AFFECTUM - Stephan Heider - E-Book

AFFECTUM E-Book

Stephan Heider

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Beschreibung

Dies ist ein Buch über Emotionen zum Schmunzeln, Schaudern, Träumen und Trauern. Eine Reise zwischen Spannung und Rührung. In Kurzgeschichten, Gedichten und Gedanken aus dem Dies- und Jenseits geht es um menschliche Gemütszustände und Gefühle, die uns alle antreiben und für jeden von uns eine andere persönliche Signatur bedeuten. Was hat uns emotional zu dem gemacht, was wir heute sind? Am Ende des Buches finde ich es für mich heraus!

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Seitenzahl: 247

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Prolog

Deine eigene ist dir so nah, dass du sie keine Sekunde ignorieren kannst. Die anderen sind dir so fern, dass du sie niemals spüren kannst. Sie ist scheu und leicht zu verletzen, wenn man unachtsam mit ihr umgeht. Manchmal reicht dazu ein Wort. Kein Priester, kein Philosoph, kein Gerichtsmediziner hat jemals eine gesehen. Sie bleibt ein Leben lang zart und fragil. Die kleinsten von ihnen sind zerbrechlicher als feinstes Glas. Brauchen Schutz und Geborgenheit. Auch wenn eine verletzt ist, ist sie niemals verloren. Wenn sie reift, wird sie biegsamer. Zeigt sich vorsichtiger und kann schneller in Deckung gehen. Keine von ihnen ist makellos schön. Narben mahnen und machen sie individuell. Sie vergisst nie und vergibt nur schwer. Eine andere bewusst anzugreifen definiert Boshaftigkeit. Eine andere zu achten definiert Menschlichkeit. Eine andere zu verstehen und zu streicheln definiert Liebe. Ihren Ort gibt sie nie preis. Er bleibt geheimnisvoll und ist dennoch spürbar.

Weißt du, wo sie sich in dir befindet? Nein? Dann verrate ich es dir.

Da, wo du deine Liebsten fühlst.

Die folgenden Geschichten und Gedichte sind alle frei erdacht. *

Bis auf meine Eigene!

* (Ausnahme: Nicolina)

Fotos und Covergestaltung: Stephan Heider

Kapitel I:

Schönen Feierabend Angst

Die Woche hat sieben Tage. Es sind die Alltage. Für alle Menschen auf der ganzen Welt gleich oft und gleich lang. Sie unterscheiden sich nicht, sie tragen nur verschiedene Namen, um sie auseinander zu halten. In ihrer stoischen Summierung werden sie zum Monat, dann zum Jahr und am Ende zu einem Leben. Die einzige Individualität der Tage: Jeder hat verschieden viele. Manch einer kennt nur Alltage und wartet sie geduldig ab, bis sie zu Ende sind. Tage, gefüllt mit nichts außer einem bisschen Sterben.

Und dann gibt es neben dieser kalendarischen Gesetzmäßigkeit für manche Menschen noch die persönlichen Wochentage, die der Uhr trotzen. Sie stülpen sich über die Alltage, wann immer sie wollen. Auf sie lassen sich keine Termine legen. Manchmal besteht die ganze Woche aus einem von ihnen. Schlimm ist, wenn sie sich abwechseln. Manie und Depression. Sie werden aus der Seele geboren oder aus ihr herausgebrochen. Der Wohltag hat weniger Stunden als der Wehtag. So fühlt es sich an. Du kannst sie nicht erstreben, sie werden dir geschenkt oder aufgebürdet. Eines haben sie gemein. Sie sind diejenigen, an die du dich an deinem letzten Tag erinnern wirst.

Weil sie intensiv sind. Weil sie das Leben sind.

Mein „alter Ego“ Streit

Ein flinkes Wort behänd geschrieben.

Den Geistesblitz zur Form gebracht.

Das Hirn am Thema abgerieben.

Der Konter ward nicht gut durchdacht.

Zu nahe ist er mir getreten,

mit seiner eignen Meinung bloß.

Ich hab‘ ihn nicht darum gebeten,

und so wird nun mein Ärger groß.

Die Wahrheit, die ich klar durchschaue,

vom Narren so sehr aufgeweicht.

In Stein mein Wort ich stetig haue.

Kein Nutzen meinen Gegner eicht.

Ein Stech und Hau, ein Hau und Stech.

Gewaltig mache ich ihn nieder.

Genau wie er, das ist mein Pech,

er gibt es mir entsprechend wieder.

Nicht nach er gibt und so ich schaue,

wie viele Likes mich so beflügeln.

Und wie federspreizende Pfaue

im Wortduelle wir uns prügeln.

Die Sachlichkeit weicht aus der Rage,

so wird mein Ego ganz schnell blind.

Die hohen Daumen, meine Gage,

die Lacher nur von Dummen sind.

Scroll wieder hoch, was war das Thema?

Verlor ganz schnell die Relevanz.

