Agatha Raisin und die Tote am Strand - M. C. Beaton - E-Book
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Agatha Raisin und die Tote am Strand E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Agatha hat die Faxen dicke. Erst schleppt ihr Ex-Mann James Lacey sie zum Verwöhnwochenende in ein Hotel, das seine besten Tage längst hinter sich hat, und dann wird sie auch noch des Mordes verdächtigt! Und das nur, weil die Tote am Strand mit Agathas Schal erdrosselt wurde. Prompt wird die Amateurdetektivin in Untersuchungshaft verfrachtet. Aber Agatha wäre nicht Agatha, wenn sie das davon abhalten würde, in dem Fall zu ermitteln. Schließlich muss sie ihre Unschuld beweisen!

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Epilog

Über das Buch

Agatha hat die Faxen dicke. Erst schleppt ihr Ex-Mann James Lacey sie zum Verw hnwochenende in ein Hotel, das seine besten Tage längst hinter sich hat, und dann wird sie auch noch des Mordes verdächtigt! Und das nur, weil die Tote am Strand mit Agathas Schal erdrosselt wurde. Prompt wird die Amateurdetektivin in Untersuchungshaft verfrachtet. Aber Agatha wäre nicht Agatha, wenn sie das davon abhalten würde, in dem Fall zu ermitteln. Schließlich muss sie ihre Unschuld beweisen!

Über die Autorin

M.C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.

M.C. BEATON

Agatha Raisin

und die Tote am Strand

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Für die Originalausgabe:Copyright © 2006 by M. C. BeatonPublished by Arrangement with Marion Chesney GibbonsTitel der englischen Originalausgabe: »Love, Lies and Liquor«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Anke Pregler, RösrathTitelillustration: © Arndt Drechsler, LeipzigeBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0390-1

luebbe.delesejury.de

Für Sue und Rod Close in Liebe

Eins

James Lacey, Agatha Raisins Exmann, den sie immer noch liebte, war in ihr Leben zurückgekehrt. Er wohnte wieder in seinem alten Cottage neben Agathas.

Doch obwohl er sich für Agathas Arbeit in ihrer Privatdetektei zu interessieren schien, war da kein Funken Liebe in seinen blauen Augen. Agatha kleidete sich mit so viel Bedacht wie seit Ewigkeiten nicht mehr und gab ein Vermögen im Schönheitssalon aus. Es nützte nichts. Alles ist wieder genauso wie früher, dachte sie traurig. Als hätte eine grausame Hand die Zeit zurückgedreht.

Sie wollte schon aufgeben, da kam James vorbei und sagte, Bekannte von ihm wären nach Ancombe gezogen und hätten sie beide zum Dinner eingeladen. Wie er erzählte, handelte es sich bei dem Gastgeber um einen Mr. David Hewitt, der im Verteidigungsministerium gearbeitet hatte und nun im Ruhestand war. Seine Frau hieß Jill.

Entzückt, dass sie als Paar eingeladen waren, machte sich Agatha mit James von ihren Cottages in Carsely in den englischen Cotswolds auf den kurzen Weg nach Ancombe.

Der Flieder blühte in seiner vollen Pracht. Glyzinien und Clematis rankten an den honigfarbenen Cottages, und Weißdorn, der Feenbaum, erfüllte die Abendluft mit schwerem, süßlichem Duft.

Agatha wurde ein wenig nervös, als sie in ihrem Wagen nach Ancombe fuhren. Sie hatte James einige Male in seinem Cottage besucht, doch immer nur kurz, weil James stets mit irgendetwas beschäftigt gewesen war und erleichtert schien, wenn sie wieder ging. Deshalb hatte sie vor, diesen gemeinsamen Abend bestmöglich zu nutzen. Sie trug ein karamellfarbenes Kostüm, eine zitronengelbe Bluse und Sandalen mit hohen Absätzen. Ihr braunes Haar schimmerte seidig.

James hatte ein Tweedsakko und eine Baumwollhose an. »Bin ich zu elegant?«, fragte Agatha.

Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Nein, das sieht gut aus.«

Die Hewitts wohnten in einem Bungalow namens Merrydown. Als Agatha in die kurze Kiesauffahrt bog, roch sie ein Holzkohlefeuer. »Es ist keine Grillparty, oder?«

»Doch, ich glaube schon. Da wären wir.«

»James, du hättest mir sagen müssen, dass es eine Grillparty ist. Dann hätte ich mich passender angezogen.«

»Nörgle nicht«, entgegnete James ruhig und stieg aus dem Wagen.

Agatha hasste Grillpartys. Die waren etwas für Amerikaner, Australier und Polynesier oder wer sonst noch in einem warmen Klima lebte. Ihrer Erfahrung nach liefen diese Veranstaltungen in England darauf hinaus, dass man in insektengeplagten Gärten halb rohes Fleisch von Papptellern aß.

James klingelte. Eine kleine Frau mit verkniffenen Zügen und blassgrauen Augen öffnete. Ihr graues Haar war zu mädchenhaften Locken gedreht, und sie trug ein geblümtes Kleid und flache Sandalen.

»James, mein Lieber!« Sie reckte sich und umarmte ihn. »Und wer ist das?«

»Weißt du nicht mehr? Mir wurde gesagt, dass ich meine Exfrau mitbringen soll, Agatha Raisin. Agatha. Jill.«

Jill hakte sich bei James ein und ignorierte Agatha. »Komm mit. Wir sind alle im Garten.« Agatha folgte ihnen. Sie wollte nach Hause.

