, 8004 Zürich

Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich sah sich – entgegen ihrer Planung – gezwungen, vorzeitig eine Medienkonferenz einzuberufen. Dies aus den folgenden zwei Gründen: Einerseits nahm die Häufung von Gerüchten, Fake News und Verschwörungstheorien, die noch von Dokumentarfilmen im Fernsehen genährt wurden, ein noch nie dagewesenes Ausmaß an, das die Staatsanwaltschaft rasch zu einer sachlichen Aufklärung zwang, und andererseits war das Informations-Bedürfnis über den Gesundheits-Zustand des Opfers groß geworden.

Daher war der spontane Anruf eines Freimaurer-Bruders und engen Freundes des Opfers bei der Polizei und insbesondere bei der innovativen Vorsitzenden der Staatsanwaltschaft überaus willkommen, «um etwas Klarheit zu schaffen und die brodelnde Gerüchteküche zum Schweigen zu bringen. Denn die Staatsanwaltschaft hofft stark, sich danach wieder der eigentlichen sachdienlichen Ermittlungsarbeit widmen zu können.»

Die Vorsitzende der Staatsanwaltschaft hatte mit ihren unkonventionellen und teilweise kreativen Methoden bei Juristen weit über Zürich hinaus für Aufsehen gesorgt. Der Erfolg ihrer Arbeit war deckungsgleich. Daher waren alle Anwesenden gespannt, was sie so kurz nach dem Attentat zu sagen hatte. Als sie ihr Mikrofon einschaltete, war es totenstill im Saal. Sie eröffnete die Medienkonferenz mit den Worten:

«Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind froh, dass wir in so kurzer Zeit ein wenig Licht in das Dunkel dieses Falles bringen konnten.» Sie spricht schnell und präzise und fährt sich mit der linken Hand durch ihre langen schwarzen Haare, «wir können euch heute zwei Informationen mitteilen, eine gute Nachricht und eine – nein, nicht eine schlechte – sondern eine zuversichtliche. Zur guten Nachricht Folgendes: Wir erhielten gestern einen Telefonanruf von einem Freimaurer, der in der gleichen Loge Mitglied ist wie das Opfer. Dabei handelt es sich um einen guten und langjährigen Freund des Opfers.

Die Gerüchte, die tendenziösen Spekulationen, altbackenen Klischees und die Flut von Vorwürfen im Internet und in den sozialen Medien über die Freimaurerei, aber noch mehr die tendenziösen Berichte über das Opfer im Zusammenhang mit kriminellen Aktionen und gar einen geäußerten Zusammenhang mit der Mafia haben ihn zutiefst geschockt. Daher möchte er sich als Freimaurer outen und ein paar ‚aufklärerische‘ Worte zur Freimaurerei und zur Person des Opfers sagen. Wir von der Staatsanwaltschaft haben uns entschieden, diesem Anliegen zu entsprechen, entgegen der üblichen Agenda. Der Prozess sieht das eigentlich nicht vor. Wir machen eine Ausnahme und erachten es als wichtig, gerade in einer Zeit von grassierenden Verschwörungstheorien, einen Insider und Kenner der Freimaurerei zu Wort kommen zu lassen. Außerordentliche Vorkommnisse verlangen nach einem außerordentlichen Vorgehen.»

Mit «Herr Huber, Sie haben das Wort», übergab die Vorsitzende Staatsanwältin dem besagten Herrn das Wort.

Herr Huber, ein jovialer Mittfünfziger mit Vorlieben für hellblaue Hemden, Reisen und Musik, erhob sich leicht angespannt von seinem Stuhl, marschierte zielstrebig nach vorn zum Rednerpult, holte tief Luft und begann nach einer kurzen Atempause mit fester Stimme und souverän zu sprechen:

«Sehr geehrte Vorsitzende,

meine geschätzten Damen und Herren,

mein Name ist Georg Huber und ich bin wie das Opfer, Jonas Lévy, Mitglied in der Freimaurer-Johannisloge Templum Unitatis, zu Deutsch Tempel zur Eintracht, die auf dem Lindenhof in Zürich in den drei Graden Lehrling, Geselle und Meister arbeitet. Früher fanden sich viele Akademiker in den Logen zusammen. Daher stammen aus dieser Zeit zahlreiche Logen mit lateinischen Namen, die in neuer Zeit gegründeten Logen sind hingegen viel schnörkelloser und tönen weniger elitär. Freimaurer schienen es zu lieben, zu latinisieren. Ob sie damit einen gewissen Bildungsanspruch signalisieren wollten, der unnötig ist? Ich gebe es zu, die Freimaurer waren in der Tat seit jeher eine geheimnisvolle Bruderschaft voller Riten und Gebräuche, die Außenstehenden, ‚Profanen‘ wie wir sagen, mehr als schleierhaft erscheinen.

