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In "Alexandre Dumas: Historische Romane, Abenteuergeschichten und Biografien" entführt der Autor die Leser in die faszinierende Welt des 17. und 18. Jahrhunderts, in der Heldentum, Verrat und Intrigen die Geschicke von Nationen bestimmen. Dumas' literarischer Stil zeichnet sich durch eine lebendige und packende Erzählweise aus, die die emotionalen und dramatischen Elemente seiner Charaktere in den Vordergrund rückt. Mit einer geschickten Mischung aus historischer Genauigkeit und fiktiver Ausschmückung schafft er sowohl spannende Abenteuer als auch tiefgehende Einblicke in das soziale und politische Klima seiner Zeit. Die verschiedenen Genres, die Dumas in seinen Werken nutzt, unterstreichen seine Vielseitigkeit als Schriftsteller und seine Fähigkeit, Leser jeden Alters zu fesseln. Alexandre Dumas, geboren 1802 in Frankreich, wuchs in einem kreativen und kulturellen Milieu auf, das sein literarisches Schaffen maßgeblich beeinflusste. Sein Erbe als Nachkomme eines französischen Generals und einer einheimischen Frau half ihm, die Themen von Identität und Gerechtigkeit zu erforschen, die in vielen seiner Geschichten präsent sind. Dumas' persönliche Erfahrungen als abenteuerlustiger Reisender und begeisterter Geschichtenerzähler ermöglichen ihm, seine Figuren in leidenschaftliche und oft dramatische Situationen zu verwickeln, die das Interesse seiner Leser wecken. Dieses Buch ist eine Einladung an alle Literaturbegeisterten und Geschichtsinteressierten, die Inspiration und Leidenschaft hinter Dumas' Meisterwerken zu entdecken. Jedes Kapitel bietet nicht nur spannende Erzählungen, sondern auch wertvolle historische Kontexte, die den Leser tiefer in die Welt der damaligen Zeit eintauchen lassen. Empfohlen für Leser, die sowohl Unterhaltung als auch Bildung suchen, ist dieses Buch eine unverzichtbare Bereicherung sowohl für Fans klassischer Literatur als auch für Neulinge, die sich von Dumas' außergewöhnlichem Talent verzaubern lassen möchten. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine Autorenbiografie beleuchtet wichtige Stationen im Leben des Autors und vermittelt die persönlichen Einsichten hinter dem Text. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Diese Sammlung versammelt in repräsentativer Breite historische Romane, Abenteuergeschichten und biografische Arbeiten von Alexandre Dumas. Sie führt zentrale Großwerke ebenso wie ausgewählte kürzere Erzählungen zusammen und möchte den erzählerischen Radius eines Autors sichtbar machen, der das 19. Jahrhundert mitgeprägt hat. Enthalten sind vollständige Romane und novellistische Stücke, die ursprünglich oft in der Zeitung erschienen und später in Buchform verbreitet wurden. Der Band ist nicht als vollständiges Gesamtwerk konzipiert, sondern als wohlüberlegte Zusammenstellung, die Epochen, Stoffe und Tonlagen bündelt und zugleich den Zugang zu Zyklen und Einzelwerken erleichtert.
Im Zentrum des historischen Erzählens stehen die Musketier-Romane: „Die drei Musketiere“, „Zwanzig Jahre nachher“ und „Zehn Jahre später (oder der Graf von Bragelonne)“. Ausgehend von der Ankunft eines jungen Gascogners in Paris, durchschreiten diese Bücher wechselnde Machtkonstellationen und zeichnen ein Panorama höfischer Politik, persönlicher Loyalitäten und riskanter Unternehmungen. Sie verbinden Mantel-und-Degen-Schwung mit feinem Dialogwitz, taktischer Raffinesse und situativer Komik. Die Fortsetzungen vertiefen Figuren und Motive, ohne die Ausgangsfaszination zu verlieren: Freundschaft, Ehre und Entscheidungsfreiheit behaupten sich im Spannungsfeld historischer Umbrüche.
„Der Graf von Monte Christo“ zeigt Dumas’ Sinn für dramatische Setzungen und seelische Spannungsbögen. Aus einer Situation existenzieller Bedrängnis erwächst ein weiter erzählerischer Raum, der Reise, Geheimnis, Gesellschaftssatire und psychologische Studie miteinander verknüpft. Die anfängliche Belagerung eines Lebens durch Verrat und Willkür eröffnet Fragen nach Gerechtigkeit, Identität und Selbstentwurf. Dumas entfaltet die Handlung mit rhythmischer Präzision, wechselt Register und Schauplätze, schafft Nebenfiguren mit eigener Kontur und hält die Erzählung dennoch eng auf die Ausgangslage zurückgeführt, sodass die Leserinnen und Leser stets den inneren Motor der Geschichte spüren.
Breiten Raum nimmt der Zyklus um das Ende des Ancien Régime und die Französische Revolution ein. „Joseph Balsamo“, „Das Halsband der Königin“, „Ange Pitou oder Die Erstürmung der Bastille“ und „Die Gräfin Charny“ führen vom späten Hofmilieu in den Straßenraum der Erhebung. Dumas erkundet, wie Gerüchte, Skandale, populäre Stimmungen und persönliche Entscheidungen in die große Geschichte eingreifen. Das Erzählverfahren verknüpft dicht beobachtete Szenen mit politischem Hintergrund, ohne das Blickfeld der Figuren preiszugeben. Intrige, Volksbewegung und private Bewährungsprobe bilden hier eine Einheit, die den historischen Prozess zugleich sinnlich erlebbar und narrativ fassbar macht.
Das 16. Jahrhundert erscheint in mehreren Facetten: „Die beiden Dianen“, „Die Fünfundvierzig“, „Olympia von Clèves“ und „Otto der Schütz“ spannen den Bogen von höfischer Nähe zu Herrschern bis zu Grenzräumen und militärischen Unternehmungen. Dumas nutzt die Bühne der Valois-Zeit für Machtspiele, Loyalitätstests und Konflikte der Glaubensparteien. „Die Fünfundvierzig“ führt eine neue Formation von Akteuren ein, die in krisenhafter Umgebung Handlungsspielräume suchen. „Die beiden Dianen“ beleuchtet den Einfluss privater Bindungen auf politische Entscheidungen. „Olympia von Clèves“ und „Otto der Schütz“ rücken Tapferkeit, List und das Risiko persönlicher Bewährung in den Fokus.
Mit „Der Frauenkrieg“ blickt Dumas auf die Zeit der Fronde, in der rivalisierende Kreise um Einfluss ringen und Allianzen fragil bleiben. Das Werk zeigt, wie Konflikte sich zugleich an Salons, Stadttoren und Schlachtfeldern abspielen und wie weibliche Akteurinnen politische Räume öffnen. Die europäische Perspektive erweitert „Jakob I. und Jakob II.“, das den Blick auf die britische Monarchie lenkt und so Dumas’ Sinn für transnationale Verflechtungen verdeutlicht. Diese Konstellationen unterstreichen, dass historische Umbrüche nicht isoliert entstehen, sondern über Grenzen hinweg durch Handel, Diplomatie, Kultur und Medien zirkulieren.
Der biografische Strang der Sammlung umfasst „Napoleon Bonaparte“, „Lady Hamilton (Memoiren einer Favoritin)“, „Johanna d’Arc“ sowie „Jakob I. und Jakob II.“ als historische Porträts. Dumas nähert sich prägenden Figuren durch erzählerische Verdichtung, episodische Auswahl und anschauliche Szenen, die die Wirkung ihrer Zeit sichtbar machen. Diese Schriften verbinden Elemente der Lebensbeschreibung mit Reflexionen über Macht, Ruhm, Öffentlichkeit und die Wechselwirkung zwischen Individuum und Epoche. Sie stehen damit im Zeichen des 19. Jahrhunderts, das Geschichte als lebendige Erzählung begreift und Charakterstudien als Zugang zum Verständnis politischer Prozesse nutzt.
Die kürzeren Erzählungen dieser Ausgabe demonstrieren Dumas’ Präzision auf engem Raum. „Pauline“, „Pascal Bruno“, „Blanca von Beaulieu“, „Gabriel Lambert – Der Galeerensklave“, „Black“, „Bernhard“, „Catherine (Katharine) Blum“, „Ingénue“, „Don Martin von Fraytas“, „Cherubino und Celestini“, „Kabriolett-Kutscher“, „Ein Liebesabenteuer“, „Ein Maskenball“ und „Das Brautkleid“ entfalten Spielarten von Leidenschaft, Verbrechen, Täuschung und Bewährung. Stadt- und Landmilieus, Salons, Hafenszenen und Festnächte werden mit wenigen Strichen charakterisiert. Wiederkennbar sind die klaren Handlungslinien, die Prägnanz der Dialoge und die Fähigkeit, moralische Konflikte in anschauliche Situationen zu übersetzen.
„Seeabenteuer und Schiffbrüche“ ergänzt diese Palette um maritim geprägte Stoffe, in denen Erfahrungsbericht, Reportage und erzählerische Verdichtung zusammenfinden. Dumas nutzt das Meer als Raum der Prüfung und der Erkenntnis: Schiffe werden zu Bühnen kollektiver Entscheidungen, Küsten zu Grenzsäumen zwischen Sicherheit und Unwägbarkeit. Wiederkehrend sind dabei die Motive der Orientierung, des Zusammenhalts und der Improvisation in Extremsituationen. Die Texte zeigen, wie Beobachtungsgabe, konkrete Dinglichkeit und dramaturgischer Takt auch dort tragen, wo Wetter, Gezeiten und Navigation die Handlung bestimmen.