In Vorrang drängt mein Ego-Schema,

und straft ihn jetzt ab mit Arroganz.

Bleib, wie er, mit mir gerecht

und ziele zum finalen Hieb.

Was seh‘ ich da, mir wird fast schlecht.

Ein blöder Spruch, den andrer schrieb.

So geht der Spaß von vorne los.

Ich lass mich ein und mach‘ ihn an.

Der Streit gefällt mir ganz famos,

weil ich ja auch nichts Bessres kann.

Und die Moral von der Geschichte.

Der beste Mann im Netz bist du.

Drum schreib die andern erst zunichte

und klappe dann dein Laptop zu.

Das Buch seines Vaters

Elmar wurde von der Stille geweckt. Er rieb sich die Augen an dem Licht, das durch den Türspalt drang. „Vater?“, rief er leise in den Flur. Auf Socken schlich er die Treppe hinab in das golden beleuchtete Arbeitszimmer seines Vaters. Jede Nacht um zwei wiederholte sich seine Schlafunterbrechung.

„Ach Papa“, dachte er traurig. So wie gestern, vorgestern und die Tage und Wochen zuvor, legte Elmar die Hand sanft auf die Schulter seines Vaters, um ihn zu wecken. Die Lesebrille war auf das weiße Haupt geschoben und die Stirn in sein Buch gesunken, welches jede Nacht an gleicher Stelle halbfertig unterbrochen wurde. In dieser Nacht war die Schulter seines Vaters kalt.

Am kommenden Abend weinte sich Elmar in den Schlaf, um gegen zwei aufzuwachen und wie gewohnt nach seinem Vater zu sehen. Der Platz hinter den warmen Strahlen der Schreibtischleuchte war leer. Elmar sank traurig in das faltige, schwere Leder des Sessels und strich mit den Fingern liebevoll über den dunkelbraunen Einband des unfertigen Buches mit dem Titel „Vom Vater zum Sohn“. Als er es aufschlug und bemerkte, dass ein Kapitel dazugekommen war, ließ Elmar verwundert seinen Blick durch den Raum schweifen. Er lächelte und schlief beseelt wieder ein. Nacht für Nacht um zwei sah Elmar nach den sich langsamen füllenden Buchseiten seines Vaters, jede Nacht durch weitere wunderschöne Zeilen ergänzt. Der Geist seines verstorbenen Vaters kehrte allabendlich zurück und hatte seine Schreibblockade überwunden. In der Nacht des letzten Kapitels legte sich kurz vor der gewohnten Zeit eine warme Hand auf Elmars Schulter und weckte ihn sanft. „Papa? Was ist los?“, fragte er aus den Träumen gerissen und schlaftrunken. Verwirrt sah er sich im Arbeitszimmer um, in dem er am Schreibplatz seines alten Herrn auf dem fertigen Buch eingeschlafen war. Der Füllfederhalter seines Vaters lag noch zwischen seinen Fingern. Das Zimmer war leer. Elmar begriff. Er schrieb das Wort „Ende“ auf die letzte Seite, schloss sanft das Buch und ging mit dem friedvollen Gefühl zurück ins Bett, dass jetzt alles richtig war.

Seit diesem Tag konnte er endlich wieder durchschlafen.

Der Abschuss

Bis Brandon zum perfekten Schuss kam, hatte er tagelang auf der Lauer gelegen. Die Kunst bei der Jagd ist das Warten. Du musst erahnen, wann die Beute wo sein wird, ob sie sich sicher genug fühlt, dir ihre verwundbare Flanke zu präsentieren - bereit für den hundertprozentigen Treffer. Blattschuss! Du hast meist nur einen winzigen Moment, in dem alles passt. Du solltest abdrücken, bevor er verfliegt. Jagdinstinkt ist bares Geld wert, erst recht, wenn du Großwild erlegen willst.

Brandon lag zwischen den Büschen und hatte Miranda im Visier.

Miranda Clark, die aktuell erfolgreichste und heißeste Erscheinung im Show-Business bewegte sich ungezwungen in ihrer Komfortzone. Genau vor ihm, nur getrennt durch die Panoramascheibe ihres Luxusbungalows. Das schusssichere Glas würde ihn nicht aufhalten können. Brandon war Profi und schoss mit einem Kaliber, das alles durchdrang. Nur durchsichtig musste es sein. Das 800mm Teleobjektiv ruhte sicher auf einem Sandsack.