Im Garten standen mehrere Leute herum und tranken irgendetwas Fruchtiges. Agatha, der nach einem starken Gin Tonic war, wollte nun erst recht fliehen.

Sie wurde dem Gastgeber vorgestellt, der am Grill stand. Er hatte eine dieser vermeintlich witzigen Schürzen umgebunden, auf die ein Frauenkörper in einem Korsett und Netzstrümpfen gedruckt war. James wurde herumgeführt und mit den anderen Gästen bekannt gemacht, während Agatha auf der Terrasse stand und achtgab, sich mit ihren Absätzen nicht in den breiten Fugen zwischen den Steinen zu verfangen.

Seufzend sank sie in einen Liegestuhl. Sie öffnete ihre Handtasche, nahm ihre Zigarettenschachtel und das Feuerzeug heraus und zündete sich eine Zigarette an.

»Oh, wenn Sie das bitte lassen würden«, sagte ihr Gastgeber, der mit einem Messer in der Hand vor ihr erschien.

»Was?«

»Dies ist eine rauchfreie Zone.«

Agatha beugte sich zur Seite und blickte an ihm vorbei zum Grill. Schwarzer Qualm stieg von dem Rost auf. »Dann holen Sie lieber einen Feuerlöscher«, sagte sie. »Ihr Essen brennt.«

Er stieß ein erschrockenes Quieken aus und rannte zurück zum Grill. Agatha blies einen formvollendeten Rauchkringel aus. Sie merkte, wie ihre Nervosität verflog. Ihr war gleich, was James dachte. Jill war eine furchtbare Gastgeberin, und sie schien einen Narren an James gefressen zu haben, was umso schlimmer war. Also saß Agatha gedankenverloren da, rauchte und träumte von dem Moment, in dem dieser Abend vorbei sein würde.

Immerhin empfand sie einen Anflug von Erleichterung, als ein Tisch und Stühle nach draußen gebracht wurden. Sie hatte schon befürchtet, sie müsste mit ihren dünnen Absätzen auf dem Rasen stehen und von einem Pappteller essen.

Widerwillig hatte Jill James’ Arm losgelassen und war ins Haus gegangen. Kurz darauf kehrte sie mit zwei weiblichen Gästen zurück, die Weinflaschen und Gläser trugen. »Alle zu Tisch!«, rief David.

Agatha drückte ihre Zigarette auf den Terrassenfliesen aus und steckte den Stummel in ihre Handtasche. Als sie sich aus dem Liegestuhl gehievt hatte, stellte sie fest, dass James zwischen Jill und einer anderen Frau saß, sodass für sie nur noch der Platz neben einem rotgesichtigen Mann blieb, der sie dümmlich anglotzte, ehe er sich der Frau auf seiner anderen Seite zuwandte.

David stellte eine Platte mit verkohlten, undefinierbaren Fleischstücken vor Agatha hin. Sie schenkte sich ein Glas Wein ein. Alle begannen, sich über Leute zu unterhalten, die Agatha nicht kannte. Dann schnappte sie den Namen Andrew Lloyd Webber auf. »Ich mag seine Musicals«, sagte sie und war froh, über irgendetwas reden zu können. Für eine Sekunde verstummten alle, bevor Jill abfällig entgegnete: »Aber seine Musik ist so gar nicht originär.«

»Welche ist das schon?«, fragte Agatha.

»Du lieber Himmel«, flötete eine andere Frau. »Als Nächstes sagen Sie noch, dass Sie Barry Manilow mögen.«

»Warum nicht?«, erwiderte Agatha streitlustig. »Er gibt großartige Konzerte. Und einige seiner Stücke sind gut.« Wieder folgte entsetztes Schweigen, ehe alle auf einmal redeten.

Ich werde die Mittelschicht in Gloucestershire nie verstehen, dachte Agatha. Na, dann kann ich ebenso gut etwas essen. Sie schnitt in ein Fleischstück, das wie Hühnchen aussah. Blut lief auf ihren Teller.

James lachte über etwas, was Jill gesagt hatte. Er sah nicht einmal in Agathas Richtung, hatte sie praktisch vergessen, seit sie das Haus betreten hatten.

Plötzlich kam Agatha ein Gedanke: Ich muss nicht bleiben. Diese Leute sind unverschämt, und James benimmt sich unglaublich. Sie stand auf und ging ins Haus. »Zweite Tür links«, rief Jill ihr nach, die annahm, dass Agatha zur Toilette wollte.

Agatha ging geradewegs zur Haustür hinaus, stieg in ihren Wagen und fuhr davon. Sollte James doch sehen, wie er nach Hause kam.

In ihrem Cottage begab sie sich geradewegs in die Küche und streifte ihre Sandalen ab. Ihre Kater kamen und strichen ihr zur Begrüßung um die Beine. »Es war schrecklich«, erzählte sie den beiden. »James hat es endlich geschafft, dass ich erwachsen werde. Mir ist egal, ob ich ihn jemals wiedersehe.«

»Was für eine seltsame Frau!«, rief Jill aus. »Einfach wortlos zu verschwinden.«

»Nun, du hast sie ziemlich geschnitten«, sagte James unbehaglich. »Ich meine, sie wurde sich selbst überlassen und kennt hier niemanden.«

»Aber man stellt die Leute bei Partys nicht mehr einander vor.«

»Mich hast du vorgestellt.«

»Ach, James, Schätzchen, hör auf. So ein merkwürdiges Benehmen.« Doch für James war der Abend verdorben. Nun sah er diese Leute mit Agatha Raisins kleinen Bärenaugen.

