AGIL - Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf - Andreas Hillert - E-Book

AGIL - Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf E-Book

Andreas Hillert

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Beschreibung

• Wirksamkeit nachgewiesen: Vom Bayerischen Kultusministerium als Standard im Bereich Lehrergesundheit empfohlen • Ansprechende Navigation: Besuchen Sie die Inseln namens Achtsamkeit, Denkbarkeit, Möglichkeiten und Erholung Viele Lehrerinnen und Lehrer erleben ihre Arbeit als extrem belastend. Sie fühlen sich dauerhaft angespannt, erschöpft und ausgebrannt. Die Freude am Beruf droht verloren zu gehen, gesundheitliche Probleme sind keine Seltenheit. In diesem Buch erfahren Lehrkräfte, wie sie dem vorbeugen und entgegenwirken können. AGIL, "Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf", ist ein auf die spezifische Situation von Lehrerinnen und Lehrern ausgerichtetes Präventions- und Behandlungsprogramm. Das persönliche Arbeitsbuch soll Ihnen dabei helfen, Ihren Schulalltag mit weniger Belastung und mehr Freude erleben und gestalten zu können. Für Lehrerinnen und Lehrer, die an einem AGIL-Kurs teilnehmen, ist es ein nützlicher Begleiter. Im Rahmen von AGIL geht es darum, individuelle Strategien im Umgang mit beruflichen Belastungen zu reflektieren: Welche Verhaltensmuster fördern möglicherweise den "Stress" und wie können sie verändert werden? Im Arbeitsbuch finden Sie zudem: - Informationen zu Belastungen des Lehrerberufs und zu Frühwarnzeichen - Praktische Anleitungen und Übungen zur Förderung individueller Stressbewältigungsstrategien - Anregungen für Problemlösestrategien im Schulalltag - Antworten auf die Frage, wie Regeneration gelingen kann Wissenschaftliche Studien belegen: Durch das Programm verbessert sich die Lebensqualität stark belasteter Lehrkräfte deutlich – kommen auch Sie AGIL durch den Schulalltag! Dieses Buch richtet sich an - Lehrkräfte aller Schulformen - Lehramtsstudenten, Referendare zur Vorbereitung auf den Beruf - Berater, Trainer und Entscheider im Bereich Lehrergesundheit

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EPUB

Seitenzahl: 341

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Hillert ■ Bracht ■ Koch ■ Lüdtke ■ Ueing ■ Sosnowsky-Waschek ■ Lehr

Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf (AGIL)

Das individuelle Arbeitsbuch

Impressum

Die digitalen Zusatzmaterialien haben wir zum Download auf www.klett-cotta.de bereitgestellt. Geben Sie im Suchfeld auf unserer Homepage den folgenden Such-Code ein: OM40006

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird überwiegend die männliche Form verwendet, diese schließt selbstverständlich stets die weibliche ein.

Schattauer

www.schattauer.de

© 2019 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von © Adobe Stock/Kzenon

Zeichnungen: Andrea Schraml; S. 115 Lilo Gerl; S. 191 Sebastian Molkenbur

Lektorat: Marion Drachsel, Berlin

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Printausgabe: ISBN 978-3-608-40006-9

E-Book: ISBN 978-3-608-11520-8

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20414-8

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhalt

Anschriften der Autoren

1 Einleitung

2 Am Anfang war der Stress …

2.1 Stress und Stressbewältigung: Theoretische Überlegungen und Ihr höchstpersönlicher Einstieg

2.2 Stressoren und Stressebenen

2.3 Stresserleben und Stressreaktionen

2.4 Stressoren und Stressreaktionen interagieren

2.5 Vom akuten zum chronischen Stress: Hintergründe des Stress-Phänomens

2.6 Burnout: Was ist das?

2.6.1 »Burnout« lässt sich erleben, aber nicht diagnostizieren!

2.6.2 Burnout-Biografien beginnen selten »hochengagiert«

2.6.3 Exkurs: Was messen Burnout-Fragebögen?

2.6.4 Sollte hohes Engagement im Lehrerberuf verboten werden?

2.7 Depressionen und andere psychische Erkrankungen

2.7.1 Was sind psychische Erkrankungen? Von theoretischen Konzepten zu praktischen Diagnosekriterien

2.7.2 Wie hängen Depression und Burnout zusammen?

3 Die vier AGIL-Module: Das infernalische Quartett

3.1 Das infernalische Quartett

3.2 Entlastungswege

3.3 Ressourcensammlung

4 Modul Achtsamkeit

4.1 Eigene Stresssymptome erkennen: Wie geht das bzw. was hindert uns daran?

4.2 Achtsamkeits-Einstiegsübung

4.3 StressMerkMale: Wie andere – und Sie? – sie erleben

4.4 Achtsamkeit: Übungen und Experimente

4.5 Überlegungen für Fortgeschrittene: Achtsamkeits-Meisterklasse I

4.6 Vom Laborexperiment in die freie Wildbahn bzw. die Schule: Systematische Selbstbeobachtung

4.7 »Achtsamkeit«: Viel mehr als nur die Wahrnehmung von Stress

4.8 Zwei unendlich einfache, unendlich schwere Grundübungen

4.9 Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR): Ein neuer Trend und/oder eine uralte Idee?

