Against all Doubts - Michelle Wend - E-Book
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Against all Doubts E-Book

Michelle Wend

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Beschreibung

Es ist kein Geheimnis, dass sich Carly und Logan nicht ausstehen können. Warum das so ist, dieses Detail hütet Carly wie einen Schatz. Am liebsten würde sie dem Idioten für den Rest ihrer Zeit an der Duke University aus dem Weg gehen. Ein Plan, der durchkreuzt wird, als die beiden im selben Trainingscamp einquartiert werden. Ihr Sommer droht zu einem Desaster zu werden. Wann immer sie einander begegnen, fliegen die Fetzen und bald die ersten Funken. Es dauert nicht lange und Carly muss erkennen, dass Logan nicht der arrogante Herzensbrecher ist, für den sie ihn gehalten hat. Und dass ihr erster Kuss, von dem nie jemand erfahren sollte, vielleicht nicht so falsch war wie gedacht ...

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Seitenzahl: 425

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AGAINSTall Doubts

Michelle Wend

© 2022 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: Malysheva Liudmyla (shutterstock)

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-94-3

ISBN-EPUB:978-3-903278-95-0

www.romance-edition.com

Für Nadine,

weil ich ohne dich niemals mit dem Schreiben angefangen hätte. Danke, dass du immer ein bisschen mehr an mich glaubst als ich selbst

1. Kapitel

You don’t love someone because they’re perfect,

you love them in spite of the fact that they’re not.

Jodi Picoult

Durham, North Carolina

Es war ein Montagabend, an dem die gesamte Stadt vor Energie und Anspannung förmlich zu vibrieren schien. So weit das Auge reichte, tummelten sich begeisterte Sportfans, jede freie Fläche trug das Wappen der Duke University, und überall las ich den Namen ihrer Mannschaft: Duke Blue Devils. Heute war kein gewöhnlicher Tag. Heute ging es um die Krone des College-Basketballs.

Das Finale der National Collegiate Basketball Association war eines der größten Sportereignisse überhaupt. March Madness. The Big Dance. Nur zwei Bezeichnungen für das Event, dem Tausende jedes Jahr entgegenfieberten. Verrückt könnte es nicht besser treffen, denn genauso fühlte es sich an, während ich über den Campus der Duke spazierte. In wenigen Wochen würde ich hier mein Medizinstudium beginnen. Es klang immer noch wie ein Traum.

Die Duke war immer meine erste Wahl gewesen. Schon meine Eltern hatten hier ihre College-Zeit verbracht und sich auch an diesem Ort ineinander verliebt. Dass ich in ihre Fußstapfen treten konnte, war immer noch ein wenig unfassbar. Wahrscheinlich würde es eine Weile dauern, bis ich vollends begriff, dass mein größter Wunsch tatsächlich wahr wurde. Und auch mein zweitgrößter würde in wenigen Stunden in Erfüllung gehen.

»Ist alles in Ordnung, Carly?« Die Stimme meiner besten Freundin June ließ mich leicht zusammenzucken.

Bei all dem Trubel um das heutige Finalspiel hatte ich unsere Mission Campuserkundung glatt vergessen.

Ertappt sah ich zu ihr. »Ja, tut mir leid. Ich war in Gedanken. Was wollen wir uns als Nächstes anschauen?«

June betrachtete mich einen langen Moment, bevor sie wieder auf den dunkelblauen Flyer in ihren Händen blickte. Auf dem Campusführer, den sie sich vorne am Eingang aus einem Ständer geschnappt hatte, waren die wichtigsten Gebäude der einzelnen Fakultäten verzeichnet. Da mir die kleine Karte mehr wie ein auswegloses Labyrinth in einem Rätselheft vorkam, ließ ich June über unser nächstes Ziel entscheiden und vertraute ganz auf ihren hervorragenden Orientierungssinn. Ohne sie hätte ich mich auf dem riesigen Gelände bereits hundertmal verlaufen. Ich sollte sie bitten, mich zu Semesterbeginn zumindest eine Woche lang zu meinen Kursen zu begleiten, damit ich in dem Meer bestehend aus siebzehntausend Studenten nicht unterging. Noch besser wäre es gewesen, wenn wir gemeinsame Vorlesungen besuchen würden. Doch obwohl die psychologische Fakultät in unmittelbarer Nähe zur medizinischen lag, hatten wir nicht ein einziges Seminar im selben Gebäude.

June stupste mit ihrer Schulter gegen meine und beförderte mich damit erneut zurück in die Wirklichkeit. Sie deutete auf ein Gebäude mit ergrauter Backsteinfassade unweit von uns entfernt. In regelmäßigen Abständen standen helle Holzbänke unter schattigen Eichen, auf denen vereinzelt Studenten saßen, und ihre Gesichter in die Sonne reckten. »Ich habe gehört, dass das Mary’s eines der beliebtesten Cafés am Campus ist. Wollen wir uns hineinsetzen und etwas trinken?«

»Auf jeden Fall. Nichts wie hin.« Koffein war schon jetzt unser täglicher Begleiter, und das würde sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Bei all den langen Lernnächten, die uns bevorstanden, würde sich unser allmorgendlicher Latte macchiato höchstwahrscheinlich zu unserem Lebensretter steigern. Deshalb hatten wir uns einen hochmodernen Kaffeevollautomaten für unsere gemeinsame Wohnung gegönnt. Sie lag etwas abseits vom Campus, besaß drei Zimmer und war einfach wunderschön. Ich konnte es kaum erwarten, offiziell einzuziehen.

»Dann los.« June steuerte lächelnd in die entsprechende Richtung, strich sich eine braune Strähne aus dem Gesicht und steckte den Flyer zurück in ihre Umhängetasche mit der Aufschrift Duke University. Est. 1838. Ich folgte ihr und ließ meinen Blick schweifen.

Inzwischen verstand ich, weshalb der Campus von den Studenten Gothic Wonderland genannt wurde. Normalerweise war ich kein Fan von Architektur, doch die Duke beeindruckte mich. Moderne Glasbauten gliederten sich zwischen älteren Gebäuden im neogotischen Stil ein. Die Mischung aus hell und düster hatte etwas Faszinierendes, fast Surreales an sich. Es gab so viel zu entdecken, dass ich gar nicht wusste, wo ich zuerst hinschauen sollte. Ich fühlte mich, als würde ich mich in meiner eigenen kleinen Blase befinden. Ein Teil von mir erwartete, dass sie jeden Moment platzen könnte.

Unauffällig kniff ich mir in den linken Oberarm und zuckte bei dem Schmerz zusammen.

»Hast du dich gerade echt selbst gekniffen?« June sah mich belustigt an.

»Ähm ... nein?« Der Versuch, es zu leugnen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. June und ich waren gemeinsam aufgewachsen. Zwanzig Jahre lang hatten wir direkt nebeneinander gewohnt. Niemand kannte mich besser als sie.

»Natürlich nicht.« Mein Schulterzucken ließ sie laut lachen. Ich konnte gar nicht anders, als miteinzusteigen.

»Was denn? Kannst du das alles etwa glauben?« Ich machte mit der Hand eine ausladende Bewegung und spürte unglaubliche Vorfreude.

June legte den Kopf schief und stieß einen Seufzer aus. »Nicht wirklich. Aber allein die Vorstellung macht mich verdammt glücklich.«

»Siehst du. Mir geht es nicht anders.«

Wir erreichten das kleine Café an der Ecke des Gebäudes. Wie schon aus der Entfernung zu sehen, war der einst helle Backstein über die Jahrzehnte nachgedunkelt und zum Teil mit Efeu bewachsen. Vor einem der Ladenfenster war ein dunkler Metallständer montiert, an dem einige Fahrräder lehnten. Links daneben luden drei kleine Sitzgarnituren mit rot-karierten Polstern zum Verweilen ein. Über der Tür prangte ein weißes Schild, auf dem Mary’s Tea & Coffee geschrieben stand. Ich fühlte mich auf Anhieb wohl. Es erinnerte mich ein wenig an zuhause.