»Ich schaue lieber nach, ob alles in Ordnung ist«, sagte er und stand auf.

»Ich fahre dich«, bot Jill an.

»Nein, bitte nicht. Es wäre unhöflich, wenn du deine Gäste verlässt. Ich rufe mir ein Taxi.«

James läutete bei Agatha, aber sie machte nicht auf. Er versuchte, sie anzurufen, doch sie nahm nicht ab. Er sprach ihr auf Band, sie möge zurückrufen, was sie nicht tat.

Achselzuckend kam er zu dem Schluss, dass Agatha sich wieder beruhigen würde. Das tat sie immer.

Zu seiner Verwunderung wurden aus Tagen Wochen, und Agatha blieb ihm gegenüber frostig. Sie lehnte seine Einladungen zum Essen ab und sagte, sie habe »zu viel zu tun«. Eines Tages traf er Patrick Mulligan im Dorfladen. Patrick arbeitete für Agatha und erzählte James, dass es gegenwärtig ruhig im Büro war.

Als Sir Charles Fraith kam und bei Agatha blieb, begann James, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Er wusste, dass Charles einst eine Affäre mit Agatha gehabt hatte. Seither kreuzte Sir Charles hin und wieder bei ihr auf und half ihr gelegentlich bei ihren Fällen. Zum ersten Mal stellte James verblüfft fest, dass er eifersüchtig war. Er hatte es für selbstverständlich gehalten, dass Agatha ihn auf ewig anhimmeln würde. Es wurde Zeit, etwas zu unternehmen.

»Was macht dein Ex?«, fragte Charles eines Samstags, als er mit Agatha in ihrem Garten saß.

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich es nicht weiß und es mich auch nicht interessiert. Und ich habe dir von der furchtbaren Grillparty erzählt.«

»Das klang nach Schwachköpfen, aber wir alle kennen komische Leute.«

»Er hat mich überhaupt nicht beachtet! Und als sie anfingen, über Andrew Lloyd Webber zu spotten, hat er mich auch nicht in Schutz genommen.«

»Aha. Schön, dass du vom Haken bist. Falls du vom Haken bist.«

Aber Agatha war süchtig nach ihren Obsessionen. Ohne irgendein Fantasiegespinst war sie ganz auf sich selbst zurückgeworfen, und das behagte ihr nicht.

»Keine Morde zurzeit?«, fragte Charles.

»Kein einziger. Nur verschwundene Teenager, Katzen und Hunde. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich den jungen Harry Beam, Mrs. Freedmans Neffen, überredet habe, noch ein Jahr zu bleiben, ehe er an die Uni geht. Und jetzt findet er es langweilig.«

»Sind die anderen noch bei dir?«

»Ja. Mrs. Freedman ist noch immer meine Sekretärin, und Harry, Phil Marshall und Patrick Mulligan arbeiten als Detektive.«

»Warum nimmst du dir dann nicht ein bisschen frei? Fahr irgendwohin. Weg von hier, wo du über ihn nebenan grübelst.«

»Ich grüble nicht über ihn!«

Charles war immer so gelassen und makellos in seinen maßgeschneiderten Sachen und mit seinem perfekt geschnittenen blonden Haar, dass Agatha manchmal Lust hatte, ihn zu schlagen. Nichts schien ihn aus der Ruhe zu bringen. Oft fragte Agatha sich, was er wirklich von ihr dachte.

So oder so fuhr sie fort: »Ich habe mir heute freigenommen. Mrs. Freedman ruft mich an, sollte etwas Dramatisches passieren. Was ist denn eigentlich verkehrt an Andrew Lloyd Webber?«

»Frag mich nicht. Ich habe die Mittelschicht noch nie verstanden.«

Befeuert von Eifersucht, überlegte James gar nicht erst, warum er die oft ärgerliche Agatha wieder in seinem Leben haben wollte. Er beobachtete und wartete, bis Charles fort war. Dann wartete er noch ein wenig länger, bis er sah, wie Agatha zu Fuß ihr Cottage verließ. Er rannte aus seiner Tür, um sie abzufangen.

»Hallo, James«, sagte Agatha. Ihre Augen waren so klein wie Kieselsteine. »Ich will gerade einkaufen.«

»Dann begleite ich dich. Ich möchte dir ein Angebot machen.«

»Was für eine Ehre!«, erwiderte Agatha zynisch.

»Jetzt lauf doch nicht so schnell. Ich habe das Gefühl, dass wir auf dem falschen Fuß angefangen haben. Es war wirklich eine schreckliche Grillparty. Deshalb habe ich einen Vorschlag. Falls du nicht zu viel im Büro zu tun hast, könnten wir gemeinsam verreisen.«

Agatha bekam Herzklopfen und blieb im Schatten eines Flieders stehen.

»Ich dachte, ich überrasche dich und entführe dich an einen für mich einst sehr besonderen Ort. Vielleicht habe ich dir schon erzählt, dass ich die Militärgeschichte aufgegeben habe. Ich schreibe jetzt Reiseführer.«

»Woran hattest du gedacht?«, fragte Agatha, die im Geiste bereits Pazifikinseln und italienische Dörfer vor sich sah.