5 Modul Denkbarkeit

5.1 Hintergrund und Ziele

5.2 Stressbeschleuniger werden identifiziert

5.3 Entschärfung von Stressbeschleunigern: Wie funktioniert das?

5.3.1 Und nun von der Theorie in die Praxis …

5.3.2 Verhaltensexperimente

5.4 Grübelkreisläufe erkennen

5.4.1 Grübeln: Was ist das?

5.4.2 Grübeln: Psychologisch-formal betrachtet

5.4.3 Einblicke in die höchstpersönliche Grübeldynamik

5.4.4 Warum grübelt man überhaupt?

5.4.5 Lösungsstrategien: Wie lassen sich Grübelkreisläufe unterbrechen?

5.5 Grübelkreisläufe unterbrechen: Grübelstopp-Techniken

5.5.1 Anti-Grübelrituale

5.5.2 Grübelbuch-Technik

5.5.3 Schulbusfahren

5.5.4 Achtsamkeit als ultimative Grübelstopp-Technik?

5.5.5 Postscriptum: Grübeln als kollektives Problem

6 Modul Möglichkeiten

6.1 Hintergrund und Ziele

6.2 Das Modell der beruflichen Gratifikationskrise: Belastung und Belohnung in Balance

6.2.1 Wie die Balance durch äußere Umstände beeinflusst wird

6.2.2 Wie die Balance durch Einflüsse von innen verändert wird

6.3 Ins Gleichgewicht kommen: Selbstwertschätzung und Wertschätzung durch andere

6.3.1 Selbstwertschätzung ausbauen

6.3.2 Der Wertschätzung auf der Spur

6.3.3 Das Wertschätzungstagebuch

6.3.4 Zu guter Letzt …

6.4 Wenn die Zeit vorn und hinten nicht reicht: Persönliche Zeitgestaltung

6.4.1 Zeitanalyse: Erster Schritt

6.4.2 Ideal und Wirklichkeit: Eine aktuelle Standortbestimmung

6.5 Helfersyndrom: Was ist das, wozu dient es … und wie weit bin ich davon betroffen?

6.5.1 Auch Supermännern und Superfrauen kann die Puste ausgehen

6.5.2 Bin ich ein »hilfloser Helfer« bzw. wie groß ist meine diesbezügliche Gefährdung?

6.6 Kraft durch Werteorientierung und Sinngebung

6.6.1 Werte reflektieren und eigene Werte konkretisieren

6.6.2 Die Werte-Frage im Lehrerberuf

6.6.3 Berufsideale, die ein Berufsleben lang halten: Grundsätzliche Aspekte

6.6.4 Zu guter Letzt: Der eigene Leitsatz auf dem Prüfstand

6.7 Von innerer Zerrissenheit zum »Inneren Team«

6.7.1 Das »Innere Team«: Was ist das?

6.7.2 Das »Innere Team« der Realschullehrerin Maria K. angesichts der Aufgabe: Wer organisiert das nächste Schulfest?

6.7.3 Mein persönliches »Inneres Team«

6.7.4

 Häufige Rollen in »Inneren Teams«: Ein paar Beispiele …

6.7.5 Arbeit mit dem bzw. am »Inneren Team«

6.7.6 Ihr »Inneres Team« in Heimarbeit

6.7.7 Die Spielregeln des »Inneren Teams«

7 Modul Erholung

7.1 Erholung braucht zuversichtliche Entschlossenheit

7.2 Die drei Bausteine der Erholung

7.3 Erholungsaktivitäten

7.3.1 Erholung nach der Arbeit

7.3.2 Erholungspausen

7.4 Erholungserleben

7.5 Wechsel zwischen Arbeits- und Erholungswelt

7.6 Hindernisse beim Verbleib in der Erholungswelt

7.7 »Gedankenfreiheit«

7.7.1 Nachdenken, Grübeln und Sorgen

7.7.2 Gemeinsames Grübeln

7.7.3 Alles hat seine Zeit

7.8 Der Erholungsladen oder »Was kostet Erholung?«

7.9 Guten Abend, gute Nacht! Anmerkungen und Hinweise zum Thema »Gesunder Schlaf«

7.9.1 Verhaltensweisen, die zu gutem Schlaf beitragen

7.9.2 Checkliste zu Verhaltensweisen, die zu gutem Schlaf beitragen

8 AGIL und kein Ende

9 Literatur und Empfehlungen zum Weiterlesen

Im Text zitierte bzw. erwähnte Quellen

Zum Weiterlesen

Anschriften der Autoren

Dipl.-Psych. Maren Bracht

Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin

Schön Klinik Roseneck

Am Roseneck 6, 83209 Prien am Chiemsee

[email protected]

Prof. Dr. Dr. Andreas Hillert

Facharzt für Psychotherapeutische Medizin,

Psychiatrie und Psychotherapie

Chefarzt

Schön Klinik Roseneck

Am Roseneck 6, 83209 Prien am Chiemsee

[email protected]

Dr. Dipl.-Psych. Stefan Koch

Psychologischer Psychotherapeut und

Supervisor

Schön Klinik Roseneck

Am Roseneck 6, 83209 Prien am Chiemsee

[email protected]

Prof. Dr. Dipl.-Psych. Dirk Lehr

Gesundheits-Psychologe

und Psychologischer Psychotherapeut

Institut für Psychologie

Professur für Gesundheitspsychologie und

Angewandte Biologische Psychologie

Leuphana Universität Lüneburg

Universitätsallee 1, 21335 Lüneburg

[email protected]

Dipl.-Psych. Kristina Lüdtke

Psychologische Psychotherapeutin

Schön Klinik Roseneck

Am Roseneck 6, 83209 Prien am Chiemsee

[email protected]

Prof. Dr. Nadia Sosnowsky-Waschek

Professorin für Gesundheits- und

Klinische Psychologie, Studiengangsleiterin

BSc Gesundheitspsychologie und Prodekanin

der Fakultät für Angewandte Psychologie

SRH Hochschule Heidelberg

Maria-Probst-Str. 3, 69123 Heidelberg

[email protected]

Dr. Stefan Ueing

Facharzt für Psychosomatische Medizin

und Psychotherapie, Supervisor,

Dozent für VT-Gruppentherapie

Praxis: Psychosomatik im Achental

Bahnhofstr. 1A, 83250 Marquartstein

[email protected]

1 Einleitung

»Was kann ich tun, um meinen Stress zu reduzieren und AGIL zu bleiben?«

Im Studium lernen angehende Lehrkräfte das, was sie in der Schule den Schülern vermitteln sollen, also »ihre Fächer«. Zum anderen lernen sie Pädagogik und pädagogische Psychologie, also die Art und Weise, wie Schülern der Lernstoff am besten zu vermitteln ist. Dass sie dabei zum einen das zentrale Bildung vermittelnde Instrument und zum anderen als Person ständig gefordert sind, insbesondere auch mit ihren Ressourcen angemessen umzugehen, um den »unmöglichen«, de facto grenzenlosen Beruf (wann hätte ein Lehrer je genug getan?) ein Lehrer-Leben lang mit Spaß auszuüben, klingt im Rahmen der modernen Lehrerausbildung gelegentlich an. Im engeren Sinne vermittelt wird es nicht.

Wie die eigene Wahrnehmung funktioniert, woran man seine individuellen Belastungsgrenzen erkennt und mit welchen Strategien man wie zurechtkommt, das lässt sich nicht im Rahmen von Vorlesungen erlernen. Man muss es immer wieder reflektieren und ausprobieren … In einer Lehrerausbildung, in der individuelle Betreuung und Kleingruppenarbeit aus ökonomischen Gründen, besonders in den ersten Studiensemestern, kaum stattfindet, lässt sich diese Dimension der Lehrer-Professionalisierung kaum unterbringen. Und prüfen lassen sich solche Qualitäten, zumindest in schriftlichen Prüfungen oder bei Hospitationen, kaum.

Also lassen wir es lieber? Lernen nicht die meisten Lehrer quasi nebenbei, im Referendariat und spätestens im Schulalltag, wie man dort am besten über die Runden kommt?

Eine solche, zugegebenermaßen pragmatische Einstellung hat Vorteile: Sie ist kostengünstig. Für alle Beteiligten. Sie hat aber auch Nachteile. Dass der Lehrerberuf ein »Stressberuf« ist, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Sollte man die Frage, wie »Lehrkörper« am besten mit diesem »Stress« umgehen, dem Zufall überlassen? Es gibt eine ganze Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen zur Frage, wie es Lehrern gelingt, den Beruf trotz seiner vielfältigen Belastungen – zwischen unmotivierten Schülern, Helikopter-Eltern und Konflikten im Kollegium – langfristig bei guter Gesundheit und hoher Lebensqualität auszuüben. In diesem Rahmen wurde auch erforscht, welche Erlebens- und Verhaltensmuster für die betreffenden Lehrpersonen ein hohes Risiko bergen, wenn nicht krank, so doch stressbelastet und unglücklich zu sein bzw. zu werden. Dass dies im Lehramtsstudium bislang kaum bis gar nicht thematisiert wird, ist umso erstaunlicher, als erschöpfte, ausgebrannte und aufgrund von seelischen Erkrankungen in Frühpension gehende Lehrer nicht nur selbst eben diese Probleme haben und leiden, sondern absehbar auch schlechteren Unterricht geben und, durch hohe Krankheitszeiten und Frühpensionierungen, dem Staat bzw. den Steuerzahlern teuer zu stehen kommen. Befriedigende Erklärungen für diese mehrdimensional unbefriedigende Situation gibt es nicht, abgesehen von politischen und finanztechnischen. Diese wiederum sind, zumindest für nicht in den Kategorien des Beamten-Systems denkende Zeitgenossen, schlicht grotesk: Wenn Lehrkräfte in Frühpension gehen, dann zahlt dafür nicht das Kultusministerium, sondern das jeweilige Finanzministerium. Für Prävention ist dort allerdings niemand zuständig. Beihilfestellen zahlen dann, wenn Lehrkräfte erkranken, den gesetzlich vorgeschrieben Anteil. Wobei sie sich nach dem richten, was die Krankenkassen bezahlen. Darüber hinausgehende Prävention gehört nicht zu den Aufgaben der Beihilfestellen. Also müsste das Gesundheitsministerium zuständig sein. Dort hat man aber in der Regel keine »Ressourcen« für Lehrergesundheit, leider. Je mehr ein Bundesland unter Lehrermangel leidet, umso einsichtiger werden derzeit die Kultusministerien, sich aktiv mit dem Thema Lehrergesundheit auseinanderzusetzen; wobei, von Bundesland zu Bundesland verschieden, noch ein wenig bis sehr viel Luft nach oben ist.