Wir beide, Jonas Lévy und ich, stehen offen zu unserer Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge – warum auch nicht? – wie viele andere auch, das ist ja nicht anstößig, höchstens für viele ungewohnt. Ich habe nie ein Geheimnis gemacht um meine Mitgliedschaft als Freimaurer, alle meine Freunde und Bekannten wissen, dass ich Freimaurer bin. Ich muss Kritikern der Freimaurerei grundsätzlich in einem Punkt Recht geben: Vielleicht würden weniger Verschwörungstheorien über die Freimaurerei publiziert, wenn mehr Mitglieder sich als Freimaurer zu erkennen gäben oder gar Mitglied einer Loge würden. Dann würden sie feststellen, dass der Nachbar, der Pfarrer, der Lehrer, der Coiffeur, der Mechaniker, der Dirigent des Kirchenchors, der Hausarzt, das Mitglied im Quartierverein und der Politiker, ob politisch links oder rechts, der Christ, der Jude und der Moslem Mitglied in einer Freimaurerloge sind. Einige spielen in ihrer Freizeit Fußball, andere singen in einem Chor und wieder andere spielen Karten. Freimaurer sind vor allem Menschen wie Sie und ich. Nach den vielen, vor allem negativen Berichterstattungen in den Medien, ist es mir ein echtes Anliegen, sowohl über die Freimaurerei wie auch zur Person des Opfers sachdienlich zu informieren. Allein schon, dass die Freimaurerei in Diktaturen, im Kommunismus und während der Nazi-Herrschaft in Deutschland verboten war, sollte jeden freiheitsliebenden Menschen in Demokratien aufhorchen lassen.

Ich war empört über die abstrusen Ideen, Spekulationen und inkompetenten Schilderungen über die Freimaurerei, die nun schon seit mehr als 300 Jahren existieren. Die Freimaurerei hat ihren Ursprung bei den Steinmetzen, die die imposanten gotischen Kathedralen bauten – selbsterklärend noch ohne Computer und Excel-Tabellen. Wie soll eine Organisation wie die Freimaurerei die Weltherrschaft anstreben, in der es tabu ist, sich im Namen der Freimaurerei über Fragen der Politik und Religion zu äußern?

Jedem neu in den Bund der Freimaurer aufgenommenen Mitglied wird vom Stuhlmeister versichert, dass das Gelübde, das er ablegen wird, nichts enthält, was die Verpflichtung gegenüber seiner Familie, der Gesellschaft oder dem Vaterland verletzen könnte. Dies ist eine erlösende Aussage. Zudem sind die Philosophie und das Wertefundament der Freimaurerei von Freimaurern in die Menschenrechtskonvention der UNO eingegangen wie auch in viele Staatsverfassungen, so beispielsweise in die der USA, von Frankreich und der Schweiz. Es ist eine große Stärke der Freimaurerei, dass in den Logen das tolerante Miteinander der unterschiedlichsten Menschen, Religionen und Berufen praktiziert wird. Es wäre ein großer Wunsch von mir, wenn diese Toleranz in der profanen Gesellschaft ebenso verbreitet wäre. Dann gäbe es mehr Frieden und weniger Konflikte in der Welt. Schon die Römer wussten es: Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor.

