Als Frau allein mit dem Fahrrad rund um Afrika - Dorothee Fleck - E-Book

Als Frau allein mit dem Fahrrad rund um Afrika E-Book

Dorothee Fleck

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Beschreibung

Trotz der vielen Bedenken, Als Frau allein mit dem Fahrrad rund um Afrika zu fahren, machte sich Dorothee Fleck auf den Weg. Sie meisterte die Herausforderung und fuhr in zwei Jahren 40.000 Kilometer durch 33 afrikanische Länder. Sie trotzte den auftretenden Schwierigkeiten, die der afrikanische Kontinent bereithielt: Dem Schnee im Atlas-Gebirge folgte die Hitze der Wüste. Kurz vor Mauretanien fuhr ein Reisebus über ihr Vorderrad, das sie notdürftig vor Ort ersetzen konnte. Ebola durchkreuzte ihre Pläne – die Grenze zur Elfenbeinküste war noch geschlossen. In Nigeria fand sie eine sichere Schneise zwischen Boko Haram und den Anschlägen auf die Ölplattformen im Nigerdelta. Wegen Tiefsand musste sie in Angola auf andere Fahrzeuge zurückgreifen. In Sambia wendete sich das Blatt: Es wurde touristischer, es gab Orte, wo sie länger verweilen konnte. Immer wieder wurde sie vor wilden Tieren, vor allem Löwen, gewarnt. Jedoch kreuzten „nur“ Giraffen, Zebras und verschiedene Antilopenarten ihren Weg. Aufregend war das Zusammentreffen mit einer Horde Elefanten am Zelt. Nachdem die Autorin den südlichsten Punkt des Kontinents erreicht hatte, radelte sie entlang der Ostküste zurück gen Norden. Sie war erleichtert, eine der härtesten Touren hinter sich zu haben, vermisste jedoch schnell die gastfreundlichen, hilfsbereiten Menschen, die ihr die Reise unvergesslich gemacht haben. Afrika war einzigartig – jedes Land wartete mit einem anderen Highlight und Abenteuer auf.

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IMPRESSUM

Als Frau allein mit dem Fahrrad rund um Afrika – Durch 33 Länder auf dem schwarzen Kontinent

Dorothee Fleck

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

© 2018 360° medien gbr mettmann | Marie-Curie-Straße 31 | 40822 Mettmann

www.360grad-medien.de

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Inhalt des Werkes wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

Redaktion und Lektorat: Christine Walter

Satz und Layout: 360° medien mettmann

Bildnachweis: Alle Fotos von Dorothee Fleck, außer S. 259: Tico

Gedruckt und gebunden:

STANDARTU SPAUSTUVE Druckerei | Dariaus ir Girėno g. 39 | LT - 02189 Vilnius |www.standart.lt

ISBN: 978-3-947944-00-2

Hergestellt in Litauen

www.360grad-medien.de

Dorothee Fleck

Als Frau allein mit dem Fahrrad rund um Afrika

Durch 33 Länder auf dem schwarzen Kontinent

Vorwort

Wieder waren die Taschen fast gepackt. Doch wo war meine super Wäscheleine? Nicht aufzufinden. Wahrscheinlich hatte ich sie auf dem letzten Campingplatz auf meiner Loire-Tour im Sommer vergessen. Das sollte mich nicht davon abhalten, am nächsten Tag endlich loszufahren. Dank Velotraum stand auch das Fahrrad wieder komplett überholt bereit. Mindestens 40.000 Kilometer musste es durchhalten. Da es in Afrika keine Ersatzteile gibt, packte ich alles ein, was auf der Fahrt benötigt wird: Kette, Ritzel, Zahnkranz, Bremsklötze, Schläuche, Reifen und spezielle Teile für meine Rohloff-Schaltung und Magura-Bremsen.

Die letzten Impfungen waren eingenommen. Der Doktor verabschiedete sich mit den Worten: „Kommen Sie gesund wieder.“ Ich lachte nur und meinte: „Zu Ihnen komme ich wohl eher krank wieder.“

Zweifel an meinem Plan, Afrika zu umrunden, bekam ich trotz der vielen Warnungen nicht. Die negativen Äußerungen kamen meist von Leuten, die mich nicht kannten. Vor zehn Jahren hatte ich meinen Job gekündigt und fuhr seitdem mit dem Fahrrad um die Welt. Meine Freunde und Familie wussten, dass ich mittlerweile genug Erfahrung gesammelt hatte und schon wissen würde, was ich machte. Und dass ich mir eh nichts sagen lassen würde.

Ich wusste selbst nicht, ob ich es schaffen würde, aber wenn ich es nicht einmal versuchte, würde ich es nie wissen.

Inhalt

Warmfahren in Südeuropa

Die Vielfalt von Marokko

Durch Mauretanien nach Dakar

Senegal

Gambia

Senegal: Casamance

Zurück in Dakar und wieder kurz durch Gambia

Kurzer Abstecher nach Gambia

Zurück im Senegal: Casamance

Guinea-Bissau

Guinea Conakry

Mali: Die große Überraschung

Burkina Faso

Ghana: Das andere Afrika!

Togo und Benin im Schnelldurchlauf

Nigeria

Kamerun

Gabun

Republik Kongo (Kongo-Brazzaville)

Demokratische Republik Kongo (Kongo-Kinshasa)

Angola: Das große Unbekannte

Sambia: Der Nordwesten bis Lusaka

Sambia: Von Lusaka zu den Victoriafällen

Simbabwe: Ein kurzer Abstecher

Botswana

Namibia: Der Norden und Westen bis Walfish Bay

Mit dem Fahrrad durch den Süden Namibias

Südafrika: Das Nord Cape und das West Cape

Die Garden Route in Südafrika mit dem Fahrrad

Südafrika: Das East Cape

Lesotho: Für alle, die hoch hinaus wollen

Wieder kurz in Südafrika

Swaziland

Mosambik: Die große Überraschung

Malawi: Das warme Herz von Afrika

Tansania: Vom Südwesten nach Dar Es Salaam

Sansibar mit dem Fahrrad

Tansania: Von der Küste nach Ruanda

Ruanda: Mit dem Fahrrad die Berge rauf und runter

Uganda: Es grünt so grün ...

Kenia: Von Uganda nach Nairobi

Durch den Norden Kenias

Äthiopien: Das Land mit zwei Gesichtern

Der Norden Äthiopiens

Ein bisschen Schummeln in Sudan

Ägypten: Am Nil entlang

Ägypten: Entlang des Roten Meeres nach Kairo

Endspurt durch Europa

Warmfahren in Südeuropa

Warum musste ich immer im Winter losfahren? Es war 14. Dezember 2015, ich wollte vor dem ganzen Weihnachtsrummel weg sein.

Die Abfahrt war sehr unspektakulär. Meine Schwester machte ein paar Fotos und eine Nachbarin kam zum Verabschieden heraus. Ein neuer Nachbar kam vorbei, fragte: „Wohin geht es denn?“ – „Nach Afrika“. Er machte ein Gesicht, als ob ich ihn veräppeln wollte.

Es war einer der kältesten Tage der Reise. Die Straßen waren gesäumt von zwei Dingen, die ich in ganz Afrika nur sehr selten sah: eisbedeckte Autos und Mülltonnen. Das Fahrrad war schwer beladen. Ich wusste nicht, ob ich es noch bewegen konnte. Den Berg hinunter ging es noch, aber unten in der Kurve? Alles ging mal wieder gut. Wegen der Wolken und des Windes wurde mir lange nicht warm.

In einem Stehcafé wärmte ich mich bei einer Tasse Kaffee auf. Als ich heraus kam, schien die Sonne und ein Schornsteinfeger kreuzte meinen Weg. Ich bin zwar nicht abergläubisch, bildete mir trotzdem ein, dass er mir Glück bringt.