Stilistisch kennzeichnet Dumas ein energisches Tempo, das aus der seriellen Erstveröffentlichung im Feuilleton erwächst. Kapitel schließen häufig auf Punkte hin, die den Fortgang spannen; Schauplätze wechseln in filmischer Schnelligkeit, und Figuren werden über sprechende Handlungen etabliert. Historische Recherche, lebendiges Kolorit und dialogisches Spiel verbinden sich zu einer Prosa, die gleichermaßen mit Wissen und Überraschung arbeitet. Das Ergebnis ist eine durchlässige Form zwischen Chronik und Roman, in der das Faktische Halt gibt und die Erfindung Beweglichkeit stiftet. So entstehen Welten, die zugleich vergangen und gegenwärtig wirken.
Inhaltlich kreisen die Texte um Freiheit und Bindung, Gerechtigkeit und Schuld, Loyalität und Verrat. Freundschafts- und Wahlverwandtschaften strukturieren die Romane ebenso wie die Suche nach Rang, Anerkennung und Selbstbestimmung. Wiederkehrende Verfahren – Verkleidung, Duell, Reise, Botenwege, geheime Schreiben – sind weniger Effekte als Instrumente, um Handlungsfähigkeit in restriktiven Ordnungen zu verhandeln. Frauenfiguren gewinnen in mehreren Werken markante Konturen, sei es in höfischen Einflusssphären oder im urbanen Erfahrungsraum. Dabei bleibt Dumas der Spannung zwischen privatem Glücksanspruch und öffentlicher Verantwortung verpflichtet.
Die anhaltende Bedeutung dieses Œuvres liegt in seiner Leserfreundlichkeit, seinem Formbewusstsein und seiner thematischen Reichweite. Die hier versammelten Texte lassen sich einzeln genießen und zugleich im Echo aufeinander lesen: Zyklen entfalten zusätzliche Resonanzen, Biografien erhellen die Romane, die Erzählungen schärfen den Blick für Takt und Ton. Die Auswahl möchte Orientierung bieten, ohne die Freiheit der Lektüre zu lenken. Sie lädt dazu ein, bekannte Wege neu zu begehen und weniger bekannte Pfade zu entdecken – im Vertrauen darauf, dass Dumas’ Erzählkunst auch heute noch neugierig macht und bewegt.
Alexandre Dumas (1802–1870) war einer der meistgelesenen französischen Autoren des 19. Jahrhunderts und prägte die romantische Abenteuer- und Historienliteratur. Seine Romane erschienen oft als Fortsetzungsserien und erreichten ein Massenpublikum, das von dramatischer Spannung, zugänglicher Sprache und lebhaften Dialogen gefesselt wurde. Zu seinen international bekanntesten Büchern zählen Die drei Musketiere und Der Graf von Monte Christo, die in zahllosen Ausgaben und Medien weiterleben. Dumas verband akribische historische Recherche mit theatralischer Wirkung, rascher Szenenfolge und pointiertem Witz. Im Spannungsfeld von Monarchie, Revolution und Moderne verhalf er dem Feuilletonroman zu beispiellosem Erfolg und setzte Maßstäbe für populäre Erzählkunst.
Seine Ausbildung verlief pragmatisch: Er arbeitete früh in einer Kanzlei, siedelte nach Paris über und bildete sich als Leser, Theatergänger und Vielschreiber selbst aus. Geprägt von der französischen Romantik und vom historischen Erzählen Walter Scotts, fand er in der Hauptstadt Zugang zu Bühnen, Zeitungen und Verlagen. Dort professionalisierte er die Kunst des Feuilletons, entwickelte ausgefeilte Pläne, recherchierte in Archiven und verwandelte Stoffe der Geschichte in spannungsreiche Folgekapitel. Die Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden, besonders mit dem Historiker Auguste Maquet, strukturierte den Arbeitsprozess; Dumas übernahm Dramaturgie, Stil und Dialogführung und prägte so den unverwechselbaren Ton seiner epischen Erzählwelten.
Seinen größten Popularitätsschub erzielte Dumas mit dem d’Artagnan-Zyklus. Die drei Musketiere begründete 1844 den Triumphzug einer Erzählwelt, die mit Zwanzig Jahre nachher und Zehn Jahre später (oder Der Graf von Bragelonne) fortgeführt wurde. In diesen Romanen verschränkte er historische Kulissen – vom Frankreich Richelieus und Mazarins bis zum frühen Hof Ludwigs XIV. – mit Abenteuern, Freundschaftsidealen und politischer Intrige. Tempo, Witz und memorable Figuren sorgten für enorme Resonanz beim Lesepublikum. Die Geschichten etablierten Muster des Teamabenteuers, die bis heute nachwirken, und prägten die Vorstellung des 17. Jahrhunderts im europäischen historischen Roman nachhaltig.
Parallel entstand Der Graf von Monte Christo, ein gewaltiger Fortsetzungsroman über Unrecht, Geduld und die Versuchungen der Macht. Die Geschichte eines zu Unrecht Inhaftierten, der unter neuer Identität in die Gesellschaft zurückkehrt, verband exotische Schauplätze, kriminalistische Spannfäden und moralische Prüfungen. Der Text wurde zwischen 1844 und 1846 veröffentlicht und entwickelte sich rasch zu einem internationalen Publikumserfolg. Ohne zentrale Wendungen preiszugeben, lässt sich sagen: Dumas lotet darin die Grenzen zwischen Vergeltung und Gerechtigkeit aus und schafft eine Figur, deren Wandel psychologisch fesselnd bleibt, während die Erzählarchitektur exemplarisch für den seriellen Romanbau gilt.
Ein weiterer Schwerpunkt ist Dumas’ groß angelegter Revolutions- und Hofzyklus des 18. Jahrhunderts. Joseph Balsamo, Das Halsband der Königin, Ange Pitou und Die Gräfin Charny spannen einen erzählerischen Bogen vom Ancien Régime bis in die Französische Revolution. Daneben richten Die beiden Dianen und Die Fünfundvierzig den Blick auf die Valois-Zeit; Olympia von Clèves und Otto der Schütz führen in frühere Epochen zurück. Mit Johanna d’Arc und Napoleon Bonaparte beleuchtete Dumas zudem prägende Gestalten der französischen Geschichte. Mehrere dieser Romane entstanden in enger Zusammenarbeit mit Auguste Maquet, ohne dass dies Dumas’ stilistische Handschrift minderte.
Neben den großen Zyklen veröffentlichte Dumas zahlreiche kürzere Erzählungen und Romane, die seine Bandbreite zeigen. Pauline, Pascal Bruno, Gabriel Lambert – Der Galeerensklave, Don Martin von Fraytas und Blanca von Beaulieu verbinden Kriminal-, Liebes- und Gesellschaftsmotive mit Reise- und Abenteuerstoffen. Kabriolett-Kutscher und Seeabenteuer und Schiffbrüche verweisen auf sein Interesse an dynamischen urbanen Milieus und maritimen Stoffen; immer wieder nutzt er Cliffhanger, schnelle Szenenwechsel und scharfe Dialoge. Viele dieser Texte erschienen zunächst als Zeitungsfolgen und wurden anschließend in Buchform verbreitet, was seine enge Verzahnung von literarischer Produktion und Pressemarkt eindrucksvoll belegt.
In späteren Jahren reiste Dumas ausgiebig, engagierte sich publizistisch und gründete Bühnenprojekte wie das Théâtre Historique. Unternehmungen und Großproduktionen führten zeitweise zu finanziellen Belastungen und zu Aufenthalten im Ausland, doch die Produktivität blieb hoch. Er verfolgte politische Umbrüche aufmerksam und unterstützte in Italien publizistisch den Risorgimento, bevor er nach Frankreich zurückkehrte. Dumas starb 1870; sein Vermächtnis zeigt sich in dauerhafter Popularität, neuen Übersetzungen und unzähligen Adaptionen. Figuren aus Die drei Musketiere oder Der Graf von Monte Christo sind zu Ikonen geworden, und seine Erzählweise prägt bis heute Genre, Serienlogik und historische Unterhaltungsliteratur.
Alexandre Dumas, 1802 geboren und 1870 verstorben, schrieb im Zeitalter der Romantik und des aufkommenden Massenmarkts. Die in dieser Sammlung versammelten Romane, Abenteuergeschichten und Biografien durchqueren mehrere Jahrhunderte europäischer Geschichte: vom späten Mittelalter über die Religionskriege des 16. Jahrhunderts und die zentralisierende Monarchie des 17. Jahrhunderts bis zur Aufklärung, der Französischen Revolution, dem napoleonischen Zeitalter und der Restauration. Dumas’ Zugriff ist dabei doppelt historisch: Er bebildert vergangene Epochen und reflektiert zugleich die Konflikte seiner Gegenwart. Seine Stoffe verbinden politische Umbrüche und gesellschaftliche Mobilität mit Themen wie Ehre, Loyalität, Recht und Rache, die den Lesepublika des 19. Jahrhunderts unmittelbar verständlich waren.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Staatsbildung im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Unter Richelieu und später Mazarin wurden Hof und Armee zu Instrumenten der Zentralisierung, während Adelsfaktionen und ausländische Mächte um Einfluss rangen. Diese Konstellation bildet den historischen Hintergrund für die Welt der Musketiere, die am Hof Ludwigs XIII. und in den frühen Regierungsjahren Ludwigs XIV. agieren. Dumas nutzt hier ein Terrain aus diplomatischen Intrigen, Duellen und Religionspolitik, das die Spannung zwischen persönlicher Loyalität und raison d’État sichtbar macht. Die politischen Konvulsionen jener Jahrzehnte erlauben ihm, Fragen von Gehorsam, Freundschaft und legitimierter Gewalt erzählerisch zu entfalten.
