Ad Astra – Chet Morrows Weg zu den Sternen, Neue Abenteuer 15: Das Schiff der Großen - Melanie Brosowski - E-Book

Ad Astra – Chet Morrows Weg zu den Sternen, Neue Abenteuer 15: Das Schiff der Großen E-Book

Melanie Brosowski

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Beschreibung

Die Nachricht schockierte: Ein Maki-Schiff ist im Heimatsystem der Geierköpfe gestrandet, es sind die Aliens, die bereits viel Leid verursacht haben, auch auf Terra. Das Schiff Aurora, zweiter Dyna-Carrier der Erde, ist mit Kapitän Phil Dickens und mit Chet Morrow als Commodore vor Ort, um die Makis zu retten, denn diese können nicht mehr lange durchhalten. Zugleich zeigt sich bei den Wesen, die von den Makis Todesrachen genannt werden, dass es Risse gibt zwischen den Kriegern und der normalen Bevölkerung, immer mehr Geierköpfe, vor allem Weibliche, wollen die endlosen Kriege beenden, die dazu geführt haben, dass ihre Nester immer leerer werden. Trotz aller Vorsicht der Makis wird ihr auf einem Mond verstecktes Schiff geortet. Kurz bevor die Menschen eintreffen, entert ein Trupp Krieger das Schiff. Zugleich finden die Patrouillenschiffe der Geierköpfe auch die Aurora, damit werden die Retter selbst zu Gejagten …

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Seitenzahl: 279

Veröffentlichungsjahr: 2025

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In dieser Reihe bisher erschienen

e601  Thomas T. C. Franke Ad Astra 01: Franke Schatten über dem Mars

e602  Thomas T. C. Franke Ad Astra 02: Die Kometenfalle

e603  A.N. O’Murtagh Ad Astra 03: Söldner der Galaxis

e604  Melanie Brosowski Ad Astra 04: Gestrandet in der weissen Hölle

e605  Thomas T. C. Franke Ad Astra 05: Jagt den Milan!

e606  Melanie Brosowski Ad Astra 06: Das Maki-Komplott

e607  Melanie Brosowski & Margret Schwekendiek Ad Astra 07: Hölle auf Eden

e608  Thomas T. C. Franke Ad Astra 08: Entscheidung auf Ceres

e609  Melanie Brosowski & Udo Mörsch Ad Astra 09: Die Aurora-Mission

e610  Melanie Brosowski & Udo Mörsch Ad Astra 10: Im Bann der Geierköpfe

e611  Thomas T. C. Franke Ad Astra 11: Geheimwaffe Dakota

e612  Thomas T. C. Franke Ad Astra 12: Der Malivia-Effekt

e613  Michael Edelbrock & Oliver Müller Ad Astra 13: Sodors Ultimatum

e614  Thomas T. C. Franke Ad Astra 14: Stunden der Angst

e615  Melanie Brosowski Ad Astra 15: Das Schiff der Großen

e616  Michael Edelbrock & Oliver Müller Ad Astra 16: Gefangen auf Sodor

e617  Thomas T. C. Franke Ad Astra 16: Schmuggler für Terra

DAS SCHIFF DER GROSSEN

AD ASTRA – CHET MORROWS WEG ZU DEN STERNEN, NEUE ABENTEUER

BUCH 15

MELANIE BROSOWSKI BROSOWSKI

Copyright © 2025 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

In Zusammenarbeit mit

Heinz Mohlberg Verlag GmbH, Pfarrer-Evers-Ring 13, 50126 Bergheim

Redaktion: Danny Winter

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

Die Printausgabe des Buches ist 2019 im Mohlberg-Verlag erschienen.

ISBN: 978-3-945416-62-4

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-68984-388-5

e615 vom 27.03.2025

INHALT

Was zuletzt geschah:

Zweimal Alpha Centauri

Neuer Plan, alter Hass

Rückblick auf die Meuterei

Wettlauf gegen die Zeit

Auf dem Schiff der Großen, 24 Stunden danach

Auf der Esperanza, im Erdorbit, vier Wochen später

Vorschau

Melanie Brosowski

Was zuletzt geschah:

Die Erde hat die angreifenden Sodoraner unter Fürst Jalif Hansar besiegt, ein gewaltiges Schiff der Großen wurde zerstört, ein Zerstörer konnte gekapert werden. Zahlreiche Gefangene waren auf der Erde, als John Sheffield wieder zuschlug. Der Mann, selbst Nachkomme von Sodoranern, sah seine Chance gekommen. Er wollte seit langem die Erde unterwerfen, nun versuchte er mit einigen Anhängern einen Coup, er attackierte in einer nächtlichen Aktion die Gebäude des Geheimdienstes und des Oberkommandos der Space Navy. Bei der Aktion fielen ihnen hochrangige Geiseln in die Hände, zugleich gelang es, einige Sodoraner, darunter Fürst Jansar, zu befreien. Es begannen die Stunden der Angst. Doch Chet Morrow konnte einer Gefangennahme durch Zufall entgehen, auch in Port Dyna spielten die Offiziere nicht mit. Auf der Horizont hielt sich Commander Megan Riordan zwar an den Befehl, sich im Hauptquartier zu melden, doch sie hatte zuvor ihre Besatzung instruiert, aufzupassen. Als der Kontakt zu ihr nach der Landung abrupt abbrach, aus dem Hauptquartier nur merkwürdige Befehle kamen, wurde die Besatzung aktiv. Anna-Maria Cruz startete einen ihrer berüchtigten Stunts mit einem New Dyna. Sie verursachte über den Gebäuden einen EMP, einen Elektromagnetischen Puls. Die Aufständischen wurden überrascht, waren blind und taub, konnten keine Befehle mehr übertragen, nichts mehr empfangen. Zugleich hatte sich John Sheffield ablenken lassen durch seinen alten Feind Cayden Vaughan, der Commander Riordan begleitet hatte. Doch Megan und Cayden gelang die Flucht, es begannen die Kämpfe mit Soldaten, die aus Port Dyna kamen. Im Chaos gelang Sheffield die Flucht, allerdings wurde er durch einen Schuss erneut verletzt. Bei den Kämpfen wurden die meisten Sodoraner und ihre Unterstützer überwältigt, die unmittelbare Gefahr durch Sodor war gebannt. Doch Sheffield besitzt noch einige treue und fanatische Anhänger.