Abfahrt zwischen eisbedeckten Autos und Mülltonnen

Von Lahr aus sind es nur 53 Kilometer bis zur Grenze bei Breisach. Ade Deutschland!

Frankreich

Meine erste Nacht verbrachte ich bei Freunden in der Nähe von Mulhouse. Es war schon dunkel, als ich dort ankam. Dabei war es noch nicht einmal 18 Uhr. Die kurzen Tage gefielen mir überhaupt nicht. Da ich wusste, dass mich ein lieber Empfang, Bett und Essen erwartete, war es nicht ganz so schlimm.

Die nächste Etappe war nur 50 Kilometer weit. In den ersten Tagen der Reise konnte ich mich noch von meinen Freunden verabschieden. Deswegen war auch gleich am dritten Tag ein „Ruhetag”. Hatte ich es eilig? Sicherlich nicht! Wer weiß, wann ich meine Freunde wieder sehe. Lieber nochmals einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. So fing die Reise langsam an, was meiner Kondition sehr entgegenkam. Danach war es mit dem „warmen Nest” vorbei. Es ging in das große Ungewisse. Wobei die Fahrt durch Südeuropa nicht das große Unbekannte und Fremde war.

Entlang der Kanäle und auf der ViaRhôna, dem Rhône-Radweg, fuhr ich in den Süden. Diese ebenen Strecken waren fantastisch, um mich an das schwere Gepäck zu gewöhnen. Das Wetter war erst wunderbar, blauer Himmel und strahlender Sonnenschein. Eines Abends dann war es sehr windig und sah nach Regen aus. An einer Schleuse an der Saône fragte ich einen Mann, der dort zugange war, ob ich irgendwo im Windschatten zelten dürfe. Bei der Aussicht auf Regen bot Stephan mir sein Hausboot zum Übernachten an. So ging der erste Regen spurlos an mir vorüber.

Die Strecke an der Rhône war ich in entgegengesetzter Richtung gefahren, als ich von meiner zweiten Weltumrundung zurückgekommen war. An einiges konnte ich mich erinnern, vieles war neu gemacht.

An den Gestaden der Rhône verbrachte ich den Heiligen Abend. Anstelle eines Weihnachtsbaums hatte ich eine Kerze und oben auf dem Berg war eine Burg erleuchtet. Sehr besinnlich. Der erste Weihnachtsfeiertag war fantastisch, besser kann man den Tag nicht verbringen. Weit entfernt von jeglichem Konsum und Völlerei, einfach den Tag in der Natur genießen und sich des Lebens erfreuen. In den nächsten Tagen fuhr ich an unzähligen überfüllten Mülleimern vorbei. Auf der Straße wurden die Geschenke ausgeführt und ich fragte mich, wie lange es dauere, dass alles, meist aus Plastik, auch Müll wären.

Wegen des Weihnachtsmarktes, der in Frankreich bis Neujahr geht, erkannte ich Narbonne nicht wieder. Erst in der Touristen-Information merkte ich, dass ich hier schon einmal gewesen war.

Zweimal übernachtete ich in einem günstigen Motel, um mir endlich eine Dusche zu gönnen und Kleider zu waschen. Auch ein längerer Abend im Internet tat von Zeit zu Zeit ganz gut. Das zweite Mal war bei Perpignan. Da war mir leider nicht bewusst, wie nah Spanien war. Nach zwei Wochen entlang von Flüssen und Kanälen war ich auf einmal mit den Pyrenäen konfrontiert. Schon dreimal hatte ich sie in beiden Richtungen überquert. Diesmal wählte ich die Route über Le Perthus. Da parallel die Autobahn verlief, hoffte ich, dass diese Straße ruhig wäre. Weit gefehlt! Es war der Horror. Auf den Autobahnbrücken sah ich lange Lkw-Schlangen vor der Grenze; Frankreich hatte die Grenzkontrollen verschärft. Zuerst dachte ich, das sei der Grund, weswegen alle Pkw auf die Nebenstraße auswichen. Auch dabei lag ich komplett falsch. Schon zwei Kilometer vor Le Perthus staute es sich. An den qualmenden Auspuffen konnte ich vorbeifahren. Im Dorf sah ich dann den wahren Grund des Verkehrsaufkommens: Ein Geschäft reihte sich an das andere, überall konnte man günstig Alkohol und Tabak kaufen: Dieser Teil der Stadt gehörte zu Spanien, weswegen die Franzosen hier sehr günstig einkaufen konnten.

Spanien

Sehr ruhig auf einer großen Straße ging es direkt nach Figueras, einer wunderbaren Stadt. Gerne hätte ich in das Dalí-Museum besucht. Die Schlange schreckte mich doch sehr ab. In der Ferienzeit sind die Orte voll Touristen. Es war der 31. Dezember und schönster Sonnenschein. Mich zog es wieder an das Meer und ich konnte Silvester in einem Wald an einer der schönsten Küstenstraßen Europas, zwischen Sant Feliu de Guíxols und Lloret de Mar mit Blick auf Tossa de Mar feiern. Das erste Mal, dass ich eine kleine Flasche Wein dabei hatte. Um 20 Uhr hatte ich mich in mein Zelt zurückgezogen, mit der Zuversicht, dass ich schon geweckt werden würde, falls etwas los wäre. Dem war dann auch so. Von beiden Seiten, sowohl vom Meer als auch von den Bergen, kam Feuerwerk. Komisch, Spanier machen kein Feuerwerk zu Silvester. Wahrscheinlich gab es auch hier viele Deutsche.

Am 1. Januar 2016 kam ich nach Barcelona. Ich dachte, mich trifft der Schlag! So viele Leute. Im Hafen lagen mehrere Kreuzfahrtschiffe. Nach zwei Stunden Suche fand ich glücklich und müde ein Hostel. Es war die denkbar schlechteste Zeit, die Stadt zu besuchen. Ich war nur froh, dass ich vor 15 Jahren schon einmal hier war. Mittlerweile muss man für den Park Güell Eintritt bezahlen. Ich stand um 13 Uhr vor einer langen Schlange. Mir wurde gesagt, wenn ich jetzt ein Ticket kaufe, dürfe ich um 17 Uhr hinein, kurz bevor es dunkel wurde. Nein, danke! Im Sommer ist es anscheinend noch schlimmer. Dann sind bis zu 8.000 Besucher gleichzeitig im Park. Im Januar durften alle halbe Stunde 450 Besucher hinein. Eine gute Einnahmequelle für die Stadt.

Ich fuhr am 3. Januar weiter, zuerst über eine sehr kurvenreiche, bergige Küstenstrecke. Obwohl es Sonntag war, waren unzählige Autos in beide Richtungen unterwegs. Aber auch Pulks von Radfahrern, natürlich alle ohne Gepäck. Ich war sehr glücklich, als ich heil in Sitges angekommen war. Der weitere Verlauf der Küste ist stark verbaut aber immerhin gibt es mehr oder weniger schöne Radwege. Ein Highlight war der Naturpark Serra d’Irta südlich von Peñíscola. Zwar war alles Schotterpiste, aber die Landschaft sehr pittoresk. Vor allem früh am Morgen, als über dem Meer gerade die Sonne aufging und die felsigen Berge auf der anderen Seite angeleuchtet wurden. Ab Castello gab es bis Valencia fast nur noch Mandarinen- und Orangenplantagen.

