Alexanders Erbe: Sturm auf Babylon - Robert Fabbri - E-Book

Alexanders Erbe: Sturm auf Babylon E-Book

Robert Fabbri

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Beschreibung

Babylon. Wer erobert die größte Stadt der Antike? Die epische Serie über die unerbittliche Schlacht um Alexanders Imperium. Blutig und schonungslos. Von Bestsellerautor Robert Fabbri. 316 v. Chr., sieben Jahre nach Alexanders Tod. Das Weltenreich Alexanders des Großen ist im Chaos. Noch immer kämpfen seine Generäle um die Vorherrschaft. Drei große Mächte sind noch übrig: Antigonos in Asien, Kassandros in Makedonien und Ptolemaios in Ägypten. Als die Herrscher erfahren, dass der einäugige Antigonos es auf das gesamte Reich abgesehen hat, wenden sie sich gegen ihn. Sie müssen verhindern, dass er seine Macht bis nach Europa ausdehnt! Währenddessen ringt Seleukos, der Satrap von Babylonien, darum, sich gegen Antigonos abzusichern und dessen Vormarsch aufzuhalten. Doch Antigonos räumt skrupellos alle Rivalen aus dem Weg. Seleukos muss aus Babylon fliehen. Kann er das Juwel des Ostens zurückerobern? Denn Seleukos will seine eigene Dynastie begründen. Und wer Babylon hält, besitzt den Schlüssel zum Osten des einstigen Großreichs ... «Vielleicht das größte Epos der Antike. Eine großartige Serie.»  Conn Iggulden

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Robert Fabbri

Alexanders Erbe: Sturm auf Babylon

Historischer Roman

 

 

Aus dem Englischen von Anja Schünemann

 

Über dieses Buch

Babylon. Wer erobert die größte Stadt der Antike?

 

316 v. Chr., sieben Jahre nach Alexanders Tod

 

Das Weltenreich Alexanders des Großen ist im Chaos. Noch immer kämpfen seine Generäle um die Vorherrschaft. Drei große Mächte sind noch übrig: Antigonos in Asien, Kassandros in Makedonien und Ptolemaios in Ägypten. Als die Herrscher erfahren, dass der einäugige Antigonos es auf das gesamte Reich abgesehen hat, wenden sie sich gegen ihn. Sie müssen verhindern, dass er seine Macht bis nach Europa ausdehnt!

Währenddessen ringt Seleukos, der Satrap von Babylonien, darum, sich gegen Antigonos abzusichern und dessen Vormarsch aufzuhalten. Doch Antigonos räumt skrupellos alle Rivalen aus dem Weg. Seleukos muss aus Babylon fliehen. Kann er das Juwel des Ostens zurückerobern? Denn Seleukos will seine eigene Dynastie begründen. Und wer Babylon hält, besitzt den Schlüssel zum Osten des einstigen Großreichs …

 

«Vielleicht das größte Epos der Antike. Eine großartige Serie.» Conn Iggulden

Vita

Robert Fabbri, geboren 1961, lebt in London und Berlin. Er arbeitete nach seinem Studium an der University of London 25 Jahre lang als Regieassistent und war an so unterschiedlichen Filmen beteiligt wie «Die Stunde der Patrioten», «Hellraiser», «Hornblower» und «Billy Elliot – I Will Dance». Aus Leidenschaft für antike Geschichte bemalte er 3500 mazedonische, thrakische, galatische, römische und viele andere Zinnsoldaten – und begann schließlich zu schreiben. Mit seiner epischen historischen Romanserie «Vespasian» über das Leben des römischen Kaisers wurde Robert Fabbri Bestsellerautor.

 

Mehr zum Autor:www.robertfabbri.com

 

Anja Schünemann studierte Literaturwissenschaft und Anglistik in Wuppertal. Seit 2000 arbeitet sie als freiberufliche Übersetzerin und hat seitdem viele Bücher von namhaften Autorinnen und Autoren wie Philippa Gregory, David Gilman sowie Robert Fabbri aus dem Englischen ins Deutsche übertragen. Historische Romane sind eines ihrer Spezialgebiete: Von der Antike bis zum Mittelalter, in die frühe Neuzeit sowie bis ins 20. Jahrhundert verfügt sie über einen reichen Wissensschatz, der ihre Übersetzungen zu einem gelungenen Leseerlebnis macht.

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel «Alexander’s Legacy: Babylon» bei Corvus/Atlantic Books Ltd., London.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, November 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Alexander’s Legacy: Babylon» Copyright © 2022 by Robert Fabbri

Karte und Illustrationen © Anja Müller

Redaktion Tobias Schumacher-Hernández

Karte und Illustration Anja Müller

Covergestaltung HAUPTMANN & KOMPANIE Werbeagentur, Zürich, nach der Originalausgabe von Atlantic Books Ltd.

Coverabbildung Shutterstock

ISBN 978-3-644-01804-4

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

Meiner Frau Anja in inniger Liebe

Seleukos der Elefantenbulle

«Erdrosselt?»

«Ja, Herr, ich habe den Leichnam gesehen.»

Seleukos griff sich an den Hals und verzog das Gesicht, während er den Bericht des Spions verarbeitete. «Dass es so weit kommen musste. Nun richten Alexanders Generäle sich schon gegenseitig hin wie gemeine Diebe oder Mörder.» Er rieb seinen breiten Nacken. Der Spion schwieg. Keiner von uns verdient so einen langsamen Tod, nicht einmal ein listiger kleiner Grieche wie Eumenes.

Er trat ans Fenster seiner Gemächer im ersten Stockwerk des Palastes von Artaxerxes, einer königlichen Jagdresidenz am Westufer des Choaspes, und blickte über seine Belagerungslinien zur Stadt Susa jenseits des Flusses hinüber. Dahinter erhob sich majestätisch das Zagrosgebirge mit seinen bewaldeten Hängen und schneebedeckten Gipfeln. Dank der kühlen Luft und des reichlichen Wildbestandes war Susa bei der alten persischen Herrscherdynastie der Achaimeniden besonders beliebt gewesen, und so gab es in der Stadt eine reich gefüllte königliche Schatzkammer. Dieser Schatz war der Grund, weshalb Antigonos der Einäugige sechs Monate zuvor Seleukos mit der Belagerung Susas betraut hatte. Allerdings hatte er ihm dazu nur unzureichende Mittel zur Verfügung gestellt. Die Mauern waren stark, die Türme hoch, und Xenophilos, der Kommandeur der Garnison und Hüter der königlichen Schatzkammer, verteidigte sie erbittert. Verflucht sei der alte Kyklop, dass er mir nur zweitausend Männer dagelassen hat – zu wenige, um die Stadt einzunehmen, und das wusste er genau. Aber was kann ich tun? Mit Eumenes’ Hinrichtung hat Antigonos eine deutliche Botschaft an jeden ausgesandt, der daran denkt, sich gegen ihn zu stellen. Wie kann ich Babylon nur halten?

Seleukos sah sich in einer misslichen Lage: Seine Unternehmung war zum Scheitern verurteilt, und der Mann, der ihm die unmögliche Aufgabe gestellt hatte, war von dem Ehrgeiz getrieben, das Reich zu besitzen, das Alexander seinerzeit «dem Stärksten» vermacht hatte. Wen er damit meinte, hatte der große Feldherr nicht gesagt.

Bald nach Alexanders Tod hatten sich seine einstigen Leibwächter und ranghöchsten Generäle über die Frage entzweit, wer das Kommando führen und die Regentschaft für den noch ungeborenen Thronfolger übernehmen sollte. Die Angelegenheit war noch komplizierter geworden, als ein Teil der Armee darauf bestanden hatte, Alexanders geistesschwachen Halbbruder Philipp zum Mitkönig zu machen. Das führte zu einer weiteren Spaltung – erst recht, da Roxane einen Knaben zur Welt brachte und ihn nach seinem Vater Alexander nannte. Perdikkas, der Ranghöchste unter den Leibwächtern, hatte vom sterbenden Alexander den großen Ring von Makedonien empfangen, begleitet von jenen schicksalhaften Worten. Er hatte daraufhin versucht, im Namen der Könige die Führerschaft zu beanspruchen, war jedoch gescheitert und binnen zwei Jahren getötet worden. Seleukos selbst war einer der drei Männer, die ihm die tödlichen Dolchstöße beigebracht hatten.

Eumenes hatte wacker gekämpft, um das Reich geeint zu halten und die Herrschaft der Argeadendynastie zu sichern. Er war Alexanders Sekretär gewesen, ein Grieche unter Makedonen, doch er hatte dem Herrscherhaus stets unverbrüchlich die Treue gehalten aus Dankbarkeit für die Gunst, die Alexander und zuvor sein Vater Philipp ihm erwiesen hatten. Der listige kleine Grieche hatte gegen Antipatros gekämpft, den betagten Regenten im Mutterland Makedonien, der nach Perdikkas’ Tod versucht hatte, die Macht an sich zu reißen. Doch im Zuge dieses Ringens war Krateros getötet worden, der Liebling der Armee und größte lebende Feldherr Makedoniens. Die Schuld war auf Eumenes gefallen, der daraufhin durch die Heeresversammlung zum Geächteten erklärt und zum Tode verurteilt worden war.

Auf der Konferenz von Triparadeisos, bei den königlichen Wildparks in den Bergen oberhalb von Berytos in Phönizien, hatte Antipatros eine Einigung herbeigeführt und militärische Posten und Satrapien verteilt. Seleukos war zum Satrapen von Babylonien ernannt worden. Doch der Frieden währte nicht lange, denn eine entscheidende Frage blieb ungeklärt: Unterstand das gesamte Reich Makedonien, oder war das Mutterland lediglich ein gleichberechtigter Teil des Reiches? Außerdem hatte Ptolemaios, der Satrap von Ägypten – angeblich Alexanders illegitimer Halbbruder –, die Teilnahme an der Konferenz verweigert und damit signalisiert, dass er sich als unabhängig betrachtete. Der Zerfall des Reiches hatte bereits begonnen.

