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Seitenzahl: 150
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 405
Textanalyse und Interpretation zu
Peter Stamm
AGNES
Von Magret Möckel
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Stamm, Peter: Agnes. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 42011
Über die Autorin dieser Erläuterung: Magret Möckel, geboren 1952 in Lindau an der Schlei (Schleswig-Holstein), Studium der Germanistik und Anglistik an der Universität in Hamburg. Erstes und Zweites Staatsexamen in Hamburg. Seit 1979 Lehrerin für Deutsch und Englisch, erst an einem Gymnasium in Vechta, dann in Friesoythe, seit 2003 in Oldenburg an der Graf-Anton-Günther-Schule. Dort leitet sie als Oberstudienrätin die Fachgruppe Deutsch. Außerdem arbeitet sie für das Fach Deutsch in Kommissionen der Landesschulbehörde mit. Die Aufbereitung von Gegenwartsliteratur ist ihr stets ein wichtiges Anliegen. Frau Möckel ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne
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3. Auflage 2013
ISBN 978-3-8044-6952-5
© 2001, 2011 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: © plainpicture
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INHALT
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Peter Stamm: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Stil
Auffassungswandel in Bezug auf die Wahrheit
Postmoderne Merkmale
Amerika-Thematik im schweizerischen Roman des ausgehenden 20. Jahrhunderts
Themen des Romans
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
Chronologie der Ereignisse
3.3 Aufbau
Die eingeschobenen Erzählungen und Episoden
3.4 Personenkonstellationen und Charakteristiken
Agnes
Der Ich-Erzähler
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
Zu den im Text angesprochenen Schriftstellern
Agatha Mary Clarissa Christie
Robert Frost
Ernest Hemingway
Hermann Hesse
William Shakespeare
Henry David Thoreau
Dylan Thomas
Paul Valéry
Zu den im Text angesprochenen Künstlern
Ernst Ludwig Kirchner
Oskar Kokoschka
Georges Seurat
Zu weiteren Personen
George Mortimer Pullman
Frank Lloyd Wright
Zum Namen und zur Person Agnes
Bildung des Namens
Die Person Agnes
3.6 Stil und Sprache
Leitmotive des Romans
Kälte, Schnee, Müdigkeit, Krankheit und Tod
Tod, Zeichen setzen und Spuren hinterlassen
Bilder, Porträts
Lichtpunkte, Sterne, Kristallgitter, Symmetrie und Asymmetrie
Weitere Leitmotive
3.7 Interpretationsansätze
Die Erzählperspektive und ihre Konsequenzen
Agnes – Eine Liebesgeschichte
Der Roman Agnes als Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit
Die Geschichte „Agnes“
Die Konstruktion einer Wirklichkeit und die Rolle des Lesers
4. Rezeptionsgeschichte
Zur Sprache und zum Stil des Romans
Zu den Themen des Romans
5. Materialien
William Shakespeare, Sonett 18
Robert Frost, Stopping by Woods on a Snowy Evening
Max Frisch, Du sollst dir kein Bildnis machen
Bertolt Brecht, Wenn Herr K. einen Menschen liebte
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 ***
Aufgabe 2 ***
Aufgabe 3 *
Aufgabe 4 *
Literatur
Zitierte Ausgaben
Prosatexte von Peter Stamm
Rezensionen und Sekundärliteratur zu Agnes
Rezensionen zu anderen Werken Peter Stamms (Auswahl)
Texte zum modernen Roman
Texte zu den künstlicheren Werken
Nachschlagewerke, weiterführende Literatur
Internet-Adressen
Zu Beginn der Erläuterungen soll kurz dargestellt werden, was in diesem Bändchen behandelt wird.