Die Religionskriege des 16. Jahrhunderts prägen weitere Romane der Sammlung. Nach der Reformation zerbrach die Einheit des französischen Königreichs in konfessionelle Lager; Massaker, Belagerungen und dynastische Unsicherheiten prägten die Zeit von Heinrich II. bis Heinrich IV. Dumas greift diese konfliktreiche Epoche auf, um die Wechselwirkung von Glaubensstreit, Hofpolitik und regionalen Machtinteressen zu zeigen. Figuren bewegen sich zwischen katholischen und hugenottischen Netzwerken, während die Krone zwischen Konzession und Repression schwankt. Der Roman als Gattung erlaubt dabei, historische Akteure und fiktive Protagonisten in den Wirbel verfassungs- und gewaltpolitischer Entscheidungen einzubetten.
Die Fronde von 1648 bis 1653, eine Serie aristokratischer und städtischer Aufstände gegen die Regentin Anna von Österreich und Kardinal Mazarin, ist ein weiterer zentraler Resonanzraum. Sie demonstriert, wie brüchig die monarchische Ordnung blieb, ehe Ludwig XIV. seine absolutistischen Strukturen festigte. Dumas nutzt diese Bürgerkriegsjahre, um Loyalitätswechsel, Lagerbildung und mediale Meinungsführung zu zeigen. Weibliche Handlungsmacht tritt in Salons und Adelscliquen hervor, was der Titel Der Frauenkrieg in der Tradition der Zeit widerspiegelt. Das Ringen zwischen Provinz und Hof, zwischen Steuerschwere und Patronage, formt den historischen Nerv zahlreicher Handlungsstränge.
Die Spätphase des Ancien Régime, insbesondere unter Ludwig XV. und Ludwig XVI., erscheint als Bühne für Aufklärung, Geheimgesellschaften und Skandale. Dumas greift Motive wie Freimaurerei, Magnetismus und Hofklüngel auf, die im 18. Jahrhundert zirkulierten. Die Affäre um das Halsband der Königin von 1785 beschädigte das Ansehen der Monarchie und wurde europaweit diskutiert. In diesem Klima aus moralischer Verdrossenheit, fiskaler Krise und publizistischer Enthemmung lotet Dumas die Erosion monarchischer Legitimität aus. Seine Erzählungen verknüpfen dabei öffentliche Meinung, mediale Erregung und persönliche Ambitionen zu einem Tableau der Vorkrisenjahre.
Die Französische Revolution von 1789 bildet in mehreren Werken den historischen Kulminationspunkt. Der Sturm auf die Bastille, die Verrechtlichung von Bürgerrechten und die Gewalt der politischen Radikalisierung strukturieren den erzählerischen Raum. Dumas interessiert sich für lokale Mobilisierung ebenso wie für nationale Symbole und die neue Öffentlichkeit. Figuren bewegen sich zwischen Klubs, Nationalgarde, Provinzstädten und der Hauptstadt, während Institutionen neu entstehen oder zusammenbrechen. Diese Romane zitieren zeitgenössische Debatten über Souveränität, Gewaltenteilung und Volksvertretung, ohne das Spannungsverhältnis zwischen idealistischer Hoffnung und politischer Realität zu glätten.
Die Revolutionskriege und die napoleonische Zeit verändern Europas Landkarte sowie das Militär- und Rechtswesen. Dumas’ biografische Darstellung Napoleons ordnet Feldzüge, Verwaltungsreformen und das Aufstiegsversprechen der Meritokratie in einen größeren Prozess von Modernisierung und Herrschaftstechniken ein. Sie knüpft an die Erinnerungskultur der Veteranen und die Legendenbildung des 19. Jahrhunderts an. Zugleich macht die napoleonische Episode sichtbar, wie Mobilität, Karrieren und Loyalitäten neu verhandelt wurden. Für Dumas ist diese Epoche ein Labor des politischen Wandels, dessen Ambivalenzen er in unterschiedlichen Gattungen – von der Biografie bis zum Abenteuerroman – erkundet.
Mit der Restauration und der Julimonarchie verschieben sich wirtschaftliche und soziale Koordinaten, die Dumas besonders in zeitnahen Stoffen einarbeitet. Finanzkapital, Spekulation, Justiz und Presse entfalten eine neue Macht über Aufstieg und Ausschluss. Der Graf von Monte Christo, im Raum der Restauration verortet, nutzt Justizpraktiken, Polizeiapparate und Haftanstalten wie das Château d’If als historische Folie für Fragen nach Recht, Vergeltung und sozialer Selbstermächtigung. Die bagnes in Toulon und anderswo, Relikte älterer Strafsysteme, liefern Anschauungsmaterial für Debatten über Strafe und Moral, die das 19. Jahrhundert intensiver führte.
Dumas weitet seine historischen Panoramen über Frankreich hinaus. Die Beschäftigung mit den Stuart-Herrschern Jakob I. und Jakob II. beleuchtet die britische Konfliktgeschichte zwischen konfessionellen Loyalitäten, Parlamentsrechten und monarchischen Ansprüchen. In Kontinentaleuropa diskutierte man diese Umbrüche spätestens seit der Glorious Revolution als Musterfall für Verfassung und Souveränität. Dumas integriert solche transnationalen Perspektiven, um Verflechtungen politischer Kulturen zu zeigen. Das Interesse an englischen, schottischen und irischen Schauplätzen fügt den französischen Krisenerfahrungen ein Vergleichsmoment hinzu, das seine Reflexion über Legitimität und Widerstand vertieft.
Das Meer, Schifffahrt und Katastrophen bilden eine weitere wiederkehrende Folie. Seeabenteuer und Schiffbrüche verorten Handel, Migration und militärische Operationen in den maritimen Infrastrukturen der Neuzeit. Häfen wie Marseille fungieren als Knoten wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen. Dumas knüpft hier an reale Reiseberichte und nautische Praxis an und nutzt die Gefahren des Meeres als Metapher für das prekäre Gleichgewicht der modernen Welt. Dabei spiegeln nautische Innovationen, Navigationshilfen und Versicherungswesen die technische Verdichtung des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die seinen Figuren neue Horizonte und Risiken zugleich eröffnet.
Biografische Stoffe wie Lady Hamilton führen in die Sphäre europäischer Diplomatie, Kriegführung und gesellschaftlicher Inszenierung um 1800. Emma Hamiltons Nähe zu Admiral Nelson, die britische Politik im Mittelmeer und die Rolle der neapolitanischen Monarchie zeigen, wie persönliche Beziehungen politische Dynamiken überlagern können. Dumas nutzt solche Lebensläufe, um Krisenregionen wie Süditalien und die Adria zu vernetzen. Biografik wird hier zu einer Technik der Geschichte, die Privates und Öffentliches verschränkt und die mediale Geburt moderner Prominenz ebenso reflektiert wie die Umbrüche der napoleonischen und nachnapoleonischen Ordnung.
Die Sammlung beleuchtet die Rolle von Frauen in politischen Prozessen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Ob Königinnen, Hofdamen, Salonnièren oder bürgerliche Akteurinnen: Sie vermitteln, intrigieren, organisieren Netzwerke und prägen öffentliche Meinungen. Werke, die den Hof von Versailles oder die Pariser Salons fokussieren, stellen die Grenzen weiblicher Handlungsfreiheit dar und zeigen zugleich, wie diese kontextuell überschritten werden konnten. Im 19. Jahrhundert wurden solche Darstellungen auch als Kommentare zur zeitgenössischen Debatte um Bildung, Eigentumsrechte und gesellschaftliche Teilhabe von Frauen gelesen, die in Frankreich und anderswo an Fahrt aufnahm.
Kriminalität, Strafverfolgung und soziale Randzonen bilden ein weiteres historisches Labor. Texte wie Gabriel Lambert – Der Galeerensklave in der deutschen Überlieferung verknüpfen die Faszination des 19. Jahrhunderts für Kriminalgeschichten mit der Geschichte der staatlichen Gewaltapparate. Zeitungen berichteten breit über Prozesse, Polizeitechniken professionalisierten sich, und die Frage nach Abschreckung versus Resozialisierung gewann an Gewicht. Dumas interessiert sich für Biografien, an denen sich Helden- und Täterbilder, Milieus und juristische Innovationen illustrieren lassen. So wird der Justizapparat selbst zu einer Bühne, auf der soziale Herkunft, Zufall und Normdurchsetzung kollidieren.
Die Produktionsbedingungen seiner Romane sind Teil ihres historischen Kontexts. Ab den 1830er Jahren explodierte der Zeitungsmarkt; das Feuilleton wurde zur wichtigsten Distributionsform für Fortsetzungsromane. Dumas publizierte ab 1844 zentrale Werke im seriellen Format, was die Dramaturgie von Cliffhangern, Tempi und Nebenhandlungen prägte. Seine Zusammenarbeit mit dem Historiker und Plotarchitekten Auguste Maquet strukturierte Erzählbögen und Archivarbeit. Das Pariser Theater, für das Dumas früh schrieb, schulte seine Szenenführung. Diese Medienkonstellation erklärt, warum seine historischen Romane zugleich wissensreich, handlungsgetrieben und für ein breites Lesepublikum konzipiert sind.
Die politische Biografie Dumas’ verknüpft Werk und Zeitgeschichte. Er unterstützte 1830 die Julirevolution, erlebte 1848 die republikanische Erhebung und arbeitete als Journalist. In den 1850er Jahren publizierte er die Zeitschrift Le Mousquetaire. Seine familiäre Herkunft – der Vater war General der Revolutionsarmee, geboren in Saint-Domingue – sensibilisierte ihn für Fragen von Herkunft, Gleichheit und Kolonialpolitik. Die Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien 1848 war ein Ereignis, das die moralischen Debatten seiner Generation prägte und in seinen Gerechtigkeits- und Freiheitsmotiven Nachhall fand, ohne dass die Stoffe deshalb programmatisch wurden.