Diese Stadt war eine wahre Überraschung. Ich liebe die Altstadt mit den Plätzen und den vielen historischen Gebäuden. In einem ausgetrockneten Flussbett befand sich ein schöner Park. Hier pulsierte das Leben. Bei einer Rundfahrt mit meinen Gastgebern durch Benidorm lernte ich, wie aus dem kleinen Fischerort diese Hotelhochburg entstanden ist. Es begann zu Francos Zeit, als Spanien noch sehr konservativ war. Dieser Region ging es wirtschaftlich nicht gut und sah eine Chance im Tourismus. Aber wie sollten sie die Mittel- und Nordeuropäer anlocken? Da hatte der Bürgermeister von Benidorm in den 1950er-Jahren die geniale Idee, schnappte seine Vespa und fuhr nach Madrid. Er sprach persönlich bei Franco vor und bat um die Erlaubnis, dass man in Benidorm mit einem Bikini (sonnen-)baden darf. Der Bitte wurde stattgegeben, was schließlich der Start für die explosionsartige Entwicklung des Fischerdorfes war. In Strömen kamen sie hauptsächlich von den britischen Inseln. Nicht nur das Wetter, auch die Preise waren hier viel besser. Das sind sie auch heute noch, darum ist der Ansturm immer noch sehr groß. Um genügend Übernachtungsplätze bieten zu können, hatte man, anstatt sich in die Breite auszudehnen und Ackerland zu verbauen, in die Höhe gebaut. Über 40 Stockwerke sind keine Seltenheit. Es sind 75.000 Einwohner gemeldet, im Sommer kommen zwei Millionen Touristen dazu. Das muss man sich einmal vorstellen! Nicht einmal zehn Kilometer entfernt liegt das kleine, schnuckelige Dörfchen Altea. Hier kann man dem Trubel in Benidorm entfliehen und romantisch essen gehen. Bei meinem Besuch waren die Straßen leer und fast alle Restaurants geschlossen. Nicht auszudenken, wie es hier im Sommer zugeht.

Die Autoschilder der Wohnmobile wechselten zwischen deutsch, britisch, holländisch, französisch und belgisch. An einem schönen Platz sah ich schon von Weitem solch ein riesiges, weißes Gefährt hervor blitzen. Das Durchschnittsalter der Insassen würde ich so auf 68 Jahre schätzen, die europäischen „Grey Nomads“, Rentner, die den Winter im Süden verbringen. Reiseradler sah ich dagegen erstaunlich wenige, zwei Paare und ein Belgier. Alle waren jünger als ich und alle waren in der Gegenrichtung unterwegs.

Richtig schön und fern ab von jeglichem Trubel wurde es westlich von Cartagena, ganz im Süden um Cabo de Gata. Auf einmal gab es kaum mehr Verkehr auf den kleinen Sträßchen. Dafür ging es ganz schön rauf und runter mit wunderbaren Ausblicken auf die strahlend blauen Buchten des Mittelmeeres. Vor Almeria war das Glitzern allerdings nicht immer Wasser, sondern die Plastikfolien der Gewächshäuser. Unglaublich, die ganze Gegend um die Stadt schien in Plastik eingewickelt zu sein. Ein Plätzchen zum Zelten war kaum mehr zu finden. Nach Adra ist es größtenteils zu felsig, um Tomaten oder sonstiges Gemüse anzupflanzen. Es gab wieder schöne Buchten und Meerblick. Vor Malaga fing die Autobahn an. Es gibt kaum ein Entrinnen. Nicht einmal ein breiter Seitenstreifen steht zur Verfügung. Da ich am Wochenende hier unterwegs war, war ich bei Weitem nicht die einzige Radlerin. Im Pulk schossen Rennradler an mir vorbei. Weg von der Autobahn ging es durch die Städte, die hier, je näher ich Gibraltar kam, immer mehr englisch angehaucht waren.

Die Spanier scheinen Ampeln zu lieben. Alle 50 Meter leuchtete es meist rot. Für Autos gab es wahrscheinlich eine grüne Welle. Wenn ich mich beeilte, schaffte ich vier Ampeln. Bei der fünften konnte ich mich dann wieder ausruhen.

Sehr erstaunt war ich, als ich bei der Einreise nach Gibraltar den Reisepass zeigen musste. Ob das wohl schon vor den Anschlägen so war?

Gibraltar besteht eigentlich nur aus dem riesigen Felsen und dem Hafen mit den super noblen Yachten. Natürlich muss die Stadt auch einen Flughafen haben. Der einzige mögliche Ort für eine Landebahn war quer über den Eingang zur Halbinsel. Deswegen kann es schon mal vorkommen, dass die Schranke geschlossen ist, wenn gerade ein Flugzeug starten oder landen möchte. Noch nie war ich mit dem Fahrrad über das Rollfeld gefahren.

Auf der anderen Seite der Bucht liegt Algeciras. Diese Stadt war eine prima Einstimmung auf Afrika und eine andere Kultur. Mit ihren Märkten und arabisch angehauchten Läden war sie anders als die spanischen Städte. Von hier aus ging es mit der Fähre nach Ceuta, der spanischen Enklave in Marokko. Ich war schon ganz aufgeregt. Denn nun würde es richtig spannend werden.

Die Vielfalt von Marokko

Am 26. Januar kam ich auf dem afrikanischen Kontinent an. Zuerst war ich allerdings noch in Europa, Ceuta ist eine spanische Enklave. Noch einmal konnte ich in den deutschen Supermärkten einkaufen.

Langsam wollte ich mich Afrika und Marokko nähern. Dann ging es doch sehr schnell. Auf der Suche nach einem Schlafplatz näherte ich mich immer mehr der Grenze. Plötzlich stand ich im Stau. Viele Menschen drängten nach Marokko, es war nur ein Hupen und Gedränge. Zum Umdrehen hatte ich keine Lust, also nichts wie weiter.

Zu Fuß und mit großen Plastiktüten drängten noch mehr Leute Richtung Ceuta, Spanien. Diese konnten die Grenze nicht so einfach passieren. Ich hatte das Gefühl, das ganze Elend Afrikas sammelte sich hier, obwohl es im Vergleich zu anderen Grenzen hier wahrscheinlich noch harmlos war. Möchte ich da durch? Soll ich jetzt überhaupt nach Afrika? Für solche Fragen war es jetzt reichlich spät. Also nichts wie durch. An der Grenze wurde ich freundlich und hilfsbereit empfangen. Schnell und unkompliziert bekam ich einen Stempel in meinen Pass. Drei Monate durfte ich hier bleiben.

Ein paar hundert Meter weiter war es vorbei mit dem Gedränge. Auf wunderbarer Straße ging es nur noch wenige Kilometer weiter. Hier wurde sehr viel in den Tourismus investiert. In einem relativ neuen Ort fand ich ein sehr neues Hotel, bekam für ein paar Euro ein riesiges Zimmer mit fast so riesigem Bad, mit Wi-Fi, sehr modern.

Ich war richtig glücklich, endlich in Afrika zu sein. Entlang der Küste nach Süden wurden neue Hotelanlagen und Ressorts gebaut. Sogar an Radwege haben sie gedacht. Nach Tétouan, der ersten größeren Stadt, änderte es sich. Auf einmal war viel Verkehr, Staub und die ersten Berge.

Mein erstes Ziel war das blaue Bergdorf Chefchauoan. Die Nacht hatte ich noch vor der Abzweigung und dem Anstieg verbracht. Früh am Morgen machte ich mich zu den ersten Bergen auf. Wieder einmal stellte ich mir die Frage, warum ich mir das antue. So früh am Morgen und so ausgeschlafen, wie ich war, nahm ich die Herausforderung gerne an. Es war erst Mittag, als ich oben angekommen war. Der Randbezirk der Stadt war nicht sehr attraktiv. Viel Lärm und Verkehr. Nachdem ich die Altstadt gefunden hatte, war mir klar, hier bleibe ich. Alles war ganz schön bunt, aber das hell strahlende Blau der Häuser dominierte. Das Fahrrad ließ ich lieber im Hotel, nachdem ich dieses glücklich gefunden und erreicht hatte. Durch die engen Gassen mit Stufen war ein Fahrrad eher hinderlich. Zu Fuß war es ein Vergnügen durch die Altstadt zu schlendern und die Handarbeiten und Teppiche zu bewundern. Auch zu essen fand ich mehr als genug. Es gab ein großes Angebot an süßem oder salzigem Gebäck.