Die immanent subjektive Qualität unserer Wahrnehmung, in der sich neben individueller »Veranlagung« unsere Lerngeschichte spiegelt, wird uns üblicherweise nur dann bewusst, wenn dies reflektiert wird. Supervision, die systematische Reflexion eigener Muster, ist in allen anderen Sozialberufen längst etabliert und ein unabdingbarer Bestandteil der Ausbildung von Sozialtherapeuten, psychologischen Psychotherapeuten und Ärzten. Warum Lehrer dies nicht nötig haben sollen, läuft wiederum auf politische Dimensionen heraus: Es würde schlicht Geld kosten, das der Staat als Ausbilder und Dienstherr nicht hat bzw. nicht dafür ausgeben will. Damit handelt er ähnlich wie die Mehrzahl der deutschen Lehrkräfte, die derzeit selbst auch nicht bereit ist, eigenes Geld und Freizeit für Supervision auszugeben. Das ist menschlich aber kurzsichtig. Vor allem dann, wenn Lehrer »unter Druck geraten«, wenn der Stress zunimmt, Burnout droht und der Beruf zur Qual wird, sitzen sie absehbar in der Falle. Wer keinen professionellen Umgang mit sich selbst, seinen Mustern und Strategien gelernt hat, dem fällt es doppelt schwer, dies in sowieso schon belasteten Konstellationen nachzuholen.

AGIL – Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf – wurde ursprünglich als Gruppenprogramm für manifest psychosomatisch erkrankte Lehrkräfte entwickelt, die in der Schön Klinik Roseneck seit vielen Jahren die größte Berufsgruppe sind. Die meisten erkrankten Lehrer gingen und gehen davon aus, dass ihre schulischen Belastungen maßgeblich zur Entstehung und Aufrechterhaltung der jeweiligen Symptomatik, zumeist depressiver Art, beitragen. Insofern wäre es naiv, zu glauben, dass die Verbesserung der Symptome und Erholung während des stationären Aufenthaltes alleine ausreichend sein könnten, um anschließend wieder unbeschwert in den Beruf zu starten. Was sollte man diesen Kollegen ergänzend zur Behandlung der zur Aufnahme führenden Symptome als angemessene Vorbereitung auf den Schulalltag anbieten?

Über einige Jahre hinweg und mittels diverser Fragebögen haben wir die erkrankten Lehrkräfte mit vom Alter, Geschlecht und Schultyp parallelisierten gesunden Kollegen verglichen. Die Frage war: Worin, in welchen Einstellungen und Strategien, unterscheiden sich überlastete bzw. erkrankte und ihren Beruf soweit gut bewältigende Lehrkräfte? Die Antworten, die sich ergaben, wurden dann die Basis von AGIL, das – entsprechend den praktischen Gegebenheiten einer im Durchschnitt sechs Wochen dauernden stationären Psychotherapie – als acht Doppelstunden umfassendes Gruppenprogramm konzipiert wurde. Nachdem dies in der Klinik etabliert war – wobei Befragungen drei und zwölf Monate nach Entlassung zeigten, dass es funktioniert –, lag es nahe, AGIL in modifizierter Form auch als Präventionsprogramm für nicht erkrankte, im Beruf stehende Lehrkräfte einzusetzen. Dies wurde ebenfalls in einer großen Studie wissenschaftlich evaluiert.

Bereits belastete Lehrkräfte können AGIL gut für sich nutzen. Das praktische Problem liegt nur darin, dass sich gerade belastet erlebende Lehrkräfte im Alltag schwertun, überhaupt an solchen Angeboten teilzunehmen. In dem für AGIL-Gruppenleiter geschriebenen Manual, dass vor Kurzem in der zweiten Auflage erschienen ist (Hillert et al., 2016), finden Sie die zusammenfassenden Ergebnisse und alle Literaturhinweise zu den hier genannten Studien.

Kurz und bündig: AGIL ist keine Lehrerfortbildung, in der es primär um Informationsvermittlung geht, sondern ein recht kompaktes, auf (zumindest) acht Doppelstunden hin angelegtes Gruppenprogramm, in dessen Rahmen interaktiv das vermittelt werden soll, was Lehrkräfte, die mit 65 Jahren weiter Freude im Beruf haben, von Kollegen unterscheidet, die sich bereits mit 30 Jahren ausgebrannt fühlen. AGIL beinhaltet somit das, was im Rahmen der Lehrerausbildung bislang fehlt. Ziel ist eine »Professionalisierung«, bei der sich die Betreffenden systematisch selbst reflektieren und nicht zuletzt mit ihren Ressourcen haushalten lernen.

Aktuell wird AGIL als Gruppen-Präventionsprogramm in vielen Bundesländern, in der Regel von geschulten Schulpsychologen, Psychologen und Ärzten angeleitet, angeboten. Dass AGIL eine solche Verbreitung gefunden hat, was die Autoren natürlich sehr freut, hat sicher viele Gründe. Wenn man Kursteilnehmer befragt, dann geben diese spontan zumeist folgende Antwort: AGIL macht Spaß, es macht »Sinn«, man lernt sich selbst besser kennen, entwickelt sich weiter … und erfährt nebenbei, dass viele Kolleginnen und Kollegen ganz ähnliche Probleme haben.

Wie gesagt, primär war und ist AGIL als Gruppenprogramm angelegt. Die Relativität unserer eigenen Muster wird dann am deutlichsten, wenn uns unsere Perspektiven und Grenzen (mitunter auch unsere »Scheuklappen«) durch Mitmenschen »gespiegelt« werden. Ein zentraler AGIL-Wirkfaktor sind jeweils die Mitglieder der AGIL-Gruppen, die sich miteinander auf die Suche nach »individuellen Stressverstärkern« und nach alternativen, potenziell entlastenden Strategien machen.

Wenn es für Sie die Möglichkeit geben sollte, an einer solchen Gruppe teilzunehmen, dann los, auch wenn es zunächst Überwindung kostet, sich und seine Probleme offen mit anderen auszutauschen.