Antipatros war inzwischen ebenfalls verstorben, nachdem er seinen Sohn Iolaos hatte begraben müssen, der in einem Scharmützel mit Eumenes gefallen war. Nach dem Tod des alten Regenten sah Antigonos seine Chance, Anspruch auf das Reich zu erheben. Seleukos unterstützte ihn zunächst darin – widerstrebend zwar, aber er konnte sich nicht überwinden, sich Eumenes anzuschließen und von dem Griechen Befehle entgegenzunehmen. Eumenes hingegen hatte sich Antigonos entgegengestellt und bis zuletzt gekämpft, erst im Namen der beiden Könige und später nur noch für den kleinen Sohn des großen Herrschers, da Alexanders Mutter Olympias den geistesschwachen Halbbruder ermordet hatte.

Und nun war Eumenes tot, in der Schlacht geschlagen und anschließend hingerichtet von Antigonos, dem Satrapen von Phrygien, den Alexander seinerzeit dort zurückgelassen hatte, um die Eroberung Anatoliens zu vollenden. Er selbst war nach Süden und Osten weitergezogen, um seinem Reich weitere Gebiete einzuverleiben. Auf einem ruhmreichen Feldzug hatte der große Herrscher seine Armee nach Ägypten geführt, in die Persis, nach Medien, Baktrien und sogar bis nach Indien, ehe er schließlich nach zehnjährigem Eroberungszug in Babylon gestorben war. Währenddessen war Antigonos auf seinem Posten beinahe in Vergessenheit geraten, doch nun war er aus der Bedeutungslosigkeit hervorgetreten und zur größten Macht im zerrütteten Reich aufgestiegen. Mit Soldaten, Schiffen und Gold hatte er Antipatros’ ältesten lebenden Sohn Kassandros dabei unterstützt, die Herrschaft über Makedonien an sich zu reißen. Antigonos selbst hatte währenddessen Eumenes in den Osten verfolgt, wo die Angelegenheit zwischen den beiden in den Schlachten von Paraitakene und Gabiene entschieden worden war. Nun stand Seleukos zwar offiziell auf der Siegerseite, doch ihm schwante nichts Gutes: Er war Herr über Babylon und wollte es bleiben, argwöhnte aber, dass Antigonos die Stadt für sich beanspruchen würde. Dass es Seleukos nicht gelungen war, Susa zu erobern, würde Antigonos als Vorwand nutzen. Und da Seleukos nicht über eine eigene Armee verfügte, würde er es nicht verhindern können.

Er wandte sich wieder seinem Spion zu. Obwohl der Mann durchaus nicht klein war, überragte Seleukos ihn um einen ganzen Kopf. «Wo ist Antigonos jetzt?»

«Seine Armee steht in Aspadana in Paraitakene. Er ist nach Medien zurückgekehrt, um die Schatzkammer von Ekbatana zu leeren.»

«Hat er Peithon im Amt des Satrapen von Medien bestätigt?»

«Ja.»

«Dann hat er gut daran getan, den Schatz nicht dort zu lassen, damit Peithon nicht erneut eine Rebellion versucht.»

«Gewiss. Nun, da er das Gold in Sicherheit gebracht hat, wird Antigonos bald von Aspadana gen Süden marschieren. Seine Armee ist sechzigtausend Mann stark, da er die meisten von Eumenes’ Leuten in seine Reihen aufgenommen hat. Er wird wohl in weniger als einem Mond Persepolis erreichen.» Der Spion, ein Mann Mitte dreißig, unrasiert und ungepflegt nach der einmonatigen Reise, atmete tief durch. «Antigonos hat auch Eudemos hingerichtet, seinen Leichnam in einer Grube verbrannt und dann Antigenes lebend in die Flammen werfen lassen.»

Seleukos schnappte entsetzt nach Luft. «Lebend?»

«Ja, Herr, ich war Zeuge. Ein grauenvolles Ende.»

«Allerdings. Wie ist Antigonos mit Teutamos verfahren, dem anderen Befehlshaber der Silberschilde?»

«Er war derjenige, der den Tausch ausgehandelt hatte: Eumenes gegen das Gepäck der Silberschilde, das Antigonos in der Schlacht erbeutet hatte.»

«Dann hat Teutamos sich also sein Leben erkauft, indem er seinen Kameraden auslieferte?»

«So scheint es. Jetzt befehligt er Antigonos’ Phalanx, zusammen mit Pythan, einem anderen von Eumenes’ Offizieren, der ebenfalls an dem Verrat beteiligt war.»

Es war zu erwarten, dass Eumenes’ makedonische Offiziere sich irgendwann gegen den listigen kleinen Griechen wenden würden. «Wie hat Antigonos Eudemos getötet?»

«Er hat ihn enthauptet.»

«Nun, wenigstens einem Satrapen hat er zugestanden, in Würde einen schnellen Tod zu sterben. Aber dass er Antigenes, den von Alexander persönlich ernannten Befehlshaber der Silberschilde, lebendigen Leibes verbrannt hat, das ist unverzeihlich.»

Offensichtlich ist Antigonos kein Mann, der leicht vergibt. Mir scheint, es war taktisch unklug von mir, ihm unehrenhaftes Verhalten vorzuwerfen.

Das war der Kern von Seleukos’ Problem: Er hatte Anstoß daran genommen, wie Antigonos versucht hatte, Eumenes zu täuschen und ihn durch List in eine Position zu bringen, die es Antigonos ermöglicht hätte, die gesamte Armee des Gegners niederzumetzeln. Eumenes war nicht darauf hereingefallen, Seleukos jedoch war für seine Dreistigkeit zurück nach Susa geschickt worden, damit er sich hier zum Gespött machte.

Er entlohnte den Spion großzügig mit einem Beutel Münzen, dann wandte er sich an die einzige andere anwesende Person, die im Halbdunkel am anderen Ende des Raumes umgeben von Kissen auf einem großen Diwan saß.

«Nun, Apame, was tun wir?»

Seine Frau war kürzlich aus Babylon eingetroffen, da nach dem Winter die Straßen wieder offen waren. Sie klopfte neben sich auf die Kissen. «Komm und setze dich, mein Liebster. Diese Angelegenheit will wohl überlegt sein.»

 

Körperlich erschöpft und schweißgebadet, lagen Seleukos und Apame einige Zeit später eng umschlungen da und begannen, über das Problem nachzudenken.

«Wenn Antigonos binnen eines Mondes Persepolis erreicht, könnte er kurz nach der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche hier eintreffen», sagte Apame und streichelte die massige Brust ihres Mannes, dessen Körper als Vorbild für eine Heraklesstatue getaugt hätte. «Wenn ich die militärische Lage richtig einschätze, kann Susa unmöglich bis dahin gefallen sein.»

«Im Gegenteil, die Stadt wird dann noch stärker sein als jetzt.»

Sie blickte in seine dunklen, durchdringenden Augen in dem kantigen Gesicht mit der schmalen, aber ausgeprägten Nase. «Wie das?»

Seleukos rang sich ein bitteres Lächeln ab. «Der Frühling hält Einzug. Antigonos hat mir keine Kavallerie dagelassen, obwohl ich ausdrücklich fünfhundert Mann gefordert hatte. Und ohne berittene Patrouillen habe ich keine Möglichkeit, die Trupps abzufangen, die Xenophilos nachts zur Nahrungsbeschaffung ausschickt. Meine zweitausend Männer genügen nicht, um den Belagerungsring um die Stadt dicht zu schließen. Also wird Susa nun, da mehr Nahrung verfügbar ist, erstarken. Ein Sturm auf die Mauern wäre aussichtslos, denn Xenophilos hat wenigstens ebenso viele Männer wie ich. Und selbst wenn es mir gelänge, die Stadtmauern zu überwinden, würde er sich einfach in den befestigten Komplex mit der Schatzkammer auf der Akropolis zurückziehen, wo er noch ein Jahr oder länger aushalten könnte.»

«Und wenn du die Mauern untergräbst?»

«Die Fundamente sind sehr tief. Wir haben ein paar Stollen angelegt und dort Feuer gemacht, um die hölzernen Stützen wegzubrennen, aber das scheint die Mauern nicht nennenswert geschwächt zu haben. Dabei beschießen wir sie den ganzen Tag mit schweren Steinbrocken.»

«Vielleicht kannst du den Gegner überlisten?»

«Ich glaube nicht, dass diese Leute auf ein trojanisches Pferd hereinfallen würden.» Er umfasste ihren Kopf mit einer Hand, mächtig wie die Pranke eines Bären, zog sie zu sich heran und vergrub das Gesicht in ihrem rabenschwarzen Haar. Ihr Duft betörte ihn immer noch. Apame war die Tochter des sogdischen Fürsten Spitamenes, der ein mächtiger Gegner Alexanders gewesen war. Sie war eine der vielen Bräute, die Alexander vor fast acht Jahren hier in Susa seinen Offizieren aufgenötigt hatte – die Massenhochzeit war Teil seiner Bemühungen gewesen, Ost und West zu vereinen.

Anders als viele seiner einstigen Mitstreiter hatte Seleukos seine Frau nach Alexanders Tod nicht verstoßen. Das wollte und konnte er nicht, denn er liebte seine wunderschöne Frau mit ihrer olivfarbenen Haut. Sie beide verband eine Kraft, die über das Körperliche hinausging, und er wurde ihrer nie überdrüssig. Inzwischen hatten sie drei Kinder: den siebenjährigen Antiochos, die fünfjährige Apame, und kürzlich hatte sie ihm einen zweiten Sohn geschenkt, Achaios. Dessen Geburt hatte Seleukos noch in seinem Drang bestärkt, seine wachsende Familie zu beschützen. Und deshalb musste er eine Möglichkeit finden, seine Position als Satrap von Babylonien abzusichern.