Das zweite Kapitel ist der Biografie Peter Stamms gewidmet. Er wurde 1963 in der Schweiz geboren und begann nach vielfältigen Tätigkeiten in der ganzen Welt im Alter von 27 Jahren mit dem Schreiben. Nach der Produktion von nicht-fiktionalen Texten und Hörspielen war Agnessein erster Roman. Er erhielt für dieses literarische Debüt den wichtigsten österreichischen Literaturpreis. Es folgte eine Vielzahl von Erzählungen, Romanen, Hörspielen und weiteren Produktionen.
Mit Agnes liegt ein für die Neunziger Jahre typischer Text junger deutschsprachiger Autoren vor. Diese sind durch die Schlichtheit ihres Stils, die Einbeziehung des Lesers zum Füllen der Leerstellen und ihre Beziehung zur Wirklichkeit geprägt.
Das dritte Kapitel ist dem Text selbst gewidmet.
Agnes – Entstehung und Quellen:
Peter Stamm hat vielfältige Reisen, Lebenserfahrung und literarisches Wissen in seinen Roman eingebracht. Es gibt neben der Prosaform auch eine Hörspielfassung und ein Drehbuch. Alle Varianten des Themas haben eigenständigen Charakter.
Inhalt:
In dem Roman schreibt der männliche Partner, der Ich-Erzähler, anfangs auf die Bitte Agnes’ hin die Geschichte ihrer Beziehung auf. Zu dem Zeitpunkt, als die Geschichte die Gegenwart erreicht und überholt hat, verkehrt sich das Verhältnis: die Fiktion bestimmt die Wirklichkeit. Es kommt zu Problemen, wenn der Lebensalltag nicht literaturfähig ist oder den Vorstellungen des Ich-Erzählers nicht entspricht. Der Roman endet mit der Fiktion von Agnes’ Tod im Schnee und ihrem tatsächlichen Verschwinden. Eine Übersicht gibt Anhaltspunkte zur Chronologie der Ereignisse.
Aufbau:
Der Roman ist so angelegt, dass er eine Zirkelstruktur hat; das erste Kapitel schließt nahtlos an das letzte an, von Kapitel 2 an wird im Rückblick chronologisch weitererzählt. Es gibt viele eingeschobene Episoden und Geschichten.
Personen:
Die beiden Figuren des Romans werden dem Leser durch die subjektive Sicht des Erzählers nahe gebracht.
Agnes:
jung, Physikstudentin,
ordentlich, unsicher,
nicht sehr gesellig,
belesen.
Ich-Erzähler:
erheblich älter als Agnes,
Schriftsteller von Sachliteratur und Belletristik (u. a. die Geschichte „Agnes“),
will den Stoff und die Wirklichkeit beherrschen,
rechthaberisch, verschlossen, gibt Unsicherheiten nicht zu.
Sachliche und sprachliche Erläuterungen:
Der Roman enthält zahlreiche intertextuelle Referenzen. Damit diese aufgegriffen und in das Verständnis des Romans einbezogen werden können, werden Hinweise zu den entsprechenden Künstlern, Autoren und Texten gegeben.
Stil und Sprache Stamms:
Stilistisch ist der Roman durch seine schmucklose Sprache, die Reduktion der Dialoge und des Erzählten auf das Notwendigste geprägt. Es entstehen Leerstellen für den Leser, die dieser mit eigenen Vorstellungen füllen kann.
Eine Fülle von Leitmotiven, die eng miteinander verknüpft sind, vernetzen das Textganze und liefern eine weitere Bedeutungsebene.
Interpretationsansätze:
Zur Erschließung des Romans spielt der Erzähler eine entscheidende Rolle. Er ist ein Ich-Erzähler, der aus der Erinnerung und in Verwicklung in die Ereignisse erzählt. Seine Motivation und sein Erinnerungsvermögen bestimmen, was erzählt wird, was verschwiegen, abgeändert wird oder sogar gelogen ist. Der Leser muss sich emanzipieren, darf dem Erzähler nicht alles glauben, sondern muss ihm kritisch gegenüberstehen.
