Als es Nacht wurde, trieben wir heim -  - E-Book

Als es Nacht wurde, trieben wir heim E-Book

0,0

Beschreibung

Die in diesem Buch zusammengetragenen 72 Schulaufsätze von Bauernhofkindern sind bemerkenswerte Zeitzeugnisse gelebter Kindheit auf dem Land – von 1937 bis heute. Zugleich ist diese Sammlung lustiger Stilblüten weit mehr als das: nämlich allerbeste Unterhaltung. Man erfährt vieles über die besonderen Lebensbedingungen, die Traditionen und das soziale Geflecht, in dem die Kinder aufgewachsen sind. Dabei zeigt sich wieder einmal aufs Neue, wie gut es Kindern gelingt, dank ihrer hervorragenden Beobachtungsgabe und schnörkellos-einfachen Sprache die Dinge auf den Punkt zu bringen: erfrischend direkt, ohne Umschweife und unverfälscht … witzig und anrührend. Ein absoluter Lesespaß.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 171

Veröffentlichungsjahr: 2013

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1

Monika, 12 Jahre - September 1949

Heidi, 13 Jahre - April 1950

Paula, 15 Jahre - Oktober 1952

Rosa, 15 Jahre - Juni 1952

Monika, 13 Jahre - Oktober 1953

Rosa, 15 Jahre - November 1952

Anna, 12 Jahre - Februar 1953

Eva, 16 Jahre - März 1953

Anna, 12 Jahre - Juni 1953

Hildegard, 14 Jahre - Dezember 1954

Anna, 14 Jahre - März 1955

Anna, 13 Jahre - Januar 1954

Else, 11 Jahre - Oktober 1963

Hedwig, 13 Jahre - April 1977

Sophie, 11 Jahre - Januar 2007

Annemarie, 15 Jahre - März 2008

Peter, 17 Jahre - Oktober 2008

Kapitel 2

Helena, 9 Jahre - Februar 1950

Edeltraud, 12 Jahre - März 1953

Barbara, 12 Jahre - Mai 1953

Theresa, 12 Jahre - September 1953

Christa, 11 Jahre - März 1956

Irmgard, 13 Jahre - Oktober 1954

Hanna, 12 Jahre - November 1952

Veronika, 14 Jahre - Februar 1955

Brigitte, 12 Jahre - Dezember 1952

Maria, 10 Jahre - Dezember 1956

Kapitel 3

Gerhard, 13 Jahre - Sommer 1948

Hans, 12 Jahre - Juni 1949

Rosa, 16 Jahre - Januar 1953

Franziska, 14 Jahre - März 1953

Rosa, 16 Jahre - Mai 1953

Barbara, 13 Jahre - Mai 1954

Maria, 10 Jahre - Februar 1957

Roswitha, 14 Jahre - Dezember 1954

Else, 11 Jahre - Herbst 1963

Andrea, 14 Jahre - Juli 1978

Günter, 13 Jahre - September 1978

Georg, 10 Jahre - September 2005

Eleonore, 10 Jahre - Frühjahr 2007

Michaela, 13 Jahre - Sommer 2007

Rosmarie, 14 Jahre - Oktober 1955

Walther, 15 Jahre - Sommer 1944

Kapitel 4

Lieselotte, 15 Jahre - Februar 1937

Josef, 15 Jahre - Mai 1938

Gerhard, 13 Jahre - März 1948

Helena, 9 Jahre - Juni 1950

Gerda, 12 Jahre - März 1953

Gertraud, 13 Jahre - November 1953

Hannelore, 13 Jahre - Januar 1954

Marianne, 10 Jahre - Januar 1967

Wally, 12 Jahre - September 1969

Hansi, 13 Jahre - August 1974

Marianne, 10 Jahre - August 1967

Kapitel 5

Katharina, 9 Jahre - Oktober 1949

Dorothea, 14 Jahre - Oktober 1949

Waltraud, 14 Jahre - November 1949

Hans, 12 Jahre - Juli 1949

Annelies, 9 Jahre - März 1950

Gertraud, 12 Jahre - Oktober 1952

Ursula, 12 Jahre - April 1953

Martina, 13 Jahre - September 1953

Angelika, 10 Jahre - September 1954