Zweimal Alpha Centauri

An Bord der Horizont, kurz vor Ende der Mission bei Alpha Centauri: Die Wissenschaftler starrten auf die großen Plasmabildschirme, auf denen sich der Raumkampf der Giganten abzeichnete. Das Raumschiff der Großen entwickelte eine Kampfkraft, mit der keiner der Terraner gerechnet hätte. Panou Kayake wies Chet Morrow mit bleicher Miene darauf hin, dass zwei weitere Kampfschiffe der Großen am Rande des Alpha Centauri Systems aufgetaucht waren. Sie stießen wie silberne Pfeile durch die Schwärze und stürzten sich wie wütende Hornissen auf Raumschiffe der Unbekannten.

„Wir sind augenblicklich Zeugen eines Raumkampfes, wie wir ihn uns bisher wohl kaum vorstellen konnten“, begann Chet Morrow. „Zwei Mächte prallen hier aufeinander. Beide sind uns weit überlegen, und wir können wirklich froh sein, wenn wir ihnen entkommen. Wir haben die Pläne der Großen weitgehend zerstört. Ihr Zorn auf uns ist damit wohl verständlich. Wir würden kaum anders reagieren.“

Er zuckte zusammen, als es hinter ihm aufblitzte. Er drehte sich schnell um, weil er befürchtete, die Horizont sei angegriffen worden. Doch er sah, dass eines der Raumschiffe der Unbekannten in einer grellen Explosion verging ...

* * *

Gegenwart: Für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar glitt der Dyna durch den Weltraum. Pilotin Svetlana Bachmann-Thoeni lehnte sich in ihrem Sitz zurück. „Perseus“, murmelte sie. „Sternbild des Nordhimmels, von der Erde aus am besten im Herbst und Winter zu sehen.“ Als Pilotin war sie fasziniert von den Sternbildern, die die Menschen glaubten am Himmel erkennen zu können. Perseus, das hatte sie gelesen, war ein griechischer Held gewesen, der die Medusa mit ihren Schlangenhaaren und den glühenden Augen tötete, der Stern Algol repräsentierte dabei das abgeschlagene Medusenhaupt, das er in der Hand hielt.

Svetlana lauschte. Sie fand es beruhigend, diese fast absolute Stille, in der nur die Geräusche der Maschinen zu hören waren. Ihr Blick wanderte aus dem Dyna, während ihre Gedanken abschweiften. So viel war in den letzten Monaten passiert.

Die Mission auf Aarknar, dem Planeten der Geierköpfe. Unbewusst spannte sie sich an, sie mochte keine Geierköpfe. Wobei einige dieser Jäger sogar den Menschen geholfen hatten, im Gegenzug dafür, dass sie nun selbst herrschen konnten.

Hoffentlich kommt Chet Morrow nicht auf die Idee, so etwas wie ein Bündnis mit diesen Wesen zu schmieden. Gefährlich bleibt gefährlich.

Svetlana dachte an die Makis, die mit ihrem Generationenschiff auf einem Mond, der um den Planeten der Geierköpfe kreiste, notgelandet waren. Es hatte fast ein Jahr gedauert, bis einige Makis gerettet worden waren. Viele hatten in der Zwischenzeit ihr Leben gelassen. Die Vorräte waren knapp geworden, Dramen hatten sich auf dem Schiff abgespielt.

Hätte ich, wie manche Makis, mein Kind getötet, um ihm weiteres Leiden zu ersparen? Hätte ich mich, wie einige ältere Makis, für die anderen geopfert?

Einige der Makis hatten die Flucht mit einer Rettungskapsel in Betracht gezogen, in der Hoffnung, dass irgendjemand ihr Notsignal auffing und sie rettete, oder dass sie zumindest auf einen bewohnbaren Planeten stießen, auf dem sie bleiben konnten. Wäre in ihren Augen auch alles besser gewesen, als auf einem Schiff zu ersticken, oder zu verdursten? Oder, im schlimmsten Fall, den Geierköpfen in die Hände zu fallen? Je nachdem, was zuerst eintrat.

Seitdem hoffte sie Tag für Tag, nie in solch eine Situation zu geraten. Die Amazone seufzte, sie sehnte sich nach unbeschwerten Tagen. Nach einem Leben ohne Krieg, ohne ständige Bedrohungen. Nach Nächten, in denen sie durchschlafen konnte.

Svetlana dachte an Giorgio Thoeni, ihren Mann. Zu gerne hätte sie jetzt in seinen Armen gelegen und die Zeit vergessen. Doch stattdessen war sie hier, in diesem Dyna, auf einem Ausbildungsflug. Zusammen mit Aki Kawabata und einem jungen Römer namens Appius. Viel wusste sie nicht über ihn. Er war jung, vielleicht 25 Jahre alt. So ganz genau war das nicht zu klären, die Umlaufbahn des Planeten, der heute Neu-Rom genannt wurde, war natürlich bekannt. Sie betrug 336 Tage, jeder Tag war knapp 24,5 Stunden lang. Aber die Römer hatten versucht, ihren Kalender von der Erde durchzuhalten. Das machte es schwierig. Wie auch immer, Appius‘ dunkle Haare waren zu lang und bedurften dringend einer massiven Kürzung, wie sie fand. Dazu war er klein, untersetzt und neigte dazu. zu erröten. Insbesondere, wenn er Vorgesetzten gegenüberstand. Appius selbst fand dies mehr als unangenehm und peinlich, wie er einmal bemerkt hatte. Eigentlich war er ein Bauernjunge, aufgewachsen auf einem Hof, vertraut mit der Landwirtschaft.