Brandon atmete ruhig und konzentriert, während Miranda sich unbekümmert durch ihr Haus bewegte, ohne bedacht zu haben, dass die Innenbeleuchtung bereits eingeschaltet war. Die perfekten Voraussetzungen, um sie aus der Dämmerung mit dem lichtstarken Objektiv in einem unbedachten Moment abzuschießen. Richtig abkassieren würde Brandon, wenn er sie so erwischt, wie sie noch nie fotografiert worden war. Kein Paparazzo hatte Miranda Clark bisher nackt abgelichtet. Am besten noch in einer Liaison mit einem anderen Mega-Star, den keiner auf dem Zettel hatte. Solche Bilder konnte er gleich zu horrenden Preisen an die Yellow Press verscherbeln. Die würden ihm aus der Hand gerissen und waren zudem gleich auch Brandons Spezialität. Für den Abschuss der Jungschauspieler Cynthia Miller und Adam Perkins hatte er damals einen sechsstelligen Betrag kassiert. Dass ihre Karrieren danach brach lagen, weil beide noch verheiratet waren… drauf geschissen! Skrupel konnte man in dem Geschäft nicht gebrauchen. Aufgepasst. Miranda schlenderte durchs Wohnzimmer, steckte sich die Haare hoch und streifte elegant ihren weißen Kaschmir-Pullover ab. Brandon hielt die Luft an und drückte einige Male den Auslöser.

Noch nichts Verwertbares. Ein enganliegendes Tanktop schützte sie. Sollte Brandon nur ihren Hintern erwischen oder einen Busenblitzer ablichten, würde er die Bilder zuerst Miranda selbst anbieten. Meistens zahlten die Stars, die ihr makelloses Image erhalten wollten, mehr als die Journaille. Miranda sah umwerfend aus und Brandon mochte die junge Schauspielerin und Sängerin wirklich. Sie hatte diese unschuldige Emma Watson Aura, die bares Geld wert war, sobald er sie knacken könnte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und sorgte für einen kurzen Schüttler seines Körpers. Miranda merkte auf und sah aus dem Fenster, genau in Brandons Richtung. Hatte sie ihn gesehen? Reflexartig zog er den Kopf ein und vermied trotz seiner Aufregung das Atmen. Sie kniff die Augen, sah ihn genau an und drehte den Kopf von rechts nach links, um besser durch die spiegelnde Scheibe spähen zu können. Verdammte Scheiße, wie konnte sie ihn nur entdeckt haben. Hatte seine winzige Bewegung ihre Aufmerksamkeit geweckt? „Was für ein beschissener Anfängerfehler“, dachte Brandon und biss sich auf die Lippen. Miranda stand ihm exakt gegenüber und starrte ihn an. Bis zur Scheibe waren es auf ihrer Seite noch einige Meter und sie begann langsam darauf zu zugehen. „Fuck“, schrie er in sich hinein und suchte schon nach einer schäbigen Ausrede, wenn sie gleich die Schiebetür aufreißen und ihn anschreien würde. Auffällig hüftschwingend und tänzelnd näherte sie sich dem Fenster. Brandon kapierte. Miranda flirtete ihr eigenes Spiegelbild an, dieses selbstverliebte Miststück. Lasziv wackelte sie mit dem Hintern in ihrem engen schwarzen Overknee-Röckchen und schien laut zu singen. Als sie ihre Haare wieder öffnete und wild von rechts nach links schmiss, war Brandon schon längst wieder mit dem Finger am Abzug. Dauerfeuer, sprich Serienaufnahmen bannten den erotischsten Moment, den Brandon jemals gesehen hatte, auf die digitale Speicherkarte. Er wurde fast wahnsinnig, als Mirandas Rock fiel und sie ihr Tanktop langzog und schließlich aufriss, wie Magic Mike in seiner Bühnenshow.

Hoffentlich hatte er eine neue Speicherkarte eingelegt, die die vielen großen Raw-Dateien der Vollformatkamera auch schluckte. Sollte Miranda auch noch ihren Shorty und den BH in die Ecke schleudern, wäre das heute sein Hauptgewinn.

Brandon hatte noch nicht ganz zu Ende gedacht, als er die dunkle Gestalt wahrnahm, die Mirandas Wohnzimmer betrat, sich ihr von hinten schnell näherte und ihr, in dem Moment, in dem sie ihn mit großen Augen in der spiegelnden Scheibe entdeckte, mit einem kurzläufigen Revolver in den Hinterkopf schoss. Miranda fiel zusammen, als hätte man ihr abrupt das Skelett entrissen. Brandons Herz wollte explodieren und er konnte sich nur mit äußerster Disziplin einen gellenden Schrei verkneifen. Wie eine funktionierende Maschine schoss er weiter Fotoserien, obwohl sein Herz schneller raste als der Auslöser der Kamera. Der Fremde legte ein weiteres Mal auf die rhythmisch zuckende Miranda an und jagte ihr eine zweite Kugel ins Gehirn. Ihr Körper erschlaffte endgültig. Der Schattenmann registrierte, dass die Jalousien der Fenster noch nicht heruntergelassen waren, und sprang zwei hektische Schritte vor zur Scheibe. In diesem Moment erkannte Brandon den Mann und erstarrte zur Salzsäule. Aber nicht, bevor er das Foto seines Lebens und wahrscheinlich das Pressefoto des Jahres schoss. Hochauflösend und messerscharf lichtete er den, ihm sehr wohl bekannten, Mörder von Miranda Clark deutlich erkennbar ab. Zitternd nestelte er sein Handy hervor, um endlich die Cops zu rufen. Er wählte die landesweite Notrufnummer, die in diesem Sektor beim LAPD auflief, jedenfalls fast.