In einer Zeit, die von Kaltblütigkeit und Verrohung und einem dramatischen Verlust an ethischer und moralischer Verantwortung geprägt ist, kommt der Freimaurerei eine wichtige und bedeutende Aufgabe innerhalb unserer Gesellschaft zu. Das Problem besteht aber darin, dass niemand weiß, was ethisch ist, was moralisch korrekt ist. Moral ist ja ein individuelles Konzept. Jedermann hat ein separates, persönliches Verständnis davon. Die Freimaurerei jedoch verfügt über das Werte-Fundament und -Instrumentarium, das sich bestmöglich eignet, um sich in der schnelllebigen, oberflächlichen und orientierungslosen Zeit daran orientieren zu können. Es ist für eine Gesellschaft nach wie vor wichtig, über ein stabiles Wertekorsett zu verfügen.

Um es mit aller Deutlichkeit klarzustellen, das scheußliche Attentat auf Jonas Lévy hat nichts, aber auch gar nichts mit den Werten und Tugenden der Johannisfreimaurerei zu tun. Um es offen und ehrlich zu sagen, ein Attentat mit Rückenschüssen ordne ich eher dem organisierten Verbrechen zu. Zugegeben, Freimaurer verüben auch Delikte, das sind Menschen wie Sie und ich und alle anderen auch. Ich spekuliere: Beim Attentat könnte es sich um die Tat eines Verrückten gehandelt haben. Verrücktsein ist immer eine Frage der Perspektive. Aus der Sicht des Täters war es vielleicht das Opfer.

Die Tragik bei vielen Verbrechen ist, dass sie im Nachhinein betrachtet völlig sinnlos und einfach nur traurig sind. Da ist nichts Mysteriöses. Das Böse ist kein Faszinosum, sondern in der Regel einfach dumm. Wer kann schon in das Hirn eines fanatischen, durchgeknallten Menschen blicken? Will unter Umständen jemand bewusst den Verdacht auf die Freimaurerei und ihre geheimnisumrankte Welt lenken? Der Täter ist noch nicht gefasst, man kennt das Motiv nicht. Aber sollte beim Verbrechen ein Freimaurer beteiligt gewesen sein, dann handelt es sich um einen Ausnahmefall, einen Einzeltäter, einen Neider oder einen psychisch Kranken, einen Verrückten oder einen Gauner, der vom rechten Weg abgekommen ist, wie es leider täglich vorkommt. Die Freimaurerei unter Generalverdacht für Verbrechen und Verschwörungstheorien zu stellen, ist absurd und sollte für aufgeklärte Menschen im Kommunikationszeitalter des 21. Jahrhunderts längst überholt sein. Es ist insbesondere die Freimaurerei, die sich ausdrücklich die Loyalität zum Staat und den Respekt vor der Religion zur Pflicht gemacht hat.

Das Opfer, Jonas Lévy, ist nicht nur ein vorbildlicher Freimaurer, er ist ein langjähriger guter Freund von mir und auch ein ehrenwerter Mensch. Er ist belesen, aber auch Emotionen und Empathie bestimmen sein Verhalten. Er ist leise im Ton, sachkundig und professionell im Umgang, hoch engagiert und präzise in seinen Aussagen. Er lässt die Brüder in seine Seele blicken und zeigt sich leidenschaftlich. Er ist kein Anführer, sondern eine Führungspersönlichkeit. Damit ihr euch von Jonas Lévy ein grobes erstes Bild machen könnt, möchte ich euch meine erste Begegnung mit ihm schildern, die für mich wegweisend war.

Jonas Lévy hielt vor Jahren in einer Johannisloge auf dem Lindenhof in Zürich einen Vortrag, eine Zeichnung, wie wir Freimaurer sagen, zum Thema ‚Bauplan‘. Bauplan nennt man den Arbeitsteppich, der in der Mitte des Tempels auf dem Boden ausgelegt wird. Darauf sind bekannte freimaurerische Symbole enthalten wie Zirkel, Winkelmaß, Senkblei oder das Musivische Pflaster, ähnlich einem Schachbrettmuster von schwarzen und weißen Quadraten.