Das vorliegende AGIL-Arbeitsbuch war zunächst als begleitende Lektüre für AGIL-Teilnehmer gedacht, um die Inhalte zu vertiefen. Soweit die Theorie. Selbst in Bundesländern, in denen offiziell (wie derzeit in Bayern, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern) AGIL angeboten wird, ist es weiterhin schwer bis, je nach Wohnort, fast unmöglich, zeitnah an einer AGIL-Gruppe teilzunehmen. Weil Ressourcen fehlen, zu wenige Gruppenleiter vorhanden sind und/oder sich Ihre Schule in einem diesbezüglich »unterversorgten« Gebiet befindet. In solchen Fällen können die Lektüre und die intensive Bearbeitung des vorliegenden Buches auch ohne begleitende AGIL-Gruppe sinnvoll und hilfreich sein. Sei es alleine mit diesem Buch, sei es begleitend zu einer AGIL-Gruppe, die Autoren wünschen Ihnen eine spannende Expedition zu einem der spannendsten Themen des Lehrerberufes: »Was kann ich tun, um meinen Stress zu reduzieren und AGIL zu bleiben?«

Wir danken allen Lehrkräften, den (ehemaligen) Patientinnen und Patienten der Schön Klinik Roseneck sowie den gesunden Kolleginnen und Kollegen in vielen Bundesländern, die uns durch das Ausfüllen von Fragebögen und aktive Rückmeldungen zu AGIL-Kursen geholfen haben, das Programm zu entwickeln, zu erweitern und zu verbessern. Nicht zuletzt sind wir dem Schattauer-Team, Herrn Dr. Wulf Bertram, Frau Dr. Nadja Urbani und »unserer« Lektorin Frau Marion Drachsel zu Dank verpflichtet. Ohne sie hätte es dieses Buch – zumal so schön – nie gegeben.

Die Autoren würden sich sehr freuen, wenn auch Sie von AGIL profitieren … wobei dies dann weniger unser Verdienst als das Ergebnis Ihrer Arbeit mit und an sich selbst wäre. Hierzu wünschen wir Ihnen den nötigen Mut, eine angemessen große Portion Durchhaltevermögen und vor allem und nicht zuletzt viel Spaß in Ihrem unmöglichen, interessanten, anregenden und idealerweise erfüllenden Beruf!

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird überwiegend die männliche Form verwendet, diese schließt selbstverständlich stets die weibliche ein.

2 Am Anfang war der Stress …

Was ist das zentrale Anliegen des Kapitels?

Mit »Stress« umgehen können bzw. weniger »Stress« zu haben, dürfte das zentrale Anliegen der Leser dieses Buches sein. Damit dieses gelingt, ist es wichtig, hinter die Kulissen dieses ubiquitär verwendeten Begriffes zu schauen. Ausgehend von der Begriffsdefinition werden Stressoren und Stressreaktionen unterschieden und dann erläutert, inwieweit das persönliche Stresserleben von den individuellen Wahrnehmungs- und Bewertungsmustern abhängt. Im Anschluss hieran geht es vor allem um die psychischen Folgen von chronischem Stress. Wir begegnen dabei dem (subjektiven) Burnout-Phänomen und werden, ausgehend von der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das häufige Krankheitsbild der Depression kennenlernen.

Wer sollte sich angesprochen fühlen?

Um eine Klärung der für das Thema Lehrergesundheit zentralen Begriffe – Stress, Stressor, Stressreaktion, Burnout und Depression – kommt niemand, der sich mit AGIL beschäftigen will, herum. Wie will man seinen Stress reduzieren, wenn unklar bleibt, ob man Stressoren und/oder individuelle Stressreaktionen meint?

Wie sieht der Fahrplan aus? Was sind die wichtigsten Inhalte dieses Kapitels?

Einerseits werden die genannten Begriffe definiert und deren medizinischer und psychologischer Hintergrund skizziert. Andererseits ist Stress ein immanent subjektives Phänomen. Als ein erster Schritt der Selbstreflexion und Selbsterfahrung im gesundheitsförderlichen Umgang mit Stress werden relevante Verhaltens- und Bewertungsmuster in mehreren praktischen Übungen veranschaulicht.

2.1 Stress und Stressbewältigung: Theoretische Überlegungen und Ihr höchstpersönlicher Einstieg

Wenn Sie eine Unterrichtseinheit zum Thema »Stress« vorbereiten oder über das Stress-Phänomen diskutieren, ist es wichtig, Definitionen parat zu haben. Wenn es um Ihr bzw. unser höchstpersönliches Erleben und Empfinden geht, dann sind abstrakte Definitionen kaum mehr als Schall und Rauch. Wir empfinden und erleben Freude, Ärger, Liebe, Wut … und (leider) nicht selten »Stress«, ohne uns darum zu scheren, ob das, was wir gerade erleben, nun tatsächlich dem entspricht, was in Lehrbüchern steht; und welche »wissenschaftlich anerkannten« Definitionen es diesbezüglich geben mag. Und das ist zunächst einmal gut so und ohne Alternative. Unser Gehirn bzw. unsere Wahrnehmung geht elementar von »Ganzheiten« aus, also von Begriffen bzw. Bildern, die unseren Zustand für uns greifbar machen und uns mit anderen kommunizieren lassen

Übung

Stress

Wenn Sie das Wort »Stress« langsam aussprechen, es quasi auf der Zunge zergehen lassen: Welche Bilder und Gefühle stellen sich dabei ein? Schließen Sie hierzu kurz die Augen!

Meine spontanen Bilder und Gefühle zum Thema Stress:

Der Betriff »Stress« …

… kommt vom englischen »stress« oder »to stress«. Die etymologische Bedeutung verweist auf die Begriffe Druck, Belastung bzw. belasten, beanspruchen.

Wenn Sie sich mit Freunden oder im Kollegium über Ihre Belastungen in der Schule unterhalten und das Wort »Stress« verwenden, wie wahrscheinlich ist es, dass diese ähnliche Bilder, Gefühle und Vorstellungen verbinden?

Dies kann man im Kollegium leicht ausprobieren: Geben Sie in der Pause (oder besser bei passender, entspannterer Gelegenheit) eine kurze Instruktion, teilen Sie Papier und Stifte aus … und vergleichen Sie die Ergebnisse!

Wozu das Ganze? Selbst wenn die Kollegen mehr oder weniger andere Bilder, Gefühle und Konzepte mit dem Wort »Stress« verbinden würden, kommunizieren Sie miteinander! In der Regel kommt dann bei solchen Gesprächen das gute Gefühl auf, mehr zu verstehen und verstanden zu werden.

Was liegt dem zugrunde? Letztlich haben wird uns buchstäblich einen Begriff bzw. ein Bild von etwas gemacht, das eigentlich unendlich schwer zu beschreiben ist. Unser Gehirn, in der Kommunikation mit unserer Umwelt (und damit mit uns selbst), hat offenkundig die Fähigkeit, komplexe Angelegenheiten und Phänomene, über die Wissenschaftler Bibliotheken schreiben, auf einen alltagstauglichen Nenner zu bringen. So konstruieren wir Bilder von vielem, was sich eigentlich jeglicher Begrifflichkeit entzieht – von Wahrheit und Gerechtigkeit bis hin zur wahren Liebe. Wir empfinden, denken und leben realiter selbstverständlich mit und in solchen Bildern. Sie sind in unserem sozialen Umfeld, auch im Kollegium, etabliert. Jeder versteht sie sofort und weiß, was Sie mit »Ich bin total im Stress« meinen.