9 - 1 –

Bevor er die letzte 1 gedrückt hatte, spannte sich der Hahn einer Pistole in Brandons Nacken. „Auflegen. Sofort!“ Sein Daumen sprang unmittelbar auf das Icon des roten aufgelegten Hörers in seinem Display. Wer spielte hier noch mit? Verwirrung überkam ihn für ein paar Momente, bevor sein Hirn wieder anfing zu arbeiten.

Ein zweites Mal hatte er Adam Perkins, in einer für ihn sehr unvorteilhaften Situation, fotografiert. Wobei die Affäre mit Cynthia Miller damals ein Scheißdreck war gegen das, was Brandon soeben eingefangen hatte. Perkins, der Loser, hatte vor seinen Augen Miranda Clark, den Shooting Star der heutigen Zeit eiskalt erschossen. Einfach aus Neid? Völlig egal! Schade um die Kleine, aber Perkins würde auf dem elektrischen Stuhl enden und Brandon würde Millionen für die Fotos bekommen.

Und wer hielt ihm jetzt eine Knarre an den Kopf? „Speicherkarte“, herrschte ihn eine dominante Frauenstimme an. Widerwillig ließ er sie aus der Kamera schnappen und hielt sie ihr hinter seinem Rücken hin. Die SD-Karte wurde ihm aus der Hand genommen. „Dreh dich um, du skrupelloser Aasgeier.“ Brandon rollte sich langsam auf den Rücken und schreckte überrascht zusammen, als er Cynthia Miller in die Augen sah. „Adam Perkins und Cynthia Miller führten gemeinsam den Mord an Miranda Clark aus? Welches Motiv hatten sie?“, überlegte er fieberhaft, ohne den Sinn zu erkennen. „Was soll die Scheiße?“, rutschte es ihm heraus. Im Bademantel stand plötzlich Miranda Clark hinter Cynthia. Quietschfidel und gleich neben ihrem Cousin Adam Perkins. „Wie hat dir unser Schauspiel gefallen, du miese kleine Ratte?“, fragte Adam schnippisch. Brandon fiel es wie Schuppen von den Augen und er begriff, dass die Drei ihn in eine Falle gelockt hatten. Vor einer Minute schwamm er im Geld mit seinen Fotos, jetzt hatte er nichts außer seiner Beschämung und seinem dummen Gesichtsausdruck.

„Abschuss“, hauchte Miranda, machte mit dem Handy ein Foto seines Gesichtes und sah dabei unverschämt gut und lebendig aus.

Am darauffolgenden Abend saß Brandon zu Hause und blätterte in der aktuellen Yellow Press, in welcher nur Fotos zum Gähnen abgedruckt waren. Er musste schmunzeln. Miranda Clark hatte für ihn in Unterwäsche getanzt und er konnte es niemandem erzählen, geschweige denn beweisen. Diese Jagdtrophäe hatte er einzig und allein für sich. In seinem Gedächtnis. Vielleicht sollte er die Branche wechseln… Nein, denn das Jagdfieber erwachte bereits wieder.

Die 6 Tode des Miles Miggs

Um mich nur Stille. Mein Name ist Miggs. Tiefste Schwärze. Miles Miggs. Keine Bilder. Nur Gedanken.

Die Hatz hatte ich verloren. Der Mistkerl hat mich in der Winona Street gestellt und diese Elektroschockpistole auf mich gerichtet. So eine mit zwei losschießenden Pfeilen an dünnen Drähten, wie die Bullen sie benutzen. Als ich zur Flucht zuckte, drückte er ab. Durch das halbe Gewerbegebiet hatte er mich zuvor gejagt, immer knapp auf meinen Fersen. Ich kannte diesen verlassenen Ort wie meine Westentasche und vermochte es trotzdem nicht, ihn abzuhängen.

Der Elektroschock versteifte meinen Körper in einem schmerzhaften Krampf. Als ich meine Gliedmaßen wieder spürte, schob der Fremde mich in einer Schubkarre in einen der alten Gebäudetrakte. An der Stange, die er an die Karre geschweißt hatte, hing kopfüber eine Flasche, die durch einen dünnen Schlauch mit der Vene auf meinem Handrücken verbunden war. Das, was dort oben aus der unbeschrifteten Flasche tropfte, musste etwas sein, was mich außer Gefecht hielt.