Die Rezeption seiner Romane war von Beginn an europäisch. Übersetzungen kursierten rasch im deutschsprachigen Raum, in Russland, Italien und Spanien; Leihbibliotheken und preiswerte Ausgaben verbreiteten die Texte. Historiker monierten mitunter Freiheiten im Detail, lobten aber die Energie, mit der Dumas Strukturen und Atmosphären vergangener Epochen einfing. Im 20. Jahrhundert trugen Theater-, Radio-, Film- und Fernsehfassungen zur Kanonisierung bei. In der populären Kultur wurden Motive seiner Geschichten zu Chiffren für Loyalität, Kameradschaft und Gerechtigkeitssuche. Seine Bücher wurden damit zu einem gemeinsamen europäischen Erzählvorrat über Geschichte.
Die Sammlung kommentiert ihre Entstehungszeit, indem sie historische Konflikte als Spiegel aktueller Spannungen liest: Zentralisierung versus Freiheit, Recht versus Rache, Eliteintrige versus öffentliche Meinung. Sie zeigt, wie technische, mediale und rechtliche Innovationen Handlungsspielräume neu vermessen. Spätere Deutungen betonten wahlweise die nationale Erweckungskraft oder die transnationale Vernetzung seiner Stoffe. Die Überführung von Dumas’ sterblichen Überresten ins Pariser Panthéon im Jahr 2002 markierte die Anerkennung seines literarischen Beitrags zur historischen Imagination. Seine Romane bleiben damit offene Archive, in denen Europa seine Vergangenheit und Gegenwart verhandelt.
Vom Aufbruch des jungen d’Artagnan in die Welt der königlichen Musketiere bis zum späten Ringen gealterter Helden entfaltet Dumas ein Panorama aus Freundschaft, Duellen und Staatsräson. Die Intrigen von Richelieu und Mazarin, Liebesabenteuer und wechselnde Loyalitäten treiben Episoden voran, in denen Witz und Tempo mit einem zunehmend melancholischen Ton verschmelzen. Der Fokus liegt auf Ehre und Kameradschaft, die unter politischem Druck immer wieder neu verhandelt werden.
Ein zu Unrecht verurteilter Seemann kehrt nach Jahren unter neuer Identität zurück, um Gerechtigkeit zu suchen. Die Handlung wechselt zwischen kühler Planung und moralischer Prüfung der beteiligten Kreise, vom Hafenmilieu bis zu Pariser Salons. Der Ton oszilliert zwischen Abenteuer und psychologischer Studie über Rache, Schuld und Vergebung.
Eine Kette historischer Romane begleitet Figuren vom späten Ancien Régime in die Umbrüche der Revolution. Geheimniskrämer, Höflinge und Volkshelden verstricken sich in Skandale wie die Halsbandaffäre und in den Aufruhr der Straßen bis zur Erstürmung der Bastille; persönliche Schicksale spiegeln die Erosion monarchischer Ordnung. Dumas verbindet konspirative Spannung mit dichtem Zeitkolorit und zeigt, wie Privates und Politik ineinandergreifen.
Vor dem Hintergrund konfessioneller Spaltungen und dynastischer Machtspiele folgen diese Romane Söldnern, Höflingen und Liebenden durch eine Epoche ständiger Intrigen. Duelle, Komplotte und maskierte Allianzen führen in die Schattenhöfe der Valois und ihrer Nachfolge, wo Loyalität, Ehrgeiz und Leidenschaft ein riskantes Gleichgewicht bilden. Der Ton ist prunkvoll-historisch, stets auf den Nerv persönlicher Entscheidungen zugespitzt.
Im Wirbel der Fronde lenken einflussreiche Adelige und ihre Gefolgschaften die Politik mit Charme, List und Rivalität. Aus lokalen Scharmützeln erwachsen Machtproben, in denen auch Gefühle zum Spielball werden. Dumas zeichnet ein lebhaftes Sittenbild, das die Rolle der Frauen als Taktgeberinnen der Intrige ernst nimmt, ohne den Abenteuerimpuls zu dämpfen.
Die Porträts zeichnen große Gestalten zwischen Mythos und Mensch: ein Feldherr und Staatslenker, eine berühmte Favoritin, eine Heilige und zwei Stuart-Könige. Militärische Strategien, diplomatische Manöver und private Wendepunkte werden erzählerisch verdichtet, ohne den historischen Rahmen zu verlieren. Der Ton wechselt zwischen bewundernder Charakterstudie und nüchterner Betrachtung von Macht, Ruhm und Öffentlichkeit.
Diese Erzählungen führen von deutschen Burgen über iberische Ehrkonflikte bis auf offene See. Bogenschützen, Kavaliere und Seeleute geraten in Fehden, Standesgrenzen und Naturgewalten, wobei Ehre, Mut und Schicksal aufeinanderprallen. Der Fokus liegt auf packender Handlung, starkem Lokalkolorit und einem balladenhaften Zug.
In diesen kürzeren Texten verbindet Dumas Liebesleid, Ehre und plötzliche Gewalt mit markantem Schauplatzkolorit, von der französischen Küste bis nach Sizilien. Banditen, verfolgte Liebende und zweifelnde Erzähler gestalten eine Mischung aus Beichte und Abenteuer. Der Ton ist melodramatisch und atmosphärisch, oft mit einer moralischen Pointe.
Zwischen Pariser Straßen und Gerichtssälen kreisen diese Geschichten um soziale Aufstiege, Versuchungen und ihren Preis. Fälschung, Missverständnisse und öffentlicher Ruf treiben das Drama, während das Milieu der kleinen Leute und der Halbwelt präzise ausgeleuchtet wird. Die Spannung entsteht aus moralischen Dilemmata ebenso wie aus Verfolgung und Enthüllung.
Heitere bis bittersüße Verwicklungen um Verkleidungen, Maskeraden und überstürzte Geständnisse zeigen die Bühne der Liebe als Ort der Probe. Briefe, Bälle und falsche Identitäten treiben Konstellationen voran, in denen Naivität auf Kalkül trifft. Dumas setzt auf Tempo, Dialogwitz und kleine Enthüllungen statt großer Katastrophen.
Wiederkehrend sind Freundschaft und Ehre, Rache und Vergebung sowie die Spannung zwischen individueller Loyalität und Staatsräson. Dumas choreografiert Massen- und Salonszenen mit filmischem Sinn für Schnitt und Cliffhanger und stützt die Handlung auf markante Figurenprofile.
Historische Fakten dienen als Bühne für emotionale Wahrheiten; Recherche verbindet sich mit dramatischer Zuspitzung. Sprachlich dominieren lebendige Dialoge, szenischer Aufbau und kontrastreiche Perspektivwechsel, die Tempo und Leselust tragen.
Am ersten Montag des Monats April 1625 schien es, als ob der Flecken Meung derart im Aufstand begriffen sei, als wären die Hugenotten gekommen, um die Schrecknisse von Rochelles zu erneuern. Mehrere Bürger beeilten sich, als sie die Weiber durch die Straßen ziehen sahen und die Kinder an den Türschwellen kreischen hörten, die Panzer anzuschnallen und, indem sie ihre etwas unsichere Haltung durch eine Muskete oder eine Partisane unterstützten, sich nach der Herberge des »Freimüllers« zu wenden, vor der sich eine dichte, geräuschvolle und neugierige Schar hindrängte, die sich von Minute zu Minute vergrößerte.
Um diese Zeit gab es viele solche panische Schrecken und es verflossen oft nur wenige Tage, ohne daß nicht die eine oder die andere Stadt einen Vorfall dieser Art in ihren Archiven aufzuzeichnen hatte, es gab da Edelleute, die sich untereinander bekriegten; hier führte der König Krieg mit dem Kardinal, und da überzog der Spanier den König mit Krieg. Außer diesen geheimen oder öffentlichen, diesen stillen oder lauten Kriegen gab es Räuber, Bettler, Hugenotten, Wölfe und Lakaien, die sich mit aller Welt herumkriegten. Die Bürger bewaffneten sich jederzeit wider die Räuber, die Wölfe und Lakaien, oft wider die hohen Herren und Hugenotten und bisweilen auch wider den König – doch niemals wider den Kardinal und den Spanier. Aus dem geht nun hervor, daß die Bürger an dem besagten ersten Montag des Monats April 1625, als sie das Getöse vernahmen und weder den gelben und roten Standartenjunker noch die Livree des Herzogs von Richelieu sahen, eilig nach der Herberge des »Freimüllers« hinstürzten.
Als sie hier ankamen, konnte jeder die Ursache dieses Getöses sehen und erkennen. Ein junger Mann – zeichnen wir sein Bild mit einem Federzug – man stelle sich Don Quixote im achzehnten Jahre vor; Don Quixote ohne Brustschild, ohne Panzer und Schienen; Don Quixote in einem schafwollenen Wams, woran sich die blaue Farbe in eine unkenntliche Mischung von Weinhefe und Himmelsazur verwandelt hat. Das Gesicht war länglich und braun, der Backenknochen vorragend, im Zeichen der Verschmitztheit; die Kiefermuskeln ungemein stark ausgebildet, ein unfehlbares Zeichen, an dem man den Gascogner auch ohne Barett erkennt, und unser Mann trug eine Art Barett, das mit einer Feder geschmückt war; das Auge offen und verständig, die Nase gebogen und fein gezeichnet, zu groß für einen Jüngling, zu klein für einen ausgebildeten Mann, so daß ihn ein wenig geübtes Auge für den Sohn eines Pächters auf Reisen gehalten hätte, den langen Degen abgerechnet, der an einem ledernen Wehrgehänge hing und an die Waden des Eigners schlug, wenn er zu Fuß ging, und an das struppige Fell seines Kleppers, wenn er zu Pferde saß.