»Ah, das wird eine Überraschung.«

Agatha zögerte. Allerdings war ihr klar, wenn sie ablehnte, würde sie sich das nie verzeihen. »Na schön. Was für Sachen soll ich mitnehmen?«

»Was du sonst auch mit in den Urlaub nimmst.«

»Und wann reisen wir ab?«

»So bald wie möglich. Sagen wir Ende nächster Woche?«

»Gut. Wohin willst du?«

»Zurück nach Hause und einige Anrufe machen.«

In ihrem Cottage blickte Agatha das Telefon an und beschloss, dass sie diese wundervolle Neuigkeit dringend ihrer Freundin Mrs. Bloxby persönlich erzählen musste, der Vikarsfrau. Sie ließ die Kater in den Garten und eilte zum Pfarrhaus.

Mit ihrem grauen Haar und ihrem sanftmütigen Gesicht war Mrs. Bloxby stets wie Balsam für Agathas aufgewühlte Seele.

»Kommen Sie rein, Mrs. Raisin«, sagte sie. »Sie sind ja ganz rot.«

Agatha und Mrs. Bloxby waren Mitglieder im Frauenverein von Carsely, in dem es altmodische Tradition war, dass sich alle siezten.

»Wir setzen uns in den Garten«, sagte Mrs. Bloxby, die vorausging. »So ein herrlicher Tag. Kaffee?«

»Nein, nicht nötig.« Agatha setzte sich auf einen Gartenstuhl, und Mrs. Bloxby nahm ihr gegenüber Platz. Lass es bitte nichts mit James zu tun haben, betete Mrs. Bloxby. Ich hoffe inständig, dass sie über ihn hinweg ist.

»Es geht um James!«, rief Agatha, und Mrs. Bloxby war bitter enttäuscht.

»Ich dachte, Sie wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben.«

»Oh, das war wegen dieser schrecklichen Party, von der ich Ihnen erzählt habe. Aber hören Sie sich das an: Er organisiert eine Urlaubsreise für uns.«

»Wohin?«

»Es wird eine Überraschung.«

»Ist das eine gute Idee? Er könnte irgendwohin wollen, wo Sie es hassen.«

»Er schreibt jetzt Reiseführer, und Reisebuchautoren schreiben nicht über scheußliche Orte. Ich muss abnehmen, damit ich am Strand gut aussehe.«

»Woher wollen Sie wissen, dass Sie an einen Strand fahren?«

Agatha wurde ein wenig beleidigt. »Na, offensichtlich stellt er sich einen romantischen Urlaub vor. Wollen Sie mir die Sache madigmachen?«

Mrs. Bloxby seufzte. »Natürlich hoffe ich, dass Sie eine wundervolle Zeit haben werden. Es ist nur …«

»Was?«, fragte Agatha barsch.

»Es ist nur, dass James sich von jeher wie ein eingefleischter Junggeselle verhält und recht egozentrisch sein kann. Dieser Urlaub wird sein, was er sich wünscht, nicht, was er denkt, was Ihnen gefallen könnte.«

Wütend stand Agatha auf. »Tja, Sie Neunmalkluge, ich gehe jetzt einkaufen.«

»Seien Sie nicht böse mit mir«, flehte Mrs. Bloxby. »Ich möchte doch nur, dass Ihnen nicht wieder wehgetan wird.« Doch die einzige Antwort, die sie bekam, war das Knallen der Gartenpforte.

Agatha verfiel in einen Kaufrausch: neuer Badeanzug, hauchdünne Abendkleider, Strandkleider und Strandtasche. In ihrer Fantasie stand sie mit James auf einer Hotelterrasse und blickte auf das mondbeschienene Mittelmeer. Er nahm sie in die Arme und sagte mit vor Verlangen rauchiger Stimme: »Ich habe dich immer geliebt.«

Patrick Mulligan, Phil Marshall und Harry Beam hatten ihr alle versichert, dass sie leicht ohne sie auskamen.

Als der große Tag der Abreise da war, konnte sie James draußen verärgert hupen hören, während sie immer noch ein- und umpackte. Schließlich hievte sie einen Koffer die Treppe hinunter, der sich anfühlte, als wäre ein Amboss darin, und trat aus ihrem Cottage. Ihr Liebhaber aus ihrer Fantasie löste sich in Luft auf, und an seine Stelle trat ein sehr realer James Lacey. Er hob ihren Koffer hinten in seinen Wagen und sagte: »Ich dachte schon, du brauchst auch noch den Rest des Tages.«

»Tja, hier bin ich«, entgegnete Agatha munter.

Die Nacht zuvor hatte sie vor lauter Aufregung nicht schlafen können, und kurz nachdem sie losgefahren waren, nickte sie ein. Nach zwei Stunden schrak sie aus dem Schlaf. Regen verschmierte die Windschutzscheibe, und um sie herum schienen nur Fabriken zu sein.

»Sind wir noch nicht am Flughafen?«, fragte sie.

»Wir fahren nicht zum Flughafen. Sei still, Agatha. Es soll eine Überraschung sein.«

Dann wollen wir wohl zur Fähre, dachte Agatha. Oh wie schön wäre es, dem grauen England zu entkommen und nichts als Sonnenschein zu genießen! Auf die Fabriken und einige Villen folgte regengepeitschte Landschaft, in der sich Schafe zum Schutz an Trockenmauern drängten. Ein Turmfalke segelte einem Unglücksboten gleich über sie hinweg.