Die knappe und bis auf das Notwendigste reduzierte Erzählweise erfordert außerdem das Füllen von Leerstellen. Der Leser selbst muss Zusammenhänge herstellen, Ergänzungen vornehmen, interaktiv auf den Text reagieren. Auf diese Weise komplettiert er den Text mit eigenen Vorstellungen, bringt neu entdecktes Wissen durch die Erschließung intertextueller Bezüge hinein, wird zum Co-Autor. Diese wichtige Rolle, die der Leser bekommt, macht auch das mehrfache Lesen des auf den ersten Blick einfach erscheinenden Textes besonders spannend. Auch das Gespräch über den Roman wird besonders ergiebig, da jeder Leser eine eigene Lesart einbringt.
Auf der inhaltlichen Ebene liest sich der Roman auch als Liebes- und Beziehungsgeschichte, in einer Welt, in der Distanz und Fremdheit bestimmend sind. Die Subjektivität der Sicht, der sich der Leser im Prozess der Wahrnehmung seiner Lektüre bewusst wird, wird durch die Figuren veranschaulicht. Jeder lebt in seiner eigenen Welt, ein Verstehen und eine Annäherung wird in Frage gestellt, als geradezu utopisch herausgestellt. Lediglich in der Fiktion scheinen glückliche Momente, Liebe und Sinngebung vorübergehend möglich.
Der Umgang mit und das Verwischen der Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit werden auf verschiedenen Ebenen aufgegriffen. Das literarische Porträt von Agnes verselbstständigt sich und bestimmt die Wirklichkeit, literarische und künstlerische Vorlagen fließen ein, Medien tauchen in verschiedensten Zusammenhängen auf.
Der Erzähler ist gleichzeitig Autor und gibt Einblick in Konstruktionsmechanismen von Literatur. Das Erzählte wird erkennbar als Konstrukt, alle Bestandteile des literarischen Kommunikationsprozesses (Leser, Text, Schreibprozess, impliziter Leser, Stil, Erzähler, Autor, erzählte Handlung und Lebenswirklichkeit) werden vorgeführt, verdoppelt, gespiegelt, in ihrer Funktion gezeigt. Eine wichtige Rolle spielt auch die Sprache, die als Codierungs- und Kommunikationssystem vorgeführt wird.
So bietet sich der Roman als ein Beispiel postmodernen Erzählens auf vielfältige Weise an.
Peter Stamm * 1963 © Cinetext/Bruder
JAHR
ORT
EREIGNIS
ALTER
1963
Weinfelden (Schweiz) längere Aufenthalte in Paris, New York, Skandinavien u. a.
Geburt
kaufmännische Lehre
Studium der Fächer Anglistik, Psychologie, Psychopathologie, Wirtschaftsinformatik
Praktika und Aushilfs- sowie Teilzeitbeschäftigungen in Psychiatrischen Kliniken, Swissair u. a.
1990
Zürich
Beginn der Tätigkeit als freier Schriftsteller
Arbeit für: Neue Zürcher Zeitung, Tages-Anzeigen-Magazin, Weltwoche u. a.
27
1991
Sendung des Hörspiels Ich und die anderen (DRS 1)
28
1993
Sendung des Hörspiels Die Nacht der Gewohnheiten (DRS 1)
30
1994
Sendung des Hörspiels In Vitro (DRS 1)
31
1995
Sendung des Hörspiels Der letzte Autofahrer (DRS/RB), Herausgabe von Alles über die Männer (Satire)
32
1996
Sendung des Hörspiels Bildnis eines Knaben mit Peitsche (DRS 2)
33
1997
Sendung des Hörspiels Ableben (WDR), Erscheinen des Textes Gotthard – Die Steinerne Seele der Schweiz. Aufnahme der Tätigkeit als Redakteur der Literaturzeitschrift Entwürfe für Literatur
34
1998
Erscheinen von Agnes (Roman), Agnes als Hörspiel, als Spielfilm in Vorbereitung. Auszeichnungen des Kantons und der Stadt Zürich
35
1999
Schweiz, Berlin
Sendung der Hörspiele Nachtkampf oder die Kunst des Teewegs (DRS 1 Basel), Warum wir in der Stadt wohnen (DRS 1). Verleihung des Rauriser Literaturpreises (wichtigster österreichischer Debütantenpreis) für Agnes. Erscheinen von Blitzeis (Erzählungen).