Bevor die Händler ihre Waren in den engen Gassen auslegten, machte ich mich wieder auf den Weg. Zuerst ging es wieder den Berg hinunter, damit es später wieder hoch gehen konnte. Obwohl es noch nicht das „richtige“ Atlas-Gebirge war, bekam ich doch schon ganz schön Respekt vor den Bergen. Sehr steil führte es nach oben. Vor allem auf den kleineren Straßen waren den Steigungsgraden kein Limit gesetzt. Es war das erste Mal, dass Kinder die Möglichkeit hatten, hinter mir her zu rennen.

Mit drei Probleme von Marokko wurde ich von Anfang an konfrontiert. Erstens: der Müll. Alle Felder sind übersät von Plastiktüten und Plastikflaschen, die die Ziegen fressen und daran verenden. Ohne den ganzen Abfall könnte es so schön sein. Zweitens, die Dürre breitet sich sehr weit aus. Es wächst kaum mehr etwas. Ich hatte Probleme, Trinkwasser zu finden. Und drittens, die Perspektivlosigkeit und Armut: Bei einer Pause gesellte sich ein Mann zu mir. Er hatte einen Master in „Science“, fand aber keine Arbeit. Jetzt versuchte er, wie sein Nachbar, Oliven anzubauen. Bei der Dürre war das nicht einfach. Auf einer Schotterpiste kamen mir zwei Jungs entgegen. Beide hatten neugeborene Zicklein auf dem Arm. Sie wurden mir für 50 Cent angeboten. Aber was sollte ich denn mit Tieren? Sie sind bei der Mutter besser aufgehoben.

Schon von Weitem sah ich die Stadt. Der erste Anblick von Fes war nicht gerade berauschend. Satellitenschüssel an Satellitenschüssel auf den Flachdächern der eng aneinander gebauten Häuser. Nachdem ich gelernt hatte, dass mit „Medina“ Altstadt gemeint war und ich diese auch gefunden hatte, änderte sich mein Eindruck. Dort sah ich nicht mehr auf die Dächer. Kaum ein Sonnenstrahl kam in die engen Gassen. Überall wurden mir Zimmer angeboten. „Very cheap, very cheap!“ Vielleicht war es für Touristen sehr günstig. Ein junger Mann führte mich durch die Gassen zu einer Unterkunft. Radfahren ist hier verboten. Ich würde voll bepackt auch nicht durchkommen.

Fes ist unter anderem wegen seiner Lederwaren bekannt. Mitten im Ort ist die Gerberei. Von oben konnte ich in den Hof sehen und zuschauen, wie sie die Tierhaut gerbten und färbten. Das Ergebnis war wunderschön. Die Altstadt ist ein Labyrinth aus sehr vielen engen Gassen, in denen sogar das GPS versagt. Wie in jeder Touristenstadt läuft man hier durch ein Spalier von schreienden Händlern: „Madame, Madame …“. Erleichtert verließ ich die Stadt. Wie gut, wieder draußen in der Natur zu sein.

Allerdings hatte ich keine Ahnung, was mich erwartete. Nach Fes fing so langsam das „richtige“ Atlas-Gebirge an. Es ging hoch und immer höher. Auf 1.200 Höhenmetern wollte ich eigentlich nicht zelten. Ich dachte, es würde zu kalt werden. Fes liegt auf etwa 300 Höhenmetern. Also fuhr ich weiter, in der Annahme, es müsse doch auch wieder herunter gehen. Pustekuchen. 1.300, 1.400 Meter – schlussendlich habe ich irgendwo in den schönen Zedernwäldern, in dem ich nur Affen gesehen hatte, gezeltet. Menschen oder Autos kamen schon lange nicht mehr vorbei. Es wurde eine angenehm ruhige Nacht und überhaupt nicht kalt.

Auch am nächsten Tag ging es immer weiter hoch, bis auf über 2.000 Höhenmeter. Die Straßen durch die Skigebiete sind bei Schnee gesperrt. Obwohl Anfang Februar war, lag kein bisschen Schnee. Die Landschaft wurde immer schöner. Zwar wuchs kaum mehr etwas, aber die Erde hat verschiedene Farbtöne und zahlreiche Felsformationen. Von den Pässen hatte ich eine prima Aussicht über die kargen, rotbraunen Berge.

Auf kleinen Nebenstraßen kam ich in einen kleinen, absolut untouristischen Ort namens Boumia. Die Gegend war nicht gerade vertrauenerweckend. Auf der Polizeistation fragte ich nach einem Platz zum Zelten, obwohl ich schon vermutete, dass das hier wohl kaum möglich sein würde. Das wurde von den Polizisten bestätigt. Es gab nur ein Hotel. Es war ihnen fast peinlich, es einer Touristin anbieten zu müssen. Es sei sehr einfach und vielleicht nicht so sauber. Mir hatte es sehr gefallen, ich blieb gleich zwei Nächte. Das Zimmer ging direkt in einen Innenhof, der knallorange gestrichen war. Es war sauber und es gab sogar Wi-Fi. Dort konnte ich schön sitzen und arbeiten. Von meinem Verlag bekam ich den Auftrag, mein Script für das erste Buch zu kürzen. Deswegen war ich auf der Suche nach einem ruhigen, Ort, wo ich arbeiten konnte. Diese Stadt kam mir sehr gelegen, vor allem, da es hier diese fantastischen, marokkanischen Mandarinen gab.

Schön warm, und auf dem Ofen brutzelte das Tajine.

Langsam ging es tatsächlich in den hohen Atlas. Der Wind, natürlich Gegenwind, wurde immer stärker. Mühsam kam ich mit acht Kilometer pro Stunde vorwärts. Später hielten die Berge den Wind ab. Dann war aber kaum etwas von der geteerten Straße übrig. Ein Hochwasser hatte die ganze Fahrbahn weggespült. Auf einem kleinen Streifen konnte ich gerade noch mein Fahrrad schieben. Immer wieder musste ich einen Fluss überqueren. Nasse Füße waren in dieser Höhe und Kälte auch nicht sehr angenehm. Ich war kaum mehr unter 2.000 Höhenmetern. Immer wieder kamen kleine „Berber-Homestays“, sehr einfach, aber in dem Zimmer mit dem traditionelle Ofen konnte ich mich aufwärmen. Zum Abendessen konnte ich Tajine bekommen. Auf dem Keramikteller mit Spitzhut wurde sehr gesund langsam meist Gemüse, Fleisch und Kartoffeln gegart oder Couscous gemacht. Allerdings dauerte es bis zu zwei Stunden, bis es fertig war. Nichts für hungrige Fahrradfahrer. Fast jedes Haus, das ab und zu auftauchte, war so eine Berber-Herberge.

Die Ruhe und Abgeschiedenheit oben auf den kargen Berge hatte ich sehr genossen und der Blick war grandios. Jetzt war ich wirklich im Hohen Atlas, auf 3.000 Höhenmetern. Höher ging es kaum mehr. Weiter ging es. Ich wollte unbedingt zur Dades-Schlucht. Dafür nahm ich einige Pässe und kilometerlange Schotterpisten in Kauf. Ich wurde mit gigantischen Ausblicke über die grau-braune Bergwelt belohnt. Auf der anderen Seite des Passes, in einer tiefen Schlucht, begegneten mir nach 50 Kilometern die ersten Menschen, zuerst ein alter Berber. Sein rotbrauner Djellaba, der traditionelle lange Mantel, passte gut zu den rot leuchtenden Felsen. Sein Lächeln war fast zahnlos.