»Wo sind wir?«, fragte Agatha.

»In Sussex.«

»Welche Kanalfähre fährt denn von Sussex aus?«

»Verdirb die Überraschung nicht mit Fragen, Agatha.«

Zunehmend nervös betrachtete sie die verregnete Gegend. Wollten sie nach Brighton? Also das wäre wenig originell.

James fuhr eine Straße an einer Klippe entlang und bog ab. Nach zwei Meilen hielt er am Straßenrand vor einem Ortsschild mit der Aufschrift Snoth-on-Sea.

»Dies ist die Überraschung«, sagte er bedeutungsschwer. »Es ist einer der letzten unverdorbenen Badeorte in England. Als Junge war ich mit meinen Eltern hier. Ein schöner Ort. Du wirst ihn lieben.«

Agatha war stumm vor Schreck und dachte an all die leichte Kleidung, die Badesachen, die Sonnencreme, die Gesichtscremes und das Make-up in ihrem Koffer. Und sie versuchte, Mrs. Bloxbys sanfte Stimme aus ihrem Kopf zu verscheuchen. »Dieser Urlaub wird sein, was er sich wünscht, nicht, was er denkt, was Ihnen gefallen könnte.«

Ganz langsam fuhr James hinunter in den Ort, um jede Sekunde auszukosten. Am Stadtrand erlitt er seinen ersten Schock. Dort stand eine große Wohnsiedlung – eine schäbige, deprimierende Ansammlung von Sozialwohnungsblocks. Zusehends beunruhigt fuhr er weiter. Er hatte ihnen Zimmer im Palace Hotel gebucht, weil er es als prächtiges edwardianisches Gebäude mit Blick auf das Meer und die Pier erinnerte. Ach, das wundervolle Theater am Ende der Pier, in das seine Eltern ihn und seine Schwester mitgenommen hatten, um sich Varieté-Shows anzusehen!

Unten am Wasser sah er, dass all die kleinen Geschäfte, die früher Eiscreme und Postkarten verkauft hatten, Ladenketten gewichen waren. Die Hauptstraße am Ufer war verbreitert worden, und es herrschte reger Verkehr. Nun sehnte er sich nach der vornehmen Ruhe des Palace. Er mühte sich durch den stockenden Verkehr. Vor ihnen toste das dunkelgraue Meer und sprühte Gischtnebel auf. Dort war die Pier, aber der Teil mit dem Theater war ins Wasser gestürzt.

James parkte vorm Palace und wartete, dass jemand herausgeeilt kam, um ihr Gepäck zu nehmen. Niemand erschien. Seitlich blinkte ein Neonschild, auf dem ar ark stand; die zum Car Park fehlenden Buchstaben waren weggerostet. James fuhr hin. Agatha war unheimlich still. Notgedrungen wuchtete er die Koffer aus dem Wagen und begann, sie nach vorn zum Hoteleingang zu ziehen. Eine Regenbö erwischte sie, als sie vom Parkplatz kamen, und Agathas sorgfältig frisiertes Haar flog ihr um den Kopf. Drinnen in der Eingangshalle, wo einst große Sessel, ein Kamin und Palmen gestanden hatten, gab es nun einige Kunstledersessel, und das Kaminfeuer war durch ein elektrisches ersetzt worden.

James meldete sie an. In seiner Jugend hatte das Personal schicke Uniformen getragen. Nun begrüßte ihn ein merklich gelangweiltes, blasses Mädchen mit einem Nasenpiercing.

Getrennte Zimmer, dachte Agatha. Ich hätte es ahnen müssen. Es gab keinen Pagen, also musste James die Koffer selbst in den Fahrstuhl ziehen. »Du bist in Zimmer 20«, sagte er heiter. »Hier ist dein Schlüssel.« Im Palace gab es keine modernen Plastikkarten. Das einzige Relikt aus alten Zeiten war der große Messingschlüssel, den er Agatha zeigte.

Oben schloss er für sie auf und gab ihr den Schlüssel. »Wir sehen uns unten – sagen wir in einer Stunde?«

»Klar«, antwortete Agatha, zog ihren Koffer ins Zimmer und schloss James die Tür vor der Nase.

Sie setzte sich aufs Bett und blickte sich um. Ein großer Mahagonikleiderschrank dominierte den Raum. Es gab einen runden Tisch am Fenster mit einer ausgeblichenen Spitzendecke. Der Teppich, der einst grün gewesen war mit einem roten Rosenmuster, war abgewetzt und hatte nur noch eine dumpfe Mischfarbe. An einer Wand hing ein schlechtes Gemälde von einer Küstenlandschaft. Ein großer Marmorkamin erinnerte an glorreiche Tage, doch der Rost war mit Brettern vernagelt, vor denen ein elektrisches Heizgerät mit zwei Heizschlangen stand. Neben dem Kamin hing ein Zähler mit Münzeinwurf. Keine Minibar. Kein Wasserkocher für Kaffee oder Tee. Regen prasselte gegen das Fenster, und der Wind heulte wie eine Furie. Das Bett war mit einem sehr glatten pinkfarbenen Quilt bedeckt, dem Vorläufer der Bettdecke. Er war von der Art, die in kalten Nächten garantiert vom Bett rutschte.

Agatha fragte sich, was sie tun sollte. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie ein Taxi rufen und schnellstens aus Snoth-on-Sea verschwinden sollte. Ihre Fantasie sagte ihr, das Wetter könnte sich ändern, die Sonne hervorkommen und James und sie wieder heiraten.