Bruder Jonas, wie wir uns ansprechen, begann seinen Vortrag, indem er demonstrativ ein Hühnerei mit einer Hand hochhielt und dann seinen Vortrag mit der Frage eröffnete ‚Wer von den anwesenden Biologen, Chemikern, Ingenieuren und selbst von Theologen oder Buchhaltern könnte ein Ei in dieser Vollkommenheit und Perfektion herstellen?‘ Blitzartig herrschte vollkommene Ruhe im Vortragssaal, alle Anwesenden hörten aufmerksam und gespannt zu. Keiner der Zuhörer gab eine Antwort oder bejahte die Frage … Er hatte unmittelbar zum Nachdenken und zur Reflexion der Frage angeregt. Jonas hatte mit seiner Leidenschaft, seiner Kompetenz und Ausstrahlung den Raum mit seinem Einstieg und seinen neuen Erkenntnissen im Nu eingenommen, die er in einem vollkommen neuen Zusammenhang präsentierte …

Spannend hat er einen Bogen geschlagen vom simplen freimaurerischen Bauplan zum Bauplan des wahren Lebens, zur Natur und dem Leben, zum Immunsystem, zum Universum … und zur Spiritualität. Er hat die Gelassenheit eines buddhistischen Mönchs. Jonas ist ein Mensch mit sehr großem Respekt vor dem Leben in all seinen Formen und Arten in der Natur. Er spricht nicht von Gott, er spricht vom Schöpfer, vom Architekten, von einer Energie, einer Autorität, vom Baumeister oder von einem ordnenden Prinzip und hoher Kreativität. Ich denke, Jonas ist nicht religiös, sondern spirituell.

Er ist fest davon überzeugt, dass Spiritualität – das Verlangen nach etwas Universellem, Geistigem – notwendiger ist denn je. Er stellte fest, dass unsere materiell orientierte Gesellschaft ihre spirituellen Wurzeln verloren hat. Viele Menschen sehen keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit und im Leben. Noch nie gab es so viele Suizide bei gleichzeitig größtem Wohlstand. Dies erst recht, nachdem die Finanzwirtschaft die Realwirtschaft in eine tiefgreifende Krise gestürzt hat. Der Respekt gegenüber Institutionen hat abgenommen, Normen lösen sich auf. Intoleranz und Egoismus nehmen zu. Ob es um Klimawandel oder um Gendersprache geht, leben wir in einer Periode der Wut – und Wut führt häufig zu Gewalt. Die sozialen Medien stecken voller Hass. Der öffentliche Diskurs hat an Qualität verloren und an Polarität gewonnen. Viele Menschen können oder wollen nicht mehr die Wahrheit sagen. Man konnte insbesondere während der Coronazeit einen Rückzug aus den Fakten beobachten und die Hinwendung zu Emotionen. Was führt zu solcher Aggression? Es sind, gemäß den Neurowissenschaftlern, genau definierte Zellen im Gehirn, diesem wunderbaren Organ, die der Aggression zugrunde liegen. Unter den knapp 100 Milliarden Zellen, die zu den komplexesten gehören, die das Leben hervorgebracht hat, lassen sich die Areale für Gefühle wie beispielsweise Aggressionen lokalisieren. Und so orchestriert das Gehirn die Bausteine aller Emotionen. Mit der Komplexität des modernen Lebens ist es schlicht überfordert. Das Leben hat seine biblische Einfachheit verloren und ist in seiner vielschichtigen Modernität komplizierter geworden.

Immer mehr Menschen setzen sich über Normen und Regeln hinweg. Es braucht nicht mehr viel, bis es ins Ungesunde kippt. Unsere Gesellschaft braucht eine Bewusstseinsveränderung und unsere Wirtschaft einen neuen Geist. Wir müssen wieder vermehrt Werte thematisieren, die sich lohnen, weiterentwickelt zu werden. Werte wie wahre Menschenliebe, Bruder- und Schwestertreue, Respekt, Anstand, Bescheidenheit, Demut, Toleranz, Solidarität und Spiritualität. Spiritualität, vereinfacht als unser Verhältnis zur geistigen Welt bezeichnet, verleiht uns Optimismus und Hoffnung. Es lohnt sich, im Materiellen das verborgene Geistige, das Unsichtbare zu entdecken.

Er warnte aber gleichzeitig vor der Illusion zu glauben, dass der vielbesagte Tempel der Humanität jemals fertig und der Freimaurer jemals vollkommen sein wird. Die Ecken seines rauen Steines bedürfen einer permanenten Bearbeitung. ‚Der Spitzhammer bleibt unser Werkzeug bis ans Lebensende‘, zitierte er den Stuhlmeister aus dem Aufnahmeritual. Und trotz dieser Verantwortung soll der Freimaurer maßvoll genießen und gesellig sein. Er schloss seine Ausführungen in Anlehnung an einen Ritualtext: ‚Seid wachsam auf euch selbst, seid bescheiden und demütig!‘

Das war seine Botschaft.

