Als ein Schinken vom Himmel fiel - Herbert Remmel - E-Book
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Als ein Schinken vom Himmel fiel E-Book

Herbert Remmel

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Beschreibung

Wieso geistert in zahlreichen Sagen das Petermännchen aus Pinnow durch das weit entfernte Schweriner Schloss, als wäre es dort zu Hause? Warum melkt eine alte, untadelige Raben Steinfelder Bäuerin Kühe durch die Wand, obwohl der Milchraub doch der klassische Schadenzauber der Hexen war. Woran dachten die Pinnower Bauern, als sie in ihrer Sage einen Rehschinken vom Himmel fallen ließen. Warum hausen die Weißen Frauen (oder sind es gar die weisen Frauen?) von Sukow unter einem Kuhstall und haben Wechselbälger bei sich? Warum darf Herzog Karl Leopolds Name in der Sage nicht erwähnt werden? Kann die sprachliche Analyse eines Flurnamens uns den historischen Wahrheitsgehalt einer Sage vermitteln? Volkssagen haben oft mehr zu sagen, als es der Wortfluss der Erzählung und die Semantik der Wörter hergeben. Die inhaltlichen Sagenstoffe reflektieren die gesellschaftlichen und historischen Situationen, in denen diese Sagen entstanden sind. Sie haben meist Hintergründe, die für die damaligen Zeitgenossen bekannt waren, uns heutigen Lesern oft aber verborgen sind. Zudem ist in der langen Zeit der Tradierung von Sagen über Generationen hinweg vieles vom alten Sagenstoff verblasst so wie Neues hinzugedichtet worden ist – Vorsicht und Zurückhaltung sind bei der Deutung alter Sagen also angebracht. In diesem Büchlein soll versucht werden, einige Sagenhintergründe aufzudecken und einige Sagen, die in der Kleinregion rund um Pinnow kursierten und heute noch erzählt werden, zu deuten. Die vom Autor nacherzählten Sagen wurden von Ines Höfs illustriert.

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EPUB

Seitenzahl: 93

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Ein Wort zuvor

Sagen aus Pinnow

Wie das Petermännchen nach Pinnow kam

1. Die Unterirdischen

2. Die Unterirdischen ziehen mit einer goldenen Wiege zum Hilligen See

3. Der Auszug der Unterirdischen aus dem Petersberg

Hintergründe

Wie die Unterirdischen zum Petermännchen wurden

Wie aber wurde aus den Unterirdischen das Petermännchen?

Kein Lindwurm am Lindhörn

Die Weiße Frau am Schmiedeberg

Die Sage

Hintergrund / Deutung

Die Weiße Frau am falschen Ort

Der Wod und Frau Waur

Der Wod ringt mit einem Bauern

Als ein Schinken vom Himmel fiel

Die Sage

Hintergrund

Die Sage vom Räuber Röpke in den Stahlbergen

Hintergrund

Kröten küssen auf Fischerwerder

Hintergrund

Der Tanz um den Altar

Hintergrund

Sagen aus Godern

Müller und Teufel in der Goderner Wassermühle

Hintergründe

Der Götterkopf von Godern

Sagen aus Raben Steinfeld

Durch die Wand gemolken

Hintergrund / Deutung

Der Steinerne Tisch

Der Großherzog, der Teufel und das Petermännchen

Sagen aus Consrade, Plate und Peckatel

Frau Waur und ihre Meute setzen über die Stör

Der Draak in Peckatel

Die Tafel im Rummelsberg

Der Kultwagen von Peckatel

Von Riesen, die Steine warfen und vom Riesenstein bei Peckatel

Hintergrund

Sagen aus Zietlitz und aus Sukow

Der Wassermann im Zietlitzer Soll

Hintergünde: Der Wassermann in der Mythologie

Die Weißen (weisen) Weiber von Sukow

Hintergrund / Deutung

Das Weiße Weib in der Lewitz

Der mitleidige Bauer aus Sukow

Sagen aus Crivitz

Wie die Crivitzer zu ihrem Stadtwald kamen

Hintergrund

Die Unterirdischen im Crivitzer Weinberg

Sagen aus Gädebehn und aus Augustenhof

Die Gädebehner Brauteiche

Die Streiteiche von Augustenhof (Rehhagen)