Ihre Fantasie gewann.

Doch das bisschen Verstand, das sie noch besaß, drängte sie, sich wärmere Kleidung zu besorgen. In der Hauptstraße hatte sie einen Laden gesehen, der Landmode verkaufte. Sie war froh, dass sie für die Reise einen Mantel übergezogen hatte. In dem ging sie nun nach unten. Immerhin gab es für die Hotelgäste einige Regenschirme in einem Ständer neben der Tür. Agatha nahm sich einen und kämpfte sich gegen den Wind um die Ecke und in die Hauptstraße. In dem Laden kaufte sie sich eine warme Hose, Socken, eine grüne Barbourjacke und einen Regenhut. Anschließend ging sie in das Kaufhaus nebenan und erwarb mehrere weiße Schlüpfer, um die raffinierten Dessous zu ersetzen, die sie mitgebracht hatte, sowie ein günstiges Paar praktische Wanderschuhe.

Sie trug ihre Einkäufe zurück ins Hotel, zog sich die Hose, einen Pullover, warme Socken und die Wanderschuhe an und ging nach unten in die Bar.

James saß dort an einem Ecktisch und blickte hinaus zur aufgewühlten See. Aus den Lautsprechern der Bar erklang Musikberieselung. Agatha nahm gegenüber von James Platz und sagte: »Ich möchte einen starken Gin Tonic.«

Er winkte einer Kellnerin, die ihre Bestellung mit einer Miene aufnahm, als hätte er sie soeben beleidigt. Als Agathas Getränk kam – ohne Eis und mit einem schon älteren Zitronenschnitz –, trank Agatha einen großen Schluck, bevor sie James den Marsch blies.

Doch er entwaffnete sie, indem er reumütig sagte: »Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht, entschuldige. Früher war dieser Ort magisch für mich. Alles war still und friedlich. Dieses Hotel war so luxuriös. Abends spielte ein Orchester. Sieh es dir jetzt an! Weil ich als Kind hier war, erinnere ich mich wohl nur an die sonnigen Tage. Ich mache es wieder gut. Wir bleiben ein paar Tage, dann reisen wir ab. Wir fahren nach Dover und nehmen die Fähre nach Frankreich oder so. Übrigens habe ich mir die Speisekarte angesehen, die recht passabel scheint. Wir nehmen noch einen Drink, dann gehen wir ins Restaurant. Ich habe Hunger. Was ist mit dir?«

Agatha lächelte ihn verträumt an. »Ich würde sehr gern etwas essen.«

Der Speisesaal glich einer kalten Höhle. Die Kronleuchter aus James’ Kindheit waren grellen Strahlern gewichen, und es waren nur wenige Gäste dort. An einem großen Fenstertisch saß eine Familie, oder zumindest glaubte Agatha, dass es sich um eine Familie handelte. Eine plumpe Frau mit blondiertem Haar und einem schwabbeligen Gesicht redete mit einer solch lauten, schrillen Stimme, dass es im gesamten Raum widerhallte. Neben ihr saß ein kleiner, niedergeschlagen wirkender Mann in Anzug und Krawatte. An Letzterer fingerte er immerzu herum, als wolle er sie dringend abnehmen. Eine junge Frau in schwarzem Leder stocherte in ihrem Essen und redete hin und wieder mit einem jungen Mann, dessen Kopf kahl rasiert war und dessen Handrücken Tätowierungen schmückten. Ein alter Mann mit sauber gescheiteltem Haar und einem kleinen Hitlerbart lächelte nachsichtig in die Runde. Seine Begleitung war sehr dünn, hatte flammend rotes Haar und sehr grünen Lidschatten aufgelegt.

Die Frau mit dem Schwabbelgesicht bemerkte, dass Agatha sie ansah, und kreischte durch den Saal: »Ey, du da! Kümmer dich um deinen eigenen Mist, du blöde Kuh!«

James erhob sich halb, doch Agatha war bereits aufgesprungen und zu dem Tisch gestürmt.

»Sie halten Ihr dämliches Maul und lassen mich hier essen«, fauchte sie.

»Hau ab, du alte Schabracke!«

»Sie können mich mal«, sagte Agatha erbost und ging zurück zu James.

»Erinnerst du dich an Wyckhadden?«, fragte sie. »Das war ein entzückender Ort, verglichen hiermit.«

»Wyckhadden würde ich lieber vergessen«, antwortete James unterkühlt. Agatha wurde rot. Sie hatte dort an einem Mordfall gearbeitet und komplett vergessen, dass James sie am selben Ort mit Charles im Bett ertappt hatte.

Beide bestellten die Hummercremesuppe als Vorspeise. Sie war klumpig und hatte keinen Geschmack.

»Ich muss mit Ihnen reden.«

Der Kahlrasierte beugte sich zu ihnen. »Das hier sind Mums Flitterwochen, und Sie haben sie beleidigt.«

»Sie hat angefangen«, erwiderte Agatha.

»Gehen Sie einfach«, sagte James.

»Sie halten sich wohl für was Besseres«, ätzte der Kahlrasierte. »Kommen Sie mit raus.«

»Machen Sie sich nicht lächerlich.«

»Kommen Sie mit raus, und ich hau Ihnen eine rein.«

Seufzend warf James seine Serviette auf den Tisch und folgte dem Mann aus dem Speisesaal!

»So ist es richtig!«, juchzte die Schwabbelgesichtige.