Dann hatte ihn jemand bei seinem Hobby, dem Bogenschießen entdeckt und angeheuert. Er war ein Söldner der zweiten Generation, war tatsächlich einige Jahre in eine der neuen Schulen gegangen, war also mit Technik einigermaßen vertraut.

Mittlerweile hatte Svetlana den Eindruck, dass sie Appius gut einschätzen konnte. Ihrer Meinung nach hatte der Junge das Herz auf dem rechten Fleck. Er würde nie einen seiner Kameraden im Stich lassen. Was Aki betraf … Sie kannte Svetlana schon deutlich länger als den Römer. Aki Kawabata war Japanerin, bereits Mitte 30. Sie war klein, gerade mal 1,60 Meter, und sehr ruhig, fast unscheinbar. Svetlana wusste, dass Aki auch sehr impulsiv sein konnte, schließlich hatten sie einiges zusammen durchgemacht in der Dyna-Ausbildung und danach. Die kaum noch sichtbaren Narben in Akis Gesicht, die ihr von chinesischen Gangstern bei der Aktion auf dem Kometen Encke zugefügt worden waren, waren von ihren langen schwarzen Haaren fast verdeckt.

Svetlana war zufrieden mit den beiden. Lediglich Appius fiel durch seine gelegentliche Unsicherheit auf. Als er wieder einmal viel zu schnell beschleunigte, rutschte ihr ein römisches Sprichwort heraus: „Abyssus abyssum invocat!“ Ein Fehler zieht den anderen nach sich! Erstaunt sah Appius sie an, dann senkte er verlegen den Blick und entschuldigte sich. „Altius praecepta descendunt, quae teneris imprimuntur aetatibus!“, sagte Aki. Auch sie hatte Latein inzwischen gelernt.

Lehren, die in zartem Alter verinnerlicht werden, dringen tiefer ein, übersetzte Svetlana in Gedanken.

Appius seufzte. Er fühlte sich unwohl unter der Beobachtung der Frauen. Immer wieder musste er seine schweißnassen Hände an der Hose abwischen, er stand ziemlich unter Druck. Dieser Trainingsflug war ein wichtiger Bestandteil seiner Ausbildung.

„Pass auf, sonst kommst du der Goran-Ausdehnung zu nahe!“

Der junge Römer korrigierte hastig die Flugbahn. Svetlana Bachmann seufzte, zumindest einem waren die hiesigen Gefahren bewusst. Die Ausdehnung war ein Raumsektor, in dem es immer wieder zu seltsamen, nicht erforschten Anomalien kam. Das hing womöglich mit Schiffen der Großen zusammen. In diesem Bereich hatte die Schlacht stattgefunden, die von der Horizont vor Jahren beobachtet worden war. Treibende Trümmer jedenfalls gab es hier jede Menge.

Gerade als Svetlana etwas sagen wollte, bockte ihr Dyna, es geschah plötzlich und ohne Vorwarnung, so dass keiner der drei reagieren konnte. Appius stieß trotz der Sicherheitsgurte hart mit dem Kopf auf die Instrumentenabdeckung, sackte bewusstlos in seinem Stuhl zusammen.

„Was zur Hölle!“ Svetlana fluchte unwillkürlich auf Deutsch, ihrer Muttersprache. „Aki! Übernehmen!“, befahl sie. Kawabata nickte, sie sicherte Appius auf dem Stuhl, übernahm dann die Kontrollen. Zusammen brachten sie den Dyna unter Kontrolle.

„Was war das?“, fragte Aki, musterte die Anzeigen. Nichts deutete darauf hin, was passiert war.

Ratlos schüttelte Svetlana den Kopf. „Keine Ahnung.“ Sie brachte das Schiff wieder auf Kurs, sah nach Appius. Doch der weilte noch immer, im wahrsten Sinne des Wortes, im Land der Träume, erlebte einen Alptraum: Er war in Pompeji – und der Vesuv brach gerade aus. Die Wolke wälzte sich über das Land und die Menschen, es gab kein Feuer, keine Flammen, und doch verkohlten die Körper binnen Sekunden, erstarrten in ihrer letzten verzweifelten Bewegung …

Mit einem Keuchen fuhr Appius auf, ein Fehler, wie er sofort feststellen musste. Eine Welle der Übelkeit überkam ihn. Er musste schlucken, um sich nicht zu übergeben, er wusste nicht, wo er sich befand. Sein Schädel schien kurz vor dem Bersten. Dann spürte er die Hand auf seiner Schulter und sah in Svetlanas Gesicht.

Die Amazone lächelte ihn an. „Du warst eine Weile bewusstlos, geht es wieder?“

Der Römer nickte. „Ja.“

Niemals werde ich vor einer Frau zugeben, dass es mir schlecht geht!

Mit der Rechten betastete er vorsichtig seinen Kopf. Eine Beule prangte dort, wo er sich gestoßen hatte.

Ich lese nie wieder etwas über die Geschichte der Vorfahren vor einem Flug. Ihr Götter, es hat sich alles so echt angefühlt. Aber zugleich hat sich alles in dem Traum vermischt. Die Geschichten über die Römer auf der anderen Seite, und dann unsere Geschichte.

Appius ließ sich von der Amazone aufhelfen. Noch so ein komischer Name, den die Menschen mitgebracht hatten.