»Schön, oder?«

»Jap. Ich kann verstehen, warum es so beliebt sein soll.«

»Ich auch. Lass uns reingehen und herausfinden, ob der Kaffee genauso gut schmeckt, wie mir erzählt wurde.« June trat vor mir durch die Tür. Eine alte, leicht verrostete Glocke kündigte uns an.

Im Innern war das Lokal genauso gemütlich, wie das Äußere vermuten ließ. Links von uns stand eine hölzerne Bar, mit gemütlich aussehenden Hockern davor. Auf der rechten Seite waren Sitzgruppen in unterschiedlichen Größen und Formen angeordnet. Am besten gefielen mir jedoch die Sitzbänke direkt vor den großen Fenstern, die liebevoll mit zahlreichen bunten Kissen dekoriert waren. Während June uns einen Platz in dem gut besuchten Café organisierte, übernahm ich die Getränkebestellung.

»Was kann ich dir bringen, Liebes?« Die Frau hinter der Bar, Mary, wie ich auf ihrem Namensschild lesen konnte, hatte sich in meine Richtung gedreht. Auf ihren Lippen lag ein herzliches Lächeln, ihr graues Haar hatte sie hochgesteckt, sodass ihr lediglich ein paar einzelne Strähnen ins Gesicht fielen. Aus blassgrünen Augen sah sie mich aufmerksam an. »Zwei Latte macchiato zum Hiertrinken, bitte.«

»Kommen sofort. Setz dich einen Moment.« Mary deutete auf den dunkelgrünen Barhocker und griff sich ein kleines Edelstahlkännchen, das sie einen Moment später mit Milch füllte. Mein Blick fiel auf die zahlreichen Flyer, die in kleinen Stapeln auf der Theke verteilt lagen. Einige warben für Busreisen zum Spectrum Center, das Zuhause der Charlotte Hornets, die seit dem Jahr 2004 in der NBA spielten. Dort würde in wenigen Stunden auch das College-Meisterschaftsspiel stattfinden. Andere Flyer präsentierten Übernachtungsmöglichkeiten oder priesen Gewinnspiele für exklusive VIP-Tickets an. Selbst in diesem kleinen Campus-Café war etwas von der Vorfreude auf das Match zu spüren. An der Wand hinter der Bar hing nicht nur das Teamwappen, sondern auch das der Duke. Vereinzelt saßen Fans in ihren Mannschaftstrikots an den kleinen Tischen und tranken Kaffee oder aßen etwas, während sie immer wieder einen Blick auf die große, runde Uhr warfen, die rechts neben dem Hinweisschild zu den Toiletten hing. In knapp viereinhalb Stunden würde das Spiel beginnen.

Mit jeder verstrichenen Minute wurde ich ungeduldiger. Kein Wunder, immerhin traten die Blue Devils gegen ihre größten Rivalen an, die White Cobras der North Hill University. Beide Teams waren seit Jahren verfeindet. Die Gründe waren so zahlreich wie verschieden. Einer davon war bestimmt, dass die Teams in den letzten sechzig Jahren ähnlich viele Erfolge feiern durften. Ein anderer war wohl auf den üblichen Konkurrenzkampf zwischen öffentlichen und privaten Universitäten zurückzuführen.

Ich strich mir die Haare zurück und sah Mary dabei zu, wie sie in den Milchschaum unserer Getränke das Muster einer zarten Blüte zauberte. Schon immer war ich von diesen kleinen Kunstwerken fasziniert gewesen.

Einen Augenblick später stellte sie die beiden Gläser vor mir ab. »Hier, bitte schön.«

»Das sieht super aus, danke.«

Mary lachte und trocknete sich die Hände an einem karierten Geschirrtuch ab. »Schön, dass es dir gefällt.«

»Das tut es.« Ich bezahlte und ging rüber zu June, die uns einen Zweier-Tisch in der Nähe der Fenster organisiert hatte.

In aller Ruhe tranken wir unsere Latte macchiatos, ließen den Blick schweifen und plauderten über den bevorstehenden Abend. Später würden wir uns mit ein paar Mädels von den Duke Blue Ravens, der Frauen-Basketballmannschaft der Duke, treffen, um mit ihnen gemeinsam das Spiel zu besuchen. Sarah, ihr Captain, hatte uns dazu eingeladen, obwohl wir erst in einigen Wochen zum Team gehören würden. Noch immer konnte ich mein Glück nicht fassen. Das Finale live im Stadion zu sehen, stand auf meiner Bucket List, seit ich zum ersten Mal einen Basketball in der Hand hatte. Dementsprechend aufgeregt und nervös war ich. Nicht einmal jetzt konnte ich still sitzen und wippte unaufhörlich mit dem Bein.

»Du machst mich noch kirre, Carly.« June warf mir einen leicht genervten Blick über den Rand ihres Glases zu. »Wir werden es rechtzeitig schaffen, also beruhige dich. Ich weiß doch, wie sehr du dich auf dieses Spiel freust.«

»Tut mir leid.« Ich rutschte noch einmal auf meinem Sitz herum, bevor ich mich in Geduld übte. Uns blieben noch dreiundvierzig Minuten, bis wir zum Stadion fahren mussten. Das war genug Zeit, um zum Hotel zurückzukehren und uns ein wenig frisch zu machen. Ich war niemand, der stets überpünktlich war, doch heute wollte ich um keinen Preis zu spät kommen.

Möglichst diskret betrachtete ich Junes beinahe leeres Glas und rechnete mir in Gedanken aus, wie viele Schlucke dafür noch nötig wären.

June verdrehte lächelnd die Augen, trank ihren Kaffee aus und griff sich ihre Umhängetasche. Meine hing noch immer über meiner Schulter. »Dann lass uns gehen. Sonst drehst du mir noch durch.«

»Gar nicht wahr.« Ich grinste, bevor ich June am Arm aus der Tür zog. Draußen übernahm sie wieder die Führung, da ich mir den Weg zur Busstation nicht gemerkt hatte.

Ich kramte gerade meine Sonnenbrille aus der Tasche, als sie plötzlich stehen blieb. Beinahe hätte ich sie umgerannt. »Was ist los?« Verwundert machte ich einen Schritt nach rechts, sah in dieselbe Richtung und begriff, weshalb sie gestoppt hatte.

Auf der anderen Straßenseite stand der Mannschaftsbus der Duke Blue Devils, umringt von einer beachtlichen Menschenmenge. Während der überwiegende Teil des Teams bereits im Inneren Platz genommen hatte, stand einer der Spieler noch draußen, plauderte und schrieb fleißig Autogramme oder machte Selfies. Dass es sich dabei zum Großteil um weibliche Fans handelte, verwunderte mich kein bisschen. Wir sprachen hier immerhin von Logan Evans. Point Guard, erfolgversprechendster Nachwuchs- und Starspieler der Blue Devils. Jeder, der sich halbwegs für College-Basketball interessierte, hatte seinen Namen schon mindestens einmal gehört. So auch ich. Dass er nur wenige Meter von mir entfernt stand, konnte ich kaum glauben. Er war mindestens einen Kopf größer als ich und sah in echt noch viel besser als auf den Fotos aus. Während die dunkelblaue Trainingsshorts locker auf seinen Hüften saß, betonte das schwarze Shirt seine muskulösen Oberarme und zog für einen Augenblick meine komplette Aufmerksamkeit auf sich.

Seine braunen Haare waren weder zu kurz noch zu lang und fielen ihm sanft in die Stirn. Die Lippen hatte er zu einem schiefen Lächeln verzogen, von dem jedes Mädchen schwärmen würde, das gerne Liebesromane las. Dass es auch in der Realität die entsprechende Wirkung zeigte, erfuhr ich nun am eigenen Leib.