Waltraud, 14 Jahre - Oktober 1954

Andreas, 12 Jahre - August 1962

Christine, 12 Jahre - Sommer 2006

Johanna, 7 Jahre - Juni 2006

Julian, 12 Jahre - Mai 2006

Anne-Lotte, 11 Jahre - Sommer 2007

Jasmin, 11 Jahre - Februar 2007

Martha, 11 Jahre - Oktober 2007

Michael, 12 Jahre - Mai 2007

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

vielleicht fragen Sie sich: Warum gerade Aufsätze? Und warum gerade von Bauernhofkindern? Nun, die erste Frage ist schnell beantwortet: Aufsätze sind authentisch und dokumentieren die Zeit und die Umstände ihrer Entstehung. In nachträglich verfassten Texten ist man eher geneigt, die Zeit zu verklären …

Und warum Aufsätze von Bauernhofkindern?

Der Gedanke, Aufsätze von Kindern, die auf dem Bauernhof aufwachsen, zusammenzutragen, kam mir schon vor einigen Jahren, als ich einen Aufsatz von einem meiner Söhne las. Darin beschrieb er sehr lebendig, wie er mit schier unglaublicher Begeisterung schon frühmorgens, noch vor der Schule, beim Maissilieren mit auf dem Traktor saß. Aus der Schule zurückgekehrt, ließ er das Mittagessen ausfallen, um gleich wieder mit dabei zu sein ...

Ich selbst bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und kann nur bestätigen, dass es einem dort niemals langweilig wird. Zum einen ist ein Bauernhof ein wahres Freizeitparadies: Wo kann man sonst so herrliche Strohburgen bauen oder ein eigenes Lämmchen halten? Zum anderen – und daran hat sich bis heute nicht viel geändert – „gibt es immer viel zu tun, im Frühling, Sommer, Herbst und Winter“…

„Dumm ist nur, dass man beim schönsten Wetter immer die meiste Arbeit hat.“ So brachte mein Ältester es auf den Punkt. In dieser „Zwickmühle“ wachsen alle Bauernhofkinder auf – heutzutage wie auch vor 70 Jahren ...

Die Aufsätze in diesem Buch – von 1937–2008, gesammelt in der ganzen Republik – geben einen unverfälschten, authentischen Einblick in das wahre „Leben auf dem Lande“.

Allen, die sich für mich auf die Suche nach ihren „literarischen Schätzen“ begeben haben, sei an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt. Nur so konnte die-se wunderbare Sammlung von Schulaufsätzen zum Landleben entstehen.

Walburga Loock

Monika, 12 Jahre - September 1949

Beim Volksfest ging’s lustig zu

Bei der Ernte musste ich fleißig mithelfen. Aber mich reute es nicht, denn als die Ernte eingebracht war, sagte der Vater zu meiner Schwester und mir: „Am nächsten Sonntag fahren wir ins Volksfest.“ Wir zwei hatten natürlich eine riesengroße Freude und konnten es fast nicht erwarten, bis der Sonntag da war. Die Woche verging diesmal so langsam.

Endlich kam der langersehnte Sonntag. Wir mussten aber, obwohl wir fortfahren durften, zuerst in die Kirche gehen. Als wir nach Hause gekommen waren, aßen wir und gingen nach Altomünster zum Zug.

Nun aber hatten wir mächtige Angst, dass uns der Zug davonfahren könnte und wir zu Hause bleiben müssten. Als wir in den Zug einstiegen, richteten die Schwester und ich das Auge auf einen Fensterplatz. Es war zu unserem Glück noch einer frei.