Die Frau nickte. „Gut.“ Svetlana Bachmann musterte ihn. Aber es schien wirklich alles so weit in Ordnung zu sein.

Das fehlt mir noch. Ein Verletzter während eines Trainingsfluges! Sowas gibt nichts als Ärger. Wenigstens hält sich bei den Römern der Papierkrieg in Grenzen. Dafür gibt es anderen Ärger.

Sie hörte jetzt schon die Standpauke ihrer Vorgesetzten. Aber noch war der Flug nicht zu Ende. Sie nutzten ihn nicht nur zum Training, sondern hielten auch nach den Wracks Ausschau. Die Wahrscheinlichkeit ein fast intaktes zu finden, war sehr gering. Aber etwas hatte vor kurzem die Instrumente gestört, so dass es zu einer Fehlsteuerung des Antriebs gekommen war. Womöglich war doch ein Wrack der Großen in der Nähe, mit noch aktiven Störsendern?

Svetlana wusste, dass ein Wrackfund reines Glück wäre. Letzteres hatten sie in letzter Zeit wirklich selten gehabt. Schließlich mussten sie sich vor allem auf ihre Augen und die nicht besonders guten Scanner des Dyna verlassen. Denn die Schiffe der Großen waren nahezu unsichtbar für die Ortung, solange sie nicht ihre mächtigen Antriebe zündeten. Das würde ein wahres Feuerwerk auf den Sensoren auslösen. Aber diese verdammten Wracks waren kalt wie ein Froschhintern, so zumindest hatte es ihr Mann Giorgio bei einer Besprechung ausgedrückt. Ein großes Gelächter war die Folge gewesen. Und der Ausdruck war hängengeblieben. Sogar Svetlanas gar nicht mehr so kleine Tochter Nadeshda, kurz Nadja genannt, hatte ihn aufgeschnappt, um ihn dann über Wochen immer wieder nachzuplappern. Dabei wusste sie nur aus Lehrvids, wie ein echter Frosch aussah.

Svetlana flog gerne, schon ihr ganzes Erwachsenenleben lang. Sie hatte in Propellermaschinen begonnen, hatte später extrem wendige Militärjets der Luftwaffe geflogen, ehe sie sich für das Dyna-Programm qualifiziert hatte. Aber manchmal wünschte sie sich ein großes, modernes Schiff mit allem Schnickschnack, wie in diesen alten Science-Fiction-Serien, die es vor Urzeiten mal auf der Erde gegeben hatte. Helle, moderne, vor allem schnelle Schiffe. Aber das würde wohl lange eine Vision bleiben, sofern sie nicht irgendwann auf eine ihnen freundlich gesinnte und technisch weit überlegene Rasse trafen. Zumindest gab es jetzt Chancen durch den Warp-Antrieb von Sir Hektor.

Seufzend sah sie auf das Computerdisplay vor sich. Sie waren immer noch in der Nähe des siebten Planeten von Alpha Centauri. Es war das der Sonne am nächsten gelegene Sternensystem, nur rund 4,34 Lichtjahre entfernt.

Wobei: Nur?

Svetlana musste grinsen. Es war keine zehn Jahre her, da war der erste Flug eines Schiffes der Menschen von der Erde bis hierher gelungen. Wobei die Besatzung dann feststellte, dass Menschen schon fast zwei Jahrtausende vor ihnen über den Abgrund der Sterne hierhergekommen waren, unfreiwillig allerdings. Es war eine ganze römische Legion gewesen, nicht nur Soldaten und ihre Familien. Auch Händler und Handwerker hatten zu den Entführten gehört. Und sie hatten auf Alpha Centauri drei überlebt.

Etwas irritierte sie, Svetlana schüttelte den Kopf, nahm die Brille hoch, rieb über die Augen. Auch Aki hatte etwas bemerkt. „Was ist das denn?“, murmelte Kawabata.

„Hm?“ Appius sah ihr über die Schulter. Aki zeigte auf das Head-Up-Display auf der Kanzelscheibe. Auch Appius fielen die seltsamen Umrisse auf.

„Das!“ Aki tippte auf das Display. Die Kamera schaltete auf Maximum-Vergrößerung. Svetlana traute ihren Augen und den Anzeigen nicht. Mit schnell schlagendem Herz wendete sie vorsichtig den Dyna. Das dauerte etwas, weil sie eine langgezogene Kurve fliegen musste. Dann flog sie erneut mit Minimumschub in den Bereich mit dem merkwürdigen Schatten, dem sie immer näherkamen.

„Ob das ein Wrack ist?“, murmelte Aki.

„Auf jeden Fall ist es wert, näher angesehen zu werden. Womöglich war das vorhin ein Trümmerstück davon.“

Die Amazone näherte sich ein Stück, der Schatten wurde immer größer. Aber Einzelheiten waren nicht zu erkennen. „Appius, was sagt der Computer? Lebenszeichen? Oder Energiequellen?“

Der Römer schüttelte den Kopf. „Nichts. Gar nichts. Der … Vogel ist tot.“

Svetlana lächelte. Wenn das wirklich ein Wrack war, es wäre großartig! Sie umrundete vorsichtig den Schatten, ließ den Bordcomputer Berechnungen durchführen und wartete ungeduldig auf das Ergebnis.

„Kann der Computer wirklich berechnen, um was für ein Schiff es sich handelt?“, fragte Appius.

Die Amazone nickte. „Unter bestimmten Umständen ja. Wir haben inzwischen genügend Daten erhalten, auch dank der Geier. Und nicht zuletzt wegen der Sodoraner …“

Appius sah sie mit erstauntem Gesicht an. Die jüngsten Ereignisse auf der Erde und im Sonnensystem während des Angriffs der Sodoraner waren auf Neu-Rom nur in Umrissen bekanntgeworden. Weder die Regierung noch die neue Space Navy wollten die Römer beunruhigen.