Dreimonatiges Berlin-Stipendium des Kanton Zürich
36
2000
Schweiz
Sendung der Hörspiele Passion (SWR), Was wir können (WDR), Blitzeis (WDR). Hörspielpreise der Stiftung Radio Basel für Der letzte Autofahrer und Warum wir in der Stadt wohnen
37
2001
Erscheinen der Kurzgeschichte Die ganze Nacht und der Erzählung Grace sowie des Romans Ungefähre Landschaft
Ehrengabe der Stadt Zürich
38
2002
Erscheinen des Theaterstückes Après Soleil oder Wen der Wind zur Insel trägt
Preis der Schweizerischen Schillerstiftung und des Carl-Heinrich-Ernst-Kunstpreises
39
2003
Erscheinen von In fremden Gärten (Erzählungen) und Diensttage. Schweizer Schriften. Peter Stamm (Hrsg.)
40
2004
Wiesbaden
Erscheinen der Theaterstücke Der Kuss des Kohaku und Die Töchter von Taubenhain
Poetikdozentur: junge Autoren der Fachhochschule Wiesbaden
41
2005
Herausgabe von Warum wir in der Stadt wohnen mit Illustrationen von Jutta Bauer
42
2006
Erscheinen des Romans An einem Tag wie diesem
43
2008
Erscheinen von Wir fliegen (Erzählungen) und der illustrierten Ausgabe von Heidi (nach Johanna Spyri)
45
2009
Winterthur
Erscheinen des Romans Sieben Jahre
46
2011
Erscheinen von Seerücken (10 Erzählungen); nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse
48
2013
Erscheinen des Romans Nacht ist der Tag
50
ZUSAMMENFASSUNG
Agnes als exemplarisches Werk des ausgehenden 20. Jahrhunderts:
Schlichtheit und Schmucklosigkeit des Stils, Reduktion auf das Notwendigste
Umgang mit Fiktion und Wahrheit, Konstruktionsprinzip der Wirklichkeitsüberblendung, Aufhebung der verlässlichen Erzählerinstanz
Postmoderne Elemente:
Einbeziehung des Lesers
Aufhebung der Unterscheidung zwischen „ernster“ und unterhaltender Literatur
Intertextuelle Referenzen
Durchschaubarkeit der Konstruktionsmechanismen
Amerika als Schauplatz der Handlung
Themen: Beziehungslosigkeit, Paarbeziehungen, Suche, Erzählen und Erzähltes
Bei dem Roman Agnes (1998) handelt es sich um ein in verschiedener Hinsicht interessantes und typisches Werk der Literatur des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Einige Aspekte sollen im Folgenden angedeutet werden:
Stil
Viele Werke junger deutschsprachiger Autoren sind stilistisch geprägt durch eine Sprache, die auf Schnörkel und rhetorischen Schmuck verzichtet. Die konsequente Reduktion in der Sprache lässt sich als Merkmal Schweizerischer Literatur schon in den 50er, 60er Jahren nachweisen, beispielsweise in den Tagebüchern Max Frischs. Mit anderen Vorzeichen wird dieser Sprachstil jetzt wieder aufgenommen. Einfache, teilweise sehr kurze Hauptsätze werden aneinandergereiht. Der Leser muss logische Verknüpfungen häufig selbst herstellen und Leerstellen füllen, Doppelsinn erschließen. Bilder und Dialoge wirken kühl, beherrscht und ungekünstelt und sind dennoch mit einer großen sprachlichen Ökonomie verfasst, „nach allen Regeln der Kunst kunstlos.“[1] Diese Sprache erinnert in ihrer Pointiertheit und Konzentriertheit an die Sprache der Schriftsteller nach 1945. Die Autoren der Trümmerliteratur und der Kahlschlagperiode versicherten sich ihres sprachlichen Inventars und seiner Möglichkeiten neu, indem sie auf Bilderreichtum, Metaphernfülle, lyrische Elemente verzichteten. Nach der Zeit des Missbrauchs der Sprache durch die Faschisten ging es um illusionslose und schmucklose Sprache, die helfen sollte, sich in der Welt zu orientieren:
Günter Eich, 1956
„Ich schreibe Gedichte, um mich in der Wirklichkeit zu orientieren. Ich betrachte sie als trigonometrische Punkte oder als Bojen, die in einer unbekannten Fläche den Kurs markieren. Erst durch das Schreiben erlangen für mich die Dinge Wirklichkeit. Sie sind nicht meine Voraussetzung, sondern mein Ziel.“[2]
Nach der Zeit der postmodernen Fülle von Stilrichtungen in den 80er und 90er Jahren entsteht ein neuer Schreibtrend, der einen neuen Glauben „an die Ausdruckskraft des Wortes“[3] zeigt.
Beispiele:
Zoe Jenny, Das Blütenstaubzimmer (1997)
Zoe Jenny, Der Ruf des Muschelhorns (2000)
Karin Duwe, Regenroman (1999)
Maike Wetzel, Hochzeiten (2000)
Bernhard Schlink, Der Vorleser (1995)
Peter Stamm, Agnes (1998), Blitzeis (1999) u. v. m.
Auffassungswandel in Bezug auf die Wahrheit
Nicht nur in der Schweiz, sondern allgemein in Philosophie und Literatur veränderte sich die Auffassung zum Verhältnis zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Noch in den 70er Jahren glaubte man an eine objektive, singuläre Wahrheit, die durch die Literatur ans Licht gebracht werden konnte. Literatur kam damit einer aufklärenden und Lügen aufdeckenden Funktion nach. Der anschließende Rückzug in die Autobiografie und die ‚neue Subjektivität‘ enthüllen die Einsicht in das Versagen der Fiktion vor der Wirklichkeit. Infolge von wachsenden Bedenken gegenüber realistischen Darstellungsmöglichkeiten und zunehmender Skepsis gegenüber der Ich-Identität und -Authentizität verlor sich auch der Glaube an eine einzelne Wahrheit. Der Anspruch an Wiedergabe von Wirklichkeit (als einzelne Wahrheit oder dem Nebeneinander vieler Wirklichkeiten) durch Literatur wurde in den 80er Jahren aufgegeben. Stattdessen verwies sie in zunehmendem Maß auf sich selbst und den Akt des Schreibens (z. B. in Friedrich Dürrenmatts Novelle Der Auftrag oder Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter, 1986). Wenn nichts mehr als Wahrheit sprachlich abzubilden ist, besinnt man sich auf das eigentliche und grundlegende Thema der Literatur: das Schreiben selbst und das durch Sprache erzeugte Produkt. So gibt es eine Vielzahl von Texten, in deren Zentrum der Schreibende steht, dessen Identität vorwiegend durch den Schreibakt bestimmt ist. Die Hervorhebung der Produktionsinstanz wiederum betont (neben anderen Merkmalen) die Fiktionalität des Dargestellten. Die Texte, wie auch der vorliegende, legen es geradezu darauf an, als Fiktion entlarvt zu werden, weil eine unüberschaubare Welt nicht als auch nur im Ansatz abbildbar gesehen wird. „Mit dem Abschied von realistischer Darstellung büßte das Erzählte Linearität, Konsistenz und Mimesis ein. Sprachskepsis, ja der Zweifel an der Übereinstimmung von Zeichen und Bezeichnetem überhaupt, schienen der Literatur den Boden zu entziehen: Ihre Verankerung in der Welt.“[4] Statt der Vermittlung einer Geschichte durch eine glaubwürdige Erzählinstanz gibt es jetzt Varianten, Irritationen, „das Konstruktionsprinzip der Wirklichkeitsüberblendung“.[5]
