Abstellgleis der Gefühle - Conny Celan - E-Book

Abstellgleis der Gefühle E-Book

Conny Celan

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Evelyn und Friedrich führen nach außen hin eine gute Ehe. Doch der Schein trügt. Friedrich ist ein Mensch, der alles und jeden in seiner Nähe unter Kontrolle haben muss. Fast schon zwanghaft und auch seine Ehefrau wird nicht davor bewahrt. Er tyrannisiert Evelyn auf eine ganz infame Art und Weise, bis diese keinen Ausweg mehr sieht und alles auf eine Karte setzt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 248

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Evelyn und Friedrich führen nach außen hin eine gute Ehe. Doch der Schein trügt. Friedrich ist ein Mensch, der alles und jeden in seiner Nähe unter Kontrolle haben muss. Fast schon zwanghaft und auch seine Ehefrau wird nicht davor bewahrt. Er tyrannisiert Evelyn auf eine ganz infame Art und Weise, bis diese keinen Ausweg mehr sieht und alles auf eine Karte setzt.

Inhalt

Vorwort

Zurück in die Vergangenheit

Wie alles begann

Das war die erste Episode mit Evelyn und Friedrich

Die Tage danach

Vorwort

Hallo, Ihr Lieben!

Ich danke meinem Mann Nino, der mich in allem unterstützt hat und mir Mut gemacht hat, wenn ich mal wieder vor einem weißen Blatt saß und keine Ideen hatte.

Einen lieben Dank auch an meine Freundin Bettina, die mit einer Idee meinem Roman neue Impulse gegeben hat.

Viel Spaß beim Lesen

Conny Celan

Evelyn saß in ihrer Schaukel, die erste Anschaffung, ohne Friedrichs Gemecker oder Kommentare, die sie gestern gemacht hatte, und sah nachdenklich zu ihren Nachbarinnen Barbara und Sabine hinüber und erwiderte mit einem Winken den Gruß. Hatten sie die Geschichte geglaubt oder sie für verrückt oder, noch schlimmer, für senil gehalten, als die Freundinnen vor einigen Tagen, genauer gesagt, an dem Tag nach der Nacht, in der ihr der Arzt im Krankenhaus sein Beileid ausgesprochen hatte, weil Friedrich einen Herzinfarkt nicht überlebt hatte, bei ihr waren und sie ihnen einen kleinen Teil aus der Vergangenheit, die Zeit ihrer Ehe, erzählt hatte. Sie hatte das Bild von Friedrich ziemlich ramponiert, das hatten die betroffenen Mienen der beiden deutlich gezeigt. Es war einfach über sie gekommen, wie ein Sturm, der sich einen Weg sucht. Den Frauen Dinge zu erzählen, die ihr Leben in den letzten Jahren zu einem Alptraum hatten werden und ihre Seele völlig erkalten lassen. Sie wusste, dass sie mit ihrem Redefluss wahrscheinlich keine Meisterleistung vollbracht hatte, und die beiden waren bestimmt auch entsetzt gewesen. Am Unglückstag ihres Mannes, den sie als höflichen, hilfsbereiten und freundlichen Nachbarn kennengelernt hatten, solche ungeheuerlichen Geschichten zu erfahren. Sie konnte es ja selber kaum glauben, wie lange sie diese ganzen Demütigungen und ständigen missbilligenden Blicke ertragen hatte. Die vielen Sticheleien und Gehässigkeiten. Wie sollten dann zwei relativ fremde Frauen, die ihr zwar viel bedeuteten, aber eben nur Freundinnen waren, die Geschichte für bare Münze halten. Dabei hatte sie nur einen Bruchteil dessen preisgegeben, was sie während der Ehe mit dem einstmals geliebten Mann durchgemacht hatte. War sie wirklich dumm und blind vor fast dreißig Jahren in ein Abenteuer geschlittert, als sie Friedrich geheiratet hatte? Ein Abenteuer, das sich langsam zu einer Hölle entpuppt hatte.

Warum hatte sie nie versucht, sich durchzusetzen, sondern immer stillgehalten.

Warum hatte sie sich nie getraut, einmal etwas gegen seinen Willen zu tun?

Die Frage konnte sie ganz einfach beantworten. Friedrich hätte niemals Widerspruch geduldet. Er war ein Despot und sein Wille war Gesetz. Diese ewigen Bevormundungen und Kränkungen, die im Lauf der Zeit immer mehr wurden und langsam, aber sicher ihre Seele in eine Eisscholle verwandelt hatten. Ihm aber dafür anscheinend grausames Vergnügen bereitet hatten. Zwar nie in der Öffentlichkeit, da war er als der perfekte Ehemann aufgetreten. Auch nicht in der Schule vor den Kollegen. Hier benahm er sich ihr gegenüber ebenfalls vorbildlich. Loyal und freundlich, wie man eben mit netten Kollegen umgeht. Aber dafür zu Hause in ihren eigenen vier Wänden, wenn sie allein waren. Da kamen dann die versteckten Gehässigkeiten und Gemeinheiten zum Vorschein. Der wahre Friedrich, der sich in Gesellschaft anderer immer charmant gezeigt und sein wahres Ich hinter einer strahlenden Fassade versteckt hatte. Evelyn hatte sich niemals vorstellen können, wie viel Boshaftigkeit in einer einzelnen Person stecken konnte. Barbara und Sabine hatten sich so eine gespaltene Persönlichkeit auch nicht vorstellen können und deshalb immer fassungsloser zugehört.