Hintergrund

Verwendete Literatur zu Mecklenburger Sagen

Literatur zur Sagen- und Erzählkultur

Herbert Remmel

Impressum

Herbert Remmel

Als ein Schinken vom Himmel fiel

Sagen aus Pinnow und aus der Nachbarschaft

Nacherzählt und neu gefasst - mit Deutungen und mit Hintergründen

Herausgeber: Gemeinde Pinnow

Illustrationen: Ines Höfs

ISBN: 978-3-95655-865-8 (E-Book)

ISBN: 978-3-95655-864-1 (Buch)

© 2018 EDITION digital®Godern Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Ein Wort zuvor

Immerhin hat es die moderne heutige Sagenforschung schon dahin gebracht, dass die Charakterisierung des modernen Menschen als „Homo sapiens“ fortgeschritten ist zum „Homo narrans“ – der Mensch als erzählendes Wesen. Nicht der aufrechte Gang habe den Menschen zum Menschen gemacht, sondern dessen Fähigkeit zu erzählen.

In diese hohen Sphären der Wissenschaft werden wir uns nicht begeben, die Erkenntnisse über die menschliche Fähigkeit des Erzählens dafür aber herausgreifen.

Allein in Pinnow hat diese Fähigkeit für weit über 20 Sagen gereicht, wobei die Erzählfreude unserer Altvorderen aber doch wohl etwas kurz-bündig und müde herüberkommt. Sagen mit drei, vier Absätzen und oft weniger als einem Dutzend Sätzen dominieren den Sagenhaushalt unseres Ortes. Einige dieser Sagen in erzählbare Langfassungen gebracht und publiziert zu haben, ist das Verdienst des Schweriner Sagenschreiber-Ehepaares Erika und Jürgen Borchardt.

Um die Sage vom Pinnow-Schweriner-Petermännchen in Existenz zu setzen, reichten sogar nur die folgenden zweieinhalb Dutzend Wörter: „…, denn es wird hier erzählt, dieses (das Petermännchen, A.) habe seine eigentliche Wohnung in jenem Berge (Petersberg, A.) gehabt, sei aber in einer Nacht durch die Luft nach Schwerin hinübergezogen und habe sich im Schloss daselbst angesiedelt.“

Geboren wurde diese sich später zur Sage wandelnde Behauptung Ende der 1860er Jahre. Gleichzeitiger Erzeuger und Geburtshelfer dieser Erzählung war der Pinnower Pastor Präpositus Schencke. Vor ihm und vor 1860 gab es in Schwerin kein Pinnower Petermännchen! Und außer diesem einen Satz gibt es auch keine schriftlich fixierte Pinnow-Schweriner-Petermännchen-Sage. Diese existiert, aufgeteilt in verschiedenen, oft wechselnden Geschichten, vornehmlich nur in der mündlichen Erzählung.

So gibt es zu nahezu allen Sagen noch dunkle, nicht erforschte Hintergründe ebenso wie es Sagen-Deutungen gibt, die völlig in die Irre führen. Dies gilt oft auch für gegenwärtige frei fabulierte Sagen, deren Erzählinhalte oft auf ein falsch interpretiertes Wort oder auf eine nicht überprüfte Ortsangabe aufbauen.

Für Pinnow gleichzeitig interessant und beklagenswert ist der Fakt, dass in der Menge der zu erzählenden lokalen Sagen nicht eine einzige authentische Pinnower Sage zu finden ist. Selbst die Unterirdischen, als das Herzstück unserer Sagenwelt, finden sich kaum fünf Kilometer südlich im Rummelsberg bei Peckatel wieder. Und die Pinnower Weiße Frau, die uns immerhin auf einen Ort furchtbaren Geschehens im Pinnower Dorfkern hinweist, erscheint in Mecklenburg gleich im Dutzend.