Aber weiß sie oder er es wirklich? Die mit dem Begriff »Stress« einhergehenden Bilder können sehr verschieden sein. Wenn man näher hinschaut, was im Alltag aber niemand tut, weil ja alle verstanden haben, worum es geht, sind Worte wie »Stress« kaum mehr als eine Oberfläche, hinter der sich ein weites Spektrum an Inhalten und Aussagemöglichkeiten eröffnet. Der Soziologe Niklas Luhmann (1927–1998) nannte solche Begriffe »generalisierte Kommunikationsmedien«. Ihr Vorteil ist, dass sie eine Verständigung über komplexe Phänomene im Alltag möglich machen. Ihr Nachteil besteht darin, dass die Verständigung zunächst zwangsläufig auf oberflächlicher Ebene bleibt und damit den Sachverhalt massiv vereinfacht (ohne dass es den Beteiligten auffällt). Unangenehmerweise fallen auf diesem Wege mitunter jene Aspekte weg, die nötig wären, um das mit dem jeweiligen Begriff einerseits prägnant und andererseits unvollständig bezeichnete Problem lösen zu können. Dafür ist »Stress« – in jeder Hinsicht – ein ideales Beispiel!

Diese einführenden Überlegungen waren zu trocken und zu theoretisch?

Pardon!

Wenn es um professionellen Umgang mit den Belastungen Ihres Lehrer-Alltags gehen soll, ist leider ein wenig Theorie, vor allem aber ein systematisches, mitunter hartnäckiges Hinterfragen vermeintlicher Selbstverständlichkeiten, eben die, die uns, unsere Wahrnehmung, unserer Denken und unser Empfinden lenken und prägen, unabdingbar. Und das fängt bei den Worten und Begriffen an.

Ein paar im Lehrerzimmer aufgeschnappte Original-Zitate führen unmittelbar zurück in die Praxis.

Bitte stellen Sie sich nun Ihr Lehrerzimmer vor, so wie es in der Pause üblicherweise abläuft. Kommen Ihnen die folgenden Szenen bekannt vor?

Die Kolleginnen und Kollegen reden durcheinander, es riecht nach kaltem Kaffee, es wird hin und her gelaufen, in Papieren gekramt, gesucht, geschimpft, erzählt, hektisch gelacht – in Erwartung dessen, dass die Pause gleich vorbei ist.

Dabei fallen dann Sätze wie:

»Die 8c war heute wieder unmöglich. Bis ich heute mit dem Unterricht anfangen konnte, war totaler Stress angesagt …«

»Die im Kultusministerium haben keinen Schimmer davon, was hier bei uns los ist. Das macht mich richtig wütend! Wann soll man denn diese Flut von Mitteilungen und Mails lesen?«

»Ich habe schon totalen Stress zu Hause – mein Sohn ist voll in der Pubertät. Und wenn ich dann vor der 7a stehe, geht es gerade genauso weiter …«

»Du, Rainer [zum Schulleiter], das stresst mich wirklich, dass ich praktisch jeden Tag am Nachmittag antreten muss. Ich mache die halbe Stelle, weil ich selbst Kinder zu Hause habe!« Dann, zur Kollegin, die wenige Augenblicke später kommt: »Ich werde hier gemobbt!«

»Muss das sein? Jetzt vor den Ferien, wenn die Zeugnisse geschrieben werden müssen und dann auch noch drei Kollegen krank sind! Jedes Mal ist das der totale Stress!«

»Wenn ich die Klassenarbeiten der 9d vor mir habe, wird mir schlecht. Das macht mir Stress. Nach solchen Korrektursitzungen kann ich kaum einschlafen. Das Niveau ist katastrophal. Soll ich jetzt beide Augen zudrücken? Und was passiert, wenn ich das nicht mache?«

»Wenn Eltern mit mir sprechen wollen, dann wollen sie eigentlich immer nur, dass ich ihren Kindern bessere Noten und eine Empfehlung für das Gymnasium gebe. Und wenn ich das nicht tue, macht mir das echt Stress …«

»Heute lernen die Kinder zu Hause noch nicht einmal, wie man Schuhbänder bindet. Das soll ich dann auch noch machen? Wenn die wenigstens Höflichkeit lernen würden. Früher war das alles ganz anders … heute ist das einfach nur ätzender Stress.«

Soweit alles klar? Jedem, der eine »Pause« in einem Lehrerzimmer verbracht hat, dürfte das, was die Kolleginnen und Kollegen bewegt, sofort anschaulich vor Augen geführt worden sein. Wahrscheinlich ist es sogar so, dass Sie zumindest einige der von den Kollegen beschriebenen Konstellationen aus eigener Erfahrung kennen. Auf jeden Fall lässt sich mit dem Wort »Stress« offenbar problemlos, emotional und sehr intensiv kommunizieren. Man versteht sich auf Anhieb. So weit, so gut …

Nur hat alles, was eine Wirkung hat, in der Regel auch Nebenwirkungen. Der vermeintlich selbstverständliche und so kommunikationsfördernde Stress-Begriff wird dabei selbst zum Problem. Warum?

Dazu müssen wir noch einmal zurück ins Lehrerzimmer in der großen Pause. Sie hören die oben wiedergegebenen Sätze der Kolleginnen und Kollegen. Welche Gefühle löst dies bei Ihnen aus, wie reagieren Sie?

Sie könnten z. B. den Betreffenden tief in die Augen schauen und dann ganz ruhig sagen:

»Du, das kenne ich auch. Mach dir einfach keinen Stress!«

Bingo! Welche Reaktion erwarten Sie?

»Das weiß ich doch selbst!«,

wäre vermutlich noch eine freundliche Antwort darauf.

Stress ist offenbar ein guter Begriff, um über Problem-Phänomene zu reden, die kausal etwas mit dem Erleben von Belastungen und Konflikten zu tun haben und im subjektiven Erleben mit einem gewissen »Anspannungsgefühl« (daher kommt der Begriff ja ursprünglich) und oftmals auch »Unwohlsein« einhergehen. Wenn es aber darum geht, Möglichkeiten zu finden, die hinter dem Stressempfinden liegenden Belastungen, Probleme und Konflikte zu lösen, ist der Begriff »Stress« offenbar nicht viel mehr als heiße Luft.

Jedem, der angesichts beruflicher, stressbezogener Belastungen Entlastungsmöglichkeiten sucht, bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als hinter die Kulissen des Stress-Begriffes zu schauen. Das ist zugegebenermaßen mühsam. Aber anders geht es nicht. Zumindest, wenn wir nicht auf der Ebene wohlklingender, wenig hilfreicher guter Ratschläge bleiben wollen, nach dem Motto: »Entspannen Sie sich, denken Sie an Ihre Bedürfnisse, machen Sie sich einfach keinen Stress!« Das geht auch anders! AGIL will (und kann) viel mehr!