Jetzt war es zu spät. Sie hatte damals als junge Frau den Weg gewählt und auch vor ein paar Tagen eine Entscheidung getroffen, die alles veränderte und ihr ein Leben in Freiheit bescherte. Jetzt musste sie nicht mehr über die Vergangenheit nachgrübeln, keine Selbstzweifel mehr hegen, die Fehler nicht mehr bei sich suchen. Sondern nach vorn schauen und überlegen, wie sie ihr neues Leben gestalten würde. Wer weiß, wie viele Jahre das Schicksal noch für sie bereithielt. Sie blickte liebevoll auf das kleine getigerte Fellbündel, auch ganz neu in ihrem Haushalt, das zufrieden in ihrem Arm schnurrte. Sie würde wahrscheinlich nicht zu schnurren anfangen, aber irgendwann auch wieder zufrieden und vielleicht auch glücklich sein. Der erste und wichtigste Schritt, der Tyrannei zu entkommen, war getan. Alles andere würde sich bestimmt von selbst finden. Außerdem sagte man doch so schön, »jeder hat eine zweite Chance verdient«.

Barbara stand mit Sabine auf dem Balkon und sah mit gemischten Gefühlen auf die gegenüberliegende Seite, den Blick direkt auf die Terrasse von Evelyn gerichtet. Auch ihre Gedanken gingen nochmal zurück zu jenem Nachmittag, als Evelyn sich alles von der Seele geredet hatte, oder besser gesagt, dieses fast schon schonungslos zu nennende Gespräch stattgefunden hatte.

»Weißt du, ich habe in den letzten Tagen immer an Evelyn denken müssen. Glaubst du, dass Friedrich wirklich so ein Ekelpaket war, der sie schikaniert hat? Man kann sich das kaum vorstellen«, begann Barbara ihre Gedanken in Worte zu fassen.

»Was mich am meisten beeindruckt, dass sie nie etwas in dieser Richtung gesagt hat, nicht mal die kleinste Andeutung. Dass wir nichts gemerkt haben, was sich da drüben abgespielt hat, fast vor unserer Nase, macht mich ganz krank. Aber was hätten wir merken sollen? So etwas ist, glaube ich, die totale Gefühlskontrolle. Vielleicht ist das auch ein Teil der Erziehung dieser Generation, sämtliche Probleme für sich zu behalten, alles andere gilt als Schwäche. Nichts nach außen dringen lassen, über allem der Mantel des Schweigens. Aber wenn du mich fragst, ein trauriges Schweigen. Wir hängen immer alles gleich an die große Glocke, müssen Probleme nicht mit uns herumschleppen. Aber vielleicht hat sie es auch nicht gewagt, es jemandem zu erzählen, aus Angst, dass er dahinterkommt.« Sabine hatte ebenfalls immer wieder über das Gespräch mit Evelyn nachgedacht. Sie glaubte der Freundin, solche Dinge erzählte man nicht einfach, wenn es nicht wirklich erlebte Tatsachen waren. So etwas erfand man nicht. Außerdem hatte Evelyn es bestimmt nicht nötig, sich so in Szene zu setzen, als Märtyrerin in die Geschichte einzugehen. Dafür war sie viel zu aufrichtig und feinfühlig, und so etwas dachte man sich auch nicht aus, damit konnte niemand beeindruckt werden. Das sagte sie auch zu Barbara.

»Ich denke schon, dass sich alles so abgespielt hat. Wahrscheinlich sind da noch viel schlimmere Schikanen vorgekommen, die sie uns verschwiegen hat.«

Barbara nickte.