Ich atmete aus, schob mir die Sonnenbrille auf die Nase und wollte gerade den Blick von ihm abwenden, als Logan direkt in unsere Richtung sah. Als hätte er etwas überaus Interessantes entdeckt, legte er den Kopf schief und betrachtete mich unverhohlen. Langsam breitete sich ein Schmunzeln auf seinem Gesicht aus. Erst da wurde mir bewusst, dass ich die Luft angehalten hatte. Hastig füllte ich meine Lunge mit Sauerstoff und überlegte gleichzeitig, ob ich stehen bleiben und seinem Blick standhalten oder lieber davonlaufen sollte. Noch nie zuvor hatte sich etwas derart intensiv angefühlt wie dieser Moment.

Ich war niemand, der schnell aus der Bahn geworfen wurde, und doch verschlug es mir für einen Moment die Sprache. Logan zwinkerte mir zu, dann wandte er sich ab, und ich fiel zurück ins Hier und Jetzt.

»Er gefällt dir also immer noch.« Wie sehr June damit ins Schwarze traf, war uns beiden bewusst. Innerlich verfluchte ich mich dafür, dass ich ihr von meiner kleinen Schwärmerei erzählt hatte.

»Und wenn schon. Du siehst doch, wie groß sein Fanclub ist.« Ich deutete auf seine zahlreichen Bewunderinnen.

June überlegte einen Moment, dann bemerkte ich ein Funkeln in ihren Augen. »Ich habe aber auch gesehen, wie er dir zugezwinkert hat. Willst du das etwa leugnen?«

Manchmal verfluchte ich meine beste Freundin. Ihr etwas vorzumachen, war schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Natürlich hatte sie seine Reaktion genauestens studiert. Und weil sie mich kannte, wusste sie auch, was diese kleine Geste von ihm in mir angerichtet hatte. Mein Herz schlug schneller, und ich drehte den Kopf zurück nach vorn, nur um im allerletzten Moment zu sehen, wie Logan einstieg und sich die Tür hinter ihm schloss. Einen Augenblick später setzte sich der Bus in Bewegung und rollte davon.

»Einen Versuch ist es wert.« Junes gemurmelte Worte drangen nur ganz langsam in mein Bewusstsein. Doch egal wie oft ich sie auch wiederholte, sie ergaben keinen Sinn.

»Was meinst du?« Verständnislos sah ich sie an.

Sie schob die Hände in ihre Hosentaschen. »Logan und du.« Sie sagte das absolut leichthin, so als hätten ihre Worte keine große Bedeutung. Dabei hatte sie mich gerade dazu aufgefordert, mich an den Star der Blue Devils ranzumachen. Ausgerechnet an den Kerl, dem eine Schar Fangirls nachlief. Ich schüttelte den Kopf. Zudem schmachtete ich Logan nicht an, ich bewunderte ihn lediglich für sein Talent, einen Ball treffsicher in einen Korb zu werfen, und dabei wie ein fleischgewordener Basketball-Adonis auszusehen. Genau, Carly. Adonis. Auch wenn ich Augen im Kopf hatte und zugeben konnte, dass Logan Evans attraktiv war, machte mich das noch lange nicht zu seinem Fangirl – es bewies lediglich, dass ich nicht blind war.

»Ach, hör schon auf. Wie stellst du dir das vor? Soll ich mich nach dem Spiel in die Umkleide schleichen und ihn um ein Date bitten? Das ist lächerlich, und das weißt du auch.«

»Das wäre etwas übertrieben. Aber vielleicht ergibt sich eine andere Gelegenheit. Ich meine ja nur. Es wäre eine Schande, wenn du eine Chance aus Angst nicht nutzen würdest.«

»Ich habe keine Angst.« Wovor auch? Was sie hier andeutete, würde nie passieren.

»Wenn du meinst ...« Ihr Schulterzucken wirkte fast wie eine Herausforderung. »Aber ...«

Bevor sie noch mehr sagen konnte, fiel ich ihr ins Wort. »Wenn ich dir verspreche, dass ich meine Chance nutze, falls sich mir eine bietet, lässt du das Thema dann ruhen?«

»Deal.« Sie nahm mir das Versprechen ab, ohne lange zu überlegen. Dass sie dabei grinste, machte mich misstrauisch. Es schien, als würde sie mehr wissen als ich.

Ich schüttelte den Kopf und drängte den Gedanken beiseite. Dann lief ich los und hoffte, dass wir es rechtzeitig zurück zum AC schafften. Es lag unweit vom Duke University Hospital, und wenn wir aus unserem Hotelzimmer sahen, konnten wir direkt auf den Campus schauen.

Ich war keine zwei Schritte weit gekommen, als June mich zurückhielt. »Wohin willst du?«

»Zum Hotel natürlich. Wir müssen uns noch umziehen und frisch machen. Schon vergessen?«

»Nein, aber zum geht Hotel es hier lang.« Sie deutete mit der linken Hand in die entgegengesetzte Richtung, in die ich gerade gelaufen war. Ohne etwas darauf zu erwidern, drehte ich mich um und ging an ihr vorbei. Hinter mir hörte ich sie leise lachen. Ich wirbelte herum, streckte ihr die Zunge raus und setzte meinen Weg fort. Als June zu mir aufschloss, stupste sie mir mit dem Ellenbogen in die Seite. Es war schön, eine Freundin wie sie an meiner Seite zu haben. Egal, wie alt wir waren, in uns schlummerten immer noch die zwei kleinen Mädchen, die sich durch gegenüberliegende Zimmerfenster gegenseitig Grimassen geschnitten hatten. Für nichts auf der Welt würde ich das missen wollen.

Das Spectrum Center war bis zum letzten Platz gefüllt. Wohin man auch sah, erkannte man die Wappen der beiden rivalisierenden Teams. Während die eine Hälfte in Weiß getaucht war, bestand die andere aus den blauen Trikots der Duke. Für einen Moment ließ ich meinen Blick schweifen und nahm die Atmosphäre in mich auf. Das Quietschen der Basketballschuhe, zusammen mit den Rufen der Fans und dem rhythmischen Stampfen ihrer Füße, ließ mich erschauern. Unzählige Male hatte ich mir diesen Abend ausgemalt und davon geträumt. Doch die Realität schlug meine Vorstellung um Längen. Ich fühlte mich lebendig. So lebendig wie noch nie zuvor. Und das inmitten von Fremden.

Dreiviertel des Spiels war vorbei, und die White Cobras führten mit zwölf Punkten. Ich hielt den Atem an, als sie erneut drei Punkte warfen und ihre Führung weiter ausbauten. Noch war für die Blue Devils nichts verloren. Das wusste ich. Und doch wurde ich zunehmend unruhiger. Das Spiel der White Cobras schien ausgeklügelt zu sein, jedoch auf eine hinterlistige und unfaire Weise. Hier mal ein kleiner Schubser, da ein kleines Zerren. Doch nur selten griff der Schiedsrichter ein. Je weiter die Zeit voranschritt, desto verärgerter wurde ich. Basketball war ein Mannschaftssport. Oftmals auch körperbetont. Doch die Spielweise der White Cobras war nicht regelkonform, und wenn es eines gab, das ich nicht leiden konnte, dann war es Ungerechtigkeit. Genau danach sah es in diesem Moment aus.

Genervt griff ich in die Tüte Popcorn, die June und ich uns teilten, und warf mir etwas davon in den Mund.

»Das kann doch nicht wahr sein.« Meine beste Freundin stieß einen Seufzer aus, lehnte sich in ihrem blauen Plastikstuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich zuckte bloß mit den Schultern und versuchte, mich nicht weiter aufzuregen. Es brachte nichts. Ich hatte keinen Einfluss auf das Spiel. Den hatten nur die fünf Jungs der Blue Devils, die soeben auf Angriff umschalteten und nach vorne preschten.