Nun fuhren wir von einer Station zur anderen. Sooft der Zug hielt, stiegen Leute ein. Der Eisenbahnwagen, der ganz leer war, als wir einstiegen, wurde mit der Zeit übervoll. Endlich kamen wir in Dachau an. Der Vater hielt uns an den Händen fest, dass wir uns im Gedränge nicht verlieren konnten. Auf der Festwiese angekommen, war das Karussellfahren das Erste. Gleich danach musste uns der Vater „Gutseln“ kaufen.

Später gingen die Schwester und ich ins Kasperltheater.

Als die zum Kauf angebotenen Sachen angeschaut waren, besuchten wir die Kunst-, Gersten- und Landwirtschaftsmaschinenausstellung. Letztere interessierte mich gar nicht.

Die Preise, die bei der Braugerstenschau ausgesetzt waren, gefielen mir gut. Die Kunstausstellung und die Schau für die Bäuerin waren etwas für mich. Es waren viele Kochbücher ausgestellt und Maschinen, die der Hausfrau die Arbeit erleichtern. Dann verließen wir die Festwiese und gingen zum Zug. Als wir zum Bahnhof kamen, war der Zug schon losgefahren. Wir mussten warten, bis der Halb-neun-Uhr-Zug fuhr. An diesen schönen Volksfesttag werde ich noch öfter denken.

Heidi, 13 Jahre - April 1950

Feuerweihe

Am Karsamstag war die Feuerweihe. Meine Freundin Roswitha und ich machten aus, miteinander hinzugehen. Endlich war es Karsamstagmorgen. Um sieben Uhr fuhren wir los. Aber diesmal hätte mich das Radfahren bald verdrossen. Das Holzscheit, das ich zum Weihen tragen musste, verrutschte nämlich immer im Gepäckträger. So musste ich etliche Male vom Fahrrad steigen und mein Holz befestigen. Um 7.25 Uhr langten wir in Altomünster an. Hinter der Kirche brannte das Feuer schon lustig. Eine Weile dauerte es, bis der Geistliche Rat kam und das Feuer weihte. Als er es geweiht hatte, wäre er bald nicht mehr durch die Leute gekommen, so wurde er gedrängt. Mein Holz brachte ich lange nicht in das Feuer hinein. Als ich endlich nahe dort war, erlosch das Feuer. Als es dann wieder aufloderte, stand ich ganz vorn beim Feuer und konnte mein Holz schön hineinhalten. Als ich es später herauszog, war es ganz schön schwarz. Da ich nun heimgehen wollte, suchte ich die Renate, die ich während des Holzbrennens verloren hatte, und dann begaben wir uns auf den Heimweg. Wir dachten gleich an die nächste Feuerweihe und nahmen uns vor: „Nächstes Jahr sind wir aber früher dran.“

Paula, 15 Jahre - Oktober 1952

Heimische Bräuche zum Hochzeitsfest

Am vergangenen Samstag wurde bei uns eine große Bauernhochzeit gefeiert. Die alten Hochzeitsbräuche unserer bayerischen Heimat durften einmal alle wieder aufleben. Der große Festtag für die Brautleute wurde schon vor dem Gebetläuten angeschossen, damit sie nicht verschlafen. Um sieben Uhr erscheinen die Musikanten vor dem Hause des Bräutigams und der Braut, um den frohen Tag mit Musik anzufangen. Vor der Abfahrt muss vom Elternhaus Abschied genommen werden, was in rührender Weise geschieht. Der Hochzeitslader fängt das „Urlaubnehmen“, wie hier der Abschied genannt wird, mit Verslein an, denen ein Vaterunser für die Toten der Familie folgt. Nach dem endgültigen Abschied der Braut von Vater und Mutter tritt die Braut aus dem Haus mit einer mit Weihwasser gefüllten Tasse .Sie besprengt damit das Gefährt, das sie fortbringen soll, damit auf dem Weg kein Unglück geschieht. Während die Braut zum Hof hinausfährt, wird wieder geschossen, und die Musikanten spielen: „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus.“ Der Bräutigam empfängt die Braut bei der Ankunft unter der Haustür und überreicht ihr den Brautstrauß. Nach dem Entgegennehmen vieler Glückwünsche wird dann zur Kirche gezogen, wo die Brautleute getraut werden. Wenn die Braut so viel Glück hat, wie es geregnet hat, dann wird sie überglücklich. Es wird nämlich gesagt, wenn es regnet, regnet es der Braut Glück.