Auf dem Display erschienen Daten. Daraus baute sich eine zweidimensionale schematische Darstellung des Schiffes auf, die sich ständig änderte. Aber das Ergebnis wurde klarer.

„Verdammt, dies … ist … unmöglich!“, flüsterte Aki.

Aber Svetlana schüttelte den Kopf, lächelte. Zur Sicherheit ließ sie die Sensoren den Schatten erneut scannen. Vorsichtig steuerte sie näher. Appius, der junge Römer, verstand noch immer nicht. „Und? Was ist es denn?“, fragte er ungeduldig.

„Wenn das stimmt, dann …“ Svetlana konnte es kaum fassen. Sie tippte aufgeregt auf das Display. „Das Baumuster, es entspricht dem Aufbau der Schiffe, die die Geierköpfe nutzen! Es ist tatsächlich ein verdammtes Schiff der Großen. Und zwar eines von den Allergrößten. Ein verdammter Fürchtenichts.“ Sie grinste.

Appius schluckte. „Wie hast du das genannt?“

Svetlana war wieder ins Deutsche verfallen, was ihr immer mal wieder passierte. Aki übernahm. „Also, Dreadnought haben unsere Leute die Schiffe genannt. Das wäre die Übersetzung. Nun, wir wissen ja vom Einsatz über Aarknar, dass damals …“

Sie holte tief Luft. „Dass sich damals während der Raumschlacht loyale Geierköpfe und meuternde Geier gegenüberstanden. Teils wurde auch auf den Schiffen selbst gekämpft. Tja, jetzt wüsste man gerne, welche Art Krieger wir da vor uns haben.“

Der Römer blinzelte verwirrt. „Oh …“, murmelte er schließlich. „Aber das ist doch ein Wrack, da hat doch bestimmt niemand überlebt. Götter, das war vor so vielen Monden.“

Aki drehte sich zu ihm um. Appius war weiter blass. Kawabata fragte sich, ob es an dem Unfall lag. Auch Svetlana sah ihn an.

Appius sah zwischen den beiden hin und her. „Naja, also der Sieg der Loyalen gegen die Rebellen hat denen nichts genutzt. Ihr habt es selbst gesagt, dass die Großen sie wie auch immer gezwungen haben, alle Großkampfschiffe abzugeben.“

Svetlana nickte. „Aber auch die kleineren Schiffe verfügen über ein gewaltiges Zerstörungspotential. Für unsern Dyna reicht es allemal. Und sollte auch nur irgendwas an Bord noch funktionieren, könnte jemand mit den Waffen Verheerendes auf Neu-Rom anrichten. Auf dem ganzen Planeten,“ fügte sie hinzu. Die Römer vergaßen gerne, dass es neben ihnen auch andere intelligente Wesen auf dem Planeten gab. Ein paar Sekunden herrschte Stille an Bord des Dynas.

„Was machen wir also?“, fragte Appius schließlich. „Docken wir an und untersuchen das Wrack?“

Ein trauriges Lächeln huschte über Svetlanas Gesicht. Nur zu gerne hätte sie das getan. Dann seufzte sie. „Nein. Ich fürchte, das müssen wir den Wissenschaftlern und Ingenieuren überlassen. Erst einmal müssen wir den Fund unbedingt melden.“ Sie markierte den Bereich, in dem das Wrack schwebte, mit einer Boje. „Lasst uns nach Neu-Rom zurückkehren, bevor uns noch jemand für vermisst erklärt.“

* * *

Nach der Entführung ihrer Vorfahren um Christi Geburt und ihrem unfreiwilligen Transport auf den dritten Planeten von Alpha Centauri hatten die Römer viele ihrer Sitten und Gebräuche beibehalten, sich dagegen technisch kaum weiterentwickelt. Nur eine Besonderheit zeichnete wenige mutige Männer aus. Sie hatten es geschafft, einige der gewaltigen Riesenvögel des Planeten zu zähmen. Seither ritten tatsächlich wenige Römer auf dem Rücken der Parren durch die Luft. Sie sprachen weiter Latein, aber viele der Söldner und Siedler hatten in der Zwischenzeit Englisch gelernt, was die Verständigung wesentlich vereinfachte.

Die Stadt Neu-Rom selbst glich dem alten Vorbild, es gab öffentliche Badehäuser, die Thermen; es gab Tempel und ein Forum: Der Platz, der das politische, juristische und religiöse Zentrum des Orts bildete. Selbst ein Amphitheater hatten die Entführten erbaut. Allerdings starben inzwischen keine Gladiatoren mehr in der Arena, nicht, seit Chet Morrow hier um sein Leben hatte kämpfen müssen und dabei versehentlich einen uralten Roboter der Sodoraner zum Leben erweckt hatte.

Noch einen großen Unterschied zwischen dem Original und dieser Neugründung gab es: Die Riesenbäume, die rund um die Stadt wuchsen, auch mitten in ihr wucherten. Neu-Rom lag in einem feuchten, blaugrün wuchernden Dschungel. Manche Häuser waren gar auf den mächtigen Zweigen der Riesenbäume gebaut worden. Appius liebte die Stadt. Die Schlichtheit, die Einfachheit, auch wenn seine Liebe zum Fliegen dagegen ein krasser Gegensatz war. Schließlich hatte es dies bei den Ahnen auf der fernen Erde nicht gegeben. Appius, wie die meisten der Jungen, hatte die Geschichten der Neuankömmlinge akzeptiert. Zu drückend waren deren Beweise. Nur noch die Älteren wollten nicht wahrhaben, dass ihre Heimat, ihr Boden, auf dem sie lebten, sich nicht auf der Erde befand, sondern, dass ihre Vorfahren hierher entführt worden waren. In metallischen Schiffen.