Die Besonderheit dieser Pinnower Sagenstruktur liegt in einer verkehrstechnischen Situation, die über Jahrhunderte währte: Dass nämlich, bis zum Bau des Paulsdammes Mitte des 19. Jahrhunderts, die bedeutsamste West-Ost-Verbindung von Schwerin nach Sternberg, Rostock, Güstrow und weiter in die pommerschen Hansestädte über Pinnow führte. In den beiden Dorfkrügen in Pinnow und in Petersberg, beide ausgestattet mit der Gerechtigkeit des „Herbergierens“, trafen Reisende aus nahezu allen deutschen Ländern zusammen und mit ihnen Sagenerzählungen, deren Themen von den Pinnowern wohl gerne aufgenommen und auf lokale Geschehnisse übertragen, sagenhaft weiter erzählt wurden. Dass etwa ein in einen roten Strumpf gehülltes Frauenbein, das in der hinter-pommerschen Kreisstadt Naugrad vom Himmel fällt, in Pinnow zum freien Fall eines Rehschinkens mutiert, gehört wohl in diesen Zusammenhang – und soll auch erklären, warum die Pinnower diese erotische Luftfahrt eines Damenbeines in Richtung Fressgelage umwandelten.

Diese kleine Schrift, in die auch Sagen aus den benachbarten Gemeinden mit eingeflossen sind, will auch dort versuchen, einige Hintergründe aufzudecken und neue Deutungen anzubieten. Einige Sagen bleiben ohne diese deutenden Ergänzungen.

Bei den Recherchen zu den einzelnen Sagen entstand der Eindruck, dass schon zu frühen Zeiten die kirchliche Indexliste auch mit verbotenen Sagen oder Sagenteilen aufgefüllt worden ist, dieser Eindruck erhärtet sich auch in unseren Sagen.

Wir freuen uns zudem sehr, dass die Schweriner Künstlerin Frau Ines Höfs diese Miniaturen illustrierte.

Sagen aus Pinnow

Wie das Petermännchen nach Pinnow kam

1. Die Unterirdischen

Vor langer, langer Zeit, da war in einer stockfinsteren Nacht ganz plötzlich ein Rauschen und ein Heulen in der Luft, dass viele der Pinnower und Petersberger Bauern erschrocken aus ihren Betten fuhren. Einige von ihnen liefen vor die Türen ihrer Häuser, um zu sehen, was denn da geschah. Und was sie da sahen, das sollten sie ihren Lebtag nicht vergessen: Aus Richtung Gädebehn fuhr ein feuriger Schweif auf die Erde nieder, dass es nur so heulte und krachte und es taghell wurde. Lärmend kroch dieser Flammen und Funken werfende Schweif am Hilligen See vorbei und über die Felder und bewegte sich in Richtung des Petersberges. Dann sahen die Bauen zu ihrem Erstaunen, wie sich am Petersberg, den man damals noch „de hooch Barg“ nannte, eine große, hell erleuchtete Höhle auftat, in die der Schweif mit all seinem Feuer und mit all seinem Lärm blitzschnell verschwand. Danach war die Nacht ganz still und ganz dunkel wie zuvor.

Am nächsten Morgen kamen die Leute aus den beiden Dörfern ganz aufgeregt auf dem Brink in Petersberg zusammen und beratschlagten, was denn nun zu tun sei, denn irgendein Unheil sei wohl in der Nacht am Petersberg niedergegangen, daran sei nicht zu zweifeln. Doch es zeigte sich, dass sie alle nicht den Mut hatten, zum Petersberg zu gehen und zu schauen, was denn da in der Nacht geschehen war. Sie hatten Angst, dass sie verflucht werden könnten, dass die Weiße Frau oder der Draak sie holen könnten, oder dass gar der Teufel seine Hände im Spiel habe.

Und als sie da ratlos und ohne Mut zusammenstanden, da kam aus dem Bietnitz-Grund herauf der Pinnower Kuhhirte mit den Kühen des Dorfes. „Du, Hannes“, fragten sie ihn, „wo willst du denn heute die Kühe weiden lassen?“ „Auf dem Petersberg“, antwortete der vergnügt, denn er hatte in der Nacht so fest und tief geschlafen, dass er von dem nächtlichen Tumult gar nichts wusste. Als die Leute dem Kuhhirten nun erzählten, was in der Nacht geschehen war, da zeigte der Hannes ihnen nur den Piepvogel und meinte: „Ihr habt gestern Abend mal wieder zu lange beim alten Roggendorf auf der Diele gesessen und euch zu viele Geistergeschichtenerzählt. Ein Feuerschweif am Petersberg und auch noch eine Höhle dazu, dass ich nicht lache, so etwas gibt es doch gar nicht.“