Rosa, 15 Jahre - Juni 1952

Liebe Tante!

Im Juli werde ich aus der Schule entlassen. Das ist in meinem Leben eine große Wendung. Viele Gedanken beschäftigen mich, teils gute, teils schlechte. Habe ich in meiner Schulzeit so viel gelernt, dass ich die Aufgaben meines Lebens werde meistern können? Mein sehnlichster Wunsch ist es, einmal eine Bäuerin zu werden. Ich fühle mich jetzt schon wohl in der stilecht eingerichteten Bauernstube im Kreise meiner Familie, die recht groß werden soll. Im Stall erst soll Stück neben Stück stehen, jedes kerngesund und wohl genährt. Im Hühnerhof soll es recht lebendig zugehen. Hühner, Gänse und meine Lieblinge unter den gefiederten Tieren, die Enten, sollen in großer Anzahl den Hühnerhof bevölkern. Ein gepflegtes Blumengärtchen wird vor dem Hause sein. Den Tag werde ich mit Waschen, Nähen und anderen Arbeiten verbringen. Ob es so weit kommt, dass meine Luftschlösser Wirklichkeit werden, weiß nur unser Herrgott. Er wird mir Gesundheit und Arbeitsfreude schenken, die ich als zukünftige tüchtige Bäuerin dringend benötige.

Viele Grüße sendet Deine Nichte Rosa

Monika, 13 Jahre - Oktober 1953

Wie mein Schultag abläuft

Morgens, wenn ich aufstehe, ziehe ich mein Kleid an, und schnell wird mein Frühstück verzehrt. Denn es ist bereits 3/4 8 Uhr. Ein paar Schritte entfernt liegt das Schulhaus. Nun marschieren die Kinder mit den Mappen in der Hand dorthin. Jetzt sitzen wir in den Bänken. Nun kommt der Herr Hauptlehrer, und gleich wird gebetet. Er schaut mit lächelnder Miene auf die Kinder zu, denn die Kinder wissen bereits, dass das Rechnen als erstes Fach auf dem Stundenplan steht. „Rechenbuch heraus!“, tönt es aus dem Munde des Herrn Hauptlehrers. Nun beginnt das von den Kindern gehasste Rechnen. Nach dem Rechnen kommt meistens Deutsch, das bei den Kindern als ein „sehr schönes“ Fach gilt. Jetzt aber kommt das Schönste an der Schulzeit, nämlich die Pause. Sie ist aber schnell vorbei. Das interessanteste und schönste Fach ist für mich Erdkunde. Wir behandeln zurzeit Deutschland. Ist Erdkunde vorbei, werden ein paar Minuten lang Lieder gesungen, die eine gute Stimmung hervorbringen. Nun wird der „Mensch“ noch einmal durchgenommen. Jetzt ist es 3/4 1Uhr. Nun gibt der Herr Hauptlehrer noch die Hausaufgabe auf. Die Kinder freuen sich und gehen eilends nach Hause.

Rosa, 15 Jahre - November 1952

Meine liebe Tante!

Heute habe ich Dir etwas Trauriges mitzuteilen. Am Freitag früh verunglückte unser Herr Kaplan. Er fuhr um 3/4 6 Uhr nach Oberzeitlbach zur Kirche. Als er vom Motorrad steigen wollte, kam er zu Fall und brach sich den Fuß.