Geschätzte Anwesende,

ich habe noch nie eine solche knisternde Atmosphäre bei einem Vortrag erlebt wie bei Jonas Lévy, ich hatte noch nie so viele plausible Erkenntnisse mitnehmen können, als ich den Logensaal verließ wie bei ihm. Endlich, nach vielen Jahren als Mitglied in einer Freimaurerloge, hatte ich die Botschaft des Bauplans im Freimaurer-Tempel begriffen und weit mehr! Noch in der folgenden Zeit haben mich seine Ausführungen bis heute beschäftigt und angeregt … das ist Jonas Lévy, ein liebenswürdiger und gutmütiger Mensch. Er ist ein Macher, der führt, riskiert und persönliche Verantwortung übernimmt. Er hat große Zivilcourage. Er hat ein Gemüt für schwierige Situationen. Er hat gute Nerven und keine Scheu vor Entscheidungen. Wenn er redet, wirkt er überlegt. Er gibt keine sozial erwünschten Antworten.

Er ist überdies ein äußerst kreativer Mensch, der die ausgetretenen Pfade verlässt und Neues wagt. Er ist einer, den die von Druck und Hitze unabhängigen und ‚absoluten‘ Naturgesetze mehr inspirieren als menschengemachte, nicht nachhaltig durchdachte Gesetze, dies, obwohl er sehr gesetzestreu lebt. Noch mehr nervt ihn das Soft Law, weiche Regulierungen, die als Vorgaben auf internationaler Ebene entstehen, beispielsweise bei der OECD oder G-20 und die irgendeinen Maßstab heranziehen und ihn als Standard festlegen. Derartiges internationales Soft Law, das sich nicht aus Gesetzen ergibt, sondern Interpretationen der Behörden darstellt, ist schlicht die Macht der Stärkeren ohne staatsvertragliche Grundlagen. Ein Gesetz sollte grundsätzlich klar angeben, was legal und was illegal ist.

Er sagte mal philosophisch, dass wir die Naturgesetze kennen, aber nicht wissen, woher die Regeln kommen, genau wie beim Urknall, der bewiesen ist, aber dessen Ursprung verborgen bleibt. Er – absolut kein Esoteriker – befasste sich auch kritisch mit der interessanten Frage ‚wer oder was ist Gott?‘. ‚Angesichts der Größe und der Komplexität des Alls können wir am Ende nur kindlich einfach denken und demütig werden‘, offenbarte er mir einmal nach einer mehrstündigen interessanten Diskussion über Gott und die Welt. Da erkannte ich den wahren Kern von Jonas, der sonst entsprechend seinen beruflichen Herausforderungen meistens sehr fokussiert, zielorientiert und sachlich wirkt.

Er ist aber auch ein Mensch mit sehr hohem Anspruch an sich selbst und hat einen hohen Gerechtigkeitssinn. Oft ist er als Kind mit aufgeschlagenen Händen nach Hause gekommen, weil er sich im Namen der Gerechtigkeit geprügelt hatte. Da er genau wusste, dass es im Leben nur Recht und Unrecht gibt, bewegten ihn immer die großen Fragen um Recht und Gerechtigkeit. Er strebt nach Gerechtigkeit für die Natur, den Menschen und die Erde. Es ist ihm zwar bewusst, dass das Leben und die Natur nicht gerecht sind, dass nicht alles justitiabel ist, insbesondere nicht vor einem Gericht. Nach Jonas Lévy gibt es noch genügend himmelschreiende Ungerechtigkeiten unter den Menschen, die man jedoch beseitigen könnte, wenn der politische Wille oder die persönliche Zivilcourage nur vorhanden wäre. Brüder, die ihn gut kennen, wissen, dass er äußerst sensibel auf Ungerechtigkeiten reagiert. ‚Ich will in diesen Abgrund an Ungerechtigkeiten in diesem Orden nicht mehr blicken müssen‘, äußerte er an einer Sitzung. Es gibt Menschen, die können zwischen den Zeilen lesen, er jedoch kann zwischen den Sätzen fühlen.