»Bestimmt hast du recht. Ich muss auch immer wieder an die letzten Jahre denken. Es war doch immer spaßig, wenn wir uns zu allen möglichen Gelegenheiten getroffen haben. Kann sich ein Mensch wirklich so verstellen?«

Zurück in die Vergangenheit

Evelyn und Friedrich Erdmann waren sehr nette und angenehme Nachbarn. Immer hilfsbereit und beliebt in der Straße. Hatten für jeden ein freundliches Wort übrig. Ein reizendes älteres Ehepaar, Evelyn etwas jünger als ihr Mann, das seit mehr als dreißig Jahren verheiratet war und jetzt den wohlverdienten Ruhestand genoss. Sie waren recht wohlhabend, trotzdem immer bescheiden geblieben. Niemals aufdringlich, eher etwas zurückhaltend. Hatten gute Berufe ausgeübt und am gleichen Gymnasium gearbeitet. Evelyn war Lehrerin, die Chemie und Physik unterrichtet hatte. Friedrich Studienrat, seine Fächer Mathematik und Englisch. Er hatte sich als Betreuungslehrer für Referendare sehr beliebt gemacht, eine englische Theater AG zum Erfolg geführt und später die Schulbibliothek geleitet. Den Aufstieg zum Oberstudienrat hatte er aber trotz aller Zusatzaufgaben nie geschafft. Ein Stachel, der ihn immer wieder höllisch gepiekt hatte. Die letzte Sprosse der Leiter war für ihn anscheinend immer zu hoch gewesen, oder seine zwanghaft ehrgeizigen Pläne hatten ihn daran gehindert, den Gipfel zu stürmen. Wahrscheinlich hatte er sich selbst im Weg gestanden. Sie hatten sich während des Studiums kennengelernt. Die ganz große Liebe, wie Friedrich bei jeder Gelegenheit betonte, so lange, bis er selber daran glaubte. Evelyn hatte bei diesen Sprüchen immer nur leise gelächelt. Sie hatte sich damals ein bisschen in ihn verliebt, aber es verging einige Zeit, bis sie wirklich ein Paar wurden. Sie bewohnten ein wunderschönes Haus mit riesengroßer Terrasse, umgeben von einem gepflegten Rasen, der einem Tennisplatz alle Ehre gemacht hätte. Ein paar sorgfältig angelegte Blumenbeete, die Sommerblumen blühten jedes Jahr in einer üppigen Farbenpracht. Eine hübsche Gartenbank, passende Stühle und ein Tisch vervollständigten diese scheinbare Idylle. Aber nicht ein welkes Blättchen war zu sehen. Kein Unkraut wagte es, aus der Erde zu sprießen. Friedrich wäre ihm sofort grausam zu Leibe gerückt. Man konnte fast meinen, er sitzt mit einem Fernglas am Fenster und beobachtet alles. Beim ersten Sonnenstrahl und etwas wärmeren Temperaturen, meistens so um Ostern herum, stellte Friedrich zwei Liegestühle heraus, dicht nebeneinander, dass sich die Lehnen fast berührten. Es sah immer so aus, als sei der Abstand mit dem Maßband abgemessen. Pünktlich zum Herbstanfang verschwanden die Möbel wieder, sehr gut eingepackt, im Winterquartier. Die Nachbarn saßen zwar nicht so oft draußen, selten zusammen, meistens nur einer allein, aber es gehörte sich nun einmal, dass über die Sommerzeit Gartenmöbel auf der Terrasse standen. Dieser Ablauf wurde schon seit Jahren so zelebriert. Die Nachbarn wussten immer ganz genau, wann Frühling oder Herbstanfang war. Sie brauchten keinen Kalender, mussten nur am schönsten Garten in der Straße, und die war recht lang, vorbeigehen und schauen. Das war alles.

Aber heute war irgendetwas anders.

Irgendetwas fehlte.

Barbara kam aber nicht gleich drauf, was da auf der gegenüberliegenden Seite nicht stimmte. Sie stand auf dem Balkon ihres Hauses und sah ratlos auf die Terrasse der Erdmänner, wie sie die Nachbarn liebevoll nannte. Friedrich hatte zwar etwas säuerlich ausgesehen, als er diesen Spitznamen das erste Mal hörte, aber dann doch auch darüber geschmunzelt. Sie konnte sich noch gut an den Zeitpunkt erinnern, fast zehn Jahre her. So lange wohnte sie nämlich schon in diesem Haus. Ihre Kinder waren damals noch winzig klein gewesen. Es war seinerzeit ihre Einweihungsparty gewesen. Auch im Juli. Ein Grillfest, und sie hatten alle viel Spaß gehabt. Sabine und Gregor, die beiden anderen Nachbarn, waren fast zeitgleich ins Reihenhaus gezogen. Kein Wunder, denn die beiden Anwesen waren ja im gleichen Monat bezugsfertig geworden, und sie hatten die Fete zusammengelegt. Es wurden auch einige Flaschen Sekt geleert. Wie sich das eben so gehörte bei einem Willkommensgruß für die Nachbarn.

»Die Stühle sind weg«, murmelte sie vor sich hin, als sie endlich rausgefunden hatte, was da drüben anders war als sonst.

»Ich muss sofort Sabine fragen, ob sie was weiß.«

Barbara und Sabine bewohnten mit ihren Familien Reihenhäuser, die dem Bungalow der Erdmanns direkt gegenüberstanden. Nur durch ein schmales Rasenstück, ungefähr so breit wie ein großes Badehandtuch, getrennt.