In der Kirche warteten die Leute auf das Beichten. Ebenso konnten die Kinder nicht kommunizieren.

Ich erfuhr von dem Unglück erst nach Mittag, als meine Schwester von der Schule kam. Sie kam zu mir in den Stall, wo ich gerade beschäftigt war, und berichtete von dem Unglück. Ich dachte mir: „Als unser Herr Kaplan voriges Jahr verunglückte, brach er sich den Arm und jetzt den Fuß. Was kommt dann nächstes Mal dran?“ Hoffentlich wird er bald wieder gesund.

Es war keine Freudenbotschaft, was ich Dir heute mitzuteilen hatte. Aber ich dachte mir, es wäre Dir lieb, wenn Du diese Neuigkeit auch gleich erfährst, weil Du unseren Herrn Kaplan auch kennst.

Es grüßt Dich Deine Nichte Rosa

Anna, 12 Jahre - Februar 1953

Unser Faschingszug

Heuer haben die Kinder in Petershausen einen Faschingsumzug veranstaltet. Ich richtete mich schon um zwölf Uhr her. Als ich fertig war, ging ich zum Schulhof. Mich fror schon sehr an den Füßen. Aber endlich setzte sich der Zug in Bewegung. Ein Knabe machte den Einleiter des Zuges. Er trug eine Maske mit großen Backen. Ihm folgte die Kapelle „Fürchterlich“. Hinter der Kapelle fuhr ein Wagen mit den Feuerwehrmännern, die spritzten. Hierauf kam ein kleines Prinzenpaar. Nach dem Prinzenpaar kam ein Rotkäppchenwagen, den ein Hund zog. Nun schlossen sich ein Ochsengespann mit dem „Gemeinderat“ und ein Wagen mit Schulkindern an. Den Schluss bildete ein Wagen, auf dem der „Gesangsverein“ Platz genommen hatte. Zwischen den einzelnen Wägen marschierten maskierte Kinder. Der Zug führte vom Schulhof durch das obere Dorf zum Bahnhof. Dort kehrte er um und endete wieder im Schulhof. Auf dem ganzen Weg waren Zuschauer, die viel lachten. Bei manchen Häusern wurden Würste und Süßigkeiten in den Zug geworfen. Als der Zug beendet war, teilte der Herr Bürgermeister Würste mit Semmeln aus. Nun ist der Fasching wieder zu Ende, und jetzt beginnt wieder die ernste Fastenzeit.

Eva, 16 Jahre - März 1953

Glück im Unglück

Vorigen Winter wurde ich Zeuge eines Verkehrsunfalls. Ein von Altomünster kommender Bulldog mit Anhänger kam auf der vereisten Straße ins Rutschen. Das Gefährt wurde von der rechten auf die linke Straßenseite geschleudert und stürzte den Straßenrain hinunter, wobei es sich überschlug.

Der geistesgegenwärtige Fahrer sprang, als er die Gefahr erkannte, ab. Es entstand zum Glück nur Sachschaden. Es waren nämlich nur die Seitenwände des Gummiwagens eingedrückt. Zur Hilfe geeilte Männer brachten den Bulldog bald wieder auf die Räder.

Dieser Mann hatte wahrhaftig Glück im Unglück.

Anna, 12 Jahre - Juni 1953

Liebe Renate!

Du bist jetzt schon wieder einige Zeit fort, und nun muss ich Dir ein paar Zeilen senden. Wie geht es Dir? Hoffentlich gut! Wir haben schon wieder einige Proben geschrieben. Wie gefällt es Dir in Dachau? Gehst Du zum Baden? Wo sind die Dachauer Kinder im Rechnen? Wir sind jetzt beim Schiefeck.

Renate, hast Du einen strengen Herrn Lehrer bekommen? Hoffentlich. Wir haben vor, mit unserem Herrn Lehrer eine kleine Radtour nach Scheyern zu machen. Darauf freue ich mich sehr.