«Bestechung?», schlug Apame vor.

Seleukos tauchte aus seinen Gedanken auf. «Was? Nein, das habe ich schon versucht, aber Xenophilos hat in der Schatzkammer über fünfundzwanzigtausend Talente in Gold, Silber und Juwelen. Und er hat seinen Leuten versprochen, dass Eumenes sie großzügig belohnen wird, wenn er kommt, um den Schatz zu beanspruchen.»

«Doch nun wird Eumenes nicht mehr kommen.»

«Allerdings nicht. Aber stattdessen kommt Antigonos, und Xenophilos wird seinen Männern wohl versprechen, dass sie auch von ihm eine Belohnung zu erwarten haben.» Seleukos wälzte sich auf den Rücken, einen Arm hinter dem Kopf.

Apame schmiegte sich enger an ihn. «Glaubst du denn, Antigonos wird geneigt sein, den Mann zu belohnen, der ihm letztes Jahr den Zugang zum größten Schatz im Osten verwehrt hat?»

«Das frage ich mich auch gerade. Ich war ja dabei, als Antigonos von Xenophilos verlangte, die Tore zu öffnen. Als der sich weigerte, schrie Antigonos, er habe soeben sein eigenes Todesurteil besiegelt.»

«Mir scheint, durch Eumenes’ Hinrichtung steht ihr nun auf derselben Seite.»

«Du meinst, weil wir beide uns gegen Antigonos absichern müssen?»

«Ja. Und wie ist das am besten zu erreichen?»

«Indem wir ihm etwas geben, was er haben will, und zugleich seine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenken.»

«Ich denke, du solltest zu Xenophilos gehen und mit ihm reden.»

«Ich denke, da könntest du recht haben.»

 

Seleukos konnte sich einer gewissen Beklommenheit nicht erwehren, als er die belagerte Stadt betrat, um zu verhandeln. Seine Wache aus acht bewaffneten Männern war eher ein symbolischer Schutz, denn ein so kleiner Trupp wäre leicht zu überwältigen, sollte Xenophilos Verrat im Schilde führen. Wenig überraschend hatte der Hüter der Schatzkammer sich geweigert herauszukommen, und Seleukos wollte nicht laut rufend mit ihm verhandeln, während der Garnisonskommandeur oben auf den Mauern stand. Was er mit seinem Widersacher zu besprechen hatte, war eine sensible Angelegenheit, und er wollte nicht, dass alle seinen Vorschlag hörten. Sollte dieser Vorschlag Antigonos zu Ohren kommen, so wäre der ganze Plan zunichte.

Eine Eskorte führte Seleukos und seine Leibgarde durch die engen Straßen hinauf zur Akropolis. Ihm fiel sofort auf, dass die Soldaten ordentlich gekleidet, gut genährt und sauber aussahen, gar nicht wie Männer, die seit sieben Monaten unter einer Belagerung litten. Auch sonst wirkte die Stadt, als sei alles in schönster Ordnung: Die hölzernen Fensterläden waren an ihrem Platz – diese wurden immer zuerst geopfert, wenn das Brennmaterial zur Neige ging –, die Bevölkerung wirkte nicht abgemagert, und in einer Seitenstraße sah er ein paar Hunde herumlaufen. Sogar einige Katzen dösten in der Sonne, augenscheinlich ohne Angst, in einem Kochtopf zu enden. So werden wir sie niemals aushungern, und das ist Xenophilos natürlich vollauf bewusst. Er wird glauben, die Oberhand zu haben. Ich denke, ich sollte die Nachricht von Eumenes’ Tod eine Weile zurückhalten. Soll er sich erst noch in seiner vermeintlichen Überlegenheit sonnen, ehe ich ihn auf den Boden der Tatsachen hole.

Mit dieser Taktik im Hinterkopf betrat Seleukos den Audienzsaal im Palast des Dareios auf der Akropolis. Es war ein eindrucksvoller Raum; leuchtend blau, gelb und grün glasierte Fliesen bedeckten Boden und Wände und glänzten im Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster hereinfiel. Seleukos’ Schritte und die seiner Eskorte hallten durch den weitläufigen Saal, als er auf Xenophilos zuging.

«Du brauchst dich nicht um deine Sicherheit zu sorgen, Seleukos», versicherte der Garnisonskommandeur zur Begrüßung. «Da du unter solchen Umständen bereit bist herzukommen, drängt sich mir der Schluss auf, dass du etwas Hörenswertes zu sagen hast. Bitte, nimm doch Platz.» Er wies auf einen der beiden Stühle an einem runden Tisch, der mit Wein und Gebäck gedeckt war.

Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich auf sein Wort zu verlassen. Seleukos wandte sich an den Befehlshaber seiner Leibwache. «Wartet draußen.» Während seine Männer hinausmarschierten, nahm er an dem Tisch Platz. Ein Sklave goss Wein und Wasser in die zwei Becher und zog sich dann unaufgefordert zurück.

«Schön», sagte Xenophilos lächelnd. «Nun sind wir unter uns.»

«Und wenn uns jemand belauscht?», fragte Seleukos.

«Wir werden leise sprechen, aber ich denke, ich kann meinen Männern vertrauen. Schließlich sind wir noch immer in der Stadt, und du stehst noch immer draußen vor den Mauern, da du niemanden dazu bewegen konntest, dir die Tore zu öffnen.»

«Das ist ein Argument.»

«Außerdem wirst du bemerkt haben, dass wir in bester Verfassung sind. Ich habe deine Eskorte angewiesen, einen Umweg zu machen, damit du einen Eindruck von den Zuständen in der Stadt gewinnst.» Xenophilos hob mit selbstgefälligem Grinsen seinen Becher. Er war Ende vierzig, halb kahl und ein wenig füllig geworden, seit Alexander ihn vor zehn Jahren zum Kommandeur der Garnison und Hüter der königlichen Schatzkammer ernannt hatte. «Auf dein Wohl, Seleukos.»

Dir wird das Grinsen noch vergehen. Seleukos erwiderte den Trinkspruch. Der Wein war von erlesener Qualität.

«Ja, wir haben hier drin fast alles, was wir brauchen», fuhr Xenophilos fort, dem die anerkennende Miene seines Gastes nicht entging. «Nun, was hast du mir zu sagen, wovon du glaubst, dass es mich dazu verlocken könnte, diesen überaus bequemen Posten zu verlassen?»

«Es liegt nicht in meiner Absicht, dich zu verlocken. Vielmehr könntest du zu dem Schluss kommen, dass es in deinem eigenen Interesse wäre.»

«Weshalb sollte es in meinem Interesse sein, von hier fortzugehen? Doch nur, wenn ich dadurch mein eigenes Leben retten könnte. Aber derzeit sehe ich keine Bedrohung, erst recht nicht durch dich, Seleukos, wenn du die Bemerkung gestattest.»

Seleukos hob abermals seinen Becher. «Gewiss doch. Nein, es war nie geplant, dass ich eine ernste Bedrohung für dich darstelle. Dafür hat Antigonos gesorgt, indem er mir den größten Teil meiner Männer wegnahm, als er nach Norden marschierte. Ich sollte dich lediglich in der Stadt festhalten und ihm später, wenn er wiederkommt, als Sündenbock dienen.»

«Aber was, wenn nicht er wiederkommt, sondern Eumenes?»

«Das wäre eine bemerkenswerte Leistung, eine, die noch nie ein Sterblicher vollbracht hat.»

Xenophilos stutzte. «Willst du damit sagen, dass der Kampf zu Antigonos’ Gunsten entschieden ist?»

«Eumenes wurde vor mehr als einem Monat auf Antigonos’ Befehl erdrosselt.»

«Erdrosselt?»

«Ja, grässlich, nicht wahr?»

Xenophilos griff sich an die Kehle und verzog das Gesicht. «Allerdings.»

«Und Antigenes wurde lebendigen Leibes verbrannt.»

Xenophilos’ Augen weiteten sich, und er schluckte.

Seleukos drehte seinen Becher zwischen den Händen. «Ja, ungefähr so habe ich auch reagiert, als ich die Nachricht erfuhr.»

«Bist du denn sicher, dass es wahr ist?»

«Meine Spione haben keinen Grund, mich zu belügen, ich bezahle sie sehr gut.»

«Aber du hast allen Grund, mich zu belügen.»

«Meinst du wirklich?» Seleukos trank einen Schluck Wein, stellte seinen Becher ab und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die Hände vor dem Bauch verschränkt. «Versetze dich doch einmal in meine Lage, Xenophilos. Wenn Eumenes noch am Leben wäre und den Sieg davongetragen hätte, könnte ich mich durch die Eroberung Susas nicht retten – mit all den Schätzen im Gepäck könnte ich nicht den Männern entkommen, die er zu meiner Verfolgung ausschicken würde. Folglich würde ich Babylon verlieren und wahrscheinlich auch mein Leben. Wenn ich aber stattdessen hier in der Stadt bliebe, würde Eumenes mich belagern. Dann wäre ich zwar ein reicher Mann, säße aber für den Rest meines Lebens in Susa fest. Die dritte Möglichkeit wäre, dass ich Eumenes den Schatz freiwillig ausliefere. Dann wäre mir sein Dank gewiss, und er würde mich vielleicht sogar am Leben lassen, aber Babylon würde er mir dennoch nehmen.»