»Wenn Sie ihm auch nur ein Haar krümmen«, rief Agatha, »bring ich Sie um, Sie dreckige Schlampe!«

Der Hotelmanager kam in den Speisesaal gelaufen. »Was ist denn hier los?«

»Nichts«, antwortete die Schwabbelgesichtige.

Agatha lief aus dem Speisesaal und sah, wie James gerade zurück ins Hotel kam. »Es hat aufgehört zu regnen«, sagte er ruhig.

»Bist du verletzt?«

»Nicht so sehr wie der andere.«

Sie kehrten an ihren Tisch zurück. Der Kahlrasierte kam kurz darauf hereingehumpelt und hatte eine arg geschwollene Unterlippe. Am runden Tisch der Familie hob hektisches Flüstern an, und immer wieder wurden giftige Blicke in Richtung Agatha und James abgefeuert.

Der nächste Gang war Hühnchen Provençal, das sich als Gummiadler unter einer Schicht Dosentomaten entpuppte.

Angewidert warf Agatha ihre Gabel hin. »James, gehen wir und suchen uns einen Pub oder einen Fish-&-Chips-Imbiss!«

»Warte hier«, sagte James. »Zuerst rede ich mit dem Manager. Ich bin kein Snob, aber diese unerträgliche Familie hätte hier nie einchecken dürfen. Diese abstoßenden Leute terrorisieren die anderen Gäste.«

»Bei all dem Aufruhr sind mir die anderen Gäste gar nicht aufgefallen.«

Agatha schaute sich um. Ein altes Ehepaar schien so eilig zu essen, wie es konnte, weil es zweifellos schnell wegwollte. Ein junges Paar mit einem kleinen Kind hielt die Köpfe tief über die Teller gesenkt, als wollte es in sie eintauchen.

»Ich bleibe nicht mit dieser Höllenfamilie hier«, sagte Agatha. »Ich komme mit dir!«

Zwei

Der Manager, Mr. Beeston, führte sie in sein Büro und schloss die Tür. »Das tut mir alles sehr leid«, sagte er. Er war ein kleiner rundlicher Mann, der ein dunkles Jackett zu einer Nadelstreifenhose trug. »Sie hatten schriftlich die Flitterwochen-Suite für Mr. und Mrs. Jankers und Zimmer für ihren Sohn Wayne und seine Frau Chelsea gebucht.«

»Wer ist das andere Paar?«, fragte James. »Die rothaarige Frau und ihr Mann?«

»Das sind Mr. Cyril Hammond und seine Frau Dawn. Freunde der Familie, glaube ich. Es klang alles sehr anständig. Die Zeiten sind hart, und ich war froh über die Reservierungen. Dann fingen sie gestern Abend an, den anderen Gästen Probleme zu machen und auch den Leuten aus dem Ort, die unsere Bar besuchen. Ich habe sie aufgefordert zu gehen, doch sie haben sich geweigert. Als ich die Polizei rief, kamen zwei Officer und sagten, sie könnten nichts tun. Die Gäste sind ja nicht wirklich gewalttätig geworden.«

»Inzwischen schon«, sagte James. »Wayne hat versucht, mich zusammenzuschlagen.«

»Hören Sie, sie reisen übermorgen ab.«

»Ich bezweifle, dass wir es so lange aushalten«, wandte James ein. »Ich war als Kind hier, als es noch ein kleiner Badeort und dies hier ein Grandhotel war.«

»Das muss ewig her sein«, sagte der Manager.

»Das Essen ist entsetzlich«, beschwerte Agatha sich.

»Das liegt an dem neuen Koch. Er hatte exzellente Referenzen, und ich brauchte so dringend jemanden, dass ich sie nicht überprüft habe. Mich macht das alles ganz fertig.«

Mr. Beeston roch streng nach Whisky.

»Mal überlegen«, sagte James. »Heute ist Samstag. Wir bleiben bis Montag, weil ich einiges organisieren muss. Komm, Agatha, wir machen uns auf die Suche nach einem ordentlichen Essen.«

»Hier ein Stück weiter gibt es einen sehr guten alten Pub«, rief James in den böigen Wind. »Den Green Man. Meine Eltern haben immer davon geschwärmt.«

Er bog in eine der engen Gassen ab, die vom Ufer wegführten. »Komm, Agatha. Es wird dir gefallen.«

James schob die Tür auf und Agatha hindurch. Dann stand er hinter ihr und blinzelte unglücklich. Was einst ein Lokal mit drei Bars, Restaurantteil und Nebenzimmern gewesen war, war in einen großen Raum verwandelt worden, in dem Musik wummerte und wo hinten auf einer großen Bühne ein Mädchen in nichts als einem Tanga an einer Stange tanzte, wozu Massen von Jugendlichen mit teigigen Gesichtern johlten.

Sie zogen sich rückwärts in den Regen zurück. »Als ich in der Hauptstraße war, um mir warme Sachen zu kaufen, habe ich ein indisches Restaurant gesehen«, sagte Agatha.