Nicht alle Römer waren so aufgeschlossen wie er, es gab durchaus welche, die den Terranern immer noch mehr als skeptisch gegenüberstanden. Mehr noch, sie hassten sie. Sie und ihren technischen Fortschritt. Manche der Alten verfluchten sie gar. Sie schrieben ihre Verwünschungen auf bleierne Fluchtäfelchen. Nur wenige sprachen sich laut gegen die Terraner aus; aber auch offenen Hass gab es, denn so vieles hatte sich bereits in den wenigen Jahren geändert, nach den Jahrhunderten der Stabilität fühlte sich das gerade für wohlhabende Familien wie eine Bedrohung an. Dagegen hofften viele der Jungen, gerade aus den Bauernfamilien, auf ganz neue Chancen, solche, wie Appius sie ergriffen hatte.

In Neu-Rom wurden Appius und die beiden Frauen bereits ungeduldig erwartet. Geschickt setzte der junge Römer den Dyna bei der Landung auf die Landekufen, das Schiff kam weich auf, die Räder an der Kufe quietschten leise, dann sorgten die Boltstriker dafür, dass sie zum Stand kamen. Es war der Startschuss für Dutzende Kinder, die angelaufen kamen, für sie stellte ein Flugschiff immer noch etwas Aufregendes dar. Ungläubig betasteten sie das Schiff, den Bronzevogel, wie die Dynas genannt wurden.

Svetlana erstattete erst einmal ausführlich Bericht. Dabei sah sie die Aufregung in den Augen der Männer. Und kaum hatte sie die Aufzeichnungen ausgehändigt, stürzten sich die Analytiker der Erde auf die Aufnahmen, allen voran Philipp Marker, ein ehemaliger Dyna-Pilot und Chefingenieur eines Dyna-Vorgängers. Sie kannte und bewunderte ihn. Er war um etliche Jahre älter und ein Stück größer als sie. Seine braunen Haare wurden an den Schläfen bereits grau, die vergangenen schwierigen Jahre hatten Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Er lächelte Svetlana an. „Das war gute Arbeit!“

„Danke.“ Tief in ihrem Innern bedauerte Svetlana ihre Entscheidung, nicht selbst das Wrack untersucht zu haben. Vielleicht würde man ihr die Entdeckung zusprechen, aber den Ruhm der Erforschung würden andere einstreichen. Wobei sie nicht auf den Ruhm an sich erpicht war. Sondern eher auf das Abenteuer, auf die Möglichkeit, etwas völlig Neues zu entdecken.

Jetzt war es zu spät. Ihre wilden Jahre lagen hinter ihr. Vor sechs, sieben Jahren hatte sie zusammen mit den anderen Amazonen bei Einsätzen Kopf und Kragen riskiert. Buchstäblich. Schließlich war sie bei einer Notlandung schwer am Kopf verletzt worden, hatte zudem ein Schleudertrauma erlitten. Als Spätfolge des Unfalls brauchte sie seither eine Brille. In normalen Zeiten hätte sie wohl ihre Fluglizenz verloren, aber sie lebten eben nicht in normalen Zeiten. Sie wurde gebraucht, erfahrene Piloten waren Mangelware. Doch beim Thema Wrack hatte sie ihr Wissen aus der Hand gegeben. Nun lag es an den anderen, etwas aus dieser Entdeckung zu machen.

Philipp Marker konnte zuerst kaum glauben, was Svetlana Bachmann berichtet hatte. Ein Wrack. Nun, es schwirrte einiges im Weltall rum. Rund um die Erde wimmelte es von Trümmerteilen. Sprengbolzen, Abdeckungen, ja sogar ganze Oberstufen von alten Raketen gab es tausendfach im Orbit. Dazu jede Menge Satelliten, von Telekommunikation, über Vermessung bis hin zu den gefährlichen Killersatelliten, die im Kalten Krieg vor 150 Jahren als Spionagesatelliten ins All geschossen worden waren. Und seitdem umhertrieben. Reaktorkühlmittel, Trümmerteile, Fernsehsatelliten und einige mehr gehörte dazu. Und jetzt waren um Erde und Mars noch die Trümmer einiger Schiffe dazugekommen, die ursprünglich die Großen gebaut hatten. Das wusste er aus den Berichten der Space Navy.

Jetzt hatten sie auch hier das Wrack eines Schiffes der Geierköpfe gefunden. Und nach den Sensordaten war es ziemlich gut erhalten. Keine riesigen Löcher im Rumpf. Und Strahlung war auch kaum gemessen worden. Das war fast ein Wunder!

Nie in seinem Leben hatte er geglaubt, eines der riesigen Schiffe, die jetzt Dreadnoughts genannt wurden, wie die gewaltigen Kriegsschiffe vor und im Ersten Weltkrieg, aus der Nähe zu sehen. Die Infos hatte ihm das Oberkommando übermittelt. Jetzt wurde ihm ein Dreadnought beinahe auf einem silbernen Tablett serviert. Wieder und wieder studierte er die Aufnahmen. Zoomte herran, ließ den Computer Berechnungen erstellen, stellte Thesen auf, verwarf sie wieder. Genau wie Logan Coventry und Susanna Pelker und einige andere Wissenschaftler. Viel sah man in den Aufzeichnungen jedoch nicht, aber er konnte berechnen, wie groß das Schiff in etwa war. Wenn seine Annahmen stimmten, dann war es deutlich über 800 Meter lang, seine Masse betrug ungefähr 500 000 metrische Tonnen. Es verfügte über mehrere Decks, mindestens zehn, und hatte Öffnungen, die vielleicht Torpedo-Abschussrampen waren, oder Ausgänge für Rettungskapseln. Oder … etwas ganz anderes. Es brannte ihm unter den Fingernägeln, dieses Wrack näher zu untersuchen. Auf der Erde hatten sie nur ein ziemlich zerstörtes Wrack erbeutet, Marker schauderte es, wenn er daran dachte, wie verheerend die Blase des Warp-Antriebs gewirkt hatte. Sie hatte die Hülle des Giganten einfach verdampft.