Xenophilos nickte mit nachdenklich geschürzten Lippen. «Ja, mir scheint, das ist eine realistische Einschätzung der Lage. Und in allen drei Szenarien bleibe ich am Leben und werde großzügig belohnt.»

«So ist es. Wollen wir nun auch die Alternative in Betracht ziehen: dass ich die Wahrheit sage und Eumenes tatsächlich hingerichtet wurde?»

«Unbedingt.»

«Zunächst einmal war ich selbst Zeuge, wie Antigonos zu dir sagte, du hättest dein Todesurteil besiegelt, da du ihm die Stadt nicht ausliefertest.»

«Ja, daran erinnere ich mich gut.»

«Und er würde wohl kaum seine Meinung ändern, wenn er wiederkäme und feststellte, dass du den Schatz noch immer hütest. Oder glaubst du das etwa?»

«Durchaus nicht.»

«Du müsstest also fliehen, hättest aber dasselbe Problem wie ich: Würdest du viel von den Schätzen mitnehmen, dann kämst du nicht schnell genug voran, um den Verfolgern zu entkommen. Ich würde dich zur Strecke bringen, weil ich vielleicht mein eigenes Leben retten könnte, indem ich dich Antigonos ausliefere. Babylon würde er mir aber dennoch abnehmen. Solltest du jedoch beschließen, den Schatz zurückzulassen und mit leichtem Gepäck zu fliehen, dann hättest du eine Chance, es bis ans Meer zu schaffen und bei Ptolemaios Zuflucht zu nehmen, ehe ich dich einhole. Aber welches Interesse hätte Ptolemaios an dir, wenn du als armer Mann zu ihm kämst? Du würdest in Bedeutungslosigkeit versinken. Indessen würde ich Babylon verlieren und zweifellos dafür hingerichtet werden, dass ich dich entkommen ließ. Es sei denn, auch ich würde fliehen und Babylon aufgeben, um mein Leben zu retten. Findest du irgendeinen dieser möglichen Ausgänge verlockend?»

«Nein, wahrhaftig nicht.»

«Ich auch nicht.»

«Bitte sage mir, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt, Seleukos. Du bist doch gewiss hergekommen, um mir einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten?»

Seleukos beugte sich vor, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und drückte die zusammengelegten Finger an die Lippen. «Wir händigen ihm den Schatz aus, bevor er kommt, um ihn sich zu holen. Du bringst das Gold zu ihm.»

«Ich?»

«Ja, du.»

«Aber er würde mich doch gewiss trotzdem töten?»

«Nicht, wenn du daran mitgewirkt hättest, eine Verschwörung gegen ihn aufzudecken.»

Xenophilos lächelte. «Und das werde ich getan haben?»

«Wir beide werden das getan haben.»

«Wen werden wir denn Antigonos’ Zorn ausgeliefert haben?»

«Peithon.»

Xenophilos’ Lächeln wurde breiter. «Ich könnte mir schwerlich jemanden vorstellen, der es mehr verdient hätte. Schließlich war er es, der den Krieg hier draußen begonnen hat, indem er den Satrapen von Parthien stürzte und ihn durch seinen eigenen Bruder ersetzte, woraufhin sich die anderen Satrapen des Ostens gegen ihn verbündeten und ihn schlugen.»

«Was wiederum dazu führte, dass Eumenes in den Osten kam, um sich mit dem Bündnis zusammenzuschließen, nachdem Antigonos ihm seine Flotte abgenommen hatte –»

«Sodass er keine Möglichkeit mehr hatte, seine Armee nach Europa überzusetzen, um Olympias gegen Kassandros zu unterstützen. Hätte er das getan, dann hätte Antigonos seine Aufmerksamkeit auf den Westen gerichtet. Wahrhaftig ein Jammer, dass es so gekommen ist. Uns wäre vieles erspart geblieben, wenn Peithon nicht den Osten gegen sich geeint hätte.»

«Ja, und Antigonos wird geneigt sein, unsere Geschichte zu glauben, da Peithon bereits kurz nach Alexanders Tod versuchte, die fünfundzwanzigtausend griechischen Söldner in seine Armee aufzunehmen, die ihre Posten im Osten verlassen hatten, um zurück ans Meer zu marschieren.»

«Ich erinnere mich.»

«Hätte Perdikkas mich damals nicht dorthin entsandt, um die makedonischen Soldaten an ihre Pflicht zu erinnern und dafür zu sorgen, dass sie die Abtrünnigen bis auf den letzten Mann niedermetzelten, dann wäre Peithon in der Lage gewesen, mit seiner vergrößerten Streitmacht in die Rebellion zu gehen. Ich bin sicher, dass Antigonos sich dessen bewusst ist.»

«Und was soll Peithon diesmal getan haben?»

«Nicht mehr, als er zweifellos tatsächlich tut, nun, da Antigonos Medien verlassen hat und gen Süden in die Persis marschiert: Beschränkt, wie er ist, wird Peithon die Gelegenheit nutzen, nach Unterstützern zu suchen, um im Osten eine Rebellion anzuzetteln, sobald Antigonos wieder in den Westen zieht.»

«Aber wie sollen wir das beweisen?»

«Für eine Rebellion bräuchte Peithon Geld, aber Antigonos war so umsichtig, die Schatzkammer von Ekbatana zu leeren.»

Xenophilos kicherte beifällig. «Also müsste er sein Glück bei mir versuchen.»

«Und er wird fest davon ausgehen, damit Erfolg zu haben, schließlich hat auch er gehört, wie Antigonos sagte, du hättest dein eigenes Todesurteil besiegelt.»

«Ein fingierter Brief?»

«Genau genommen zwei: einer an dich, in dem er dich auffordert, ihm den Inhalt der Schatzkammer von Susa auszuhändigen, und dir im Gegenzug anbietet, dich zum Satrapen der Susiana zu machen, wenn er den Osten unter seine Herrschaft gebracht hat. Und einen an mich, in dem er anbietet, mir Soldaten zur Verfügung zu stellen, damit ich Susa erstürmen kann, ehe Antigonos eintrifft – er und ich würden uns dann den Inhalt der Schatzkammer teilen.»

«Ha! Ein Meisterstreich: So stünde Peithon als doppelter Verräter da.»

«Genau. Ich glaube, Antigonos wird kaum anders können, als das für die Wahrheit zu halten. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass Peithon nicht sonderlich subtil ist – und, nebenbei bemerkt, auch nicht übermäßig intelligent. Ich werde einen Eilboten entsenden, um Antigonos die traurige Kunde zu überbringen, noch ehe er Persepolis erreicht.»

«Und ich?»

«Ich gebe dir die Hälfte meiner zweitausend Soldaten, damit sie dich zusammen mit deinen eigenen zweitausend gen Süden begleiten. Den gesamten Inhalt der Schatzkammer nimmst du mit – nachdem wir jeweils eine Kleinigkeit für unsere Auslagen abgezweigt haben, versteht sich.»

«Versteht sich.»

«Ich denke, das ist die richtige Anzahl Männer, um den Eindruck zu erwecken, dass du ihm den Schatz sicher überbringen und nicht mit ihm darum kämpfen willst.»

«Das will ich hoffen. Und was ist mit dir?»

«Ich lasse fünfhundert Mann als Garnison hier und führe die übrigen fünfhundert zurück nach Babylon. Dann kann ich nur hoffen, dass Antigonos mir die Stadt überlässt, wenn er dort ankommt, nachdem wir ihm Peithon und den Schatz von Susa übergeben haben. Vergiss nicht, er hat bereits Teutamos und Pythan als Befehlshaber in seine Streitmacht aufgenommen, weil sie ihm Eumenes ausgeliefert haben. Hoffen wir, dass sich der Einäugige uns gegenüber ebenso gütig zeigt.»

Antigonos der Einäugige

«Bei meinem Arsch! Bei meinem verschwitzten Arsch! Der Mann muss ein Schwachkopf sein.» Antigonos war nicht in bester Laune. Er hatte den Eilboten, der ihm Seleukos’ Nachricht überbracht hatte, mit einem Fußtritt hinausbefördert, sodass der Mann der Länge nach in den Schlamm vor dem Zelteingang gestürzt war.

«Vater, du weißt doch, wie er ist. Weshalb überrascht dich das so?» Antigonos’ Sohn Demetrios hatte Mühe, sich das Schmunzeln zu verbeißen. Das Gesicht des nunmehr einundzwanzigjährigen Mannes war trotz der ausgeprägten Nase weit gefälliger als das graubärtige, wettergegerbte Antlitz seines einäugigen Vaters. Nun fuhr Demetrios sich mit den Fingern durch die üppigen schwarzen Locken und strich sie sich aus der Stirn. «Man konnte Peithon noch nie nachsagen, ein kluger Mann zu sein. Nun tu bitte nicht so, als sei dir das neu.»

Der Welpe hat recht. Warum überrascht es mich so, dass Peithon nicht nur eine Rebellion plant, sondern sich dabei auch noch so tölpelhaft anstellt? Ich hätte ihn eben nicht in seinem Amt belassen sollen. Antigonos wischte sich eine rötliche Träne ab, die aus der vernarbten linken Augenhöhle sickerte, und funkelte seinen Sohn mit dem verbliebenen rechten Auge an. «Ich habe die Schatzkammer von Ekbatana ja eigens geleert, um zu verhindern, dass er – oder später einmal ein anderer von mir ernannter Satrap von Medien – in die Rebellion geht. Und schon schreibt er an Xenophilos in Susa und versucht, das dortige Gold an sich zu bringen! Bei meinem Arsch!»

Demetrios ließ sich von seiner Entrüstung nicht anstecken. «Nun, einem Mann mit wenig Verstand muss das wie ein geschickter Zug erschienen sein. Schließlich hat er mit angehört, wie du Xenophilos mit dem Tod bedrohtest, als er dir den Zugang zur Schatzkammer von Susa verwehrte. Peithon nahm eben an, Xenophilos werde sich auf seine Seite schlagen, um sein eigenes Leben zu retten.»