So weit konnte ich mich erinnern. Aber wie kam ich in diese entsetzliche stumme Schwärze? Ich sah als letztes die Spritze, die er an meinem Venenzugang anlegte und hineindrückte. Dann kam die Dunkelheit, in der ich trieb. So verloren, wie im All. Ich dachte an mein Leben, auf das ich nicht besonders stolz sein konnte. Das Einzige, was ich jemals geliebt hatte und man entschuldigend hätte anführen können unter dem Motto „das war es wert“, war meine geliebte Sarah. Die Untaten, die ich begangen hatte, wurden viel zu kurz entlohnt, durch die Liebe der wundervollen Frau, die mir der Krebs vor zwei Jahren so grausam entrissen hatte. Und dann sah ich wieder diesen Schuss, den ich abgab. Der Revolverschuss, der mich jede Nacht in meinen Albträumen heimsuchte. Der Schuss, der alles verändert hatte. „Sarah“, Gott vergib mir.

Der Schlag, der mich plötzlich trifft, ist der eines Pferdehufes mitten ins Gesicht. Dann dieses anschwellende Pfeifen. Noch ein Pferdetritt, nur stärker. Mein Kopf brennt und mein Brustkorb will explodieren. Ich werde gewaltsam aus der Stille gesaugt und reiße die Augen auf. Ich begreife in diesem Moment, dass dieser Typ gerade mein Herz wieder in Gang gesetzt hatte. Ich sehe, wie der Typ die Paddles eines Defibrillators von meiner Brust nimmt. Der Schrei, den ich ausstoße, ist stumm. Bilder schießen durch mein Bewusstsein. Völlig wirr sortiert sich mein Leben in neuer unlogischer Reihenfolge vor meinem inneren Auge. Surreal vermischen sich Erlebnisse aus meiner Kindheit mit denen meines unrühmlichen Erwachsenenlebens. Die Bilder verfliegen, je mehr ich zu Bewusstsein und wieder in die Realität zurückfinde. Die Schmerzen lassen nach, als ich registriere, dass weitere Drähte von den Saugnäpfen auf meiner Brust zu einem Kasten mit Monitor führen, der meinen Herzschlag in einer holprig ausschlagenden Linie anzeigt. Als sich Frequenz und Amplitude gerade in eine gewisse Regelmäßigkeit beruhigen, sehe ich, wie der Fremde erneut eine Spritze aufzieht und auf meine Vene richtet. „Hör auf, warte“, stammle ich in Todesangst.

„Zwei Tode noch“, knurrt der Fremde mich an, drückt die Spritze durch und bringt mich zum zweiten Mal in dieser Nacht um.

Sein Anblick wischt sich seitlich weg, wie in einem gerissenen Super-8-Film und ich verlasse das Hier, um wieder ins luftleere Weltall zu gleiten. So weit, so schwarz, so einsam wie man es sich in seinen schlimmsten Vorstellungen über das Jenseits nicht ausmalen kann. Kein lockendes Licht vertrauter Seligkeit. Nur angsteinhämmernde Schwärze. Die Gedanken meines Lebens kehren zurück und wechseln zwischen surrealen Bildern und echten Erinnerungen. Ich sehe meine Mutter, die mir zulächelt. Ich will zu ihr laufen, jedoch fühlt sich mein Körper an, als wolle er sich auf dem Grund des Meeresbodens bewegen. Ich laufe in Zeitlupe auf meine Mutter zu, die plötzlich zu Sarah wird und nach hinten über eine Klippe kippt. Mein Schrei vermag keinen Ton zu erzeugen. Alle vertrauten Freunde stehen mit Cocktailgläsern rechts und links Spalier und unterhalten sich angeregt miteinander, während meine Hilfeschreie ersticken. Ein früherer, sadistischer Chef sticht mit einem spitzen Gegenstand auf mich ein und fügt mir schmerzhafte Wunden zu, da ich in meiner Trägheit nicht ausweichen kann. Plötzlich habe ich einen Revolver in der Hand und schieße ihm ins Gesicht. Er bricht zusammen, um sogleich wie ein Zombie wieder aufzustehen und erneut auf mich einzuhacken.

Zweihundertfünfzig Joule, tausendfünfhundert Volt, fünfundzwanzig Ampere: Der Schmerz, der mich durchfährt, ist der einer schädelzertrümmernden Eisenstange, gefolgt von einer Pfählung auf einem Zaunpfosten. Er ist notwendig, um einen Menschen mit Herzkammerflimmern aus der Limbus-Ebene zurückzuholen. Einmal, zweimal, dreimal unvorstellbar schmerzhafte Schocks, bevor mein Flimmern wieder in einen Sinusrhythmus springt und ich noch einmal zurückkomme. Der Grenzgang meines Peinigers ist riskant, denn er hat mir noch etwas zu sagen. Ich erwache fantasierend aus dem Todesschlaf, es dauert einige Minuten, bis mein überbeanspruchtes Hirn wieder eine klare Wahrnehmung verarbeiten kann.