Denn unser junger Mann hatte einen Gaul, und dieser Gaul war ebenso bemerkenswert, als er bemerkt wurde. Es war ein Klepper von Bearn, zwölf bis vierzehn Jahre alt, von gelblicher Farbe, ohne Haar am Schweif, doch nicht ohne Beinfäule an den Füßen; er hielt im Gehen den Kopf tiefer als die Knie, machte den Gebrauch der Reitgerte unnütz, und legte täglich ganz hübsch seine acht Meilen zurück. Zum Unglück waren die Eigenschaften dieses Pferdes so gut unter dem seltsamen Fell und unter seinem strauchelnden Gang verborgen, daß zu einer Zeit, wo jedermann ein Kenner von Pferden war, das Erscheinen des besagten Kleppers in Meung, wo er vor etwa einer Viertelstunde durch das Tor Beaugency hereingetrabt war, ein Aufsehen erregte, dessen Ungunst sogar auf den Reiter zurückfiel. Als der Jüngling von seinem Vater das Pferd als Geschenk erhielt, bekam er noch eine kleine Rede als Draufgabe zu hören.
»Mein Sohn,« sprach der gascognische Edelmann, »dieses Pferd wurde vor beinahe dreizehn Jahren in dem Hause deines Vaters geboren, und ist seit dieser Zeit hier geblieben, weshalb dir dasselbe lieb sein soll. Verkaufe es nie; laß es ruhig und ehrenvoll an Alterschwäche absterben, und machst du mit ihm einen Feldzug, so halte es so, wie du einen alten Bedienten halten und pflegen würdest. Solltest du die Ehre haben, nach Hofe zu kommen, eine Ehre, zu der uns übrigens unser alter Adel berechtigt, so behaupte würdevoll unsern adeligen Namen, den unsere Ahnen seit mehr als 500 Jahren würdig getragen haben, sowohl für dich als auch für die Deinigen. Unter den Deinigen verstehe ich deine Verwandten und Freunde. Laß dir von niemandem etwas gefallen, als von dem Herrn Kardinal und dem König. Nur durch Mut, verstehe mich wohl, durch Mut allein macht heutzutage ein Edelmann seine Bahn. Wer eine Sekunde lang zittert, läßt vielleicht den Köder entschlüpfen, den ihm das Glück gerade in dieser Sekunde darbot. Du bist noch jung, und so hast du zwei Ursachen, um tapfer zu sein; fürs erste, weil du ein Gascogner, und fürs zweite, weil du mein Sohn bist. Ich habe nur noch ein Wort hinzuzufügen: es ist ein Beispiel, das ich dir vorstelle, aber nicht das meinige; denn ich war noch nie bei Hof und habe nur als Freiwilliger die Religionskriege mitgemacht; ich will von Herrn von Tréville sprechen, der einst mein Nachbar war und die Ehre genoß, noch als Kind mit unserm König Ludwig XIII. zu spielen, den uns Gott bewahre. Bisweilen arteten ihre Spiele in Schlachten aus, wobei der König nicht immer der Stärkere war. Die Schläge, die er da erhielt, flößten ihm für Herrn von Tréville viel Achtung und Freundschaft ein. Jetzt ist er, ungeachtet der Edikte, Befehle und Urteilssprüche, Kapitän der Musketiere; Oberhaupt einer Legion der Cäsaren, auf die der König große Stücke hält und die der Kardinal fürchtet, der sich selbst vor niemandem scheut, wie jeder weiß. Ferner bezieht Herr von Tréville jährlich zehntausend Taler, und so ist er ein wahrhaft großer Herr. Er hat so angefangen wie du; gehe zu ihm mit diesem Brief und richte dich nach ihm, damit du werdest, was er ist.«
Hierauf umgürtete Herr d’Artagnan, der Vater, seinem Sohne den eigenen Degen, küßte ihn auf beide Wangen und erteilte ihm den Segen.
Der junge Mann begab sich noch an demselben Tag auf die Reise, ausgestattet mit den drei väterlichen Geschenken, die, wie schon gesagt, aus fünfzehn Talern, aus dem Pferd und dem Brief an Herrn von Tréville bestanden; die Ratschläge waren bloß die Daraufgabe, wie es sich erachten läßt.
Als er vor der Tür des »Freimüllers« im Städtchen Meung vom Pferde stieg, ohne daß ein Wirt, ein Kellner oder Stallknecht kam, um ihm den Steigbügel zu halten, so erblickte er durch ein halbgeöffnetes Fenster im Erdgeschoß einen Edelmann von schönem Wuchs und edler Miene, obwohl mit etwas gerunzelter Stirn, während dieser mit zwei Personen sprach, die ihn aufmerksam anzuhören schienen. D’Artagnan war, wie gewöhnlich, ganz natürlich der Meinung, er sei der Gegenstand des Gesprächs und horchte. Diesmal hatte sich d’Artagnan nur halb getäuscht; es war nicht von ihm, sondern von seinem Pferde die Rede. Der Edelmann schien seinen Zuhörern alle Eigenschaften dieses Kleppers aufzuzählen; und da diese Zuhörer, wie gesagt, eine große Ehrfurcht vor ihrem Erzähler zu haben schienen, so erhoben sie ein lautes Gelächter. Wie nun schon ein halbes Lächeln hinreichte, um die Zornmütigkeit des jungen Mannes zu entflammen, so erklärt es sich, welche Wirkung solch eine lärmende Fröhlichkeit auf ihn hervorbrachte. Zuvörderst wollte sich aber d’Artagnan über die Physiognomie des Verwegenen, der ihn verhöhnte, Rechenschaft geben. Er richtete seinen Blick stolz auf den Fremden, und erkannte in ihm einen Mann von vierzig bis fünfundvierzig Jahren, mit schwarzen, durchdringenden Augen, blasser Gesichtsfarbe, stark hervorragender Nase und einem schwarzen, gutgeschnittenen Schnurrbart; er trug ein Wams und violettblaue Beinkleider mit Schnürnesteln von derselben Farbe, ohne eine andere Verzierung als die gewöhnlichen Schleifen, durch die das Hemd ging. Obgleich dieses Wams und die Beinkleider neu waren, so schienen sie doch stark zerkrümmt, als wären sie lange auf der Reise verpackt gewesen. D’Artagnan machte alle seine Bemerkungen mit der Raschheit des genauesten Beobachters, zweifelsohne von einem instinktartigen Gefühl angetrieben, das ihm sagte, daß dieser Unbekannte auf sein künftiges Leben einen großen Einfluß haben sollte.
Wie nun in dem Augenblick, als d’Artagnan sein Auge auf den Edelmann mit der violettblauen Hose richtete, dieser in bezug auf den bearnischen Klepper eine seiner gelehrtesten und gründlichsten Demonstrationen machte, so erhoben seine zwei Zuhörer ein lautschallendes Gelächter, und er selbst ließ, sichtlich wider seine Gewohnheit, ein blasses Lächeln, wenn man so sagen darf, über sein Gesicht hingleiten. Diesmal lag es außer allem Zweifel, d’Artagnan wurde wirklich verhöhnt. Er drückte somit, voll von dieser Überzeugung, sein Barett tief in die Augen, und indem er einige Hofmienen nachzuahmen bemüht war, die er bei vornehmen Herren auf ihrer Reise durch die Gascogne aufgehascht hatte, fuhr er mit der einen Hand nach seinem Degengriff und stemmte die andere an seine Hüfte. Zum Unglück verblendete ihn der Zorn immer mehr, je weiter er vorwärts schritt, und statt einer würdevollen und stolzen Rede, mit der er seine Herausforderung zu machen gesonnen war, fand er an seiner Zungenspitze nur mehr eine derbe Persönlichkeit, die er mit einer ungestümen Gebärde begleitete.