«Doch stattdessen wendet der Mann sich an Seleukos, damit dieser mich warnt, und dabei stellt sich heraus, dass Peithon auch schon an Seleukos herangetreten ist. Der Mann muss wahrhaftig ein Schwachkopf sein!»

«Vater, das haben wir doch bereits festgestellt. Wollen wir uns nun der Frage zuwenden, was wir bezüglich dieses Schwachkopfes unternehmen?»

«Machst du dich etwa über mich lustig?»

Demetrios atmete tief durch. «Nein, Vater. Ich finde lediglich, du hast genug gewütet. Nun wäre es an der Zeit, Entscheidungen zu treffen.»

«Ach, nachdem du abermals Vater geworden bist, hältst du dich wohl für besonders reif und mich für einen rasenden alten Mann, dem man behutsam zureden muss, wie?»

«Nein, Vater. Dass Phila die kleine Stratonike zur Welt gebracht hat, tut hier nichts zur Sache. Du bist schon seit fast drei Jahren Großvater, seit der Geburt des kleinen Antigonos, also solltest du dich allmählich daran gewöhnt haben. Was unternehmen wir nun bezüglich Peithon?»

«Ihn töten, was sonst?»

«Sehr schön, nun kommen wir allmählich voran. Und wie bewerkstelligen wir das? Setzen wir Meuchelmörder auf ihn an? Ich fürchte allerdings, Archias der Verbanntenjäger ist zu weit entfernt, um den Auftrag in nächster Zeit auszuführen, und ich kenne keinen verlässlicheren Mann für diese Mission. Oder sollen wir Peithon unter irgendeinem Vorwand zu uns beordern?»

Antigonos, der im Zelt auf und ab gegangen war, blieb stehen und kratzte sich energisch in seinem grau melierten Bart. «Erst mal brauche ich etwas zu trinken», stellte er fest, goss reichlich geharzten Wein in einen Becher und stürzte ihn in einem Zug hinunter. «Wir lassen ihn zu uns kommen», entschied er dann. «Bei einem Meuchelmord kann zu viel schiefgehen, selbst wenn man einen so erfahrenen Mann wie Archias beauftragt – der übrigens nach meinen jüngsten Informationen bei Ptolemaios weilt. Nein, wir sind fünfzehn Tage von Persepolis entfernt, also bestellen wir Peithon dorthin. Wenn wir gleich einen Boten hinauf nach Ekbatana entsenden, kann Peithon, sofern er schnell reitet, Persepolis etwa zur gleichen Zeit erreichen wie wir mit der Armee.»

«Aber was soll ihn dazu bewegen zu kommen?»

«Er wird nicht argwöhnen, dass Seleukos oder Xenophilos ihn verraten haben, da er sich ausrechnet, dass die beiden größeren Nutzen davon hätten, mit ihm gemeinsame Sache zu machen.»

Demetrios runzelte die Stirn. «Augenblick mal, Vater – das hätten die beiden tatsächlich. Immerhin hast du Xenophilos mit dem Tod bedroht, und Seleukos hast du mit der vergeblichen Belagerung Susas so dumm dastehen lassen, dass er die von Peithon angebotene Verstärkung eigentlich dankbar annehmen müsste, um sein Gesicht zu wahren. Warum haben sich die zwei überhaupt mit diesen Informationen an dich gewandt?»

Für Antigonos stand die Antwort fest: «Weil sie erkennen, dass auf lange Sicht ich derjenige sein werde, auf dessen Gunst sie angewiesen sind. Seleukos will Babylon behalten und Xenophilos sein Leben. Ha!»

«Ich an deiner Stelle würde Xenophilos jedenfalls verschonen.»

«Ihn verschonen?»

«Ja, und ihn auf seinem Posten belassen.» Demetrios hob beschwichtigend die Hände, da sein Vater aussah, als stünde er kurz vor der Explosion. «Hör mich an, Vater. Ja, er hat dir den Zutritt nach Susa verwehrt, aber das tat er auf Befehl von Eumenes, der zur fraglichen Zeit offiziell der militärische Oberkommandierende im Osten war, ernannt vom damaligen Regenten Polyperchon. Hätte Xenophilos dir die Tore geöffnet, dann würde ich sagen, dass du allen Grund hättest, ihn hinzurichten. Aber da er es nicht getan hat, meine ich, wir könnten uns für den Schatz von Susa gar keinen besseren Hüter wünschen.»

Antigonos füllte seinen Weinbecher nach und leerte ihn wiederum in einem Zug. «Du hast recht, verflucht, du selbstgefälliger Welpe.» Er schmetterte den Becher auf den Tisch. «Xenophilos hat Peithon an mich verraten, und er bringt mir den Schatz sicherheitshalber nach Persepolis. Gewiss befürchtet er, Peithon könnte Susa überfallen, wenn ihm klar wird, dass Xenophilos nicht gemeinsame Sache mit ihm macht. Ich sollte ihn belohnen, und zwar in einer Weise, die auch für mich vorteilhaft ist.»

«Mir scheint, der Wein tut seine Wirkung, Vater.»

Antigonos knurrte und goss seinen Becher abermals voll. «Was Peithon betrifft, so werde ich ihn nach Persepolis locken, indem ich ihm in Aussicht stelle, er könnte bekommen, was er will, ohne in die Rebellion zu gehen: Ich werde andeuten, dass ich ihn zum Oberkommandierenden im Osten ernennen will, sodass er nach seinem eigenen Gutdünken schalten und walten kann, wenn ich wieder in den Westen marschiere. Einer solchen Verlockung kann er sicher nicht widerstehen.»

Demetrios lächelte. «Ganz gewiss nicht, Vater. Und die Reise nach Persepolis wird wohl seine letzte sein.»

«Bis auf die mit dem Fährmann.»

«Ach ja, der Fährmann.»

 

In deutlich gehobener Stimmung blickte Antigonos am Ende eines siebzehntägigen Marsches auf die Mauern von Persepolis in den östlichen Ausläufern des Zagrosgebirges. Leuchtend in der aufsteigenden Sonne, umgaben sie die Hauptstadt der Satrapie Persis, die auf einer künstlich angelegten Terrasse errichtet war. Einst hatte der große Alexander im Rausch, angestiftet von Ptolemaios’ Mätresse Thais, Teile der Stadt niedergebrannt. Heute befand sich hier der Sitz des Satrapen der Persis, Peukestas. Antigonos hatte es eilig, die Stadt zu erreichen, denn hier gedachte er seine Angelegenheiten im Osten endgültig zu regeln. Anschließend würde er frei sein, zurück nach Westen zu marschieren und sich erst um Seleukos, dann um Ptolemaios zu kümmern. Er übertrug also das Kommando über seine Armee für die letzten paar Wegstunden Teutamos und Pythan und ritt mit seinem Sohn voraus, eskortiert von fünfzig Männern der Hetairenreiterei – schildlosen Lanzenkriegern.

Niemand hielt sie auf, als sie unter Hufgeklapper durch das Osttor in die Stadt ritten. Im Gegenteil, sie wurden von einer Ehrengarde empfangen, und Scharen von Stadtbewohnern in Festtagskleidung säumten die Straßen, jubelten ihnen zu und streuten Blumen auf ihren Weg.

«Offensichtlich ist Peukestas darauf bedacht, mich günstig zu stimmen», bemerkte Antigonos, an Demetrios gewandt. Über die breite Hauptstraße ritten sie zur Tachara, dem Winterpalast von Dareios, dem Ersten dieses Namens. Dieser Palast zählte zu den wenigen Gebäuden, die der Brand verschont hatte. Dutzende Kinder sprangen vor ihnen her, und die Eltern standen jubelnd am Straßenrand. In dieser Festtagsatmosphäre erreichte Antigonos die üppigen Gärten vor der Tachara mit ihren Rasenflächen und Springbrunnen, unterteilt von Wegen und grünen Sträuchern. Hier umfing die Ankömmlinge eine wohltuende Ruhe.

«Ich kann verstehen, weshalb Peukestas so daran gelegen ist, hier zu bleiben», bemerkte Demetrios, als sie absaßen und durch das Tor schritten, an dem zwei makedonische Wachen strammstanden.

Antigonos, der noch nie einen Sinn für Schönheit besessen hatte, knurrte nur und marschierte mit schweren Schritten auf das vielfarbige Gebäude zu, das hoch über der üppigen Gartenanlage aufragte. Zu beiden Seiten führten Treppen zu einer Terrasse hinauf, deren Stützmauer ein bunt bemaltes Relief mit Darstellungen der Apfelträger zierte, der Garde der Großkönige des alten Perserreiches. Mächtige Säulen trugen ein hohes Dach, das einst die Könige vor Sonne und Regen geschützt hatte. Hinter der Terrasse und zu beiden Seiten lagen die Räumlichkeiten für die Regierungsgeschäfte des Herrschers. Die Wände waren mit kunstvollen, farbenprächtigen Kacheln bedeckt, die Jagdszenen, militärische Triumphe oder auch abstrakte Muster abbildeten. Zu beiden Seiten des Bauwerks standen auf riesigen Sockeln zwei gewaltige gehörnte Stiere, während auf dem Dach über den beiden Treppen zur Terrasse zwei Löwen thronten und jedem entgegenbrüllten, der sich näherte.