Der Unbekannte nimmt sich die Zeit und als erstes nach meinem Erwachen und der Normalisierung meines Pulses sehe ich das Blitzen eines metallischen Gegenstands. Der Fremde, der nach wie vor über mir steht und ein Jagdmesser schleift, beobachtet die erneut steil beschleunigende Anzahl meiner Herzschläge. Ich kenne dieses Messer mit der schmalen Klinge, dem Griff aus Horn und dem eingeritzten einzelnen ‚S‘. Es ist meins. Er führt die Messerspitze an meinen Hals und lässt sie über meine Brust rutschen. „Was soll dieses Spielchen? Er hat mich soeben zweimal reanimiert, nachdem er mich zweimal ins Kammerflimmern gespritzt hatte“, denke ich. Mein Hals ist trocken wie die Sahara. Ich verliere das Messer aus meinem Blickfeld, merke aber durchaus den anschwellenden Schmerz der Haut unter meinem Rippenbogen. Die Klingenspitze drückt meine widerspenstige Haut einige Zentimeter nach innen, bevor diese unter dem Druck aufschnappt und die langsam eindringende Klinge ungehindert hindurch lässt. Der Atem stockt und weicht der Unfassbarkeit, als der Stahl an mein soeben reanimiertes Herz stößt. Die Nervenbahnen meiner Herzwand weisen den Fremden energisch darauf hin, dass die Klingenspitze sie berührt. Der Monitor spielt verrückt. Wenige Millimeter trennen mich vor dem unausweichlichen Tod, sollte der Kerl das Messer nur weiterschieben. Er tut es nicht, sondern verharrt in der Bewegung. Adrenalin und der Tropf schalten meinen Schmerz aus und ich weiß, dass ich nicht die kleinste Bewegung machen darf. Sonst töte ich mich selbst.

Dann sieht der Fremde mich eiskalt an und fängt leise an zu sprechen, so dass er kaum den dröhnenden Brummton in meinen Ohren übertönt.

„Wie zäh diese Haut ist. Bevor sie reißt und das Messer ungehindert ins Fleisch eindringen kann, ist dieser Widerstand zu überwinden. Es gehört etwas Glück dazu, dass das Herz nicht gleich durchstoßen wird, wenn der Widerstand plötzlich nachgibt. So weit, so gut. Ich spüre deine zuckenden Herzschläge am Griff meines Messers. Eine feige Kugel hätte das Ganze schneller geklärt. So eine, wie du sie mir verpasst hast. Mein Name ist Miggs. Miles Miggs.“

Die Worte legen sich um meinen Hals, wie eine Schlinge, die sich zuzieht. Meine Gedanken überschlagen sich, ohne logisch Verwertbares auszuspucken. Meine Luftröhre verengt sich, als mir klar wird, wer mich hier auf dem provisorischen OPTisch fixiert hat. Völlig außer Stande, mich zu wehren, schaue ich jenem Mann in die Augen, dem ich vor sieben Jahren alles genommen hatte. Seinen Verstand, seine Frau, seinen Namen und am Ende auch sein Leben. Das hatte ich zumindest bis gerade eben angenommenen, da ich ihm mit einem Revolver ins Jochbein geschossen hatte. Um ihn zu töten. Um seine Rolle einzunehmen. Die Liebe zu Sarah war echt, schon seit unserer gemeinsamen Schulzeit hatte ich sie geliebt. Doch trotz all meiner Versuche erwiderte sie meine Gefühle nicht. Sie liebte diesen verdammten Miles Miggs. Als ich vorgeladen wurde und mich dem Vorwurf des Stalkings ausgesetzt sah, verstand ich die Welt nicht mehr. Ich meinte es doch so viel besser mit Sarah als Fucking Miles Miggs. Er musste verschwinden, und zwar spurlos und für immer. Ich lauerte Sarahs Traummann eines Tages auf und schoss ihm in seine verdammte Fresse. Dann lud ich das Arschloch, das mir meine Sarah vorenthielt, in meinen Wagen und ließ seine Leiche am Ufer der „Little Glades“ liegen, wo ihn die Alligatoren ein für alle Mal verschwinden lassen sollten. Natürlich konnte ich weiterhin nur parallel zu Sarah leben und nicht mit ihr zusammen sein. Aber es gab keinen Mann mehr zwischen uns und so lebte ich in ihrem Keller, ihrem Schrank, ihrem Gartenhaus, bis ihre Angst und ihr Kummer zu Krebs wurden und sie starb.

Miles Antlitz war nicht mehr dasselbe. Das Gesicht verbraucht mit der sternförmigen Narbe auf seiner linken Wange und dem Blick aus trüben Augen, links erloschen und nicht mehr in einer Achse blickend. Mein Revolverschuss hatte dieses Gesicht zerstört. Dann näherte sich sein Mund bis auf wenige Zentimeter meinem Ohr und er sprach wieder ruhig und fest:

„Dreimal musste ich reanimiert werden, nachdem mich ein Ranger rein zufällig gefunden hatte. Ich verdanke dir drei Tode, um danach Jahre ohne Gedächtnis mein altes Leben zu erforschen. Und als ich mich endlich erinnern konnte, war meine geliebte Sarah tot. Gestorben am Kummer über mein Verschwinden und an der Angst vor dir.“

Der echte Miles führt die bewegungseingeschränkte rechte Hand des falschen Miles an den Griff des Jagdmessers, das in seiner Brust steckt und seine Herzwand bedrohlich berührt. Dann stellt er den Monitor des EKG-Gerätes auf seinen Bauch. Das Gerät wippt auf und ab, ausgelöst durch seine hektische Atmung. Schockiert starrt er aus dem Augenwinkel auf seine nervöse Herzkurve.