Beispiele:
Peter Bichsel, Die Jahreszeiten (1967), Der Busant. Von Trinkern, Polizisten und der schönen Magelone (1985)
Otto F. Walter, Der Stumme (1983), Das Staunen der Schlafwandler am Ende der Nacht (1983)
Reto Hänny, Ruch. Ein Bericht (1984), Flug (1985)
Matthias Zschokke, Max (1982, Prinz Hans (1984), ErSieEs (1986)
Italo Calvino, Wenn ein Reisender in einer Winternacht (1983)
Robert Schneider, Schlafes Bruder (1992)
Postmoderne Merkmale
Aufgabe des Zwanges, ständig etwas Neues machen zu müssen (Innovationszwang)
Auflösung der trennenden Gattungszuordnungen, Aufhebung der Grenze zwischen unterhaltender und ‚ernster‘ Literatur
Werk ist als literarisches Konstrukt erkennbar. Durchschaubarkeit der Konstruktionsmechanismen
Nebeneinander vieler verschiedener Lesarten durch die Vielfalt der intertextuellen Bezüge (Spiel mit Zitaten, Verweise auf andere Werke der Literatur und der Kunst), Mehrfachkodierung (Doppeldeutigkeiten; Zuordnung und Verstehen auf verschiedenen Ebenen möglich), Leser als Co-Autor
Metatextualität (Reflexion eines Textes über sich selbst, ein auf einem anderen Text beruhender Text), Verlust des Erzählers als verlässliche Instanz
Amerika-Thematik im schweizerischen Roman des ausgehenden 20. Jahrhunderts
In der Schweizer Literatur gibt es eine Vielzahl von Texten, in denen der Schauplatz der Ereignisse (zumindest teilweise) Amerika ist und in denen ein bestimmtes Bild von Amerika im Verhältnis zur Schweiz vermittelt wird. Zu diesen gehören Werke von Peter Bichsel, Franz Böni, Friedrich Dürrenmatt, Christoph Geiser, Jürg Federspiel, Max Frisch, Eveline Hasler, Urs Jaeggi, Hanna Johansen, Rolf Lappert, Hugo Loetscher, Erica Pedretti, Kuno Raeber, Gerold Späth, Walter Vogt, Urs Widmer, Gertrud Wilker.[6] Auch in Agnes wird mit Klischees, Vorurteilen und neuen Sichtweisen von Amerika bzw. der Schweiz umgegangen (vgl. Agnes S. 52, 100 f., 121 f., 124, 142 f., 85, 104, 137; dazu auch Bühler, Markus / Stamm, Peter: Gotthard. Die Steinerne Seele der Schweiz. AS Verlag 1997).
Auf andere Weise mit Schweizer Literatur verknüpft sich Agnes durch die Erinnerung an den Selbstmord des Schriftstellers Robert Walser auf einem einsamen Spaziergang im Schnee in der Schweiz.
Themen des Romans
Peter Stamms Agnes nimmt eine Reihe von wichtigen Themen der Gegenwartsliteratur auf:
unerfüllte Sehnsucht nach Liebe heutiger Menschen, Kühle und Beziehungsunfähigkeit; moderne Singles zwischen Freiheit und Sinnlosigkeit der Einzelexistenz; Eis, Kälte, Schnee als Metapher dafür
Einsamkeit und Tod
Heimatlosigkeit und Fremdheit
Wirkung und Macht der Medien
Gefühl des Mangels, Suchen nach dem Wesentlichen und Sinnhaftigkeit, Oberfläche und dahinter Stehendes, Bedeutungsverlust
Erzähler und Erzähltes