Und auf der Terrasse stand Peukestas, prächtig mit Hosen und einem langen Hemdgewand angetan wie ein Perserfürst, aufrecht und mit steifem Rücken, da er auf dem Kopf eine hohe Tiara trug. Seine Leibgarde aus makedonischen Hypaspisten hatte auf den Stufen Aufstellung genommen. Mit ihren bronzenen Helmen, Brustpanzern und Schilden sowie den roten Mänteln über den Schultern waren sie das einzige westliche Element in diesem orientalischen Bild.

«Wenn er sich einbildet, er könne mich beeindrucken, indem er sich als Barbar verkleidet, dann wird er bitter enttäuscht werden», grollte Antigonos und beschleunigte seinen Schritt. «Sicher hat er es sich den ganzen Morgen in den Arsch besorgen lassen, so, wie er jetzt steht. Er hat sich abscheuliche östliche Sitten angewöhnt, von denen Verrat nicht das geringste Übel ist.»

«Die Satrapie Persis begrüßt Antigonos, den Herrn des Ostens, und lädt ihn zum Willkommensmahl», verkündete Peukestas in feierlichem Ton und streckte Antigonos, der mit knirschenden Schritten über den Schotterweg auf ihn zuging, die Arme entgegen. «Und ich als Satrap, kürzlich durch den Herrn des Ostens in meinem Amt bestätigt, heiße ihn ebenfalls willkommen und nenne ihn den Bären von Makedonien.»

Den Bären von Makedonien, bei meinem Arsch! Dem werde ich es zeigen. «Lass dieses orientalische Getue, Peukestas», fauchte Antigonos, am Fuß der Treppe angekommen. «Du bist Makedone, kein in die Jahre gekommener persischer Lustknabe, also benimm dich entsprechend.» Während er die Stufen hinaufstieg, wandte er sich an die Wachen. «Was haltet ihr Jungs von all diesem asiatischen Firlefanz? Lacht ihr darüber? Oder habt ihr euch auch schon an Hosen und eisgekühlte Getränke gewöhnt?» Die Männer hielten den Blick geradeaus gerichtet und schwiegen. Demetrios ging hinter seinem Vater die Treppe hinauf.

Peukestas wandte sich Antigonos zu, als der auf die Terrasse trat, und lächelte durch seinen mit Henna gefärbten, zu Ringellöckchen gedrehten Bart, der ihm bis zur Brust reichte. Er hielt noch immer die Arme ausgestreckt, doch in seinen Augen schien Besorgnis auf, als sein Gast seinen Schritt verlangsamte.

Dann streckte Antigonos ebenfalls die Hand aus, aber nicht, um die seines Gastgebers zu ergreifen – stattdessen schlug er Peukestas blitzschnell mit der flachen Hand die Tiara vom Kopf. «Seit wann tragen Makedonen solchen weibischen Kopfputz?»

Peukestas fiel vor Schreck die Kinnlade herunter, und er starrte Antigonos fassungslos an, während die Tiara klirrend auf den Fliesenboden fiel, ein Stück rollte und gegen eine Säule prallte. «Aber ich wollte dich doch nur willkommen heißen», brachte er nach einer Weile heraus, «und dir ein Kompliment machen.»

«In diesem Aufzug?» Antigonos zog am weiten Ärmel von Peukestas’ Gewand, dann spuckte er angewidert auf die zierlichen gelben Pantoffeln des Satrapen. «Und du meinst, es sei ein Kompliment, wenn du mich den Bären von Makedonien nennst?»

Peukestas warf rasche Blicke nach links und rechts, doch niemand eilte ihm zu Hilfe. Seine Wachen standen auf ihren Plätzen und starrten geradeaus, als hätten sie den Angriff auf ihren Satrapen gar nicht bemerkt. «Alexander war der Löwe von Makedonien, deshalb hielt ich ‹Bär› für ein passendes Kompliment für dich.»

«Nenn mich meinetwegen den geharzten Kyklopen oder auch einfach den geharzten Arsch, wie meine Männer es tun, aber versuche nicht, mir mit albernen Heldennamen zu schmeicheln. Wir beide wissen, dass ich ein Makedone und ein Mann von klaren Worten bin, während du anscheinend vergessen hast, wer du einmal warst. Jetzt komm mit.» Er packte Peukestas an seinem bestickten Kragen und zerrte ihn zu einer offen stehenden Flügeltür. Sie führte in den Gartensaal, wo einst der König der Könige seine Mußestunden verbracht hatte.

«Vater!», rief Demetrios, der ihm folgte. «Es reicht jetzt!»

Doch Antigonos ließ sich nicht bremsen. «Ich entscheide, wann es reicht. Du bleibst hier.» Im Saal stieß er Peukestas auf eine Liege. «Hast du wirklich geglaubt, du könntest mich mit diesem Auftritt beeindrucken?»

Peukestas sah mit hasserfülltem Blick zu ihm auf. Der erste Schreck über die grobe Behandlung schlug nun in lodernden Zorn um. «Meine Würde, Antigonos, wurde aufs Schwerste beschädigt.»

«Deine Würde ist dir abhandengekommen, als du das erste Mal Hosen anzogst. Wo war denn deine Würde, als du Eumenes an mich verraten hast, um die Persis zu behalten? Was glaubst du wohl, was deine Männer davon hielten, dass du ihnen bei Paraitakene befahlst, das Schlachtfeld zu verlassen? Ja, mir kam unsere Vereinbarung ganz gelegen, aber es hat mir keine Freude bereitet, mit so einem raffgierigen kleinen Verräter gemeinsame Sache zu machen. Sofern ich jemals um der alten Zeiten willen eine gewisse Achtung für dich empfand, so war es darum geschehen, als ich erkannte, wie du in Wahrheit bist. Wenn du auch nur ein Fünkchen Würde besäßest, wären deine Wachen dir zu Hilfe geeilt, aber nein, sie haben nur dagestanden und nichts unternommen. Und warum? Weil sie wussten, dass ich recht habe. Weil auch sie erkennen, was du bist. So, und sofern du nicht vorhast, für uns Die Perser von Aischylos aufzuführen – du scheinst dich ja bereits als Xerxes verkleidet zu haben –, lege jetzt dieses alberne Kostüm ab und zieh dir was Anständiges an. Dann kannst du mich meinetwegen zu diesem Willkommensmahl laden, das bestimmt unnötig exotisch sein wird.» Er wandte sich zum Gehen, ohne eine Erwiderung abzuwarten.

«Und, fühlst du dich jetzt besser?», fragte Demetrios, als Antigonos wieder auf die Terrasse hinaustrat.

«Nein.»

«Warum hast du dem Mann dann diese Schmach angetan?»

«Weil er nicht nur sich selbst lächerlich macht, sondern auch mich, wenn es so aussieht, als würde ich seine Albernheiten gutheißen.»

«Und mit gutheißen meinst du, dass du nicht in aller Öffentlichkeit handgreiflich gegen ihn wirst?»

«Er kann von Glück sagen, dass ich ihm nur die Tiara vom Kopf geschlagen habe. Ich wusste ja schon, dass es schlimm um ihn steht, als ich nach Paraitakene seinen Bart sah, aber da trug er wenigstens noch eine makedonische Uniform, wenn auch mit Hosen darunter. Was ich eben gesehen habe, ist für einen Makedonen völlig inakzeptabel, erst recht für einen Satrapen – einen, den ich noch dazu in seinem Amt bestätigt habe. Wenn ich hier einen Perser zum Satrapen haben wollte, dann hätte ich einen ernannt. Die Idee, den Osten mit dem Westen verschmelzen zu wollen, war Alexanders großer Fehler, dadurch wird nur das makedonische Blut geschwächt. Aber der Gedanke, dass Makedonen aus freien Stücken orientalische Sitten übernehmen, ist erniedrigend. Wir werden dadurch Respekt einbüßen.»

«Ich denke, du irrst, Vater. Wenn wir den Osten halten und von seinem Reichtum profitieren wollen, dürfen wir nicht als überlegene Herrscher auftreten, sondern müssen diesen Menschen auf Augenhöhe begegnen und die Herrschaft mit ihnen teilen.»

«Das tun wir doch. Was glaubst du denn, warum ich den Perser Orobantes zum neuen Satrapen von Parthien ernannt habe? Und weshalb habe ich wohl all die anderen Orientalen in ihren Ämtern bestätigt? Mir geht es darum, dass wir uns nicht mit ihnen gemeinmachen dürfen. Die Asiaten sind viel zahlreicher als wir Makedonen – wenn andere Peukestas’ Beispiel folgten, würden wir einfach in ihrer Kultur aufgehen. Ich habe eben klargestellt, was ich, der ‹Bär von Makedonien›» – er schnaubte über den lächerlichen Beinamen –, «von Leuten halte, die einheimische Sitten übernehmen. Nein, wenn wir das zulassen, wird das makedonische Reich nicht mehr lange Bestand haben, es käme zu einer Vermischung der Kulturen. Schau dir zum Beispiel Seleukos an: Er hat seine persische Frau behalten, und inzwischen hat er drei Kinder von ihr, die halb Perser, halb Makedonen sind. Es hat bereits begonnen, und wir dürfen nicht zulassen, dass es um sich greift.» Er schaute sich auf der Terrasse um. «Nun, ich nehme an, irgendjemand hier weiß, wo wir untergebracht werden sollen. Wir sehen uns nachher beim Gastmahl.» Damit marschierte er davon. Sein Sohn stand da und blickte ihm nach, tief in Gedanken versunken.