»He, mein Herr,« rief er, »mein Herr, der Ihr Euch hinter jenem Ballen versteckt; ja, Ihr! sagt mir doch ein bißchen, worüber Ihr lacht, und wir werden dann mitsammen lachen.«
Der Edelmann lenkte seine Augen langsam von dem Gaul auf den Ritter, als benötigte er eine gewisse Zeit, um zu begreifen, wie man doch so seltsame Worte an ihn richten könnte; und dann, als ihm kein Zweifel mehr übrig blieb, runzelte er leicht die Stirn und antwortete Herrn d’Artagnan, nach ziemlich langer Pause, mit einem Tone von Ironie und Kühnheit, der sich nicht beschreiben läßt: »Mit Euch rede ich nicht, mein Herr.«
»Aber ich rede mit Euch, mein Herr!« rief der junge Mann, erbittert über dieses Gemisch von Keckheit und guten Manieren, von Anstand und Verachtung. Der Unbekannte maß ihn noch einen Augenblick mit seinem leichten Lächeln, zog sich vom Fenster zurück und verließ langsamen Schrittes das Wirtshaus, näherte sich d’Artagnan bis auf zwei Schritte und hielt vor dem Pferd an. Seine ruhige Haltung und höhnische Miene erhöhte die Heiterkeit der Männer, mit denen er am Fenster gesprochen, die aber zurückgeblieben waren. Als ihn d’Artagnan herankommen sah, zog er seinen Degen einen Fuß weit aus der Scheide. »Dieses Pferd ist entschieden oder war vielmehr in seiner Jugend ein Goldfuchs,« sagte der Unbekannte, während er seine angefangenen Untersuchungen fortsetzte; dann wandte er sich an seine Zuhörer am Fenster, ohne daß er aus die Erbitterung d’Artagnans zu merken schien, der sich zwischen sie und ihn stellte. »Diese Farbe«, sprach er, »ist wohl in der Botanik sehr bekannt, doch bisher höchst selten unter den Pferden.«
»Wer es nicht wagen würde, über den Herrn zu lachen, der lacht über dessen Pferd!« rief der Nacheiferer Trévilles in Wut. »Ich lache nicht oft, mein Herr,« entgegnete der Unbekannte, »wie Ihr es selbst aus meinen Gesichtszügen entnehmen könnt, aber ich halte auf das Vorrecht, lachen zu können, wann es mir beliebt.«
»Und ich,« rief d’Artagnan, »ich will nicht, daß man über mich lacht, wenn es mir mißfällt.«
»Wirklich, mein Herr?« entgegnete der Unbekannte, ruhiger als zuvor, »nun, das ist doch ganz recht!« Dann drehte er sich auf seinen Fersen und schickte sich an, durch das große Tor in das Gasthaus zurückzukehren, unter dem d’Artagnan ein Pferd bemerkte, das ganz gesattelt war. Doch d’Artagnan hatte nicht den Charakter, auf solche Weise einen Mann von sich zu lassen, der so keck war, ihn zu verhöhnen. Er zog seinen Degen ganz aus der Scheide, folgte ihm nach und rief: »Wendet Euch, Herr Spötter, wendet Euch um, damit ich Euch nicht auf den Rücken zu klopfen brauche.«
»Mich klopfen? mich!« sprach der andere, indem er sich auf den Fersen herumdrehte und den jungen Mann mit ebensoviel Verwunderung als Verachtung anstarrte. »Geht, mein Lieber, Ihr seid ein Narr!« Dann sagte er mit leiser Stimme, gleichsam zu sich selber sprechend: »Das ist verdrießlich; welch ein Fund wäre das für Seine Majestät, die nach allen Richtungen wackere Leute aufsucht, um sie für die Musketiere anzuwerben!«
Kaum hatte er das gesprochen, so machte d’Artagnan mit der Degenspitze einen so wütenden Streich nach ihm, daß er, wäre er nicht rasch zurückgesprungen, wohl zum letztenmal gehöhnt hätte. Der Unbekannte sah nun ein, daß die Sache über allen Scherz hinausging, zog seinen Degen, verneigte sich vor seinem Gegner und nahm ernst seine Stellung. In diesem Moment aber fielen seine zwei Zuhörer samt dem Wirte mit Stöcken, Schaufeln und Zangen über d’Artagnan her. Das gab dem Angriff einen so raschen und vollständigen Vorschub, daß der Gegner des d’Artagnan, während sich dieser umwandte, um dem Hagel von Schlägen zu begegnen, seinen Degen mit seiner gewöhnlichen Gleichmütigkeit einsteckte und aus einer handelnden Person wieder ein Zuschauer des Kampfes wurde, aber dabei doch in den Bart murmelte: »Die Pest über die Gascogner! Setzt ihn wieder auf sein orangegelbes Pferd, und er möge sich sputen!«
»Nicht, eh’ ich dich durchbohrt habe. Feiger!« rief d’Artagnan, während er sich, so gut es anging und ohne einen Schritt zu weichen, gegen die Streiche seiner drei Feinde hielt.
»Das ist wieder eine Gascognade!« murmelte der Edelmann. »Auf Ehre, diese Gascogner sind unverbesserlich! Setzt doch den Tanz fort, weil er es durchaus wünscht. Wenn er müde ist, wird er schon rufen: jetzt ist es genug!« Allein der Unbekannte wußte es noch nicht, mit welchem Kämpen er es zu tun habe; d’Artagnan war nicht der Mann, der um Gnade bat. Somit dauerte der Kampf noch einige Sekunden fort, endlich aber ließ d’Artagnan erschöpft den Degen sinken, den ein Stockstreich in zwei Stücke zerschlug. Ein zweiter Streich, der nach seiner Stirn geführt wurde, schleuderte ihn fast zu gleicher Zeit ganz blutend und beinahe ohnmächtig zu Boden.
In diesem Moment eilte man von allen Seiten zu diesem Auftritt herbei; der Wirt, der einen Skandal befürchtete, trug den Verwundeten mit Hilfe seiner Burschen in die Küche, wo man ihm einigen Beistand leistete. Was den Edelmann betrifft, so kehrte er an seinen früheren Platz am Fenster zurück und blickte mit einer gewissen Ungeduld auf die wogende Menge, die ihm durch ihr Verweilen einen lebhaften Widerspruch machen zu wollen schien.
»Nun, wie geht es dem Tollen?« fragte er, indem er sich bei dem Geräusch der aufgehenden Tür umkehrte und zu dem Wirte wandte, der sich nach seinem Befinden erkundigte.
»Ist Ew. Exzellenz gesund und unversehrt?« fragte der Wirt.
»Ja, ganz wohl und unversehrt, mein lieber Gastwirt! Und ich frage Euch, wie steht es mit unserm jungen Manne?«
»Es geht ihm besser,« entgegnete der Wirt; »er ist ganz ohnmächtig geworden.«
»Wirklich?« rief der Edelmann. »Ehe er aber ohnmächtig wurde, raffte er alle seine Kräfte zusammen, um Sie zu rufen und herauszufordern.«
»Dieser Junge ist doch der Teufel in Person!« rief der Unbekannte.
»Ach nein, Ew. Exzellenz! es ist nicht der Teufel,« entgegnete der Wirt mit einer Miene der Verachtung; »denn während seiner Ohnmacht untersuchten wir ihn, und fanden in seinem Pack nur ein Hemd und in seiner Börse nur elf Taler, was ihn aber, bevor er ganz ohnmächtig wurde, nicht abhielt zu sagen: wäre das in Paris geschehen, so würden Sie es auf der Stelle bereuen, während Sie es hier erst später zu bereuen hätten.«
»Dann ist er«, versetzte der Unbekannte kalt, »irgendein verkleideter Prinz von Geblüt.«
»Ich sage Ihnen das, gnädiger Herr,« sprach der Wirt, »damit Sie sich vor ihm hüten können.«
»Hat er in seiner Zornwut niemand genannt?«
»Ja, er schlug an seine Tasche und rief: Wir werden sehen, was Herr von Tréville zu dem Schimpfe sagen wird, der seinem Schützling angetan wurde.«
»Herr von Tréville?« sagte der Unbekannte, aufmerksam werdend; »er schlug an seine Tasche und sprach den Namen Tréville aus? – Nun, mein lieber Wirt, während der junge Mann bewußtlos dahinlag, habt Ihr es gewiß nicht unterlassen, in seine Tasche zu blicken. Uno was hat sich darin gefunden?«
»Ein Brief an Herrn Tréville, Kapitän der Musketiere.«
»Wirklich?«
»Es ist, Exzellenz, wie ich Ihnen zu sagen die Ehre habe.«
Der Wirt, der eben keinen großen Scharfblick besaß, bemerkte den Ausdruck nicht, den seine Worte im Antlitz des Unbekannten bewirkten. Dieser verließ die Fensterbrüstung, an der er stets auf den Ellenbogen gestützt gesessen war, und runzelte die Stirn in tiefer Unruhe. »Teufel,« murmelte er zwischen den Zähnen, »hat mir denn Tréville diesen Gascogner zugeschickt? Er ist noch sehr jung. Aber ein Degenstich ist einmal Degenstich, wie alt auch derjenige sein mag, der ihn versetzt, und man mißtraut einem Kinde weniger als jedem andern; bisweilen reicht ein schwaches Hindernis hin, um einen großartigen Entwurf zu vereiteln.«
Der Unbekannte verfiel in eine Betrachtung, die mehrere Minuten dauerte. »Herr Wirt,« sprach er dann, »werdet Ihr mich nicht von diesem Wahnsinnigen befreien? Ich kann ihn mit gutem Gewissen nicht töten, und doch,« fügte er mit einem kalt drohenden Ausdruck hinzu, »doch ist er mir lästig. Wo liegt er?«
»Im Gemach meiner Frau, wo man ihn verbindet, im ersten Stockwerk.«
»Sind seine Bündel und Säcke bei ihm? Zog er sein Wams nicht aus?«
»Im Gegenteil, das alles befindet sich in der Küche. Weil er Ihnen aber lästig ist, dieser junge Narr –«
»Allerdings. Auch verursacht er in Eurem Gasthaus einen Skandal, womit er ehrbare Leute versuchen wird. Geht hinauf, macht mir meine Rechnung, meldet es meinem Lakai.«
»Was, gnädiger Herr, Sie wollen uns schon verlassen?«
»Ihr wißt es wohl, weil ich Euch den Auftrag gab, mein Pferd zu satteln. Hat man mir nicht gehorcht?«
»Ja, und wie es Ew. Exzellenz schon sehen konnte, so steht das Pferd am Haupttor zur Abreise gesattelt und gezäumt.«
»Es ist gut; tut jetzt, was ich sagte.«
»Ach,« seufzte der Wirt, »sollte er sich etwa vor dem Jungen fürchten?«
Aber ein gebietender Blick des Unbekannten erschütterte ihn. Er verneigte sich demutsvoll uud entfernte sich.
»Mylady darf von diesem Jungen nicht bemerkt werden,« fuhr der Unbekannte fort; »sie muß alsbald vorübergehen; sie hat sich ohnedies schon verspätet. Es ist offenbar besser, daß ich das Pferd besteige und ihr entgegenreite. – Wenn ich nur erfahren könnte, was in diesem Brief an Tréville enthalten ist.« Der Unbekannte fuhr fort zu murmeln und wandte sich der Küche zu. Mittlerweile war der Wirt, der nicht daran zweifelte, die Anwesenheit des jungen Mannes verscheuche den Unbekannten aus seinem Gasthause, zu seiner Frau hinaufgegangen, wo er d’Artagnan schon als Meister seiner Sinne antraf. Er machte es ihm nun ganz begreiflich, wie ihm die Stadtwache übel mitspielen könnte, weil er mit einem vornehmen Herrn Händel anfing; denn in der Meinung des Wirtes konnte der Unbekannte nur ein vornehmer Herr sein, wonach er dem Verwundeten zuredete, sich ungeachtet seiner Schwäche aufzurichten und seine Reise fortzusetzen.