»Warum pfeift der Schiri das denn nicht?« Sichtlich frustriert warf June die Hände in die Luft und verteilte dabei etwas Popcorn in der Reihe vor uns. Schnell stellte ich die Tüte weg, bevor sie noch einmal zugreifen konnte. Dass uns einer wegen Maiskornbeschuss blöd anmachte, fehlte noch. Die Stimmung der Duke-Fans war so schon auf einem Tiefpunkt.

Als kurz darauf ein lauter Pfiff ein Time-out anzeigte, atmete ich tief durch. Interessiert sah ich dabei zu, wie sich das gesamte Team der Blue Devils um Coach Johnson versammelte und auf seine Anweisungen wartete. Was genau er ihnen sagte, verstand ich nicht. Dafür saßen wir zu weit weg. Aber seine Körpersprache machte deutlich, dass er ebenso genervt war wie wir.

Die Jungs um ihn herum hörten ihm aufmerksam zu und nickten immer wieder. Mein Blick fiel auf Logan. Als Captain stand er direkt neben dem Coach. Er wirkte hochkonzentriert und presste seine Kiefer aufeinander, während er immer wieder zur gegnerischen Mannschaft schaute. Etwas in seiner Miene veränderte sich plötzlich. Im selben Moment legte der Coach einen Arm um Logans Schultern, und jedes Teammitglied streckte die Hand in die Mitte, um sich für die letzten Minuten gegenseitig zu motivieren. Gemeinsam liefen sie zurück aufs Feld. Wieder ertönte ein Pfiff. Das Time-out war zu Ende.

Gespannt rutschte ich auf meinem Sitz nach vorn, während sich das Team aufstellte. Irgendetwas war anders als zuvor. Ich wusste nicht genau, was es war, aber ich spürte es. Wie eine Vorahnung, dass gleich etwas Unglaubliches passieren würde. Ich wagte nicht einmal zu blinzeln, hielt den Atem an, während die Stoppuhr weiterlief. Mit jeder Sekunde wurde die Atmosphäre hitziger, das rhythmische Stampfen schneller, die Sprechchöre lauter und das Quietschen der Basketballschuhe schriller. Nervös knetete ich meine Finger und beobachtete jede noch so kleine Regung.

Die Blue Devils schienen sämtliche Kräfte zu mobilisieren, um das Spiel zu drehen. Acht der fünfzehn Punkte hatten sie bereits aufgeholt. Logan dominierte das Spiel auf eine Weise, wie ich es noch nie gesehen hatte. Nichts lief, ohne dass er daran beteiligt war. Sieben der acht Zähler gingen auf sein Konto. Es war beeindruckend, wie elegant er zwischen den Gegnern hin und her dribbelte und gleichzeitig absolut treffsicher war. Nicht ein Wurf ging daneben.

Als Captain meiner Highschool-Mannschaft wusste ich, wie schwer sowas war. Vor allem in einer Situation wie dieser. Es schien, als lastete die komplette Verantwortung auf seinen Schultern. Natürlich war dies nicht gänzlich mit unserer Meisterschaft zu vergleichen. Doch das Adrenalin in meinem Blut war dasselbe.

Das Ticken der Uhr auf der Anzeigetafel hallte in meinem Innern nach. Eine Minute. Sechzig Sekunden, die darüber entschieden, wer den Platz als nationaler Champion verlassen würde. Acht Punkte bis zum Sieg. Das war nicht unmöglich.

Unser Spieler mit der Nummer achtundzwanzig, Caleb Jensen, täuschte an, drehte sich nach rechts und ließ den Gegner stehen. Treffsicher versenkte er den Ball im Korb und holte uns wichtige drei Punkte. Fehlten noch fünf. Doch die Zeit saß uns im Nacken.

Fünfundvierzig Sekunden. Die White Cobras wechselten ihre Taktik. Statt auf Punkte zu setzen, warfen sie sich lange Querpässe zu, um den Blue Devils wertvolle Sekunden zu nehmen. Ich ballte die Hände zu Fäusten, während die Jungs alles taten, um in Ballbesitz zu kommen. Ein Fehler aufseiten der White Cobras. Ein einziger Fehler, und ....

Plötzlich erkämpfte sich Logan den Ball und sprintete nach vorn. Gerade als er zu einem Dreipunkte-Wurf ansetzte, rammte ihn der Spieler mit der Nummer achtundachtzig, Chris Davidson. Wie in Zeitlupe sah ich Logan fallen und auf seiner Wurfhand landen. Ich hielt die Luft an, und das Stadion schien zu verstummen. Der Schiedsrichter pfiff ein Foul.

»Oh mein Gott.« June klang genauso fassungslos, wie ich es war.

Die Sanitäter eilten aufs Spielfeld und begannen, Logans Hand zu untersuchen. So ein Sturz konnte böse enden. Er hatte schon ganze Karrieren zerstört.

Ein Blick in Logans starres Gesicht weckte einen unguten Verdacht. Sofort schwirrten mir die unterschiedlichsten Verletzungen durch den Kopf. Angefangen von einer Verstauchung, über einen Kapselriss, bis hin zu einem ausgekugelten oder sogar gebrochenen Finger. Das wusste ich, weil mich mein Dad schon früh über potenzielle Verletzungen, die man sich beim Basketball zuziehen konnte, aufgeklärt hatte. Als chirurgischer Orthopäde kannte er sich bestens aus.

Logan nickte dem Mannschaftsarzt auffordernd zu. Die beiden wechselten ein paar Worte, bevor der Arzt Verbandsmaterial aus seiner roten Tasche holte. Er wirkte nicht glücklich, während er Logan einen Stützverband um Handgelenk und Finger wickelte. Nachdem er ihm auf die Beine geholfen hatte, packte er seine Sachen und verließ das Spielfeld.

Coach Johnson legte beide Hände auf Logans Schultern und sah ihn für einen langen Moment prüfend an. Logan wich seinem Blick nicht eine Sekunde aus. Schließlich nickte er und ging zurück an die Seitenlinie, während der Schiedsrichter mit dem Ball in der Hand auf Logan zusteuerte. Er zeigte ihm drei Finger, die Anzahl der Freiwürfe, die ihm zugesprochen wurden. Ich konnte ein Schnauben nicht unterdrücken.

Wütend starrte ich zu den White Cobras, die alle zufrieden grinsten. Genau darauf hatten sie es abgezielt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Logan mit seiner verletzten Hand treffen würde, war gering. Es durfte aber auch kein anderer aus seiner Mannschaft einspringen. Kaum ein Spieler war mit beiden Händen gleich wurfstark. Logan mochte gut sein, aber das war ein Ding der Unmöglichkeit. Damit konnten wir den Sieg vergessen.

Enttäuscht verschränkte ich die Arme und starrte auf meine Füße. Ich wollte nicht einmal hinsehen. Vielmehr konnte ich es nicht. Es tat mir in der Seele weh, auch wenn ich nicht so genau wusste, warum. Vielleicht, weil ich mir vorstellte, wie ich an seiner Stelle an der Freiwurflinie stand, während die Hoffnung der zwanzigtausend Zuschauer allein auf mir lastete. Das war zu viel.

June stupste mir auffordernd in die Seite. Widerwillig hob ich den Kopf. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Ball im Korb landete.

»Hat er gerade ...« Ich brachte die Worte nicht heraus. Logan hielt wieder den Ball in seiner linken Hand. Er prellte ihn ein paarmal gegen den Boden, ehe er sich in Position stellte. Er holte aus, warf und traf.

Ein lautes Raunen ging durch die Menge. Ich konnte nicht fassen, was ich gerade zu sehen bekam. Trotz seiner Verletzung hatte Logan zwei von drei Punkten erzielt. Damit ließ er die White Cobras ziemlich alt aussehen.

Logan schien denselben Gedanken zu haben, denn er schaute in diesem Moment zum gegnerischen Team. Ich folgte seinem Blick und bemerkte das wütende Gesicht von Chris Davidson, der Spieler, der ihn gefoult hatte. Seine Miene verdüsterte sich nur noch, als Logan den Ball erneut durch die Luft segeln ließ und auch den letzten Freiwurf verwandelte. Damit fehlten uns nur noch zwei Punkte zur nationalen Meisterschaft.