 

Das Festmahl war so, wie Antigonos schon geargwöhnt hatte: überaus steif und förmlich, wie es unter Persern von hohem Stand üblich war, ohne die Ausgelassenheit, die nach Antigonos’ Meinung zu einem guten Mahl mit reichlich Wein gehörte. Aus einer Ecke des Festsaals drang unablässig der Klang von Instrumenten. Die Musiker waren nicht zu sehen, doch in Antigonos’ Ohren klang ihr Spiel wie die Klagelaute eines verwundeten Wildtiers, das man dringend von seinem Leid erlösen sollte. Es wurde steif Konversation getrieben. Peukestas, nunmehr nach makedonischer Sitte gekleidet, wollte seinem Gast gefallen, hatte aber zugleich Sorge, was seine persischen Edelleute wohl davon halten würden, wenn er sich gebärdete wie ein eingefleischter Makedone bei einem ausgelassenen Gelage. Es war nicht zu übersehen, wie unbehaglich der Mann sich in der Gesellschaft seiner Landsleute fühlte und wie sehr ihm daran gelegen war, Rücksicht auf die Empfindlichkeiten eines besiegten Volkes zu nehmen. Indessen hatte Antigonos über Peukestas’ Zukunft entschieden, und die aufgetragenen Speisen bestärkten ihn in seinem Entschluss: Es waren kunstvoll angerichtete kleine Häppchen, sodass er das Gefühl hatte, nichts Anständiges zwischen die Zähne zu bekommen.

«Was soll das darstellen?», fragte er und hielt einen gebratenen Wildvogel hoch, der mit tiefrotem Gewürz überzogen war.

«Das ist eine gebratene Wachtel in Sumach», antwortete Peukestas und wischte sich die Fingerspitzen an einem feuchten Meeresschwamm ab. Das orientalische Gewand mochte er abgelegt haben, nicht jedoch die orientalischen Sitten – und auch die Barttracht nicht. «Man zupft das Fleisch von den Knochen und verzehrt es.»

«Scheint mir kaum der Mühe wert zu sein», bemerkte Antigonos halblaut, warf das Objekt seines Missfallens hinter sich und schaute sich auf dem Tisch nach etwas um, das seinen herzhaften Appetit befriedigen könnte. «Was ist das da?» Er zeigte auf eine längliche Speise in Form einer Wurst, die mit kleinen, hellen Körnchen bedeckt war.

«Das ist eine Schweinelende, in Honig gegart und in Sesam gewälzt – köstlich, sie mundet besonders gut zusammen mit dem Reis mit Rosenwasser, Mandeln und gedörrten Aprikosen.»

Antigonos knurrte. Er packte die ganze Schweinelende, biss von einem Ende ab und begann genüsslich zu kauen. Teutamos und Pythan, die auf Liegen neben ihm ruhten, lachten über seine schlechten Manieren und griffen ebenfalls nach Fleischstücken.

Persische Edelleute, die in ihrer Nähe zu Tische lagen, wandten den Blick ab und tuschelten untereinander.

«Hmm, nicht übel», stellte Antigonos fest und warf das Fleisch über den Tisch hinweg Demetrios zu. «Probier mal.»

Demetrios fing es mit einer Hand auf, legte es auf seinen Teller und schnitt sich mit einem Messer etwas davon ab, was viele der Perser mit beifälligem Raunen quittierten. Sie vermieden es noch immer, Antigonos anzuschauen, der sich jetzt schmatzend den Honig von den Fingern leckte.

«Gibt es nicht was Größeres, vielleicht einen im Ganzen gebratenen Bock oder Keiler?», rief Antigonos so laut, dass alle zweihundert Gäste im Saal ihn hörten. «Ich habe genug von diesen albernen Häppchen.»

«Diese albernen Häppchen, wie du sie nennst, zählen zu den erlesensten Speisen, die der Mensch kennt», sagte ein Perser am Nachbartisch und stand auf. «Dass du sie nicht zu würdigen weißt, sagt mehr über dich aus als über das Essen.»

Es wurde ganz still im Saal, während der Perser dastand und Antigonos anstarrte.

Antigonos lächelte, doch es war kein erfreulicher Anblick. «Sieh an, ein Orientale mit Mumm in den Knochen. Demetrios, notiere den Ort und das Datum – zu Hause wird uns das niemand glauben. Wie heißt du?»

Der Perser ließ sich nicht einschüchtern. «Thespios. Meine Familie ist ursprünglich griechisch und stammt aus Lydien, aber wir leben schon seit Generationen hier in Persepolis. Du scheinst in der Absicht hergekommen sein, uns und unsere Kultur mutwillig zu beleidigen. Aber wir wissen, dass es auch anständige Makedonen gibt, die unsere Sitten respektieren. Peukestas hier ist einer von diesen, und wir sind dankbar, ihn als unseren Satrapen zu haben.»

«Nun, ich fürchte, dann muss ich euch enttäuschen: Ich habe entschieden, dass Peukestas nicht zum Satrapen taugt. Ich werde ihn daher seines Amtes entheben und statt seiner jemanden mit etwas mehr Autorität ernennen.»

Peukestas riss entsetzt die Augen auf. «Aber du hast mir die Satrapie versprochen!»

«Ich weiß, aber ich habe es mir anders überlegt.»

«Einen anderen Satrapen könnten wir schwerlich unterstützen», erklärte der Perser und stellte sich neben Peukestas.

«Ach, ist das so, Thespios?» Antigonos hob eine Hand. «Wachen!» Von der großen Flügeltür des Saals, wo sie Posten bezogen hatten, eilten ein halbes Dutzend Männer herbei. Antigonos zeigte auf den Perser. «Teutamos, ergreife diesen Mann und töte ihn.»

Thespios starrte Antigonos voller Grauen an, während Teutamos sich achselzuckend von seiner Liege erhob. «Das kannst du nicht tun.»

«Warum nicht? Du hast eben gesagt, du sähest dich nicht in der Lage, einen anderen Satrapen zu unterstützen. Folglich bist du ein Verräter, und ich als der ‹Bär von Makedonien›muss entsprechend hart durchgreifen.» Antigonos stand auf und ließ den Blick über die Schar der Gäste wandern. «Gibt es hier noch jemanden, der meint, den neuen von mir ernannten Satrapen – wer immer das sein wird – nicht unterstützen zu können, und sich Thespios anschließen möchte?»

Niemand war erpicht darauf, das Schicksal des unseligen Thespios zu teilen, der nun von Teutamos und den Wachen abgeführt wurde.

«Gut, damit wäre das geklärt.»

Peukestas starrte Antigonos noch immer flehentlich an – was aus seinem treuen Unterstützer wurde, schien ihn gar nicht zu interessieren. «Antigonos, als ich mich bereit erklärte, meine Männer bei Paraitakene vom Schlachtfeld zu führen, hast du mir im Gegenzug versprochen, mich in meinem Amt hier in der Persis zu bestätigen.»

Antigonos ließ sich wieder auf seiner Liege nieder und schüttelte ungläubig den Kopf. «Du musst doch genug politischen Verstand besitzen, um zu begreifen, dass man jemandem, der seine Freunde so bereitwillig verrät, nicht trauen kann? Somit sind Versprechen an einen solchen Mann null und nichtig. Ach, das übersteigt deinen politischen Verstand? Egal. Ich werde schon einen Posten für dich finden, der deinen beschränkten Geistesgaben und deiner maßlosen Eitelkeit angemessen ist. Wie wäre es, wenn ich dich anstelle des kleinen Griechen zum militärischen Oberkommandierenden in Asien mache? Das klingt doch sehr bedeutend, findest du nicht?»

«Antigonos, du hast mir die Persis versprochen!»

«Oberkommandierender in Asien ist viel wichtiger.»

«Ich dachte, diesen Posten sollte ich bekommen, Antigonos», ertönte eine Stimme vom Eingang her.

Antigonos schaute sich um und sah, wie Peithon den Saal betrat. Ah, sehr gut! Nun wird es doch noch ein vergnüglicher Abend. «Peithon! Sieh an, sieh an, die Wachen haben heute Abend viel zu tun. Und ich werde noch früher als gedacht nach Westen marschieren können, um mich mit Seleukos zu befassen.»

Seleukos der Elefantenbulle

Seleukos zog westwärts gen Babylon. Endlich sah er über die Ebene hinweg in der Ferne die äußere Stadtmauer golden in der Morgensonne leuchten. Bei dem Anblick durchströmte ihn Erleichterung darüber, dass er die hundert Parasangen von Susa ohne größere Verluste hinter sich gebracht hatte. Schließlich hatte er seine Frau sowie sechshundert Talente in Gold und Silber bei sich, seine Eskorte war nur fünfhundert Mann stark, und sein Weg hatte durch Landstriche geführt, die Eumenes vor einem Jahr auf seinem Marsch aus dem Norden in den Ostteil der Satrapie ausgeplündert hatte.

Der listige kleine Grieche hatte seine Armee in drei Kolonnen aufgeteilt und in Abständen nebeneinander marschieren lassen, um so viel wie möglich von dem mitzunehmen, was Babylonien zu bieten hatte. Die Bevölkerung hatte schwer darunter gelitten; viele hatten ihre Dörfer und Städte verlassen, weil sie sich dort nicht mehr ernähren konnten. Und diejenigen Einwohner, die geblieben waren, hatten noch nicht die nächste Ernte eingebracht – das würde erst in zwei Monden geschehen, zu Mittsommer. Besitzlose, verzweifelte Menschen jeden Alters streiften in Horden durchs Land, unterernährt, raubtierhaft, einzig von ihrem Überlebensinstinkt getrieben. Auf Seleukos’ Marsch war keine Nacht vergangen, ohne dass die abgerissene Schar, die ihm und seinen Leuten folgte, irgendeinen Überfall versuchte – sei es auch nur, dass sie einen einzelnen Wachposten töteten, um ihm den Geldbeutel abzunehmen. In einer Nacht hatten fast zweihundert der verzweifelten Menschen gemeinsam versucht, den Teil des Lagers zu stürmen, wo die Pferde angebunden standen. Sie wollten die Tiere rauben, um sie zu schlachten und zu essen. Viele der Angreifer waren bei dem Versuch getötet worden. Seleukos hatte keins seiner Pferde verloren, aber dieser Vorfall hatte ihm drastisch vor Augen geführt, was der Krieg in seiner Satrapie angerichtet hatte.