Auch wenn es noch so traumhaft war, es war noch nicht die Dades-Schlucht. Die Gegend ist fast unberührt und überhaupt nicht touristisch. Mit Wohnmobilen kommt man kaum hierher. Teilweise konnte der Fluss Dades nur für sich einen schmalen Durchgang in die Felsen waschen. Die Straße musste abenteuerlich über die Felsen geleitet werden.

Dann endlich stand ich oben und blickte in die Dades-Schlucht. In eng umschlungenen Schlangenlinien zog sich die Straße wie ein grauer Wurm über den roten Abhang nach unten. Hier oben knabberte ich mein letztes Stück Schokolade. Da kam doch tatsächlich ein Fahrradfahrer hoch. Schwer atmend, aber total stolz und glücklich, dass er ganz hoch gefahren war. Von anderen Touristen wurde er angefeuert und beklatscht. Der Radler war nur auf einem Tagesausflug. Sein Auto stand auf einem Campingplatz 40 Kilometer entfernt. Seine Bemerkung, dass er am Abend koche, hat mich dazu animiert, mir den Campingplatz wenigstens einmal anzuschauen.

„Campingplatz” war für europäische Verhältnisse etwas hoch gegriffen, aber wir sind hier ja in Afrika. Er liegt gegenüber der „Affenpfote“, „Pattes de Singe“, so auch der Name des Campingplatzes. Jörgs ausgebauter Bus war das Einzige, was auf dem Hof stand. In dem kleinen Häuschen wohnte Said mit seiner Familie. Vor dem Haus unter einem Dach standen Tische und Bänke, hinter dem Haus waren Zimmer zu vermieten. Ich konnte irgendwo mein Zelt aufstellen. Das war der Ort den ich suchte. Hier wollte ich länger bleiben und an meinem Buch arbeiten. Da es immer kälter wurde, war mir eh nicht nach weiterfahren. Von der Berberfamilie bekam ich einen Djellaba, diesen langen Mantel. Der war sehr warm, nur zum Radfahren wäre er äußerst unpraktisch.

Eines Morgens wachte ich auf und alles war weiß. Eine etwa 15 Zentimeter hohe Schneeschicht bedeckte mein Zelt und Fahrrad. Welch Glück ich hatte!! Ich war so froh, hier zu sein und nicht irgendwo im Hohen Atlas, wo jetzt kein Durchkommen mehr war. Bei meiner Berberfamilie und den zwei Gästen, Jörg und Paul, war ich gut aufgehoben und konnte sogar den Schnee genießen. Für Fatima, die 14-jährige Tochter der Familie, war es das erste Mal, dass sie einen Schneemann bauen konnte. Es schneit hier ab und zu, aber dieses Mal blieb der Schnee auch liegen.

Über die Berge zur Dades-Schlucht

Nach elf Tagen hatte ich vorerst die Arbeit an meinem Buch abgeschlossen und konnte den Campingplatz „Pattes de Singe“ wieder verlassen. Es war wirklich zu schön hier, für mich der beste Platz zum Arbeiten. Ich wurde gut bekocht, hatte sehr nette Gesellschaft, und wenn ich mal nicht hinter dem Computer saß, gab es genug andere Aktivitäten. Wir wanderten in den Schluchten oder gingen auf den Märkten oder in der nächsten Stadt einkaufen. Ganz selten wurde das Fahrrad hervorgeholt.

Nach den Tagen ohne viel Radfahren war ich wieder ganz wild darauf und beschloss, über den Atlas nach Norden Richtung Marrakesch zu fahren.

Inzwischen hatte ich schon viele Kasbahs gesehen. Diese Wohnburgen oder Festungsanlagen waren nur aus Stroh und Lehm gebaut. Auf der „Straße der Kasbahs” bei Quarzazate im Süden Marokkos kam eine nach der anderen. Die meisten wurden wieder neu hergerichtet. Eine der berühmtesten und größten Anlage ist die Kasbah Aït Ben Haddou. Sie ist nicht nur Weltkulturerbe, sondern war auch Kulisse für so manchen Film. Die rotbraunen, gigantischen Mauern geben in der bergigen Landschaft ein fantastisches Bild ab.

Um nach Marakesch zu kommen, musste ich wieder auf die nördliche Seite des Atlas, also wieder in die Berge. Ein junges Paar mit Mietwagen fuhr ein Weilchen neben mir her. Das mochte ich nicht so sehr. Später warteten sie oben auf einem Berg mit Wasser und Schokolade. Das gefiel es mir natürlich schon besser. Auch die Aussicht, die verschiedenen Farben der Felsen und das Grün in der Täler war grandios. Das ließ so manche Widrigkeiten vergessen, selbst als der Teer aufhörte. Diesmal ging es über den Tizi n’Tichka-Pass auf 2.260 Höhenmeter und somit in den Schnee. Das gute an einem Pass ist, dass nach der beschwerlichen Auffahrt eine Abfahrt folgt. Hier war sie gigantisch lang. Wieder schlängelte sich die Straße wie ein graues Band hinunter ins Tal.

In der Nacht vor Marrakesh fing es an zu regnen. Oben in den Bergen hatte es geschneit und der Pass war gesperrt, wieder einmal Glück gehabt. In einem Vorort von Marrakesch konnte ich mich an einer Bäckerei vor dem Regen unterstellen. Es war nicht nur warm, sondern roch auch sehr gut. Noch dazu bekam ich gleich einen Tee angeboten.

In der Stadt sah ich einen Hamam. Kann es etwas Besseres geben, bei einem so nasskalten Wetter? Nachdem ich ein nettes, kleines Hotelzimmer gefunden hatte, schnappte ich mir gleich Handtuch und Seife und machte mich in das Dampfbad auf. Da stand ich nun, nackt mit einem Eimer, Schöpfer und Abschrubb-Handschuh. Am Samstagnachmittag war das Bad voll. Mütter schrubbten ihre Kinder ab. Und nun? In Istanbul war ich schon einmal in einem Hamam. Da wurde ich aber nicht so allein gelassen. Eine Besucherin, die das wohl auch einmal die Woche machte, nahm sich meiner an. Die Berber kannten keine Dusche. Einmal in der Woche Hamam, das reichte. Dann ging es aber heftig zur Sache. Ich sei ja ganz schön dreckig, meinte sie. Natürlich, ich schrubbe mich auch nie so ab. Danach wurde ich mit Zitrone abgerieben. Man kann sich vielleicht vorstellen, wie höllisch weh das tat. Aber es soll ja gesund und gut für die Schönheit sein.

Die Gassen in Marrakesh waren nicht ganz so eng wie in Fes. Ab und zu gab es Plätze, in die Sonne und Licht gelangten. Ich konnte mich viel besser orientieren. Die ganze Altstadt wurde erfüllt von verschiedenen Düften. Nicht ganz angenehm war der Geruch der Pferdekutschen. Das Grillfleisch roch wesentlich besser. Aus den Patisserien kam ein süßlicher Geruch, der sich mit dem Duft von frischem Brot und Gewürzen abwechselte. Ganz benommen kam ich am Abend wieder ins Hotel.

Von Marrakesh fuhr ich schnurstracks nach Essaouira ans Meer. Für mich war das Wasser viel zu kalt zum Schwimmen. Nur Kite-Surfer tummelten sich in den Wellen. Auch hier gab es eine schöne Altstadt, weit kleiner als in Fes oder Marrakesch. Außerhalb der Stadt verbreiteten sich auf den Feldern die Plastiktüten, die der Wind schön verteilte. Oft war es das Einzige, was Schafe und Ziegen zu fressen fanden. Abseits der Städte, in denen es Supermärkte gab, kam die Schönheit der Landschaft wieder mehr zur Geltung. Olivenhaine und Arganbäume säumten die Steilküste. Kaum aus Guelmim, dem Tor zur Sahara, heraus, traf ich den ersten Reiseradler. Er war von Südafrika im Gegenwind nach Norden gefahren. Vielleicht käme ich dann auch entlang der Westküste nach Südafrika? Noch gab ich die Hoffnung nicht auf.