Halb betäubt, ohne Wams und den Kopf mit Linnen umwunden, erhob sich d’Artagnan und schickte sich an, vom Wirt angetrieben, die Treppe hinabzusteigen; als er aber zur Küche kam, fiel sein erster Blick auf seinen Herausforderer, der ruhig neben einem Wagen plauderte, der mit zwei plumpen, normannischen Pferden bespannt war.
Er besprach sich mit einer Frau von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren. Sie steckte ihren Kopf durch das Fenster des Kutschenschlages. Wir haben schon angemerkt, mit welch rascher Spürkraft d’Artagnan eine Psysiognomie aufzufassen verstand; er sah also auf den ersten Blick, daß die Frau jung und schön war. Diese Schönheit fiel ihm nun um so mehr auf, als sie eine ganz fremde Erscheinung in den südlichen Ländern war, die d’Artagnan bisher kennengelernt hatte. Sie war blaß und blond, hatte lange, geringelte Haare, die bis auf die Schulter herabflossen, große, blaue und schmachtende Augen, und führte mit dem Unbekannten ein sehr lebhaftes Gespräch.
»Seine Eminenz befiehlt mir also –?« sagte die Dame. »Unverzüglich nach England zurückzukehren, und ihr sogleich Nachricht zu geben, wenn der Herzog London verlassen hat.«
»Und was meine andern Aufträge anbelangt?« fragte die schöne Reisende. »Sie befinden sich in dem Kästchen, das Sie erst öffnen dürfen, wenn Sie über den Kanal la Manche gefahren sind.«
»Ganz wohl! Und Sie, was tun denn Sie?«
»Ich kehre nach Paris zurück.«
»Ohne den ungebührlichen Jungen zu züchtigen?« versetzte die Dame.
Der Unbekannte wollte eben antworten, doch in dem Moment, wo er den Mund öffnete, sprang d’Artagnan, der alles angehört hatte, an die Türschwelle und rief: »Der ungebührliche Junge züchtigt andere, und ich hoffe, diesmal werde ihm derjenige, den er züchtigen soll, nicht wie das erstemal entschlüpfen.«
»Er wird nicht entschlüpfen?« fragte der Unbekannte, die Stirn runzelnd. »Nein, ich setze voraus, daß Ihr es vor einer Dame nicht wagen werdet.«
»Bedenken Sie,« rief Mylady, als sie sah, wie der Edelmann nach seinem Degen griff, »bedenken Sie, daß die mindeste Verzögerung alles verderben könnte.«
»Sie haben recht,« erwiderte der Edelmann, »reisen Sie also ab, und ich werde desgleichen tun.«
Er empfahl sich von der Dame mit einem Nicken des Kopfes und stieg zu Pferde, während der Kutscher mit der Peitsche lebhaft auf die Pferde einhieb. Somit entfernten sich die zwei Sprechenden im Galopp in entgegengesetzter Richtung des Weges.
»He doch. Eure Zeche!« schrie der Wirt, dessen Ergebenheit für den Reisenden sich in eine tiefe Verachtung verwandelte, als er sah, daß er fortging, ohne seine Rechnung zu berichtigen. »Bezahle ihn, Maulaffe!« rief der Reisende fortgaloppierend seinem Reitknecht zu, der auch dem Wirte zwei oder drei Silbermünzen vor die Füße warf und dann seinem Herrn nachsprengte. »Ha, Feiger! Ha, Nichtswürdiger! Ha, falscher Edelmann!« rief d’Artagnan und ging ebenfalls auf den Reitknecht los. Allein der Verwundete war noch allzu schwach, um eine solche Erschütterung zu ertragen. Er hatte kaum noch zehn Schritte getan, als ihm die Ohren klingelten, eine Blendung ihn ergriff und eine Blutwolke über seine Augen hinzog, worauf er mitten auf die Straße hinsank, während er noch immer ausrief: »Feiger! Feiger! Feiger!«
»Es ist auch in der Tat recht feige,« murmelte der Wirt, indem er zu d’Artagnan trat und sich durch diese Schmeichelei mit dem armen Jungen wieder auszusöhnen suchte, wie der Held in der Fabel mit seiner Nachtschnecke. »Ja, er ist recht feige,« murmelte d’Artagnan, »doch sie ist sehr hübsch.«
»Wer, sie?« fragte der Wirt. »Mylady,« stammelte d’Artagnan. Er fiel zum zweitenmal in Ohnmacht. »Es ist gleichviel,« sagte der Wirt, »ich verliere wohl zwei, doch bleibt mir dieser hier, den ich sicher einige Tage beherbergen werde. Es sind doch immerhin elf Taler zu gewinnen.«
Der Wirt rechnete auf elf Tage Krankheit und für jeden Tag einen Taler; allein er hatte die Rechnung ohne seinen Reisenden gemacht. D’Artagnan stand am folgenden Morgen schon um fünf Uhr auf, ging selbst hinab und begehrte unter andern Ingredienzien, deren Verzeichnis nicht bis zu uns gelangt ist, Wein, Öl, Rosmarin, sodann bereitete er sich mit dem Rezept seiner Mutter in der Hand einen Balsam, mit dem er seine zahlreichen Verwundungen salbte, legte sich selbst wieder die Verbände an und wollte keinen Arzt zur Hilfeleistung annehmen. Ohne Zweifel hatte es d’Artagnan der Wirksamkeit des Zigeunerbalsams und wohl auch der Abwesenheit jedes Doktors zu verdanken, daß er sich noch an diesem Tage auf den Beinen befand und am andern Tage fast gänzlich hergestellt war. Aber in dem Moment, wo er den Rosmarin, das Öl und den Wein bezahlen wollte, die einzige Auslage, die er sich bei seiner strengen Diät machte, indes das gelbe Pferd, wenigstens nach der Behauptung des Wirtes, dreimal soviel verzehrt hat, als man bei seiner Konstitution vernünftigerweise hatte glauben können – fand d’Artagnan in seiner Tasche nur noch die kleine Samtbörse, worin sich die elf Taler befanden; was aber den Brief an Herrn von Tréville betrifft, so war er verschwunden. Der junge Mann schickte sich mit großer Geduld an, diesen Brief zu suchen, wandte seine Taschen um, durchwühlte seinen Reisesack, schloß seine Börse wiederholt auf und zu; als er aber die Überzeugung gewann, der Brief sei nicht mehr auffindbar, wandelte ihn zum drittenmal die Zornwut an, wonach er aufs neue seine Zuflucht zum aromatischen Wein und Öl nehmen sollte; denn als man sah, wie dieser Brausekopf abermals entglühte und Drohungen ausstieß, er wolle alles im Hause zerschlagen, wenn sich sein Brief nicht vorfinde, so griff der Wirt nach einem Spieß, seine Frau nach einem Besenstiel und die Kellner nahmen dieselben Stöcke, die tags zuvor benutzt worden waren. »Meinen Empfehlungsbrief!« schrie d’Artagnan, »meinen Empfehlungsbrief! oder ich will euch alle wie Fettammer aufspießen.«
Zum Unglück hinderte den jungen Mann ein Umstand an der Ausführung seiner Drohung: sein Degen war, wie gesagt, beim ersten Kampf in zwei Stücke zerbrochen, worauf er ganz vergaß. Als nun d’Artagnan seine Klinge wirklich ziehen wollte, sah er sich ganz nett und einfach mit einem Degenstumpf von 8 bis 10 Zoll bewaffnet, den ihm der Wirt sorgfältig in die Scheide gesteckt hatte. Den Überrest der Klinge schaffte der Hauswirt geschickt auf die Seite, da er sich daraus eine Spicknadel machen wollte. Indes hätte diese Täuschung unseren jungen Feuerkopf wahrscheinlich nicht zurückgehalten, allein der Wirt bedachte, daß die Forderung ganz gerecht sei, die der Reisende an ihn machte. »Aber wirklich,« sprach er, seinen Kopf senkend, »wo ist doch dieser Brief?«
»Ja, ja, wo ist dieser Brief?« sagte d’Artagnan. »Ich sage Euch im voraus, dieser Brief ist an Herrn von Tréville gerichtet und er muß sich finden, widrigenfalls würde er schon machen, daß er gefunden werde.« Auf diese Drohung ward der Wirt völlig eingeschüchtert. Nach dem König und Kardinal war Herr von Tréville derjenige Mann, dessen Name von den Kriegern und selbst von den Bürgern am häufigsten genannt wurde. Es lebte zwar noch der Vater Josef, doch wurde sein Name stets nur leise ausgesprochen, so groß war der Schrecken, den die graue Eminenz einflößte, wie der Vertraute des Kardinals genannt wurde. Nachdem der Wirt seinen Spieß weit von sich geschleudert hatte, befahl er seiner Frau, mit ihrem Besenstiel desgleichen zu tun, und seinen Burschen, die Stöcke wegzulegen, und als er ihnen hierzu das Beispiel gegeben, fing er an, den verlorenen Brief zu suchen.