»Jetzt lese ich schon zehn Minuten in Ihrem AGIL-Buch … und ich weiß immer noch nicht, wie ich meine Probleme lösen und meinen Schulstress reduzieren kann! Bla-bla-bla …«

Falls dieses Zitat von Ihnen stammen sollte, haben wir dafür Verständnis! Ganz offenbar stehen Sie »unter Stress« und suchen, wie wir alle in unserer hektischen Gesellschaft, nach schnellen und effektiven Lösungen, also nach »Tools«, mit denen sich unser Leben und/oder unsere Performance umgehend optimieren lassen. Niemand hat Zeit zu verschenken!

»Also kommen Sie zum Punkt … oder ich lege das Buch beiseite!«

Falls das eine Drohung gewesen sein sollte: Stress ist leider ein Phänomen, das man, wenn man es mit dem Kopf durch die Wand lösen will, nur weiter eskaliert. Das Zitat »Ich muss mich jetzt ganz schnell entspannen« müsste zum »Unwort des Jahres« erklärt werden. Es gehört zu den zentralen Paradoxien des beginnenden 21. Jahrhunderts!

Wenn wir uns hier etwas Zeit nehmen und versuchen, dem Stress-Begriff auf den Grund zu gehen, dann weniger, weil es wichtig wäre, vom Säbelzahntiger über die Ratten-Experimente von Hans Selye bis zu transaktionalen Stressmodellen, auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand zu sein (was aber durchaus spannend ist), sondern weil es darum geht, den Fuß in die Tür zu bekommen und handlungsfähig zu werden. Nur dann lässt sich das, was Sie und wir gemeinhin als Stress erleben, tatsächlich reduzieren.

Im Folgenden wird es darum gehen, herauszufinden, was Sie bzw. Ihr Gehirn quasi automatisch mit dem Begriff »Stress« assoziieren. Das ist wichtig, weil es zum einen ein wenig Selbsterkenntnis beinhaltet. Zum anderen hilft es uns, ein gemeinsames Sprachverständnis zu finden. So kommen wir in der Sache voran bzw. bekommen den Fuß in die Tür.

2.2 Stressoren und Stressebenen

Beginnen wir mit einer kleinen Übung, die Sie (wie alle Übungen in diesem Buch) natürlich nicht machen müssen. Sie wissen vermutlich sowieso sofort, worauf die Übung hinausläuft!? Womit Sie aber wahrscheinlich verpassen, worum es in AGIL geht: um Schritte in Richtung eines möglichst professionellen Umgangs mit den Belastungen des Schulalltages. Und dazu gehört eben nicht nur Wissen, sondern auch von Emotionen getragene Dimensionen, die etwas mit Selbsterfahrung und Reflexion zu tun haben. Selbsterfahrung ist nicht delegierbar und nur bedingt im Schnellverfahren, unter Verwendung von Abkürzungen, zu erreichen. Selbsterfahrung kann man, wie der Name sagt, nur selbst machen.

Merke

Nehmen Sie sich Zeit für sich, lassen Sie sich darauf ein, Dinge neu zu denken, um AGILer zu werden!

Also, versuchen wir es.

Übung

Stress

Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie das Wort »Stress« in Bezug auf Ihren Lehrerberuf hören?

Die folgende Liste ist das Ergebnis einer Umfrage im Kollegium eines Gymnasiums. Die Punkte sind nach Häufigkeit der Nennung in absteigender Reihenfolge aufgeführt. Folgendes assoziierten die Befragten mit dem Begriff »Stress«:

schwierige Klassen

unmotivierte Schüler

zunehmend Schüler ohne gymnasiales Niveau

sozial auffällige Schüler

ständiges Am-Ball-bleiben-Müssen in schwierigen Klassen

fehlende höfliche Umgangsformen im Schulhaus

Eltern, die nicht kooperieren und damit die Arbeit erschweren

Lautstärke (Unterstufe, Raumgegebenheiten, Akustik) bzw. Lärmbelastung (Baulärm)

ungerechte Stundenpläne/die Schulleitung schafft es nicht, die jeweiligen Bedürfnisse der Kollegen angemessen zu berücksichtigen

unzureichende Wertschätzung durch die Schulleitung

viele Vertretungsstunden aufgrund einiger Kollegen, die sehr häufig krank sind

Einschränkungen durch eine langjährige Generalsanierung des Schulgebäudes

unerträgliche Temperatur im Schulgebäude (mal zu heiß, mal zu kalt)

kein Ruheraum o. Ä.

wenig Wertschätzung der Lehrertätigkeit in der Gesellschaft

Entsprechen Ihre Antworten in etwa den hier aufgelisteten Punkten?

Falls ja, dann befinden Sie sich in bester Gesellschaft! Weitgehend unabhängig davon, in welchem Schultyp eine Lehrkraft tätig ist, werden zumeist Schüler-bezogene Probleme (»aversives/destruktives/unmotiviertes Schülerverhalten in Wort und Tat«) als besonders belastend erlebt, gefolgt von Problemen mit Schülereltern und Konflikten mit der Schulleitung bzw. im Kollegium. Hierauf folgen meist ungünstige Rahmenbedingungen und eine als zu gering erlebte öffentliche Anerkennung.

Die Reihenfolge der individuell belastenden Problembereiche kann natürlich variieren, etwa dann, wenn z. B. massive Konflikte im Kollegium und/oder mit der Schulleitung bestehen. Wie auch immer, es werden einige dieser Punkte absehbar auch bei Ihnen vorkommen.

Haben Sie Aspekte genannt, die unter den Beispielen fehlten?

Falls ja, welche?

Lassen Sie uns im Folgenden die aufgelisteten Punkte unter inhaltlichen Aspekten ansehen. Die meisten der zitierten Antworten auf die Frage nach »Stress in der Schule« fokussieren auf »Stressoren« bzw. Stressursachen.

Merke

Stressoren (bzw. Stressursachen) sind »Reize«, Situationen oder Konstellationen, die mehr oder weniger bei jedem, der damit konfrontiert ist, zu Stress- bzw. Stresserleben führen (z. B. undisziplinierte Klassen, sozial auffällige Schüler, aggressive Schülereltern). Wie und wie hoch die individuelle Reaktion angesichts eines Stressors ausfällt, ist von Mensch zu Mensch (und von Situation zu Situation) unterschiedlich. Das hängt u. a. davon ab, inwieweit wir der jeweiligen Situation gewachsen sind bzw. wie wir unsere diesbezüglichen Fähigkeiten einschätzen. Letztere zu »trainieren« ist eines der Inhalte und Ziele von AGIL.

Als Stressoren werden gemeinhin quasi objektive, außerhalb der eigenen Person stehende Phänomene bezeichnet.

Welche Ihrer Antworten beziehen sich auf Stressoren?

Versuchen wir nun, ein wenig Ordnung in die Sache bzw. in Ihre Stressoren zu bringen! Stressoren lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen verorten, was ▶ Abbildung 1 veranschaulicht. Wir unterscheiden Stressoren auf der Gesellschafts-, der Schul- und der individuellen Ebene.

Abb. 1 Belastungsebenen im Lehrerberuf

Unsere rastlose Gesellschaft bzw. ungünstige gesellschaftliche Entwicklungen zwischen Werteverlust und Wertewandel (Beispiel: »Wir lernen nicht, wir googeln!«) sind gewissermaßen die oberste (Meta-)Ebene (Gesellschafts- und [Schul-]Systemebene). Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln sich natürlich auch im Verhalten Ihrer Schülerinnen und Schüler, deren Eltern und der Kolleginnen und Kollegen (Stichworte: »Generation Y«, »Generation Z«). Sie beeinflussen ferner auch unser Verhalten, unsere Wahrnehmung und unsere Bewertungen, zumeist ohne dass wir dies bewusst merken!