Jonas ist ein offener Geist, der nicht nur erkennt, sondern konkrete Maßnahmen umsetzt. Er denkt und handelt nach dem Motto Taten statt Worte. Und diese Person soll ein ideologischer Verschwörungstheoretiker sein, einer, der Delikte begeht, und einer, der mit der Mafia zusammenarbeitet? Im Gegenteil: Er ist derjenige, der diesen Verbrechern das Handwerk legen will und das könnte der einzige Grund sein, ihn umzubringen, weil er sich standhaft dagegen wehrt und damit Gaunern gefährlich wird.

Mich als bekennenden Freimaurer betrübt noch etwas anderes persönlich. Dieses schreckliche Attentat, das nie hätte passieren dürfen, befeuert nun wieder Verschwörungstheorien, das Geheime und Dunkle im Zusammenhang mit der Freimaurerei, die absolut unbegründet und fehl am Platz sind. Die Freimaurerei ist ein ethischer Bund von Männern und zunehmend auch von Frauen mit hehren Zielen wie beispielsweise der Vervollkommnung des Menschen und die aktive Wohltätigkeit. Im Gegensatz zu den Service-Clubs ist es jedoch verpönt, die karitativen Tätigkeiten an die große Glocke zu hängen. Wir sind nicht nur monetär wohltätig, sondern auch immateriell, indem wir uns beispielsweise um ältere, gebrechliche Menschen und lebende Kreaturen kümmern.

Geschätzte Medienschaffende, ich bitte Sie um kritische, aber wohlwollende Berichterstattung zu diesem Fall. Ich wünsche Bruder Jonas Lévy von ganzem Herzen, dass er möglichst bald genesen sein wird und danke allen Anwesenden für die Aufmerksamkeit!»

«Herr Huber, vielen Dank für Ihre wertvollen Ausführungen», sagte die Vorsitzende sichtlich dankbar für die klärenden Worte und übernahm wieder den Vorsitz.

«Zurück zum Opfer. Jonas Lévy befindet sich nach wie vor im künstlichen Koma. Die Ärzte warnten, dass bei Patienten, die sehr lange im künstlichen Koma liegen, gehäuft Kreislaufprobleme auftreten können, weil die körpereigene Regulation des Blutdrucks streikt. Zudem erhöhen die künstliche Beatmung und das Still-Liegen über Wochen hinweg die Gefahr von Thrombosen und können das Immunsystem schwächen.

Gemäß den Ärzten ist sein Zustand jedoch stabil, ‚aber er ist noch nicht über den Berg‘. Die Ärzte wollen nichts riskieren, sind verhalten zuversichtlich und möchten den Verlauf des Gesundungsprozess nicht unnötig gefährden. Das darf doch wohl als positiv und zuversichtlich gewertet werden. Mehr kann im Moment zu diesem Fall nicht gesagt werden. Wir ermitteln weiter und halten Sie auf dem Laufenden, sobald wir neue Erkenntnisse haben. Zwar schweigen sich die Behörden aus ermittlungstaktischen Gründen darüber aus, wie sie genau vorgehen werden. Es bleibt nun Zeit für Fragen. Haben Sie aber bitte Verständnis, dass ich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht alle Fragen ausführlich beantworten kann», sagte die Vorsitzende und schaute etwas reserviert in die Teilnehmerrunde.

«Konnte der Täter schon gefasst werden?» – «Nein.»

«Gibt es schon konkrete Hinweise auf den Täter?» – «Nein. Es werden noch weitere Zeugen befragt und Überwachungskameras ausgewertet.»

«Gab es Mittäter?» – «Das ist gegenwärtig noch Gegenstand der Ermittlungen.»

«Gemäß einem Passanten soll das Opfer noch einen Namen gemurmelt haben, kennt man diesen Namen?» – «Nein, die Aussage war zu undeutlich.»

«Wird das Opfer im Spital immer noch bewacht?» – «Ja.»

«Warum?» – «Wir möchten jedes Risiko vermeiden.»