Obwohl wir noch nicht gewonnen hatten, brachen die Fans der Blue Devils in tosenden Jubel aus. Gemeinsam riefen sie Logans Namen und feuerten ihn damit weiter an. Ich bekam eine Gänsehaut und fühlte mich wie in Trance, weil alles an mir vorbeizurauschen schien, obwohl es gleichzeitig absolut scharf war. Der Blick auf die Uhr erhöhte das Adrenalin ein weiteres Mal. Fünf Sekunden.Ein Angriff. Ballbesitz der White Cobras. Unter diesen Umständen noch einen Zwei- oder Drei-Punkte-Wurf zu schaffen, war nahezu unmöglich. Doch die Blue Devils überraschten mich ein weiteres Mal.

Geschickt erkämpfte Caleb Jensen den Ball und warf ihn nach vorn zu Logan. Lässig dribbelte er erst einen, dann einen zweiten Gegner aus. Seine Verletzung schien vergessen. Beeindruckt sah ich zu, wie er einen Wurf antäuschte, um sich mehr Raum zu verschaffen. Doch leider durchschauten die White Cobras seinen Plan und deckten ihn.

Schnell überblickte ich das restliche Spielfeld und stellte fest, dass er keine Abspielmöglichkeit hatte. Also musste er das Ding selbst machen. Damit lag es an ihm, ob sich die Blue Devils für eine herausragende Saison belohnten oder kurz vor dem Ende scheiterten.

Zwei Sekunden. Mein Herz raste und pumpte das Adrenalin unaufhörlich durch meinen Körper. Logan täuschte erst links, dann rechts an, ehe er sich am Gegner vorbeischob und Richtung Korb sprintete.

Als er absprang, zeigte die Uhr eine Sekunde Restspielzeit an. Ich hielt die Luft an und betete, dass er treffen würde.

Wie in Zeitlupe verfolgte ich den Ball und stieß erleichtert die Luft aus, als er im Korb versank und uns die benötigten zwei Punkte verschaffte.

Im nächsten Augenblick ertönte das laute Surren, das das Ende des Spiels und damit die Blue Devils als Sieger verkündete. Wir sprangen auf und reckten jubelnd die Fäuste in die Luft. Es war unbegreiflich. Lachend fielen wir einander in die Arme. Und dann anderen, die wir eigentlich gar nicht kannten. Doch das war egal. Wir hatten soeben die nationale Meisterschaft gewonnen. Wir waren Champions. Und das war alles, was in diesem Augenblick zählte.

Das Spectrum Center bebte förmlich. Der Boden vibrierte unter unseren Füßen, Konfetti wurde durch die Luft geschossen. Begleitet von zahlreichen Fangesängen, die nicht mal von der lautstarken Musik übertönt wurden. Nie zuvor hatte ich mich lebendiger gefühlt als in diesem Augenblick. Seit ich das erste Mal in meinem Leben einen Basketball in den Händen gehalten hatte, war es mein Wunsch gewesen, das Finale live zu erleben.

»Wir haben gewonnen! Könnt ihr das glauben?« Sarah legte jeweils June und mir einen Arm über die Schulter und lachte laut.

»Nicht wirklich«, antwortete ich. Doch wir hatten es geschafft. Es war der Wahnsinn.

»Ihr kommt später mit zur Party, oder?«

»Was für eine Party?«

»Um den Sieg zu feiern, was sonst? Sie steigt bei Caleb zuhause. Das dürft ihr nicht verpassen.«

»Dann sehen wir uns nachher.«

»Ich schicke euch die Adresse. Wenn jemand fragt, sagt einfach, dass ich euch eingeladen habe.« Nur einen Wimpernschlag später hatte sie sich wieder zu ihrer Truppe umgedreht.

Meine beste Freundin dagegen sah mich grinsend an und legte den Kopf schief. »Überleg dir schon mal, was du später zu Logan sagen willst.«

Mir rutschte das Herz in die Kniekehlen. »Was? Warum sollte ich das tun?«

»Ganz einfach. Weil das deine Chance ist, und du mir vorhin versprochen hast, sie zu nutzen. Also versuch dein Glück, und in ein paar Jahren heiratet ihr, bekommt viele süße Kinder, und ich werde Patentante.« Ich konnte nicht anders, als zu lachen. Meine beste Freundin las eindeutig zu viele Liebesromane.

»Hochzeit und Kinder? Habe ich überhaupt noch ein Mitspracherecht?«

»Nope, hast du nicht.« Lachend hakte sie sich bei mir unter, bevor wir zum Ausgang gingen. Um uns herum wurde immer noch gejubelt, doch in mir herrschte eine andere Aufregung. Eine, die ebenfalls mit dem Starspieler der Blue Devils zu tun hatte.

2. Kapitel

Will.i.amsScream & Shout dröhnte aus den Boxen und ließ den Holzboden unter meinen Füßen vibrieren. Die Möbel im Wohnzimmer waren zur Seite geschoben und der freigewordene Platz zu einer Tanzfläche umfunktioniert worden. Dicht aneinander gedrängt tanzten gefühlt hundert Leute. Ihre Körper wurden dabei abwechselnd in buntes Licht getaucht. Wie sollten wir hier Sarah und die anderen Mädels aus dem Team finden?

Ich lotste June weiter durch die Menge, vorbei an kleinen Grüppchen, die sich abseits des Tanzbereichs gebildet hatten. Wortfetzen drangen an mein Ohr, aber nichts davon ergab Sinn. Die Musik war einfach zu laut. Wir traten durch einen Durchgang in das Esszimmer. Der lange Tisch war zur Bar umfunktioniert worden, vor der sich eine beachtliche Schlange gebildet hatte. Ich konnte die Etiketten auf den teils halbleeren Flaschen nicht erkennen, aber die Auswahl war beeindruckend. Dagegen wirkten die wenigen Highschool-Partys, auf denen ich bisher gewesen war, wie ein schlechter Scherz.

Zuhause in Southport gab sich niemand derart viel Mühe, nur um mit seinen Freunden zu feiern. In einer Stadt mit knapp fünftausend Einwohnern zelebrierte man Siege in einem kleineren Kreis. Doch davon spürte ich hier nichts. Ich fühlte mich ein bisschen, als wäre ich in eine Hollywood-Party gestolpert. Es war eindrucksvoll, aber auch einschüchternd. Ein Teil von mir hoffte, nichts zu verschütten oder versehentlich etwas kaputt zu machen.

»Hey, ihr zwei. Schön, dass ihr gekommen seid.« Wie aus dem Nichts erschien Sarah neben mir und zog June und mich zugleich in ihre Arme. Dann steuerte sie wie selbstverständlich auf den Tisch zu, schnappte sich zwei rote Plastikbecher und füllte sie mit Bier aus dem Fass daneben. Als sie wieder vor uns stehen blieb, drückte sie uns je einen davon in die Hand. Völlig perplex starrte ich sie an. Hatten ihr all diese Leute gerade den Weg freigemacht?

»Hier. Ihr habt einiges aufzuholen.« Ihre Augen schimmerten leicht glasig. June sah mich fragend an. Ich zuckte mit den Schultern und probierte.

Es schmeckte in Ordnung, aber es gab definitiv besseres. Als ich June die Nase rümpfen sah, verschluckte ich mich beinahe. Wenn sie wählen konnte, griff sie lieber zu Wein, weil ihr Bier zu bitter war.

»Ich mag euch zwei jetzt schon«, meinte Sarah grinsend, schlang je einen Arm um uns und dirigierte uns zurück ins Wohnzimmer. Die anderen Mädels hatten sich in der Nähe der zum Rand geschobenen weißen Ledercouch eingefunden. Einige saßen auf den Polstern, andere standen oder hockten vor ihnen. Völlig in ihre Unterhaltung vertieft, bemerkten sie uns im ersten Augenblick gar nicht.