Solange wir uns nicht systematisch selbst reflektieren, gehen wir automatisch davon aus, dass unsere Wahrnehmungen »normal« und damit verallgemeinerbar sind. Wir tun dabei quasi automatisch so, als gäbe es einen objektiven Bezugspunkt für Bewertungen. Und dieser wiederum ist nichts anderes als wir selbst mitsamt unseren Maßstäben.

Merke

Es ist ein zentrales AGIL-Anliegen, unsere spontane Wahrnehmung bzw. die von uns intuitiv eingenommenen Haltungen, soweit diese in sozialen Interaktionen potenziell problematisch sein können, systematisch zu reflektieren, um auf diese Weise professioneller und letztlich gesünder zu sein bzw. zu werden.

Im Folgenden finden Sie Originalzitate von Lehrerinnen und Lehrern zu aktuellen Themen, die Einfluss auf die Schule haben, beispielsweise zu Flüchtlingspolitik und Inklusion. Könnten diese Zitate gegebenenfalls auch von Ihnen stammen?

»Wir brauchen mehr Lehrer! Und sie sollten anders, besser ausgebildet werden!«

»Inklusion? Hatten Sie mal ein praktisch taubes Kind in Ihrer Klasse? Ein paar Politiker wollen Gutmenschen sein, niemanden stigmatisieren … das Problem haben dann wir … und gut für das betroffene Kind ist es offenkundig auch nicht.«

»Es ist ja nett, über Inklusions-Helfer zu reden, Hilfspersonen, die dann idealerweise neben jedem auffälligen Schulkind sitzen und die Lehrkraft unterstützen! Mal ehrlich, gibt es davon in Ihrer Schule genügend?«

»Dass G8 zu Problemen führt, hatten die Lehrerverbände dem Kultusministerium von Anfang an gesagt. Nun wird also, nach einigen Jahren und unendlich viel Stress, wieder zurückgerudert! Ein paar Politiker mussten sich offenbar profilieren, die Wirtschaft hat ein Wörtchen mitgeredet … und die Lehrer selbst, die das Thema aus der Praxis kennen, hat keiner gefragt!«

»Afghanische Jungen, die rundweg erklären, dass sie sich von mir als Lehrerin gar nichts sagen lassen müssen, weil ich eine Frau bin … Fragen Sie doch mal im Kultusministerium, wie sie dieses Problem lösen? Mit pädagogischer Kompetenz! Mehr als solche Phrasen fallen bestimmten Politikern und Amtspersonen nicht ein …«

Fällt Ihnen etwas auf? Genau, wir könnten so das ganze AGIL-Buch vollschreiben, stundenlang diskutieren und kämen absehbar keinen Schritt weiter. Im Gegenteil: Zunächst macht es durchaus Spaß, auf diese Weise loszupoltern! Die Argumente sind bestechend gut, sachlich substanziell, rhetorisch geschliffen und mit einer hinreißenden Spur Sarkasmus gewürzt. Wie kommt die Politik – und alle anders als wir Denkenden – dazu, es anders zu sehen als Sie, die Sie tagtäglich in diesem Beruf, sozusagen »an der Front«, tätig sind? Sind die Sachverhalte nicht offenkundig genug?

Im Nachhinein, historisch gesehen, bekamen Lehrer in vielen dieser bzw. ähnlicher Fälle recht. Etwa, was G8 anbelangt. Und man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass der aktuelle Inklusionsoptimismus sich im Verlauf der kommenden Jahre ebenso relativieren wird wie de facto alles, was mal mit viel heißem politischem Wind durch die Schulen geblasen wurde. Dann werden Politiker zur »neuen« Erkenntnis kommen, wonach es für die Gesellschaft wichtig und dem individuellen Schüler gegenüber fair ist, wenn er in einem ihm gemäßen, seine Lernfortschritte optimal fördernden Rahmen »beschult« werden kann.

Eigentlich müsste es klar sein, dass »schwächere« Schüler eher ein sukzessive förderndes anstelle eines sie ständig mit ihrer Minderleistung konfrontierendes Setting benötigen. Ist das eine »neue« Erkenntnis? Warum fragt man bitteschön die Lehrer nicht bereits heute?

Was meinen Sie?

Stopp!

Wenn wir das noch einige Seiten lang so weiterdiskutieren, dann … Nein, dann hätte sich an den diskutierten Problemen absolut nichts verändert. Aber wir hätten uns nachdrücklich bewusst gemacht, wie schlimm alles ist, wie hilflos und machtlos jeder Einzelne und letztlich auch Ihre ganze Berufsgruppe ist. Das drückt dann absehbar auf die Stimmung, die Motivation und die Lebensqualität.

Statt AGIL-Ziele zu erreichen, hätten Sie sich unversehens an einer schier unendlichen Klagemauer aufgerieben. Offenbar sind im AGIL-Kontext die Zeit und die Energie, auf entsprechenden Metaebenen liegende Stressoren zu diskutieren, schlecht investiert!

Achtung: Grübelspiralen!

Hatten Sie es nicht besonders eilig? Schon wieder fünf Minuten mit Lesen verbracht und noch immer keine Lösung in Sicht?

Problemlösungen auf Ebenen zu suchen, auf die man keinen bzw. nur einen geringen Einfluss hat, mag noch so engagiert, gerecht und heroisch sein. Absehbar führt es nicht nur zu nichts, sondern dazu, dass diese Probleme individuell bzw. im Kollegium oder in der Berufsgruppe als immer schlimmer wahrgenommen werden. Hartnäckigkeit auf diesen Ebenen hat nicht selten die Qualität von Grübeln.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Nein, die Autoren und AGIL-Leiter wollen keine systemischen und schulpolitischen Missstände bagatellisieren! Es ist nicht gerecht, wenn Lehrer Probleme »ausbaden« müssen, die ihnen Politiker »einschenken«, zumal solche, die, abgesehen von ihrem eigenen Schulbesuch, von der Materie keine Ahnung haben. Aber wenn es um Ihre Lehrer-Gesundheit geht, dann ist es notwendig, an dieser Stelle »Stopp!« zu sagen.

Wenn man AGIL werden bzw. bleiben will, hilft bei absehbar fruchtlosen, frustreichen und anhaltend »stressigen« Diskussionen manchmal nur eines: der Grübelstopp – (dazu kommen wir später in ▶ Kap. 5.5).

Merke

Sich intensiv mit Stressoren zu beschäftigen, die auf Ebenen liegen, auf die wir keinen unmittelbaren Einfluss haben, ist verführerisch. Diese Beschäftigung macht süchtig. Und genauso wie bei allen Süchten führt das risikoreiche Verhalten am Ende keinen Schritt weiter, sondern nur noch zu mehr Stress und Frust! Auch wenn es inhaltlich nicht befriedigen mag, mit dem »kollektiven Grübeln« (▶ Kap. 5.5.5) aufzuhören, ist es absehbar die beste Lösung, die man für solche Probleme finden kann!