Sabine war zu Hause. Die beiden Frauen waren am späten Vormittag eigentlich immer daheim, weil nachher Mittagessen auf dem Tisch stehen musste, wenn vier hungrige kleine Ungeheuer, genauer gesagt, ihre Kinder von der Schule nach Hause kamen. Jasmin und Benjamin waren ihre zwei, Tobias und Susi gehörten zu Sabine und Gregor.

Barbara arbeitete nur hin und wieder nachmittags im Büro ihres Mannes, er war technischer Zeichner und hatte sich gleich nach ihrer Heirat mit zwei Studienkameraden selbstständig gemacht. Sie hatte bis zu ihrem ersten Kind, ihrer Tochter, ganztags mitgearbeitet. Jetzt reichten ihr die paar Stunden, ein kleines Taschengeld konnte man schließlich immer gut gebrauchen. Sie verfügte zwar über ausreichend Haushaltsgeld und brauchte auch keine Belege oder Kassenzettel zur Abrechnung vorlegen, wie das viele Frauen tun mussten, aber es machte einfach mehr Spaß, eigenes Geld für ganz persönliche Sachen auszugeben. Sie liebte ihren Job als Hausfrau und Mutter, hatte auch genügend um die Ohren mit Haus und Garten, aber ein, zwei Tage raus aus dem Trott war interessant und ihre eigenen beruflichen Kenntnisse verkümmerten nicht völlig. Außerdem liebte sie ein bisschen Abwechslung und die Decke fiel ihr auch nicht auf dem Kopf.

Sabine war immer zu Hause. Sie ging richtig auf in ihrer Mutterrolle und war die perfekte Hausfrau und Köchin. Es kam nicht selten vor, dass sie ihr selbstgebackenen Kuchen rüberbrachte, weil sie ein neues Rezept ausprobiert hatte.

»Hast du schon gesehen, die Stühle sind weg, die Terrasse ist leer«, sprudelte Barbara los, kaum dass Sabine auf ihr Klingeln hin die Tür geöffnet hatte.

»Das kann doch nicht sein, wir haben doch erst Mitte Juli und in Urlaub wollten die zwei ja auch nicht fahren, davon hätte uns Evelyn außerdem erzählt«, erwiderte Sabine auch etwas erstaunt. Sie hatte sofort gewusst, was Barbara meinte. In der vergangenen Zeit, in der die Familien hier wohnten, waren die Terrassenmöbel noch nie außer der Reihe weggestellt worden. Das war wirklich ganz außergewöhnlich. Die beiden Frauen gingen auf Sabines Balkon und guckten sprachlos auf den leeren Platz vor Evelyns Glastür. Die Stühle waren nach wie vor verschwunden.

»Ich habe also doch nicht geträumt oder mir eingebildet, ich sehe nicht mehr gut. Da ist irgendetwas los, die Fenster sind auch noch alle zu, nichts regt sich. Jetzt ist schon fast Mittagszeit«, mutmaßte Barbara.

Normalerweise wuselte einer von den beiden um die Zeit draußen herum.

»Lass uns nachher mal rübergehen, vielleicht ist etwas passiert und wir können helfen.«

»Jetzt mal nicht gleich den Teufel an die Wand. Was soll passiert sein? Wahrscheinlich sind die Möbel vor dem Haus und werden gerade geputzt oder neu gestrichen. Mal nicht immer alles gleich in den dunkelsten Farben«, versuchte Sabine die düsteren Gedanken ihrer Freundin etwas abzuschwächen. Aber selbst glaubte sie auch nicht so recht an das, was sie sagte. Reparaturarbeiten oder neue Streicheleinheiten wurden von Friedrich ganz penibel vor dem Rausstellen erledigt und nicht mitten in der Saison.

»Nachher gehen wir rüber und werden erfahren, dass alles in Ordnung ist und unsere Sorge völlig überflüssig war.«

Nach dem Mittagessen, die Küche war wieder aufgeräumt, die Kinder, zwar unter Protest und Gejammer wie jeden Tag bei schönem Wetter, mit Hausaufgaben beschäftigt, sie durften bei Sabine lernen, sie gingen ja in die gleichen Klassen, da war gemeinsames Arbeiten sinnvoll, trafen sich Barbara und Sabine und gingen zur vorderen Eingangstür der Erdmanns. Das Auto stand in der Einfahrt, also waren die Nachbarn daheim. Auch hier bot sich dem Besucher das gleiche Bild wie im Garten. Der Wagen, fast schon ein Oldtimer, glänzte in der Nachmittagssonne. Kein noch so kleines Kieselsteinchen lag auf der Erde. Da stand auch kein Mülleimer herum, oder lehnten zwei Fahrräder an der Hauswand. Aber auch keine Terrassenmöbel, die geschrubbt wurden. Alles war perfekt und ordentlich aufgeräumt, wie immer.