»Geht nicht«, erwiderte James frustriert. »Nichts liebt der britische Trinker mehr als ein Curry.«

»Und ein chinesisches Essen.«

»Probieren wir es damit.«

Sie stellten erleichtert fest, dass in dem chinesischen Restaurant nur wenige ruhige Paare saßen. Agatha zog ihre Jacke aus und rief: »Oh nein, ich habe meinen Schal verloren! Ich muss ihn im Speisesaal fallen gelassen haben.«

»Wir holen ihn, wenn wir wieder im Hotel sind. Bestellen wir jetzt.«

Das hervorragende Essen hob ihre Laune beträchtlich, und sie schmiedeten Reisepläne. Am Ende erklärte sich Agatha mit James’ Vorschlag einverstanden, die Fähre nach Frankreich zu nehmen und mit dem Wagen ans Mittelmeer zu fahren.

Vor ihrem Hotelzimmer zögerte Agatha ein wenig und fragte sich, ob sie James hereinbitten sollte, entschied sich aber dagegen. Alles Romantische sollte lieber warten, bis sie an den sonnigen Stränden des Mittelmeers waren.

Am nächsten Tag schien die Sonne, was den Ort jedoch nur noch schäbiger wirken ließ. James wanderte diverse Plätze ab, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte, um festzustellen, dass sie entweder verbaut oder verfallen waren. Sogar der breite Sandstrand war vom Meer zu einem schmalen Kieselstreifen vor der Ufermauer reduziert worden. Bei Flut schlugen die Wellen über die Mauer und sprühten Gischt in Richtung der Häuser und des Hotels. James dachte, es würde nicht mehr lange dauern, bis das Meer den gesamten Küstenstreifen einforderte, sollte keine höhere Mauer gebaut werden.

»Wie kommt das?«, fragte Agatha. »Liegt es an den schmelzenden Polkappen? Es ist doch richtig kalt für Juni. Wo bleibt die globale Erwärmung?«

»Keine Sorge, morgen fahren wir in den sonnigen Süden. Hast du deinen Schal gefunden?«

»Nein. Der Manager sagt, es wurde keiner gefunden und vielleicht sei er mir draußen weggeweht worden, ohne dass ich es gemerkt habe.«

Agatha fand, dass sie sich wie zwei Singles benahmen. Doch sie munterte sich mit dem Gedanken an laue Abende am Mittelmeer auf. Abends fuhren sie nach Brighton, wo sie hervorragend aßen.

Am darauffolgenden Morgen war Agatha bester Dinge, weil sie sich von Snoth-on-Sea verabschiedeten. Eher friert die Hölle zu, als dass ich jemals wieder hierherkomme, sagte sie sich.

Sie näherten sich Dover, als James plötzlich sagte: »Ich fahre lieber ran. Hinter uns kommt ein Streifenwagen angerast.« Er bog an den Straßenrand. Zu ihrer Verwunderung hielt der Streifenwagen direkt vor ihnen. Dann kam ein weiterer Polizeiwagen aus Dover hinzu.

James öffnete das Seitenfenster, als zwei Polizisten und ein Zivilbeamter auf ihren Wagen zukamen. »Sind Sie Mr. James Lacey und Mrs. Agatha Raisin?«

»Ja«, antwortete James. »Aber wir …«

»Steigen Sie aus dem Wagen. Beide. Wir wollen keinen Ärger.«

Verwirrt stiegen sie aus dem Auto und standen im Sonnenschein. Vorbeifahrende drosselten das Tempo und blickten neugierig zu ihnen.

»Ich bin Detective Inspector Barret vom CID Snoth-on-Sea«, sagte der Polizist in Zivil. »Mrs. Raisin, wir nehmen Sie zur Befragung im Mordfall Geraldine Jankers mit …«

»Was?!«, kreischte Agatha.

Agatha wurde in einem Streifenwagen weggefahren. James folgte in seinem Wagen, begleitet von einem Polizisten.

Die Polizeiwache von Snoth-on-Sea befand sich in einem viktorianischen Gebäude. Kameras wurden ausgelöst und blitzten Agatha ins Gesicht, als sie nach drinnen geführt wurde. Über die Schulter rief sie James zu: »Besorg einen Anwalt!«

In der Polizeiwache stank es nach Urin, Desinfektionsmittel und starkem Tee. Agatha wurde in einen Verhörraum gebracht und eingeschlossen. Sie setzte sich an einen vernarbten Tisch. Das einzige Licht kam von einem vergitterten Fenster, das aussah, als wäre es seit dem Bau des Gebäudes nicht geputzt worden.

Später sollte Agatha bereuen, dass sie nicht auf ihren Rechtsbeistand gewartet hatte, bevor sie Fragen beantwortete. Sie war so sicher, dass es sich um ein lächerliches Missverständnis handelte, und so wütend über die Reiseunterbrechung, dass sie sich entschied, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Nach zehn Minuten ging die Tür auf und die Detectives, die sie festgenommen hatten, kamen herein. Ein Aufnahmegerät wurde gebracht. Inspector Barret und ein Detective Sergeant Wilkins begannen mit der Befragung. Agatha bestätigte, dass sie Mrs. Agatha Raisin war, und ergänzte, dass sie eine eigene Detektei betrieb.

Barret schob eine Beweismitteltüte über den Tisch. »Erkennen Sie diesen Schal?«

»Ja, das ist meiner«, sagte Agatha. »Ich habe ihn verloren.«

»Wann genau haben Sie ihn verloren?«

»Weiß ich nicht. Irgendwann vorgestern Abend, glaube ich. Hören Sie, worum geht es hier?«

»Das habe ich Ihnen erklärt, als wir Sie zur Befragung geholt haben«, sagte Barret.

»Ich war zu erschrocken und wütend, um Ihnen genau zuzuhören. Erklären Sie es mir noch mal.«