Es würde uns sehr freuen, wenn Du uns mal besuchen würdest. Jetzt kommt bald wieder der Herr Geistliche Rat.

Nun schließe ich in der Hoffnung, dass es Dir in Dachau gut gefällt. Es grüßt Dich herzlich - Deine Schulfreundin A.

Hildegard, 14 Jahre - Dezember 1954

Kirchgang im Dorf

Freudig steige ich aus dem Bett, denn heute ist Sonntag. Zuerst wasche ich mich ab. Bald bin ich fertig. Schon läutet die Glocke. Mein Täschchen haltend, gehe ich aus dem Haus. Durch das Schneien in der Nacht ist die Straße voller Wasserpfützen geworden. Um meine Schuhe sauber zu halten, gehe ich langsam. Vor mir schreitet ein altes gebücktes Weiblein einher. In der rechten Hand hält sie einen Stock. Ganz langsam, nur seine Schritte betrachtend, marschiert es der Kirche zu. Für diese Frau ist es schon anstrengend, bei diesem Wetter in die Kirche zu gehen, denke ich mir. Nun kommt hinter mir ein kleiner Knirps dahergelaufen. Fast durch jede Wasserpfütze springt er durch. „He Maxl, schau einmal deine Hose an!“, schreie ich ihm zu. Aber er hört nicht. Jetzt ist er schon hinter der Hausecke verschwunden. Je näher es der Kirche zugeht, desto mehr Leute kommen zusammen. Jetzt läuten zwei Glocken. Drei Männer gehen vor mir in die Kirche hinein. Sie nehmen den Hut vom Kopf. Jetzt sind alle Leute an ihren Plätzen. Das Hochamt beginnt.

Anna, 14 Jahre - März 1955

Ein Zug fährt ein!

Am Schalter stehen viele Menschen. Jeder will eine Karte kaufen. In kurzer Zeit kommt der Zug am Bahnhof an. Drückend und drängend schieben sich die einzelnen Personen durch die Sperre. Ein Mann mit einer roten Mütze zwickt die Karten ab. Die ersten Leute laufen den Geleisen zu. Ein Mahnruf des Bahnangestellten hält die Eilenden auf. Die kleinen Kinder freuen sich schon auf den daherrasenden Zug. Der rieselnde Schnee verdeckt die Eisenbahnwägen. Nur die wuchtige Vorderseite der Loko - motive kommt zum Vorschein. Fauchend und kreischend rollen die schweren Räder daher. Die Maschine lässt den Dampf aus. „Petershausen!“, ruft der Schaffner. Neugierige Insassen recken ihre Köpfe heraus und schauen den Laufenden zu. Mit einem wuchtigen Schlag fallen die Türen zu. Die letzten Fahrgäste steigen aus und drängen sich durch die Sperre. Die großen Räder werden angetrieben. „Puch, puch!“, tönt es aus dem Kamin der Lokomotive, und der Zug fährt ab. Die letzten Fahrgäste winken mit ihren Taschentüchern. Jetzt verschwindet der Zug.

Anna, 13 Jahre - Januar 1954

Ich zeige einem Fremden meinen Heimatort.

Heute gehe ich mit meiner Tante spazieren und zeige ihr die Schönheiten von Petershausen. Zuerst gehen wir durch die Hauptstraße, da sehen wir an den Fenstern die schönsten Blumen. Nun schauen wir den Bahnhof an, der wie ein König so mächtig an den Geleisen steht. Der Weg zweigt in eine stille Nebenstraße ab, in den Weg zum Leichenhaus. Die Wiesen sind mit vielen schönen Blumen übersät. Da sagt meine Tante: „So etwas sieht man in der Stadt München nicht, da kann man nur das ewige Sausen und Brausen hören. Da sieht man nicht einmal einen Vogel fliegen.“ Nun werfen wir einen Blick auf unseren „Wendelstein“, auf dem wir im Winter Schlitten fahren können. Nun kommen wir in die Kirche. Sie ist dem heiligen Laurentius geweiht. Sie ist im barocken Stil. Nun gehen wir in das Glonntal. Kleine Bächlein plätschern in das Flussbett der Glonn. Nun drehen wir uns. Da sehen wir an einem kleinen Hügel ein nettes kleines Dorf mit Namen Ziegelberg. Nun kehren wir an der Oberen Hauptstraße wieder heim. Bevor wir in die Nebenstraße einbiegen, sehen wir noch ein altes schönes Haus, das unter Denkmalschutz steht. So gehen wir wieder nach Hause, nachdem meine Tante alles gesehen hat. Es ist doch sehr schön in Petershausen, denn man ist doch besser im Freien als in der Stadt.