Ausnahmen bestätigen die Regel. Denn wenn Sie sich konkret (berufs)politisch engagieren, ist das etwas anderes. Allerdings werden Sie dann wissen, dass gute Entscheidungen und Änderungen Zeit, Geduld und Diplomatie benötigen! Politische Entscheidungen sind schwer kalkulierbar und Kompromisse nicht immer befriedigend. So funktioniert es jedenfalls in demokratischen Gesellschaften.

Entsprechend der ▶ Abbildung 1 gibt es Stressoren, die direkt unterhalb der umschriebenen Ebene »Gesellschaft und Politik« angesiedelt sind. Nennen wir diese Ebene »Schulebene«. Sie nimmt direkt Bezug auf Ihren Schulalltag:

»Mit dem alten Schulleiter war alles kein Problem! Der Neue schafft es einfach nicht, Struktur in die Besprechungen zu bringen. Jeder macht, was er will. Das ist purer Stress!«

»Im Sommer wird es in den nach Süden gehenden Klassenräumen extrem heiß. Aber die Fenster öffnen geht auch nicht wegen der vierspurigen Straße genau darunter. Wenn das kein Stress ist!«

»Wenn der Computer mal zufällig funktioniert, ist alles gut. Aber ich bin schon im Stress, bevor der Unterricht losgeht, weil ich weiß, was alles wieder nicht funktioniert!«

Diese und ähnliche Stressoren betreffen unmittelbar die handelnden Personen und/oder die räumlichen und sonstigen Arbeitsbedingungen in und an Ihrer Schule. Im Unterschied zur Ebene »Gesellschaft und Politik« ist Ihr persönlicher Einfluss hier deutlich größer. Die Lage der Schule und der Räume wird sich, egal, was Sie tun, kaum ändern lassen. Aber man kann sich mit Kollegen abstimmen und Räume wechseln. Und eine Initiative, um neue Computer anzuschaffen, hat gelegentlich Erfolg. Man kann es zumindest versuchen. Die Persönlichkeit Ihres Schulleiters werden Sie kaum verändern, aber Konflikte mit ihm bzw. Konflikte im Kollegium lassen sich durchaus konstruktiv lösen, auch wenn man solchen Lösungen zunächst einmal sehr skeptisch gegenüberstehen mag. Teamsupervisionen oder Mediation durch externe Supervisoren, möglicherweise aber auch kollegiale Beratung bzw. Intervision, bewirken mitunter Wunder. Vorausgesetzt, das Kollegium und die Leitung erklären sich bereit, sich »in die Karten schauen zu lassen« und eigene Standpunkte zur Diskussion zu stellen.

Wie auch immer, angesichts von Problemen auf der Schulebene hat man eine reale Chance, etwas zu bewegen (und sei es sich selbst). Der eigene Einfluss ist sicher relativ, Kooperationen können hilfreich sein …

Die unterste Ebene in ▶ Abbildung 1 ist die »individuelle Ebene«. Hier wird es richtig ungemütlich. Wenn es um Ihre konkreten Einflussmöglichkeiten geht, läge diese Ebene ganz weit oben, über allen anderen. Hier ist alles – zumindest theoretisch – eigentlich viel einfacher, da es um die Stressoren und Interaktionen, in die Sie höchstpersönlich und unmittelbar involviert sind, geht:

»Wenn ich es am Wochenende nicht geschafft habe, mich richtig auf die Stunde vorzubereiten, ist das unheimlicher Stress!«

»Wenn Schüler die Hausaufgaben ›vergessen‹ haben, werde ich schnell wütend, darf mir aber natürlich nichts anmerken lassen. Das ist Frust pur und macht mir Stress …«

»Wenn mir Eltern Vorhaltungen machen, ich würde ihr Kind nicht genug fördern, dann könnte ich ausrasten …«

»Susanne [Kollegin] hat mir zugesagt, mich bei der Organisation des Schulfestes zu unterstützen. Als es konkret wurde, konnte sie sich nicht mehr daran erinnern …«

Offenbar waren bzw. sind die hier zitierten Kollegen »im Stress«, weil sich ihre Ansprüche, Werte und Normen mit dem reiben, was ihnen im Schulalltag passiert. Ihre Vorstellungen stehen im Konflikt mit den Ansprüchen, Werten und Normen anderer Personen. Natürlich haben diese »Reibungen« mit »den anderen« zu tun – den unmotivierten Schülern, den unkooperativen Kollegen, den Eltern etc. Nun ja – und spätestens jetzt wird es richtig ungemütlich, eben zentral auch mit Ihnen!

Drei höchstpersönliche Fragen

Wenn Sie sich einmal nicht angemessen vorbereitet haben, sind Sie dann unsicherer, ängstlicher und/oder erleben Sie sich als moralisch angreifbar?

Fühlen Sie sich persönlich gekränkt, wenn ein Schüler schon wieder seine Hausaufgaben »vergessen« hat?

Könnten Eltern im Einzelfall doch recht haben, wenn sie Ihnen vorwerfen, ein lernschwaches Kind nicht gesehen bzw. nicht hinreichend gefördert zu haben?

Wie fühlen Sie sich in der jeweiligen Situation? Wie würden Sie reagieren?

In jedem Fall leiden Sie bzw. die zitierten Kollegen in den skizzierten Situationen unter »Stress«. Und dieser Stress hat offenbar unmittelbar etwas mit den eigenen Strategien, mit Belastungen umzugehen, der eigenen Perspektive und den eigenen Ansprüchen zu tun.

Merke

Das persönliche Erleben und Verhalten auf der »individuellen Ebene« ist das zentrale Thema von AGIL! Während die anderen Stressebenen vergleichsweise wenig beeinflussbar sind, lohnt es sich hier, Zeit und Energie zu investieren. Hier sind die Chancen am besten, sich tatsächlich Entlastung zu verschaffen.

Soweit die Theorie.

Eigene Gewohnheiten zu verändern ist schwierig und manchmal regelrecht schmerzhaft! Wie das trotzdem gelingen kann? Nach und nach, in kleinen Schritten und stets mit Blick auf das Wesentliche. Dabei kann AGIL helfen. An der Notwendigkeit und den damit verbundenen »Investitionen«, belastende Muster verändern zu müssen, um Neues bzw. weniger belastende Konstellationen zu erreichen, kommt niemand vorbei.

Sicher kennen Sie das folgende »Gebet«:

»Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,

den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«

Dieses »Gelassenheitsgebet«, das vermutlich von dem amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr (1892–1971) vor bzw. angesichts der Schrecken des Zweiten Weltkrieges ausformuliert wurde, ist wohl die bekannteste Spitze des weit in die philosophische Weltgeschichte reichenden Weisheits-Berges, in dessen Gefilden wir uns zu tummeln die Ehre geben.

Malen oder basteln Sie Ihren höchstpersönlichen Grübel-Beauftragten! Geben Sie ihm einen Namen!

Immer dann, wenn Sie in oder außerhalb der Schule länger als fünf Minuten über ein Schulstress-Thema grübeln, das jenseits Ihrer Einflussmöglichkeiten liegt, stellen Sie sich Ihren Grübel-Beauftragten vor, der Ihnen sanft auf die Schulter klopft:

»Wenn du grübeln willst – viel Spaß dabei! AGIL ist das nicht gerade!«

2.3 Stresserleben und Stressreaktionen

Stressoren lassen sich, wie dargelegt, »außen« verorten.

Stresserleben und Stressreaktionen liegen hingegen »innen«:

Merke

Stressreaktion und Stresserleben