»Enthielt wohl dieser, Brief etwas Wichtiges?« fragte der Wirt, nachdem er eine Weile vergeblich gesucht hatte. »Beim Himmel, das will ich meinen!« rief der Gascogner, der mittels dieses Schreibens seine Lebensbahn zu gründen hoffte; »er hat mein Glück enthalten!«
»Geldanweisungen aus Spanien?« fragte der Wirt beunruhigt. »Anweisungen auf den Privatschatz Seiner Majestät,« entgegnete d’Artagnan, der darauf rechnete, er werde auf diese Empfehlung in den Dienst des Königs aufgenommen, weshalb er, ohne zu lügen, diese etwas kühne Antwort geben zu dürfen glaubte. »Teufel!« rief der Wirt ganz verzweifelt. »Doch, gleichviel,« sagte d’Artagnan mit nationaler Derbheit, »gleichviel, an dem Gelde liegt nichts; der Brief war alles. Lieber hätte ich tausend Pistolen verloren als ihn.« Er hätte ebensogut zwanzigtausend Pistolen sagen können, doch hielt ihn eine gewisse jugendliche Scham zurück. Ein Lichtschimmer zuckte plötzlich durch den Geist des Wirtes, der sich zum Teufel verwünschte, da er nichts fand. Er rief: »Dieser Brief ist ganz nnd gar nicht verloren.«
»Ha!« schrie d’Artagnan. »Nein, er wurde Ihnen entwendet.«
»Entwendet? Von wem?«
»Gestern von jenem Edelmann. Er ging in die Küche hinab, wo Ihr Wams lag, und blieb daselbst allein. Ich möchte darauf wetten, er hat ihn mitgenommen.«
»Glaubt Ihr das?« fragte d’Artagnan, wenig überzeugt, denn er wußte besser als irgend jemand die ganze persönliche Bedeutsamkeit dieses Briefes, und sah nicht ein, wie es einen andern danach gelüsten konnte. Kein Hausdiener, kein Gast hätte mit dem Besitze dieses Briefes einen Vorteil erlangt. »Ihr sagt also,« fragte d’Artagnan, »daß Ihr diesen verwegenen Edelmann in Verdacht habt?«
»Ich sage Ihnen,« erwiderte der Wirt, »ich bin davon vollkommen überzeugt; denn als ich ihm sagte, Eure Herrlichkeit wäre ein Schützling des Herrn von Tréville und Sie besäßen sogar einen Brief an diesen mächtigen Herrn, so schien er sehr beunruhigt und fragte mich, wo denn dieser Brief sei; dann ging er sogleich in die Küche hinab, da er wußte, daß Ihr Wams dort liege.«
»Er ist also mein Dieb?« versetzte d’Artagnan; »ich will darüber bei Herrn von Tréville Klage führen, und Herr von Tréville wird dasselbe bei dem König tun.« Sofort zog er majestätisch zwei Taler aus der Tasche, reichte sie dem Wirt, der ihn mit dem Hut in der Hand bis zur Tür begleitete, und stieg wieder auf sein gelbliches Pferd, das ihn ohne weiteren Unfall bis zum Tore Saint–Antoine in Paris trug, wo er es für drei Taler verkaufte, was recht gut bezahlt war, in Anbetracht, als es Herr d’Artagnan auf dem letzten Ritte stark hergenommen hatte. Auch hat es der Roßhändler, als er die besagten neun Livres ausbezahlte, Herrn d’Artagnan keineswegs verhehlt, er gebe diese übermäßige Summe nur wegen der eigentümlichen Farbe des Tieres. Somit ging d’Artagnan zu Fuß in das Innere der Stadt, trug seinen kleinen Pack unter dem Arm und kreuzte so lange umher, bis er ein Mietzimmer auffand, das seiner geringen Barschaft entsprach. Dieses Zimmer war eine Art Dachstube in der Gasse Fossoyeurs, nahe dem Palaste Luxembourg.
Herr von Tréville war ein Freund des Königs, der bekanntlich das Andenken seines Vaters Heinrich IV. hoch in Ehren hielt. In jener unglückseligen Zeit war man eifrig bedacht, sich mit Männern zu umgeben, die von Trévilles Schlage waren. Ludwig XIII. ernannte Tréville zum Kapitän der Musketiere und diese sind durch ihre Ergebenheit oder vielmehr durch ihren Fanatismus für Ludwig XIII. das gewesen, was die Ordinaires für Heinrich III. und die schottische Garde für Ludwig XI. war.
Was den Kardinal betrifft, so stand er in dieser Hinsicht hinter dem König nicht zurück. Als er sah, daß sich der König Ludwig XIII. mit einer erwählten Mannschaft umgab, wollte er gleichfalls seine Garde haben. Somit hatte er seine Musketiere wie Ludwig XIII. und man sah, wie die zwei mächtigen Rivalen in allen Provinzen Frankreichs und selbst in auswärtigen Ländern berühmte Männer für ihre großen Schwertstreiche anwarben.
Der Hof des Hotels, das Tréville bewohnte, das in der Rue Vieux-Colombier lag, glich einem Feldlager, und zwar von sechs Uhr morgens im Sommer und von acht Uhr im Winter. Fünfzig bis sechzig Musketiere, die sich hier abzulösen schienen, gingen ohne Unterlaß, kriegsgerüstet und zu allem bereit, auf und nieder. Auf einer der großen Treppen, auf deren Raum unsere moderne Zivilisation ein ganzes Haus erbauen würde, wandelten die Bittsteller von Paris auf und nieder, die nach irgend einer Begünstigung strebten; ferner die Edelleute der Provinz, die sich anwerben lassen wollten und die mit allen Farben verbrämten Lakaien, die an Herrn von Tréville die Botschaften ihrer Gebieter überbrachten. Im Vorgemach saßen auf langen, kreisförmigen Bänken die Auserwählten. Das Getöse währte vom Morgen bis zum Abend, während Herr von Tréville in seinem Kabinett, das an dieses Vorzimmer stieß, Besuche empfing, Klagen anhörte, Aufträge gab, und sich, wie der König auf seinem Balkon im Louvre, nur an sein Fenster zu stellen brauchte, um Menschen und Waffen an sich vorüberziehen zu sehen. An dem Tage, als d’Artagnan hier eintrat, war die Versammlung zahlreich und glänzend, zumal für einen Ankömmling ans der Provinz; dieser Provinzbewohner war zwar ein Gascogner, und zu jener Zeit standen die Landsleute des d’Artagnan nicht im Rufe, als ob sie sich so leicht einschüchtern ließen. Gelangte man einmal durch die mächtige Tür, die mit langen Nägeln mit viereckigen Köpfen beschlagen war, so geriet man wirklich unter eine Schar von Kriegern, die im Hof ab und zu gingen, sich anriefen, unter sich zankten und scherzten. Um sich einen Weg durch diese kreisenden Wirbel zu bahnen, wäre es vonnöten gewesen, ein Offizier, ein großer Herr oder eine hübsche Dame zu sein. Unser junger Mann schritt also mitten durch dieses Gewühl und Gewirre mit klopfendem Herzen, während er den langen Stoßdegen an die schmächtigen Beine drückte, und eine Hand mit dem verlegenen, landmäßigen Halblächeln, das einen guten Anstand verraten soll, an den Rand seines Filzes legte. So oft er sich durch eine Gruppe gedrängt hatte, atmete er leichter; doch merkte er recht gut, daß man sich umdrehte, um ihm nachzublicken, und zum erstenmal in seinem Leben kam sich d’Artagnan lächerlich vor, nachdem er bis zu diesem Tag eine recht gute Meinung von sich gehabt hatte. Als er zu der Treppe kam, ging es noch schlimmer; hier waren auf den ersten Stufen vier Musketiere, die sich mit der folgenden Leibesübung ergötzten, indes zehn oder zwölf ihrer Kameraden auf dem Treppenabsatz warteten, bis die Reihe an sie kam.
Da d’Artagnan der Menge von Höflingen des Herrn von Tréville ganz fremd war und an diesem Orte zum erstenmal bemerkt wurde, so fragte man ihn, was er wünsche. Auf diese Frage nannte d’Artagnan ganz demütig seinen Namen, stützte sich auf den Titel eines Landsmannes und ersuchte den Kammerdiener, der jene Frage an ihn gestellt hatte, ihm bei Herrn von Tréville eine kurze Audienz zu verschaffen, und diese Bitte versprach man im Ton eines Beschützers zur rechten Zeit und am rechten Orte vorzubringen. D’Artagnan, der sich von seinem ersten Erstaunen ein bißchen erholt hatte, gewann jetzt Muße, ein wenig die Kleidertracht und die Physiognomien zu studieren. Der Mittelpunkt der lebhaftesten Gruppe war ein Musketier von hohem Wuchse mit stolzem Antlitz und einer Bizarrerie im Anzug, welche die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er trug in diesem Moment nicht den Uniformrock, sondern einen himmelblauen, schon etwas abgenutzten Leibrock, und auf seinem Anzug gewahrte man ein schönes Wehrgehänge mit goldenem Strickwerk, das wie ein Wasserspiegel im Sonnenlichte strahlte. Ein langer Mantel von karmoisinrotem Samt fiel anmutig über seine Schultern und zeigte vorn nur das funkelnde Wehrgehänge, woran ein riesenhafter Stoßdegen hing. Dieser Musketier kam in diesem Augenblick von der Wache herab und beklagte sich über Schnupfen, wobei er von Zeit zu Zeit mit Affektion hustete. Auch hatte er eben deshalb seinen Mantel genommen, wie er zu seiner Umgebung sagte, und während er mit hochaufgerichtetem Kopfe sprach und stolz seinen Schnurrbart strich, bewunderten alle, und vorzüglich d’Artagnan, das gestickte Wehrgehänge.
»Was wollt Ihr,« sagte der Musketier, »so ist es Mode; es ist eine Narrheit; ich weiß das wohl, allein es ist Mode! Übrigens muß man doch auch sein ehrlich erworbenes Geld zu etwas verwenden.«
»Ha, Porthos!« rief einer der Anwesenden, »mach uns ja nicht glauben, daß du dieses Wehrgehäng von der väterlichen Großmut ererbt hast; gewiß hat es dir die verschleierte Dame gegeben, mit der ich dich vorigen Sonntag am Tore Saint-Honoré begegnet bin?«
»Nein, auf Ehre nicht, bei meinem Edelmannswort, ich kaufte es selbst um meine eigenen Pfennige,« antwortete jener, dem man den Namen Porthos beigelegt hatte. »Ja,« antwortete ein anderer Musketier, »so wie ich diese neue Börse gekauft habe mit dem, was mir die Geliebte in die alte geschoben hat.«
