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Drei Frauen, drei Geschichten, drei Schicksale - verbunden durch einen vergessenen Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen.Unweit der Zivilisation und doch vor fremden Blicken verborgen wartet eine Ruine darauf, ihre Geheimnisse zu offenbaren. Als Alma auf ein verfallenes Gebäude im Wald stößt, ahnt sie zunächst nicht, was sich jenseits der brüchigen Mauern verbirgt. Wie magisch angezogen kann sie nicht anders, als seinen lautlosen Rufen zu folgen.Was sie entdeckt, sind mehr als die Überreste vergangener Ereignisse: Es sind die Stimmen, die nie verstummt sind. Ein Echo, das nach Erlösung ruft. Eine Vergangenheit, die nicht schweigen will.
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Seitenzahl: 44
Veröffentlichungsjahr: 2025
Jessica Weiß
Für diejenigen, die mich unterschätzt haben.
Ihr hattet Recht.
Jetzt müssen wir alle damit leben.
Und für Jonas, den kleinen Korrekturensohn.
Schön, dass es dich gibt.
CONTENT
Orientierungslos
Durch die Stille
Ein Schritt zu nah
Finks Fall (1962)
Exodus (1962)
Im Verborgenen
Tor zur Vergangenheit
Nicht mehr wie früher (1984)
Parodos (1984)
Stumme Zeugen (1984)
Im Scheinwerferlicht (1984)
Peripetie (1984)
Rauch und Asche (1984)
Éleos
Phobos
Deus ex machina
Katharsis
Es gibt Nächte, die alle Geräusche zu verschlucken scheinen, bis nur noch das eigene Herzklopfen übrig bleibt.Alma setzte unbeholfen einen Fuß vor den anderen. Es war, als hätte der Wald sie verschlungen – ein schwarzer Schlund, der keine Grenzen hatte. Das Rascheln der Blätter unter ihren Schuhen durchbrach die Stille, als würde der Wald ihr zuflüstern, leise zu sein. Der Mond war kaum mehr als ein blasser Fleck am Himmel, und selbst sein Licht schien Angst vor der Finsternis zu haben.Die junge Frau verfluchte sich für ihre Gedankenlosigkeit. Sie hatte nur dem Streit entfliehen wollen, doch jetzt – allein zwischen den knorrigen Bäumen – fühlte sie sich nicht befreit, sondern gefangen. Nicht mal eine Taschenlampe hatte sie dabei, nur das schwache Licht ihres Handys, dessen Akku bedrohlich zur Neige ging. Jetzt bereute sie, einfach so davon gestürmt zu sein. Wenn sie genau darüber nachdachte, hatten Oskar und sie nur über Lappalien gestritten. Ihr Freund hatte unbedingt wild-campen wollen, um das Geld für den Campingplatz zu sparen. Alma war dagegen gewesen. Nicht nur, weil es verboten war – was, wenn sie jemand erwischte? – auch weil sie alles andere als scharf darauf war, ihr Geschäft im Unterholz zu verrichten. „Spießig“ hatte er sie genannt, mit diesem unverhohlenen Lächeln, das sie früher charmant gefunden hatte. Diesmal jedoch hatte es sie nur noch mehr aufgebracht. Wort um Wort hatten sie sich in Rage geredet, bis ihre Stimmen durch den stillen Wald hallten. Am Ende hatte sie ihn stehen lassen, mitten zwischen Zeltstangen und Rucksack – sollte er sein dämliches Zelt doch allein aufbauen!Doch jetzt, wo die Wut verflogen war, blieb nur ein bitteres Gefühl der Reue zurück. Inzwischen kam sie sich albern vor. Sie hatte überreagiert. Man löste keinen Konflikt, indem man davonlief. Besonders nicht, wenn man überhaupt keine Ahnung hatte, wohin man eigentlich lief.Ein Zweig knackte unter ihrem Fuß, und sie hielt inne. Ihr Atem war schwerer geworden, ohne dass sie es bemerkt hatte. Sie fühlte sich beobachtet, als wäre sie nicht die einzige, die hier fehl am Platz war. Die Orientierung hatte sie längst verloren. Ziellos wanderte sie umher, schützend ihre Arme um sich gelegt, auf denen sich eine leichte Gänsehaut gebildet hatte. Es war nicht der Wind, der sie frösteln ließ, sondern die Art, wie die Schatten sich bewegten, als wären sie lebendig. Sie schienen an den Baumstämmen zu kriechen, mit einer fast hypnotischen Langsamkeit.Sie blickte sich um, doch jeder Baum sah aus wie der nächste. Kein erkennbarer Pfad, keine Markierung. Nur Dunkelheit und das Wispern des Windes in den Blättern.Irgendwann würde sie aus dem Wald herauskommen und einen Anhaltspunkt finden, an dem sie sich orientieren könnte, dachte Alma sich. Vielleicht eine Straße oder ein Gebäude. Unweit von ihrem Lagerplatz gab es eine kleine Stadt, also würde sie früher oder später auf eine Straße treffen müssen. Zumindest, wenn sie in die richtige Richtung lief. Diese Hoffnung trieb sie voran. Manchmal war der einzige Weg, sich durch die Schatten voran zu tasten. Dann, gerade als ihre Schritte zögerlicher wurden, glaubte sie, in der Ferne etwas zu erkennen – dunkle Umrisse gegen den noch dunkleren Himmel. Ein Gebäude? Oder nur eine Einbildung?
Vor ihr erhoben sich schemenhafte Strukturen – zu groß für einfache Felsen, zu regelmäßig für wildes Geäst. Alma machte einen Schritt vorwärts und spürte, wie hohes Gras und knorrige Wurzeln sich um ihre Knöchel schlangen, als wollten sie sie zurückhalten. Die Bäume teilten sich, und Alma sah es: die Überreste eines Gebäudes, eingefangen im schwachen Schein des Mondlichts. Sie stand vor einer Ruine - alt, verfallen, aber immer noch stolz in ihrer anmutigen Eleganz. Fensterhöhlen starrten sie wie leere Augen an, dort, wo einmal die Eingangstür gewesen sein musste, klaffte ein schwarzer Schlund, der seltsam einladend wirkte. Mit vorsichtigen Schritten trat sie näher. Ein Knirschen unter ihren Füßen ließ sie innehalten und nach unten blicken. Sie war auf eine glänzende Glasscherbe getreten, die unter ihrem Schuh zerbrochen war. Alma bückte sich und hob sie auf. Sie fühlte sich kühl an und reflektierte das spärliche Licht. Ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit.Ihr Blick wanderte zurück zu den Mauern, die sich wie ein zerklüfteter Schatten gegen den Himmel abzeichneten. Ein seltsamer Drang zog sie näher, ließ sie das Gebäude genauer betrachten. Sie fragte sich, was das einmal gewesen sein mochte. Es war zu imposant für ein gewöhnliches Wohnhaus, wirkte fast wie ein Palast. Sie setzte einen Fuß auf die erste Stufe. Dann den zweiten. Der Boden unter ihr war rau und splittrig, als würde das Gebäude sie warnen, nicht weiterzugehen. Verkohlte Holzsplitter lagen überall verstreut. Sie fühlte sich, als würde sie eine unsichtbare Schwelle übertreten, hinein in eine andere Welt. Die Angst, die sie begleitet hatte, wich nun vollständig einer seltsamen Abenteuerlust.