«Warum besteht noch ein Risiko?» – «Dies ist in erster Linie eine reine Vorsichtsmaßnahme. Sollte sich aber bestätigen, was Herr Huber angesprochen hat, dass das Opfer eventuell über kriminelle Aktivitäten zu viel weiß, könnte er tatsächlich Feinde haben, die ihn durch ein Attentat aus dem Weg schaffen möchten. Das ist der Worst Case, und wir fühlen uns verantwortlich dafür, ihn abzudecken.»

«Besteht ein Zusammenhang mit der Freimaurerei?» – «Das ist reine Spekulation, darüber gibt es im Moment keine Hinweise.»

«An der Medienkonferenz der Kantonspolizei Zürich wurde berichtet, dass drei Schüsse in einem Dreieck abgefeuert wurden. Können Sie dazu mehr sagen?» – «Nein», erwiderte die Vorsitzende zögerlich.

«Gibt es weitere Fragen?», erkundigte sich die Vorsitzende und blickte in die Runde. Ihr Blick deutete an, dass sie keine Fragen mehr wünschte. – Es meldete sich niemand.

«Es werden keine Fragen mehr gewünscht. Vielen Dank für ihr Interesse.» Mit diesen Worten schloss die Vorsitzende die Medienkonferenz.

5Medienberichte über dasOpfer und dieFreimaurerei

13.6.2019, zwei Wochen nach dem Attentat

Nach der Information durch die Staatsanwaltschaft haben die Medien ausführlich und konstruktiv über den Freimaurer Jonas Lévy und die Freimaurerei berichtet.

Der Freimaurer Jonas Lévy

Das Opfer, Jonas Lévy, ist ein langjähriges Mitglied der Schweizer Freimaurerloge Templum Unitatis mit Domizil auf dem Lindenhof in Zürich. Dort hatte er während seiner Mitgliedschaft verschiedene Funktionen ausgeübt. Er war auch einmal Stuhlmeister, also Vorsitzender der Loge, was einem Vereinspräsidenten entspricht. Alle Menschen, mit denen er zu tun hatte, sei es in seinen beruflichen Stationen, im obligatorischen Militärdienst, in der Politik, in Vereinen und auch in der Loge, fanden ausnahmslos warme Worte für ihn: «Er war ein sympathischer und gewinnender Mensch, immer wenn man ihm begegnete, ging die Sonne auf!» Er wird als ehrenwerter, gradliniger, berechenbarer und kritischer Vorgesetzter beschrieben, der mit einer sozialen Ader seine Mitarbeitenden fordert, aber auch fördert. Außerdem wird er als äußerst belesen geschildert und als jemand, der die Fähigkeit hat, mit den unterschiedlichsten Menschen auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren. «Er sei standhaft und stehe zu seinem Wort», so der Grundtenor von vielen, die sich über ihn äußern. Er hat einen unbescholtenen Leumund. Alle, die ihn näher kennen, bezeichnen ihn als bescheiden und demütig. Und obwohl er Offizier war in der Armee, sind ihm aufgeblähte Hierarchien, sinnentleerte Befehle und Stechschritte zuwider. «Er war ein echter Troupier und ein mitreißender Leader mit natürlicher Autorität», so beschrieben ihn die Soldaten. In seinem ganzen Leben gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder gar für kriminelle Aktivitäten.

«Er ist ein ausgesprochener Hunde- und Pferdenarr», beschreibt ihn eine Bekannte. Mit Hunden sei er seelenverwandt. ‚Hunde seien die besseren Menschen: ehrlich, loyal und treu‘, hatte er einem guten Freund erzählt, und wenn er einen Hund streichle, spüre er eine spirituelle Energie und in seiner Seele eine tiefe Verbindung zum unendlichen Universum. Das mache ihn glücklich. «Ich habe schon erlebt, dass er bei seinen Hundespaziergängen an nassen Tagen Schnecken vom Asphalt aufhob und sie ins Gras legte, damit sie nicht zertreten werden.»

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Mittlerweile wurde intensiv weiter recherchiert. Dabei wurde bekannt, dass das Opfer auch Mitglied in einem Freimaurer-Hochgradorden ist, zudem noch in der höchsten Funktion als Großmeister oder Provinzipal, wie die offizielle Bezeichnung lautet für die Provinz Helvetia im Christlichen Orden der wohltätigen Schottischen Ritter. Denn per Definition nennt man jedes Freimaurersystem, das über die drei symbolischen Grade Lehrling, Geselle und Meister mit Rittergraden hinausführt, ein Hochgradsystem.