Dieses Wrack, es verdiente wahrlich den Namen Dreadnought. Zu fürchten hatten diese Schiffe im Ernstfall wirklich nur wenig. Chet Morrow und seinen Leuten war der Sieg vor allem gelungen, weil die Besatzung aus Sodoranern viel zu unerfahren gewesen war. Aber welche Erkenntnisse konnten sie aus ihrer Entdeckung ziehen? Die Großen hatten eine Technik, die der ihren voraus war, in allen Bereichen: Bei Waffen, in der Medizin, zumindest auch in der Biotechnologie. Das wusste die Erde aus leidvoller Erfahrung. Die Großen hatten Viren eingesetzt, Infizierte waren daraufhin bereit gewesen, alles für die Großen zu tun, auch wenn dies den Untergang der Erde bedeutet hätte.

Vielleicht gibt es in dem Wrack funktionierende Geräte. Vielleicht können wir das Schiff ausschlachten oder sogar im Ganzen zur Erde schleppen und dort in Ruhe erforschen.

Vielleicht würde das ein Sprung in der Geschichte der Menschen werden. Vielleicht gab es an Bord Aufzeichnungen, über die Viren, die Medizin. Und natürlich würden sie versuchen, alles über die Waffen zu erfahren. Wie gut wohl der Antrieb ist?

Auch da tappten die Menschen im Dunklen. Die Geierköpfe hatten sich dazu nur wenig geäußert. Klar war: Die Schiffe konnten deutlich größere Entfernungen, mehrere Lichtjahre pro Sprung, zurücklegen, als die Schiffe der Menschen. Was könnte die Erde damit nicht alles anfangen? Und Marker war nicht der Einzige, der so dachte.

* * *

Ungeduldig trommelte General a. D. Simon Weißkamm mit den Fingerknöcheln auf den Tisch, die Analyse der Aufzeichnungen ging ihm viel zu langsam. Daraus machte er keinen Hehl. Wieder einmal zitierte er Philipp Marker zu sich. Offiziell war Weißkamm im Ruhestand. Aber nicht nur deswegen trug er eine bequeme Toga. Uniformen hatte Weißkamm schon seit Jahren kaum noch getragen. Nach den Zeiten in Port Dyna und der Katastrophe hatte er sich erst im Untergrund auf dem Mars durchgeschlagen. Dann den Geheimdienst wiederaufgebaut. Und auf seine alten Tage war er so etwas wie der militärische Berater des Senats von Neu-Rom geworden. Die Senatoren waren sehr darauf bedacht, die Oberhoheit zu behalten, bei allem, was auf Neu-Rom passierte. Und da die UNO dringend auf gute Zusammenarbeit mit den Römern angewiesen war, hatte man diese Konstruktion geschaffen: Weißkamm war als Berater des Senats zugleich Ansprechpartner für die irdischen Militärs auf dem Planeten. Er sollte die Interessen ausgleichen helfen. Weißkamm erinnerte sich nur zu gut an den Versuch einiger früherer Senatoren, die Terraner gewaltsam zu vertreiben. Eine solche Entwicklung musste unbedingt verhindert werden. Zugleich wusste Weißkamm, was sich zuletzt auf der Erde abgespielt hatte. Er war selbst einer der Geiseln der Sodoraner gewesen, hatte gute Kameraden sterben sehen, als Sodors damaliger Fürst Jalif Hansar befreit werden sollte. Auf der Erde hatten sie Probleme genug, da brauchte es keine zusätzlichen mit Neu-Rom. Deswegen sollte die Ungewissheit über das Wrack im System Alpha Centauri nicht zu lange dauern. Und klar war: Die Erde würde den Römern entgegenkommen. Auch wenn natürlich klar war, im Konfliktfall hätte die Erde keine Mühe, sich das Wrack zu sichern. Aber es sollte eben keinen Konflikt geben.

Es muss irgendwie schneller vorangehen.

Weißkamm sah auf seinen Armbandcomp, der derzeit nur die Uhrzeit anzeigte, in Erdzeit natürlich. Marker kam eine Viertelstunde zu spät. Wie immer. Was Weißkamm noch mehr in Rage brachte. Der Ingenieur sah Weißkamm schuldbewusst an. „Entschuldigen Sie, Sir“, murmelte Marker und fuhr sich nervös durch die unordentlichen Haare. Rasiert hatte er sich nicht mehr, seit Svetlana ihm das Datenpad in die Hand gedrückt hatte. Vom Schlafen ganz zu schweigen.

„Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal etwas gegessen? Oder geduscht?“

Marker wurde von der Frage Weißkamms überrumpelt. „Ich … ich weiß es nicht genau.“

„Kein Wunder, dass Sie mit den Analysen nicht vorankommen!“

Der Mann zuckte zusammen. Er war so einen Ton nicht gewöhnt. „Ich …“ Marker spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken runterlief. Dann riss er sich zusammen, reichte Weißkamm ein Datenpad. „Das sind … die … äh … neuesten Berechnungen.“

Weißkamm stand auf, riss ihm förmlich das Pad aus der Hand. Starrte darauf, las sich die Daten durch. Nickte ab und zu. Von Sekunde zu Sekunde hellte sich sein Gesicht auf. „Und Sie glauben wirklich, dass das möglich ist?“, fragte er skeptisch, zugleich hoffnungsvoll.