Barbara klingelte und hatte auf einmal so ein ganz mulmiges Gefühl in der Magengegend. Fast so etwas wie eine böse Vorahnung. Eine Gänsehaut kroch ihr den Rücken hoch und ließ sie frösteln. Mitten im Sommer, bei sehr warmen Temperaturen. Die Freundinnen mussten einige Minuten warten, bis Evelyn die Tür öffnete. Sie war blass und trug dunkle Kleidung.

»Hallo, möchtet ihr reinkommen, ich habe gerade frischen Kaffee aufgegossen. Ich muss euch was Trauriges erzählen«, begrüßte Evelyn die Nachbarinnen. Eine Kaffeemaschine gab es in ihrem Haushalt nicht. Friedrich hatte immer die Meinung vertreten, Kaffee schmeckt frisch aufgebrüht am besten. Vielleicht stimmte das ja sogar. Das war aber für ihn nicht der Grund. Seiner Meinung nach hatte sie schließlich Zeit, ein paar Minuten in der Küche zu stehen und kochendes Wasser in den Filter zu gießen. Das war ja nun wirklich nicht zu viel verlangt, dass er guten Kaffee zu trinken bekam und nicht so eine geschmacklose Brühe aus der Maschine, bei der Wasser nicht mal gekocht hatte, sondern nur heiß wurde. Friedrich hätte am liebsten alle technischen Errungenschaften der Neuzeit aus dem Haus verbannt. Wenn die Hausfrau gut kochen konnte und die Hausarbeiten ordentlich erledigte, obendrein noch sparsam mit dem Haushaltsgeld umging, war sie eine gute Hausfrau. Aber Spülmaschine, Waschmaschine oder Staubsauger brauchte man dazu nicht unbedingt. Früher hatten die Frauen diese Dinge auch ohne technische Hilfe erledigt. Obendrein noch mehrere Kinder großgezogen, ohne den Mann damit zu belästigen. Nur vergaß er zu erwähnen, dass früher die Frauen nicht berufstätig waren und sich voll und ganz auf die Familie und Haushalt konzentrieren konnten. In der heutigen Zeit konnten sich das nicht mehr so viele Familie leisten, da war ohne ein zweites Gehalt das Geld manchmal ganz schön knapp. Aber Friedrich hatte außerdem gut reden, wenn von Haushaltsdingen gesprochen wurde. Er hatte in seinem ganzen Leben niemals den Wasserkessel aufgesetzt oder Kaffeepulver in den Filter gegeben. Das war schließlich auch Frauenarbeit. Seine geheiligte Meinung. Nur dumme Sprüche aus dem vergangenen Jahrhundert.

Ganz beunruhigt folgten Barbara und Sabine der Freundin ins Wohnzimmer. Immer noch hatte Barbara dieses merkwürdige Gefühl von Kälte, das in ihrem Innern tobte. Während Evelyn in die Küche ging, um Kaffee und Geschirr zu holen, sahen sich die Frauen um. Der Raum war schön eingerichtet. Zwar ein bisschen altmodisch und spießig, wie man jetzt so schön sagte. Mit Plüschsofa und Fransen am Schirm der Stehlampe, aber es hätte gut in ein Magazin für stilvolles Wohnen gepasst. Alles zeugte von gutem Geschmack und erlesener Eleganz. Möbel, die heute wahrscheinlich für Normalverdiener nicht mehr zu bezahlen waren. Echtes Holz, vom Schreiner nach Maß angefertigt. Kein zusammengeklebtes Spanholz, das umkippte, wenn man versehentlich dagegen kam. Kein Staubkörnchen verunstaltete die Schränke oder den wunderschönen Tisch. Kein Fusel lag auf den kostbaren Teppichen. Cremefarbene Spitzenstores und dunkelrote Übergardinen aus schwerem Samt schmückten die Fensterfront, die den Blick auf die immer noch leere Terrasse freigab. Die beiden Farben fanden sich im Polster und in den Teppichen wieder, alles harmonisch aufeinander abgestimmt. Es glänzte alles wie frisch poliert. War es bestimmt auch. Evelyn hatte selten etwas anderes in der Hand oder Schürzentasche als ein Staubtuch oder Wischlappen. Und so sah es im ganzen Haus aus. Hier unten in Wohnzimmer, Diele, Küche und Badezimmer. Genauso wie in der oberen Etage, wo Schlafzimmer, Gästezimmer, ebenso ein kleines Büro untergebracht waren. Aber hier war ja auch niemand, der etwas schmutzig machte. Keine Kinder, die in dreckigen Schuhen reinlatschten oder sich die Nasen an den frisch geputzten Fensterscheiben platt drückten. Keine Haustiere, die haarten. Diese beiden Erwachsenen zogen die Straßenschuhe noch vor der Haustür aus und tauschten die Ausgehkleidung, sobald sie im Haus waren. So war diese Generation eben noch erzogen worden.