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Die Boulevardmedien erwähnten, dass sie bei ihren Recherchen im Zusammenhang mit der Regio Genava, die zur Provinz Helvetia gehört, auf einen größeren Straffall gestoßen seien. Diese Delikte fanden jedoch lange vor seinem Amtsantritt statt. Die besagte Strafsache endete vor zwölf Jahren mit der Verurteilung des Drahtziehers und Einzeltäters, einem Mitglied der Regio Genava, wegen mysteriösen Drogendelikten im Raum Genf. Der Verurteilte wurde damals zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten und einer Geldbuße von 30.000 Schweizer Franken plus Verfahrenskosten verurteilt. Die Hintergründe über den Fall wurden jedoch nie ganz aufgeklärt. Ein weiteres Verfahren in diesem Zusammenhang wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt. Doch allen Versuchen zum Trotz, um möglichst schnell Gras über diese Verfehlungen wachsen zu lassen, kratzte es am moralischen Fundament der Regio Genava.

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Die Freimaurerei

Die Freimaurerei wird periodisch von den Medien aufgenommen, insbesondere nach negativen Schlagzeilen. – Böse Zungen behaupten, dass man darum so wenig über die Freimaurerei wisse! – Doch viel häufiger wird über Spenden an karitative Organisationen oder Institutionen berichtet. Freimaurerlogen haben unter anderem die bekannten Brockenstuben gegründet und betreiben Alters- und Pflegeheime und Stiftungen. Nach diesem scheußlichen Attentat berichten alle Medien wieder vermehrt ausführlich über alle Facetten der Freimaurerei, insbesondere über Negatives und die klischeehaften Verschwörungstheorien.

Um was geht es bei der Freimaurerei?

Die Freimaurerei ist ein ethisch-philosophisch orientierter Bund. Sie ist praxisorientiert mit dem Zweck, die in den Logen behandelten sozialen und ethischen Erkenntnisse im profanen Alltag umzusetzen. Freimaurerei hat den Menschen in Bezug auf sich selbst, seine Umwelt und das Universum zum Inhalt. Die moderne Johannis-Freimaurerei mit den drei Graden Lehrling, Geselle und Meister besteht mit ihren Logen und Großlogen seit mehr als 300 Jahren. Es interessiert heute niemanden mehr, dass große Denker, Musiker, Schriftsteller, Künstler und Humanisten ihr angehörten, die Politik und Gesellschaft prägten und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Menschlichkeit leisteten. Was zeichnet Menschlichkeit aus? Es sind Eigenschaften wie Empathie, Rücksicht, Achtsamkeit, Zivilcourage, Toleranz und Respekt gegenüber anderen Menschen. Eines der Hauptanliegen einer Loge ist die Förderung der Toleranz von unterschiedlichen Menschen. Es täte jeder Gesellschaft gut und wäre wirklich wünschenswert, wenn die Toleranz vermehrt praktiziert würde. Verständnis entwickeln für andere Meinungen, ohne dass wir sie übernehmen müssen. Das ist wirklich einer erster Schritt zur Völkerverständigung.

Die Freimaurerei motiviert ihre Mitglieder zum eigenen Handeln und zum Umgang mit sich selbst sowie dahingehend, die eigene Umwelt nach moralischen Maßstäben auszurichten. Sie gibt dem Einzelnen damit das Rüstzeug in die Hand, ihn in seiner Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten. Ziel ist hierbei ein gefestigter Charakter sowie im übertragenen wie im konkreten Sinne ein besserer Mensch zu werden. Die in der Freimaurerei verwendeten Symbole sind mit der immer wiederkehrenden Aufforderung verbunden, ständig über sich selbst sowie die eigene Beziehung zu anderen nachzudenken. Hierauf aufbauend ist das eigene aktive Handeln nach ethisch anspruchsvollen Maßstäben ausgerichtet. Aber es ist ein Irrtum zu glauben, dass man automatisch vom Wissen zum Handeln kommt.