Ohne etwas dazu zu sagen, zog uns Sarah zur Mitte der Ledercouch, ehe sie sich selbst auf die hintere Lehne setzte. Zu deutlich wurde ich mir der Aufmerksamkeit bewusst. Auch June rutschte spürbar nervös auf ihrem Platz herum.

»Was sagt ihr zum Spiel?«, fragte Lilly, eine hübsche Rothaarige und Small Forward der Mannschaft, und reichte Sarah über unsere Köpfe hinweg einen Becher. Ihr Lächeln war freundlich und interessiert. Und auch die anderen sahen uns aufmunternd an.

»Ich bin froh, dass sie es noch drehen konnten. Zeitweise sah es nicht gerade danach aus.« In Gedanken ging ich die Highlights des heutigen Abends durch. Wie knapp der Sieg gewesen war, wurde mir erst jetzt, nachdem ich etwas runtergekommen war, richtig bewusst. Es grenzte nahezu an ein Wunder, dass die Blue Devils die Meisterschaft geholt hatten. Vor allem, nachdem Logan so übel gefoult wurde.

»Wem sagst du das.« Lilly schnaubte, ehe sie einen großzügigen Schluck trank. »Ich verstehe auch nicht, weshalb der Schiri so selten gepfiffen hat. Er hat den White Cobras viel zu viel durchgehen lassen.«

»Stimmt. Hätte er eher eingegriffen, hätte sich Logan unter Umständen nicht verletzt.« Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr ärgerte ich mich. Weil es absolut überflüssig gewesen war und seine Karriere unnötig gefährdete. Durch meinen Dad hatte ich mitbekommen, wie schnell sowas gehen konnte. Das wünschte man keinem.

»Hoffen wir mal, dass es nichts allzu Schlimmes und er schnell wieder fit ist.« Ich konnte June nur zustimmen. Doch für den Moment blieb uns nichts anderes, als abzuwarten.

Wir plauderten weiter, ein Thema löste das andere ab. Auch wenn wir uns noch nicht lange kannten, mochte ich die Mädels jetzt schon. Ich konnte es kaum erwarten, mit ihnen zu trainieren. Auch wenn man auf den ersten Blick nicht unbedingt vermutete, dass sie Basketball spielten. Beide waren groß, schön und hatten eine umwerfende Figur, was dem vielen Training geschuldet war. Mit ihrem perfekten Make-up, den hochgesteckten Haaren und den kurzen, grünen Kleidern konnte man meinen, sie wären einem Modemagazin entsprungen. Auch wenn ich selbst nicht klein war, hatte ich mich heute für High Heels entschieden. Dazu trug ich mein weißes Lieblingskleid, das June und ich bei unserer letzten Shoppingtour gefunden hatten. Während der obere Teil enger und mit zarter Spitze besetzt war, fiel der untere Stoff in leichten Wellen und endete kurz vor meinen Knien. Es zeigte weder zu viel noch zu wenig Haut. Dazu hatte June mir braune Smokey Eyes geschminkt, die entgegen meiner Bedenken gut zu meinen blauen Augen passten.

June hingegen hatte sich für ein schwarzes Kleid mit Blumenmuster entschieden, das ihr unglaublich gut stand.

Während ich an meinem Becher nippte und dem Gespräch der anderen lauschte, ließ ich meinen Blick umherschweifen. Nur einen Wimpernschlag später hörte ich die ersten Töne von Queens We Are The Champions und das Team der Blue Devils trat gesammelt ins Wohnzimmer. Natürlich wurde ein Scheinwerfer auf sie gerichtet. Imposanter konnte ein Auftritt nicht sein. Tosender Applaus, gefolgt von Pfiffen hieß sie willkommen.

Caleb ging allen voran. Breit grinsend stachelte er die Menge weiter an. Er wirkte, als wäre er völlig in seinem Element. Interessiert blickte ich auf den Spieler hinter ihm, dann auf den nächsten, doch Logan konnte ich nirgends entdecken. Was merkwürdig war, immerhin war er der Captain der Mannschaft.

Irritiert drehte ich mich zu June, die vollkommen verträumt zu den Jungs sah. Wen genau sie anhimmelte, konnte ich nicht direkt ausmachen, und gerade als ich sie darauf ansprechen wollte, schaute sie in meine Richtung. Ertappt färbten sich ihre Wangen rosa. Ich öffnete den Mund, um nachzuhaken, wurde aber von Lilly unterbrochen.

»Lasst uns tanzen!«

Mein schwacher Protest wurde direkt unterbunden, indem sie sich meine Hand schnappte und mich auf die improvisierte Tanzfläche zog, die inzwischen etwas leerer war. Das Lied wechselte und Ed Sheerans Bad Habits erklang. Wenn ich bis gerade eben noch keine Lust gehabt hatte, änderte sich das in diesem Moment schlagartig. Es gab Songs, zu denen musste man einfach tanzen. Dieser gehörte dazu. Ich schloss meine Augen und ließ meine Hüften kreisen. Als ich sie wieder öffnete, merkte ich, dass bereits etwas anderes gespielt wurde. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, doch Sarah stupste mich mit dem Arm an und deutete aufs andere Ende des Wohnzimmers. »Ich werde mal eine Pause machen. Kommt ihr mit?«

Als Zeichen, dass ich ihr folgen würde, nickte ich. Gemeinsam gingen wir zu der großen Sofalandschaft, die gegenüber der Tanzfläche stand.

»Ich hole mir noch etwas zu trinken. Soll ich dir etwas mitbringen?«, wandte ich mich an June, die sich auf die Couch sinken ließ. Sarah und Lillygesellten sich ebenfalls dazu.

»Nein danke. Ich möchte nichts.« Sie schenkte mir ein Lächeln, bevor sie von Lillyin ein Gespräch über die angesagtesten Clubs der Stadt verwickelt wurde. Ich hörte die drei lachen, während ich mit meinem Becher von vorhin, auf den Freundinnen von Sarah aufgepasst hatten, in Richtung Esszimmer verschwand.

Auf dem Weg sah ich mich neugierig nach den Jungs um, die sich inzwischen im Raum verteilt hatten und sich unterhielten. Logan entdeckte ich bei keinem von ihnen. Ob es an seiner Verletzung lag? Musste er vielleicht ins Krankenhaus?

Meine Gedanken kreisten weiter um ihn, während ich mir all die Komplikationen eines Sturzes wie dem seinen heute ausmalte. Durch meinen Dad kannte ich die häufigsten Verletzungsarten bereits. Viele davon hatte ich mir beim Spielen selbst schon zugezogen. Einerseits waren diese Erfahrungen gut, weil ich eine Zukunft als Sportmedizinerin anstrebte und so schon ein bisschen Fachwissen besaß, andererseits sorgte es im Moment für Horrorszenarien über ein mögliches Karriere-Aus bei Logan. Dabei sollte mich dieser Kerl kein bisschen interessieren, und doch tat er es. Einen Teil von mir ärgerte das. Weil ich einfach nicht wie eines dieser Fangirls sein wollte, das ihn am Bus abfing.

Meine Grübelei wurde beendet, als er wenige Sekunden später endlich auftauchte. Ich stand nicht weit entfernt neben dem Esszimmer und hatte ungehinderte Sicht auf ihn. Kygos Hot Stuff dröhnte im Hintergrund aus den Boxen und hätte nicht passender sein können.

Die schwarze, verwaschene Jeans saß perfekt auf seinen Hüften. Ein weißes Shirt betonte seinen durchtrainierten Oberkörper und ließ wenig Raum für Fantasie. Darüber trug er eine schwarze Lederjacke, die er Danny Zuko aus Grease gestohlen haben könnte, und weiße Sneaker. Dieser Look stand ihm gut, viel zu gut, und löste ein angenehmes Prickeln auf meiner Haut aus. Wie gebannt stand ich da und beobachtete ihn, als er durch die Menge ging. Ich spürte, wie das Herz in meiner Brust schneller schlug. Fast wäre mir der Becher aus der Hand gerutscht.