Als letztes trägt der echte Miles leitendes Gel auf die Paddles des klinischen Schock-Apparats auf und drückt sie auf die Brust des falschen Miles Miggs. Dann lädt er auf vierhundert Joule und geht. Der zunehmend pfeifende Lade-Ton begleitet ihn zur Tür des alten Gemäuers. Mit dem Zuschlagen der Tür hinter sich schießt auch der Defi seinen Stromstoß ab und reißt Miles Oberkörper in das Messer, das in ihm steckt. Sofern er es nicht vorher aus seiner Brust gezogen hat, um Miles Miggs sechstem Tod zu entgehen.

Die Tristesse des Triple Tango (für Kerstin)

„Ja, Herr im Himmel, kann man vielleicht mal in Ruhe gebären.“ Triple Tango setzte gerade konzentriert einen Hybriden aus seinem Darm ab. Das bedurfte etwas Zeit in absoluter Ruhe. Der Mind-Connector gab ihm weder das Eine noch das Andere. Triple hatte vergessen ihn stumm zu schalten.

„Triple Tango, es wird ein Connecting mit Tango erwünscht, Triple Tango, es wird ein Connecting mit Tango erwünscht“, schnurrte es im Mind in der Tonlage eines elektrischen Rasierapparates. Die quellenlose Beleuchtung seines Mindrooms pumpte zwischen rot und kaltem weiß.

Triple Tango kniff den fast fertigen Hybriden ab, hüllte ihn ordnungsgemäß in einen sterilen Hybridbeutel und warf ihn achtlos ins Vakuum. Er aktivierte erschöpft und genervt den Mind-Button durch seine Aufmerksamkeit und nahm das Gespräch an.

„Boah Oppa, watt iss?“

„Hey Triple, du alte i-Flat“ (Abfälliger Nickname für einen konservativen Techniknostalgiker, angelehnt an eine namensgebende Firma, die als die größte Nebelkerze der i-Epoche galt, da sie seiner Zeit die Mind-Technologie verschlief, stattdessen auf Hardware-Endgeräte gesetzt hatte und innerhalb von sechs Monaten vom weltweit wertvollsten Unternehmen zum Pleitegeier abschmierte).

„Oppa, watt gibbet?“

„Junge, kommst du denn auch zu meinem Geburtstag?“, fragte Tango. „Wir wollen richtig schön einen drauf machen!“

„Oppa, du machst keinen mehr drauf, hör auf mit dem Kappes. Du bist seit zwanzig Jahren tot, also geh mir nicht auf die Nüsse. Ich hatte fast meinen Hybriden fertig, ich bin heute sechzig geworden und du nervst ernsthaft mit deinem hundertachzigsten Geburtstag. Echt jetzt?“

Triple Tangos Großvater hatte sich vor seinem Tod für ein grandios gescheitertes Nanocomputerexperiment eingeschrieben, um seinen Hirninhalt für die Nachwelt zu konservieren. Die alte Zeit in Form von Erinnerungen für die kommenden Generationen zu erhalten, war ein grandioser Gedanke. Leider hatte man unterschätzt, wie schwer es war, neben den nackten Erinnerungen auch noch eine Art Geist oder Charisma des Probanden auf das Mind-Modul zu transferieren. Möglicherweise, weil diese menschlichen Besonderheiten irgendwo anders verwurzelt sind?Jedenfalls hatten sie die Stelle, wo sich die Seele versteckt, bis heute nicht gefunden. Das Projekt wurde nach vierhundert Versuchen ersatzlos gestrichen. Das Problem war, was sollte man mit den vierhundert Lebenserinnerungen tun, die auf den vergänglichen Bio-Modulen nur einige Zeit zwischengespeichert werden konnten. Ins Vakuum werfen? Da spielte plötzlich die Ethik eine Rolle und so kamen sie auf die Erben.

Nachdem sein Vater Double Tango ordnungsgemäß mit hundertsechzehn Jahren das Zeitliche gesegnet hatte, stand Triple vor vier Jahren vor der Entscheidung, was mit seinem Opa geschehen sollte. Entweder mit Double unwiederbringlich sterben oder aus Doubles Mindback extrahiert und bei ihm selbst implantiert werden.

„Ich übernehme ihn, das kann lustig werden“, war der dümmste Satz, den Triple je über seine Lippen hat kommen lassen.