Und Hannes trieb die Kühe ganz unverdrossen zum Petersberg und ließ sie dort weiden. Als nun die Mittagszeit nahte, da setzte er sich in den Schatten eines Baumes, aß sein Brot und den Speck und streckte sich dann lang aus, um ein ganz kurzes Nickerchen zu halten. Kaum hatte er sich die Mütze über die Augen geschoben und diese geschlossen, da hörte er eine kräftige, doch freundliche Stimme rufen: „Du, Hannes!“ Zum Teufel noch mal, dachte Hannes, die Leute auf dem Brink haben mich mit ihrem Gerede derart angesteckt, dass ich auch schon Stimmen höre.

Kaum hatte er dann dreimal durchgeatmet, da war wieder diese Stimme: „Du, Hannes, so hör doch mal!“ Jetzt aber riss sich Hannes die Mütze von den Augen und schaute sich um. „Hannes, hier bin ich!“ Hannes schaute hinüber zu dem anderen Baum, von wo die Stimme kam – und es war ihm, als würde sein Herz vor Schreck still stehen. Dort am Baum stand ein kleines Männlein, wie er es noch nie gesehen hatte: Etwa eine Armlänge groß war es und alt. Ja, alt musste es sein, denn es hatte einen Bart, der bis auf die Erde reichte, und es hatte ganz blaue Augen und eine große breite Nase. Das Männlein trug ein braunes ledernes Wams und eine lederne Schürze mit einem breiten Gürtel, in dem ein Hammer steckte. Auf dem Kopf trug es einen spitzen Hut mit breiter Krempe und seine Beine steckten in schwarz glänzenden Stulpenstiefeln. Es hatte ein Lächeln auf den Lippen und es schaute Hannes mit seinen großen blauen Augen freundlich an.

„Wer bist du?“, entfuhr es Hannes, der sich vom ersten Schreck schnell erholt hatte. „Ich bin Clawes, der Schmied“, sagte das Männlein mit voll-tönender Stimme. „Ich gehöre zum Volk der Unterirdischen, und wir sind gestern in der Nacht mit unserem König und seinem ganzen Hofstaat hier in den hohen Berg eingekehrt. Und hier im hohen Berg wollen wir bleiben, denn dort in Richtung Sonnenaufgang, wo bisher unsere Heimat war, da hat es Krieg gegeben, da war dann kein Platz mehr für uns. Bei unserem großen Zauberer hatten wir noch einen Wunsch frei, und wir alle wünschten uns, der feurige Himmelswagen möge uns alle wegtragen in ein fernes Land und in einen hohen Berg, in dem wir friedlich wohnen können. So sind wir in der Nacht hierher in den hohen Berg gekommen.“

Und der kleine Mann erzählte weiter, dass ihr König mit im Berg wohne und Cernebog heiße. Cernebog habe ein großes Gestüt mit vielen Pferden und einen weißen Hengst, der für das Volk der Unterirdischen heilig sei.Er, Clawes, sei der Hufschmied des Königs, und er habe auch die alleinige Verantwortung für den weißen Hengst und das Gestüt.

Da aber wurde der Hannes hellhörig. „Sag mal, du kleiner Wicht, wollt ihr mir mit euren Pferden und dem weißen Hengst etwa meine Kuhweide hier auf dem Petersberg streitig machen?“ „Ei wo“, sagte Clawes, „wir wissen, dass du der Kuhhirte von Pinnow bist, und wir werden weder dir noch den Bauern etwas streitig machen – weder Feld noch Wasser, weder Wald noch Tier, weder Haus noch Hof. Wir möchten mit den Menschen friedlich zusammenleben, und ich verspreche dir, ihr Menschen werdet uns nur selten zu Gesicht bekommen.“ Und als das Männlein das letzte Wort gesprochen hatte, verschwand es ganz schnell.

Am Abend, nachdem Hannes die Kühe zurück ins Dorf getrieben hatte, saß er mit den Bauern im Pinnower Krug und erzählte sein kurzes Erlebnis mit dem kleinen Schmied Clawes vom Volk der Unterirdischen. Bereits am nächsten Morgen wussten dann alle Leute in Pinnow und in Petersberg, dass sie neue Nachbarn hatten, die im hohen Berg wohnen.