Nie zuvor hatte mich ein Mann derart aus dem Konzept gebracht. Logan hatte irgendetwas an sich, dass es mir unmöglich machte, den Blick auch nur für eine Sekunde abzuwenden. Dass er in Trainingssachen heiß aussah, war kein Geheimnis. Ich hatte es heute beim Spiel mit eigenen Augen gesehen. Dass er in normaler Kleidung aber mindestens genauso attraktiv war, wusste ich nun auch. Ich war nicht sicher, welcher Logan mir besser gefiel.

Im nächsten Moment wurde er von zahlreichen Leuten in Beschlag genommen, darunter auch einige seiner Fangirls, die sich förmlich an ihn drängten. Oder es zumindest versuchten. Ich konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. Die Szene holte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Herzklopfen hin oder her, mein Interesse an ihm änderte nichts daran, dass ich nur eines von vielen Gesichtern auf dieser Party war. Die Chancen, dass wir miteinander sprechen würden, waren gering bis nicht existent. Egal, was ich June versprochen hatte, ich sollte mir Logan aus dem Kopf schlagen.

»Ist alles okay?«, fragte June, als ich wieder bei ihr und den anderen Mädels ankam. Während ich weg war, hatten sich fast alle Spielerinnern um die Couch eingefunden. Lilly rutschte zur Seite, damit ich mich neben meine beste Freundin setzen konnte. Offenbar spürte nicht nur June, dass meine Stimmung gekippt war, denn auch Sarah musterte mich aufmerksam. Als ich nichts weiter sagte und nur mit den Schultern zuckte, nahmen sie ihr Gespräch, das sich mittlerweile um Caleb drehte, wieder auf. Auch er hatte beim Spiel heute eine gute Figur gemacht. Ich hörte ihnen zwar zu und nippte an meinem Bier, war jedoch nicht ganz bei der Sache. Immer wieder schweifte mein Blick zu Logan, der sich von einer Gruppe zur nächsten bewegte. Jedes Mal schien ein anderes Mädchen an seinem Arm zu hängen.

»Carly?« Wie schon vorhin stupste mich June an und holte mich ins Hier und Jetzt zurück. Das verschmitzte Lächeln auf ihren Lippen sagte mir, dass sie genau wusste, wen ich bis eben beobachtet hatte. Sie beugte sich näher heran und senkte die Stimme. »Sprich ihn doch einfach an.«

Sie war offiziell verrückt. Logan Evans sprach man nicht einfach an. Er war nicht irgendwer, sondern der Starspieler der Blue Devils. Und vor wenigen Stunden hatte sein Team die Meisterschaft gewonnen, nachdem er drei unglaubliche Freiwürfe linkshändig gemeistert hatte.

»Garantiert nicht.« Meine Antwort ließ sie lachen.

»Warum nicht? Du warst vorhin nicht die Einzige, die gestarrt hat.«

In Gedanken ging ich den heutigen Abend durch. Ich wusste, worauf sie hinauswollte. »Ach June, du schenkst dem Ganzen viel zu viel Bedeutung. Wahrscheinlich wollte er einfach bloß nett sein.«

»Nett ... Natürlich.«

Ich zuckte mit den Schultern, ließ gedankenverloren meinen Blick schweifen und stoppte bei Logan, der in diesem Augenblick bei Caleb und einem wunderschönen Mädchen mit langen braunen Haaren stand. Ich atmete tief durch, trank einen Schluck Bier und versuchte, meinen rasenden Puls zu beruhigen. Es gelang mir halbwegs. Zumindest so lange, bis Logan rübersah und seine genervten Gesichtszüge sanfter wurden. Nur eine Sekunde später schmunzelte er. Leider verstand ich auch, weshalb. Ich hatte ihn angestarrt, und er hatte es bemerkt. Grandioser erster oder auch zweiter Eindruck. Je nachdem, ob man unseren Blickkontakt von vor ein paar Stunden dazu zählte.

Beschämt drehte ich mich weg. »Wollen wir uns mal den Garten ansehen?«, fragte ich an June gewandt.

»Gute Idee. Hier drinnen ist es total stickig.« Wie um ihre Aussage zu unterstreichen, fächerte sie sich mit einer Hand Luft zu. »Hey Leute, Carly und ich verschwinden mal kurz nach draußen.«

»Macht das. Und fallt mir nicht in den Pool.« Sarah lachte und deutete mit dem Kopf auf den Becher in ihrer Hand. Auch wenn wir ein wenig Alkohol getrunken hatten, war es lang nicht so viel, als dass wir nicht mehr in der Lage gewesen wären, vernünftig zu gehen.

»Wir bemühen uns.« Ich grinste, ehe ich mich von der Wand abstieß, an der ich bis gerade eben gelehnt hatte. Auch wenn es hier drinnen ziemlich warm war, sehnte ich mich nicht unbedingt nach einer nassen Abkühlung.

Über einen Wintergarten, der an das große Wohnzimmer angrenzte, traten wir nach draußen. Sofort umhüllte mich eine frische Frühlingsbrise, und ich atmete tief durch.

Der Außenbereich war mindestens genauso imposant wie der Innenbereich. Überall waren Standfackeln aufgebaut, die in den Boden eingelassenen LED-Scheinwerfer gedimmt. Zahlreiche gepolsterte Sitzgarnituren luden zum Verweilen ein. In einer leicht versteckten Ecke war eine riesige Feuerschale aufgebaut, in der kleine Flammen vor sich hin flackerten. Rundherum waren Rattanstühle aufgereiht, die alle besetzt waren. In einer anderen Ecke stand ein XXL-Grill, wie man ihn sonst nur in der Werbung sah. Die Dinger waren unfassbar teuer.

Das Highlight und damit gleichzeitig auch absoluter Blickfang war der geschwungene Pool in der Mitte des Gartens. Eingebaute Strahler setzen ihn gekonnt in Szene. Ich betrachtete, wie sich das Licht durch die sanften Wellen brach. Es hatte etwas unglaublich Beruhigendes an sich und weckte nun doch den Wunsch in mir, eine Runde zu schwimmen.

Nicht unweit vom Pool standen ein paar Leute und warfen sich einen Football zu. Wie man dieses Ding fangen, geschweige denn werfen sollte, war mir bis heute ein Rätsel.

»Ach Mist, ich habe meine Tasche liegen gelassen. Bin gleich zurück.« June verschwand wieder nach drinnen und ließ mich allein. Da der Pool nicht weit entfernt war und sie mich an dieser Stelle leicht finden konnte, entschloss ich mich, dort auf sie zu warten.

Langsam ging ich am Poolrand entlang und stoppte, als ich in Höhe von ein paar Liegen stand. Eine Weile beobachtete ich das bunte Geschehen um mich herum. Obwohl June und ich noch nicht nach Durham gezogen waren, fühlte ich mich schon jetzt ziemlich wohl an diesem Ort. Ich freute mich auf das kommende Semester.

Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich zusammenzuckte, als ich einen in meine Richtung fliegenden Football bemerkte, den irgendjemand neben mir noch zu fangen versuchte. Ohne zu überlegen, machte derjenige einen Schritt nach hinten, verlor dabei das Gleichgewicht und stieß mich an.

Nur einen Moment später spürte ich, wie ich ebenfalls die Balance verlor und ins Straucheln geriet. Panisch schmiss ich meine schwarze Clutch in Richtung der Liegen, ehe ich mit dem Unbekannten zusammen im Pool landete.