»Was ist denn passiert, warum trägst du schwarze Kleidung?«, fragte Barbara gleich spontan, kaum dass Evelyn das Wohnzimmer betreten und ein beladenes Tablett abgestellt hatte. Sie war in solchen Dingen immer etwas direkt und kam ohne Umschweife zur Sache. War aber die Hilfsbereitschaft in Person und sofort zur Stelle, wenn sie gebraucht wurde.

»Ich musste Friedrich heute Nacht mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus bringen lassen. Es ging ihm gestern Abend schon nicht gut. Es war aber schon zu spät, er hat es nicht überlebt. Die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun«, erklärte Evelyn mit völlig gefasster Stimme. Überhaupt wirkte sie emotional fast entspannt. Gar nicht in Tränen aufgelöst oder sonst irgendwie besonders traurig. Sie unterließ es, zu erzählen, dass ihm sehr wohl hätte geholfen werden können, wenn er rechtzeitig behandelt worden wäre. Sie hatte zu spät den Krankenwagen gerufen. Mit voller Absicht. War sie deswegen eine Mörderin? Musste sie deshalb auf ewig ein schlechtes Gewissen haben? Vor dem großen Schöpfer vielleicht. Aber im Moment empfand sie gar nichts. Sie spürte eine Ruhe und innere Ausgeglichenheit. Ein Zustand, den sie sehr lange, fast schon zu lange, vermisst hatte. Hätte sie bis zum Rest ihres Lebens die ewigen Demütigungen und Kränkungen ihres Mannes erdulden sollen? Nein, nein und nochmals nein.

Hatte sie überhaupt ein Recht auf ein eigenes Leben ohne die bösartigen und gemeinen Erniedrigungen, denen sie während ihrer Ehe, also fast zeit ihres Lebens, ausgesetzt gewesen war? Diese Frage konnte sie getrost mit Ja und mit gutem Gewissen beantworten. Es war, als hätte ein Teufelchen auf ihrer Schulter gesessen und ihr zugeflüstert: »Warte noch, dann hast du für immer Ruhe.« Außerdem wären dann die Tropfen, die sie ihm immer wieder ohne sein Bemerken verabreicht hatte, überflüssig gewesen. Ein starkes Herzmedikament, das bei gesunden Menschen bei regelmäßiger Einnahme eine Herzattacke verursacht. Er selber hatte sie zu dieser Verzweiflungstat getrieben. Durch einen Zufall war sie an dieses Medikament gekommen. Eine ehemalige Kollegin, mit der sie hin und wieder Kontakt haben durfte, hatte sie gebeten, dieses Rezept einzulösen, weil sie selber im Moment Probleme mit dem Laufen hatte. Ohne zu zögern hatte Evelyn zugestimmt. Sie hatte das Rezept in einer Apotheke, wo sie keiner kannte, eingelöst und war mit dem Medikament in der Tasche mit dem Bus ziellos durch die Stadt gefahren. Sie hatte Gedanken im Kopf, die sie eigentlich nicht haben durfte. Aber ein Gedanke blieb auf einmal hängen und sie sah alles genau vor sich. Diese Arznei könnte alle ihren seelischen Qualen mit einem Schlag beenden. Sie kam zwei Stunden später zu Hause an und musste Friedrich Rede und Antwort stehen, wo sie gewesen war, was sie gemacht hatte, warum sie so spät kam. Sie versuchte es zu erklären. Es war eben ein bisschen später geworden. Bei Kaffee und Kuchen war die Zeit wie im Fluge vergangen. Tausend Rechtfertigungen. Die spanische Inquisition war wahrscheinlich ein gemütlicheres Beisammensein gewesen, im Gegensatz zu dem Theater, was Friedrich aufführte. Da war ihr Entschluss auf einmal gefasst. Sie wusste nun, was sie zu tun hatte. Die Tropfen würden ihr zu einem neuen Leben verhelfen. Ohne Gewissensbisse. Das Schicksal hatte ihr mit dem Rezept sozusagen einen Wink geschickt. Dass sie eine kriminelle Tat plante und auch durchführen würde, war ihr in dem Moment nicht wirklich klar. Sie wollte nur endlich frei sein.