Nachdem er den Tigris überquert hatte, war er in Landstriche gekommen, wo es um die Versorgung weit besser bestellt war, denn so weit nach Süden war Eumenes nicht vorgedrungen. Doch diese Ungleichheit verursachte ihrerseits Probleme: Plündernde Horden kamen vom östlichen Ufer herüber und überfielen ihre bessergestellten Nachbarn jenseits des Flusses, was Groll und Blutfehden nach sich zog.

Um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, würde er einen Teil des Geldes opfern müssen, das er aus der Schatzkammer von Susa mitgenommen hatte: Er musste damit Getreide kaufen, um es in den ausgeplünderten Gebieten zu verteilen und so das Leid der Bevölkerung zu lindern. Wenn er seine Position in Babylonien weiter absichern wollte, musste er nicht nur Söldner ins Land holen, sondern auch Nahrung.

Niemand begrüßte ihn und seine Kolonne, als sie unter Hufgeklapper durch das Osttor in der äußeren Stadtmauer ritten, die aus schlichtem behauenem Stein bestand und weit weniger prächtig war als die innere Mauer mit ihren blau glasierten Ziegeln. Durch die üppigen Gärten zwischen den beiden Mauern erreichten sie eine Brücke über den Kanal und schließlich das Marduk-Tor. Es war mit Darstellungen von Menschen und Tieren aus der Vergangenheit Babyloniens verziert, aus den glorreichen Tagen Nebukadnezars, der von hier aus sein mächtiges Reich beherrscht hatte. Durch das Tor gelangten sie in die rasterartig angelegten Straßen im Inneren der von Menschen wimmelnden Stadt. Wohin man auch blickte, wurde gekauft und verkauft, Leute stritten, Paare kopulierten in Seitengassen, Bettler saßen am Straßenrand und stellten ihre Missbildungen und Gebrechen zur Schau, damit jemand sich erbarmte und ihnen eine kleine Bronzemünze in die Bettelschale warf.

«Wenigstens scheinen die Leute hier einigermaßen gut genährt zu sein», bemerkte Seleukos, an Apame gewandt, während ihre Eskorte ihnen einen Weg über die breite Straße durch das Stadtviertel Kullab bahnte. Auf Seleukos’ Befehl gingen seine Männer dabei möglichst rücksichtsvoll vor. Er wollte nicht, dass seine Rückkehr in die Stadt bei der Bevölkerung Groll verursachte.

Langsam ritten sie weiter und bogen beim Stadtteil Eridu auf die Prozessionsstraße ein, die an der Südburg im Bezirk Kadingirra vorbei zum Ischtartor führte und von dort weiter zur Hauptburg, wo sich die Schatzkammer befand.

«Nun, Temenos, wie viel Steuern konntest du in diesem Jahr eintreiben?», fragte Seleukos den Kommandeur der Garnison von Babylon, nachdem die mitgebrachten sechshundert Talente sicher in der Schatzkammer verwahrt waren.

Temenos, ein Mann Mitte dreißig, dessen vornehme Gewandung und Schmuck zeigten, dass er die Annehmlichkeiten des Ostens schätzte, sog die Luft zwischen den Zähnen ein.

Seleukos deutete das richtig. «Wenig?»

«Ja, Herr, wegen der Hungersnot im Norden und Osten der Satrapie.»

Damit war zu rechnen. «Was würdest du sagen, wie viel?»

«Wir haben etwa die Hälfte dessen eingenommen, was normalerweise in einem guten Jahr zu erwarten wäre. So gering war der Ertrag noch nie, seit Alexander mich seinerzeit zum Befehlshaber der Garnison ernannte.»

«Die sechshundert Talente dürften also gerade genügen, um die Ausfälle auszugleichen?»

«Ja, so gerade.»

«Fang an, Getreide aufzukaufen, wo immer welches zu bekommen ist. Ich muss die Lage stabilisieren.»

«So soll es geschehen, Herr. Übrigens ist Babrak, der Kaufmann aus dem Volk der Pakhta, kürzlich in der Stadt eingetroffen und hatte diesbezüglich einen Vorschlag. Er wartet darauf, dass du ihn empfängst.»

«Dann mache ihn ausfindig und schicke ihn zu mir.»

 

«Ihr tut mir allzu große Ehre an, edler Herr, dass Ihr mir eine private Audienz gewährt.» Babrak verbeugte sich und berührte mit den Fingern der rechten Hand seine Stirn. Seine Haut sah aus wie gegerbtes Leder, er trug ein weißes Tuch um den Kopf, hatte eine Hakennase und funkelnde dunkle Augen, die tief in den Höhlen lagen.

Seleukos wischte das Kompliment mit einer Handbewegung beiseite und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. «Babrak, wir beide wissen doch, dass es töricht von mir wäre, dich nicht im Privaten zu empfangen. Also tu nicht so, als sei das etwas Besonderes. Doch nun zum Geschäftlichen.»

Babrak grinste, wobei seine rotfleckigen Zähne im Lampenschein schaurig leuchteten. Sie befanden sich in Seleukos’ privatem Arbeitszimmer in der Hauptburg. Seleukos deutete auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches und nickte dem Kaufmann zu.

«Ihr kommt eilends und ohne Vorgeplänkel zur Sache, Herr», bemerkte Babrak, während er Platz nahm, «wie ein reisemüder Kaufmann nach langer Abwesenheit zu seinem liebsten Knaben.»

«Nun, ganz so hätte ich es nicht ausgedrückt, aber ja, ich brenne darauf zu erfahren, was du mir anbieten kannst.»

«Was ich tue, geschieht um Euretwillen und nicht zu meiner persönlichen Bereicherung, edler Herr. Es freut mich, dass ich Euch zu Diensten sein kann.»

«Jaja, nun sag schon, Babrak. Was hast du?»

«Getreide, Herr, fünf Frachtschiffe voll. Sie liegen fünfzig Parasangen stromaufwärts im Hafen von Is, unter schwerer Bewachung – und bedenkt, solch schwere Bewachung ist kostspielig. Mir ist zu Ohren gekommen, wie schändlich der Verräter Eumenes Eure Satrapie ausgeplündert hat, und so entschied ich, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um Euch zu helfen.»

«Natürlich völlig uneigennützig.»

Babrak neigte den Kopf. «Ihr seid zu gütig, Herr.»

«Wie viel Getreide ist es?»

«In drei Schiffen befinden sich je vierhundert Talente, und die übrigen zwei haben fünfhundert geladen.»

«Also insgesamt zweitausendzweihundert Talente. Wie viel verlangst du dafür?»

Babrak breitete die Hände aus und zog die Schultern hoch. «Edler Herr, wie kann ich diese Frage beantworten? Es ist, als würde man einen Bordellwirt ganz allgemein nach dem Preis eines Knaben fragen, ohne die Ware erst in Augenschein zu nehmen oder sich nach den jeweiligen Fertigkeiten zu erkundigen.»

Er spricht in Rätseln. Ob andere auch solche Schwierigkeiten haben, ihn zu verstehen? «Worauf willst du hinaus?»

«Darauf, wie viel Ihr wollt, wo Ihr es haben wollt und wie schnell.»

«Und was hat das mit Bordellwirten und ihren Knaben zu tun?» Seleukos hob abwehrend die Hand, da Babrak sich anschickte, die Frage zu beantworten. «Vergiss es, Babrak. Gewiss war es ein treffender Vergleich. Ich will alles, ich will es hier, und ich will es jetzt. Also wie viel?»

Babrak tat einen schweren Atemzug, als drohe diese gewichtige Frage ihn zu erdrücken. «Mein Herr verlangt eine ganze Menge.»

«Babrak! Treib keine Spielchen mit mir. Ich zahle mehr als den aktuellen Marktwert: eine Silberdrachme pro Mine Korn.»

«Das macht sechzig Drachmen je Talent, das macht …» Babrak nahm beim Rechnen seine Fingerknöchel und die Daumen zu Hilfe. «Einhundertzweiunddreißigtausend Drachmen, das entspricht zweihundertzwanzig Talenten in Silber oder zweiundzwanzig in Gold.»

Seleukos’ Rechenkünste reichten nicht so weit. «Ich werde es überprüfen lassen.»

«Das ist nicht viel mehr, als ich selbst für das Korn bezahlt habe, Herr, und dann hatte ich noch Ausgaben für den Transport und die Wachen.»

«Die fallen in deine Verantwortung, denn ohne sie hättest du die Ware nicht herbringen können, um sie mit Gewinn an mich zu verkaufen.» Seleukos zeigte mit dem Finger auf den Kaufmann. «Mir ist durchaus bewusst, dass du beabsichtigst, mich zu erpressen, indem du drohst, einfach zu gehen und das mitzunehmen, was ich so dringend brauche. Deshalb sage ich dir: Zweihundertfünfzig Silbertalente, sonst beschlagnahme ich deine Schiffe, weil du ohne meine Erlaubnis damit in meine Satrapie gekommen bist.»

«Aber dazu brauche ich deine Erlaubnis nicht, solange ich die Steuer zahle.»

«Die Zeiten ändern sich, Babrak.»

«Zweihundertsechzig Silber-»

«Babrak!»

«-talente wären wahrhaftig ein zu hoher Preis, edler Herr. Also einverstanden, zweihundertfünfzig.»

Er spuckte in die Hand und streckte sie Seleukos entgegen.

Der ergriff sie und besiegelte so den Handel. Damit erkaufe ich mir Zeit, und mir gefällt der Gedanke, dass Antigonos dafür bezahlt.