Else, 11 Jahre - Oktober 1963

Wenn es abends dunkel wird

An einem schönen Sonntagabend kam Hansotto zu mir und meiner Schwester und sagte: „Kommt, wir lassen unsere Rübengeister brennen, dass die Leute und die kleinen Kinder erschrecken!“ Ich und meine Schwester sagten zusammen: „Das machen wir!“

Ich ging in die Küche und holte Streichhölzer und drei Kerzen. Und jetzt gingen wir zu uns auf den Hof. Hansotto, Helga und ich stellten die Geister auf den Rasen bei Hansotto. Wir selber setzten uns hinter die Blumen, und wenn Leute vorbeikamen, riefen wir jedes Mal mit dumpfer Stimme: „Huch!“

Ein Kind und seine Mutter gingen vorbei, und wir riefen ebenfalls: „Huch!“ Das Kind bekam fürchterliche Angst und schlüpfte sehr an seine Mutter. Die Mutter fragte das Kind, ob es jetzt nicht mehr böse sei. Das Kind antwortete: „Nein!“

Als viele Leute vorüber waren, waren unsere Kerzen abgebrannt. Wir nahmen Abschied voneinander und gingen heim. Im Bett träumte mir von den schönen Geistern und von dem Kind.

Hedwig, 13 Jahre - April 1977

Meine Oma

Meistens, wenn ich nachmittags aus der Schule komme, hält sich meine Oma im Garten auf. Manchmal gehe ich zu ihr und sage ihr schnell Guten Tag. „Es freut mich, dich gesund wiederzusehen“, begrüßt sie mich auch. Zwei braune gutmütige Augen schauen mich dabei an, und das fast faltenlose längliche Gesicht ist ein einziges Lächeln. Eine Warze am linken Nasenrand stört dabei nicht. Unter dem rosa karierten Kopftuch, das am Kinn ein Knoten zusammenhält, lugen die schlohweißen Haare hervor. Unter der buntgeblümten Wickelschürze trägt sie einen kaffeebraunen Glockenrock und einen dunkelblauen langärmeligen Pullover. Die Beine werden von hellbraunen Strümpfen verdeckt, und die Füße stecken in ebenfalls braunen Pantoffeln. Nachdem ich meiner Oma alle Neuigkeiten aus der Schule berichtet habe, wendet sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Ihre abgearbeiteten Hände scheuen sich nicht, feuchte Erdbrocken zu zermalmen oder eine Mulde für ein Pflänzchen zu graben. Mit größter Sorgfalt pflegt sie ihre Blumen. Aber sie kann auch energisch werden, wenn unser Schäferhund durch die frisch bepflanzten Beete der Katze nachjagt. Wenn ich meine Großmutter betrachte, dann freue ich mich, denn mit ihren 76 Jahren hält sie sich noch ganz rüstig. Auch kann ich immer zu ihr kommen und bei ihr mein Herz ausschütten. Ihre beruhigenden Worte sind dann eine Wohltat. Ich bete jeden Tag, dass meine Oma noch lange im Garten herumwerkeln kann wie heute und dass ich noch lange Freud und Leid mit ihr teilen kann.

Sophie, 11 Jahre - Januar 2007

Meine Heimat