Sie lagen schon im Bett, als es ihrem Gatten auf einmal schlecht ging und er über Schmerzen und Ziehen in der Herzgegend geklagt hatte. Sie war zwar sofort aufgestanden und hatte als sehr besorgte Ehefrau ihn noch aufgerichtet und ein Kissen in den Rücken gesteckt, er sollte es ja schließlich bequem haben. Die Handgriffe hatte sie mechanisch ausgeführt, ohne etwas zu fühlen. Hatte ihm auch die schweißnassen Haare aus der Stirn gestrichen, aber das war so etwas wie ihre Abschiedsgeste gewesen. Ein Gefühl hatte ihr gesagt, dass jetzt alles bald vorbei ist. Sie war im Flur am Telefon vorbeigegangen, hatte es ignoriert und sich im Bad eingeschlossen. Außerdem den Wasserhahn aufgedreht. Sie wollte sein Rufen und Stöhnen nicht hören. Sie wollte gar nichts mehr hören und sehen. Auch das blasse Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen, das ihr im Spiegel entgegenblickte, nicht. Ihr einziger Gedanke war gewesen, dass Friedrich den Anfall nicht überleben würde, dass wenigstens dieses eine Mal ihre Gebete erhört wurden. Sie zog sich wieder an, Hose und Pulli hatte sie im Flur hängen lassen, und rief erst nach ungefähr einer Stunde den Rettungsdienst. Sie ging auch nicht mehr nach oben. Sie wollte und konnte seine vorwurfsvollen Blicke, falls er überhaupt noch bei Bewusstsein war, nicht ertragen. Außerdem hatte sie sich schon vor vielen Jahren von dem Menschen verabschiedet, den sie über eine lange Zeit, mehr als die Hälfte ihres Lebens, mit allen Sinnen und Gefühle geliebt hatte. Jetzt war eine Gleichgültigkeit an diese Stelle getreten.

Die Sanitäter kamen und er wurde ins Krankenhaus eingeliefert, schaffte es aber trotz der Geräte, an die man ihn im Notarztwagen angeschlossen hatte, nicht. Die Hilfe kam zu spät. Sie fuhr mit in die Klinik, sie wollte ganz sicher sein und nicht zu Hause auf den Anruf warten, der unweigerlich erfolgen würde. Außerdem wurde so etwas von einer Ehefrau erwartet. Es erschien ihr immer noch unwirklich, was da passiert war, was sie hatte passieren lassen. Was sie getan oder, besser gesagt, nicht getan hatte. Als der Arzt ihr im Krankenhaus seinen Tod mitteilte und mit einfühlsamen Worten sein Beileid aussprach, überkam sie eine kühle und passive Ruhe, als spräche er mit einer völlig Unbeteiligten. Aber mit gefasster Miene nahm sie die Worte auf. Sie war frei, die Tür ihres Gefängnisses hatte sich geöffnet.

Das alles konnte sie den beiden Freundinnen natürlich nicht sagen, das war und blieb tief in ihrem Herzen verschlossen, würde niemals wieder an die Oberfläche kommen. Wie eine Schublade, bei der man den Schlüssel verloren hatte. Sie durfte auch deshalb nicht darüber sprechen, es war und blieb trotz ihres Leidens eine kriminelle Handlung und das würde mit Sicherheit mit einer langen Haftstrafe enden. Deshalb musste es für immer tief in ihrem Inneren verborgen bleiben. Jetzt war sie die trauernde, aber tapfere Witwe, die zwar ihren Mann verloren hatte, aber nicht das Liebste auf der Welt.

Barbara, die sich noch nicht gesetzt hatte, ging auf Evelyn zu und umarmte sie. Sabine nahm einfach die beiden Freundinnen in den Arm. Worte waren jetzt völlig überflüssig und nicht nötig. Sabine und Barbara hatten Tränen in den Augen. Das war ja eine ganz furchtbare Tragödie, die sich da vergangene Nacht fast vor ihren Augen abgespielt hatte. Aber auf einmal fing Evelyn an zu reden. Es sprudelte aus ihr heraus wie aus einem aufgedrehten Wasserhahn.

»Friedrich war ein Scheusal und grausamer Tyrann. Nicht von der lauten Sorte, sondern ein ganz stiller. Ich habe ihn geliebt, aber in den letzten Jahren auch immer mehr verachtet. Ich hatte keinen Respekt mehr vor ihm. Nichts konnte ich ihm recht machen. Alles wurde zensiert, fast wie bei einer chemischen Formel in Einzelteile zerlegt.« Sie sprach, ohne Luft zu holen, ihr Blick war auf die Wohnzimmertür gerichtet, so als erwartete sie jeden Moment, dass Friedrich hereinkam.

Die hat vor lauter Trauer den Verstand verloren und redet wirres Zeug, dachte Barbara und sah Evelyn nachdenklich an. Menschen reagieren ja ganz unterschiedlich in ihrem Schmerz. Friedrich hat doch alles gemacht, sogar zweimal im Jahr beim großen Hausputz mitgeholfen, obwohl in diesem Haus ein großer Hausputz niemals nötig gewesen war, hier war alles blitzblank. Hat ständig im Garten gewerkelt, war oft etwas am Streichen. Das würde ihrem Gatten Thomas nicht einmal im Traum einfallen. Das höchste der Gefühle war Rasenmähen und im Winter Schnee schippen. Der konnte einen Wischlappen nicht von einem Besen unterscheiden. Er tat auf jeden Fall so und hatte für solche Dinge sowieso zwei linke Hände. Er war Techniker und für diese einfachen Arbeiten zu überqualifiziert. Aber er würdigte die Arbeiten einer Hausfrau und redete nicht alles nieder.