Ein Sohn pro Mann und auch erst ab dem sechzigsten Lebensjahr war von den Behörden zugelassen worden. Die Zellmasse kam mit der Geburtstagskarte der Regierung. Man konnte also nicht behaupten, dass der Sechzigste nur irgendein Geburtstag gewesen wäre. Sie hatten die zweifelhafte Hybridtechnik erfunden, um den Genpool zu erhalten und der Virusmutante dabei möglichst wenig Angriffsfläche zu lassen. Für eine bessere Zeit danach. Die Opferzahl, die das Virus der Menschheit bis dato abgefordert hatte, war unerträglich hoch und gesellschaftsverändernd.

Der Gedanke daran, wie Quattro Tango auf die Welt kommen sollte, war nicht sonderlich appetitlich, aber der Zweck heiligte die Mittel und hinterher würde nichts mehr an den jabbaesken Säugling erinnern. Schließlich ist mit Triple Tango aus einem dicken Haufen auch ein anständiger Mensch geworden. Wie es jedoch jemals wieder bessere Zeiten geben sollte, war allen ein Rätsel.

Durch Opas Gequatsche musste Triple allerdings morgen erst nochmal ein Mindset ejakulieren, es mit diesem ekelhaften Zellbrei vermischen und in seinem zuvor entleerten Verdauungstrakt zweiundsiebzig Stunden austragen, ohne dazwischen etwas zu essen.

Wirklich romantisch.

Hätte dieser verdammte Virus vor hundertfünfundzwanzig Jahren nicht alle Frauen, Mädchen und deren Genome dahingemeuchelt und vom Planeten radiert, was wäre die Welt doch noch schön.

Triple riss sich am Riemen.

„Also Oppa, T`schuldigung. Happy Birthday, altes Haus, wie isset?“

„Danke Junge, allet juut“, erwiderte Tango. „Tut mir leid, dass ich dir deine Geburt vermasselt habe.“

Seine Worte waren Hülsen und irgendwie tat er Triple im Rahmen seiner begrenzten, emotionalen Möglichkeiten leid, obwohl er genau wusste, dass sein Opa nichts weiter mehr als das war, was man zur i-Zeit Speicherplatz nannte. Einhundertsechzig Jahre Erinnerung ohne eine einzige Emotion dazu. Als es Triple keine drei Wochen nach der Implantation klar wurde, gab es kein Zurück mehr. Allzu oft ließ er seine Verbitterung an seinem Großvater aus. Dieser konnte Triple zwar aus seinem Mindback mit seiner Lebenserinnerung amüsieren, es gelang ihm aber nicht, die Erinnerungen mit Leben, in Form von Freude, Trauer, Leidenschaft, Wut oder auch Angst und Hoffnung zu füllen.

Dass es in der i-Zeit vor dieser Virus-Tristesse ein besonderes Lebensgefühl gegeben haben muss, spürte Triple Tango mit jeder Faser. Er selbst hatte in seinem Leben nur diese seichte Zuneigung zu seinem Vater empfunden. Nicht intensiv, aber immerhin so, dass er ihm nichts zu leide getan hätte. Darüber hinaus hatten die Emotionen zusammen mit den Frauen ebenfalls den Planeten verlassen.

Wenn er sich die alten Bilder und Szenen aus Opas Mind aufrief, sah Triple etwas anderes. Die glücklichen Gesichter der jungen Familie. Die zärtlichen Berührungen beim Toben auf der Frühlingswiese. Wie seine junge Großmutter lächelnd den Kopf zur Seite neigte, wenn sie Opa ansah. Wie die Beiden ihren Jungen zwischen sich an der Hand hielten. Ihn mit gemeinsamem Schwung hochschleuderten, so dass die Glückstränen vor lauter Jauchzen und Lachen über seine Wangen rannen. Er ihnen in den Arm sprang, wie in einen beschützenden Hafen.

Am schlimmsten war es für Triple, wenn Opa dazu plapperte. Unfähig das eigentlich Offensichtliche der Bilder zu beschreiben. Die Liebe. Opa teilte fünfundzwanzig Lebensjahre mit einer der letzten Frauen des Planeten, bevor sie im Kindbett am Virus starb. Er hatte sie geküsst, sie geliebt, mit ihr geschlafen und eines der letzten natürlichen Kinder gezeugt. Er war Teil der Epoche der menschlichen Beziehungen und des sozialen Miteinanders in Familien und vermochte nicht, ihm zu erklären, wie er es empfand. Was er genau dabei gespürt hatte. Es machte Triple Tango rasend, denn er wusste, dass er nie erfahren würde, wie die Erfüllung der größtmöglichen aller Sehnsüchte sich anfühlte. Ihm wurde klar, dass sein Leben eigentlich genau so war, wie seine Geburt.

Schlicht und ergreifend nur ein Haufen Scheiße.

Glückes Dämon

Der Tag der Hochzeit: