Agatha Raisin und die tote Rivalin - M. C. Beaton - E-Book
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Agatha Raisin und die tote Rivalin E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Keine Hochzeit, aber ein Todesfall!

Agathas Ex-Mann James Lacey ist mit einer schönen jungen Frau verlobt - und Agatha wird sogar zur Hochzeit eingeladen. So eine Misere! Aber schlimmer geht es bekanntlich immer, und am Tag der Hochzeit kommt es zur Katastrophe: Die Braut wird tot aufgefunden. Plötzlich ist die taffe Detektivin als eifersüchtige Ex die Hauptverdächtige. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn die untröstliche Brautmutter bittet Agatha, den Mord an ihrer Tochter aufzuklären. Da Agatha sowieso ihre Unschuld beweisen muss, trifft sich das immerhin ganz gut. Doch ehe sie sichs versieht, befindet sie sich selbst in großer Gefahr und muss nebenbei auch noch (wenigstens halbherzig) die Avancen eines attraktiven und äußerst entschlossenen Franzosen abwehren ...

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Epilog

Über das Buch

Keine Hochzeit, aber ein Todesfall! Agathas Ex-Mann James Lacey ist mit einer schönen jungen Frau verlobt – und Agatha wird sogar zur Hochzeit eingeladen. So eine Misere! Aber schlimmer geht es bekanntlich immer, und am Tag der Hochzeit kommt es zur Katastrophe: Die Braut wird tot aufgefunden. Plötzlich ist die taffe Detektivin als eifersüchtige Ex die Hauptverdächtige. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn die untröstliche Brautmutter bittet Agatha, den Mord an ihrer Tochter aufzuklären. Da Agatha sowieso ihre Unschuld beweisen muss, trifft sich das immerhin ganz gut. Doch ehe sie sichs versieht, befindet sie sich selbst in großer Gefahr und muss nebenbei auch noch (wenigstens halbherzig) die Avancen eines attraktiven und äußerst entschlossenen Franzosen abwehren …

Über die Autorin

M. C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.

M. C. BEATON

Agatha Raisin

und die tote Rivalin

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche ErstausgabeFür die Originalausgabe:Copyright © 2009 by Marion ChesneyPublished by Arrangement with M. C. BEATON LIMITEDTitel der englischen Originalausgabe: »There Goes the Bride«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Anke Pregler, RösrathTitelillustration: © Arndt Drechsler, LeipzigUmschlaggestaltung: Kirstin OsenaueBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-2821-8

luebbe.delesejury.de

Für meinen Ehemann, Harry Scott Gibbons, in Liebe

Eins

Eine von Agatha Raisins größten Charakterschwächen war ihr übertriebener Ehrgeiz, in allem die Beste sein zu wollen.

Ihre frühere Angestellte, die junge Toni Gilmour, hatte inzwischen ihre eigene Detektei eröffnet, finanziert von Agathas ehemaligem Detektiv Harry Beam. Seitdem arbeitete Agatha rund um die Uhr und nahm jeden Fall an, der ihrer eigenen Detektei angetragen wurde, um zu beweisen, dass reifere Menschen junge Leute mühelos übertrumpfen konnten.

Und dann war da diese schreckliche Sache mit ihrem Ex-Mann, James Lacey, der eine wunderschöne Frau heiraten wollte. Agatha hatte sich eingeredet, keine Gefühle mehr für James zu hegen, nachdem sie sich spontan in einen Franzosen verliebt hatte, Sylvan Dubois, den sie auf James’ Verlobungsfeier kennengelernt hatte.

Doch vor lauter Stress und zu viel Arbeit war sie schließlich die Treppe in ihrem Cottage heruntergefallen, wobei sie sich drei Rippen brach und einen furchtbaren Bluterguss an einer Pobacke zuzog.

Da alle sie drängten, eine Pause einzulegen, hatte sie beschlossen, nach Paris zu reisen. Sie hatte Sylvans Telefonnummer im Internet ausfindig gemacht und träumte davon, wie sie gemeinsam über die Boulevards schlendern würden, während ihre Liebe zueinander aufblühte. Als sie ihn jedoch anrief, klang er distanziert, und dann hörte sie eine junge Frauenstimme auf Englisch rufen: »Komm wieder ins Bett, Liebling.«

Agatha war feuerrot und wütend auf sich geworden und stellte noch dazu fest, dass ihre alte Obsession für James wieder erwachte. Diese war wie eine Krankheit, die über längere Zeit Ruhe gab, aber nie ganz verschwand.

Nun erinnerte sich Agatha daran, dass James ihr vorgehalten hatte, nie auf ihn zu hören. Er arbeitete als Reisebuchautor und hatte angekündigt, eine Reihe mit Reiseführern zu berühmten Schlachtfeldern zu schreiben. Schon träumte Agatha davon, ihn mit ihrem Wissen zu dem Thema zu überraschen, weshalb sie beschloss, nach Balaklawa zu reisen, dem Schauplatz einer bedeutenden Schlacht während des Krimkriegs. Ja, so würde sie ihren Urlaub verbringen, von dem jeder behauptete, dass sie ihn dringend bräuchte.

Als Erstes würde sie nach Istanbul fliegen und dann weitersehen. Sie war schon einmal dort gewesen und hatte im Pera Palace Hotel gewohnt, das durch Agatha Christies Buch Mord im Orientexpress berühmt geworden war. Diesmal wählte sie ein Hotel auf der anderen Seite des Goldenen Horns, im Stadtteil Sultanahmet und im Schatten der Blauen Moschee.

Das Artifes Hotel war angenehm und das Personal freundlich. Doch obwohl sie müde vom Flug war, fühlte sich Agatha rastlos. Sie blickte in den Spiegel und wurde sich erstmals wirklich bewusst, welche Verwüstungen ihr Ehrgeiz angerichtet hatte. Sie hatte abgenommen, und dunkle Ringe lagen unter ihren Augen.

Ihren Koffer ließ sie ungeöffnet stehen und verließ das Hotel. Es gab ein interessantes Café in der Nähe, das Marmara. Agatha spähte hinein. An den Wänden hingen Teppiche, und an den langen Raum schloss sich eine von Weinranken überdachte Terrasse an.

Die Tische dort schienen alle besetzt, und Agatha zögerte.

Ein Mann stand auf. »Ich gehe gleich«, sagte er auf Englisch.

Mit einem erleichterten Seufzer setzte sich Agatha ihm gegenüber hin. Sie sah entzückt, dass ein Aschenbecher auf dem Tisch stand, und nahm ihre Zigaretten hervor.

»Sind Sie Engländer?«, fragte sie ihr Gegenüber.

»Nein, ich komme aus dem türkischen Teil Zyperns. Erol Fehim, sehr erfreut.«

Agatha musterte ihn. Er war ein kleiner, gepflegter Mann, trug ein edles Jackett und eine Brille und hatte graues Haar. Er strahlte Unschuld und Freundlichkeit aus und erinnerte Agatha sofort an ihre Freundin, die Vikarsfrau Mrs. Bloxby.

Sie stellte sich ihm vor, und als der Kellner kam, bat sie um einen Apfeltee.

»Was führt Sie nach Istanbul?«, fragte Erol.

Agatha erklärte, dass sie nur auf der Durchreise im Artifes Hotel war, bis sie herausgefunden hatte, wie sie nach Balaklawa auf der Krim kam. »Ich wohne im selben Hotel«, sagte Erol. »Wir könnten uns dort erkundigen.«

Bei seinem »Wir« wurde der einsamen Agatha warm ums Herz.

Wie sich herausstellte, sollte am nächsten Tag ein Schiff von einer Shopping-Tour zur Krim zurückkehren und kurz darauf wieder dahin aufbrechen. Der hilfsbereite Erol bot an, mit ihr zu der Schifffahrtsgesellschaft zu gehen. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie diese auf der anderen Seite des Goldenen Horns gefunden hatten. Agatha war froh, Erol bei sich zu haben, da dort niemand Englisch sprach. Sie buchte eine Doppelkabine für sich alleine.

Als sie wieder im Hotel waren, sagte der allzeit zuvorkommende Erol, er hätte abends etwas vor, würde sie aber früh am nächsten Nachmittag zum Schiff bringen und verabschieden.

Agatha rief ihren Freund an, Sir Charles Fraith. »Wo bist du?«, fragte er sie.

»In Istanbul.«

»Eine tolle Stadt, Agatha, aber du sollst dich ausruhen. Wäre ein Strandurlaub nicht besser für dich?«

»Ich mag keine Strandurlaube. Und ich habe hier einen netten Mann kennengelernt.«

»Aha!«

»Er ist wirklich sehr freundlich. Erinnert mich an Mrs. Bloxby.«

»Aha!«

»Was ›aha‹?«, fragte Agatha verärgert.

»Er muss ein sehr normaler, anständiger Mann sein.«

»Das ist er.«

»Dachte ich mir. Wäre er unerreichbar oder wahnsinnig, böse oder gefährlich, hättest du dich längst in ihn verliebt.«

»Du denkst, dass du mich kennst, aber das tust du nicht!«, erwiderte Agatha und drückte das Gespräch weg.

Am nächsten Tag im Taxi zum Schiff fragte Agatha Erol, was er beruflich machte, hörte indes kaum hin, als er ihr erklärte, dass er einen kleinen Verlag besaß. In Gedanken lehnte sie bereits an einer weißen Schiffsreling, neben ihr ein gut aussehender Mann, der ihr in die Augen blickte, während der Mond über dem Schwarzen Meer aufging.

Das Schiff war ein Schock. Es handelte sich um einen russischen Rosteimer. Vergeblich suchten sie nach einem anderen Schiff, doch Agathas Ticket galt nur für diesen schäbigen Dampfer.

»Ist schon gut«, sagte Agatha schließlich zu Erol. »Wenigstens bringt mich dieses Schiff zum Ziel. Danke für all Ihre Hilfe.«

Die Mannschaft half ihr über Berge von Ladung, die sich auf den Decks stapelten. Als sie zu ihrer Kabine stolperte, fiel ihr auf, dass sogar der Notausgang mit Kisten versperrt war.

Dann wurde Agatha mit Entsetzen klar, dass sie vergessen hatte, sich von Erol zu verabschieden oder sich seine Karte geben zu lassen. Sie eilte zurück an Deck, doch Erol war nicht mehr da.

Die wenigen anderen Passagiere waren ukrainische Frauen, und die Mannschaft bestand ausschließlich aus Russen. Niemand sprach Englisch. Suppe war alles, was Agatha am Abend zu sich nehmen konnte. Das Schiff hatte sich nicht bewegt, und sie zog sich in ihre Kabine zurück, um sich in den Schlaf zu lesen.

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, lag das Schiff immer noch im Hafen. Schließlich legten sie ab. Zuerst war die Fahrt erträglich, weil Agatha eine winzige Stelle an Deck gefunden hatte, die nicht mit Ladung blockiert war und an der sie stehen konnte. So beobachtete sie, wie die Paläste am Bosporus vorbeiglitten. Doch kaum erreichte das Schiff das Schwarze Meer, war weithin nichts als Wasser zu sehen. Wieder zog Agatha sich in ihre Kabine zurück und fragte sich, ob sie die Reise überleben würde. Vor ihrer Abreise aus Istanbul hatte sie übers Internet ein Hotel in Balaklawa gebucht, das Dakkar Resort, und darum gebeten, ihr zur Ankunft ein Taxi zu schicken.

Zwei Tage später, als Agatha das Gefühl hatte, keine weitere Schale Suppe mehr herunterzubekommen – das einzig Essbare an Bord –, und bei der Aussicht auf noch einen Gang zu den stinkenden Toiletten erschauderte, kam das Schiff endlich an.

Während sie sich mit den ukrainischen Frauen und deren gewaltigen Einkäufen – einige hatten sogar Matratzen dabei – durch den Zoll quälte, entdeckte sie zu ihrer Erleichterung ein wartendes Taxi, dessen Fahrer ein Schild mit ihrem Namen vor sich hielt.

Was für ein Segen war doch ein zivilisiertes Hotel mit einer lächelnden Empfangsdame und einem hübschen Zimmer! Die Rezeptionistin sagte: »Ich war entsetzt, als Sie schrieben, dass Sie mit dem Schiff reisen. Die Gervoisevajtopolya ist geradezu berüchtigt, weil sie so schrecklich ist. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie es in einem Stück hierherschaffen.«

Agatha duschte und zog sich um. Dann ging sie wieder nach unten an den Empfang und bat die Frau, die sie begrüßt hatte, ihr für den nächsten Tag einen Fremdenführer und Dolmetscher zu besorgen, der sie zum Schlachtfeld brachte.

Der nächste Tag erwies sich als Zeitverschwendung. Vergeblich bestand Agatha darauf, den Ort der Schlacht zu sehen, die am 25. Oktober 1854 stattgefunden hatte und bei der hundertachtzehn Soldaten der Light Brigade getötet und hundertsiebenundzwanzig verwundet worden waren. Sie zückte ihr Notizbuch und sagte, sie wolle in das Tal zwischen den Fedjuka und den Causeway Heights, ohne dass ihrer Bitte Folge geleistet wurde.

Die hübsche junge Übersetzerin Svetlana hielt sich an den Fremdenführer, und der brachte Agatha von einem Denkmal des Zweiten Weltkriegs zum nächsten, allesamt im Sowjetstil mit muskulösen jungen Männern, die in unterschiedliche Richtungen zeigten, während noch muskulösere Frauen hasserfüllt auf einen unsichtbaren Feind blickten.

Die sympathische Svetlana sagte, sie würde Agatha am nächsten Morgen zu einer ihrer Busrundfahrten abholen. Und so gelangte Agatha schließlich doch noch zu dem Schlachtfeld. Das sich als eine von Weinreben bedeckte Ebene entpuppte. Ohne Pferdeskelette oder herumliegende Waffen erstreckte es sich mild und unschuldig unter der Sonne, als hätte die berühmteste Kavallerieschlacht der Geschichte nie stattgefunden.

Müde kehrte Agatha ins Hotel zurück, wo ihr ihre Lieblingsrezeptionistin strahlend entgegenlächelte. »Es sind eben noch zwei englische Gäste eingetroffen«, sagte sie. »Die beiden können Ihnen vielleicht Gesellschaft leisten. Ein Mr. Lacey und eine Miss Bross-Tilkington.«

Er wird denken, dass ich ihn stalke, überlegte Agatha. Was für ein blöder Zufall! »Machen Sie meine Rechnung fertig«, sagte sie. »Ich reise sofort ab. Und erzählen Sie den englischen Gästen nichts von mir. Wie zum Teufel komme ich hier weg?«

»Sie könnten vom Flughafen Simferopol aus fliegen.«

»Rufen Sie mir ein Taxi!«

James Lacey trat ans Fenster seines Hotelzimmers. Seine Verlobte, Felicity, schlief. James plagte ein leises Unbehagen. Er liebte an Felicity, wie sie ihn mit ihren großen Augen ansah, als würde sie jedes seiner Worte in sich aufsaugen.

Doch auf dem Flug hierher, als er ihr begeistert den Kavallerie-Angriff beschrieben hatte, war sie abgelenkt gewesen. Und zum ersten Mal hatte er sich gefragt, ob sie ihm tatsächlich zuhörte. »Der Befehl zum Angriff wurde gegeben«, hatte er daraufhin gesagt, »und ein Raumschiff landete im Tal, aus dem kleine grüne Männchen stiegen.«

»Faszinierend«, hatte Felicity gehaucht.

»Hast du nicht zugehört?«

»Ich bin nur müde, Liebling. Was hast du gesagt?«

James hörte eine Unruhe unten vor dem Hotel. Er öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus. Eine Frau war auf dem Weg zu einem Taxi gestolpert und hingefallen. Er sah sie nur flüchtig, war sich jedoch sicher, dass es sich um Agatha handelte. Schon wehte eine vertraute Stimme durch die Krimluft: »Oh, verflucht!«

James rannte die Treppe hinunter und aus dem Hotel, aber das Taxi war fort. James zog sein Mobiltelefon hervor und rief seinen Freund in den Cotswolds an, Detective Sergeant Bill Wong.

»Hallo Bill, hatte Agatha irgendwas darüber gesagt, dass meine Verlobung sie erschüttert hat?«, fragte er.

»Nein«, antwortete Bill. »Und ich glaube auch ehrlich nicht, dass es so ist.«

»Aber sie ist eben hier gewesen, in Balaklawa. Agatha interessiert sich nicht für Militärgeschichte. Ich hoffe, sie jagt mir nicht nach.«

Bill war auch ein loyaler Freund Agathas. »Reiner Zufall«, sagte er. »Du musst dich geirrt haben.«

James ging zurück ins Hotel und fragte an der Rezeption, ob eine Agatha Raisin gerade ausgecheckt habe. Die Rezeptionistin erklärte ihm streng, sie dürfe die Namen anderer Gäste nicht herausgeben.

Bei ihrer Rückkehr nach Istanbul beschloss Agatha, endlich den dringend nötigen Urlaub zu machen und sich zu entspannen. Sie besuchte die Sehenswürdigkeiten: die Hagia Sophia, die Blaue Moschee, den Gewürzbasar, auf dem es im James-Bond-Film Liebesgrüße aus Moskau zur Explosion kommt, und den Dolmabahçe-Palast am Bosporus. Am Ende der Woche rief sie ihre Freundin Mrs. Bloxby an, die Agatha von den Neuigkeiten im Dorf berichtete und dann sagte: »James ist kurz nach Ihrer Abreise hier gewesen. Er hat einen Vertrag für eine Buchreihe über Schlachtfelder abgeschlossen, ist gerade in die Ukraine gereist und will anschließend nach Gallipoli. Wie ist Istanbul?«

»Fantastisch. Ich esse und lese viel.«

Nachdem sie aufgelegt hatte, nahm Agatha ihren BlackBerry hervor und googelte Gallipoli. Der Schauplatz der desaströsen Landung neuseeländischer, australischer und britischer Truppen im Jahr 1915 befand sich in der Türkei!

Sollte sie dorthin fahren? Ihr Verstand sagte ihr, sie solle es lassen, doch in ihrer Fantasie erschien ein Bild, wie sie James mit ihrem Wissen in Erstaunen versetzte. Er konnte nicht wissen, dass sie auf der Krim gewesen war. Und sie könnte ihren Besuch einfach zurückdatieren und behaupten, sie wäre das Jahr zuvor dort gewesen. Wie du siehst, James, interessiere ich mich sehr für Militärgeschichte. Du hast mich nie wirklich gekannt.

Agatha überlegte kurz, im Dakkar Resort Hotel anzurufen und zu fragen, ob James noch dort war, entschied aber dann, dass er es noch sein musste. Immerhin hatte er eine Menge zu recherchieren und zu schreiben.

Sie fand einen Taxifahrer, der Englisch sprach. Die Landung der Entente hatte die Gallipoli-Halbinsel entlang stattgefunden, und Agatha entschied sich für den ANZAC-Strand im Norden, wo die australischen und neuseeländischen Truppen angelandet waren, direkt an der Ägäis. Der Taxifahrer versicherte ihr, dass es bis dort nur wenige Stunden Fahrt von Istanbul aus waren.

Als sie den berühmten Strand schließlich erreichte, regnete es in Strömen. Agatha machte Fotos, las den bewegenden Text auf einem Denkmal für die gefallenen Soldaten auf beiden Seiten und stieg erschöpft zurück ins Taxi. Sie hätte in Istanbul bleiben und einfach alles über diesen Ort lesen sollen.

Ihr Taxi war auf dem Weg zurück zur Hauptstraße, als ihnen ein Wagen entgegenkam. Am Steuer saß James und neben ihm Felicity. Der Taxifahrer wunderte sich, als Agatha sich tief in den Sitz duckte.

Abends erhielt Bill Wong noch einen Anruf von James. »Ich sage dir, Bill, ich habe sie in Gallipoli gesehen. Sie verfolgt mich! Finde bitte heraus, ob alles mit ihr in Ordnung ist. Ich fürchte, sie nimmt meine Verlobung gar nicht gut auf.«

Viel später sollte Agatha ihren Treppensturz für ihren Besuch der zwei berühmten Schlachtfelder verantwortlich machen. Sie musste sich den Kopf angeschlagen haben. Wie konnte sie so blöd sein?

Denn kaum war sie wieder in der vertrauten Umgebung, in ihrem Cottage im Cotswolds-Dorf Carsely und zurück bei der Arbeit, verflüchtigte sich ihre Obsession, was James betraf.

Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass James sie ganz sicher nicht gesehen hatte. Und obendrein erzählte sie allen, sie hätte den gesamten Urlaub in Istanbul verbracht.

Kurz nach ihrer Rückkehr, an einem angenehmen Samstagnachmittag, besuchte sie Mrs. Bloxby im Pfarrhaus.

Die Vikarsfrau begrüßte sie herzlich. »Gewiss möchten Sie rauchen, Mrs. Raisin, aber im Garten ist es recht frisch.« Beide gehörten zum Frauenverein von Carsely, in dem sich die Mitglieder ausnahmslos siezten, und trotz ihrer engen Freundschaft war es den beiden Frauen unmöglich, mit dieser Sitte zu brechen.

»Ich kann auch ohne Zigarette leben«, sagte Agatha seufzend. »Vermaledeiter Nanny-Staat. Haben Sie gewusst, dass wöchentlich achtundzwanzig Pubs schließen?«

»Dem Red Lion geht es auch nicht gut.«

»Ausgeschlossen! Unser Dorfpub?«

»Wir versuchen alle, ihn zu unterstützen, aber viele Leute wollen nicht mehr auswärts etwas trinken gehen, wenn sie dort nicht rauchen dürfen. John Fletcher hat nicht damit gerechnet, dass es ihn so schlimm treffen würde.«

»Er hat einen ziemlich großen Parkplatz hinter dem Pub«, sagte Agatha. »Da könnte er eines von diesen Festzelten mit Heizstrahlern aufbauen.«

»Für so etwas hat er kein Geld mehr.«

»Dann treiben wir lieber welches auf«, sagte Agatha.

»Wenn das jemand kann, dann Sie.« Agatha war früher eine erfolgreiche PR-Frau gewesen.

»Fahren Sie zu Mr. Laceys Hochzeit?«, fragte Mrs. Bloxby.

»Natürlich. Die Trauung ist in Felicitys Heimatdorf Downboys in Sussex. Ich vermute, dass sie für uns alle Übernachtungsmöglichkeiten arrangieren.«

»Danach habe ich schon gefragt«, sagte Mrs. Bloxby. »Wir sollen uns selbst etwas buchen. Hewes, der nächste größere Ort, ist nicht allzu weit weg.«

»Geizkragen! Hoffentlich bekomme ich dort noch ein Zimmer.«

»Ich glaube, Sie haben schon eines. Toni Gilmour ist eingeladen, und weil sie gewusst hat, dass Sie verreist sind und es wahrscheinlich nicht viele Zimmer gibt, hat sie ein Doppelzimmer im The Jolly Farmer in Hewes für Sie gebucht.«

Es klingelte. Mrs. Bloxby ging an die Tür und kehrte mit Bill Wong zurück. Bill hatte halb chinesische, halb englische Wurzeln. Er sprach mit einem starken Gloucester-Akzent, und das einzig Orientalische an ihm waren seine hübschen, mandelförmigen Augen.

»Hallo Agatha«, sagte Bill. »Dachte ich mir, dass ich dich hier finde. Du hast deinen Ex in Panik versetzt.«

»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Agatha und wurde rot. »Wie geht es deinen Eltern?«

Doch Bill ließ sich nicht ablenken. »James hatte mich von der Krim aus angerufen und gesagt, dass er dich gesehen hat. Dann ist er nach Gallipoli gereist, und da warst du wieder. Er glaubt, dass du ihm nachstellst.«

»Die männliche Eitelkeit erstaunt mich immer wieder«, konterte Agatha.

»Aber was in aller Welt hast du dort getan?«, fragte Bill.

»Es war Zufall, weiter nichts«, antwortete Agatha. »Ich bin im Urlaub gewesen. Ich war mal James’ Frau, weißt du noch? Also habe ich eine Menge über Militärgeschichte gelernt.«

»Ach ja? Wann war die Schlacht von Waterloo?«

»Mr. Wong«, mischte sich Mrs. Bloxby freundlich ein. »Sie sind doch gewiss außer Dienst und nicht hier, um eine Verdächtige zu verhören. Tee oder Kaffee?«

»Einen Kaffee, danke.«

Als sie den Kaffee serviert hatte, brach Mrs. Bloxby das unangenehme Schweigen zwischen Agatha und Bill, indem sie Agatha fragte, wie sie Spenden für den Dorfpub einwerben wollte.

Und weil Agatha dringend weitere Fragen von Bill vermeiden wollte, redete sie von einem ersten Aufruf in den Lokalzeitungen und einem großen Dorffest zugunsten des Pubs. »Vielleicht bekomme ich es hin, dass eine angesagte Berühmtheit daran teilnimmt«, überlegte sie laut.

Schließlich verabschiedete sich Bill und fuhr zur Polizeizentrale nach Mircester, wo seine Schicht begann.

Er beschloss, James anzurufen, der bei seinen zukünftigen Schwiegereltern in Downboys war.

»James, ich habe heute mit Agatha gesprochen«, erklärte er. »Ich weiß nicht, was sie bei den Schlachtfeldern wollte, aber Agatha mag den Wettbewerb. Sei lieber vorsichtig. Vielleicht plant sie, ihre eigenen Reiseführer herauszubringen. Nein, ich glaube absolut nicht, dass sie dir nachstellt.«

Detective Sergeant Collins lauschte draußen an Bills Tür. Sie war neidisch auf Bill und dessen Ehrgeiz, deshalb belauschte sie seine Anrufe oft in der Hoffnung, ihm einen Erfolg zu stehlen. Diesmal schien es nichts Wichtiges zu sein; bloß irgendein Gerede über diese ärgerliche Raisin.

Die Tage vor der Hochzeit vergingen für Agathas Gefühl wie im Flug, und bald saß sie in Tonis Wagen und war unterwegs nach Sussex. Agatha hatte zugestimmt, dass Toni sie in Mircester abholte und fuhr, weil ihre Hüfte wieder schmerzte. Ein Chirurg hatte ihr geraten, ernsthaft über eine Operation nachzudenken.

Toni trug eine Lederjacke über einem schwarzen T-Shirt. Um die schmale Hüfte hatte sie einen breiten Ledergürtel geschlungen, und ihre schwarze Hose steckte in einem Paar spitzer Schnürstiefel. Ihr Haar war kurz und stufig geschnitten.

Agatha blickte verstohlen zu ihr und seufzte. Ihre eigene Figur wirkte dieser Tage immer schlaffer, obwohl sie abgenommen hatte. Sie hatte ihren Sport vernachlässigt. Manchmal fühlte sie sich mit Anfang fünfzig noch jung genug, aber in Momenten wie diesem, wenn sie neben der blutjungen Toni saß und zur Hochzeit ihres Ex-Mannes mit einer umwerfenden jungen Frau fuhr, kam sie sich uralt vor. Auch wenn ihre Beine noch wohlgeformt waren und ihr volles braunes Haar schimmerte.

Die Landschaft rauschte an ihnen vorbei. »Im Galopp, im Galopp, im Galopp voran«, murmelte Agatha.

»Oh, das kenne ich aus der Schule«, sagte Toni. »Die Attacke der Leichten Brigade von Tennyson.«

Agatha verzog das Gesicht. Sie hatte vergessen, woher das Zitat stammte.

»Was haben Sie in Ihrem riesigen Koffer?«, fragte Toni. »Wir sind nur ein paar Tage da.«

»Aber ich weiß nicht, was ich anziehen soll, also habe ich so viel wie möglich mitgenommen. Ich kann nicht einschätzen, ob ich die ganze Zeit elegant sein muss oder eher lässig aussehen darf.«

»Die werden da alle solche Hüte aufhaben wie die Herzogin von Cornwall«, sagte Toni.

»Ich besitze keinen Hut.«

»Ich auch nicht. Und Sie sehen immer schick aus.«

»Wie läuft das Geschäft?«

»Wir fangen tatsächlich an, Gewinn zu machen.«

Agatha zügelte ihr Konkurrenzdenken. Man musste sich ja nur ansehen, was ihr diese Charakterschwäche gebracht hatte. Sie hatte sich lächerlich gemacht. Doch nun konnte sie zumindest versuchen, James weitgehend aus dem Weg zu gehen.

Diese Idee machte Toni sogleich zunichte. »In Downboys gibt es heute Abend eine Vorhochzeitsparty.«

»Warum?«, heulte Agatha. »Der Bräutigam darf die Braut vor der Trauung nicht sehen!«

»Ich glaube, auf so was achten die Leute heute nicht mehr«, sagte Toni.

»Warum haben Sie uns Zimmer in einem Pub gebucht? Gibt es in Hewes kein Hotel?«

»Sogar zwei. Aber die sind komplett mit Felicitys Freunden und Verwandten belegt. Und wie es aussieht, werden deren Übernachtungen bezahlt. Vielleicht hat James nicht gewusst, dass sich das für seine Gäste ebenso gehören würde. Außerdem ist The Jolly Farmer ziemlich anständig.«

»Ich hoffe, das heißt nicht, dass sich die Zimmer ein Gemeinschaftsbad teilen.«

»Nein, jedes soll sein eigenes Bad haben.«

»Ich hätte gedacht, dass Sie mit Harry Beam hinfahren.«

»Er kommt nach. Da wir ein gemeinsames Zimmer haben, ist es besser, wenn wir auch zusammen ankommen«, antwortete Toni.

Hewes war eine hübsche alte Marktstadt an einem Fluss. Der Pub entpuppte sich als eine Art Wirtshaus mit Hoteltrakt, alles um einen alten Innenhof gruppiert.

Das Zimmer der Frauen war groß und hübsch mit niedriger Balkendecke, geblümter Tapete und zwei bequemen Betten. Es gab sogar einen Schreibtisch und Internetanschluss.

»Wann ist die Party?«, fragte Agatha.

»Heute Abend um acht. Mit Büfett, sodass wir uns keine Gedanken über das Essen machen müssen.«

»Wie haben Sie all das herausgefunden?«

»Ich habe dort angerufen, um nach dem Weg zu fragen, und da habe ich von dem Büfett erfahren.«

»Ob James hofft, dass ich nicht komme?«, überlegte Agatha laut. »Mir ist nicht danach.«

»Lassen Sie mich bitte nicht allein hingehen«, flehte Toni.

»Ich dachte, mittlerweile fürchten Sie sich vor nichts mehr.«

»Das stimmt, wenn es um die Arbeit geht«, sagte Toni. »Aber die englische Mittelschicht jagt mir Angst ein. Ich habe immer das Gefühl, dass sie mir sofort die Sozialwohnung ansieht.«

Toni hatte kaum Zeit, zu duschen und sich umzuziehen. Zuerst hatte Agatha lange das Bad belegt, und dann breitete sie alle Kleider und Hosenanzüge auf dem Bett aus, um zu entscheiden, was sie anziehen sollte.

Letztlich wählte sie einen blau-goldenen Abendblazer zu einem kurzen schwarzen Samtrock und hohe Schuhe.

Toni trug ein kurzes weißes Chiffonkleid und hohe goldene Sandalen.

Wieder überkam Agatha ein Anflug von Neid. Ach, so jung und faltenfrei zu sein!

Beide waren nervös, als sie aufbrachen. Toni hoffte, sich nicht versehentlich danebenzubenehmen, und Agatha fürchtete, dass James sie wegen der Schlachtfelder zur Rede stellte.

»Ich werde lügen«, sagte sie laut.

»Weswegen?«, fragte Toni.

»Egal.«

Das Dorf Downboys war um eine Kreuzung herumgebaut. In der Mitte gab es einen alten Pub, eine Kirche und einen kleinen Lebensmittelladen. Es schien ein sehr finsterer Ort zu sein. Obwohl der Abendhimmel nach einem sonnigen Tag noch wolkenfrei war, wirkten die Baumstämme schwarz vor Feuchtigkeit.

»Mal sehen«, murmelte Toni und blickte zu dem Zettel auf ihrem Schoß. »An der Kreuzung links, dann wenige Hundert Meter und nach rechts in eine Sackgasse. Ihr Haus liegt direkt am Ende. Ich kann Musik hören. Sie müssen eine Band gebucht haben. Hier ist es. Verdammt! Die Auffahrt ist voll.«

»Parken wir lieber hier und gehen den Rest zu Fuß.«

Zu beschwingter Musik wanderten sie die Einfahrt hinauf. »Gibt es vor der Hochzeit nicht eigentlich eine Junggesellenparty für den Mann und eine Party für die Frau?«, murrte Agatha.

»Dachte ich auch«, sagte Toni.

Die Villa der Bross-Tilkingtons war groß und viktorianisch, und die Haustür stand offen. Agatha und Toni gingen hinein. Ein junger Mann in nichts als einer Fliege und einer Lederschürze bat darum, ihre Einladungen sehen zu dürfen.

»Ich wusste nicht, dass es sich um eine Kostümparty handelt«, sagte Agatha.

»Tut es auch nicht, ich bin von Naked Servant«, erklärte der junge Mann lächelnd. Er schaute sich ihre Einladungen an. »Gehen Sie durchs Haus und nach hinten auf die Terrasse. Die Party findet in dem Festzelt auf dem Rasen statt«, sagte er dann.

»Gott, wie geschmacklos«, murmelte Agatha. »Werde ich alt, Toni? Dieser Anblick hat nicht ein einziges Hormon bei mir geweckt.«

»Ich finde es beruhigend«, entgegnete Toni. »Unter vulgären Leuten fühle ich mich wohler. Und ein halb nackter Kellner ist definitiv vulgär.«

Agatha zögerte. »Vielleicht fahre ich zurück zum Pub und komme später wieder her, um Sie abzuholen.«

»Das passt nicht zu Ihnen«, sagte Toni und hakte sich bei Agatha ein. »Stellen wir uns den Tatsachen.«

Sie traten durch die Terrassentür nach draußen und näherten sich dem riesigen gestreiften Zelt auf dem Rasen.

Am Eingang stand ein weiterer fast nackter junger Mann. Er nahm ihre Karten und rief ihre Namen aus, was jedoch in dem Mary-Poppins-Medley unterging, das von einer Blaskapelle geschmettert wurde.

»Essen und Tisch«, sagte Agatha. »Holen wir uns etwas am Büfett und setzen uns hin.«

»Wollen Sie nicht herumschlendern?«

»Nein.«

»Da drüben ist Bill Wong. Ich gehe kurz zu ihm«, sagte Toni. »Danach komme ich zu Ihnen zurück.«

Agatha entschied, zuerst etwas zu trinken. Sie bestellte sich einen Gin Tonic und setzte sich mit dem Drink an einen Tisch. Bald gesellten sich die anderen aus ihrer Detektei dazu – Phil Marshall, Patrick Mulligan und Mrs. Freedman.

Phil war in den Siebzigern und Patrick Anfang sechzig, genau wie Mrs. Freedman. Anstatt sich über ihre Gesellschaft zu freuen, fühlte sich Agatha nun noch älter, und das erst recht, als sich die Menge teilte und den Blick auf die wunderschöne künftige Braut an James’ Arm freigab.

Und dann sah James sie. Er flüsterte Felicity etwas zu und machte sich auf den Weg zu Agathas Tisch.

»Kann ich dich sprechen?«, fragte er.

»Setz dich«, antwortete Agatha und versuchte zu lächeln, aber ihr Gesicht war so starr, als hätte sie sich Botox spritzen lassen.

»Unter vier Augen, draußen. Bei diesem Krach kann ich mich nicht denken hören.«

Agatha wollte widersprechen, doch in diesem Moment stimmte die Band die Musik aus Die Kanonen von Navarone an. Sie stand auf und folgte ihm aus dem Zelt.

Er sieht aus wie immer, stellte Agatha unglücklich fest – groß, gut aussehend mit blauen Augen und dichtem, an den Schläfen leicht ergrautem Haar.

»Ich weiß nicht, wie ich es höflicher formulieren soll«, begann James. »Verfolgst du mich?«

»Ich verstehe nicht, was du meinst«, konterte Agatha trotzig.

»Dann lass es mich anders ausdrücken. Ich bin nach Balaklawa gereist und habe gesehen, wie du aus dem Hotel geflohen bist. Dann bin ich zur ANZAC-Landestelle gereist, und – wer hätte das gedacht? – da bist du gerade von dort weggefahren. Hast du mich verfolgt?«

Agatha öffnete den Mund und wollte lügen, hartnäckig leugnen, aber dann dachte sie: Was spielt es noch für eine Rolle? Er heiratet.

»Du hast mich wütend gemacht, als du auf deiner Verlobungsfeier behauptet hast, ich würde dir nie zuhören. Und ich wollte dir das Gegenteil beweisen. Ich musste sowieso mal Urlaub machen. Kurz vorher war ich bei mir zu Hause die Treppe heruntergestürzt, und ich muss mir wohl übel den Kopf angeschlagen haben. Jedenfalls dachte ich, ich verblüffe dich mit meinem Militärwissen.«

James fing an zu lachen. »Oh, Agatha, du bist wahrlich ein Original! Gehen wir ein Stück und unterhalten uns über etwas anderes. Du siehst sehr gut aus. Wie läuft es in …? Was gibt es denn?«

Einer der fast nackten jungen Männer war neben ihnen aufgetaucht. »Mr. Lacey, Ihre Verlobte wünscht Sie zu sprechen.«

»Ist gut. Sagen Sie ihr, ich bin gleich bei ihr.«

»Wessen Idee war es, die Naked Servants anzuheuern?«, fragte Agatha.

»Felicity fand es eine witzige Idee.«

»Und damit warst du einverstanden?«

»Agatha, streu nicht noch Salz in die Wunde«, sagte James plötzlich voller Inbrunst. »Würde mir ein Vorwand einfallen, wie ich aus dieser verfluchten Geschichte herauskomme, ich wäre auf der Stelle weg.«

»Du könntest sie erschießen.«

»Das ist nicht komisch. Hören Sie auf, um uns herumzuschleichen!« Der letzte Satz galt einem Naked Servant, der neben James erschienen war und aufmerksam zuhörte.

»Ich soll Ihnen nur sagen, dass Miss Felicity sich fragt, wo Sie bleiben«, entgegnete der junge Mann beleidigt.

»Ich komme ja«, sagte James verdrossen.

Traurig blickte Agatha ihm nach.

Zwei

Agatha kehrte zum Tisch zurück. Charles kam mit Mr. und Mrs. Bloxby zu ihr, gefolgt von Harry, Toni und Bill Wong sowie Agathas ehemaligem Angestellten Roy Silver.

Sie schoben mehrere Tische zusammen, um eine Art Cotswolds-Bereich zu schaffen. Die Band machte eine Pause, sodass sie sich unterhalten konnten.

»Mr. und Mrs. Bross-Tilkington wirkten so gesetzt«, sagte Mrs. Bloxby. »Ich gestehe, dass mich die Naked Servants schockiert haben.«

»Die waren Felicitys Idee«, erklärte Agatha.

»Du meine Güte!«, sagte Bill. »Ich frage mich, was James von alldem hält.«

»Es wird noch schlimmer«, meldete sich Toni.

»Wieso?«, fragte Agatha.

»Am Ende der Party sollen wir abstimmen, welcher Kellner der Schönste ist. Und der Gewinner wird verlost.«

»Sie meinen, die betätigen sich hier als Zuhälter.«

»Nein, der Losgewinner darf sich auf den Schoß des Naked Servant setzen, mehr nicht.«

Der Vikar, Alf Bloxby, stand auf. »Wir gehen«, sagte er.

Mrs. Bloxby widersprach nicht. »Das hier ist wirklich nichts für mich, Mrs. Raisin.«

»Für mich auch nicht«, stimmte Agatha ihr zu. »Aber ich will Toni nicht den Abend verderben.«

»Oh, das dürfen Sie ruhig«, sagte Toni. »Hat Felicity überhaupt keine jüngeren Freunde? Ich meine, hier sind ungefähr fünf Leute in ihrem Alter, und der Rest sind alte Menschen, die geifernd die Kellner begaffen. Es ist gruselig.«

Agatha zögerte. »Bis auf wenige Freunde von James und seine Schwester sind wir hier die Einzigen von seiner Seite. Wenn wir jetzt alle gleichzeitig gehen, sieht es unhöflich aus. Noch dazu müssen wir uns bei den Gastgebern bedanken, und da können wir nicht als Gruppe ankommen.«

Die Bloxbys setzten sich wieder hin. »Sie haben recht«, sagte Mr. Bloxby. »Ich wünschte, es würde irgendwas passieren, das diese Party beendet.«

Harry und Toni sahen einander an. »Toni und ich gehen mal ein bisschen frische Luft schnappen«, sagte Harry dann.

Gleich nachdem sie gegangen waren, fand sich Agatha auf einmal einer wutentbrannten Felicity gegenüber. »Lassen Sie James in Ruhe!«, kreischte diese. »Ich weiß, dass Sie ihn verfolgen. Sie beobachten ihn. Bleiben Sie weg von ihm!«

Die erste Reaktion allenthalben war Schockstarre. »Man kann nicht behaupten, dass sie hübsch aussieht, wenn sie wütend ist«, sagte Charles dann. »Sie hatte was von einer Schlange.«

»Hast du eine Idee?«, fragte Toni, als Harry und sie draußen waren.

»Wir könnten die Zeltleinen durchschneiden.«

»Aber vielleicht kommt es zu Unfällen, wenn alles über den Leuten einstürzt.«

»Gehen wir einmal um das Zelt herum, vielleicht fällt uns dann etwas ein.«

Sie wanderten zur Rückseite des Zeltes. Der Rasen endete an einem kleinen Fluss.

»Sieh mal da!«, sagte Toni. »Da drüben links.«

Als Harry hinschaute, sah er einen Hundezwinger mit einem umzäunten Auslauf. Hinter dem Zaun liefen vier Schäferhunde auf und ab.

»Ich würde wetten, dass die geradewegs zum Büfett laufen, wenn man sie herauslässt«, sagte Toni.

»Und wenn sie die Gäste zerfleischen?«

»Die sind sicher so erzogen, dass sie nur auf Kommando angreifen. Was meinst du?«

Sie näherten sich dem Zwinger. »Hungrig sehen sie allemal aus«, sagte Harry. »Ich könnte einfach diesen Riegel an der Pforte heben und sie aufschwingen lassen.«

»Da ist ein Schuppen gleich nebenan. Sehen wir lieber erst nach, ob es hier einen Tierpfleger gibt.«

Sie spähten durch die offene Schuppentür. Drinnen lag ein schlafender, korpulenter Mann mit einer leeren Whiskyflasche neben sich. Auf einem Herd stand ein Topf, in dem Pferdefleisch in Wasser kochte. »Er hat vergessen, sie zu füttern«, sagte Harry und drehte das Gas ab.

»Was wollen die Bross-Tilkingtons denn mit vier Schäferhunden?«, fragte Toni.

»Sie scheinen ziemlich reich zu sein. Und solche Leute sind heutzutage nervös.« Harry holte ein Taschentuch hervor und hob den Riegel an. »Mein Vater hatte mal einen Schäferhund. Die Tiere sind wirklich okay. Bleib zurück! Sie wollen bloß fressen.«

Die Pforte schwang auf. Die Hunde schnupperten. In der Abendluft lagen verschiedenste Essensgerüche.

Anfangs bewegten sich die vier Hunde nur langsam aus dem Zwinger. Dann jedoch preschten sie wie auf Kommando los.

»Der arme James sieht aus, als wollte er sterben«, sagte Bill Wong, als ein Trommelwirbel den Beginn der Verlosung ankündigte.