„Ja. Natürlich bedarf es weiterer, näherer Untersuchungen. Aber selbst, wenn wir das Schiff nicht wieder voll funktionsfähig hinbekommen, so können wir die Gelegenheit nutzen und es ausschlachten. Diese Technik ist unserer voraus. Auf allen Gebieten vermutlich. Vielleicht ist es möglich, die Antriebs- und Waffensysteme in eines unsere Schiffe zu integrieren. Zumindest wird sich Sir Hektor freuen, da bin ich sicher.“

Weißkamm nickte. Wenn das möglich wäre, es würde ihnen einen unglaublichen Vorteil bringen. Möglicherweise gelang es, die Technik zu kopieren und damit eigene Schiffe auszustatten. Eine Flotte! Vielleicht schlagen wir die Großen mit ihren eigenen Waffen.

In seinen Gedanken reifte ein Plan. Mit einem Winken entließ er Marker. Er würde den Römern eine erste Erkundungsmission vorschlagen. Und später würden sie alle verfügbaren Wissenschaftler und Techniker auf dieses Schiff ansetzen. Er rieb sich die Hände. Sah schon Dutzende schwer bewaffnete Schiffe durch das All gleiten, mächtig und stark, wie einst die britische Royal Navy.

* * *

Botschafterin der Erde … Vanora konnte immer noch nicht glauben, wie weit sie es gebracht hatte. Sie sah auf den goldenen Armreif, den Cayden ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Aus der halb verhungerten und schüchternen Sodoranerin Vanora Nascone war Vanora Vaughan geworden. Die Ehefrau des Halb-Sodoraners Cayden Vaughan, der ein Freund des berühmten Commodores Chet Morrow war. Sie war stolz auf Cayden. Und Botschafterin war sie geworden, weil die Römer ihr vertrauten, zugleich verehrten sie Vanoras Sohn Emrys, den Jungen, der Tiere beeinflussen konnte. Er hatte es mit seiner Gabe vermocht, wilde Tiere zu bändigen, die kurz davor waren, Kinder von Senatoren zu attackieren. Eine Tat, die den Konflikt zwischen Menschen und Römern beendet hatte. Vorerst.

Deswegen hatten die Römer sie als Botschafterin vorgeschlagen. Und die neue UNO-Regierung war froh darüber gewesen. Es gab einfach keine erfahrenen Diplomaten, die sich gerne auf einen gefährlichen Planeten versetzen lassen wollten. Kurz nach ihrer offiziellen Ernennung zur Botschafterin war Vanora noch einmal auf die Erde gereist, sie hatte das Bedürfnis verspürt, sich diesen Planeten genau anzusehen. Den Planeten, dessen Interessen sie nunmehr wahrnehmen sollte. Den Planeten, auf dem sie sich immer nur versteckt hatte. Von dem sie nur einen winzigen Bruchteil kannte; quasi als Gefangene, dazu verdammt, nie preiszugeben, was sie wirklich war. Ihre letzte Station auf der Erde hatte sie nach Texas und die Grenzregion von Mexiko geführt. In jenen Ort, an dem Cayden aufgewachsen war. Staubige, zerstörte Landschaften waren an ihr vorbeigezogen, aber überall gab es auch Wiederaufbau. Nur nicht dort, wo Cayden gelebt hatte. Als der Gyro in dem kleinen Kaff angehalten hatte, hatte Vanora die Augen geschlossen. Sie sah die kleine Gemeinde; eine Kirche, weiß gestrichen, mit großen, hölzernen Türen. Eine Main Street, einige Geschäfte, Laternen … Eben eine typisch amerikanische Kleinstadt im Nirgendwo mit früher ein paar hundert Einwohnern. Und dann das Anwesen der Vaughans, eine Ranch. Sie sah in Gedanken Kinder, die draußen auf dem Hof spielten. Lachten. Und dann sah sie die Blue Bonnets, ein ganzes Feld davon, sie konnte sie förmlich riechen; dazu die Schmetterlinge sehen, die auf den Blüten tanzten, und Männer und Frauen, Menschen und Sodoraner, im friedlichen Miteinander. Aber alles war nur noch Erinnerung. Es waren Caydens Erinnerungen, sie wusste alles, was er wusste. Zumindest was er sie hatte sehen lassen. Sie teilten nunmehr alles miteinander. Und diese Erinnerungen waren ein Teil davon.

Sie hatte die Augen wieder geöffnet, war ausgestiegen und hatte ihrem Begleiter bedeutet, auf sie zu warten. Das Feuer hatte fast alles zerstört, niemand schien sich die Mühe gemacht zu haben hier etwas wiederaufzubauen. Vanora war in der Mitte des Hofes stehengeblieben, hatte sich einmal im Kreis gedreht, um alles aufzunehmen. Schwarze, verkohlte Balken, einige Stahlträger, die Überreste eines alten Brunnens. Langsam hatte sie sich in Bewegung gesetzt, war zu der Mauer gegangen, an der man über 30 Sodoraner und Menschen ermordet hatte. Dunkle Flecken waren dort. Auch die Jahre hatten die Spuren nicht tilgen können. Die vermummten Täter, zwanzig oder dreißig Mann, waren brutal über das Anwesen hergefallen. Sie hatten aus der Ferne mit einem Betäubungsgas geschossen, damit die Sodoraner ihnen nicht in die Augen blicken und ihnen ihren Willen aufzwingen konnten, fast blind und wehrlos waren die Sodoraner wie Vieh zusammengetrieben worden.

Cayden war hier geboren worden und aufgewachsen. Er betrachtete dies als sein Zuhause, als seine Heimat. Sodor hatte er nie gesehen, er sollte, er wollte das Bindeglied sein, um Sodoranern auf der Erde eine Zukunft zu geben. Eine friedliche Zukunft. Denn es gab andere Sodoraner, die davon träumten, die Menschheit zu beherrschen.