Endlich in der Wüste, unglaublich diese endlose Weite. Bei Sonnenuntergang mit Rückenwind wollte ich gar nicht mehr aufhören zu fahren. Der Rückwind hielt an, die Kilometer flogen nur so an mir vorbei. Über 100 Kilometer am Tag waren normal. Am ersten Tag in der Wüste traf ich Giuseppe, einen italienischen Radfahrer. Er wollte bis Dakhla. Gleich in der ersten Stadt bemerkte ich die Vorteile eines männlichen Begleiters. Wie üblich wurden wir von Jugendlichen belagert. Ich wurde erstaunlicherweise in Ruhe gelassen. Giuseppe bekam alles ab. Man sprach nicht mit der Frau, wenn ein Mann dabei war. Am zweiten Tag gesellte sich ein Radfahrer aus Berlin zu uns. Da waren wir zu dritt. Ich war froh über die Unterhaltung in der Einöde. Die Frage, wo wir übernachten sollten, nahm uns die Polizei oder Militär ab. Sie hatten kein Interesse, dass Fahrradfahrer hier, überhaupt im Gebiet der Westsahara, wild zelteten. „Zu Ihrer Sicherheit!“ In diesem umstrittenen Gebiet der Westsahara gab es alle ein bis zwei Kilometer Wachposten. Für uns war das prima. Wir hatten am Abend eine nette Unterhaltung und konnten vor allem Wasser bekommen. Die Wachposten entlang der Küste hatten die beste Aussicht und die romantischsten Sonnenuntergänge. Meine beiden Begleiter wollten nur bis Dakhla, der letzten größeren Stadt in Marokko (Westsahara) und mit den Bus wieder zurück. Mein Aufenthalt in dieser Stadt wurde durch einen unangenehmen Zwischenfall um einen Tag verlängert.

Bei der Polizeikontrolle am Ausgang von Dakhla wurde ich wie üblich gestoppt. Als sie alle meine Daten notiert hatten, schob ich mein Fahrrad über die Straße. Auf der anderen Straßenseite parkte ein großer Touristenreisebus. In diesem Moment fuhr er los, wie üblich ohne zu schauen. So schnell konnte ich gar nicht reagieren. Mein Vorderrad war sofort unter dem Bus. Zuerst sah es gar nicht so schlimm aus. Ich dachte, es sei nur ein starker Seitenschlag. Die Halterungen der Radtasche erfüllte auch nicht mehr ihren Zweck. Aber irgendwie würde ich das schon reparieren können – dachte ich. Der Chefpolizist fragte mich, ob ich Anzeige erstatten wolle. Natürlich! Auch wenn der Schaden nicht wirklich ersetzt werden konnte. Zu viele Radfahrer kommen durch so blödsinniges Verhalten ums Leben. Ich musste immer höllisch aufpassen, wenn ich ein Fahrzeug überholte. Mal ging die Tür auf oder sie fuhren einfach los. Später stellte ich fest, dass das Vorderrad nicht nur einen Seitenschlag hatte, sondern einen richtigen Knick, den man nicht reparieren konnte. Der Busfahrer war inzwischen weiter gefahren. Ein Polizist vom „Service des accidents de la circulation“, Service für Verkehrsunfälle, kam gerade vorbei und meinte, ich solle es in Dakhla reparieren oder ersetzen lassen und ihm die Rechnung vorbei bringen. Das Ausmaß der Tragödie wurde erst später sichtbar, als ich meine Vorderradtaschen ausräumte, um einen Kaffee zu machen. Alles war gefaltet, verbogen oder zerbrochen. Es war gar grausig. Der Topf mit Kessel und die Benzinflasche von meinem Kocher waren platt, der Kocher selbst auch. Kaum eine Wäscheklammer war mehr heil. Oje! Keinen Kocher – das ging gar nicht! Ohne die Möglichkeit meinen Morgenkaffee zu kochen, wollte ich nicht losfahren. Tags zuvor hatte der Mann vom Campingplatz auf einem kleinen Campinggaskocher Tee gekocht. Sofort fragte ich, ob es Kocher hier zu kaufen gab. Ja, meinte er, aber er habe noch einen alten, den könnte ich gerne haben, ich müsse nur Kartuschen kaufen, die bekäme ich aber überall. Uff, das erste Problem war gelöst.

Rast zwischen Marrakesh und Essaouira

Unglaublich, wie immobil ich ohne Fahrrad war. Wie käme ich jetzt die sechs Kilometer in die Stadt? Das erste Mal auf meinen Reisen musste ich ein Taxi nehmen. Das hatte den Vorteil, dass der Fahrer mich direkt vor eine Fahrradreparaturwerkstatt fuhr. Sofort bekam ich eine neue Felge und Speichen, leider nicht in der Länge, dass meine alte Nabe gepasst hätte, darum auch eine neue Nabe. Kostenpunkt 15 Euro! Insgesamt, mit Einspeichen. Zwei Häuser weiter konnte ich Löcher in meine Fahrradtasche bohren lassen, damit ich die abgebrochene Halterung wieder neu anschrauben konnte. Mit der Wasserdichtigkeit war es eh dahin, darauf brauchte ich jetzt nicht mehr zu achten. Einen Wasserkessel, eine Tasse und Kartuschen fand ich auch sehr schnell.

Wesentlich länger dauerte es bei der „Service des accidents de la circulation“. Der Chef war nicht da. Ich wurde von einer auf die andere Stunde vertröstet. Schließlich waren um 19:30 Uhr der Chef und der Busfahrer da. Ich hatte nur Belege von etwa 200 Dirham (marokkanische Währung), etwa 20 Euro. Es war ja nur eine temporäre Lösung. Um die Dinge in Deutschland in der gleichen Qualität zu ersetzen, würde es mich sicher 300 Euro kosten. Der Busfahrer gab mir schließlich nur 150 Dirham für das Vorderrad und ging. Der Chef vom „Service des accidents de la circulation“ saß nur daneben, als ob ihn das alles gar nichts anginge. Somit hatte ich wieder einiges gelernt, war froh, dass mir nichts passiert war und dass ich alles soweit ersetzen und am nächsten Tag weiter fahren konnte. An der Polizeikontrolle, dem Ort des Geschehens, war ich jetzt bekannt, ich konnte weiter fahren.

Im Gegenwind ging es die 40 Kilometer zurück auf die Nationalstraße. An der Tankstelle an der Einmündung gab es zuerst einmal eine Belohnung. Auf einmal kam die Königliche Eskorte vorbei: vorn vier BMW-Motorräder und hinten vier. Dazwischen die neuesten Jeeps. Ich fragte den Mann neben mir, ob das der König sei. „Nein, das ist der kleine Prinz, geht wahrscheinlich wieder surfen. Der König ist in den USA bei Obama.“

Auf der N1 wendete sich das Blatt. Ich hatte fantastischen Rückenwind und wurde wieder nur so durch die Wüste geblasen. Meine schlechte Laune blieb dabei auch auf der Strecke. Zur Belohnung und da ich noch einige Dirhams hatte, gönnte ich mir bei meiner letzten Nacht in Marokko das Hotel „Barbas“, ein Treffpunkt für Reisende, Saharadurchquerer. Abenteuerlich aussehende, riesige Wohnmobile standen davor. Es war eine fantastische Informationsaustauschstelle.