Erschrocken tauchte ich auf und strich mir die nassen Strähnen aus dem Gesicht. Natürlich musste mir das ausgerechnet dann passieren, wenn ich ein weißes Outfit trug. Ein ironischer Gedanke, der bloß zu verstecken versuchte, wie unangenehm mir das alles war. Nicht nur meine Klamotten, sondern auch meine Haare waren nass. Im besten Fall waren Lidschatten und Eyeliner nur leicht verlaufen. Im schlimmsten sah ich aus wie ein Panda. Großartig. Konnte der Abend noch besser werden? Wahrscheinlich nicht. Es sei denn, der Stoff meines Kleides war nicht dick genug und nun durchsichtig. Nach einem schnellen Kontrollblick konnte ich dies jedoch glücklicherweise ausschließen. Immerhin etwas. Leise seufzend drehte ich mich um, um zu erkennen, welchem Unbekannten ich die unfreiwillige Abkühlung zu verdanken hatte.

Als ich realisierte, mit wem ich gerade in den Pool gefallen war, konnte ich nicht anders, als nach Luft zu schnappen. Es war kein Geringerer als Logan Evans. Entweder erlaubte sich das Schicksal einen gewaltigen Scherz, oder jemand meinte es verdammt gut mit mir. Wie wahrscheinlich war es, dass so etwas passierte?

»Hast du dir wehgetan?« Logan sah mich besorgt an und überbrückte die kurze Distanz zwischen uns.

Ich schüttelte den Kopf. »Alles okay, ich bin bloß nass.«

Oh Gott, das hatte ich nicht ernsthaft laut gesagt, oder?

Anscheinend doch, denn Logan grinste.

»Sag jetzt nichts.« Warnend hob ich den Zeigefinger, was ihn dazu brachte, beide Hände schützend vor seinen Oberkörper zu halten.

»Meine Lippen sind versiegelt.« Er kam einen weiteren Schritt näher und streckte mir seine Hand entgegen. Für einen kurzen Augenblick überlegte ich, wann mich jemand in meinem Alter das letzte Mal auf diese Weise begrüßt hatte. Es musste schon sehr lange her sein.

Lächelnd legte ich meine Hand in seine. Meine Haut prickelte bei der Berührung. Als ich loslassen wollte, hielt er mich noch eine Sekunde länger fest.

»Logan Evans«

»Carly Thompson.«

»Du bist doch das Mädchen, das mich vor dem Bus und auch vorhin so angestarrt hat, oder nicht?«

Oh Gott. Wo war das Erdloch, in das ich versinken konnte? Weil es mir mehr als peinlich war, dass er mein Starren bemerkt hatte, vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen und suchte verzweifelt nach einer glaubwürdigen Erklärung, die mir jedoch nicht einfallen wollte. Also holte ich tief Luft und sah ihn wieder an. Ein verschmitztes Grinsen lag auf seinen Lippen, das meinen Puls zuverlässig in die Höhe trieb.

»Können wir einfach so tun, als wäre das niemals passiert?«

Als er nickte, fiel mir eine riesige Last von den Schultern. »Können wir, aber ehrlich gesagt, finde ich das ziemlich süß.«

Ich setzte an und brach ab, ohne auch nur ein einziges Wort gesprochen zu haben. Was erwiderte man darauf? Ich hatte keine Ahnung, doch gleichzeitig spürte ich, wie meine Wangen anfingen zu glühen. Doch glücklicherweise sagte Logan nichts dazu und wechselte stattdessen das Gesprächsthema.

»Ich nehme an, du studierst auch an der Duke, Carly Thompson?« Die Art und Weise, wie er mich ansah und dabei meinen Namen aussprach, gefiel mir viel zu gut. Es hatte etwas Vertrautes an sich, obwohl wir uns kein bisschen kannten. Ein Teil von mir war sich sicher, zu träumen. Und wenn dem so war, wollte ich nie wieder aufwachen.

»Ich beginne nächstes Semester mit dem Medizinstudium.« Meine Pre-Med-Kurse hatte ich am Davidson-College belegt, das etwa zweiundzwanzig Meilen von Charlotte entfernt lag. Sie waren Voraussetzung für die Aufnahme des Medizinstudiums.

»Das bedeutet also, dass wir uns in Zukunft häufiger über den Weg laufen könnten.« Natürlich. Immerhin spielte er nicht nur Basketball, sondern studierte auch Grafikdesign an der Duke.

Das sanfte Lächeln auf seinen Lippen ließ meinen Puls rasen. Wie konnte mir jemand, der mir eigentlich völlig fremd war, so sehr unter die Haut gehen? Ich verstand es nicht, doch für den Moment war das auch egal. Darüber würde ich später noch nachdenken.

»Das könnte definitiv passieren.« Der bloße Gedanke, ihn demnächst häufiger zu sehen, schickte ein leichtes Kribbeln in meinen Bauch. Weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, sprach ich das Erste aus, was mir durch den Kopf ging. »Wie geht’s der Hand?«

Logan sah mich einen Moment fragend an, doch als ich auf seine Wurfhand deutete, begriff er, worauf ich hinauswollte. »Ich hatte wirklich Glück. Die Ärzte meinten, es wäre alles in Ordnung. Der Coach will jedoch, dass ich mich ein paar Tage lang schone.« Er zuckte mit den Schultern und räusperte sich leise.

»Das klingt wirklich gut.« Ich schenkte ihm ein zurückhaltendes Lächeln und umschlang meinen Oberkörper mit meinen Armen, als ich anfing zu frieren. Logan bemerkte es und deutete mit dem Kopf zum Beckenrand. Gemeinsam gingen wir die wenigen Schritte bis dorthin.

In einer fließenden Bewegung stemmte er sich auf die Kante, ehe er aufstand und mir die Hand reichte. Dankbar nahm ich sie an und ließ mir von ihm helfen. Dass unter der Sportlerfassade ein Gentleman der alten Schule steckte, hatte ich nicht vermutet.

»Danke.«

»Nicht dafür.«

Für Anfang April war es mit knapp zweiundzwanzig Grad angenehm warm draußen. Zumindest dann, wenn man nicht gerade mit nassen Klamotten aus dem Pool kam. Ein eisiger Schauder ließ mich erzittern. Instinktiv rieb ich mir mit beiden Händen über meine Arme und versuchte, die Kälte zu vertreiben.

»Du hast nicht zufällig Wechselkleidung mit, oder?«

Bei all der Absurdität der Situation konnte ich nicht anders, als laut zu lachen. »Klar, ich habe eine ganze Reisetasche dabei.«

Logan fuhr sich mit einer Hand durch die nassen Haare, die wesentlich dunkler wirkten als vorhin. »Sorry, blöde Frage.« Er schüttelte gedankenverloren den Kopf und deutete auf den hinteren Teil des Hauses. »Komm, wir besorgen uns erstmal trockene Klamotten.«

Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wo er diese hernehmen wollte. Dennoch griff ich nach meiner Clutch und folgte ihm in eines der zahlreichen Gästezimmer. Als er leise die Tür öffnete und das Licht auf dem Nachtschrank anknipste, war ich überrascht, dass niemand hier war. Es wirkte, als wäre dieser Teil des Hauses für alle anderen tabu.

»Caleb hat hier unten meistens ein paar Jogginghosen und Shirts liegen«, erklärte er und ging in Richtung der Ankleidenische. Unauffällig warf ich einen Blick in den Spiegel, der über einer schmalen Kommode seitlich des großen Betts stand. Mein Eyeliner war nur noch ein kümmerlicher Rest seiner selbst, der Lidschatten war auch nicht mehr zu erkennen. Selbst meine Haare fielen mir in trägen, blonden Strähnen ins Gesicht. Immerhin war meine Wimperntusche nicht verlaufen. So hielt sich der Schaden einigermaßen in Grenzen.

»Ich fürchte, dir werden die Sachen viel zu groß und mir etwas zu klein sein, aber immerhin sind sie trocken.« Er reichte mir eine graue Jogginghose und ein schwarzes Shirt, ehe er beides ein zweites Mal für sich aus dem Stapel zog. Es gab Frauen, die standen auf Männer in teuren Anzügen, und dann gab es Frauen wie mich, die eine Schwäche für Männer in grauen Jogginghosen hatten. Ich atmete tief durch. Logan. Graue Jogginghose. Definitiv mein Untergang.