Aber Evelyn redete weiter.

»Er bestimmte den Tagesablauf und sogar das Fernsehprogramm. Nur kulturelle Sendungen oder Wirtschaftsmagazine und Nachrichten wurden angeschaut. Wenn ich nicht so richtig bei der Sache war und seine Fragen nicht genau beantworten konnte, diskutierte er stundenlang mit mir über mein mangelndes Interesse an der Politik und am Weltgeschehen. Sein Abschlussargument war dann meistens, »wie hast du nur überhaupt dein Studium abgeschlossen, von nichts eine Ahnung«. Nette Spielfilme oder eine Schlagersendung waren verpönt. Im Höchstfall eine Opernaufführung, die liebte er, obwohl er davon absolut nichts verstand. Meine Garderobe suchte er aus. Ihr wisst ja selber, wie ich immer angezogen bin. Zwar teuer und von sehr guter Qualität. Es muss schließlich noch den Rest meines Lebens halten, doch ohne ein bisschen Chic, langweilig eben, wie für eine alte Frau. Außerdem kam es sehr selten vor, dass ich mir was Neues kaufen durfte. Wenn man alt ist, braucht man nicht mehr so viel, war sein Lieblingsspruch. Aber bin ich wirklich schon zu alt für ein schickes Kostüm in einer modischen Farbe oder für ein wenig Lippenstift, den mochte er nämlich auch nicht. Überhaupt keine geschminkten Frauen, den Kommentar darüber könnt ihr euch sicher selber denken. Auf keinen Fall waren es schmeichelhafte Worte. Als junge Frau hat mir dieses Verhalten außerordentlich geschmeichelt. Da war seine krankhafte Besitzgier noch in einen Mantel aus Zärtlichkeit und Charme gehüllt und ich dachte einfach, so muss die ganz große Liebe sein, die mir allein gehört. Damals wusste ich es nicht besser, hatte keine Erfahrungen mit Männern und war ziemlich blind. Ich hatte auch niemanden, dem ich was anvertrauen konnte. Meine beste Freundin hatte sich nach unserem Studium verheiratet und war weggezogen. Doch die rosarote Brille der Verliebtheit hat sich ganz schnell dunkelgrau gefärbt. Er musste alles unter zwanghafter Kontrolle haben. Der Speiseplan für die Woche wurde jeden Freitag von ihm ausgearbeitet und dann danach eingekauft. Wenn ich etwas getan habe, was ihm missfiel, ignorierte er mich tagelang und strafte mich mit kalter Verachtung und Schweigen. Wahrscheinlich hätte er mich am liebsten wie in einem Klassenzimmer in die Ecke gestellt oder mit zwei Stunden nachsitzen zur Strafarbeit verdonnert mit dem Thema, ich muss auf das hören und tun, was mein Mann will. Ich hatte oft den Gedanken, meinem Leben ein Ende zu bereiten und den ganzen Gemeinheiten zu entgehen, aber diesen Triumph wollte ich ihm dann doch nicht gönnen. Ihr könnt mich jetzt für kaltherzig halten, wenn ich in so einem Moment, wo mein Herz und meine Gedanken von Trauer erfüllt sein sollten, so etwas sage. Aber es war schon sehr, sehr lange keine schöne Zeit für mich und ich empfinde nicht so, wie es für den Verlust eines geliebten Menschen sein sollte. Eigentlich nur Gleichgültigkeit. Ich glaube, ich bin sogar dem Schicksal dankbar, dass alles vorbei ist. Er hat mir meine Seele und mein Leben gestohlen und das hole ich mir jetzt zurück.« Die letzten Worte hatte sie ganz leise, fast nur zu sich selbst, gesagt.

»Warum hast du dich nicht von ihm getrennt, das wäre doch für euch beide das Vernünftigste gewesen?«, fragte Sabine mit weit aufgerissenen Augen. Sie verstand die Welt nicht mehr. Konnte es wirklich so etwas geben, oder hatte Evelyn übertrieben? Aber Evelyn war keine Person, die solche Beschuldigungen in den Raum stellte, wenn sie nicht stimmten, und vor allem nicht in einem solchen Moment. War auch niemand, der sich in irgendeiner Form profilieren wollte. Nur eines war klar: Verstehen konnte sie das Gehörte nicht. Friedrich, der immer so charmant und höflich war, sollte so grausam gewesen sein? Ein Mensch mit Persönlichkeitsstörungen? Der zu einer einfachen Grillparty im Anzug erschienen ist, niemals ohne den Blumenstrauß für die Dame des Hauses und eine Flasche Wein für den