Durch Mauretanien nach Dakar

80 Kilometer bis zur Grenze. Zuerst war es sehr schön, durch die weißen Sanddünen zu fahren. Dann kam der Sandsturm. Die Grenzstadt sah ich erst, als ich dort war.

Die Ausreiseprozedur aus Marokko war unkompliziert. Die anschließenden 4,5 Kilometer Niemandsland hatten es dafür in sich. Wenn ich nicht im Sand stecken blieb, ging es über Felsen. Es gab keinen offiziellen Weg. Jeder fuhr da, wo er gerade durchkam. Ich sah überhaupt nichts, wartete bis wieder ein Fahrzeug kam und fuhr diesem solange hinterher, wie es ging. Überall standen alte Autowracks herum. Hier muss man keine Strafe zahlen. Man hat das Auto aus dem einen Land ausgeführt, aber in das andere noch nicht eingeführt. Teilweise wohnen Leute in den Überresten.

Kleine Farm in der Wüste

Das Visum für Mauretanien, ein ganz modernes, biometrisches Visum mit Foto und Fingerabdrücken, bekam ich an der Grenze. Das dauerte etwas länger. Wobei ich noch froh sein konnte, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Alkohol ist in dem islamischen Staat Mauretanien verboten. Alle Fahrzeuge wurden untersucht. Stunden später war ich durch und fuhr gleich weiter. Der nächste Polizeiposten kommt bestimmt. Hier durfte ich nur weiterfahren, wenn ich die nächste Polizeikontrolle erreichte.

Der Wind stand jetzt nicht mehr so günstig. Ständig hatte ich Sand in den Augen. Hier versank wirklich alles im Sand. Ich war heilfroh, als endlich die Kontrolle kam. Als ob es eine Strafe wäre, sagten sie mir, ich dürfe nicht weiterfahren. Dabei hätte ich sie dafür umarmen können. Hinter dem kleinen Gebäude konnte ich auf einem wunderbar windstillen Plätzchen mein Zelt aufstellen. Neben der Straße standen ein paar Strohhütten im Sand. Das sollten Läden sein? Von einem jungen Mann wurde ich sehr freundlich bedient. Nur hatte er nicht viel anzubieten. Zumindest gab es leckere, kleine Stangen Brot, die er auf Wunsch sogar mit Butter bestrich.

Weiter im Sand und Wind. Jeden Tag Sandsturm, das konnte ja heiter werden. Meine Zähne müssten bei dem andauernden Sandstrahler total weiß sein. Es gab hier nicht, wie in Marokko die bunten Farbtupfer der Plastiktüten, die der Wind überall hin trug. Beim Einkaufen bekam ich eine Papiertüte, keine Plastiktüte.

Am Abend ließ mich die Polizei noch ein Stück weiter ziehen, nachdem ich versprochen hatte, in einer Herberge ihres Vertrauens zu nächtigen. Zwischen Ziegen und Kamelen standen eine paar Wellblechhütten. Ansonsten gab es den üblichen Sand. Große Tanklastzüge füllen Wasser in riesige Wasserkissen. Davon werden nicht nur die Tiere versorgt. Zum Fressen gibt es Trockenfutter, für die Leute Reis. Wenn ich Glück hatte, fand ich eine Konservendose mit Obst oder Gemüse. Selten hatte ich in einem Land eine so magere Auswahl an Nahrungsmittel. Ich musste allerdings bedenken, ich war hier noch mitten in der Wüste. In einer Wellblechhütte konnte ich schlafen. Sie war gerade groß genug, dass mein Fahrrad und Zelt hinein passten. Nachdem ich gesehen hatte, welche Käfer hier herumkrabbelten, war es eine weise Entscheidung, mein Zelt aufzubauen.

Größtenteils war die Straße in einem weit besseren Zustand, als ich zu hoffen gewagt hatte – sofern ich sie überhaupt gesehen hatte. Im Gegensatz zu mir schien der Wind nie müde zu werden. Ein großer, schwarzer Toyota SUV überholte mich. Der Beifahrer hielt mir eine Wasserflasche entgegen. Danach kam eine Tüte mit Croissants! Woher er die wohl hatte, inmitten der Wüste! Zum Abschluss gab es einen halben Liter Milch. Ging es mir mal wieder gut.

Den letzten Tag vor Nouakchott, der Hauptstadt von Mauretanien, gab es so viel wie zuvor: nämlich nichts! 166 Kilometer, meine bisher längste Strecke. Zur Belohnung konnte ich es mir in einem Beach Ressort kurz vor der Stadt, richtig gut gehen lassen. Nachdem ich drei Tage nur Wüstenbewohner sah, die gerade mal eine Schüssel Reis hatten, frönte man hier der kulinarischen Leckereien. Als ich einen riesigen Teller mit Hähnchenspießen, Pommes frites, Reis, Ratatouille und Salat sah, konnte ich nicht umhin, mir auch einen zu bestellen. Das war wirklich das Beste, was ich seit Langem gegessen hatte. Nach 166 Kilometern schmeckte mir eh so ziemlich alles. Der Inhaber war Franzose und seit zehn Jahren schon hier in seinem Paradies. Er meinte, es sei hier sehr sicher. Als ich die Polizeistreife sah, die vor dem Ressort stand, fragte ich mich, worauf beruhte die Sicherheit und was kostete sie?

Gut erholt kam ich in die Hauptstadt, eine der schlimmsten Städte Afrikas. Der Verkehr war furchtbar. Jeder fuhr alles, was irgendwie noch ansprang. Verkehrsregeln schien es nicht zu geben. Weder der Sand noch der Wind blieb vor den Toren der Stadt. Die Hauptstraße zog sich wie ein dunkles Band durch die Stadt, daneben war, wie im Rest vom Land, Sand. Ich steuerte gleich die nächste Herberge „Sahara” an und blieb. Der Innenhof war wie eine Oase der Ruhe. Auf dem Dach konnte ich zelten. Nur zum Einkaufen verließ ich mein Refugium. Es gab tatsächlich wieder Obst und Gemüse.

Nouakchott wurde erst 1960 gegründet. Es gibt keine historischen Bauten oder Denkmäler, die ich mir anschauen musste. Ich blieb nur einen Tag, sonst wäre es vielleicht noch langweilig geworden. Als ich weiterfuhr, merkte ich, dass es wirklich das Beste war, den Ruhetag im Innenhof der Herberge zu verbringen. Es war pures Abenteuer, das reinste Chaos. Zuerst quetschte ich mich am Markt vorbei, wo zerbeulte Kleinbusse und Eselkutschen sich den Weg versperrten und gar nicht erfreut waren, dass ich da jetzt auch noch durch wollte. Auf der Straße lag so viel Unrat, dass ich nicht erkennen konnte, ob sie darunter geteert war. Irgendwie wurschtelte ich mich durch und war froh, dass nur eine Plastikwasserflasche abhanden gekommen war. Danach ging es durch Slum-Gegenden, „private Müllverbrennungen“ bis ans Meer, wo Industrie angesiedelt war – und der Hafen natürlich. Ich war richtig froh, später wieder auf der Nationalstraße zu landen. Am Anfang kam alle zehn Kilometer eine Polizeikontrolle. Als ich 100 Kilometer hatte, war meine Fahrt vorbei. Die Polizei stoppte mich. Ob ich noch 50 Kilometer bis zum nächsten Checkpoint fahren möchte? Obwohl es noch relativ früh war, wollte ich nicht. Es waren wieder um die 43 Grad Celsius. Ich hatte genug für heute und machte früher Schluss.

Zum Grenzübergang nach Senegal bei Diama führte eine perfekte, neue Straße. Traumhaft! Kein Verkehr, beste Straßenverhältnisse, wunderbare hügelige Landschaft, rote Sanddünen, karge Bäume. Nach 33 Kilometern, am Senegal-Fluss, hörte der Teer auf. Ich fuhr fast wie auf einem Damm. In der Regenzeit ist alles Matsch, da ist kein Durchkommen. Jetzt war es nur schön, auf einmal auch wieder sehr eben. Der Fluss ist das Ende der Sahara. Nach etwa 2.800 Kilometern endlich wieder ein bisschen Grün! Plötzlich raschelte es im Schilf. Ein riesiges Warzenschwein tauchte auf und rannte ein Stück neben mir her, dann vor mir über den Weg. Kurz darauf kam die Mama mit den Kleinen hinterher. Wenn ich jetzt schon bei den eher harmlosen Tieren Angst bekomme, brauche ich ich erst gar nicht weiter zu fahren, sagte ich mir.

Im Nationalpark Diawling war es so schön und ruhig, dass ich hier zelten wollte, bevor ich über die Grenze in den Senegal fuhr. Auch hier gab es einen Polizeiposten, sie hatten nichts dagegen, dass ich blieb. Anfang April ist Nebensaison. Fast alle Zugvögel nach Europa waren schon weg. Im Vergleich zur Wüste bemerkte ich immer noch viele Vögel. Dann waren es nur noch zehn Kilometer auf bester gewellter Piste und Sand bis zur Grenze. Die Ausreise aus Mauretanien dauerte etwas länger. Die Beamten sprachen nicht sehr gut Englisch. Ich befürchtete schon, sie wollten mein Gepäck untersuchen. Dabei hätten sie womöglich mein Pfefferspray entdecken können. Sie ließen mich dann so ziehen. Das war das einzige Mal, dass ich an einer Grenze an mein Pfefferspray dachte.

Senegal

War das einfach! Warum kann es nicht immer so sein? Das Visum für Senegal ist ein Stempel in den Reisepass. Und der ist gratis! Drei Monate konnte ich nun in dem Land bleiben. Ich konnte es kaum glauben.

Die erste Stadt im Senegal war Saint-Louis. Nach vier Wochen in der Wüste hatten der Verkehr und die vielen Leute mich total überfordert. Vor allem der viele Dreck und die unglaubliche Anzahl der bettelnden Kindern machten mich fix und fertig. Mich hielt hier nichts; ich fuhr sofort in die legendäre Zebrabar, zwanzig Kilometer südlich, weiter. Dort im Nationalpark Langue de Barbarie konnte ich mich zwischen vielen bunten Vögeln und Affen fantastisch erholen. Der Campingplatz ist ein Tummelplatz für Afrika-Reisende, schon fast ein Muss für alle, die mit irgendeinem Gefährt durch Senegal kommen. So bekam ich auch gleich ein paar brauchbare Informationen, zum Beispiel, dass ich mein Visum für Mali an der Grenze bekomme. Reiseberichte bestätigten mir dies. Je mehr Reisende ich traf, die von Südafrika nach Norden fuhren, desto optimistischer wurde ich, dass ich es in den Süden schaffen würde. Wie ich die unterhaltsamen Abende beim Bier mit anderen Reisenden genossen habe! Mir war klar, so etwas würde ich entlang der Westküste nicht oft haben.

Gerade als ich feststellte, ich müsste gar nicht nach Dakar, da ich mein Mali-Visum an der Grenze erhalten würde, bekam ich eine Einladung in die Hauptstadt. Um die Nationalstraße wenigstens ein Stück zu meiden, fuhr ich auf der Küstenstraße. Am Anfang war es fantastisch, dann wurde es immer sandiger. Vor Potou, die Stadt der Zwiebeln, war nur noch Schieben angesagt. Zwei Stunden und zwanzig Minuten habe ich für die 17 Kilometer gebraucht. Ich würde mich trotzdem wieder für diese Strecke entscheiden, weil sie einfach sehr interessant war. In Kébémer ging eine Straße nach Lompoul ab. Von dort soll es eine neu geteerte Straße nach Mboro geben. Die war zwar auf keiner Karte zu finden, aber ich dachte, im schlimmsten Falle muss ich halt wieder umdrehen. Bei Sonnenuntergang traf ich in Lompoul ein und sah Ranger von der „Eco Lodge“. Sie bestätigten mir, dass in fünf Kilometern die Straße abzweige. Da ich nicht weiter wollte, auch nicht in die „Eco Lodge“, hat der Sohn des „Chef de Village“ mir erlaubt, neben seiner Hütte zu zelten. Natürlich musste ich am Abend, als der Chef wieder da war, persönlich vorstellig werden. Nach einer Begutachtung gab er mir seine Zustimmung. Danach kroch ich sofort in mein Zelt.

Am nächsten Morgen war ich der glücklichste Mensch der Welt. Das kam auf Reisen sehr oft vor. Es war einfach wieder so fantastisch. Wegen der vielen Eukalyptusbäume roch es wie in Australien. Dazu die rote Erde! Die neue Straße war vom Feinsten. Es gab keinen Verkehr. Die Kinder waren noch total unverdorben, sehr nett, interessiert, aber zurückhaltend. Auch hier ließ mich der Rückwind nicht im Stich. Am Nachmittag war ich praktisch schon in Dakar, aber erst am Abend bei meiner Gastfamilie. Unglaublich diese Stadt. Dafür gab es dann ein prima Essen und guten Wein. Das einzige, was ich hier noch sehen wollte, war der westlichste Punkt Afrikas. Dieser war praktisch gleich um die Ecke. Zu mehr konnte ich mich nach den 158 Kilometern vom Vortag nicht aufraffen. Leider gab es bei diesem Landmark nicht viel zu sehen. Er war auf dem Territorium des Club Mediterrane. Auch sonst sind nur einige Luxus-Hotels drumherum. Kein Schild „Sie stehen am westlichsten Punkt“, vor dem ich hätte posieren können.

Nach nur zwei Nächten verließ ich Dakar wieder. In der Annahme, ich müsse hier keine Visa besorgen, hielt mich hier nichts mehr. Ich ziehe die Natur jeder Großstadt vor. Leider, wie es sich später herausstellte, war es doch etwas zu früh. Zeitig am Morgen ging es noch in der Kühle sehr flott aus der Stadt. Kaum hatte ich die touristischen Gebiete verlassen, türmte sich der Müll. Wie in anderen Ländern bekommen auch hier die Tiere den ganzen Müll zu fressen. Je weiter ich mich vom Meer entfernte, desto heißer wurde es. Anstatt von Nordwest kam jetzt ein gnadenlos heißer Wind von Südost, Gegenwind! Die Temperaturanzeige auf meinem Fahrradcomputer stieg auf über 50 Grad. Ich musste viele Pausen machen und viel trinken. Dann endlich die Abzweigung nach Saly, Richtung Meer. Auf einmal blies mir ein angenehmer frischer Wind entgegen und plötzlich machte das Radfahren wieder richtig Spaß. Dank einer Freundin hat ein Franzose mir eine neue Aufhängung für die Fahrradtasche, die bei meinem Busunfall beschädigt wurde, mitgebracht. Sonst wäre ich wahrscheinlich nicht in dieses Touristenzentrum gefahren. Nachdem ich Eric getroffen und die Aufhängung bekommen hatte, bedankte ich mich, fuhr aber gleich weiter. Die Hotelburgen zogen sich noch einige Kilometer hin. Dann fand ich tatsächlich noch ein ruhiges Plätzchen zum Zelten. Auch hier sollte ein Feriendomizil entstehen. Noch füllten das ganze Areal riesige, alte Baobabs und Mangobäume. Immerhin gab es schon einen Wachposten, der mich unter den Mangobäumen bei seinem Haus zelten ließ. Die einzigen Lebewesen außer uns waren grüngelbe Echsen, die die Bäume rauf und runter huschten.

Überall war das Interesse der Kinder groß

Größter Baobab Senegals